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BIOTECH-REPORT Medizinische Biotechnologie in Deutschland 2022 Biopharmazeutika: Wirtschaftsdaten und medizinische Bedeutung für Menschen mit seltenen Erkrankungen
Die Boston Consulting Group (BCG) ist eine internationale Managementberatung und weltweit führend auf dem G ebiet der Unternehmensstrategie. BCG unterstützt Unternehmen aus allen Branchen und Regionen dabei, Wachstumschancen zu nutzen und ihr Geschäftsmodell an neue Gegebenheiten anzupassen. In partnerschaftlicher Zusammenarbeit mit den Kunden entwickelt BCG individuelle Lösungen. Gemeinsames Ziel ist es, nachhaltige Wettbewerbsvorteile zu schaffen, die Leistungsfähigkeit der Unternehmen zu steigern und das Geschäftsergebnis d auerhaft zu verbessern. BCG wurde 1963 von Bruce D. Henderson gegründet und ist heute an mehr als 90 Standorten in über 50 Ländern vertreten. Das Unternehmen befindet sich im alleinigen Besitz seiner Geschäftsführer:innen. Weitere Informationen finden Sie auf unserer Internetseite www.bcg.de. Foto: Gene Editing © Fotolia, freshidea #88568525 Silhouettes of people © Fotolia, PrintingSociety #57193055 Der vfa ist der Wirtschaftsverband der forschenden Pharma-Unternehmen in Deutschland. Er vertritt die Interessen von 47 weltweit führenden forschenden Pharma-Unternehmen und über 100 Tochter- und Schwesterfirmen in der Gesundheits-, Forschungs- und Wirtschaftspolitik. Die Mitglieder des vfa repräsentieren mehr als zwei Drittel des gesamten deutschen Arzneimittel marktes und beschäftigen in Deutschland rund 80.000 Mitarbeiter:innen. Sie gewährleisten den therapeutischen Fortschritt bei Arzneimitteln und sichern das hohe Niveau der Arzneimitteltherapie. vfa bio vertritt die Biotechnologie-Interessen im vfa und setzt sich dafür ein, das medizinische und wirtschaftliche Potenzial der Biotechnologie zu nutzen und Deutschland zum führenden Biotechnologie-Standort Europas zu machen. vfa bio gehören derzeit 30 Unternehmen an.
BIOTECH-REPORT Medizinische Biotechnologie in Deutschland 2022 Biopharmazeutika: Wirtschaftsdaten und medizinische Bedeutung für Menschen mit seltenen Erkrankungen JÜRGEN LÜCKE MATHIAS BÄDEKER MARKUS HILDINGER © 2022 Boston Consulting Group. Alle Rechte vorbehalten Für Nachbestellungen und Nachdruckgenehmigungen wenden Sie sich bitte an BCG unter permissions@bcg.com Juni 2022 | Boston Consulting Group • vfa bio
Vorwort Die medizinische Biotechnologie ist Grundlage für spricht sich für ein vorsorgendes, krisenfestes und viele neue Therapeutika. Für die Erforschung seltener modernes Gesundheitssystem, das die Chancen bio- Erkrankungen, die zu 80 % genetischen Ursprungs technologischer und medizinischer Verfahren nutzt, sind, spielt sie zudem eine ganz besondere Rolle. sowie für einen starken Produktionsstandort Deutsch- Denn genetische und molekularbiologische Metho- land aus. Die Bekämpfung seltener Erkrankungen den sowie Erkenntnisse über das menschliche Erbgut wird explizit genannt. Über diese politischen Bekennt sind unerlässlich für ein besseres Verständnis dieser nisse freuen wir uns, zeigen sie doch auch eine Wert- Erkrankungen und natürlich auch für das Finden schätzung für unsere Branche. Nun wird es auf die möglicher therapeutischer Ansätze. Wir haben uns richtigen Weichenstellungen ankommen! deshalb für Orphan Drugs – also Arzneimittel zur Behandlung seltener Erkrankungen – als Schwer- Denn der Standort Deutschland bedarf dringend punktthema für unseren diesjährigen Biotech-Report einer Stärkung in den Bereichen Produktion, Digitali- entschieden. sierung und klinische Prüfungen sowie innovations- freundliche Rahmenbedingungen. Und das "Ja" zur In Deutschland leben insgesamt rund 4 Millionen Men- Biotechnologie sollte durch eine ganze Reihe an Maß- schen, die an einer seltenen Erkrankung leiden. In der nahmen untermauert werden, die den immer stärke- EU ist Anfang 2000 die "EG-Verordnung über Arznei- ren Fachkräftemangel ebenso adressieren wie die mittel für seltene Leiden" in Kraft getreten. Und diese nach wie vor weltweit nicht kompetitive Finanzie Verordnung ist ein echter Erfolg: Vor 2000 dürfte jähr- rungslage für Biotech-Start-ups in Deutschland. lich kaum mehr als ein Medikament gegen eine seltene Unsere Regierung dürfte alle Hände voll zu tun Erkrankung zugelassen worden sein. Inzwischen sind haben. es insgesamt schon 200! Allerdings gibt es angesichts von 8.000 verschiedenen seltenen Erkrankungen Die medizinische Biotechnologie hat bereits in der weiterhin noch sehr viel zu tun. Die entsprechenden Covid-19-Pandemie eindrucksvoll unter Beweis Förderungen sind also nach wie vor notwendig. gestellt, was in ihr steckt. Mit den richtigen Maß- nahmen wird sie ihr Potenzial vollumfänglich ent- Ziel der Ampel-Regierung – so hat sie es in ihrem falten können – zum Nutzen für die Patient:innen Koalitionsvertrag festgehalten – ist ein Aufbruch für und den Standort Deutschland! Innovationen und Investitionen. Die Bundesregierung Dr. Jürgen Lücke Dr. Frank Mathias Managing Director und Senior Partner Vorsitzender vfa bio der Boston Consulting Group © Foto: Rentschler Biopharma SE EMESA Business Development Chair 2 | Medizinische Biotechnologie in Deutschland 2022
Inhalt 2 Vorwort 4 Zusammenfassung 5 Executive Summary 6 Corona Spezial: Medizinische Biotechnologie ermöglicht noch bessere Impfstoffe und Therapeutika 8 Die wirtschaftliche Situation der medizinischen Biotechnologie in Deutschland 19 Menschen in der medizinischen Biotechnologie 25 Einleitung: Was sind seltene Erkrankungen, und was sind Orphan Drugs? 36 Besondere Herausforderungen bei der klinischen Entwicklung und Produktion von Orphan Drugs 39 Beispiele für den (klinischen) Nutzen von biopharmazeutischen Orphan Drugs 50 Bedeutung der Digitalisierung für seltene Erkrankungen 57 Auf einen Blick: Wissenswertes und aktuelle Entwicklungen rund um Orphan Drugs 59 Handlungsempfehlungen für die Bundesregierung 60 Abkürzungsverzeichnis 61 Quellen Die Beispiele für in Entwicklung befindliche Biopharmazeutika enthalten bestimmte, in die Zukunft gerichtete Aus- sagen, die auf gegenwärtigen Annahmen und Prognosen beruhen. Verschiedene bekannte wie auch unbekannte Risiken, Ungewissheiten und andere Faktoren können dazu führen, dass die tatsächlichen Ergebnisse von den hier gegebenen Einschätzungen abweichen. Im Hinblick auf die exemplarisch erwähnten Biopharmazeutika erhebt diese Studie keinerlei Anspruch auf Vollständigkeit. Dieser Bericht stellt keine Verschreibungs- oder Therapiegrundlage für Ärzt:innen dar, sondern soll einen Überblick über die Branche liefern und anhand ausgewählter Beispiele den durch Studien belegten Nutzen von Biopharmazeutika ver- anschaulichen. Die zugelassenen Anwendungsgebiete, mögliche Nebenwirkungen und Gegenanzeigen sind insbesondere der Packungsbeilage bzw. Fachinformation der jeweiligen Medikamente zu entnehmen. Die Informationsbeispiele dieses Berichts ersetzen auch nicht die Beratung und Behandlung der Patient:innen durch entsprechende Ärzt:innen. Boston Consulting Group • vfa bio | 3
