VOKULT Freunde des Volkskundemuseums
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
friederike weitzer Editorial Liebe Freunde des Volkskundemuseums! Was Sie gerade in der Hand halten, ist die erste Ausgabe unserer Ver- einsschrift VOKULT im neuen Gewand. Wir haben die Neugestaltung des Volkskundemuseums zum Anlass genommen, unserem VOKULT ein fri- sches Erscheinungsbild zu geben. Was bleibt, ist unser Bestreben, Sie über Aktuelles aus dem und rund um das Volkskundemuseum zu informieren: Mag.a Friederike Weitzer Foto: Furgler Eingebettet in die STEIERMARK SCHAU 2021 widmet sich das soeben sanierte Volkskundemuseum in seiner neuen Ausstellung dem Thema wie es ist. Welten – Wandel – Perspektiven. In einem Interview von Claudia Unger als Leiterin der Abteilung Volkskunde mit Landes- rat Christopher Drexler erfahren wir mehr über die Rolle des Volkskun- demuseums innerhalb der STEIERMARK SCHAU und über Zukunfts- perspektiven des Museums. Birgit Johler erzählt als Kuratorin über das Konzept, das hinter der neuen vielschichtigen Ausstellung steckt. Als Verein ist es uns ein besonderes Anliegen, Ihnen auch weiterhin Ein- blicke in die umfassenden Sammlungsbestände des Museums zu geben. Beispiele dazu bringen Sammlungskuratorin Martina Edler und Alina Rettenwander. Die Zusammenarbeit mit fachverwandten Institutionen ist uns ebenso wichtig und so berichten diesmal die Wissenschaftler*innen Anita Ziegerhofer und Helmut Eberhart über ein aktuelles steiermark- weites Forschungsprojekt zu Kühlhäusern. Ich lade Sie herzlich ein: Genießen Sie diesen VOKULT und erkunden Sie das neue Volkskundemuseum! Die „Puch Joh. & Comp., Styria-Fahrradwerke“ produzierten in der heutigen Köstenbaumgasse 17 in 8020 Graz ab 1897 Räder, 1932 schloss das Werk. Dieses Rad (... ein Detail sehen Sie auch am Cover dieser Ausgabe) ist mit „Styria“ bezeichnet und bis zu 100 Jahre alt. Es gehörte einem Studenten aus Salzburg an der TU Graz, der damit Ausflüge innerhalb der Steiermark unternahm. In den 1980er Jahren wurde es von den Enkelinnen bunt bemalt. Foto: Nikola Milatovic Mag.a Friederike Weitzer, Obfrau vokult 1
Caudia Unger Vom Rand in die Mitte Ein Gespräch mit Landesrat Christopher Drexler Als Kulturlandesrat begleitet Christopher Drexler nicht nur mit Interesse die jüngsten Entwicklun- gen im Volkskundemuseum in Graz, sondern hat Signal für die längerfristige Nutzung des gesamten Rahmenbedingungen geschaffen, die einen op- Areals, zumal auch der Heimatsaal revitalisiert wird timistischen Blick in die Zukunft des Hauses er- und die Weiterentwicklung des Museums nach der möglichen. Mit Abteilungsleiterin Claudia Unger Steiermark Schau weitergehen wird. spricht er über Aufgaben, Gegenwart und Zu- Das Volkskundemuseum ist mit der Ausstellung kunft des Hauses. wie es ist einer von vier Standorten der Steier- Claudia Unger: Am 9. April 2021 öffnet das Volks- mark Schau und wird sich in diesem Verbund kundemuseum (VKM) nach einem Jahr der Vorbe- thematisch der Gegenwart widmen. Was kann reitungen im Rahmen der Steiermark Schau oder soll ein Volkskundemuseum zum Gegen- wieder seine Pforten. Dies ist zugleich Auszeich- wartsdiskurs beitragen, welche Chancen kann nung und Auftrag. Was bedeutet die Beteiligung das VKM nun nützen? o. Das neue Volkskundemuseum. Foto: Alexander Eugen Koller. Montage: MVD/Pretterhofer/Haid an diesem kulturellen Großprojekt? Die Gegenwart wird im VKM nicht frei von einem Christopher Drexler: Der inhaltliche Kern der Stei- historischen Kontext gesehen, vielmehr wird an- der Umgebung. So wird beispielsweise die Ver- etwas ausschließlich lokal oder regional betrach- ermark Schau ist die große Selbstreflexion