Vier Gedanken zur digitalen Kunstgeschichte - François Bry / Bernd Krysmanski - LMU München
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Vier Gedanken zur digitalen Kunstgeschichte François Bry / Bernd Krysmanski Abstract Aus Sicht der Informatik und einer technik- und internetaffinen Kunstwissen- schaft vertritt der vorliegende Beitrag die Auffassung, dass die digitale Kunstgeschichte in Zukunft noch stärker als bisher vom Umgang mit virtuellen 3D-Welten, vom Aufbau neuer Datensammlungen, von neuen Formen der Zusammenarbeit unter Wissenschaft- lern und von der Bürgerwissenschaft geprägt werden dürfte. Keywords Digitale Geisteswissenschaften, Datenwissenschaft, Bürgerwissenschaft, Wikipedia, Hackathon, 3D-Drucke, soziale Medien, ARTigo, ARTizen. Die Anwendung von Informatik-Methoden in den Geis- „Hacking“ – wie auf Amerikanisch üblich – die spiele- teswissenschaften, insbesondere in der Kunstgeschichte, risch-kreative Programmierung gemeint ist. Bei einem wird zu Recht sowohl als vielversprechende Entwicklung Hackathon finden sich verschiedene Fachleute, z. B. wie auch als Bruch mit einer wissenschaftlichen Tradition Software- und Hardware-Entwickler, Webdesigner und angesehen.1 In diesem Artikel möchten wir aus der Sicht andere IT-Spezialisten zu einem kurzfristigen „Think eines Informatikers und eines Kunsthistorikers Verände- Tank“ zusammen, um sich in einem begrenzten Zeitrah- rungen schildern, die der Einzug von Informatik-Metho- men intensiv bestimmten Problemlösungen aus unter- den in die Kunstgeschichte und die verstärkte Nutzung schiedlichen Blickwinkeln zuzuwenden und dabei zu digitaler Medien im Rahmen der Kunstwissenschaft mit effektiven Lösungen zu gelangen.2 sich bringen dürfte, was zu einem noch größeren Tradi- Im Juni 2012 fand am Metropolitan Museum of Art, tionsbruch führen könnte als bislang gedacht. New York, ein zweitägiger Hackathon unter dem Motto Wenn bisher primär die Bereitstellung digitalisierten „Art to the People“ statt, der – sicher nicht ganz un- Quellenmaterials aus Archiv- und Bibliotheksbeständen eigennützig – vom 3D-Drucker-Hersteller „MakerBot“ und die software-gestützte Bildanalyse die Arbeit des gesponsert wurde. Museumsleute und vom Drucker- Kunsthistorikers unterstützte, so wird im Folgenden die hersteller engagierte Künstler nahmen sich geeignete Ansicht vertreten, dass der Umgang mit virtuellen Reali- Kunstwerke des Met vor, um diese mit Unterstützung täten, der Aufbau neuer Datensammlungen, neue For- von IT-Spezialisten zu digitalisieren und anschließend men der Zusammenarbeit unter Wissenschaftlern und mit Hilfe des Programms „Autodesk 123D Catch“ auszu- die Bürgerwissenschaft die digitale Kunstgeschichte in drucken. Die Ergebnisse stellte man als „Kunst für alle“ Zukunft verstärkt prägen dürften. auf der Internet-Plattform „Thingiverse“ zum Down- load der Allgemeinheit zur Verfügung.3 Möglicherweise Hackathons, 3D-Drucke und virtuelle wird sich das Herstellen originalgetreuer Kopien von Realitäten aus Sicht der Kunstwissenschaft kostspieligen Kunstwerken mit Hilfe digitaler Verfah- Eine Möglichkeit, um kunstgeschichtlich relevante, di- ren in Museen demnächst verbreiten, so dass man auf gitalisierte Daten auszuwerten, bietet ein sogenannter Ausstellungen nicht mehr nur die wertvollen Originale „Hackathon“. Der aus Amerika stammende und seit präsentieren (und versichern) muss, sondern mit Hilfe den 90er Jahren gebräuchliche Ausdruck kombiniert digitalisierter Daten täuschend echt wirkende Repliken die Begriffe „Hacking“ und „Marathon“, wobei mit vor Ort herstellen kann. Es fragt sich allerdings, ob sich François Bry / Bernd Krysmanski: Vier Gedanken zur digitalen Kunstgeschichte, 433 in: Effinger et al. (Hrsg.): Von analogen und digitalen Zugängen zur Kunst – Festschrift für Hubertus Kohle zum 60. Geburtstag, Heidelberg: arthistoricum.net 2019, S. 433–443. https://doi.org/10.11588/arthistoricum.493.c6550
die Mehrzahl der Ausstellungsbesucher damit zufrie- Er setzt allerdings das Vorhandensein von Daten voraus. dengeben würde, weil den Exponaten dann die „Aura“ Während des Münchner Hackathons „Coding Dürer“ der materiellen Authentizität fehlt. Das 3D-Drucken von (2017)9 wurde unter Verwendung einer Eigenvektorzen- Kunstwerken könnte aber nicht nur für kostengünsti- tralität10 versucht, das Beziehungsnetzwerk der Impres- gere Ausstellungsalternativen genutzt werden, sondern sionisten zu erforschen. Jede Person, die in irgendeiner den Museen auch zusätzliche Einnahmen sichern, wenn Form Kontakt zu einem Impressionisten hatte, wurde man die mit digitaler Hilfe angefertigten Objekte in Mu- dabei mitberücksichtigt, soweit dies den elektronisch seumsläden verkauft und jeder Ausstellungsbesucher verfügbaren Informationen zu entnehmen war. Die vor- sein persönlich favorisiertes Kunstwerk quasi in einer handenen Daten über die Beziehungen der Impressio- 1:1-Version mit nach Hause nehmen kann. nisten untereinander und mit jenen Zeitgenossen, die Neben den von Museen immer öfter angebotenen, mit ihnen in Verbindung standen, waren aber so dürf- im Internet präsentierten virtuellen Ausstellungen tig, dass innerhalb des fünftägigen Hackathons kein und neueren Tendenzen des IT-gestützten „curatorial aufschlussreiches Ergebnis erzielt werden konnte – mit design“4 dürfte die Herstellung von Kunstwerkkopien