Von der Krise in die Strafbarkeit? - Dr. Emanuel H. F. Ballo / Theresa Sauerwein* - NET

Die Seite wird erstellt Stefan-Nikolai Gerlach
 
WEITER LESEN
Dr. Emanuel H. F. Ballo / Theresa Sauerwein*

                                 Von der Krise in die Strafbarkeit?
 Zu den Strafbarkeitsrisiken für Unternehmensverantwortliche und Unternehmen im Zusammen-
                                 hang mit Corona-Hilfsmaßnahmen

Zu Unrecht beanspruchte Corona-Hilfen können zu straf-         Zuschuss zu den Betriebskosten für einen Zeitraum von drei
rechtlichen Konsequenzen für die handelnden Unterneh-          Monaten beantragen. Die Antragsteller konnten diese So-
mensvertreter sowie zu empfindlichen Sanktionen für Unter-     fort-Hilfen „selbst“ beantragen. Die Mandatierung eines
nehmen führen. Diese werden nachstehend behandelt.             Steuerberaters, Wirtschaftsprüfers oder Rechtsanwalts war
                                                               für die Antragstellung nicht erforderlich.
I. Einleitung                                                  Den Unternehmen wurde zudem die Erstattung der Sozial-
Seit Beginn der Corona-Pandemie können betroffene Unter-       versicherungsbeiträge zugesagt. Gleichzeitig hat das Bundes-
nehmen zahlreiche von Bund und Ländern geschaffene Hilfs-      wirtschaftsministerium einen Wirtschaftsstabilisierungs-
angebote beantragen. Die Anträge erfolgen in einer Zeit, in    fonds („WSF“) aufgesetzt, der Unternehmen durch Kapital-
der sich die antragsstellenden Unternehmen infolge der Aus-    maßnahmen, Bürgschaften sowie durch KfW-Programme
wirkungen der Pandemie in einer wirtschaftlich schwierigen,    unterstützt.
häufig existenzbedrohenden Lage befinden. Vor diesem Hin-
tergrund kommt es häufig zu Anträgen, die unvollständige       2. Die „Corona-Überbrückungshilfen I-III“
oder unrichtige Angaben enthalten – mitunter in der Absicht,   (September 2020 bis Juni 2021)2
Arbeitsplätze und das Unternehmen zu retten.                   Ziel der Überbrückungshilfen ist es insbesondere, Unterneh-
                                                               men zu unterstützen, die ihren Geschäftsbetrieb im Zuge der
Das führt zu strafrechtlichen Risiken für die verantwortlich   Corona-Krise ganz oder zu wesentlichen Teilen einstellen
handelnden Unternehmensvertreter sowie – das wird häufig       mussten.
übersehen – zu erheblichen Sanktionsrisiken für die Unter-
nehmen. Bereits über 20.000 Verdachtsfälle wegen unrecht-      Die „Corona-Überbrückungshilfe I für kleine und mittelstän-
mäßig in Anspruch genommener Corona-Hilfen oder ande-          dische Unternehmen“ umfasst die Fördermonate Juni bis
rer Straftaten hat es nach Aussage des Bundesgeschäftsfüh-     August 2020 und konnte bei einem Umsatzrückgang von
rers des Deutschen Richterbunds, Sven Rebehn, Ende 2020        mindestens 60 Prozent gegenüber dem entsprechenden Vor-
gegeben.1 Die Zahl der Verdachtsfälle dürfte weiter steigen.   jahresmonat bis zum 9.10.2020 beantragt werden. Entschei-
                                                               dend ist, dass sich das antragstellende Unternehmen nicht
Im Folgenden werden zunächst die wichtigsten Hilfsmaß-         bereits zum 31.12.2019 in wirtschaftlichen Schwierigkeiten
nahmen zur Milderung der wirtschaftlichen Folgen der Co-       befunden hatte.