der hand unterschiedlicher Lebenswelten und -erfah- flechtung des Hauses in die Geschichte der Stadt ten kann. Welche Sicht auf die Steiermark ist zeit- Steiermark, des Steirischen. Hier spielt das VKM rungen entlang einer Zeitachse gezeigt, wie sich und des Landes vielfach klar, unter anderem durch gemäß, welche Welten und Werte halten Sie mit als einer der drei Standorte in Graz mit seinen In- Lebensrealitäten in der Steiermark heute präsen- die Befassung mit dem Gestapo-Hauptquartier in Blick auf die Gegenwart für relevant? halten eine große Rolle und wird dadurch sozu- tieren und entwickeln. Bei der Begehung vor eini- der Paulustorgasse. sagen auch ins 21. Jahrhundert katapultiert. Die gen Tagen habe ich überdies gesehen, dass sich Der entscheidende Punkt, der aktuell vielleicht et- langjährige Diskussion über die Zukunft des Hau- das VKM auch in seiner konkreten räumlichen Um- Die neue Ausstellung trägt den Untertitel Welten – was grotesk erscheint, weil wir aufgrund der Pan- ses ist damit beendet und ich freue mich sehr, gebung neu einordnet: zum einen durch die be- Wandel – Perspektiven, das macht neugierig auf demie hauptsächlich von Schließungen, Grenz- dass das neue VKM im April 2021 wieder geöff- merkenswerte Erweiterung um die Antoniuskirche, die aktuelle Verortung der Steiermark in einem kontrollen und Sperren hören, ist, dass unsere net wird. Dies ist durchaus ein zukunftsrelevantes zum anderen in der historischen Verantwortung in größeren Gefüge, zumal man heute kaum mehr Region vom Rand in die Mitte gekommen ist und vokult 2 vokult 3
Birgit Johler wie es ist. Welten – Wandel – Perspektiven Einblicke in die neue Ausstellung des Volkskundemuseums Wenn am 9. April 2021 das Volkskundemuseum ihren Umwelten. Was prägt und bewegt die Men- neu eröffnet wird, liegen zwanzig Monate inten- schen? Womit identifizieren sie sich, wofür tragen siver inhaltlicher Arbeit und ein Schließjahr hinter sie Sorge, wie gestalten sie ihr Leben, ihre Umwelt uns. Das Museum wird sich in vielen Aspekten und wie Gesellschaft? Wie verhalten sie sich zu verändert präsentieren, auch thematisch geht es Entwicklungen, die ihre gewohnte Lebensweise neue Wege: wie es ist. Welten – Wandel – Perspek- oder ihr Selbstverständnis beeinflussen? Und wie tiven, die neue Ausstellung des Volkskundemuse- bewältigen sie Ungewissheit und Krisen im indivi- ums, nimmt die Gegenwart mit ihren drängenden duellen und gesellschaftlichen Alltag? gesellschaftsrelevanten Themen und kulturellen o. Claudia Unger im Gespräch mit Kulturlandesrat Christopher Drexler. Foto: VKM / Rettenwander Phänomenen zum Ausgangspunkt ihrer Erzäh- lung. Globalisierung, Klimaveränderung, Res- sourcenverbrauch, Digitalisierung, Finanz- und auch in einem geopolitischen Kontext in der Mitte Die angestrebte aktive Rolle des VKM in seinem ur- Wirtschaftskrise, Demokratieverdrossenheit – Europas steht. Diese europäische Offenheit, ge- banen Umfeld ist sehr zu begrüßen, weil der Stadt- das sind nur einige Phänomene und Transforma- rade gegenüber benachbarten Regionen, macht teil rund um die Paulustorgasse ein unentdecktes tionen, die unsere Gegenwart prägen und viele vor dem Hintergrund der Geschichte dieses Rau- Kleinod ist und nun hoffentlich für viele Menschen Menschen beunruhigen. Die Covid-19-Pandemie mes klar, dass statt eines wehrhaften Grenzraums ein interessanter Ort wird. Die Vernetzung mit hat den gesamten Alltag durchdrungen und radi- nun eine Austausch-, Brücken- und Kommunika- Kunst- und Kultureinrichtungen kann dazu beitra- kal verändert – ein noch nicht abgeschlossener tionsfunktion steht, für die heute Wissenschaft, gen, mit dem VKM als Zentrum