Ausnahme des recht fraglichen Resultats, dass Picasso durch das 3D-Drucken zudem einen Einfluss auf den die bestvernetzte Person im Umkreis des eigentlichen künftigen Umgang mit kunsthistorischen Daten haben: Kerns der Künstlergruppe war.11 Dass es so wenig öffent- Diese können in absehbarer Zukunft nicht nur – wie bis- lich zugängliche, digital abgespeicherte Informationen her üblich – vom Fachmann ausschließlich in Textform über die Impressionisten gibt, war allerdings eine über- erfasst werden – Aspekte, denen auch Veranstaltungen raschende Erkenntnis, weil es sich bei ihnen um Maler im Vor- und Hauptprogramm des XXXV. Deutschen handelt, die in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts Kunsthistorikertags 2019 gewidmet waren, auf denen gelebt haben, in ihrer Zeit beträchtliche Aufmerksam- unter anderem gefragt wurde, wie materielle Kunst- und keit auf sich zogen und dabei auch öffentlichem Spott Kulturgüter digital abzubilden, zu speichern und nutz- und medialer Häme ausgesetzt waren. Über die Impres- bar zu machen sind und welche Instrumente, Techniken, sionisten ist zweifelsohne viel geschrieben worden,12 die Metadaten und Formate dafür benötigt werden.5 meisten dieser Texte scheinen jedoch in einer Form, die Nur am Rande sei hier darauf verwiesen, dass IT-ge- für Datenanalysen nutzbar ist, in den digitalen Medien stützte Verfahren sich seit Jahren auch bei virtuellen nicht zur Verfügung zu stehen. 3D-Rekonstruktionen bewährt haben, wie man sie etwa Man hätte es eigentlich besser wissen sollen: Ehe- zur Nachbildung von zerstörten Kunst- oder Bauwerken malige Studenten, die als Datenanalysten für Versiche- einsetzt. Dabei werden zunächst historisch relevante rungen oder im Online-Handel tätig sind, hatten berich- Quellen erfasst, dann die zu rekonstruierenden Ob- tet, dass der Hauptteil ihrer Arbeit – oft über 95% der jekte identifiziert und klassifiziert und diese schließ- Arbeitszeit! – darin besteht, digital verfügbare Infor- lich mit Hilfe von digital erzeugten geometrischen Ge- mationen zu sammeln und zu kurieren, was heißt, diese rüsten modelliert und texturiert.6 Selbst historische so zu bereinigen und aufzubereiten, dass damit sinn- Design-Ausstellungen und künstlerische Installationen volle Analysen durchgeführt werden können. In zwei können digital rekonstruiert werden.7 Nicht zu verges- Praktika des Master-Studiengangs Informatik an der sen die Tendenz etlicher Virtual-Reality-Künstler, ihre Ludwig-Maximilians-Universität München, die prakti- künstlerischen Werke, etwa 3D-Skulpturen, gar nicht schen Datenanalysen gewidmet waren, wurde die oben mehr als reale Objekte, sondern nur noch rein virtuell zu geschilderte Erfahrung bestätigt: Sinnvolle Datenanaly- erschaffen,8 was auch Kunsthistoriker in Zukunft zwin- sen zu kunsthistorischen Themen – wie die Stellung der gen könnte, ihre traditionellen Analysemethoden um Frauen und die Veränderungen der Farbpalette in der digitale Verfahren zu erweitern, wenn die Arbeiten vir- europäischen Malerei des 19. Jahrhunderts13 – benötigen tueller Grafiker, Maler und Bildhauer nur noch mit Hilfe viel mehr digital gespeicherte Informationen als bisher von hochtechnisierten elektronischen 3D-Brillen und gesammelt wurden und öffentlich zugänglich sind. nicht mehr nur mit dem bloßen Auge zu erfassen sind. Umfangreichere Online-Datensammlungen für die kunstgeschichtliche Forschung gibt es mittlerweile Neue Datensammlungen und ihre schon. Bekannte Beispiele dafür sind arthistoricum.net14 algorithmische Auswertung und die über das Internet abrufbaren Informationen des Die algorithmische Analyse von Datensammlungen Getty Research Institute, Los Angeles, CA, insbesondere zu kunstgeschichtlichen Themen ist ein weiterer viel- die Getty Vocabularies as Linked Open Data.15 Will man al- versprechender Ansatz der digitalen Kunstgeschichte. lerdings die Datenanalyse in der Kunstgeschichte gezielt 434 François Bry / Bernd Krysmanski
einsetzen, so muss die Erfassung neuer Datenquellen speziellen Infrarotfiltern in seine einzelnen Schichten ein zentrales Anliegen werden. Wie aber kann das ge- aufzulösen und dabei offenbar viel genauer als mit tra- schehen? Datensammeln ist mühsam, und durch Sam- ditionellen Röntgenanalysen zu ermitteln, welche älte- meln von Daten allein wird niemand promoviert oder ren Zustände sich unter der Oberfläche eines Bildes ver- habilitiert, noch wird man dadurch, dass man es inten- bergen, ja welche Pigmente genau in jeder einzelnen der siv tut, auf eine Professur berufen. Das Abspeichern von tiefergelegenen Bildschichten vom Künstler verwendet fachspezifisch nutzbaren Informationen ist nur dann als wurden. Die ermittelten Daten erlauben es, sogar bei langjährige und gemeinschaftliche kunstwissenschaft- Meisterwerken mit stark vergilbten Firnisschichten die liche Unternehmung denkbar, wenn sich möglichst viele originale Version eines Bildes in seinen ursprünglichen Hochschullehrer und ihre Mitarbeiter, auch in Koopera- Farben digital wiederzuerschaffen.18 tion mit Informatikern, daran beteiligen. Es bietet sich Mit seiner IT-gestützten Technologie fand Cotte an, im Rahmen von Lehrveranstaltungen Studierende zum Beispiel heraus, dass sich unter der Oberfläche von daran teilnehmen zu lassen und das Datensammeln, Leonardo da Vincis sogenannter Mona Lisa weitere