Erwachsenenbildung und Behinderung - Lernen am Computer - Jahrgang 24 Heft 1: April 2013 - Chancen und Grenzen für Menschen mit Behinderung - GEB

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Erwachsenenbildung und Behinderung - Lernen am Computer - Jahrgang 24 Heft 1: April 2013 - Chancen und Grenzen für Menschen mit Behinderung - GEB
ISSN 0937-7468

Erwachsenenbildung
und Behinderung
                                           Jahrgang 24
                                      Heft 1: April 2013

                   Lernen am Computer

      Chancen und Grenzen für Menschen mit Behinderung
Die Abbildung auf der Titelseite zeigt die Startseite
des Lernportals www.ich-will-lernen.de des
Deutschen Volkshochschulverbands e.V. (DVV).
Das Lernportal bietet u.a. tutorenunterstützte
Lektionen zu den Themen Lesen, Schreiben und
Rechnen.

                             Erwachsenenbildung und Behinderung 1/2013
Inhaltsverzeichnis

Editorial
Eduard Jan Ditschek und Werner Schlummer: Lernen am Computer                           2

Schwerpunktthema
Eduard Jan Ditschek: Computer und Internet für alle                                    3
Tobias Bernasconi: E-Learning für Menschen mit geistiger Behinderung in der
Erwachsenenbildung                                                                     6
Peter Zentel: Medienbildung für erwachsene Menschen mit geistiger Behinderung         12
Ingo Bosse: Computerkurse für Erwachsene – ein theoretisch fundierter Praxisbericht   18
Michael Staudt: Lerninseln und Lernen von zu Hause aus. Technologiegestützte
Lernangebote an der Volkshochschule Kaiserslautern                                    26
Karl Bäck: Wir fangen einfach an... – mit atempo zu Computer und Internet             32
Amund Schmidt: Bildungsangebote für alle im Stadtbezirk. Das Projekt ERW-IN
in Berlin und die Chancen des E-Learnings                                             37

Kontext Erwachsenenbildung
Axel Fründ/Gerold Haug/Walter Banner: Verständigung und Kommunikation im
Erwachsenenalter – Eindrücke zur Rothenburger Tagung 2012                             40
Uwe Morga: Unterstützte Kommunikation: Bilderbuch-Betrachtung und Musizieren          46

Internationales und Veranstaltungen
Veranstaltungshinweise                                                                47

Materialien und Medien
Buchbesprechungen                                                                     49

In eigener Sache
Mitgliederversammlung 2013 der GEB                                                    51
Mitgliedschaft                                                                        52

Impressum

Erwachsenenbildung und Behinderung 1/2013                                                  1
Editorial

                                     Lernen am Computer

Werner       Die Gesellschaft Erwachsenenbildung         tet sind die weiteren Beiträge von Ingo
Schlummer    und Behinderung (GEB) hat sich seit         Bosse, der theoretisch fundiert über seine
             ihrer Gründung immer wieder mit neuen       Forschungsarbeit bei „Bethel.regional“
             Technologien im Zusammenhang mit            berichtet, von Michael Staudt, der Tech-
             Erwachsenenbildung befasst (vgl. diese      nologie gestützte Lernangebote an der
             Zeitschrift Heft 1/1997: „Mit Maus und      VHS Kaiserslautern beschreibt, von Karl
             Monitor“ und „Schräge Reihe“, Bd. 9:        Bäck, der unter anderem Möglichkeiten
             „Leben und Lernen mit Medien“, 2005).       zertifizierter Computer-Schulungen für
             Für die GEB war und ist dies Ausdruck       Menschen mit Lernschwierigkeiten bzw.
             ihres ganzheitlichen Bildungsverständnis-   geistiger Behinderung aufzeigt, und von
Eduard Jan   ses, wie sie es u. a. im Berliner Mani-     Amund Schmidt, der Chancen inklusiven
Ditschek     fest 1995 zum Ausdruck gebracht hat.        E-Learnings verdeutlicht.
             Computer und Internet sind Geräte und
             Medien, die „das Lernen mit Kopf,           Die Rubrik „Kontext Erwachsenenbil-
             Herz und Hand“ (Pestalozzi) in beson-       dung“ erinnert durch ihre Beiträge an die
             derem Maße fordern und fördern. Dabei       Jahrestagung 2012 der GEB in Rothen-
             verschiebt sich der Schwerpunkt des         burg o. d. T. Hier berichtet auch Uwe
             Lernens heute immer stärker von der         Morga über zwei Möglichkeiten unter-
             Bewältigung der Technik zur gezielten       stützter Kommunikation, bei denen der
             Verarbeitung von Information und zum        Computer ebenfalls eine wichtige Rolle
             gekonnten Umgang mit den vielfältigen       spielt.
             Möglichkeiten indirekter Kommunika-
             tion. Diese Entwicklung motivierte uns,     Ganz gleich, wo Sie Ihren Schwerpunkt
             Computer und Lernen einmal mehr in          beim Lesen des Heftes legen: Wir wün-
             dieser Zeitschrift zum Thema zu machen.     schen Ihnen eine anregende und berei-
                                                         chernde Lektüre.
             Die Beiträge in der Rubrik „Schwerpunkt-
             thema“ beschäftigen sich mit verschie-      Dr. Eduard Jan Ditschek und
             denen Aspekten des Computerlernens.         Dr. Werner Schlummer
             Dabei werden bestehende Spannungs-
             felder zwischen Computer und Behin-
             derung sichtbar, vor allem aber auch die
             Möglichkeiten, vorhandene Barrieren zu
             überwinden bzw. zu beseitigen. Mit der
             programmatischen Forderung „Computer
             und Internet für alle“ leitet Eduard Jan
             Ditschek das Thema ein. Danach erör-
             tern Tobias Bernasconi und Peter Zen-
             tel in ihren Beiträgen die theoretischen
             Grundlagen der Medienbildung für Men-
             schen mit geistiger Behinderung. Theorie
             berücksichtigend, vor allem aber auch
             auf praktische Erfahrungen ausgerich-