Zusammenfassung Die wichtigsten Wirtschaftsdaten der medizinischen (68 %) durchläuft das Standard-Zulassungsverfahren Biotechnologie in Deutschland für 2021 auf einen Blick: bei der europäischen Zulassungsagentur (EMA), 25 % werden bedingt (mit Auflagen) zugelassen und 7 % • Der Umsatz mit Biopharmazeutika (Apotheken- unter außergewöhnlichen Umständen. Die EMA über- und Klinikmarkt) erhöhte sich gegenüber 2020 um prüft unmittelbar vor der Zulassung erneut den 10,2 % auf 16,1 Milliarden Euro. Der Anteil dieses Orphan-Status und damit auch den Zusatznutzen im Umsatzes am Gesamtpharmamarkt stieg leicht Vergleich zu bereits verfügbaren Arzneimitteln. In von 30,8 % auf 31,4 %. Wachstum gab es in allen drei Vierteln dieser Fälle – genau bei 74,4 % der Über- medizinischen Anwendungsgebieten. In diesen prüfungen – hat die EMA den neuen Orphan Drugs Zahlen sind die von der Bundesregierung getrage- eine verbesserte Wirksamkeit attestiert. Nach ihrer nen Umsätze mit SARS-CoV-2-Impfstoffen nicht EU-Zulassung durchlaufen Orphan Drugs in Deutsch- enthalten, die für 2021 in Deutschland bei schät- land wie alle Medikamente das AMNOG-Verfahren zungsweise 2 bis 2,5 Milliarden Euro gelegen inklusive der Erstattungsbetragsverhandlungen. haben dürften. Die in der EU Anfang 2000 in Kraft getretene "EG-Ver- • Biosimilars zeigen nach ihrer Markteinführung in ordnung über Arzneimittel für seltene Leiden" ist ein Deutschland ein starkes Wachstum; sie erreichen Erfolg. Eine Weiterführung der Förderung ist notwen- bereits im ersten Jahr signifikante Marktanteile dig, da es für rund 98 % aller seltenen Erkrankungen von bis zu 80 %. noch keine Orphan Drugs gibt. Um dieses Gebiet wei- ter voranzubringen, müssen die Methodik der Nutzen • Mit 26 neu zugelassenen Biopharmazeutika bewertung an die Besonderheiten der seltenen Er- kamen diese auf einen Anteil von 46 % aller Neu- krankungen angepasst, die Vernetzung ausgebaut zulassungen – ein ähnlicher Wert wie 2020. und die Registerlandschaft verbessert werden. Außer- dem sollten zur Beschleunigung der Diagnosestellung • Die Pipeline ist trotz der Erschwernisse durch die digitale Lösungen und die Infrastruktur gefördert Coronapandemie weiter gewachsen, und zwar um werden. 1,8 %: Die Zahl der biopharmazeutischen Präpa- rate in klinischer Entwicklung erhöhte sich binnen Um das große Potenzial der medizinischen Biotech Jahresfrist von 657 auf 669. nologie in Deutschland zu heben und den medizini- schen Fortschritt sicherzustellen, braucht die Branche • Die Firmen der medizinischen Biotechnologie insgesamt stabile und innovationsfördernde Rahmen stellten weiterhin neue Beschäftigte ein. Die bedingungen. Ziel der Ampelkoalition – so hat sie es Belegschaft vergrößerte sich um 3,1 % auf gut Ende 2021 in ihrem Koalitionsvertrag festgehalten – 46.000 – das ist erneut ein Rekordstand. ist ein Aufbruch für Innovationen und Investitionen. Für die Pharma- und Biotech-Industrie sind dies Im Mittelpunkt des Biotech-Reports 2022 stehen eigentlich gute Voraussetzungen und eine Chance, die Orphan Drugs, also Medikamente für Menschen mit Rolle einer Schlüsselindustrie einzunehmen. Hierfür seltenen Erkrankungen. Eine Erkrankung gilt in der müssen die Weichen allerdings richtig gestellt wer- EU als selten, wenn davon nicht mehr als fünf von den, indem – bei einem klaren Bekenntnis zur Bio- 10.000 Personen betroffen sind. Es gibt schätzungs- technologie – der Standort gestärkt und die Inno weise 8.000 verschiedene seltene Erkrankungen; in vationskraft nachhaltig gefördert werden, zum Deutschland leiden ca. 4 Millionen Menschen an Nutzen für die Patient:innen, inklusive solcher mit einer davon. Bisher wurden in der EU 200 Orphan einer seltenen Erkrankung. Drugs zugelassen. Die Mehrzahl aller Orphan Drugs 4 | Medizinische Biotechnologie in Deutschland 2022
Executive Summary Key economic data on medical biotechnology in EMA reassesses the orphan status, and thus also the Germany for 2021 at a glance: additional benefit compared to already available drugs. In three quarters of these cases—more pre- • Sales of biopharmaceuticals (in the pharmacy and cisely, 74.4% of the reassessments—EMA has certified hospital market) increased by 10.2% relative to improved efficacy for the new orphan drugs. After 2020, to €16.1 billion. The share of this revenue as their EU approval, orphan drugs go through the a percentage of the total pharmaceuticals market AMNOG procedure in Germany, like all medicines, rose slightly from 30.8% to 31.4%. Nearly all fields including negotiations regarding reimbursement of medical application saw growth. These figures rates. do not include SARS-CoV-2 vaccine sales covered by the federal government, estimated at between The European Regulation on Orphan Medicinal Prod- €2 billion and €2.5 billion in Germany in 2021. ucts, which came into force in the EU at the beginning of 2000, has been a success. Continued funding is nec- • Biosimilars show strong growth since their market essary because for approximately 98% of all rare dis- launch in Germany; they already achieve signifi- eases there are no orphan drugs available yet. To fur- cant market share of up to 80% within the first ther advance this field, the methodology of benefit year. assessment must be adapted to the specifics of rare diseases, the network expanded, and the registry • With 26 newly approved biopharmaceuticals, landscape improved. In addition, digital solutions and these accounted for 46% of all new registra- infrastructure should be supported to accelerate diag- tions—a similar figure as in 2020. nosis of the disease. • The pipeline continued to grow by 1.8% in spite To leverage the vast potential of medical biotechno of the difficulties caused by the coronavirus pan- logy in Germany and ensure medical progress, the demic: The number of biopharmaceutical com- industry as a whole needs stable, innovation-friendly pounds in clinical development rose within the framework conditions. The goal of the German gov- space of one year, from 657 to 669. erning coalition, as it stated in its coalition agreement at the