Bild- aber auch die Entwicklung moderner Konzepte zur digi- nisse verbergen. Eines dieser unter späteren Malschich- talen Auswertung der gesammelten Daten zum kollabo- ten verborgenen Porträts stellt offenbar die eigentliche rativen Ziel der Fakultät zu machen. Lisa del Giocondo mit den von Vasari beschriebenen Augenbrauen und Wimpern dar – ein Bildnis, das der Neue Formen der Zusammenarbeit Künstler (wie eine handschriftliche Notiz von Agostino unter Wissenschaftlern Vespucci, einem Mitarbeiter des florentinischen Kanz- Der Mathematiker, Ingenieur oder Naturwissenschaft- lers N iccolò Machiavelli, in einer zeitgenössischen ler, der sich Geisteswissenschaftlern annähert, ist Cicero-Ausgabe belegt19) 1503 begonnen, aber (laut meist von der Arbeitsweise seiner Kollegen ziemlich Vespucci und Vasari) nie vollendet hat. Dagegen zeigen überrascht. Für Mathematiker, Ingenieure und Natur- die obersten Malschichten des heute im Louvre aus- wissenschaftler ist die wissenschaftliche Forschung gestellten, augenscheinlich fertiggestellten Gemäldes eine Zusammenarbeit, zu der jeder mit meist kleinen eine andere Florentinerin ohne Augenbrauen, die (wie Bausteinen beiträgt.16 Ob ein Beitrag sich als wichtig schon 1517 Antonio de Beatis, der Sekretär des Kardinals erweist, ist in den meisten Fällen schwer vorhersehbar. Luigi d’Aragona, in seinem Reisetagebuch berichtete20) Jeder Wissenschaftler wünscht sich, mindestens einmal Leonardo wesentlich später im Auftrag von Giuliano de’ in seiner Karriere einen bedeutsamen Beitrag zu leisten, Medici porträtiert hat, wobei laut Cotte die unvollendete weiß aber, dass das Gelingen dieses Unterfangens nicht Lisa übermalt wurde.21 Ohne die enge Zusammenarbeit nur von der eigenen Begabung, sondern auch von einem mit Naturwissenschaftlern und Ingenieuren, die das nö- kaum kontrollierbaren Glück abhängt. tige Knowhow für solche Untersuchungen mitbringen, Viele Ergebnisse der gegenwärtigen naturwissen- würden traditionell arbeitende Kunsthistoriker wohl nie schaftlichen Forschung sind wie Flugzeuge oder Smart- zu derartigen Erkenntnissen gelangen. phones: Kein einziger Mensch beherrscht sie vollständig Hervorragende und nie zuvor gesehene Möglichkei- und kein Mensch könnte sie auch dann vollständig be- ten zur wissenschaftlichen Zusammenarbeit nicht nur herrschen, wenn er sich dieses Ziel zur Lebensaufgabe weniger Spezialisten, sondern vieler Forscher gleich- gemacht hätte. Es ist davon auszugehen, dass es frü- zeitig bieten aber auch die Informationsangebote und her oder später in der geisteswissenschaftlichen For- sozialen Medien des World Wide Web, die vor allem schung ähnlich sein wird. Insbesondere die historische von Studierenden und jungen Fachwissenschaftlern Forschung, die auf Fakten basiert, dürfte in Zukunft genutzt werden. Neben Internetplattformen wie dem zunehmend von einer ähnlichen Kooperation verschie- Portal Kunstgeschichte, das seit dem Millennium tages- dener Experten wie unter Mathematikern, Ingenieuren aktuell über das Kunstgeschehen im deutschsprachi- oder Naturwissenschaftlern geprägt werden. gen Raum, etwa über neue Publikationen, Tagungen, Welche spektakulären Ergebnisse die interdiszipli- Ausstellungen und Studienmöglichkeiten berichtet,22 näre Zusammenarbeit zwischen Ingenieuren und Kunst- dem Bibliothekskatalog kubikat, der es erlaubt, die ver- historikern erbringen kann, zeigen die Untersuchungen einten bibliografischen Daten der Fachbibliotheken des französischen Technikers Pascal Cotte, dessen Pa- der universitätsunabhängigen deutschen kunsthisto- riser Unternehmen Lumière Technology17 mit eigens ent- rischen Institute in Florenz, München, Paris und Rom wickelten hochauflösenden 240-Megapixel-Multispek- im Internet stichwortartig zu durchsuchen,23 der For- tralkameras in der Lage ist, ein Gemälde mit Hilfe von schungsdatenbank ARTtheses, die Doktoranden und Vier Gedanken zur digitalen Kunstgeschichte 435
Fachwissenschaftler über aktuelle Dissertationen, Ma- „Digitale Kunstgeschichte“ stehen,36 oder macht das gister-, Master- und Diplomarbeiten informiert,24 der Projekt „ARCHITRAVE“ zeitgenössische, bisher zum Teil Online-Version des für die Objektforschung wichtigen unpublizierte Berichte reisender deutscher Architekten Reallexikons zur Deutschen Kunstgeschichte (RDK Labor),25 und Diplomaten des Barockzeitalters über französische dem Marburger Bildindex der Kunst & Architektur26 oder Kunst und Architektur in einem kommentierten und dem digitalen Bildarchiv prometheus, das fast 100 Ins- mit ergänzenden ikonographischen Materialien ver- tituts-, Forschungs- und Museumsdatenbanken unter linkten digitalen Portal öffentlich zugänglich, in der er- einer Oberfläche verbindet,27 den Online-Informations- klärten Absicht, die Fachkenntnisse französischer Wis- angeboten der Max-Weber-Stiftung, deren international senschaftlerInnen zur Pariser und Versailler Kunst unter vernetzte Institute interdisziplinäre geistes- und sozial- Ludwig XIV. mit denen deutscher WissenschaftlerInnen wissenschaftliche Forschung fördern,28 oder dem Blog, zusammenzuführen.37 den vielfältigen Publikationsplattformen wie „ART-dok“ oder „ART-Books“29 und den „Netzwerken“ von art- Bürgerwissenschaft historicum.net, die über zurzeit stattfindende Tagun- Neben der Zusammenarbeit von Kunsthistorikern gen, Workshops und aktuelle