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Schwerpunktthema

              Computer und Internet für alle

„Mit Maus und Monitor“ hieß das Heft        und mit dem Internet verbunden ist. Die      Eduard Jan
dieser Zeitschrift, das sich vor nunmehr    Kommunikation zwischen zwei Men-               Ditschek
16 Jahren schon einmal schwerpunkt-         schen wird ergänzt durch das digitale
mäßig mit dem Computer beschäftigte.        Netzwerk. Das Web 2.0 mit Facebook,
Geradezu emphatisch begrüßte damals         Blogs, Wikis und unendlich vielen klei-
Maria Burgmüller den „Rechner“ als          nen Foren ist ein Mitmach-Netz; ständig
„Gegenstück zum eigenen Gehirn“. Im         wird man aufgefordert, sich mitzuteilen,
Computer sah sie gerade für Menschen        zu kommentieren, auszuprobieren und zu
mit geistiger Behinderung ein Medium,       kaufen. Das eröffnet neue Möglichkeiten
das ihnen „eine neue Dimension des          der Wissensvermittlung und des Lernens;
Lebens“ eröffnet durch individuali-         doch um sie nutzen zu können, müssen
sierte Zugänge zu den verschiedensten       Voraussetzungen geschaffen werden,
Bereichen des Wissens und durch eine        die sich nicht mehr auf die Vermittlung
Kommunikation, die vom Nutzer selbst        von technischem Know-how und auf den
bestimmt werden kann (vgl. Burgmüller       Umgang mit Lernsoftware beschränken
1997, 2).                                   können.
In den 1990er-Jahren sah der PC noch        Neuesten Studien zufolge nutzen heute
aus wie eine Maschine, mit einem großen     bereits alle Jugendlichen im Alter zwi-
Rechnerkasten und ebenso schwerem wie       schen 14 und 19 Jahren das Internet.
unhandlichem Zubehör. Heute erleben         Abstufungen ergeben sich nur im Hin-
wir den Siegeszug der mobilen Geräte.       blick auf den „Grad der Medienkompe-
Schon im Laptop bzw. im Netbook             tenz, der Nutzungsvielfalt und Anwen-
waren Monitor, Tastatur und Zeigegerät      dungsroutinen“ (Eimeren/Frees 2011,
(Mouse) integriert; so richtig handlich     335). Auch Jugendliche mit (geistiger)
wurde der Computer aber erst als Tablet-    Behinderung zählen zu den so genann-
PC, der aussieht wie die gute alte Schie-   ten „digital natives“, für die die Nutzung
fertafel. Doch statt mit einem Griffel      von Computer und Internet zur Selbstver-
wird das Tablet mit dem Zeigefinger oder    ständlichkeit geworden ist. Ihnen müssen
mit dem Daumen bedient. Teilweise sind      sinnvolle Formen der Mediennutzung
die neuen Geräte schon standardmäßig        aufgezeigt und eine Medienkompe-
mit Techniken ausgestattet, „die Men-       tenz vermittelt werden, die die sozialen
schen mit Seh-, Hör- oder motorischer       Aspekte der Mediennutzung ebenso ein-
Beeinträchtigung sowie Lernschwierig-       schließt wie Fragen des Datenschutzes.
keiten unterstützen sollen“ (vgl. Lamers/   Kurzum: Hier tut sich ein riesiges Span-
Terfloth 2013, 33).                         nungsfeld auf zwischen Medienkompe-
Mit der Form änderte sich auch die Funk-    tenz – ein Begriff, der nach Schluchter
tion des Computers. Aus einem Gerät zum     neu konturiert werden muss (Schluchter
Schreiben, Rechnen, Gestalten und Spie-     2010, 66ff) – und Medienbildung.
len wird mehr und mehr ein Medium der       Denen, die in der digitalen Welt zu Hause
Kommunikation und der Selbstpräsenta-       sind, stehen die „digitalen Analphabeten“
tion. Telefon und Computer verschmel-       gegenüber, also die Menschen, die den
zen im Smartphone, einem Mini-Tablet,       Anschluss an die schöne neue Medien-
das über Funk mit den Telefonnetzen         welt verpasst haben. Dazu gehören viele

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Schwerpunktthema

ältere Menschen, vor allem aber ältere      Auch ‚digitale Kompetenzen‘ sind zu
Menschen mit Behinderung. Sowohl was        fördern, um dieses Ziel zu erreichen“
die Verfügbarkeit über einen Computer       (ebd.).
zu Hause als auch die Nutzung des Com-      Die Redakteure des DIE-Forums fragten
puters und des Internet betrifft, lag vor   auch nach dem „Bedeutungsverlust“
zehn Jahren der prozentuale Anteil bei      der organisierten Erwachsenenbildung
Menschen mit Behinderung in den USA         durch die Möglichkeiten des informellen
nur knapp über der Hälfte des Anteils       Lernens im Internet (vgl. DIE 2013b).
der Menschen ohne Behinderung, bei          Die Reaktionen auf diese Frage waren
der Internetnutzung sogar darunter. Nur     einhellig: Das in Gruppen organisierte
26,4 Prozent der Menschen mit Behin-        Lernen bleibt nach wie vor wichtig und
derung hatten schon Erfahrung mit dem       ist durch informelle Lernprozesse nicht
neuen Medium (Dobransky/Hargittai           zu ersetzen. Danijel Dejanovic mahnt
2006, 324). Es ist anzunehmen, dass die-    an, „dass die instrumentelle Lernfähig-
ser Wert heute wesentlich höher liegt.      keit durch reflexive, ethisch begründete
Doch die digitale Grundbildung gerade       Lernprozesse ergänzt und kompensiert
von älteren Menschen mit Behinderung        werden muss“ (ebd.), und der Autor die-
bleibt eine wichtige Herausforderung für    ses Beitrags konkretisiert: „Das Stöbern
die Erwachsenenbildung.                     auf Youtube ist noch kein Lernvorgang
Zu Beginn dieses Jahres richtete das        und der Austausch von Bildern in einer
Deutsche Institut für Erwachsenenbil-       Foto-Comunity auch nicht. Lernen erfor-
dung ein Forum im Internet ein, in dem      dert die Konzentration auf ein Thema,
auch das Thema „Web 2.0 und Inklu-          Sichtung und Organisation von Material
sion“ zur Diskussion gestellt wurde. Das    und konzentrierte Aktivität, um nicht zu
Thema wurde eingeleitet mit der Frage,      sagen Anstrengung, sowie Kommunika-
ob die „Erschließung neuer Lernräume        tion (Fehler machen und Fehlerkorrek-
im Netz“ dazu geeignet ist, Bildungs-       tur). Das Internet macht Lernen nicht ein-
ungleichheiten abzubauen. „Wächst die       facher, nur weil Themen und Materialien
Partizipation sog. Bildungsferner (oder)    im Überfluss vorhanden sind und in alle
entstehen neue Abschottungen“, fragte       Richtungen kommuniziert werden kann“
Peter Brandt, einer der Redakteure des      (ebd.).
Forums (DIE 2013a). Die Antworten           Heino Apel vergleicht die Situation
machen deutlich, dass Lernen mit dem        der Erwachsenenbildung mit dem Zei-
Computer und Lernen im Internet nicht       tungswesen und stellt fest, dass es im
so voraussetzungslos ist, wie es scheint.   „Unterschied zum Zeitungssterben“ noch
„Je mehr man weiß, desto mehr kann man      keinen „Nachfrageknick bei der Erwach-
mit dem Netz anfangen, je weniger man       senenbildung“ gibt. Dafür sei, so Apel,
weiß, desto hilfloser steht man vor den     die kommunikative Qualität organisier-
Datenmengen“, meint Heino Apel (DIE         ter Bildungsprozesse verantwortlich.
2013). Und Thomas Vollmer ergänzt: „In      „Ältere Untersuchungen zur Nachfrage-
Fragen der Grundbildung hat bspw. die       motivation von Teilnehmenden (es gibt
letzte ‚Eur-Alpha‘-Tagung in Bonn klar      sicher auch Neuere) haben gezeigt, dass
gezeigt, dass Lesen, Rechnen, Schreiben     die Primärmotivation für die Wahrneh-
nur die notwendigen, wenngleich nicht       mung eines VHS-Angebotes zur allge-
hinreichende Bedingungen darstellen,        meinen Weiterbildung häufig gar nicht
um ‚active citizenship‘ zu ermöglichen:     der spezifische Lerninhalt ist. Das Set-