end of 2021, is an upswing for innovation and • Companies active in medical biotechnology con- investment. These are actually good conditions for tinue to hire. The workforce increased by 3.1% to the pharmaceutical and biotech industry, and an over 46,000—another record level. opportunity to become a key industry. Achieving this, however, will require setting the right course by The focus of the Biotech-Report 2022 is on orphan strengthening the location and sustainably promoting drugs, i.e., drugs for people with rare diseases. A dis- innovative strength—with a clear commitment to bio- ease is considered rare in the EU if no more than five technology—for the benefit of patients, including in 10,000 people are affected by it. There are an esti- those with rare diseases. mated 8,000 different rare diseases; in Germany, about 4 million people suffer from one of them. To date, 200 orphan drugs have been approved in the EU. The majority of all orphan drugs (68%) go through the standard approval process at the Euro- pean Medicines Agency (EMA); 25% are approved conditionally, while 7% are approved under excep- tional circumstances. Immediately before approval, Boston Consulting Group • vfa bio | 5
Corona Spezial: Medizinische Bio- technologie ermöglicht noch bessere Impfstoffe und Therapeutika Gegen die Coronapandemie haben Unternehmen in globalen Maßstab. An der Produktion der übrigen Rekordzeit eine Reihe von Impfstoffen, Therapeutika vier EU-zugelassenen Impfstoffe waren oder sind und prophylaktisch einsetzbaren Antikörpern ent- deutsche Unternehmen ebenfalls beteiligt – als wickelt und großtechnisch produziert. Das hat wesent Zulieferer oder Lohnfertiger. Für den Aufbau weiterer lich dazu beigetragen, Menschenleben zu retten und Produktionsstätten für mRNA-Impfstoffe in der Welt vielen Infizierten eine intensivmedizinische Behand liefert das Mainzer Unternehmen BioNTech Pro lung zu ersparen. Dennoch besteht die Pandemie auch duktionscontainer, die vor Ort zu funktionsfähigen nach mehr als zwei Jahren ungebrochen fort. Denn die Einheiten verbunden werden können. Erstes Einsatz- mittlerweile entstandenen Varianten des ursprüng- gebiet ist Afrika. Die Tübinger CureVac entwickelt lichen Erregerstamms sind noch infektiöser und lassen ebenfalls transportable Produktionseinheiten. sich durch einige der zugelassenen Impfstoffe, Pro- phylaktika und Therapeutika weniger gut bekämpfen. Künftig dürften sich die Aktivitäten am Standort Deshalb hat die Entwicklung weiterer Medikamente Deutschland für Covid-19-Impfstoffe noch ausweiten, aller drei Gruppen für die Unternehmen nach wie vor denn hierzulande arbeiten Unternehmen und Insti- hohe Priorität. Hinzu kommen die Probleme der Men- tute an 17 neuen Covid-19-Impfstoffen – darunter sol- schen mit "Long Covid", also mit Spätfolgen einer aku- chen zur nasalen Applikation (für einen besonders ten Covid-19-Erkrankung. Auch für sie arbeiten Unter- starken Schutz vor einer Ansteckung) oder speziell nehmen an Medikamenten. für Immunsupprimierte. Außerdem wollen Unter- nehmen an deutschen Standorten an der Produktion weiterer Impfstoffe mitwirken. Impfstoffe Weltweit sind mittlerweile Covid-19-Impfstoffe in Die Bundesregierung hat zudem mit fünf in Deutsch- zweistelliger Zahl zugelassen, fünf davon auch in land tätigen Unternehmen bzw. Konsortien Pandemie der EU (Stand 09.05.2022): Zwei verwenden mRNA, bereitschaftsverträge geschlossen. Damit verpflichten zwei basieren auf Vektorviren, einer auf einem sich die Unternehmen, im Pandemiefall Produktions- rekombinanten Protein. Trotz unterschiedlicher kapazitäten so einzusetzen, dass sie binnen Monaten Technologien beruhen sie alle auf der Anwendung einen Impfstoff gegen den neuen Erreger(stamm) modernster medizinischer Biotechnologie. Auch sind ausliefern können – je nach vorgehaltener Techno- sie alle gut wirksam darin, schwere Krankheitsver- logie einen mRNA-, einen Vektor- oder einen Protein- läufe meist zu verhindern. Ihr Vermögen, jegliche basierten Impfstoff. Die Gesamtkapazität geht weit Ansteckung – gerade auch mit der Omikron-Variante über den Eigenbedarf Deutschlands hinaus und kann – zu verhindern, ist allerdings limitiert. Weltweit wird auch zur Versorgung anderer Länder beitragen. deshalb an variantenangepassten Impfstoffen sowie an Vakzinen der nächsten Generation mit guter Schutzwirkung auch vor mild verlaufenden Infektio- Therapeutika nen gearbeitet. Viele Unternehmen entwickeln auch therapeutische Medikamente gegen Covid-19. Da die Krankheit ver- Der in der westlichen Welt meistverwendete Impf- schiedene Stadien durchläuft und viele Organe stoff – der mRNA-Impfstoff von BioNTech/Pfizer – betrifft, benötigt man Medikamente unterschied- wurde in Deutschland erfunden und dann von beiden licher Art: Unternehmen gemeinsam entwickelt. Ein Netzwerk von in Deutschland ansässigen Firmen leistet auch • antivirale Medikamente für Patient:innen in der einen wesentlichen Beitrag zu seiner Produktion im Anfangsphase der Erkrankung, 6 | Medizinische Biotechnologie in Deutschland 2022
• Medikamente gegen Thrombosen und andere Deutsche Unternehmen entwickeln Covid-19-Medika- Herz-Kreislauf-Probleme, mente für alle genannten Aufgabenbereiche. Dabei spielen sie sowohl biotechnologische Kompetenzen • Medikamente zur Dämpfung der überschießen- als auch solche im Umgang mit chemischen Substan- den Immunreaktion bei schwerer Erkrankung, zen aus. Zu Deutschlands Stärken im Ländervergleich gehört unter anderem die Entwicklung von therapeu- • Medikamente zur Stabilisierung der Lungenfunk- tischen RNA-Molekülen unterschiedlichen Typs. tion bei schwerer Erkrankung, Die medizinische Biotechnologie zeigt also generell • Medikamente zum Überwinden der Spätfolgen und gerade auch am Standort Deutschland ihr Poten- ("Long Covid"). zial, Antworten auf neue medizinische Heraus- forderungen zu erarbeiten, und das sogar in früher Mittlerweile konnten mehrere antivirale Medika- ungekannter Geschwindigkeit. Deutschland tut gut mente zugelassen werden, ebenso dämpfende daran, diese Technologie am Standort weiter auszu- Immunmodulatoren. Gegen das bei Erkrankten bauen und dafür Sorge zu tragen, dass das ausge hohe Risiko von Blutgerinnseln können mehrere prägte Miteinander von akademischen, industriellen Gerinnungshemmer innerhalb ihrer Zulassung ein- und behördlichen Akteuren, das sich im Verlauf der gesetzt werden. Nur für die Stabilisierung der Arbeit an Pandemie-Medikamenten entwickelt hat, Lungenfunktion konnten noch keine Medikamente erhalten bleibt. zugelassen werden. Mehr als 600 Medikamente