kunstwissenschaftliche untereinander oder ihrer Kooperation mit Wissen- Fragestellungen informieren, fachspezifische Essays schaftlern anderer Disziplinen bietet aber auch die Zu- und Bücher ins Netz stellen sowie Raum für die Prä- sammenarbeit von Kunsthistorikern mit interessierten sentation von kunstwissenschaftlichen Arbeitskreisen Bürgern – sogenannten Bürgerwissenschaftlern – neue bieten30 (um nur einige der zahlreichen Recherche-An- Perspektiven. Die Kunst und die Kunstgeschichte ziehen gebote, die das Internet für Kunsthistoriker bereithält, Menschen an. Einige von ihnen dürften zu wissenschaft- zu nennen), haben sich Frage-Antwort-Plattformen wie lichen Projekten beitragen können. „Stack Exchange“31 als unabdingbare Werkzeuge der Eine erste, relativ einfache Möglichkeit für den Nor- wissenschaftlichen Forschung in der Mathematik und malbürger, ganz spontan im World Wide Web kunsthis- theoretischen Informatik, aber zunehmend auch in den torisch aktiv zu werden, ist seine Mitwirkung an Artikeln Geisteswissenschaften etabliert.32 Wäre es nicht viel- des Kunst-Portals der Internet-Enzyklopädie Wikipedia.38 versprechend, eine ähnliche Frage-Antwort-Plattform Die Zusammenarbeit vieler Benutzer dieser Plattform speziell für die Kunstgeschichte aufzubauen? hat dazu geführt, dass es dort viele kürzere oder längere Unterstützung für Geistes- und Kulturwissenschaft- Artikel zu kunstrelevanten Themen gibt, die auch von Di- ler, die neben traditionellen Forschungspfaden neue gitalfotos begleitet sein können, die beteiligte User von Wege beschreiten möchten, d. h. mit digitalen Metho- den besprochenen Kunstwerken selbst hergestellt und den und Verfahren arbeiten und Daten sammeln und in die Wikimedia-Foto-Datenbank hochgeladen haben. maschinenlesbar aufbewahren wollen, bieten aber auch Es gibt aber auch schon Museen und Universitätsbiblio- vom Bundesministerium für Bildung und Forschung theken, die dem freien Medienarchiv Wikimedia Commons geförderte Initiativen wie DARIAH-DE (Digital Research (einem Schwesterprojekt der Wikipedia) Bilddateien zur Infrastructure for the Arts and Humanities),33 deren digi- kostenlosen Verwendung zur Verfügung stellen.39 Einige tale Forschungsinfrastruktur auf vier Säulen basiert: der Wikipedia-Artikel zu kunsthistorischen Themen, die Lehre, Forschung, Forschungsdaten und Technische unter Mitwirkung vieler verschiedener anonymer Auto- Komponenten.34 Hinter dieser von etlichen Hochschul- ren zustande gekommen sind, wurden von der Commu- instituten unterstützten Initiative steht die Vision, durch nity sogar mit dem Attribut „exzellent“ ausgezeichnet.40 den Einsatz von Spitzentechnologien „den Geistes- und Der hohe Standard der betreffenden Artikel kann des- Kulturwissenschaften in Europa und in Deutschland ei- wegen erzielt werden, weil an ihrer Erstellung auch Fach- nen Raum zur Großforschung zu schaffen, wie er in den lehrer und Fachwissenschaftler beteiligt sind, die auf der Natur- und angewandten Wissenschaften bereits seit Internet-Plattform mit kunstgeschichtlich interessierten Jahrzehnten von vielen ForscherInnen und Institutio- Laien zusammenarbeiten, meist ohne dabei ihre Klar nen gemeinsam aufgebaut und genutzt wird“. Beispiels- namen preiszugeben.41 weise versammelt die Arbeitsgruppe „Digitale Rekons- All diese Wikipedia-Aktivitäten stehen seit 2011 truktion“ Experten, die sich diesem für das Kulturerbe auch in Verbindung mit dem Code-System QRpedia des so wichtigen Thema „aus dem Blickwinkel der Archi- mobilen Internets, das QR-Codes nutzt, um z. B. kunst- tektur, Archäologie, Bau- und Kunstgeschichte sowie geschichtlich bedeutsame Bauten oder Ausstellungsge- Computergrafik und Informatik verschrieben haben“35 genstände mit Wikipedia-Artikeln in der vom User bevor- und auch in regem Austausch mit dem Arbeitskreis zugten Sprache zu verlinken, so dass sich Kunsttouristen 436 François Bry / Bernd Krysmanski
1 Abb. 1 Die Einstiegsseite der Plattform ARTizen. mit Hilfe ihrer Smartphones auch im Ausland umfas- Details zu befassen und das Erarbeitete in Wikipedia-Ar- send über die vor Ort gesehenen Gebäude und Kunst- tikeln der Öffentlichkeit zu präsentieren.44 werke informieren können.42 Der Nutzer muss dazu nur Der Erfolg von solchen bürgerwissenschaftlichen das gewünschte Objekt mit der Kamera seines Handys Projekten dürfte erstens von passend ausgewählten oder Tablets scannen, um automatisch zum zugehöri- Zielen abhängen, zweitens sich nur dann einstellen, gen Wikipedia-Artikel in der als Standard eingestellten wenn der Bürgerwissenschaftler durch die Berufswis- Sprache weitergeleitet zu werden. Immer mehr Museen senschaftler betreut wird, und drittens wohl erst nach scheinen sich mittlerweile weltweit für die QRpedia- der Einführung von bürgerwissenschaftlichen Projek- Codes zu interessieren, und kunstaffine Wikipedianer ten in der Hochschullehre besonders groß sein. Ein bür- könnten sich motiviert fühlen, für noch nicht erfasste gerwissenschaftliches Projekt kann am besten mit der Kunstgegenstände eigene Wikipedia-Artikel zu verfas- Arbeit von Studierenden im Rahmen von Lehrveranstal- sen oder bereits vorhandene fremdsprachige Seiten tungen verknüpft und dadurch belebt werden. der Internet-Enzyklopädie in die eigene Landessprache So vielversprechend bürgerwissenschaftliche Pro- zu übersetzen. Die