Vielfalt im Acker Blühstreifen, Wildpflanzen-Saatgut und insektenfreundliche Bewirtschaftung - Tiroler Umweltanwaltschaft
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Vielfalt im Acker Blühstreifen, Wildpflanzen-Saatgut und insektenfreundliche Bewirtschaftung Foto: Andreas Danzl 28. Oktober 2021, Stefanie Pontasch
Inhalt • Biodiversität – Grundlegendes & Gefährdung • Vielfalt im Acker: die Bekannten & die Unbekannten • Blühstreifen: Funktion & Anlage • Wildpflanzen-Saatgut • Insektenfreundliche Bewirtschaftung Foto: Angelika Waibel
Biodiversität = Vielfalt Bios + Diversität Leben Vielfalt 1. Vielfalt der Lebensräume (Wiesen, Wälder, etc.) 2. Vielfalt der Arten (Tiere, Pflanzen, Pilze, Mikroorganismen) 3. Vielfalt der Gene (Rassen oder Sorten von wildlebenden und genutzten Arten) Foto: Stefanie Suchy
Bedeutung der Bestäuber o 78% aller Blütenpflanzenarten der gemäßigten Breiten sind für ihre Bestäubung auf Insekten angewiesen. o 80% der wichtigsten Kulturpflanzen sind vollständig von tierischen Bestäubern abhängig. o Der wirtschaftliche Wert wird weltweit auf 153 Milliarden Euro geschätzt. o Bienen bilden die wichtigste Bestäubergruppe. o Von den etwa 700 Wildbienenarten in Österreich sind 50% bedroht. aus: FIBL Faktenblatt: Wildbienen & Bestäubung Global 2000
Vielfalt – Interaktion Mensch Die Landwirtschaft trug maßgeblich zur Entwicklung der Vielfalt auf allen Ebenen bei (Lebensräume – Arten – genetische Vielfalt/Sorten). Foto: Angelika Warmuth Durch Nutzbarmachung des Landes entstehen vielfältige Lebensräume. Durch Rhythmus der Arbeit und kleinteilige Bewirtschaftung entstehen wichtige Nischen. Foto: Angelika Warmuth Anpassung der Arten an den Lebensraum (Klima, Geologie, Wasserversorgung) und die Wirtschaftsweise (bsp. Acker). Foto: Stefanie Suchy
Vielfalt im Acker: Die Bekannten Vor etwa 7000 Jahren mit Ackerbau von SO-Europa und Kleinasien nach Mitteleuropa gekommen; Angepasst an regelmäßige „Störungen“: meist Einjährige. Kornblume Centaurea jacea Kornrade Klatschmohn Agrostemma githago Papaver rhoeas Alle Fotos: Andreas Danzl
Vielfalt im Acker: Die Unbekannteren Venus-Frauenspiegel Feldsalat (Gefurchter, Sommer-Adonisröschen Gezähnter,Gewöhnlicher) (Legousia speculum-veneris) (Adonis aestivalis) (Valerianella-Arten) Foto: Stefanie Suchy
„Unkraut vergeht sehr wohl“ Kornrade Agrostemma githago o 1/3 der Arten gelten als gefährdet. o Rückgang der Vielfalt in den letzten Jahrzehnten durch flächendeckenden Einsatz von Pflanzenschutzmittel, intensive Düngung, verbesserte Saatgutreinigung. Foto: pixabay
Blühstreifen – Funktionen o Förderung von Nützlingen wie Florfliegen, Marienkäfer, Schlupfwespen, Schwebfliegen, Laufkäfer etc. o Im Gemüseanbau Ertragsteigerungen (Bestäubung/Fruchtansatz). o Verbesserung der Bodenstruktur und Bodennährstoffe. o Lebensraum, Rückzugsort, Nahrung, Nistmöglichkeit für Kleinstlebewesen. o Deckung und Nahrung für Wildtiere. o Vernetzung von Lebensräumen. Foto: Stefanie Suchy o Bereicherung des Landschaftsbildes
Blühstreifen – Anlage Im Vorfeld: o Eine Neuanlage ist bei Bezug von Förderungen immer im Vorfeld mit der Behörde abzuklären (Umbruchverbot)! o Auf eine Neuanlage sollte verzichtet werden, wenn ökologisch wertvolle Ackerbegleitkräuter vorkommen. Holen Sie sich Unterstützung! Foto: pixabay