rona-Pandemie dargestellt. Anschließend werden die wesent-
lichen strafrechtlichen Risiken für Unternehmensverantwort-    Die „Corona-Überbrückungshilfe II für kleine und mittel-
liche und Unternehmen durch die Beantragung und In-            ständische Unternehmen“ umfasst die Fördermonate Sep-
anspruchnahme von Corona-Hilfsmaßnahmen behandelt.             tember bis Dezember 2020. Die Unternehmen konnten bei
Abschließend werden die sonstigen Sanktionsrisiken für die     einem Umsatzrückgang von durchschnittlich mindestens 30
betroffenen Unternehmen skizziert.                             Prozent in den Monaten April bis August 2020 oder einem
                                                               Umsatzrückgang von mindestens 50 Prozent in zwei zusam-
II. Staatliche Hilfsmaßnahmen
                                                               *   Dr. Emanuel H. F. Ballo ist Rechtsanwalt und Partner der Kanzlei DLA
Nachfolgend soll zunächst ein kurzer Überblick über die            Piper UK LLP in Frankfurt a. M. im Bereich Wirtschaftsstrafrecht,
wichtigsten Corona-Hilfen für Unternehmen gegeben wer-             Internal Investigations und Compliance sowie Lehrbeauftragter an der
den.                                                               EBS Universität für Wirtschaft und Recht; Theresa Sauerwein ist
                                                                   Rechtsanwältin in der Kanzlei DLA Piper UK LLP in Frankfurt a. M.
1. Erste Hilfsmaßnahmen im Frühjahr 2020                           im Bereich Wirtschaftsstrafrecht, Internal Investigations und Complian-
                                                                   ce.
Im Rahmen des sogenannten Corona-Schutzschilds für             1   Https://rsw.beck.de/aktuell/daily/meldung/detail/richterbund-rund-20000-
                                                                   strafverfahren-mit-corona-bezug.
Deutschland konnten im Frühjahr 2020 Soloselbstständige        2   Https://www.ueberbrueckungshilfe-unternehmen.de/UBH/Redaktion/
und Kleinstunternehmen mit bis zu zehn Beschäftigten einen         DE/Artikel/uebersicht-ubh.html?nn=2183686.
Ballo/Sauerwein, Strafbarkeitsrisiken                                                                        COVuR 4/2021        201
                                                          Beiträge

menhängenden Monaten im Vergleich zum Vorjahreszeit-             vom Arbeitsausfall betroffen sind und der Arbeitsausfall
raum ihre Anträge bis zum 31.3.2021 stellen.                     „durch Corona oder auch andere konjunkturelle Ursachen“
                                                                 begründet ist.6
Zudem unterstützt der Bund mit den „Corona-November-
und Dezemberhilfen“ unter anderem Unternehmen, deren             In diesem Rahmen werden die Sozialversicherungsbeiträge
Betrieb aufgrund des sogenannten „Lockdowns“ von Schlie-         bis zum 30.6.2021 vollständig erstattet, anschließend –
ßungen betroffen war. Die Betroffenen können die einmali-        längstens bis zum 31.12.2021 – bis zur Hälfte, sofern die
gen Zuschüsse in Höhe von bis zu 75 Prozent des Umsatzes         Betriebe bis zum 30.6.2021 mit der Kurzarbeit beginnen.
des Vorjahresmonats bis zum 30.4.2021 stellen.                   Unternehmen, die vollständig Kurzarbeit einführen, sind von
                                                                 der Verpflichtung zum Einbehalt und zur Abführung des
Mit der „Corona-Überbrückungshilfe III für kleine und mit-       Arbeitgeberanteils der Sozialversicherungsbeträge befreit.