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Schwerpunktthema

ting, wen trifft man da, wie sympathisch      in eigener Sache, als Kenner und Könner
ist ein Kursleitender, wie nahe liegt die     auf verschiedenen Wissensgebieten oder
Ausstattung dem eigenen Stil (Milieu-         eben auch als Spezialisten im Umgang
verhaftung), etc. spielen eine sehr große     mit den digitalen Medien zu koopera-
Rolle, ob sich ein potentieller Nachfra-      tiven Prozessen der Wissensvermittlung
ger zu einem Angebot entscheidet. Wer         und des Lernens im Internet einzuladen.
eine Spanisch Lern-CD mit Internetan-
bindung kauft, bricht in aller Regel nach
einigen Lernstunden am PC das Training        Literatur
ab, falls ihm nicht beruflicher Spracher-     BURGMÜLLER, M. (1997): Editorial. Mit Maus
werbszwang im Nacken sitzt. Wer aber          und Monitor … In: Erwachsenenbildung und
einen Spanischkurs belegt, und dort eine      Behinderung. 1/1997, 2
sympathische Gruppe mit nettem Origi-         DIE – DEUTSCHES INSTITUT Für ERWACH-
                                              SENENBILDUNG: Forum (2013a): Web 2.0 und
nalsprachler als Lehrer findet, wird mit      Inklusion; (2013b): Neue Lernräume im Web 2.0
großer Wahrscheinlichkeit länger am           – Bedeutungsverlust der organisierten Erwachse-
Ball bleiben und ganz nebenbei auch ein       nenbildung. Online unter: http://www.die-bonn.de/
paar Grundkenntnisse im Spanisch mit          erwachsenenbildung20/viewtopic.php?f=11&t=21
                                              [20.02.2013]
nach Hause nehmen“ (ebd.).                    DOBRANSKY, K./HARGITTAI, E. (2006): The
Die hier beschworene kommunikative            Disability Divide in Internet Access and Use. In:
Qualität der Erwachsenenbildung wird          Information, Communication & Society. 3/2006,
durch den Einsatz digitaler Medien im         313–334
                                              EIMEREN, B. VAN/FREES, B. (2011): Drei von
Unterricht nicht infrage gestellt, viel-      vier Deutschen im Netz – ein Ende des digi-
mehr könnte sie durch die Möglichkeiten       talen Grabens in Sicht? In: Media Perspektiven,
des digitalen Austauschs noch ergänzt         7-8/2011, 334-349. Online unter: www.ard-zdf-
und weiter verstärkt werden. In Volks-        onlinestudie.de/fileadmin/Online11/EimerenFrees.
                                              pdf [20.02.2013]
hochschulkursen begegnen sich digitale        LAMERS, W./TERFLOTH, K. (2013). Tablet-
Experten und digitale Analphabeten mit        PC – ein UK-Medium der Zukunft? In: Teilhabe.
gleichen Bildungsinteressen. Den Kon-         1/2013, 33-42. Online unter: http://www.lebens-
takt zwischen ihnen auch auf der digi-        hilfe.de/de/buecher-zeitschriften/teilhabe/index.
                                              php [20.02.2013]
talen Schiene so zu organisieren, dass alle   SCHLUCHTER, J.-R. (2010): Medienbildung mit
Gewinn daraus ziehen, sollte heute zum        Menschen mit Behinderung. München
qualitativen Standard einer Bildungs-
einrichtung gehören. Gerade die Volks-        Dr. Eduard Jan Ditschek
hochschulen könnten damit zu einem            Volkshochschuldirektor a. D.
Ort werden, wo der Austausch sowohl           Berliner Aktionsbündnis Erwachsenen-
über die neuen Medien selbst als auch         bildung inklusiv (ERW-IN)
mit Hilfe von Foren im Internet über alle     Charlottenburger Ufer 2a
möglichen Inhalte angeregt und organi-        10587 Berlin
siert wird. Menschen mit Behinderung          ditschek@erw-in.de
würden davon in vielfacher Weise profi-
tieren. Als Kursteilnehmende wären sie
selbstverständlich in zusätzliche digitale
Kommunikationsprozesse einbezogen.
Darüber hinaus könnten Menschen mit
Behinderung gezielt angesprochen wer-
den, um sie als Lernende, als Experten

Erwachsenenbildung und Behinderung 1/2013                                                     5
Schwerpunktthema

                  E-Learning für Menschen mit geistiger
                 Behinderung in der Erwachsenenbildung
Tobias       Unter E-Learning wird das Lehren und          net dagegen etwas enger den Einsatz von
Bernasconi   Lernen mit elektronischen Medien ver-         elektronischen Anwendungen, welche
             standen. Der mittlerweile nicht mehr          in Lernsituationen zum Zuge kommen
             ganz ‚neuen‘ Lernform werden auch für         (vgl. Kerres 2001, 14). E-Learning ist
             Menschen mit Behinderung viele Vor-           demnach „Lernen mit digitalen Medien“
             teile zugeschrieben. In dem folgenden         (Pfeffer-Hoffman 2007, 28). Teilbereiche
             Beitrag werden die Potenziale, aber auch      sind ‚Online-Lernen‘ für Lernen mit dem
             mögliche Risiken von E-Learning in der        World Wide Web oder ‚mobile learning‘
             Erwachsenenbildung diskutiert. Dabei          für Lernen mit Mobiltelefonen oder
             wird genauer auf die Zielgruppe Men-          anderen portablen Geräten wie Tablet-
             schen mit Lern- oder geistiger Behinde-       PCs (vgl. Bronkhorst 2010, 26).
             rung sowie auf hemmende Faktoren für          Seit seinem Aufkommen wird der Begriff
             deren Teilhabe am elektronischen Lernen       E-Learning kritisiert, da er den Gegen-
             geblickt. Abschließend werden Hinweise        stand im Grunde nicht treffe (vgl. Bach-
             für den Abbau von Barrieren gegeben           mann/Bertschinger/Miluska 2009, 125f).
             und E-Learning als Lernform im Sinne          Auslöser der Kritik ist die Tatsache, dass
             einer inklusiven Erwachsenenbildung           nicht das Lernen als solches elektronisch
             beschrieben.                                  vollzogen werde, sondern nur der Zugang
                                                           zu Lerngegenständen oder -medien elek-
                                                           tronisch ist. Aus diesem Grund wird
             Begriffsklärung                               gefordert, den Begriff E-Learning wie-
                                                           der abzuschaffen und eher vom „Ein-
             Während der Computer einerseits als           satz neuer Medien in der Lehre“ (vgl.
             neues Medium im Kontext des Lehrens           ebd., 126) zu sprechen. Die begriffliche
             und Lernens noch „mit einer euphorischen      Unschärfe entsteht auch durch die Tatsa-
             Aufbruchsstimmung“ (Rauh 2007, 331)           che, dass es sich bei E-Learning – ähnlich
             begrüßt wird, so werden andererseits          wie seinerzeit bei dem Begriff ‚Multime-
             organisierte Lernprozesse mittlerweile        dia‘ – um einen „schillernden Modebe-
             selbstverständlich von neuen Medien           griff“ (Pfeffer-Hoffmann 2007, 28) han-
             und Technologien unterstützt. Technolo-       delt, der in unterschiedlichsten Kontexten
             giegestütztes Lernen (technology enhan-       verwendet wird. Positiv ist jedoch, dass
             ced learning) umfasst alle Technologien,      mit dem Begriff übergreifend alle For-
             „mit deren Hilfe Aktivitäten des Lernens      men des Lernens zusammengefasst wer-
             unterstützt werden“ (Ebner/Schön/Nag-         den können, „in denen digitale Medien
             ler 2011, 2). Jede Lernsituation, die durch   eine funktional zentrale Verwendung fin-
             technische Medien gestaltet wird, z. B.       den und Informations- und Kommunika-
             auch das Zeigen einer Folie auf einem         tionstechnologien zur Unterstützung des
             Overheadprojektor oder das Abspielen          Lernprozesses eingesetzt werden“ (vgl.
             eines Videofilmes zu Lehrzwecken, nennt       Rippien 2012, 12).
             man technologiegestützt (vgl. Treumann/
             Ganguin/Arens 2012, 38). E-Learning
             (auch eLearning oder Elearning) bezeich-