langfristig einen Prozess. Zwischen konkurrierenden Krisendis- Forschung und Industrie und nicht nur touristische relevanten Ort zu schaffen. kursen und Überwindungsvorschlägen versucht Folklore wichtig sind. jede*r Lösungen zu finden. Vielen Dank für das Gespräch! Das VKM tritt ja nicht nur mit einer neuen Aus- wie es ist. Welten – Wandel – Perspektiven beschäf- stellung an, sondern liefert ein Gesamtkonzept für tigt sich mit den unterschiedlichen Lebenswelten o. Das „Grüne Herz“, entworfen vom Grazer Helmut Gross, wirbt seit 1972 für den Standort in der Paulustorgasse in Graz. Wel- Dr. in Claudia Unger und Perspektiven der Menschen in Zeiten von Ver- die Steiermark. Bald tauchte dieses Logo in der Tagespresse oder auf Werbe- che Rolle soll ein Volkskundemuseum in seiner Leiterin der Abteilung Volkskunde im Universal- änderung und sozialem Wandel. Im Mittelpunkt mitteln wie diesem T-Shirt aus den 1970er-Jahren auf – über die Jahr- Umgebung in einer Stadt spielen? museum Joanneum stehen die Menschen in ihren Beziehungen zu zehnte entwickelte es sich zur Ikone. Foto: Nikola Milatovic vokult 4 vokult 5
Die Ausstellung ist in vier große Ausstellungs- der Menschenrechte in Graz und der Steiermark, Das Volkskundemuseum der Gegenwart wird so module gegliedert: getragen von Menschenrechtsaktivist*innen, wird zu einer wichtigen Drehscheibe für Wissenstrans- hier thematisiert. fer sowie zur Ressource für gesellschaftliche Ent- Die Farbe Steiermark findet im Stöcklgebäude wicklungen und es überprüft dies gleichzeitig im Platz. Hier sind Besucher*innen bei freiem Eintritt Was wird sein? Krisen und Krisenbewältigung Verhältnis zur Geschichte. eingeladen, sich mit der Farbe Grün und ihrer Re- in historischen Zeiten, das letzte Ausstellungs- levanz für die Steiermark auseinanderzusetzen. Ein kapitel, widmet sich ausgewählten historischen Teil der Ausstellung verschmilzt mit dem Café Grün. Krisenzeiten. Wie haben Menschen früher Krisen Das Volkskundemuseum startet hier ein museolo- und Veränderungen wahrgenommen und wie be- gisches Experiment, bei dem Besucher*innen ein- wältigt? Welche „Krisenangebote“ lieferten Institu- o. Die Kastentür mit dem Motiv des Apfelbrockers und geladen sind, mit der Ausstellung zu interagieren. tionen oder auch Weltanschauungen? der Frau, die in die Stadt geht, um Äpfel zu verkaufen (datiert 1835) ist ein Objekt aus dem Ausstellungsbereich, Uns geht es gut!? rückt Aspekte von Lebensqua- der sich mit Nahrung und Nahrungsmittelproduktion Jedes Modul funktioniert wie eine „Ausstellung in in der Steiermark beschäftigt. Foto: Nikola Milatovic lität, Bildung, Mobilität und Tourismus-Indikatoren, der Ausstellung“ und kann unabhängig von den die einen Teil unseres westlichen Wohlstandsver- anderen Bereichen besucht werden. Zusammen m. Modell der neuen Grazer Synagoge nach den Plänen ständnisses ausmachen, in den Fokus und be- von Jörg und Ingrid Mayr, Modellbau: Nikolaus Kunath, ergeben sie eine vielschichtige und vielstimmige leuchtet am Beispiel „steirischer Aushängeschil- Maßstab 1 : 50. Die Errichtung der neuen Grazer Synagoge Perspektive auf die Frage, wie es ist. der“ bzw. Selbstbilder die unterschiedlichen Di- erfolgte im Jahr 2000 im Auftrag und aufgrund einer mensionen dieser für das Selbstverständnis des Für die neue Ausstellung wurden Personen und Initiative der Stadtgemeinde Graz als „Zeichen der Versöhnung“. Foto: Nikola Milatovic Landes relevanten Entwicklungen. Gruppen eingeladen, Themen zu erarbeiten und bei der Gestaltung mitzuwirken, wurde mit Initiati- Gerade in Krisenzeiten, seien sie persönlich oder u. Ein möglicher Weg aus der Krise: Das Erzberg Alpin ven und Vereinen kooperiert, die