telständische Unternehmen“ wurde das Hilfsprogramm bis
Ende Juni 2021 verlängert, im Umfang erweitert und das           III. Strafrechtliche Risiken für
Verfahren vereinfacht. Der relevante Förderungszeitraum er-      Unternehmensverantwortliche durch die
streckt sich vom 1.1.2021 bis zum 30.6.2021. Antrags-            Beantragung und Inanspruchnahme von Corona-
berechtigt sind Unternehmen mit einem Jahresumsatz von           Hilfsmaßnahmen
bis zu 750 Millionen EUR, die einen Umsatzeinbruch von
mindestens 30 Prozent erlitten haben. Darüber hinaus beste-      Sämtliche vorstehend dargestellten Hilfsmaßnahmen müssen
hen branchenspezifische Regelungen (zB neue Abschrei-            von den betroffenen Unternehmen – gegebenenfalls mit Hilfe
bungsbedingungen für Saisonware oder die besondere Be-           Dritter – beantragt werden. Häufig hängt die wirtschaftliche
rücksichtigung von Stornierungen in der Reisebranche) und        Existenz des Unternehmens vollständig von der Gewährung
es werden Investitionen in die Digitalisierung gefördert.3       dieser Hilfsmaßnahmen ab. Durch die Beantragung und In-
                                                                 anspruchnahme kann es auch zu strafrechtlich relevanten
Im Gegensatz zu den Hilfsmaßnahmen für Kleinstunterneh-          Handlungen kommen, auf die im Folgenden näher eingegan-
men und Soloselbstständige (vgl. vorstehend unter II. 1.)        gen werden soll. Nicht Gegenstand dieser Betrachtung sind
erfolgt die Antragstellung durch sogenannte „prüfende Drit-      die strafrechtlichen Risiken im Zusammenhang mit der zwi-
te“. Das sind Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer; seit der     schenzeitlichen Lockerung der Insolvenzantragspflicht im
Überbrückungshilfe II auch vereidigte Buchprüfer und             Sinne des § 15 a Abs. 4 InsO.7
Rechtsanwälte. Damit die betroffenen Unternehmen schnel-
ler finanzielle Unterstützung erhalten, finden vor der endgül-   1. Subventionsbetrug gemäß § 264 StGB
tigen Auszahlung der beantragten Hilfen bereits Abschlags-
                                                                 Im Zusammenhang mit der Beantragung und Inanspruch-
zahlungen statt.
                                                                 nahme der Hilfsmaßnahmen kommt für die handelnden Per-
Nach Ende der Programmlaufzeit hat eine Schluss-Abrech-          sonen ein Risiko wegen Subventionsbetrugs nach § 264
nung zu erfolgen. Im Rahmen dieser Abrechnung werden bei         StGB in Betracht.
Abweichung der tatsächlich durch die Unternehmen erzielten
                                                                 a) Subventionsbegriff im Sinne des § 264 Abs. 8
Umsätze überhöht gewährte Zuschüsse zurückgezahlt oder
                                                                 StGB
zu geringe Hilfen aufgestockt. Unterbleibt die Schlussabrech-
nung, ist die Corona-Überbrückungshilfe in gesamter Höhe         Die unter II. 1.-4. dargestellten staatlichen Hilfsangebote
zurückzuzahlen.                                                  können Subventionen im Sinne des § 264 Abs. 8 Nr. 1 StGB
                                                                 darstellen. Subventionen sind danach Leistungen aus öffent-
3. Kredite der KfW4                                              lichen Mitteln nach Bundes- oder Landesrecht an Betriebe
                                                                 oder Unternehmen, die wenigstens zum Teil ohne markt-
Im Rahmen der sogenannten KfW-Corona-Hilfe (Kredite für
                                                                 mäßige Gegenleistung gewährt werden und (kumulativ) der
Unternehmen) übernimmt die KfW das wirtschaftliche Aus-
                                                                 Förderung der Wirtschaft dienen. Als Subventionen gelten
fallrisiko. Die Antragstellung durch die Unternehmen erfolgt
                                                                 nach herrschender Ansicht sowohl Zuschüsse ohne Gegen-
unmittelbar über die jeweiligen Hausbanken. Unternehmen
                                                                 leistung als auch Darlehen zu günstigeren als marktüblichen
(sowie Selbstständige und Freiberufler), die „durch die Coro-
                                                                 Zinsen und Konditionen oder Bürgschaften und Garantien.8
na-Krise in finanzielle Schieflagen geraten [sind]“, können
bis zum 30.6.2021 einen „KfW-Schnellkredit 2020“ mit             Es ist nicht erforderlich, dass die staatlichen Hilfsangebote
einem Volumen von bis zu 800.000 EUR für Anschaffungen           durch formelles Gesetz geregelt werden. Vielmehr genügt es,
(Investitionen) sowie laufende Kosten (Betriebsmittel) be-       wenn ein entsprechendes Vorgehen in den durch Haushalts-
antragen. Unternehmen, die bereits seit mindestens fünf Jah-     gesetze festgesetzten Haushaltsplänen vorgesehen ist.9
ren am Markt aktiv sind, steht darüber hinaus der KfW-
                                                                 Sowohl die Überbrückungshilfen als auch die November-
Unternehmerkredit – auch für größere Kreditbeträge – offen.