werden derzeit daraufhin geprüft, ob sie sich für eine der Starke deutsche Biotechnologie genannten Anwendungen eignen. Dabei handelt es sich sowohl um biopharmazeutische als auch um chemisch-synthetische Medikamente. Die meisten waren zuvor bereits gegen andere Erkrankungen im Einsatz oder in der Ent- Wegweisende Beiträge wicklung. Unter den antiviralen Medikamenten sind allerdings auch Neuentwicklungen. Dazu zur Pandemiebekämpfung zählen mehrere biopharmazeutische Antikörper- Medikamente, deren Entwicklungszeit bis zur Zulassung weniger als zwei Jahre betrug: ein absoluter Rekord, da sonst für neue Medikamente Erster Covid-19-Impfstoff mit Entwicklungszeiten von durchschnittlich 13 Jah- EMA-Zulassung in Deutschland ren angesetzt werden. Die Antikörper sollen die erfunden und produziert Viren inaktivieren, ehe diese die Körperzellen befallen können. Wirksam sind sie bei Ver- abreichung durch Infusion oder Injektion in den ersten Tagen einer Infektion. Mehrere Unter- Weltweit erster Covid-19-Test nehmen arbeiten daran, sie auch in inhalierbarer in Deutschland entwickelt Form verfügbar zu machen. Neben den Antikörpern entwickeln Unter- nehmen und Forschungsinstitute – auch in Deutschland – noch weitere Wirkstofftypen, wel- Deutsche Biotech-Unternehmen che die Viren extrazellulär blockieren sollen, dar- führend in der mRNA-Technologie unter Aptamere, Nanobodies, DARPins und Fusionsproteine. Auch diese Wirkstoffe, von denen einige bereits mit Patient:innen erprobt werden, beruhen alle auf Biotechnologie. Mehr als 50 Projekte von Unter nehmen und Instituten in Deutsch- Biotechnologisch hergestellt werden auch viele land für weitere Covid-19-Impfstoffe Medikamente, die zur Immundämpfung ein- und -Therapeutika gesetzt oder erprobt werden. Erfunden wurden sie ursprünglich gegen Autoimmunkrankheiten wie rheumatoide Arthritis, periodische Fieber- syndrome oder ANCA-assoziierte Vaskulitis. Boston Consulting Group • vfa bio | 7
Die wirtschaftliche Situation der medizinischen Biotechnologie in Deutschland Im Jahr 2021 wurde in Deutschland mit Biopharma- Onkologie und Immunologie blieben mit jeweils rund zeutika ein Umsatz von rund € 16,1 Mrd. erzielt; das 28 % Marktanteil die beiden umsatzstärksten Bereiche entspricht einem Wachstum von 10,2 % gegenüber (Abbildung 2), wobei die Onkologie erstmals leicht dem Vorjahr. Im selben Zeitraum nahmen die vor der Immunologie lag. Zusammen mit den Stoff- Umsätze des gesamten deutschen Pharmamarktes wechselerkrankungen machten die drei größten um 8,1 % zu. Wie in den Vorjahren sind die steigen- Anwendungsgebiete fast drei Viertel des biopharma den Umsatzzahlen für Biopharmazeutika auf den zeutischen Gesamtumsatzes aus. weiterhin hohen medizinischen Bedarf und die ver- mehrt zur Verfügung stehenden zielgerichteten Unter Onkologie sind alle Krebstherapeutika – gegen Therapieoptionen durch die vielen zulassungsstarken solide sowie hämatologische Tumore – zusammen- Jahre für Biopharmazeutika zurückzuführen. Ihr gefasst. Bei den hämatologischen Erkrankungen wer- Umsatzanteil am gesamten Pharmamarkt ist dadurch den die nicht-malignen Erkrankungen eingeordnet von 30,8 % auf 31,4 % im Jahr 2021 angestiegen (z. B. Gerinnungsstörungen). Unter Immunologie (Abbildung 1). Da Preiserhöhungen für Arzneimittel werden Biopharmazeutika gegen Autoimmunkrank- weiterhin gesetzlich ausgeschlossen sind, zeigen diese heiten außerhalb des Zentralnervensystems (z. B. Zahlen eindrucksvoll die wachsende Bedeutung von rheumatoide Arthritis oder Psoriasis) aufgeführt. Bio- Biopharmazeutika für die Versorgung von Patient:in- pharmazeutika in der Immunonkologie werden unter nen. Onkologie und solche gegen Multiple Sklerose unter Sofern nicht explizit anders ausgewiesen, umfasst der Begriff "Biopharmazeutika" in dieser Studie the- rapeutische Arzneimittel und Impfstoffe, deren Wirkstoffe bzw. Antigene mit Hilfe gentechnisch verän derter Organismen hergestellt werden. Um die Situation der medizinischen Biotechnologie in Deutschland einzuschätzen, wurden die Aktivi- täten deutscher Biotech- und Pharma-Unternehmen jeglicher Größe sowie deutscher Tochtergesell- schaften internationaler Pharma- und Biotech-Firmen analysiert. Umsatzangaben beziehen sich auf den Apotheken- und Klinikmarkt im GKV- und PKV-Segment nach Abgabepreis pharmazeutischer Unternehmen abzüglich der gesetzlich festgelegten Herstellerabschläge. Nicht berücksichtigt sind Umsatzminderungen aufgrund individueller Rabattverträge zwischen Herstellern und Kassen zu einzelnen Präparaten, da diese Rabatte im Einzelnen nicht öffentlich sind. Durch diese Rabatte tragen die forschenden Pharma- und Biotech-Unternehmen zur finanziellen Solidität des GKV-Systems bei: So summierte sich 2021 das gesamte Rabattvolumen für Arzneimittel (biopharmazeutische und che- misch-synthetisch hergestellte) auf € 11,6 Mrd., davon € 6,5 Mrd. (+13 %) für die gesetzlich festgelegten Herstellerabschläge und die aus dem AMNOG-Verfahren resultierenden Abschläge auf den Hersteller- preis plus weitere € 5,1 Mrd. (+2 %) für individuell mit den Kassen ausgehandelte Rabatte. Die SARS-CoV-2-Impfstoffe und -Antikörper sind nicht in den Netto-Gesamtumsätzen des Apotheken- und Krankenhausmarktes enthalten, da sie direkt von der Bundesregierung über ein zentrales EU- Corona-Impfstoffprogramm bzw. im Fall der Antikörper als Direktbezug bei den Herstellern beschafft sowie bezahlt werden. 8 | Medizinische Biotechnologie in Deutschland 2022
Abbildung 1 | Hoher medizinischer Bedarf ist Wachstumstreiber für Biopharmazeutika Umsatz mit und Marktanteil von Biopharmazeutika1 in Deutschland (netto) 2020 2021 69,2 % Biopharma- Biopharmazeutika: 68,6 % Biopharma- Chemische 30,8 % zeutika +10,2 % Wachstum Chemische 31,4 % zeutika und sonstige € 14,6 Mrd. und sonstige € 16,1 Mrd. Medikamente Medikamente Gesamtmarkt: Gesamt: € 47,5 Mrd. Gesamt: € 51,4 Mrd. +8,1 % Wachstum 1Netto-Gesamtumsatz (Apotheken- und Krankenhausmarkt im GKV- und PKV-Segment) nach Abgabepreis pharmazeutischer Unternehmen abzüglich der gesetzlich festgelegten Herstellerabschläge Anmerkung: Biopharmazeutika = Arzneimittel und Impfstoffe, deren Wirkstoffe bzw. Antigene mit Hilfe gentechnisch veränderter Organismen hergestellt werden Quelle: IQVIA Commercial GmbH & Co. OHG; BCG-Analyse ZNS einsortiert. Diabetes Typ 1 und 2 sowie Erb- Hämatologie im zweiten Jahr in Folge mit 34 % am krankheiten aus der Gruppe der lysosomalen stärksten wuchs. Ursächlich hierfür war insbesondere Speicherkrankheiten werden bei Stoffwechsel, eine Gesetzesänderung, nach der Hämophilie Asthma bei den