             6                                             Erwachsenenbildung und Behinderung 1/2013
Schwerpunktthema

Zum Einsatz von E-Learning                    wird ‚Barbecue-Technik‘ genannt. (vgl.
in der Erwachsenenbildung                     Ebner et al 2011, 6). Pfeffer-Hoffmann
                                              (2007, 29) sieht darin einen bedeutenden
Die Diskussion um sogenannte ‚neue            Trend, welcher E-Learning als isolierten
Medien‘ in der Erwachsenenbildung             Vermittlungsweg verschwinden und ver-
kann als eine Debatte beschrieben wer-        bunden mit anderen Lernformen im blen-
den, welche durch „Ablehnung ver-             ded learning aufgehen lässt.
sus konstruktive Übernahme“ (Meister          Zunehmend wird außerdem das Schlag-
2008, 520) gekennzeichnet ist. Auch           wort ‚E-Learning 2.0‘ benutzt. Darun-
wenn Computer seit den 90er-Jahren ein        ter wird analog zum Web 2.0 eine neue
fester Bestandteil der Arbeits-, Lern- und    Nutzungsform von E-Learning-Ange-
Weiterbildungswelt sind, vollzieht sich       boten verstanden, welche eine aktive
die Einbindung von digitalen Medien in        Gestaltung der Lernprozesse durch die
den Lehr- und Lernprozess der allgemei-       Lernenden, die Dokumentation von
nen Erwachsenenbildung „eher verhal-          Lernwegen sowie insgesamt größere Par-
ten“ (ebd., 524). Auch Faulstich/Zeuner       tizipationsmöglichkeiten der Lernenden
(1999, 68) sehen keinen Durchbruch für        ermöglicht (vgl. Born 2008, 120f). Damit
multimediale Lernarrangements, sondern        einher geht eine größere Selbststeuerung
eher einen Impuls, welcher dazu beiträgt,     und -organisation der Lernenden sowie
dass in der Bildung von Erwachsenen           die Veränderung der Rolle des Lehrenden
nicht mehr primär Wissensübertragung,         vom Experten zum Lernbegleiter (vgl.
sondern der Anstoß zum selbstgesteu-          Ebner et al 2011, 8).
erten Lernen im Mittelpunkt steht.
Trotz der theoretisch geführten Diskus-
sion um die Risiken ‚neuer Medien‘ in         Chancen und Risiken von
der Erwachsenenbildung (vgl. zusam-           E-Learning
menfassend Kollar/Fischer 2011, 1018f),
werden technologiegestützte Lernformen        In den neuen Informations- und Kommu-
aufgrund angenommener Potenziale              nikationsmedien wird generell ein großes
in der Praxis durchaus angeboten. Als         Potenzial für individuelles Lernen gese-
rudimentärste Form kann das program-          hen. Als Vorzüge werden genannt: die
mierte Lernen betrachtet werden. Dabei        Unabhängigkeit von Zeit und Ort beim
handelt es sich um Lernprogramme, die         Lernen, die Erhöhung der Nachhaltig-
aufbereitete Lerninhalte über eine pro-       keit des Gelernten durch eine Kopplung
grammierte Oberfläche abfragen. Beim          der Lerninhalte an den Alltag (Effizienz)
Online-Lernen werden Materialien im           sowie die Vielfalt der Lernangebote und
Internet bereitgestellt und diese in Chats,   deren Aufbereitung (vgl. Born 2008, 7).
Newsgroups oder über Emailverkehr dis-        Der Lernende hat die Möglichkeit, ein-
kutiert und bearbeitet. Der Lernende sitzt    zelne Themen individualisiert zu vertie-
dabei in der Regel alleine am Endgerät.       fen; Lehrende profitieren von der breiten
Online-Lernphasen werden häufig mit           Einsetzbarkeit sowie der Möglichkeit,
traditionellen Präsenzphasen gekoppelt,       Lerninhalte an den jeweiligen Lernkon-
wobei vom ‚blended learning‘ gespro-          text sowie an besondere Voraussetzungen
chen wird. Die Kombination von tech-          einer Lerngruppe anzupassen (vgl. Kim-
nologiefreien und technologiegestützten       peler/Georgieff/Revermann 2007, 15f).
Präsenzzeiten sowie Online-Lernphasen         Als Nachteile von E-Learning gelten die

Erwachsenenbildung und Behinderung 1/2013                                            7
Schwerpunktthema

mögliche Isolierung der Lernenden vor      hen werden kann, liegt in technischen
dem Bildschirm und eine dadurch aus-       Hilfestellungen und sich ergebenden
gelöste abnehmende Motivation. Zudem       sozialen Faktoren begründet, auf die im
ist der Einsatz der E-Learning-Angebote    Folgenden genauer eingegangen wird.
mitunter nicht auf die Lernausgangslage    Als technische Hilfestellungen gelten
der Lernenden angepasst, was zu Fru-       Maßnahmen, die die Aufbereitung der
stration und Abbruch des Lernprozesses     Inhalte von E-Learning-Angeboten für
führen kann. Grund ist häufig die feh-     Menschen mit Behinderung ermögli-
lende pädagogische bzw. andragogische      chen, beispielsweise Braillezeilen, Vor-
Begleitung sowie eine mangelnde didak-     lesefunktionen oder Videos in Gebär-
tische Einbettung des Themas in einen      densprache. Es fällt auf, dass diese
übergreifenden Lernzusammenhang (vgl.      Techniken mit Blick auf Menschen mit
Pfeffer-Hoffmann 2007, 30; Born 2008,      Sinnes- oder Körperbehinderung kon-
7f; Lehner/Fredersdorf 2004, 18ff).        zipiert sind. Menschen mit lern- oder
Häufig wird das Lernen mit digitalen       geistiger Behinderung sind in der Regel
Medien pauschal mit traditionellen         nicht Ziel der unterstützenden Maßnah-
Lernformen verglichen, was fraglich        men und finden keine oder nur randstän-
erscheint, da auch für E-Learning gilt,    dige Erwähnung. Dies verdeutlicht ein
dass die Qualität des Lernmaterials zur    generelles Problem und erinnert an eine
konkreten Lernsituation passen muss        These von Bonfranchi (1999, 81), der in
(vgl. Pfeffer-Hoffmann 2007, 29). Letzt-   modernen Technologien die Gefahr einer
endlich entscheidet die Anwendung über     Spaltung von Menschen mit Behinderung
das Gelingen des Lernprozesses. Dabei      in die genannten Gruppen sieht. Auch in
bleibt der Lehrende von zentraler Bedeu-   der betrieblichen oder außerbetrieblichen
tung, da er die technologiegestützen       Weiterbildung wird E-Learning weitaus
Lernformen flexibel umsetzen und           häufiger für Menschen mit Körper- oder
didaktisch auf die jeweiligen Rahmenbe-    Sinnesbehinderung als für Menschen
dingungen abstimmen muss (vgl. Kollar/     mit Lernbeeinträchtigung oder geistiger
Fischer 2011, 1027).                       Behinderung angeboten (vgl. Pfeffer-
                                           Hoffmann 2006, 147ff).
                                           Die technischen Weiterentwicklungen
E-Learning für Menschen                    und im Besonderen die Hypertextform
mit Behinderung                            bieten jedoch vielfältige Möglichkeiten,
                                           Inhalte auch für Menschen mit gei-
Die Möglichkeit über E-Learning-Kurse      stiger Behinderung aufzubereiten (vgl.
an Bildung teilzuhaben, bietet für Men-    Schäffler 1999, 339). Zudem lassen sich
schen mit Behinderung grundsätzlich        Internetseiten bei Beachtung der Krite-
Unterstützung für lebenslanges Ler-        rien aktueller Richtlinien zur Websei-
nen (vgl. de Oliveira 2012). Vorteilhaft   tengestaltung auch den Bedürfnissen
ist dabei, dass E-Learning-Angebote        von Menschen mit geistiger Behinde-
in Lernprozessen ein erhöhtes Maß an       rung anpassen (vgl. Bernasconi 2007,
Selbst- und Mitbestimmung ermögli-         321ff). Schlagwort für die Nutzung von
chen, z. B. hinsichtlich der Themenwahl    E-Learning-Angeboten durch Menschen
oder der Zeiteinteilung. Eine besondere    mit Behinderung ist in diesem Zusam-
Chance, die auch für Menschen mit gei-     menhang die barrierefreie Gestaltung der
stiger Behinderung im E-Learning gese-     Angebote (vgl. Bühler/Scheer 2005). Seit