Qualität mancher auf diese Weise jekte auch erscheinen mögen, eines darf nicht übersehen zustande gekommener kurzer Internetseiten (im Wiki- werden: Die Betreuung von Bürgerwissenschaftlern ist pedia-Jargon als „Stubs“ bezeichnet)43 lässt bisher aller- zeitaufwändig. Die Hoffnung, dass weitgehend auf sich dings noch zu wünschen übrig und sollte von fachwis- gestellte Bürger in der Wissenschaft sinnvolle Beiträge senschaftlicher Seite überprüft werden. liefern, wäre naiv. Dies zeigen zumindest die Erfahrun- Erste Ansätze einer direkteren Zusammenarbeit von gen des Instituts für Informatik der Ludwig-Maximilians- kunst- und kulturgeschichtlich interessierten Internet- Universität mit der bürgerwissenschaftlichen Plattform Usern mit Museen, deren Etats und Personaldecken von ARTizen (Abb. 1 und 2), auf der Informatiker und Kunst- Haus aus eher begrenzt sind, bieten Wikipedia-Projekte, wissenschaftler gemeinsam mit interessierten Bürgern bei denen Community-Mitglieder aufgefordert werden, unter Nutzung IT-gestützter Datenanalysen an der Er- sich unter Anleitung von Museumsmitarbeitern mit forschung der europäischen Kunst des „langen“ 19. Jahr- der bisher nur unzureichend erfolgten Dokumentation hunderts, also der Zeit von der Französischen Revolution von Sammlungsgegenständen oder architektonischen bis zum Ersten Weltkrieg, zusammenarbeiten,45 aber Vier Gedanken zur digitalen Kunstgeschichte 437
2 Abb. 2 Übersicht über die laufenden Projekte der Plattform ARTizen. auch Auswertungen zum spielerischen Umgang mit zufrieden geben wird, sondern darauf Wert legt, eigene Bildbeschreibungen auf der von Hubertus Kohle 2008 Aktivitäten zu entfalten“.48 mit initiierten Spieleplattform ARTigo (Abb. 3).46 Eigenen Aktivitäten kann ein Internetnutzer aber Dass es gerade Kohle war, der die Idee hatte, sich im auch auf kunsthistorischen Spieleplattformen nachge- Internet auch spielerisch der digitalen Kunstgeschichte hen. Bei ARTigo handelt es sich um ein Projekt, das für zuzuwenden, kommt nicht von ungefähr, befasste er spielebegeisterte User kreiert wurde und bei dem jeder sich doch schon seit den 90er Jahren, und damit früher mitmachen kann, genauer: um ein auf Kunstwerke be- als die meisten anderen seiner Fachkollegen, mit der zogenes „Ökosystem“, „bei dem mithilfe verschiedener Nutzung digitaler Verfahren im Rahmen seines Arbeits- Arten von Spielen Annotationen unterschiedlicher se- gebietes – und das bereits zu einer Zeit, als das Inter- mantischer Tiefe gesammelt werden“. Zwei Spieler tre- net noch in den Kinderschuhen steckte.47 Mit Blick auf ten dabei gegeneinander an und beschreiben in einem die Kunstmuseen ist Kohle aktuell der Ansicht, dass ein kurzen, zur Verfügung stehenden Zeitfenster von fünf Museumsbesuch, wie Tendenzen aus dem angelsäch- Minuten ein automatisch aus einer Datenbank gene- sischen Bereich belegen, in Zukunft individualisierter riertes Gemälde mit passenden Begriffen, die ihnen und interaktiver werden könnte, wenn man das Publi- gerade einfallen. Wenn beide Spieler identische Be- kum die Exponate nicht nur betrachten lässt, sondern griffe, die zum Bild passen, gefunden haben, erhalten jeden Ausstellungsbesucher auch mit speziell auf ihn sie Punkte. zugeschnittenen Zusatzinhalten versorgt, und wenn Eigentliches Ziel aber ist es, durch Crowdsourcing, es gelingt, über diverse Interaktionsformen den Aus- d. h. durch Beteiligung vieler User mit unterschiedli- stellungsmachern Daten verschiedenster Art zu liefern, chem Wissen, auf digitalem Weg zu Inhaltsbeschrei- die für künftige, publikumsfreundlichere Ausstellungs- bungen von Kunstwerken zu gelangen. Als nützlicher konzepte genutzt werden können. Auch ist er davon Nebeneffekt werden bei den Spielen Suchbegriffe für überzeugt, „dass eine Generation von Nutzern digita- eine Bilddatenbank produziert und gesammelt, um ler Medien sich nicht mehr mit der passiven Aufnahme einen umfangreichen Index für eine semantische Such- von Bildungsinhalten etwa in einer Museumsführung maschine (Abb. 4) zu erzeugen. Neben rein beschreiben- den Spielen („Description Games“) mit Annotationen zu 438 François Bry / Bernd Krysmanski
3 4 Abb. 3 Die Einstiegsseite der ARTigo-Plattform. Abb. 4 Die drei ersten Ergeb- nisse der Suchanfrage „Archi- tektur“ bei der Suchmaschine von ARTigo. Vier Gedanken zur digitalen Kunstgeschichte 439
allgemeinen, augenfälligen Bildmerkmalen gibt es auch digitalen Zugänge zur Kunst zu begeistern, damit in Zu- Mannigfaltigkeitsspiele („Diversification Games“) für kunft über die verstärkte Nutzung der neuen Medien Annotationen größerer semantischer Tiefe, die speziel- und IT-gestützter Analysemethoden in der Fachwissen- lere Details oder vom Kunstwerk ausgelöste Gefühle er- schaft vermehrt signifikante Ergebnisse erzielt werden fassen, und Verflechtungsspiele („Integration Games“), können. Genügend Spielraum für die interpretative Aus- die Bezüge zu anderen Annotationen herstellen.49 wertung der gewonnenen und mit anderen diskutierten Inwieweit ARTigo in der Lage ist, durch die beschrie- Daten wird dem Kunsthistoriker, der die neuen digitalen benen spielerischen Aktivitäten auf digitalem Wege und Verfahren anwendet, auch in Zukunft verbleiben. Die unter Beteiligung kunsthistorischer Laien gründliche, bei manchen Fachwissenschaftlern immer noch ver- angemessene Analysen der