mit ihrem Wissen Resort wurde 2016 in der Bergarbeitersiedlung Münichtal allgemein, wird die Frage des Gemeinsamen viru- und mit ihren Objekten die Ausstellung erweiterten. in Eisenerz eröffnet. Für das Tourismusprojekt wurden lent. Meine Welt, deine Welt und wie kommen Mit der Neueröffnung ist das Museum jedoch nicht leerstehende Wohnungen adaptiert, regulären Mieter*innen wir zusammen? geht der Frage nach, wie Leben der Siedlung wurden Wohnungen in anderen Stadtteilen fertig, ganz im Gegenteil: Die Ausstellung wird in und Zusammenleben gestaltet wird. Jugendli- angeboten. Die Umwandlung der Siedlung in ein „Ferien- den kommenden Jahren stetig weiterentwickelt che haben in Zusammenarbeit mit dem Museum dorf“ war Zeitungsberichten zufolge allerdings nicht und verändert werden. Ziel ist ein nicht statisches, unumstritten. Foto: Christopher Mavric und mit Logo Jugendmanagement ihre digitalen sondern bewegliches Museum – ein Kultur- und Biografien reflektiert. Personen, die aus der Stei- Gesellschaftsmuseum des 21. Jahrhunderts. ermark weggezogen sind oder die aufgrund un- freiwilliger Mobilität in die Steiermark gekommen Dies passt gut zu einem Ort, der mit Gesellschaft Dr. in Birgit Johler sind, erzählen in Interviews von ihren Erfahrungen und Öffentlichkeit seit jeher in Austauschbeziehun- seit 2019 Ausstellungskuratorin im Volkskunde- und Praktiken des Sich-Einrichtens in der neuen gen stand (das begehbare Modell im Eingangsbe- museum am Universalmuseum Joanneum in Graz Umgebung. Auch die Geschichte und Entwicklung reich des Museums wird davon erzählen ...). und zeichnet für die neue Ausstellung verantwortlich vokult 6 vokult 7
Alina Rettenwander Vom Kapaun zur Mandeltorte Das erste Mal hingeschaut – es wirkt unlesbar. Die ersten Wörter können nur schemenhaft wahr- genommen werde. Doch schon bald lässt sich ein Muster erkennen, die Handschrift öffnet sich mir u. Handschriftliches Kochbuch aus dem und ich kann einzelne Buchstaben entziffern. Die traditionelle Hausmannskost einbinden ließen. Jahr 1850, Sammlung Volkskundemuseum. Überschrift habe ich schon erschlossen und so- War ich eher auf Sterz und Mehlspeisen gefasst, Foto: VKM / Rettenwander bald ich weiß, worum es sich handelt, wird der so stellte ich bald fest, dass die Palette weitaus Rest auch einfacher! kreativer war als erst gedacht. Wahrscheinlich auch weitaus kreativer als heute – denn wer hat Nein, ich lerne nicht etwa lesen, sondern ich rede denn wirklich dicke, handgeschriebene Bücher zu hier von der Kurrentschrift, die ich vor mir liegen Hause, in denen auf jeder Seite ein neues Rezept habe. Genauer gesagt handelt es sich dabei um zu finden ist? Ich habe wohl ein Büchlein, doch Kochbücher aus dem 19. Jahrhundert, aus denen das ist genau das, ein Büchlein mit Betonung auf ich Backhendl-Rezepte suchen soll! „lein“ – denn es ist wahrlich zu klein, um sich Buch In unserem Bestand, obwohl wir natürlich nicht auf zu nennen. So sind heute die Zutaten vielseitiger, Kochbücher spezialisiert sind, befinden sich über jedoch ist die Experimentierfreudigkeit in der 20 historische, handgeschriebene Kochbücher, Küche geschrumpft. Gewiss auch aus zeitlichen die ich aus dem Archiv geholt und nun vor mir lie- Gründen – ein kurzer Blick auf den Bildschirm und gen habe, um Rezepte herauszusuchen. schon sind hunderte Rezepte zu einem Gericht gefunden und werben damit, so einfach und Hier kommt mir nicht nur das Backhendl unter, son- wenig zeitintensiv wie möglich zu sein. Was ist dern auch ein Kapaun, mehrere Täublein und nicht uns hier nur verlorengegangen? Die Möglichkeit zuletzt viele verschiedene Kuchen- und Tortenre- einen Kapaun stundenlang