8                                          Erwachsenenbildung und Behinderung 1/2013
Schwerpunktthema

2002 ist diese durch das Bundesgleich-      Online-Angeboten. Menschen mit (gei-
stellungsgesetz (BGG) und die damit         stiger) Behinderung werden aber nur sel-
verbundene Barrierefreie Informations-      ten als Zielgruppe bei der Erstellung von
technik Verordnung (BITV) geregelt. Der     E-Learning-Angeboten bedacht. Auch
Begriff der Barrierefreiheit steht dabei    geförderte Projekte richten sich mehr-
für die Nutzung in ‚allgemein üblicher      heitlich an Menschen mit Körper- oder
Weise‘. Das BGG macht grundsätzlich         Sinnesbeeinträchtigungen. Eine Studie
keine Einschränkungen hinsichtlich der      des Instituts für Medien und Kompetenz-
zu berücksichtigenden Behinderungen,        forschung (MMB) zeigt Gründe für die
weshalb alle möglichen Nutzergruppen        unzureichende Beachtung von Menschen
hinsichtlich möglicher auftretender Bar-    mit geistiger Behinderung auf. Konkret
rieren auf Internetseiten bedacht werden    werden genannt: die geringe Größe der
müssen (vgl. Schulte 2005, 405). Es geht    Zielgruppe, Desinteresse der Personal-
„im Sinne eines ‚Universaldesign‘ um        verantwortlichen sowie Unkenntnis auf
eine Gestaltung des Lebensumfelds für       Seiten der E-Learning-Anbieter (vgl.
alle Menschen, die möglichst niemanden      MMB 2011, 24). Auch mangelndes Wis-
ausschließt und von allen gleicherma-       sen über Menschen mit geistiger Behin-
ßen genutzt werden kann“ (BMGS 2005,        derung auf Seiten von Lehrenden und
19). Doch trotz dieser relativ klar gere-   Entwicklern beeinträchtigt die Ausschöp-
gelten Rechtslage erfüllen viele E-Lear-    fung der Möglichkeiten und Potenziale
ning-Angebote „nicht die elementarsten      von E-Learning für diese Zielgruppe
Voraussetzungen der Barrierefreiheit im     (vgl. Reich/Miesenberger 2011, 1).
Internet“ (de Oliviera 2012). Ein Grund     E-Learning-Angebote für Menschen mit
könnte im Geltungsbereich der BITV          geistiger Behinderung finden demnach
liegen (vgl. dazu Bernasconi 2007, 24f),    vornehmlich in Sondereinrichtungen
die geringe Berücksichtigung von Kri-       statt. Dies entspricht einer von Theunis-
terien zur barrierefreien Gestaltung von    sen (2009, 331) beschriebenen Schieflage
E-Learning-Angeboten ist jedoch auch        der allgemeinen Erwachsenenbildung
aus ökonomischer Sicht durchaus frag-       und ist einer inklusiven Idee von Erwach-
würdig. Die barrierefreie Gestaltung von    senenbildung nicht zuträglich, da so eine
E-Learning-Angeboten       berücksichtigt   „wesentliche Nachteilslage“ (Schlummer
im Sinne eines inklusiven Designs nicht     2012, 88) für Menschen mit geistiger
nur eine spezielle Nutzergruppe, sondern    Behinderung entsteht.
vielmehr die natürlich gegebene Hete-
rogenität aller Menschen mit und ohne
Behinderung und dient so der grundsätz-     Fazit und Ausblick
lichen Zugänglichkeit eines Angebots
(vgl. Center of Universal Design 1997).     E-Learning in der Erwachsenenbildung
Hinsichtlich des sozialen Faktors von       bietet grundsätzlich viele Vorteile und
E-Learning kann hervorgehoben wer-          beeinflusst Lehr- und Lernprozesse
den, dass die Behinderung einer Person      für Menschen mit und ohne Behinde-
in den Hintergrund rückt und somit Stig-    rung in positiver Weise. Grundsätze der
matisierungen vermieden werden können       Erwachsenenbildung wie Freiwilligkeit,
(vgl. de Oliveira 2012). Voraussetzung      Wahlmöglichkeit sowie Selbst- und Mit-
ist jedoch die Möglichkeit zur Nut-         bestimmung finden in erhöhtem Maße
zung bzw. die Existenz von geeigneten       Beachtung. Auch das selbstgesteuerte

Erwachsenenbildung und Behinderung 1/2013                                          9
Schwerpunktthema

Lernen kann individualisiert und flexi-     Heimlich/Behr 2011, 817). Erst wenn
bel gestaltet werden. Nach Theunissen       Menschen mit geistiger Behinderung
(2003, 66) gelten die Grundsätze der        selbstverständlich Teil der heterogenen
allgemeinen Erwachsenenbildung in           Zielgruppe für technologiegestützte
gleicher Weise für Menschen mit Lern-       Erwachsenenbildung sind, ist es mög-
schwierigkeiten oder geistiger Behinde-     lich, ihre Bedürfnisse bei der Erstellung
rung. Insbesondere Menschen mit gei-        von E-Learning-Angeboten zu berück-
stiger Behinderung wird jedoch aufgrund     sichtigen. Voraussetzung ist auch hier
der aufgezeigten Faktoren der Zugang zu     eine umfassende Aufklärung von Verant-
E-Learning-Angeboten erschwert. Um          wortlichen, aber auch die Schulung von
dies positiv zu verändern, sollte dring-    Umsetzern. Die technischen Möglich-
lichstes Ziel der Abbau von Zugangsbar-     keiten für E-Learning für Menschen mit
rieren sein, damit Angebote genutzt wer-    jeglichen Behinderungen stehen durch-
den können, die für den Einzelnen von       aus zur Verfügung. Damit die bisher nur
Interesse sind. Menschen mit geistiger      am Rand bedachten Gruppen auch von
Behinderung sollten dabei in den Prozess    den Vorteilen technologiegestützten Ler-
zur Bestimmung von inhaltlichen Barri-      nens profitieren können, sind jedoch vor
eren als Experten in eigener Sache mit      allem veränderte Haltungen und Einstel-
eingebunden werden (vgl. Niehoff 2006,      lungen nötig. E-Learning bietet durchaus
98). Barrierefreiheit bzw. Zugänglichkeit   das Potenzial ‚Lernangebote für Alle‘ zu
ist dann erreicht, wenn Menschen mit        ermöglichen und so die Teilhabe von Men-
geistiger Behinderung unter Berücksich-     schen mit Behinderung an der Bildung zu
tigung ihrer Individualität der Zugriff     fördern.
auf von ihnen ausgewählte E-Learning-
Angebote möglich ist.
Eine weitere, schwerer zu beeinflussende    Literatur
‚Barriere‘ scheint bei Anbietern von        BACHMANN, G./BERTSCHINGER, A./
E-Learning-Angeboten zu liegen. Wenn        MILUSKA L. (2009): E-Learning ade – tut
Menschen mit geistiger Behinderung          Scheiden weh? In: APOSTOLOPOULOS, N./
oder Lernschwierigkeiten nicht als Ziel-    HOFFMANN, H./MANSMANN,V./SCHWILL,
                                            A. (Hrsg.): E-Learning 2009. Lernen im digitalen
gruppe betrachtet werden, ist es schwer     Zeitalter. Münster, New York, München, Berlin,
vorstellbar, dass spezifische E-Lear-       118-128
ning-Angebote erstellt oder bestehende      BERNASCONI, T. (2007): Barrierefreiheit im
Angebote mit Blick auf diese Zielgruppe     Internet für Menschen mit geistiger Behinderung.
                                            Eine experimentelle Pilotstudie zu technischen
optimiert werden. Aufklärende Öffent-       Voraussetzungen und partizipativen Auswir-
lichkeitsarbeit oder gelungene ‚best-       kungen. Oldenburg
practice-Beispiele‘ könnten wichtiges       BMGS – Bundesministerium für Gesundheit und
Mittel zum Abbau dieser ‚gedanklichen       soziale Sicherung (Hrsg.) (2005): Das Gesetz
                                            zurGleichstellung behinderte Menschen als Beitrag
Barriere‘ sein.                             zur Umsetzung des Benachteiligungsverbotes im
Schwerwiegend ist die Nichtbeach-           Grundgesetz.
tung der genannten Personengruppe mit       BONFRANCHI, R. (1999): Die Auswirkungen
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tät der gesamten Lerngruppe ausgeht         behindertenpädagogische Perspektiven. Düsseldorf,
und diese als konstitutive Vorausset-       80-86
zung für Bildungsprozesse ansieht (vgl.     BORN, J. (2008): Das eLearning-Praxisbuch.
                                            Online unterstützte Lernangebote in Aus- und Fort