                                                                 und Dezember-Hilfen werden aus öffentlichen Mitteln und
Der Bund sichert den Schnellkredit durch eine Garantie zu
                                                                 nach Bundesrecht an Unternehmen gewährt, die keine Ge-
100 Prozent und den Unternehmerkredit zu 90 Prozent ab,
                                                                 genleistung erbringen müssen. Ausdrückliche Ziele dieser
so dass sich die Chance der Unternehmen erhöht, eine Kre-
ditzusage zu erhalten. Voraussetzung ist, dass das Unterneh-
men zum 31. Dezember 2019 noch nicht in wirtschaftlichen         3   Https://www.bundesfinanzministerium.de/Content/DE/Standardartikel/
Schwierigkeiten gewesen ist.                                         Themen/Schlaglichter/Corona-Schutzschild/2021-01-19-ueberbrueckun
                                                                     gshilfe-verbessert.html.
                                                                 4   Https://www.kfw.de/inlandsfoerderung/Unternehmen/KfW-Corona-Hilfe.
4. Kurzarbeitergeld                                              5   BGBl. 2020 I S. 2691.
                                                                 6   Https://www.arbeitsagentur.de/unternehmen/corona-virus-informatio-
Darüber hinaus können alle Unternehmen – unabhängig von              nen-fuer-unternehmen-zum-kurzarbeitergeld#1478910781381.
ihrer Größe – Kurzarbeitergeld beantragen. Die Corona-           7   Vgl. dazu u. a. Tresselt/Kienast COVuR 2020, 21; Ganter NZI 2020,
Sonderregelungen beim Kurzarbeitergeld wurden durch das              1017.
Beschäftigungssicherungsgesetz5 aktuell bis zum 31.12.2021       8   Fischer StGB § 264, Rn. 9.
                                                                 9   Perron in Schönke/Schröder StGB § 264 Rn. 8 mwN; Tsambikakis/
verlängert. Unternehmen können danach Kurzarbeit be-                 Gierok in Esser/Tsambikakis PandemieStrafR § 9 Rn. 36 mit Verweis
antragen, wenn mehr als zehn Prozent ihrer Beschäftigten             auf das Nachtragshaushaltsgesetz BGBl. I 2020 S. 556.
202 COVuR 4/2021                                                                            Ballo/Sauerwein, Strafbarkeitsrisiken
                                                          Beiträge

Corona-Hilfen sind die Förderung der Wirtschaft und die          aa) Antragstellung gemäß § 264 Abs. 1 Nr. 1 StGB
Vermeidung oder Verringerung einer durch die Folgen der          Die Handlungsvariante des § 264 Abs. 1 Nr. 1 StGB ver-
Corona-Pandemie bedingten Wirtschaftskrise.10                    wirklicht, wer für sich oder für andere unrichtige oder un-
                                                                 vollständige Angaben über subventionserhebliche Tatsachen
Ob die KfW-Schnellkredite oder die KfW-Unternehmerkre-           macht.