schmoren zu lassen, zepte, die mir während des Entzifferns das Wasser ihn zu füllen und mit einem Stück „Lemoni“ anzu- im Mund zusammenlaufen lassen. Ich träume mich richten, oder doch die Mandeltorte, die wohl alle in meine Küche und überlege, was ich wohl heute Erwartungen übertrifft, die ich bezüglich Torten im Abend kochen werde … 19. Jahrhundert hatte. Doch das ist ein anderes Thema! Denn viele Rezepte, die ich im Zuge meiner Recherche gefun- den habe, sind auch wegen ihrer Inhalte äußerst Alina Rettenwander, BA spannend! So wusste ich zum Beispiel nicht, dass seit Februar 2020 im Bereich Archiv / Bibliothek es im 19. Jahrhundert in der Steiermark Krebse und in der Öffentlichkeitsarbeit des Volkskunde- und Muscheln gab, die sich ganz wunderbar in die museums tätig vokult 8 vokult 9
Martina Edler Eine Wallfahrt endet im Museum o. Ein Objekt mit vielfältiger Geschichte landet im Museum: Die Mariazeller Wallfahrtskerze der Romapastoral Oberwart Fotos: zur Verfügung gestellt von Manuela Horvath „Biografisch aufgeladen“ und mit „hohem narrati- Wie fand diese Kerze, die für die Wallfahrt im August Im Falle von Schenkungen sind wir immer wie- daran arbeiten möchten, die Daten sind bereit für vem Wert“ 1 – so spricht Brigitte Heck von einer 2020 vorgesehen war, ihren Einsatz als Museums- der davon berührt, wie gerne uns Menschen ihre weitere Untersuchungen. Mit der Wiedereröffnung Sammlungsakquise, die weit mehr als nur harte stück? Die Wallfahrt musste aus allseits bekannten Objekte überlassen und voller Freude ausführlich des Volkskundemuseums stehen wir Ihnen wieder Fakten im Gepäck hat. Für unser Team, das an Gründen abgesagt werden. Dennoch steht sie stell- über sie berichten. Wir können unsere Dankbarkeit gerne mit unseren Servicestellen sowie mit Aus- der Sammlung des Volkskundemuseums arbeiten vertretend für die Geschichte der Roma-Wallfahrt, zum einen mit unserem ehrlichen Interesse zum künften zu den Objekten unserer umfangreichen darf, sind diese Momente, an denen wir Objekte die heuer ihr 25-jähriges Jubiläum feiern kann. Die- Ausdruck bringen, zum anderen stellen wir es uns Sammlung zur Verfügung. mit einer breiten Hintergrundgeschichte ins Haus ser kulturelle Fixpunkt im Jahreslauf verbindet die zur Aufgabe, sorgsam und gewissenhaft mit den 1 Heck, Brigitte: Heute ist morgen schon gestern. Zur Musea- bekommen, wahre Highlights. Vor allem dann, Volksgruppe und lässt die Menschen in den Vorbe- Sammlungszugängen umzugehen. So auch ge- lisierung von Gegenwartskultur(en), in: Selheim, Claudia (Hg.): wenn es zu diesen Stücken auch noch mediale reitungen und in der Durchführung zusammenfin- schehen mit der Wallfahrtskerze der Roma-Volks- Welche Zukunft hat das Sammeln? Eine museale Grundaufga- Dokumentationen wie Fotos, Filme, Tonträger etc. den. Viele sind schon seit ihrer Kindheit dabei, wie gruppe, die sich mit der Inventarnummer 53197 in be in der globalisierten Welt, Nürnberg 2012, S. 103. gibt. In besonderer Erinnerung ist uns der Tag, an auch die derzeitige Leiterin der Romapastoral und den Bestand der religiösen Kulturobjekte einge- dem uns die Nachricht erreichte, dass die Roma- Hauptorganisatorin der Wallfahrt, Manuela Hor- reiht hat. Die Kerze wartet nicht nur unter besten pastoral der Diözese Eisenstadt uns ihre Maria- vath. „Wir hoffen, dass sich bis zum Sommer die konservatorischen Bedingungen auf ihren Einsatz Mag.a Martina Edler zeller Wallfahrtskerze schenken möchte und uns schwierige Situation, in der wir uns alle aufgrund in einer der nächsten Ausstellungen, sondern ist seit August 2019 Sammlungskuratorin des Volks- bereits am Telefon viele spannende Hintergrundin- der Pandemie befinden, beruhigt hat und wir die auch nach vielen Gesichtspunkten dokumentiert. kundemuseums, seit 2005 Vorstandsmitglied im formationen erzählt wurden. Wallfahrt heuer wieder durchführen können.“ Für alle, die an der Thematik interessiert sind und Verein „Freunde des Volkskundemuseums“ vokult 10 vokult 11