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Schwerpunktthema

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E-Learning und Didaktik. Perspektiven für die            (2012): E-Learning in der Beruflichen Bildung:
betriebliche Bildung. Düsseldorf                         Qualitätskriterien aus der Perspektive lernender
MEISTER, D. M. (2008): Medien in der Erwach-             Subjekte. Wiesbaden
senen- und Weiterbildung. In: SANDER, U./VON
GROSS, F./HUGGER, K.-U. (Hrsg.): Handbuch                Dr. phil. Tobias Bernasconi
Medienpädagogik. Wiesbaden, 519-526
MMB – Institut für Medien- und Kompetenz-
                                                         Universität zu Köln
forschung (2011): Schlussbericht zur Studie              Department Heilpädagogik und
„E-Learning für Inklusion“. Nutzung und Einsatz          Rehabilitation
von digitalen Lernangeboten in der Weiterbildung         Klosterstr. 79b, 50931 Köln
von Menschen mit Behinderungen. Online unter:
                                                         tobias.bernasconi@uni-koeln.de

Erwachsenenbildung und Behinderung 1/2013                                                              11
Schwerpunktthema

         Medienbildung für erwachsene Menschen mit
                   geistiger Behinderung
Peter    In Informations- und Kommunikations-         onen sowie der Vernetztheit. Heute sind
Zentel   technologien (IKT) und insbesondere in       sogenannte Smartphones beispielsweise
         den Computer wurden seit Jahrzehnten         deutlich leistungsfähiger als damalige
         trotz einer gewissen Skepsis (vgl. z. B.     Computer, lassen sich mit den Fingern
         Grams-Wieler 1992; Dreher 1999) hohe         oder der mit Sprachbefehlen bedienen
         Erwartungen gesetzt, was die lernför-        und sind jederzeit und überall mit den
         derliche Wirkung für Menschen mit            weltweiten, nahezu unendlichen Infor-
         geistiger Behinderung betrifft (vgl. u. a.   mationen des Internet verbunden.
         Zellmer 1976; Schmitz 1990; Jeffs/Mes-
         senheimer/Rizza/Banister 2003). Entge-
         gen dieser positiven Prognosen gehörten      Folgen für Menschen mit
         Menschen mit geistiger Behinderung           geistiger Behinderung
         bisher aber eher zu den digitalen Verlie-
         rern. Die technische Durchdringung der       Welche Folgen haben die Veränderungen
         Lebens- und Berufswelt hat neue Schlüs-      für die Zielgruppe von Menschen mit gei-
         selqualifikationen erforderlich gemacht,     stiger Behinderung? Nach Miesenberger
         die die Möglichkeiten von Menschen           (2012) werden IKT durch die universelle
         mit geistiger Behinderung zum Teil über-     und ubiquitäre Anwendung zu einem
         steigen (vgl. Bonfranchi 1999; Schmitz       universellen Werkzeug der Integration
         2008).                                       und erlauben einen weitgehenden nutz-
         Nun haben sich aber in den letzten Jah-      erzentrierten, lebenspraktischen Einsatz.
         ren die IKT drastisch verändert. Heu-        Die entscheidenden Qualitäten sind sei-
         tige Geräte gleichen (endlich) den           ner Meinung nach u. a. die Multimedia-
         schon 1991 von Weiser prognostizierten       lität, die Multimodalität, die Einfachheit
         allgegenwärtigen und gleichsam ver-          und Konstanz sowie die Standardisie-
         schwindenden Computern (vgl. Weiser          rung (vgl. Miesenberger 2012, 27f). Da
         1991). Weiser sah die damals schreib-        sich seine Äußerungen auf Menschen mit
         tischfüllenden und kabelgebundenen           Behinderungen allgemein beziehen, muss
         Desktop-PCs als Übergangsobjekte, die        hinterfragt werden, ob sie auch für Men-
         von deutlich kleineren, mobilen und all-     schen mit geistiger Behinderung gelten.
         gegenwärtigen Geräten abgelöst würden.       Einfachheit, Konstanz und Standardisie-
         Seine Prognose bezog sich aber nicht nur     rung sind zweifelsohne wichtige Voraus-
         auf die Größe und Verfügbarkeit, sondern     setzungen einer erfolgreichen Nutzung
         auch auf die Nutzerfreundlichkeit: Nicht     für Menschen mit geistiger Behinderung.
         der Mensch sollte sich dem Computer          Die Verwendung immer gleicher, leicht
         anpassen müssen, sondern der Computer        verständlicher Symbole, die direkte Ein-
         dem Nutzer. Die Veränderungen, die IKT       gabe mittels Touchscreen tragen sicher
         in den letzten Jahren vollzogen haben,       dazu bei, dass auch Menschen mit gei-
         lassen sich auf unterschiedlichen Ebenen     stiger Behinderung IKT selbstständig
         beobachten: der Größe, der Form, der         nutzen können (vgl. Urff 2011; Krsto-
         Mobilität, der Eingabemöglichkeiten, der     ski 2012). Die vorteilhafte Wirkung
         Darstellung bzw. Ausgabe der Informati-      von Multimedialität und Multimodalität