betrachteten Kunstwerke breitete Scheu vor den neuen, im Artikel geschilderten zu ermöglichen, wird die Zukunft zeigen. digitalen Arbeitsformen ist gänzlich unberechtigt, bie- ten sich doch dem Kunsthistoriker durch die Anwendung Fazit computergestützter Methoden und durch die Online- Die verstärkte Nutzung von digitalen 3D-Verfahren, Kommunikation mit anderen, die sich mit Themen be- neue Datensammlungen, neue Formen der Zusammen- schäftigen, die dem eigenen Forschungsfeld verwandt arbeit unter Wissenschaftlern und die Bürgerwissen- sind, wesentlich mehr Möglichkeiten für die kreative schaft: das sind vier Perspektiven, die wir aus Sicht der Arbeit als bisher. Informatik und vor dem Hintergrund einer technik- und internetaffinen Gesellschaft für die Geisteswissen- schaften, insbesondere für die Kunstgeschichte, sehen. Abbildungsnachweis Es verlangt allerdings viel Arbeit, Engagement und Aus- Abb. 1–2 . dauer sowie ein hohes Maß an Kooperationswillen, ja Abb. 3–4 . Der zugrunde- auch eine gewisse Überzeugungskraft, um bisher noch liegende Bilderbestand entstammt der Diathek des überwiegend analog arbeitende Kunsthistoriker für die Instituts für Kunstgeschichte der LMU München. 440 François Bry / Bernd Krysmanski
Anmerkungen 1 Nach Auffassung von Lev Manovich gehören zu den Kernkonzep- 8 Rachel Stewart: „Virtuelle Realität: Die Zukunft der Kunst?“, ten einer für die digitale Kunstgeschichte relevanten modernen DW.com, 22. März 2017 mension reduction. These concepts enable computational explo- 9 „Coding Dürer: International Hackathon for Art History“, Mün- ration of both large and small visual cultural data. We can analyse chen, 13. – 17. März 2017, präsentiert vom International Journal for relations between works on a single artist, many artists, all digi- Digital Art History . Erklärtes Ziel war, tized production from a whole historical period, holdings in mu- dass „Museen und Kunsthistoriker mit Entwicklern und Desig- seum collections, collection metadata, or writings about art. The nern ins Gespräch kommen und aus frei nutzbaren Daten über same concepts allow us to study contemporary vernacular visual Kunst neue Anwendungen, mobile Apps, Dienste, Spiele und Vi- media using massive social media content.“ Siehe Lev Manovich: sualisierungen umsetzen“. 50 Kunsthistoriker, Informatiker und „Data Science and Digital Art History“, International Journal for Di- Datendesigner aus 15 Ländern trafen sich in den Räumen von gital Art History Nr. 1 (26. Juni 2015), 13–35 . Daten, wie beispielsweise des Museums of Modern Art oder des 2 Alvin Chia: Hackathons Unboxed: A Field Guide to Ideating, Leading Metropolitan Museum, aber auch mit Daten der Europeana und and Winning (Singapore: Marshall Cavendish International 2018); Wikidata kreativ zu spannenden neuen Lösungen zu kommen“. Kerry Hinton: Hackathons (New York: Rosen Publishing Group Siehe Harald Klinke: „Internationaler Hackathon ‚Coding Dü- 2017); Gerardus Blokdyk: Hackathon: A Concise and Practical Guide rer‘ für Digitale Kunstgeschichte“ ; Sonja Dada Whitaker: Abortion Access Hackathon and the New Picket Line Gasser: „Coding Dürer: International Interdisciplinary H ackathon in the Digital Age (Davis: University of California 2017). for Art History and Information Science“, International Journal for 3 Siehe Petra Fastermann: Die Macher der dritten industriellen Revolu- Digital Art History Nr. 3 (27. Juli 2018) . 4 Vince Dziekan: Virtuality and the Art of Exhibition: Curatorial Design 10 Bei einer Eigenvektorzentralität („eigenvector centrality“ oder for the Multimedial Museum (Bristol und Chicago: Intellect 2012). „eigencentrality“) entspricht der Zentralitätswert eines Knotens 5 Siehe das „#arthistoCamp: Digitale Forschung zu den Dingen“, der Summe der Werte seiner Nachbarn. Ein Knoten ist umso ein vom Arbeitskreis Digitale Kunstgeschichte und vom Ins- wichtiger, je mehr wichtige Nachbarn er hat. In den Sozialwissen titut für Digital Humanities an der Georg-August-Universität schaften können Eigenvektorzentralitäten daher als Maß für das Göttingen unter der Leitung von Martin Langner und Holger Prestige einer Person innerhalb einer Gruppe dienen. PageRank, Simon als Vorkonferenz-Programm am 26. März 2019 beim der ursprüngliche Algorithmus der Suchmaschine Google, ist XXXV. Deutschen Kunsthistorikertag veranstaltetes BarCamp, ebenfalls eine Eigenvektorzentralität. Siehe Stanley Wasserman/ bei dem die behandelten Themen am Veranstaltungstag von Katherine Faust: Social Network Analysis: Methods and Applica- den Teilnehmerinnen und Teilnehmern selbst bestimmt wurden tions (Cambridge, UK: Cambridge University Press 1994) und , die von Stephan Matthias Fratz: „Eigenvektorzentralität auf Hypergraphen“, Se- Hoppe und Martin Langner geleitete Sektion zum Thema „Ob- minar Graphen & Algorithmen, Universität Konstanz, 1. April 2009 jektdigitalisierung: Methoden und Perspektiven“ (28. März), die . leitete Sektion zum Thema „Zeichnungsforschung im digitalen 11 Dieses Ergebnis ist aus kunsthistorischer Sicht insofern frag- Zeitalter“ (30. März) sowie das von Peter Bell, Stephan Hoppe lich, als ja Picasso üblicherweise nicht zu den Impressionisten und Georg Schelbert geleitete „Forum VII“ mit Berichten des gerechnet wird, auch wenn Einflüsse etwa von Cézanne in der „Arbeitskreises Digitale Kunstgeschichte“ (ebenfalls 