Atemwegserkrankungen und Impf- präparate seit September 2020 über die Apotheken stoffe bei Infektion erfasst. abgegeben werden müssen, während sie davor wegen des bis dahin zulässigen Direktvertriebs in den Daten Insgesamt verzeichneten alle Anwendungsgebiete bis nicht erfasst werden konnten. Der Bereich des auf Immunologie, Infektion und Stoffwechsel im Jahr Zentralnervensystems wies mit 18 % ebenfalls erneut 2021 ein zweistelliges Umsatzwachstum, wobei die ein starkes Wachstum auf, was insbesondere auf das Abbildung 2 | Onkologie erstmals umsatzstärkstes Anwendungsgebiet Umsatz1 mit Biopharmazeutika in Deutschland 2021 (netto) Veränderung +12 % +20 % +11 % +13 % +5 % +34 % +18 % +3 % +8 % +11 % +10 % zum Vorjahr Mio. € 4.513 16.115 4.471 2.438 1.204 1.012 882 838 382 116 260 Andere2 Herz- Atem- Sinnes- Infektion4 Hämato- ZNS6 Stoff- Immuno- Onko- Gesamt Kreislauf wege organe3 logie5 wechsel logie7 logie8 1Netto-Gesamtumsatz (Apotheken- und Krankenhausmarkt im GKV- und PKV-Segment) nach Abgabepreis pharmazeutischer Unternehmen abzüglich der gesetzlich festgelegten Herstellerabschläge 2U. a. Osteoporose 3U. a. Makuladegeneration 4U. a. Impfstoffe und antivirale Wirkstoffe 5Ohne hämatologische Onkologie 6U. a. Spinale Muskelatrophie 7U. a. TNF-α-Inhibitoren; ohne Multiple Sklerose (s. ZNS) 8Inklusive Immunonkologika Quelle: IQVIA Commercial GmbH & Co. OHG; BCG-Analyse Boston Consulting Group • vfa bio | 9
Abbildung 3 | € 2 – 2,5 Mrd. Umsatz mit SARS-CoV-2-Impfstoffen in Deutschland 2021 Nur Schätzwerte verfügbar Umsatzschätzung und Lieferungen für 20211 Keine offiziellen Daten zu Umsätzen mit Umsatz (in Mrd. €) Impfstofflieferungen (in Mio. Dosen) SARS-CoV-2-Impfstoffen verfügbar 2,5 19,7 171,5 151,8 Angaben zu Umsätzen basieren auf Schätzungen: 0,5 EU-weit verhandelte Preise nicht öffentlich, nur Schätzwerte verfügbar 2,0 Anzahl gelieferter Dosen beim BMG einsehbar "Reale" Umsätze könnten aufgrund national Gesamt- mRNA- Vektor- Impfstoff- bestellter Tranchen noch etwas höher sein umsatz Impfstoffe2 impfstoffe3 dosen Unteres Preissegment ∆ zum oberen Preissegment 1Basierend auf Impfstofflieferungen in 2021; keine GKV-/PKV-Regelleistung, Finanzierung über die Bundesregierung 2Impfstoffe von BioNTech und Moderna 3Impfstoffe von AstraZeneca und Johnson & Johnson Quelle: https://impfdashboard.de/; BCG-Analyse Gentherapeutikum Onasemnogen abeparvovec zur Abbildung 4 zeigt die Bedeutung der Biopharmazeu- Behandlung der Spinalen Muskelatrophie sowie den tika in den verschiedenen Anwendungsgebieten. Die rekombinanten Antikörper Ocrelizumab zur Behand x-Achse bildet den Gesamtmarkt (Biopharmazeutika lung der Multiplen Sklerose zurückzuführen ist. und chemisch-synthetische Moleküle) und seine Bemerkenswert ist darüber hinaus der Zuwachs von Umsatzsegmentierung ab. Je höher der Umsatz in 20 % im Herz-Kreislauf-Segment, der im Wesentlichen einem Anwendungsgebiet, desto größer ist dessen durch die PCSK9-Inhibitoren Alirocumab und Evolo- Länge auf der x-Achse; d. h., Onkologie ist das umsatz- cumab bedingt ist, die zur Senkung zu hoher Choles stärkste Segment, gefolgt von ZNS usw. Auf der terinspiegel eingesetzt werden. y-Achse ist der jeweilige Anteil der Biopharmazeutika am Gesamtumsatz im entsprechenden Anwendungs- Abbildung 2 umfasst – wie auch Abbildung 1 – die gebiet dargestellt. So entfallen 44 % des Umsatzes in Netto-Gesamtumsätze des Apotheken- und Kranken- der Onkologie auf Biopharmazeutika, im Bereich hausmarktes. Daher sind für das Anwendungsgebiet Herz-Kreislauf sind es dagegen nur 4 %. Infektion die Umsätze für SARS-CoV-2-Impfstoffe nicht enthalten, weil diese über ein zentrales EU- Der Umsatzanteil von Biopharmazeutika in der Corona-Impfstoffprogramm direkt von der Bundes- Immunologie liegt seit Jahren auf hohem Niveau regierung beschafft sowie bezahlt werden. Da der (2020: 81 %, 2021: 80 %), gefolgt vom Bereich Sinnes- Bund keine genauen Zahlen veröffentlicht, kann organe mit 55 % (2020: 45 %), der jedoch in absoluten der Umsatz mit von der Bundesregierung in 2021 Zahlen zu den kleinsten Anwendungsgebieten gehört. bestellten SARS-CoV-2-Impfstoffen lediglich geschätzt Platz 3 teilen sich Stoffwechsel (2020: 45 %) und werden. Dieser belief sich auf etwa € 2 bis 2,5 Mrd. Onkologie (2020: 43 %) mit jeweils 44 %. Einen gerin- für die gelieferten 171,5 Millionen Dosen Impfstoffe, geren Anteil haben Biopharmazeutika mit 23 % in das Gros davon (151,8 Millionen) mRNA-Impfstoffe den Anwendungsbereichen nicht-onkologische (Abbildung 3). Hämatologie (z. B. Hämophilie, Anämie) (2020: 20 %), Infektion mit 21 % (2020: ebenfalls 21 %) und ZNS mit Biopharmazeutika sind inzwischen in vielen 18 % (2020: 16 %). Alle anderen Therapiegebiete Therapiegebieten vertreten. Ihr Umsatzanteil am sowie Atemwegs- und Herz-Kreislauf-Erkrankungen Gesamtmarkt ist in den letzten zehn Jahren stetig weisen mit ca. 4 bis 8 % nach wie vor nur einen gerin- gestiegen und hat im Jahr 2021 zum zweiten Mal in gen Biopharmazeutika-Anteil auf. Somit konnten Bio- Folge die Marke von 30 % überschritten (2011: 19 %, pharmazeutika in allen Anwendungsgebieten ihren 2016: 24,8 %, 2020: 30,8 %, 2021: 31,4 %). In den drei Umsatzanteil im Jahr 2021 weitestgehend halten oder bedeutendsten Anwendungsgebieten (Onkologie, ausbauen. Immunologie, Stoffwechsel) sowie im Bereich Sinnes- organe lag der Biopharmazeutika-Anteil wie in den Jahren zuvor jeweils deutlich über dem Durchschnitt. 46 % aller Neuzulassungen sind Insgesamt variieren jedoch die biopharmazeutischen Biopharmazeutika Umsatzanteile je nach Anwendungsgebiet stark. Nach lediglich 33 Zulassungen im Jahr 2019 wurden in der EU in den Jahren 2020 und 2021 jeweils 56 10 | Medizinische Biotechnologie in Deutschland 2022