dite eine Subvention im Sinne des § 264 Abs. 8 Nr. 1 StGB
darstellen, ist vom Einzelfall abhängig. Die ausgezahlte Kre-    Gemäß § 2 SubvG können die auszahlenden Behörden fest-
ditsumme stellt zwar eine Leistung an ein Unternehmen nach       legen, welche Angaben subventionserheblich sind. Subventi-
Bundesrecht dar11 und soll als Liquiditätshilfe zugunsten der    onserheblich für die November- und Dezember-Hilfen ist
Unternehmen die Wirtschaft fördern. Des Weiteren werden          beispielsweise, ob das antragstellende Unternehmen direkt
die jeweils von der Hausbank als Subventionsmittler aus-         oder indirekt von den coronabedingten Schließungsmaßnah-
gezahlten Kredite aus öffentlichen Mitteln der KfW refinan-      men betroffen war. Im Rahmen der Überbrückungshilfe III
ziert.12 Maßgeblich dafür, ob ein KfW-Schnellkredit oder         wird unterschieden, ob es sich um ein von den Schließungen
KfW-Unternehmerkredit zumindest teilweise ohne markt-            betroffenes Unternehmen handelt oder um ein sonstiges Un-
gerechte Gegenleistung und damit als Subvention im Sinne         ternehmen mit einem Umsatzrückgang von mindestens 30
des § 264 Abs. 8 Nr. 1 StGB ausgezahlt wird, ist jedoch, ob      Prozent im Vergleich zum entsprechenden Vergleichsmonat.
ein vergünstigter Zinssatz gewährt wird. Bei den KfW-
Schnellkrediten beträgt der Zinssatz unabhängig von der          Nach Auffassung einer mit diesen Fällen befassten Staats-
Bonität des Unternehmens 3,00 Prozent pa13, bei den KfW-         anwaltschaft könnten unvollständige Angaben beispielswei-
Unternehmerkrediten zwischen 1,00 und 2,12 Prozent pa14.         se vorliegen, wenn ein Unternehmen nicht angibt, dass eine
Vor diesem Hintergrund ist es jedenfalls möglich, dass –         andere Unternehmenssparte die erlittenen Einbußen aus-
insbesondere durch die Corona-Krise „angeschlagene“ – Un-        gleicht oder die Einbußen nicht auf die Corona-Krise zurück-
ternehmen günstigere Kreditkonditionen erhalten als sie un-      zuführen sind.23 Letzteres kann der Fall sein, wenn die Un-
ter Berücksichtigung ihrer individuellen Bonität auf dem         ternehmenseinbußen vor der Corona-Krise eingetreten sind
freien Markt erhalten hätten.15                                  oder sich bereits abgezeichnet haben. In diesem Zusammen-
                                                                 hang ist im Einzelfall fraglich, ob ein sich schon vor der
Derzeit ist höchstrichterlich nicht geklärt, ob an Unterneh-     Corona-Krise abzeichnender Auftragsrückgang zur Unvoll-
men ausgezahltes, aber an die Mitarbeiter weitergeleitetes       ständigkeit der gemachten Angaben führt, wenn er sich erst
Kurzarbeitergeld eine Subvention im Sinne des § 264 Abs. 8       im Umsatz der „Corona-Monate“ niederschlägt.
StGB darstellt.16 Im Schrifttum ist diese Frage – spätestens
                                                                 bb) Zweckwidrige Verwendung gemäß § 264
seit der Finanzkrise – umstritten.17 Gegen die Einordnung
                                                                 Abs. 1 Nr. 2 StGB
des Kurzarbeitergeldes als Subvention spricht vor allem, dass
das Kurzarbeitergeld letztlich den Beschäftigten und nicht       Werden die ausgezahlten Corona-Hilfen nicht gemäß des
dem Arbeitgeber zugutekommt.18 Das hängt auch mit dem            Förderungszwecks genutzt, um etwa einen aufgrund der Co-
Zweck des Kurzarbeitergeldes zusammen: Das Kurzarbeiter-         rona-Pandemie erlittenen Liquiditätsengpass des Unterneh-
geld verfolgt unmittelbar soziale Zwecke, dh es dient in         mens zu überbrücken, kann eine zweckwidrige Verwendung
erster Linie den Interessen des Arbeitnehmers (vgl. §§ 169 ff.   im Sinne der Handlungsvariante des § 264 Abs. 1 Nr. 2
SGB III), so dass dies lediglich für eine „Subventionsvermitt-   StGB vorliegen. Insbesondere kommt ein Anfangsverdacht
lereigenschaft“ des Unternehmens spricht. Mittelbar verfolgt     wegen Subventionsbetrugs gemäß § 264 Abs. 1 Nr. 2 StGB
das Kurzarbeitergeld hingegen auch den Zweck, das Unter-         im Betracht, wenn die ausgezahlten Hilfen nicht zur De-
nehmen und die Arbeitsplätze zu erhalten und somit die           ckung laufender Fixkosten wie Gewerbemieten oder Pacht-
Wirtschaft zu fördern.19 Da Letzteres nicht nur unbeabsich-
tigte Nebenfolge des Kurzarbeitergelds ist, sondern auch         10 BT-Drs. 19/18100, S. 5.