30. März) Frühphase seiner Malerei vorliegen, er also eher zum Personen- . kreis am Rande der Künstlergruppe zählt. Zu ähnlichen, wenig 6 Siehe Piotr Kuroczyński: „Neuer Forschungsraum für die Kunst- signifikanten Erkenntnissen kam nach Ansicht von Claire Bishop geschichte: Virtuelle Forschungsumgebungen für digitale 3D-Re- eine 2012 im Rahmen der Ausstellung „Inventing Abstraction konstruktionen“ und Jan-Eric Lutteroth/Stephan Hoppe: „Schloss 1910–1925“ für das Museum of Modern Art, New York, erstellte, Friedrichstein 2.0 – Von digitalen 3D-Modellen und dem Spin- auf der Internetseite des Museums anklickbare „network map“, nen eines semantischen Graphen“, in: Piotr Kuroczyński/Peter die es Surfern erlaubte, sich ein Bild von der sozialen Vernet- Bell/Lisa Dieckmann (Hrsg.): Computing Art Reader: Einführung in zung der in der Ausstellung vertretenen Künstler zu machen. die digitale Kunstgeschichte (Heidelberg: arthistoricum.net 2018) Siehe ; Sander nach Ansicht der Autorin nur, „that several female artists, usually Münster/Kristina Friedrichs/Wolfgang Hegel: „3D Reconstruc- relegated to the sidelines, were repositioned as key players: S onia tion Techniques as a Cultural Shift in Art History?“ International Delaunay and Natalia Goncharova were ranked as the ‚most con- Journal for Digital Art History Nr. 3 (27. Juli 2018) . Tristan Tzara, and Alfred Stieglitz“. Siehe Claire Bishop: „Against 7 Donatella Biagio Maino/Michela Gazziero/Giuseppe Maino: „Virtual Digital Art History“, International Journal for Digital Art History Nr. 3 Reconstruction of a Historical Design Exhibition: Digital Recon- (27. Juli 2018), 125 . (Juli – September 2017), 67–72; Chiara Di Stefano/Laura Moure 12 Der Klassiker zum Thema, John Rewalds The History of Impressio- Cecchini: „Digital Technologies and Exhibition Culture: Reactiva- nism (New York: The Museum of Modern Art 1949; 4. Aufl. 1973; ting Art Installations through Virtual Reconstructions“, in: Kristin L. deutsche Ausgabe: Die Geschichte des Impressionismus: Schicksal und Huffman/Andrea Giordano/Caroline Bruzelius (Hrsg.): Visualizing Werk der Maler einer großen Epoche der Kunst [Köln: DuMont 1979]), Venice: Mapping and Modeling Time and Change in a City (London and bietet allein schon eine Fülle an dokumentarischem Material, von New York: Routledge, Taylor & Francis Group 2018), 84–91. den vielen anderen Büchern, Essays und Ausstellungskatalogen Vier Gedanken zur digitalen Kunstgeschichte 441
zum Impressionismus oder über einzelne Repräsentanten der 21 Siehe Pascal Cotte: Lumière on The Mona Lisa: Hidden Portraits (Paris: Künstlerbewegung gar nicht erst zu reden. Vinci Editions 2016). Die Ergebnisse seiner Untersuchungen, die 13 Siehe Stephanie Schwab: „Algorithmische Farbanalyse zur Unter- etliche bisher unbekannte Geheimnisse des Gemäldes lüfteten, suchung von Auswirkungen der Einführung neuer Farbpigmente stellte Cotte auch in einem 300 Quadratmeter großen Bereich auf die Kunst des 19. Jahrhunderts“, Bachelorarbeit, Institut für In- der internationalen Wanderausstellung „Da Vinci – Das Genie“ formatik, Ludwig-Maximilians-Universität München, 31. Oktober der Öffentlichkeit vor, unter anderem 2014 in Nürnberg. Einige 2018. Leonardo-Spezialisten nehmen die naturwissenschaftlichen Ana- 14 arthistoricum.net ist ein seit lysen des französischen Ingenieurs und besonders die Interpreta- Frühjahr 2006 bestehender Online-Fachinformationsdienst tionen der digital aufbereiteten Daten bisher allerdings noch mit für Kunst, Fotografie und Design. Diese Informationsplatt- verhaltener Skepsis zur Kenntnis (siehe etwa Frank Zöllner: „Mona form wurde von 2005 bis 2010 im Rahmen eines von der Deut- Lisa: Das späte Lächeln“, Die Zeit Nr. 51, 17. Dezember 2015 ), gemeinsam von der Bibliothek des Zentralinstituts für Kunst- während der britische Kunsthistoriker Andrew Graham-Dixon, geschichte in München, der Universitätsbibliothek Heidelberg der auch eine 2015 ausgestrahlte BBC-Dokumentation über die in Zusammenarbeit mit dem Institut für Kunstgeschichte der neueren Untersuchungen zur Mona Lisa moderierte, Cottes Er- Ludwig-Maximilians-Universität München und weiteren Einrich- kenntnisse für die „Story des Jahrhunderts“ hält. Siehe Sam Wol- tungen aufgebaut. arthistoricum.net wird im Rahmen des DFG- laston: „The Secrets of the Mona Lisa review – is this really the Programms „Fachinformationsdienste für die Wissenschaft“ story of the century?“ The Guardian, 10. Dezember 2015 . (SLUB Dresden) weiterentwickelt. 22 15 Das Institut schreibt dazu: „A current trend in managing art in- 23 und and other cultural heritage objects available as Linked Open 24 Data (LOD). This applies to the metadata about the objects, their 25 creators, patrons, associated places, style, work type, and other 26 terminology concerning their description, history, scholarly 27 research, and conservation.