         12                                           Erwachsenenbildung und Behinderung 1/2013
Schwerpunktthema

muss allerdings vor dem Hintergrund der     Lernprozessen zur Bewältigung spezi-
Zielgruppe in ihrer Absolutheit infrage     fischer Aufgaben des Lebens und Arbei-
gestellt werden: Wie empirische Untersu-    tens im Vordergrund. Nach Mühl geht es
chungen gezeigt haben, kann die redun-      um die Erschließung neuer kultureller
dante Darstellung von Informationen für     und berufsbildender Qualifikationen und
Menschen mit geistiger Behinderung zu       Inhalte unter den besonderen Ansprüchen
einer kognitiven Überforderung führen       des Lebens als Erwachsener (Mühl 2000,
(vgl. Zentel 2010). Auch Weiser sieht       143). Explizit führt er aber an, dass durch
in der Multimedialität nicht per se Vor-    erwachsenenpädagogische           Maßnah-
teile für den Nutzer: „Todays multime-      men auch neue Bereiche und Lernfelder
dia machines makes the computer to a        erschlossen werden können wie bei-
demanding focus of attention rather than    spielsweise der Umgang mit Computern
fade into the background.“ (Weiser 1991,    (ebd., 142).
78) Hinzu kommt, dass trotz des Vordrin-    Demnach können IKT sowohl formale
gens der Multimedialität die Informa-       als auch materiale Bildungsinhalte sein:
tionen im Wesentlichen textlicher, abs-     • Formal, wenn man durch die zu er-
trakter Natur sind (vgl. Schmitz 2008).         werbende Computernutzungskompe-
Und selbst bildhafte Darstellungen sind         tenz kulturell, sozial oder beruflich
Abbildungen, also keine konkreten und           bedeutsame Inhalte und Aufgaben
nur zum Teil basal erfahrbare Objekte.          bewältigen kann. Das betrifft bei-
Für Menschen mit schweren kognitiven            spielsweise das Schreiben eines
Beeinträchtigungen sind sie dadurch             Briefes mit WORD unter Nutzung
nicht zugänglich.                               der Fehlerkorrektur, das Suchen von
Demnach führt die Weiterentwicklung             Informationen im Internet oder das
von IKT nur bedingt dazu, dass sie auch         Kommunizieren via E-Mail und Sky-
für Menschen mit geistiger Behinderung          pe.
zu einem „universellen Werkzeug der         • Material, wenn IKT selbst als kul-
Integration“ (Miesenberger 2012) wer-           turelle Wertschöpfung gesehen wer-
den. Eine uneingeschränkt selbstständige        den. In diesem Fall sollte der Zugang
Nutzung von computerbasierten Medien            zu Computer und Internet unabhän-
ist zumindest beim aktuellen Stand der          gig von dem Nutzungsszenario auch
Technik für Menschen mit geistiger              Menschen mit geistiger Behinderung
Behinderung nicht möglich. Es bleibt            ermöglicht werden.
die Notwendigkeit der Anpassung und/        Die rasante Entwicklung der IKT stellt
oder der Vermittlung durch Lehrer oder      uns nun vor die schwierige Aufgabe
Betreuer, die Menschen mit geistiger        abzuwägen, welche Kompetenzen im
Behinderung bei der Mediennutzung           Kontext der Nutzung von IKT notwendig
bzw. bei mediengestützten Bildungspro-      und relevant sind. Kompetenzen, wie das
zessen unterstützen.                        Bedienen einer bestimmten Windows-
                                            Version, die unter erschwerten Bedin-
                                            gungen mühsam erworben wurden, kön-
Erwachsenenbildung und IKT                  nen u. U. durch die Weiterentwicklung der
                                            Technik und intuitivere Betriebssysteme
In der Erwachsenenbildung von Men-          obsolet, also veraltet oder gar überflüssig
schen mit geistiger Behinderung steht       werden. Dies soll an folgendem Beispiel
das Anstoßen und Unterstützen von           erläutert werden: Möchte man den Preis

Erwachsenenbildung und Behinderung 1/2013                                           13
Schwerpunktthema

eines konkreten Produktes mit Hilfe          Medien und entsprechende Nutzungs-
eines Computers herausfinden, so sind        formen zu finden, um darauf aufbauend
hierfür bei Verwendung eines klassischen     Lernprozesse zu planen und zu unterstüt-
Desktop-PCs mit Windowsbetriebssy-           zen. Es geht in diesem Zusammenhang
stem zahlreiche Kompetenzen notwendig        nicht nur darum, Medien zu finden, die
im Bereich des Lesens, Schreibens oder       einfach zu bedienen sind; technische
auch der Feinmotorik bei der Tastatur-       Hilfsmittel sollten darüber hinaus so
und Mausbedienung, ganz zu schwei-           eingesetzt werden, dass sie Menschen
gen von der Herausforderung, die rele-       kognitiv unterstützen bzw. entlasten. Ein
vanten Informationen eines komplexen         solches Verständnis einer angepassten
Browserinhalts zu unterscheiden. Nutzt       Mediennutzung findet sich in zwei auf-
man hingegen ein Tablet-PC, auf dem          einander Bezug nehmenden Ansätzen:
ein App (also ein zusätzliches Anwen-        Design for Cognitve Assistance (Svensk)
derprogramm) zum Lesen von Strich-           und Distributed Cognition (Fischer/Car-
codes installiert ist, so sind nur wenige    mien). Diese sollen im Folgenden kurz
Berührungen mit dem Finger notwendig,        erläutert werden sollen.
um den Preis angezeigt zu bekommen.
In Anbetracht begrenzter Kapazitäten         Distributed Cognition
sollten im Kontext von IKT in erwachse-      Distributed Cognition geht auf die Kogni-
nenpädagogischen Maßnahmen deshalb           tionspsychogen Salomon (1993) sowie
weniger formale Basiskompetenzen für         Hollan, Hutchins und Kirsch (2001)
die Zukunft aufgebaut werden, die mit        zurück. Der Kerngedanke dieser Theorie
dem eigentlichen materialen Bildungs-        ist, dass das Kognitive über das Indivi-
ziel nichts zu tun haben. Es sollten viel-   duum hinausreicht und auch die perso-
mehr jeweils an der konkreten Aufgabe        nale und materielle Umgebung umfasst
orientierte Fertigkeiten geschult werden.    (vgl. ebd., 2f). Demzufolge sind weder
Für solche angepassten, wohl dosierten       Geist noch Körper eine individuell unab-
Bildungsprozesse sind vor allem Kompe-       änderliche Größe, sondern können durch
tenzen seitens der Lehrenden notwendig:      externe Ressourcen erweitert werden.
Lehrpersonen müssen in der Lage sein,        Ein Projekt, das diesen Design-Ansatz
einen vor dem Hintergrund des konkreten      nutzt und veranschaulicht, ist MAPS
Bildungsanliegens und der spezifischen       - Memory Aiding Prompting System
Möglichkeiten eines Lerners möglichst        (vgl. Carmien 2001; 2003). In diesem
stimmigen Medieneinsatz planen zu kön-       Projekt wird ein Smartphone verwendet,
nen. Pauschalisierend dargestellt heißt      das dem Gedächtnis „soufflieren“ soll
das: Je größer die Medienkompetenz der       (prompting): „Prompting by trainers or
Lehrenden ist, desto geringer und ange-      with cards is an established technique
messener ist der Aufwand für den Ler-        used for both learning and repeating a
nenden.                                      task by cognitively handicapped adults.”
                                             (Carmien 2001, 2) Prompting ist ein „pri-
                                             mary tool for both training in new tasks
Modelle zur angemessen                       and as a scaffolding enabling ongoing
Unterstützung                                task completion” (ebd.). Das bildge-
                                             stützte Soufflieren, das im deutschen
Die Aufgabe, die sich demnach für Leh-       Sprachraum als bildbasierte Handlungs-
rende ergibt, besteht darin, passende        anweisung bezeichnet werden kann, wird