Abbildung 4 | Biopharmazeutika stark in vier Bereichen Umsatzanteil von Biopharmazeutika am Gesamtmarkt1 in Deutschland 2021 Gesamtmarkt (€ 51,4 Mrd.) 100 80 60 40 80 % 31 % 20 44 % 44 % 55 % 18 % 21 % 23 % 4% 8% 6% 0 Onkologie2 ZNS Stoff- Immu- Infektion Hämato- Herz- Atem- Sinnes- Andere7 4 wechsel nologie3 logie5 Kreis- wege organe6 lauf Marktanteil Biopharmazeutika (31,4 % Marktanteil am Gesamtmarkt) 1Netto-Gesamtumsatz (Apotheken- und Krankenhausmarkt im GKV- und PKV-Segment) nach Abgabepreis pharmazeutischer Unternehmen abzüglich der gesetzlich festgelegten Herstellerabschläge 2Inklusive Immunonkologika 3U. a. TNF-α-Inhibitoren; ohne Multiple Sklerose (s. ZNS) 4U. a. Impfstoffe und antivirale Wirkstoffe 5Ohne hämatologische Onkologie 6U. a. Makuladegeneration 7U. a. Osteoporose Quelle: IQVIA Commercial GmbH & Co. OHG; BCG-Analyse Medikamente mit einem neuen Wirkstoff, einem nach dem Rekordjahr 2018. Damit liegt bereits im biosimilaren Wirkstoff oder einer neuen Kombi neunten Jahr in Folge die Zahl der Biopharma nation bekannter Wirkstoffe zugelassen – das ist zeutika-Zulassungen im zweistelligen Bereich. Ins- die zweithöchste Zahl seit 2011. Unter den Neu- gesamt machen die 20 Original-Biopharmazeutika zulassungen des Jahres 2021 befinden sich 26 Bio- und sechs Biosimilars fast die Hälfte (46 %) der Neu- pharmazeutika, ebenfalls die zweithöchste Anzahl zulassungen aus (Abbildung 5). Abbildung 5 | Biopharmazeutika-Zulassungen halten hohes Niveau 46 % der Neuzulassungen sind Biopharmazeutika1 Anteil Biopharma- zeutika inklusive 12 % 18 % 29 % 30 % 30 % 37 %3 51 % 58 % 45 % 45 % 46 % Biosimilars 65 56 56 49 50 47 27 45 38 31 30 34 22 33 28 35 35 14 33 23 18 6 9 30 10 23 3 3 32 24 3 20 15 13 16 11 11 12 12 4 5 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019 2020 2021 Biopharmazeutika: Originale Biosimilars Chemische und sonstige Medikamente 1Neuzulassungen in der EU; neue Wirkstoffe oder neue Kombinationen bekannter Wirkstoffe inklusive Biosimilars 2Inklusive Enoxaparin (nicht rekombinantes Biosimilar) 3AnteilBiopharmazeutika exklusive Enoxaparin Quelle: EMA; Europäische Kommission; vfa; BCG-Analyse Boston Consulting Group • vfa bio | 11
Tabelle 1 | Neuzulassungen von Biopharmazeutika in der EU (2021) Klassifizierung Wirkstoff Therapiegebiet Anmerkung Rekombinante Amivantamab Nicht-kleinzelliger Lungenkrebs Antikörper Bimekizumab Plaque-Psoriasis Casirivimab/Imdevimab Covid-19 Kombination zweier neuer Wirkstoffe Dostarlimab Endometriumkrebs Evinacumab Familiäre Hypercholesterinämie Regdanvimab Covid-19 Sacituzumab Govitecan Brustkrebs Satralizumab NMOSD (Neuromyelitis Optica Spectrum Disorder) Orphan Drug Sotrovimab Covid-19 Tafasitamab Großzelliges B-Zell-Lymphom Tralokinumab Atopische Dermatitis Trastuzumab Deruxtecan Brustkrebs ATMP1 Idecabtagen vicleucel Multiples Myelom Orphan Drug Wachstums- Somapacitan Wachstumshormonmangel Orphan Drug hormon Weiteres Tagraxofusp Blastische plasmazytoide dendritische Orphan Drug Protein Zellneoplasie Impfstoffe SARS-CoV-2-Impfstoff Prävention von Covid-19 Vektorimpfstoff SARS-CoV-2-Impfstoff Prävention von Covid-19 Vektorimpfstoff SARS-CoV-2-Impfstoff Prävention von Covid-19 Proteinbasierter Impfstoff Hepatitis-B-Impfstoff Prävention von Hepatitis-B-Infektionen Pneumokokken-Impfstoff Prävention invasiver Pneumokokkenerkrankungen Biotechnologisch hergestellter SARS-CoV-2-Impfstoff Prävention von Covid-19 mRNA-Impfstoff Impfstoff2 Biosimilars 2 × Adalimumab Rheumatoide Arthritis u. a. 2 × Bevacizumab Darmkrebs u. a. Ranibizumab Makuladegeneration u. a. Insulin aspart Diabetes 1ATMP: Advanced Therapy Medicinal Product (Arzneimittel für neuartige Therapien) 2Nicht rekombinant Quelle: vfa 12 | Medizinische Biotechnologie in Deutschland 2022
Die 26 Neuzulassungen für rekombinante Biophar- stoffe) für den deutschen Markt zugelassen. Dies ent- mazeutika betreffen verschiedene Therapiegebiete spricht einem deutlichen Zuwachs von 7 % bzw. 23 und umfassen folgende Produktklassen (Tabelle 1): Produkten gegenüber dem Vorjahr. Der Schwerpunkt Rekombinante Antikörper (zwölf neue plus fünf bio lag wie in den Jahren zuvor auf rekombinanten Anti- similare), andere rekombinante Proteine (zwei neue körpern, die mit 122 Zulassungen rund ein Drittel plus ein biosimilares), eine Gentherapie (ATMP, neu- aller zugelassenen Biopharmazeutika ausmachten. artige Therapie) sowie fünf neue rekombinante Impf- Rekombinante Antikörper umfassen neben den "klas- stoffe, darunter drei zur Prävention von Covid-19 sischen" Antikörpern auch Derivate, die auf voll- (zwei Vektorimpfstoffe, ein proteinbasierter Impf- ständigen Antikörpermolekülen basieren (z. B. Anti- stoff ). Außerdem kam 2021 noch ein weiterer bio körperfusionsproteine), Derivate basierend auf technologisch hergestellter, mRNA-basierter Impfstoff reduzierten Antikörpermolekülen (z. B. Nanobodies) gegen Covid-19 hinzu. sowie Antikörper-Konjugate (z. B. Antibody-Drug Conjugates, ADC). Zusammen mit den Impfstoffen Damit waren Ende 2021 insgesamt 362 Biopharma- deckten die Antikörper 55 % aller Zulassungen ab zeutika (inklusive biotechnologisch hergestellter Impf- (Abbildung 6). Abbildung 6 | Großer Zuwachs an neuen Produkten Gesamtzahl der zugelassenen Produkte nach Wirkstoffart1 8 6 3 362 9 8 14 10 20 21 24 40 Veränderung 77 2020 – 2021: +23 (+7 %) 122 Rekom- Impf- Insuline Gerin- Wachs- Enzyme Andere Gen- Inter- Epoetine Wachs- Ge- Andere Gesamt binante stoffe3 nungs- tums- Hormone thera- ferone tums- schlechts- Antikörper2 modula- faktoren peutika hormone hormone toren 1Inklusive Biosimilars 2Inklusive Antikörperderivate 3Biotechnologisch und gentechnisch hergestellt, inkl. der mRNA-Impfstoffe Anmerkung: Stichtag 31.12.2021 Quelle: Unternehmensauskünfte; EvaluatePharma; BCG-Analyse Kontinuierlich hohe Investitionen in gut hohe und kontinuierliche Investitionen in die gefüllte Biopharmazeutika-Pipeline Biopharmazeutika-Pipeline. Dass die Entwicklungs- Im Rahmen dieser Studie wurde auch die klinische pipeline auch 2021 zulegen konnte, ist insofern Entwicklungspipeline für neue biopharmazeutische bemerkenswert, als es aufgrund der Coronapandemie Wirkstoffe (d. h. Wirkstoffe, die noch in keiner Indi und der damit einhergehenden Überlastung der kation in der EU zugelassen sind) und biosimilare Krankenhäuser in vielen Ländern sehr schwierig war, Wirkstoffe analysiert. Das Ergebnis: Die biopharma klinische Prüfprogramme zu starten. zeutische Pipeline hat sich seit 2005 weit mehr als verdoppelt – von 256 klinischen Entwicklungskandi Wie bereits in den Vorjahren stellte die Wirkstoff- daten im Jahr 2005 auf 669 Ende 2021 (Abbildung 7, gruppe der rekombinanten Antikörper mit 66 % links). Das leichte Wachstum aus dem Vorjahr (+2,7 %) (2020: 65 %) den Löwenanteil der Entwicklungs- setzte sich auch 2021 fort (+1,8 %). Während die Zahl kandidaten (442 von 669 Projekten), was ihre der Phase-I-Projekte leicht zurückging, stieg die der Bedeutung als Wachstumsmotor der medizinischen Phase-II-Projekte um 3,8 %, die der Phase-III-Projekte Biotechnologie unterstreicht (Abbildung 7, rechts). (inklusive EU-Zulassungsverfahren) sogar um 7,3 % Erfasst werden auch hier ausschließlich neue Anti- an. Insgesamt stehen diese Zahlen für weiterhin sehr körpermoleküle, d. h. keine, die bereits zugelassen Boston Consulting Group • vfa bio | 13