Anita Ziegerhofer, Helmut Eberhart TIEFKühlhäuser – 1 verfügbaren Lebensmitteln geschickt zu werden, eine frostige Spurensuche Tiefkühlhäuser, die als Ort sozialer Kommunika- tion dienten usw. Doch nicht nur der gesellige Aspekt des Tiefkühlhauses, sondern auch der wirtschaftliche soll hervorgehoben werden. Tief- kühlhäuser waren eine insbesondere für den länd- lichen Raum bedeutende Form der Bevorratung, Immer wieder werden wir gefragt, wie wir deren Vorläufer u.a. Eiskeller gewesen waren. Sie auf die Idee gekommen sind, uns aus- entstanden ab den frühen 1950er Jahren, als die gerechnet mit einem so unscheinbaren Haushalte noch nicht über Tiefkühltruhen verfüg- Thema zu befassen. Doch sind es nicht ten. Anhand der Genese der Tiefkühlhäuser kann unscheinbar und teilweise vergessen, leer oder gerade die unscheinbaren Dinge des All- auch die Geschichte der Modernisierung von Ge- halb verfallen noch immer in steirischen Gemein- tags, die für einen Kulturwissenschaftler meinden erzählt werden. Mit der Erstellung einer den. Manchmal zeugt noch eine alte Aufschrift und eine Geschichtswissenschaftlerin „Topografie steirischer Tiefkühlhäuser“ können von ihrer einstigen Verwendung. von besonderer Bedeutung sind? wir deren Standorte anschaulich darstellen und Wir wollen unsere Erkenntnisse in einem Buch wissen mittlerweile, dass die südöstliche und die So ist es auch hier: Am Beginn stand vorlegen, denn Tiefkühlhäuser sind schließlich westliche Steiermark die größte Dichte aufweisen. das zufällige Gespräch aufgrund per- und endlich sprechende Denkmäler einer Welt sönlicher Erinnerungen. Der Projektidee Aber auf welchen rechtlichen Grundlagen er- von gestern, die im heute noch weiterleben und folgte bald die Umsetzung. Alle 286 stei- folgte ihre Errichtung, wo befand sich das Erste, weiterhin „cool“ sind. rischen Gemeinden wurden angeschrie- wer waren die Initiator*innen der Bauten, wer die 1 Der Titel stammt von Alexandra Kofler, die in der „Kleinen ben und infolge eines Zeitungsartikels Besitzer*innen und Nutzer*innen? Über diese Zeitung“ vom 29. 11. 2020 erstmals über unser geplantes meldeten sich zusätzlich fast 60 Perso- rechtlichen und sozialen Fragen hinaus geht es in Projekt berichtete. nen, um uns ihre Geschichte rund ums unserem Projekt auch um Kenntnisse zur Architek- Tiefkühlhaus zu erzählen. Mittlerweile tur und Technik dieser unscheinbaren Denkmäler sind nahezu alle Gemeinden erfasst und des 20. Jahrhunderts. Ao. Univ.-Prof. i. R. Dr. Helmut Eberhart wir haben Kenntnis von über 350 Tief- Institut für Kulturanthropologie und Europäische Eth- Was ist aber aus den Tiefkühlhäusern geworden? kühlhäusern (!!), wovon noch immer über nologie, Universität Graz; Mitglied des Vorstandes Etliche Gebäude wurden inzwischen abgerissen, 50 in Betrieb sind. der Freunde des Volkskundemuseums, Graz da sie ihre ursprüngliche Aufgabe verloren hat- Diese unscheinbaren Bauten stehen oft ten. Eine Vielzahl erlebte hingegen einen Funk- Ao. Univ.-Prof.in Dr.in Anita Ziegerhofer für spannende Geschichten: Kinder, für tionswandel – die Häuser dienen heute als Ver- Leiterin des Fachbereichs Rechtsgeschichte und Eu- o. Tiefkühlhaus in Wenireith, Bezirk Hartberg-Fürstenfeld, errichtet um 1958, die es ein Abenteuer bedeutet hat, von einslokal, Wohnhaus, Lagerschuppen oder sogar ropäische Rechtsentwicklung am Institut für Rechts- stillgelegt im Jahr 1976. Foto: Friedrich Jeitler ihren Eltern nach den nun ganzjährig als Museum oder Blumenhandlung. Einige stehen wissenschaftliche Grundlagen, Universität Graz vokult 12 vokult 13