14                                           Erwachsenenbildung und Behinderung 1/2013
Schwerpunktthema

durch den Einsatz des oben angeführten          Behinderung zu ermöglichen: Bei-
elektronischen Hilfsmittels sinnvoll            spiele sind Schuhe ohne Schnürsen-
ergänzt: Eine Aufgabe, die ohne Hilfs-          kel, Uhren mit einer leicht lesbaren
mittel zu schwer ist im Hinblick auf das        24 Stundenanzeige oder eine elek-
Gedächtnis oder die Ausführung, um sie          trische Zahnbürste, die nach drei Mi-
unabhängig zu lösen, kann durch den             nuten automatisch aufhört zu putzen.
gezielten Einsatz von Medien bewältigt      2. Cognitive Assistance ist ein indivi-
werden. Mit dem MAPS-System können              dueller Prozess, der auf die jeweilige
Skripte von Betreuern erstellt und visu-        Person und ihr Umfeld zugeschnitten
alisiert werden, die von einem Smart-           sein muss.
phone begleitend zu der Aufgabe abge-       Bei der Entwicklung individueller kogni-
spielt werden. Als „Prompts“ fungieren      tiver Unterstützung sind nach Svensk
Bilder zusammen mit auditiven Informa-      zum einen übliche Design-Kriterien
tionen. Vorhandene interne Skripte, also    anzuwenden, darüber hinaus ist es not-
bereits vorhandene prozedurale Vorstel-     wendig, Erfahrungen mit einzubeziehen,
lungen der Tätigkeit, werden dabei durch    die für die selbstständige Ausführung
externe Skripte ergänzt (vgl. Carmien       von Tätigkeiten notwendig sind.
2003). Solche Settings aus internen und     Als Design-Kriterien führt er u. a. an:
externen Skripten sind keine unverän-       • Verwendete Objekte sollten hand-
derlichen Größen; vielmehr kann sich            lungsauffordernd sein (Affordance).
durch Lerneffekte der Anteil der internen   • Alle Informationen, die zur Benut-
Skripte durch die zeitlich begrenzte Nut-       zung/Bewältigung notwendig sind,
zung externer Skripte mit der Zeit erwei-       sollten sichtbar sein (Visibility).
tern.                                       • Es sollte möglich sein, einen Zu-
                                                sammenhang zwischen der erforder-
Design for Cognitive Assistance                 lichen Handlung und dem zu erwar-
Das Konzept Design for Cognitive Assi-          tenden Ergebnis herstellen zu können
stance wird u. a. von Svensk (2001)             (Mapping).
beschrieben. Svensk veranschaulicht den     • Den Handlungen sollten direkte und
Ansatz durch zwei kurze fiktive Tages-          eindeutige Rückmeldungen des Sys-
beschreibungen eines Menschen mit gei-          tems folgen (Feedback).
stiger Behinderung: Am „terrible Tues-      • Das System sollte so gestaltet sein,
day“ gelingt es „Henrik Person“, so der         dass möglichst wenige Fehler ge-
Name des Protagonisten, kaum, alleine           macht werden können (Error redu-
zu leben und seiner Arbeit nachzugehen.         cing) (vgl. ebd. 47f).
Am „wonderful Wednesday“ hingegen           Diese Design-Kriterien reichen nach
sind es kleine Änderungen im personalen     Svensk nicht aus, um Umgebungen zu
und sächlichen Umfeld von Henrik, die       gestalten, die Personen kognitiv entla-
es ihm möglich machen, die gestellten       sten können. Vielmehr muss sicherge-
Aufgaben eigenständig zu bewältigen. In     stellt werden, dass folgende Erfahrungen
den Schilderungen der beiden sehr unter-    gemacht werden können: die Erfahrung
schiedlichen Tage werden zwei Aspekte       der Sicherheit, des Kontextes, der Erin-
besonders deutlich:                         nerung und der Klarheit:
1. Es sind u. U. nur kleine Änderungen      Sicherheit: Wenn eine zu unterstützende
    in der Umgebung nötig, um Selbstän-     Person das Gefühl hat, dass sie sich nicht
    digkeit für Menschen mit geistiger      auf eine Person oder eine Technologie

Erwachsenenbildung und Behinderung 1/2013                                          15
Schwerpunktthema

verlassen kann, dann wird sie viel Ener-    nahmen im Bereich des Computers für
gie darauf verwenden, ein alternatives      Menschen mit geistiger Behinderung
Sicherheitsnetz aufzubauen, anstatt sich    (und wahrscheinlich auch für solche
lernend damit auseinanderzusetzen.          ohne) nicht unbedingt im Computerraum
Kontext: Eine zu unterstützende Person      der Volkshochschule oder der Werkstatt
muss einen Überblick haben über die         für behinderte Menschen durchgeführt
sie umgebenden Hilfen und Ressourcen        werden können bzw. müssen. In diesem
sowie deren Zusammenhänge.                  Rahmen können lediglich Basiskom-
Erinnerung: Menschen, die nicht in der      petenzen im allgemeingültigen Sinne
Lage sind, sich an Menschen, Objekte        geschult werden. IKT verlieren mehr und
oder Eindrücke zu erinnern, die gerade      mehr ihre starre Form und Raumgebun-
nicht gegenwärtig sind, benötigen geeig-    denheit; sie können und müssen verstärkt
nete Hilfen, um eine Verbindung zu frü-     in Prozessen des täglichen Lebens einge-
heren Erfahrungen herstellen zu können.     bunden Verwendung finden. Und genau
Genauigkeit/Klarheit: Die genaue bzw.       in diesen situativen Kontexten sind die
klare Vorstellung von einer Tätigkeit ist   individuellen mediengestützten bzw.
eine wichtige Voraussetzung dafür, dass     medienbezogenen Bildungsprozesse zu
sie eigenständig ausgeführt werden kann.    verorten.
Tätigkeiten, für deren Ausführungen
unterschiedliche Entscheidungen getrof-
fen werden müssen, ermöglichen die          Literatur
Erfahrungen nicht (vgl. ebd., 39f).         BONFRANCHI, R. (1999): Die Auswirkungen
Svensk fasst diese erforderlichen Erfah-    moderner Technologie auf Menschen mit geistiger
rungen im Konzept STEP zusammen:            Behinderung. In: LAMERS, W. (Hrsg.): Com-
Security, ConText, Experience/memory,       puter- und Informationstechnologie – Geistigbe-
                                            hindertenpädagogische Perspektiven. Düsseldorf,
Precision. Anhand dieses Rasters können     80-86
für einzelne planbare bzw. voraussehbare    CARMIEN, S. (2001): Projektbericht MAPS.
Tätigkeiten bzw. Anforderungen unter        Online unter: http://l3d.cs.colorado.edu/cle-
Einbezug von Medien Lösungen entwi-         ver/assets/doc/sc-010412-project-report.doc
                                            [03.03.2013]
ckelt werden.                               CARMIEN, S. (2003): MAPS: Dynamic Scaffol-
Mit beiden angeführten Konzepten kön-       ding for Independence for Persons with Cognitive
nen individuell auf eine bestimmte Per-     Impairments. In: Proceedings of the 9th Interna-
son und deren Umfeld zugeschnittene         tional Conference on User Modeling (UM‘2003),
                                            408-410
Lösungen entwickelt werden, die dann        DREHER, W. (1999). Vorwort. In: LAMERS, W.
der Ausgangspunkt für erwachsenenpä-        (Hrsg.): Computer- und Informationstechnologie
dagogische Maßnahmen sind. Auf dieser       – Geistigbehindertenpädagogische Perspektiven.
Grundlage können Fertigkeiten der Com-      Düsseldorf, 1–3
                                            GRAMS-WIELER, U. (1992): Editorial. In:
puternutzung, die für die Bewältigung       Zusammen, 12(10), 1
der Aufgabe notwendig sind, gezielt dia-    HOLLAN J./HUTCHINS, E./KIRSCH, D. (2001):
gnostiziert und geschult werden.            Distributed Cognition: Toward a new foundation
                                            of Human-Computer-Interaction. In: CARROLL,
                                            J. M. (Hrsg.): Human-Computer-Interaction in the
                                            new millennium. New York, 75-94
Resümee                                     JEFFS, T./MORRISON, W. F./MESSENHEI-
                                            MER, T./RIZZA, M. G./BANISTER, S. (2003): A
Die Ausführungen zeigen, dass in            retrospective analysis of technical advancements
                                            in special education. In: Computers in Schools, 20
Zukunft erwachsenpädagogische Maß-          (1/2), 129-152

16                                          Erwachsenenbildung und Behinderung 1/2013
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