Blühstreifen – Anlage 1. Natürliche Entwicklung: Förderung von Einjährigen o Der Randstreifen wird gepflügt und bestellt wie der Acker – es wird aber auf Dünger oder Pflanzenschutzmittel gänzlich verzichtet. o Durch weniger dichte Einsaat fällt mehr Licht zu Boden und können sich Blütenpflanzen besser entwickeln. o Aktivierung des Samenvorrates im Boden: Viele Samen der Ackerbegleitkräuter bleiben über Jahrzehnte keimfähig! o Förderung von Einjährigen, die den jährlichen Umbruch benötigen. Foto: Andreas Danzl
Blühstreifen – Anlage 2. Natürliche Entwicklung mit Buntbrache o Ackerrandstreifen werden für mehrere Jahre aus der Nutzung genommen. So können sich mehrjährige Pflanzen etablieren. o Aktivierung des Samenvorrates im Boden. Foto: Stefanie Suchy
Blühstreifen – Anlage 3. Neuanlage mit Einsaat o Wenn der Samenvorrat im Boden erschöpft ist, kann standorttypisches Saatgut – und im besten fall regionales Saatgut – eingebracht werden. Achtung: derzeit kein/wenig Saatgut aus Tirol erhältlich! o Einsaat in unkrautfreies, gut abgesetztes Saatbeet; Anwalzen. Foto: Angelika Waibel
Einjährige „Biodiversitätsmischungen“ Saatgut – Beispiele o Meist einjährige Kultur- und Zierpflanzen wie Sonnenblumen, Borretsch, Phacelia, Dill, Kulturmalve, Ölrettich, Buchweizen, Gelbsenf, Koriander etc. o Relativ geringer Wert für die heimische Insektenwelt. Foto: pixabay Foto: pixabay
Einjährige Saatgut – Beispiele „Feldblumenmischungen“ o Meist Klatschmohn, Kornblume, Ringelblume, Kornrade, Rittersporn, Venus-Frauenspiegel, etc. o Relevante Nahrungsquellen für viele Wildbienenarten. Seidenbiene Foto: Stefanie Suchy Foto: pixabay Foto: pixabay
Anthe mis Acker-Hundskamille Anthemis arvensis: Maskenbienen, tinctori Furchenbiene, Schmalbienen, Seidenbienen, Löcherbienen und a: Mauerbienen Kornblume Centaurea cyanus: Sandbienen, Furchenbienen, Pelzbienen, Mauerbienen Echte Kamille Matricaria chamomilla: Gewöhnliche Löcherbiene, Buckel-Seidenbiene, Rainfarn-Seidenbiene, Korbblütler-Maskenbiene und weitere Arten. Klatschmohn Papaver rhoeas: Furchenbienen, Schmalbienen, Mauerbienen Quelle: Paul Westrich Fotos: pixabay
Mehrjährige „Mischungen“ Saatgut – Beispiele o Meist mehrjährigen Wiesenarten wie Flockenblume, Witwenblume, Wiesensalbei, etc. o Wichtige Nahrungsquellen für viele Wildbienenarten. Knautien-Sandbiene Foto: Angelika Waibel
Wildpflanzensaatgut • Es gibt derzeit kein/wenig Wildpflanzensaatgut, das in Tirol produziert oder gesammelt wird. • Es werden derzeit standortangepasste Saatgutmischungen unterschiedlicher Anbieter verwendet. • Achten Sie auf das Zeritifikat REWISA (Österreich) oder VWW (Deutschland). Dieses sichert die Herkunft des Pflanzenmaterials.
Warum ist die Herkunft des Saatgutes wichtig? o Verschiedene Herkünfte von derselben Pflanze weisen meist genetische Unterschiede auf, die mit räumlicher Entfernung zunehmen. o Die genetische Differenzierung ist von der Art abhängig. o Es gilt, die genetische Differenzierung zu erhalten! Aus: Durka et.al. (2016): Genetic differentiation among multiple common grassland plants, Journal of Applied Ecology
Regionales Saatgut Möglichkeiten der Verwendung: Heublumen, Heumahd, Samenernte mit speziellen Geräten. Foto: Angelika Warmuth
Wildbienen – Unersetzliche Bestäuberinnen o Wildbienen und Schwebfliegen übernehmen den Großteil der Bestäubungsleistung. o Große Vielfalt an Wildbienenarten mit unterschiedlichen Blütenpräferenzen, Flugzeiten und/oder Witterung. o Effiziente Bestäubung. o Die Honigbiene kann diese Leistung nur ergänzen, nicht ersetzen = gemeinsam wird der Bestäubungserfolg gesichert. Von links: Natternkopf-Mauerbiene Osmia adunca Knautien-Sandbiene Andrena hattorfiana Maskenbiene Hylaeus sp.