Abbildung 7 | Antikörper dominieren die Pipeline Pipeline 2005 bis 20211 Phase III: Neue Wirkstoffe Nach Wirkstoffart1 und Biosimilars Veränderung +2,7 % +1,8 % +3 % -1 % -1 % +2 % zum Vorjahr 657 669 442 640 122 131 86 556 109 117 261 271 163 265 113 neue 18 Bio- 231 Wirkstoffe 86 % 14 % similars 256 49 +10 % -5 % 110 105 266 274 267 193 20 72 208 52 16 45 30 102 38 26 26 10 9 2005 2011 2019 2020 2021 Rekom- Impf- Andere Gen- binante stoffe2 rekombinante thera- Antikörper Proteine peutika Neue Wirkstoffe1 in: Phase I Phase II Phase III 1Zahl neuer Wirkstoffe und Biosimilars in der am weitesten fortgeschrittenen Phase; analysiert wurden neue biopharmazeutische Wirkstoffe (d. h. Wirkstoffe, die noch in keiner Indikation in der EU zugelassen sind) und biosimilare Wirkstoffe 2Biotechnologisch und gentechnisch hergestellt Anmerkung: Phase I/IIa in Phase I enthalten; Wirkstoffe im Zulassungsverfahren in Phase III enthalten; Wirkstoffe in weltweit durchgeführten Studien von in Deutschland tätigen Unternehmen Quelle: EvaluatePharma; Citeline's Pharmaprojects Pipeline Service, Jan. 2021; vfa; Unternehmensauskünfte; BCG-Analyse sind und in einer weiteren Indikation wie z. B. Covid- den onkologischen Projekten, zu denen 41 % (304, 19 geprüft werden. Bei den Projekten mit "anderen +6 % gegenüber 2020) aller Entwicklungskandidaten rekombinanten Proteinen" sowie bei den Entwick gehören. Der Bereich Prävention und Therapie von lungskandidaten für Impfstoffe zeigte sich ein leichter Infektionen konnte seinen im Jahr 2020 zum ersten Rückgang ( jeweils -1 %). Dass es trotz der zahlreichen Mal errungenen zweiten Platz mit 123 Projekten Corona-Impfstoff-Entwicklungen keine Zunahme im (+2 %) gegenüber der Immunologie verteidigen und Bereich der Impfstoffe gab, ist damit zu erklären, dass sogar ausbauen,auch deshalb, weil die Immunologie die Firmen im Vergleich zu den Vorjahren weniger mit jetzt 94 Projekten um 5 % schrumpfte. Das größte andere neue Impfstoffprojekte initiiert haben. Außer- Wachstum verzeichnete mit 10 % der Bereich ZNS, dem sind Corona-Impfstoff-Entwicklungen von Fir- gefolgt vom Anwendungsgebiet Atemwege mit 9 %, men ohne Aktivitäten in Deutschland hier nicht wobei in beiden Bereichen das Wachstum von einem berücksichtigt. niedrigen Niveau ausging. Zusammengenommen stel- len die drei größten Bereiche (Onkologie, Infektion, 2021 sank die Zahl der Biosimilar-Entwicklungskandi- Immunologie) rund 70 % aller Entwicklungsprojekte daten in Phase III wie bereits im Jahr zuvor (-5 %) mit neuen oder biosimilaren Wirkstoffen (Abbildung 8). (Abbildung 7, Mitte). Dessen ungeachtet stellten sie immer noch 14 % der Biopharmazeutika-Kandidaten in dieser Phase. Insgesamt blieb der Schwerpunkt der Zahl der Beschäftigten wächst weiter Entwicklungsaktivitäten der Pharma- und Biotech- In Deutschland waren 2021 in der medizinischen Bio- Unternehmen weiterhin deutlich auf den Neuent- technologie insgesamt 130 Unternehmen tätig, die wicklungen von Biopharmazeutika. eigene Medikamente entwickeln und teilweise auch vermarkten – ein Anstieg um 3,2 % gegenüber dem Manche Wirkstoffe werden in mehr als einem Vorjahr (2020: 126). Die Zahl der Beschäftigten wuchs Anwendungsgebiet klinisch geprüft (Abbildung 8), um 3,1 % auf 46.000 – ein Plus von 1.400 Mitarbei- sodass die hier ermittelte Summe höher ist als die ter:innen im Vergleich zum Vorjahr. Der bereits über Gesamtzahl der Entwicklungsprojekte in Abbildung 7 mehrere Jahre anhaltende positive Beschäftigungs- (669 Projekte in Abbildung 7 vs. 747 Projekte in trend konnte somit zum Vorteil für den Standort Abbildung 8). Medizinisch gesehen liegt der Ent- Deutschland fortgesetzt werden (Abbildung 9). wicklungsschwerpunkt seit 2010 kontinuierlich auf 14 | Medizinische Biotechnologie in Deutschland 2022
Abbildung 8 | Onkologie bleibt Entwicklungsschwerpunkt Biopharmazeutische Wirkstoffe je Anwendungsgebiet Veränderung +6 % +2 % -5 % +10 % -2 % -2 % -13 % +9 % -8 % zum Vorjahr 304 36 Ein Viertel 106 gegen Covid-196 123 31 94 162 33 55 46 43 40 45 41 8 5 27 25 14 20 24 20 37 9 7 20 20 18 14 15 5 14 4 13 5 11 Onko- Infektion 2 Immuno- ZNS Stoff- Hämato- Sinnes- Atemwege Andere5 logie1 logie wechsel logie3 organe4 Neue Wirkstoffe7 in: Phase I Phase II Phase III 1Inklusive Immunonkologika 2Inklusive biotechnologisch und gentechnisch hergestellter Impfstoffe 3U. a. Antianämika, Antithrombotika, Fibrinolytika, ohne hämatologische Onkologie 4Augen- und Ohrenerkrankungen 5U. a. Wirkstoffe gegen Erkrankungen von Muskeln, Knochen, Herz-Kreislauf 6Impfstoff oder Therapeutikum 7Zahl neuer Wirk- stoffe und Biosimilars in der am weitesten fortgeschrittenen Phase; analysiert wurden neue biopharmazeutische Wirkstoffe (d. h. Wirkstoffe, die noch in keiner Indikation in der EU zugelassen sind) und biosimilare Wirkstoffe Anmerkung: Phase I/IIa in Phase I enthalten; Wirkstoffe im Zulassungsverfahren in Phase III enthalten; Mehrfachzählung möglich: Manche Wirkstoffe in zwei oder mehr Anwendungsgebieten in der Entwicklung; Wirkstoffe in weltweit durchgeführten Studien von in Deutschland tätigen Unternehmen Quelle: EvaluatePharma; Citeline's Pharmaprojects Pipeline Service, Jan. 2021; vfa; Unternehmensinformationen; BCG-Analyse Abbildung 9 | Zahl der Beschäftigten in der medizinischen Biotechnologie wächst weiter Zahl der biopharmazeutischen Beschäftigte in den biopharma- Unternehmen1 in Deutschland zeutischen Unternehmen1 Veränderung +4,1 % +3,2 % +5,4 % +3,1 % zum Vorjahr 130 46.000 121 126 44.600 118 42.300 28.100 2011 2019 2020 2021 2011 2019 2020 2021 1Unternehmen mit Produkten am Markt und/oder Arzneimittelentwicklung Quelle: Bureau van Dijk; vfa-Mitgliedsunternehmen; BCG-Analyse Boston Consulting Group • vfa bio | 15