“ Siehe 29 Maria Effinger: „Wissen verbreiten – im Open Access publi- 16 Nach dem SDDS-Modell der naturwissenschaftlichen Erkennt- zieren: Infrastrukturen für die Digitale Kunstgeschichte“, in: nisgewinnung („Scientific Discovery as Dual Search“) steht am Kuroczyński/Bell/Dieckmann (Hrsg.): Computing Art Reader [wie Anfang eine Hypothese, die mit Hilfe von Experimenten über- Anm. 6] . prüft wird, und am Ende die Evaluation der erhaltenen Ergeb- 30 ; ; ; Kevin Dunbar: „Dual Space Search During Scientific Reasoning“, 31 und 17 32 In jüngerer Zeit werden solche Plattformen verstärkt auch hin- 18 Pascal Cotte/Marcel Dupouy: „Crisatel High Resolution Multi sichtlich linguistischer Fragestellungen genutzt. Siehe Sandra spectral System“ (Januar 2003) ; Alejandro Ribés: „Image Spectrome- Language“, in: Eric Lettkemann/René Wilke/Hubert Knoblauch ters, Color High Fidelity, and Fine Art Paintings“, in: Christine (Hrsg.): Knowledge in Action: Neue Formen der Kommunikation in Fernandez-Maloigne (Hrsg.): Advanced Color Image Processing and der Wissensgesellschaft (Wiesbaden: Springer Fachmedien 2018), Analysis (New York, Heidelberg, Dordrecht, London: Springer 111–136. 2013), 449–484, bes. 469ff. 33 19 Die datierte Randnotiz vom Oktober 1503, in der erwähnt wird, dass 34 Beispielsweise versteht DARIAH-DE unter digitalen geistes- und Leonardo da Vinci gerade Lisa del Giocondo porträtiert, wurde bei kulturwissenschaftlichen Forschungsdaten „all jene Quellen/ der Katalogisierung der Heidelberger Inkunabeln in einer Cicero- Materialien und Ergebnisse […], die im Kontext einer geistes- und Ausgabe von 1477 entdeckt. Siehe Veit Probst: „Zur Entstehungsge- kulturwissenschaftlichen Forschungsfrage gesammelt, erzeugt, schichte der Mona Lisa: Leonardo da Vinci trifft Niccolò Machiavelli beschrieben und/oder ausgewertet werden und in maschinen- und Agostino Vespucci“ ; id.: „Rätselhafte Mona Lisa: Wer ist die geheimnis- zur weiteren Verarbeitung aufbewahrt werden können“ . verschiedene Werkzeuge zum Sammeln und Speichern von Da- 20 Ludwig von Pastor (Hrsg.): Die Reise des Kardinals Luigi d’Aragona ten angeboten . durch Deutschland, die Niederlande, Frankreich und Oberitalien, 35 und 1517–1518, beschrieben von Antonio de Beatis (Freiburg im Breisgau: Herdersche Verlagsbuchhandlung 1905), 79 ; Roberto Zapperi: Abschied von der Mona Lisa: Das berühmteste Gemälde der Welt wird 37 442 François Bry / Bernd Krysmanski
38 . Von der Heydt-Museum statt, und zwar als Begleitveranstaltung 39 Beispielsweise erlaubte die Deutsche Fotothek der Sächsischen zur Sonderausstellung von Werken des französischen Malers, die Landesbibliothek – Staats- und Universitätsbibliothek Dres- dort vom 14. Oktober 2014 bis zum 22. Februar 2015 zu sehen wa- den (SLUB) schon 2009 dem Medienarchiv Wikimedia Commons, ren . 2019 sind Veranstaltun- der Creative-Commons-Lizenz cc-by-sa für alle frei verfügbar gen dem Thema „100 Jahre Bauhaus“ gewidmet. Siehe . heise-online, 24. März 2009 . (Abb. 2) nicht erforderlich. Siehe ; Martin Bogner: „Concep- brik „Kunst und Kultur“ die ausgezeichneten Artikel auf . Darunter finden sich sowohl biografische Artikel zu lians-Universität München 2016 ; Giuliana Dehn: „Designing an Interface for Citizen 41 Es gibt aber auch Ausnahmen: So wirkte Stephan Hoppe vom Science Platforms: Ensuring a Good User Experience“, Bachelor- Kunsthistorischen Institut der Ludwig-Maximilians-Universität arbeit, Institut für Informatik, Ludwig-Maximilians-Universität München als Experte intensiv an der Erstellung des Wikipedia- München 2017 . Bogner/François Bry/Niels Heller/Stephan Leutenmayr/Sebas- 42 QRpedia wurde von den Briten Roger Bamkin und Terence Eden tian Mader/Alexander Pohl//Clemens Schefels/Yingding Wang/ konzipiert. Der Projektname ist eine Kombination aus den Initia- Christoph Wieser: „Human Collaboration Reshaped: Applications len „QR“ des QR-Codes und „pedia“ von „Wikipedia“. Ein QRpedia- and Perspectives“, in: Arndt Bode/Manfred Broy/Hans-Joachim Code lässt sich auf einfache Weise erzeugen, wenn man den Bungartz/Florian Matthes (Hrsg.): 50 Jahre Universitäts-Informatik kompletten Adresspfad eines Wikipedia-Artikels kopiert und in München (Berlin und Heidelberg: Springer Vieweg 2017), 47–73 diesen im Eingabefeld der QRpedia-Seite () . denen ein mobiler Datenzugriff möglich ist. Siehe Terence Eden’s 46 . Blog: „Introducing QRpedia“, 3. April 2011 ; Markus Böhm: „Erweiterte führung für Praktiker und Studierende (Berlin: Reimer 1997); Katja Realität: Die Wikipedia kommt ins Museum“, Der Spiegel, 7. Oktober Kwastek/Hubertus Kohle (Hrsg.): „Digitale und digitalisierte 2011 . Zeitalter der Virtualität“, Zeitenblicke: Online-Journal Geschichts- 43 Siehe . wissenschaften 2, Nr. 1 (Köln: Zeitenblicke 2003) ; Hubertus Kohle: Digitale dert das Wikipedia-Projekt „GLAM on Tour“ die Vernetzung von Bildwissenschaft (Glückstadt: Verlag Werner Hülsbusch 2013) Wikipedia-Usern und Kultureinrichtungen auf lokaler Ebene . Siehe z. B. die Einladung zur fotografischen Dokumenta- 48 Hubertus Kohle: Museen digital: Eine Gedächtnisinstitution sucht den tion des Schlosses Caputh und seines Schlossgartens im Jahre Anschluss an die Zukunft (Heidelberg: Heidelberg University Pub- 2015 , die Initiativen der Jahre 2017 und 2018 des Museums Games and Crowdsourcing“, Diss. Institut für Informatik, Ludwig- Europäischer Kulturen, Berlin , oder die Einladungen der Stiftung Pohl//Schefels/Wang/Wieser: „Human Collaboration Reshaped: Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg der Jahre Applications and Perspectives“ [wie Anm. 45] und mainda: „Eine qualitative Analyse der ARTigo-Annotationen“, in: der Parkanlagen von Sanssouci . 2015 und . Vier Gedanken zur digitalen Kunstgeschichte 443
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