Wildbienen - Steckbrief o Etwa 20.000 Arten weltweit, 700 Arten in Ö, 400 Arten in Tirol o Etwa 70% nistet im offenen Boden, 20% in Hohlräumen, einige in markhhaltigen Stängeln oder Schneckenhäusern. • 1/3 sind Kuckucksbienen!
Blütenmenge o Eine Population von 50 Individuen der Knautien- Sandbiene Andrena hattorfiana benötigt 920 Pflanzen der Acker-Witwenblume Knautia arvensis für die Sicherung der Population. Larsson & Franzen 2006: Critical resource levels of pollen for the declining bee Andrena hattorfiana (Hymenoptera, Andrenidae). Biological Conservation. 134(3); DOI:10.1016/j.biocon.2006.08.030 o Die schwarze Mörtelbiene Megachile parietina (Kaunerberg) benötigt für die Erzeugung eines Nachkommens den gesamten Pollen von 1140 Blüten der Futteresparsette Onobrychis viciifolia. Müller et al 2006: Quantitative pollen requirements of solitary bees: Implications for bee conservation and the evolution of bee-flower relationships. Biological Conservation. 130(4):604-615; DOI:10.1016/j.biocon.2006.01.023 www.wildbiene.de www.wildbiene.de
Welches Saatgut für Wildbienen? o Konventionelles Saatgut für „Blühstreifen“ enthalten oft Kultursorten oder sogar Exoten. Manche dieser Arten sind als Nahrung für die Honigbiene geeignet, können aber den Großteil der spezialisierten Wildbienen nicht fördern. o Mehrjährige Pflanzen sind grundsätzlich geeigneter, ein größeres Spektrum am Wildbienen zu fördern. Aber auch Einjährige sind für Wildbienen bedeutsam!
„Insektenfreundliche“ Bewirtschaftung o Keine Pflanzenschutzmittel. Chem.-Synthetische Pflanzenschutzmittel haben unmittelbar tödliche Wirkung und schädigende Wirkung auf Gesundheit und Verhalten. Photo: pixabay
„Insektenfreundliche“ Bewirtschaftung o Erhaltung von Kleinstrukturen. Eine kleinräumige und kleinstrukturierte Landschaft fördert Insekten. Neben Blühstreifen sind v.a. Hecken von großer Bedeutung! Fliesser Sonnenhänge 1955 (links) und 2018 (rechts). Magneseal et al 2020. On the trails of Josias Braun-Blanquet - changes in the grasslands of the inneralpine dry valleys during the last 70 years. First results from the 11th EDGG Field Workshop in Austria. DOI:10.21570/EDGG.PG.45.34-58
„Insektenfreundliche“ Bewirtschaftung o Sicherstellung eines kontinuierliches Nahrungsangebot (Gestaffelte Mahd). Auch wichtig für die Entwicklung von Schmetterlingen (Raupenstadium 2-3 Wochen, Puppenstadium 2-11 Monate)
„Insektenfreundliche“ Bewirtschaftung o Blühstreifen erst im Frühjahr mähen. In den Stängeln nisten und überdauern Insekten den Winter. Photo: wildbieneninfo.de
„Insektenfreundliche“ Bewirtschaftung o Keine Rotations-Mähwerke, besser Messer-Mähwerke (Balkenmäher) verwenden. Schneidende Werkzeuge Rotierende Werkzeuge Schnellere Regeneration der Pflanzen Langsamere Regeneration der Pflanzen („Ausbluten“ der Triebe, Grasnarbenschädigung) Keine Futterverschmutzung Futterverschmutzung durch aufwirbelnde Bodenanteile Verminderte Unfallgefahr Unfallgefahr durch weggeschleuderte Fremdstoffe Geringe Gefährdung für Insekten, Amphibien, Große Gefährdung für Insekten, Amphibien, Wildtiere Wildtiere Geringerer Energiebedarf Größerer Energiebedarf
Wildbienen und Bestäubung. FIBL 2016
Zusammenfassung Sicherung der Vielfalt im Acker und am Feld: WIN-WIN für alle! Schonende Umstellungsmethoden und die Verwendung von heimischem Pflanzenmaterial sollte Vorrang haben. Bestäuber wie Wildbienen sind faszinierende Lebewesen, beginnen Sie die Beobachtung!
Vielen Dank! Stefanie Pontasch, PhD Projekt Blüten.Reich – Tiroler Umweltanwaltschaft www.tiroler-umweltnwaltschaft.gv.at s.pontasch@tiroler-umweltanwaltschaft.gv.at
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