10-Jahres-Vergleich zeigt wachsende Bedeutung Medikamente sind verlässliche Rahmenbedingungen der Branche und ein innovationsfreundliches Umfeld essenzielle Der 10-Jahres-Vergleich ausgewählter Wirtschafts- Voraussetzungen für Investitionen, Forschung und daten für die Jahre 2011 und 2021 macht die wach- Fortschritt (s. Handlungsempfehlungen für die Bundes- sende Bedeutung der Biopharmazeutika für die regierung, S. 59). Patient:innen und den Standort Deutschland gleicher- maßen deutlich (Abbildung 10): Die Entwicklung von Biosimilars im deutschen • Die Zahl der Biopharmazeutika (inklusive Markt biotechnologisch hergestellter Impfstoffe) wuchs Mit Ablauf des Patentschutzes von Biopharmazeutika von 197 auf 362. können Biosimilars auf den Markt kommen, die ähn- lich (similar) zum Referenzprodukt sind und keine • Ebenfalls deutlich, nämlich um 20 % – von 556 klinisch relevanten Unterschiede in Qualität, Wirk- auf 669 –, konnte die Biopharmazeutika-Pipeline samkeit und Sicherheit zum Referenzprodukt auf- (inklusive biotechnologisch hergestellter Impf- weisen. Im Jahr 2006 wurde das erste Biosimilar in stoffe) ausgeweitet werden. der EU zugelassen – Somatropin zur Behandlung von Wachstumsstörungen. Seitdem sind viele weitere • Die Umsätze mit Biopharmazeutika in Deutsch- dazugekommen. Ihr Gesamtumsatz nimmt seit 2007 land haben sich von € 5,5 Mrd. auf € 16,1 Mrd. fast jedes Jahr zweistellig zu, mit einer durchschnittlichen verdreifacht, während sich der Anteil der Biophar- jährlichen Steigerungsrate von 61 %. In den letzten mazeutika am Gesamtmarkt von 19 % auf 31 % Jahren wurde ihr Wachstum durch besonders viele vergrößerte – das ist ein Anstieg um 63 %. Zulassungen für biosimilare Antikörper (Infliximab, Rituximab, Trastuzumab, Adalimumab, Bevacizu- • Die Zahl der Beschäftigten in den biopharmazeu- mab) angetrieben. Im Jahr 2021 erreichen die Biosi- tischen Unternehmen in Deutschland mit eigenen milars am deutschen Markt mit € 2.182 Mio. (+20 %) Produkten am Markt oder in der Entwicklung erstmals einen Umsatz von mehr als € 2 Mrd. (Abbil wuchs um 64 % von 28.100 auf rund 46.000 Mitar- dung 11; 2020: € 1,820 Mio.). beiter:innen. Wo Biosimilars in Konkurrenz zu Originalen stehen Diese Zahlen belegen: Biopharmazeutika sind medizi- (biosimilarfähiger Markt), erzielen sie im Schnitt nisch wie kommerziell eine Erfolgsgeschichte. Die inzwischen einen Umsatzanteil von 60 % (Abbil Unternehmen der medizinischen Biotechnologie sind dung 12; 2020: 52 %). Dabei ist zu berücksichtigen, somit nicht nur wirtschaftlich erfolgreich, sondern dass sich auch die Anbieter von Originalpräparaten zudem auch Fortschrittstreiber. Angesichts der langen dem Wettbewerb stellen: So schließen sie beispiels- Dauer und hohen Kosten für die Entwicklung dieser Abbildung 10 | 10-Jahres-Vergleich: Positive Entwicklung setzt sich fort Zugelassene Produkte1 Pipeline-Projekte1 Mitarbeiter:innen Umsatz und Marktanteil × 1,8 362 × 1,2 669 × 1,6 46.000 556 19 % × 1,7 31 % 28.100 197 € 5,5 Mrd. × 3,0 € 16,1 Mrd. Umsatz Umsatz 2011 2021 2011 2021 2011 2021 2011 2021 1Inklusive biotechnologisch hergestellter Impfstoffe Quelle: BCG-Analyse 16 | Medizinische Biotechnologie in Deutschland 2022
Abbildung 11 | Biosimilar-Umsätze überschreiten erstmals € 2 Mrd. Biosimilar-Jahresumsatz gesamt (in Mio. €)1 Wirkstoff Markteinführung 2021 2.182 ( Jahr3) 2020 1.820 +20 % Bevacizumab, 2020 2019 1.490 Insulin aspart +22 % 2018 912 Teriparatid 2019 +63 % 2017 519 Trastuzumab, 2018 +76 % Pegfilgrastim, 2016 241 +115 % Adalimumab 2015 139 +74 % Rituximab, 2017 2014 96 Insulin lispro CAGR2 +61 % 2013 85 Etanercept 2016 2012 75 Infliximab, 2015 2011 69 Insulin glargin 2010 65 Follitropin alfa 2014 2009 55 Filgrastim 2008 2008 30 Epoetin alfa 2007 2007 3 Somatropin 2006 2006 1 1IQVIA™ Dataview® Arzneimittelverbrauch (AMV); Gesamtmarkt: Klinikdaten: Umsatz in Euro zu bewerteten Klinikpreisen; Apothekenmarkt: Umsatz in Euro zum Abgabepreis des pharmazeutischen Unternehmers (ApU) ohne Berücksichtigung von Abschlägen und Einsparungen aus Rabattverträgen; ohne niedermolekulare Heparine 2CAGR = Compound Annual Growth Rate (durchschnittliche jährliche Wachstumsrate) 3Angegeben ist das Jahr der Markteinführung des ersten Biosimilars dieses Wirkstoffs Quelle: IQVIA Commercial GmbH & Co. OHG; BCG-Analyse weise entsprechende Rabattverträge mit den das Tempo der Marktdurchdringung der Biosimilars Krankenkassen ab. als auch im Hinblick auf ihre aktuellen Verordnungs- anteile. Die vergangenen Jahren haben gezeigt, dass Biosimi- lars bereits im ersten Jahr nach ihrer Einführung in Die Marktdurchdringung von Biosimilars ist dabei Deutschland Marktanteile von bis zu 80 % gewinnen von vielen Faktoren abhängig, darunter von der Höhe (Abbildung 13). Und im Anschluss wächst ihr Markt- des Preisunterschieds zum Originalpräparat – dessen anteil weiter, z. B. auf 92 % für Rituximab, 90 % für Hersteller ebenso preislich auf den Wettbewerb Bevacizumab, 89 % für Infliximab und 85 % für Tras- reagieren kann – und der Zahl der verfügbaren biosi- tuzumab (Stand Ende 2021). Diese Zahlen bestätigen: milaren Produkte. Für alle gilt gleichermaßen, dass Der Wettbewerb funktioniert sowohl im Hinblick auf eine sachliche und aktuelle Information von Ärzt:in- Abbildung 12 | Biosimilarfähiger Markt: Biosimilars erreichen erstmals 60 % Umsatzanteil von Wirkstoffen, für die seit mindestens zwölf Monaten Biosimilars am biopharmazeutischen Markt sind (netto) 2020 2021 48 % 52 % 40 % 60 % Originale Biosimilars Originale Biosimilars Anmerkung: Umsatz in Euro zum Abgabepreis pharmazeutischer Unternehmen im niedergelassenen Bereich (Erstattungsbetrag für AMNOG-Produkte und Listenpreis für übrige Produkte) abzüglich der gesetzlich festgelegten Herstellerabschläge im GKV- und PKV-Markt, ohne Einsparungen aus Rabattverträgen nach § 130 a SGB V; gemessen an den aktuell 16 Substanzen, die bereits über zwölf Monate am Markt verfügbar sind; ohne niedermolekulare Heparine Quelle: IQVIA PharmaScope®; BCG-Analyse Boston Consulting Group • vfa bio | 17
nen und Patient:innen entscheidend ist für die wettbewerbliche Dynamik biopharmazeutischer Akzeptanz der Produkte. Therapieoptionen ist längst in vollem Gang und trägt zur Verbesserung der Versorgung von Patient:innen Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass Biosimi- bei. Weitere politische Interventionen wie die ab lars in Deutschland ein sehr starkes Wachstum auf- August 2022 geplante automatische Substitution von weisen und bereits im ersten Jahr nach ihrer Markt- Biopharmazeutika in der Apotheke sind in diesem einführung signifikante Marktanteile gewinnen. Die Zusammenhang weder erforderlich noch hilfreich. Abbildung 13 | Der Wettbewerb funktioniert: Biosimilars mit schnellem Uptake und hohen Verordnungsanteilen Biosimilar-Anteil an der jeweiligen Substanz nach Absatz in DDD (= Defined Daily Doses) nach Markteintritt des ersten Biosimilars – Apothekenmarkt Deutschland Biosimilar-Anteil (%) nach Absatz in DDD Q4/2021: Jahr der 100 Biosimilar- ersten Anteil Biosimilar- 90 (nach DDD) Zulassung 80 Bevacizumab 90 % 2020 70 Trastuzumab 85 % 2018 60 Rituximab 92 % 2017 50 Pegfilgrastim 75 % 2018 40 Adalimumab 73 % 2018 30 20 Infliximab 89 % 2015 10 Etanercept 80 % 2016 0 M1 M2 M3 M4 M5 M6 M7 M8 M9 M10 M11 M12 Aktueller Monate nach Markteinführung Anteil in Q4/2021 Quelle: IQVIA PharmaScope®, Apothekenmarkt in DDD = Defined Daily Doses 18 | Medizinische Biotechnologie in Deutschland 2022
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