Anita Niegelhell Im Dialog … bleiben TERMINSERIEN wie es ist Im Gespräch sein, einander erzählen, was man er- anerkannt werden, ist die Formel, auf die Ina Maria Wöchentliche Fixführungen lebt hat, was man weiß: Auf diese Weise Erfahrun- Greverus diese Grunderfahrung und -bedeutung von jeweils FR + SA + SO, 13:00 – 14:00 Uhr gen und Wissen zu erweitern, gehört zum Wesen Kultur gebracht hat. vom 16. April bis 31. Oktober 2021 des Menschen. Lernen im Austausch ist wichtige im Volkskundemuseum Ein wichtiger Baustein dieses Prozesses ist und Prämisse einer Kulturvermittlung, die sich dem All- (im Anschluss ab 14:30 Uhr Führung auf Englisch) bleibt das Gespräch. Damit ist es im Augenblick täglichen widmet, dem, wie es ist. Deswegen ha- nicht ganz so einfach. Das in unterschiedlichsten ben wir für die neue Ausstellung im Volkskundemu- Seitensprung Umgebungen mögliche persönliche Gespräch o. Neue Vermittlungsformate seum auch viele neue Programme entwickelt, die Gesprächsformat in vierzehntägigem Rhythmus zählt zu den am meisten vermissten Dingen aus im Volkskundemuseum. Foto: VKM / Unger jeweils MI, 16:00 – 17:30 Uhr in zwei Ausstellungen sich um diesen Austausch drehen: den Abgleich der „Zeit vor Corona“. Zwei Alltagsbefunde häufen der Steiermark Schau von Erfahrungen und das Prinzip Dialog. sich grade: die Zunahme von Einsamkeit aus Man- (Beginn im April) gel an Begegnungsmöglichkeiten und die (Wie- monatliche „Runde Tische“, um mit Ihnen Weiterhin übernehmen wir gerne die Rolle derjeni- der-)Entdeckung des Zufalls. direkt ins Gespräch zu kommen. Anderer- Erzählcafé im Volkskundemuseum gen, die mit Ihnen als Besucher*innen durch die neue seits bereiten wir uns darauf vor, über den Monatliches Gespräch Ausstellung gehen. Aber nie sind wir dabei die alleini- Immer wieder höre ich gerade von zufälligen, ach digitalen Raum (mit Audioguide-Angeboten, gen Expert*innen. Wenn es um Alltag und Gegenwart jeden letzten DO im Monat, 16:00 – 18:00 Uhr so netten Begegnungen auf der Straße oder im monatlichen Podcast-Beiträgen) mit Ihnen geht, wäre das auch absurd. Ihre Erfahrungen und (Beginn im April) Supermarkt mit Menschen, die man bislang nicht im erweiterten Gespräch zu bleiben. Denn Ihr Wissen sind grundlegender Teil eines immer anzu- strebenden Gesprächs: jenes Dialogs, den das neu kannte oder deren Funktion man nicht wahrnahm. wir sehen jegliche Form von Gespräch als Hurra, wir sind wieder da! Fast scheint es, als wäre verordnete Distanz eine eine der wichtigsten Übungen und größten Ausstellungsreise für Groß und Klein gestaltete Museum auch mit seinen Besucher*innen Chance, sich auf das zu besinnen, was trotzdem Herausforderungen dieser Zeit: das Aushal- Monatliches Kinderformat sucht. Deswegen nennen wir unsere Rundgänge möglich ist. ten-Können von Unterschieden als Voraus- jeden zweiten SA im Monat, 14:00 – 16:00 Uhr schon lange „dialogisch“ – nicht erst, seit wir Sie nach setzung von Kultur. (Beginn im Mai) der vorübergehenden Schließung im letzten Jänner Und so sehen auch wir für dieses Jahr zwei Per- vermissen. Und nicht erst, seit Begegnung und Di- spektiven. Einerseits in der Hoffnung auf ein bal- Runder Tisch: wer redet mit? alog ihre Selbstverständlichkeit verloren haben. diges Anknüpfen an frühere Begegnungsweisen Dialogisches Format im „Mitsprech-Zimmer“ Sondern ganz grundlegend: Der Mensch wird am in neuen, dialogischen Präsenz-Formaten: Wir Mag. Anita Niegelhell, MA a der neuen Ausstellung anderen zum Menschen und das Dritte dazwischen planen „Seitensprünge“ mit Kulturvermittler*innen Leiterin der Kunst- und Kulturvermittlung im Volkskunde- jeden zweiten FR im Monat, 17:00 – 19:00 Uhr ist auch die Kultur. Sich erkennen, erkannt werden, aus Kunsthaus und Museum für Geschichte und museum, Landeszeughaus und Museum für Geschichte (Beginn im Mai) vokult 14 vokult 15
TERMINE DI, 25. Mai, 19:00 Uhr Modelle einer aus rund 300 Apfelsorten bestehenden Modellsammlung Hofgespräche hergestellt von Firma Dürfeld, Deutschland, 1880er-Jahre. FR 9. April, 10:00 Uhr Die Modelle aus Papiermaché mit gewachster Oberfläche zeigen bis ins kleinste Detail naturgetreu nachgebildete Äpfel. wie es ist. Welten – Wandel – Perspektiven mit Kuratoriumspräsident Solche Obstmodellsammlungen waren eine verbreitete Form der Vermittlung obstbaulichen Wissens und wurden auch aus Wachs, Porzellan Online-Eröffnung unter: Dr. Franz Harnoncourt-Unverzagt oder Stein hergestellt. Die Obstmodellsammlung des Joanneums wurde im Jahr 2020 restauriert, ihre Geschichte wird derzeit erforscht. www.steiermarkschau.at/eroeffnung Persönlichkeiten der Steiermark und ihr Bezug Foto: UMJ / Botanische Sammlung zu unseren Ausstellungsthemen SA, 10. + SO, 11. April, 10:00 – 17:00 Uhr wie es ist. Welten – Wandel – Perspektiven DI, 29. Juni, 19:00 Uhr Steiermark Schau im Volkskundemuseum Hofgespräche ganztägiges Opening mit Saubermacher-Gründer Hans Roth Persönlichkeiten der Steiermark und ihr Bezug DO, 22. April, 19:00 Uhr zu unseren Ausstellungsthemen in der Reihe „Blickwinkel“: Die Vielfalt einer Region DO, 1. Juli, 19:00 Uhr Ein Thema – unterschiedliche Standpunkte: „Schmuzzige Zotten und Possen“ Diskussion mit Eva Heizmann (Volkskultur Diskurse über Sexualität in Österreichs Tanz- Steiermark) und Fred Ohenhen (Isop) liedern im frühen 19. Jahrhundert. Vortrag von Hans-Peter Weingand DI, 27. April, 19:00 Uhr Hofgespräche FR, 9. Juli, 9:00 – 19:00 Uhr mit ORF-Biogärtnerin und Autorin Angelika Ertl Steiermark Schau. Ein Fest Persönlichkeiten der Steiermark und ihr Bezug Näheres wird noch bekannt gegeben zu unseren Ausstellungsthemen DO, 29. April, 16:00 – 18:00 Uhr Alles neu! Erzählcafé im Volkskundemuseum Volkskundemuseum DO, 20. Mai, 19:00 Uhr Nähere Details oder etwaige Programmänderungen in der Reihe „Blickwinkel“ entnehmen Sie bitte unserer Webseite. Der Wohlstand einer Region Ein Thema – unterschiedliche Standpunkte: Paulustorgasse 13, 8010 Graz Diskussion mit Nora Musenbichler (Vinziwerke) +43 (0)316 / 8017- 9810 und Gabriele Lechner (Vizepräsidentin der volkskunde @museum-joanneum.at Wirtschaftskammer Steiermark) www.volkskundemuseum-graz.at vokult 16
» Kunst braucht einen wachen Geist. Zum Beispiel Ihren. « Aus Überzeugung leistet die GRAWE seit vielen Jahren gerne einen Beitrag zur Förderung von Kunst und Kultur. grawe.at Alljährlich werden in einer unabhängigen Studie (FMVÖ Recommender Award) 8.000 Versicherungskunden in ganz Österreich zu ihrer Zufriedenheit und Bereitschaft zur Weiter- empfehlung befragt. Die GRAWE steht bei den überregionalen Versicherungen in der Gesamtbewertung der Versicherungen im Durchschnitt der Jahre 2016-2020 klar an erster Stelle. Details: grawe.at/meistempfohlen IMPRESSUMvokult | Herausgeber: 20 Vokult – Mitteilungsblatt des Vereins „Freunde des Volkskundemuseums (UMJ) in Graz“ | Medieninhaber: Verein „Freunde des Volkskundemuseums (UMJ) in Graz“, Paulustorgasse 13, 8010 Graz | volkskunde@museum-joanneum.at | Redaktion: Mag.a Martina Edler | Satz und Produktion: Rappel | Druck: Medienfabrik Graz | Der Vokult erscheint zweimal jährlich und informiert über die Aktivitäten des Vereins.
Sie können auch lesen