durch den Gesetzgeber gewollt sein dürfte,20 besteht das         11 Tsambikakis/Gierok in Esser/Tsambikakis PandemieStrafR § 9 Rn. 58
Risiko, dass Gerichte das an Unternehmen ausgezahlte Kurz-          mit Verweis auf das Nachtragshaushaltsgesetz (BGBl. 2020 I S. 556;
                                                                    BT-Drs. 18/18100).
arbeitergeld als Subvention im Sinne des § 264 Abs. 8 StGB       12 Hellmann in NK-StGB § 264 Rn. 15.
ansehen könnten.21                                               13 Https://www.kfw.de/inlandsfoerderung/Unternehmen/Erweitern-Festi-
                                                                    gen/F%C3 %B6rderprodukte/KfW-Schnellkredit-(078)/.
                                                                 14 Https://www.kfw.de/inlandsfoerderung/Unternehmen/Unternehmen-er-
b) Strafbewehrte Tathandlungen                                      weitern-festigen/Finanzierungsangebote/KfW-Unternehmerkredit-Fremd
Taugliche Täter im Sinne des § 264 StGB sind zunächst die           kapital-(037-047)./.
                                                                 15 Vgl. dazu auch Tsambikakis/Gierok in Esser/Tsambikakis Pandemie-
prüfenden Dritten, die für die betroffenen Unternehmen die          StrafR § 9 Rn. 59 f.
Hilfsanträge stellen.                                            16 Vgl. Tsambikakis/Gierok in Esser/Tsambikakis PandemieStrafR § 9
                                                                    Rn. 17 f.
Für die Unternehmensverantwortlichen kommt eine Straf-           17 Dagegen u. a. Gaede/Laydecker NJW 2009, 3542 (3545 f.); Hellmann
                                                                    in NK-StGB § 264 Rn. 47; Perron in Schönke/Schröder StGB § 264
barkeit wegen Anstiftung oder Beihilfe nach §§ 26, 27 StGB          Rn. 25; aA Ceffinato in MüKoStGB § 264 Rn. 57.
in Betracht. Sofern die Unternehmensverantwortlichen die         18 Vgl. Rau in Schmidt Covid-19 § 19 Rn. 68; Burgert StraFO 2020, 181
prüfenden Dritten im Rahmen einer Wissensherrschaft über            (187).
die wirtschaftlichen Verhältnisse ihres Unternehmens zu un-      19 Vgl. auch Tiedemann in LK-StGB § 264 Rn. 57; BGH NStZ 2015, 93
                                                                    (95).
richtigen oder unvollständigen Angaben über subventions-         20 BGH NStZ 2015, 93 (95); Tiedemann in LK-StGB § 264 Rn. 57; vgl.
erhebliche Tatsachen veranlassen, ist eine mittelbare Täter-        auch mwN Gaede/Leydecker NJW 2009, 3542 (3545 f).
schaft im Sinne des § 25 Abs. 1 Var. 2 StGB möglich.22 Im        21 So hat der BGH zB Fördermittel für den sozialen Wohnungsbau als
                                                                    Subvention qualifiziert, weil hiermit auch wirtschaftliche Zwecke ver-
Fall kollusiven Zusammenwirkens ist auch eine Mittäter-             folgt werden, BGHSt 59, 244.
schaft gemäß § 25 Abs. 2 StGB denkbar.                           22 Ceffinato in MüKoStGB § 264 Rn. 49; Straßer in Graf/Jäger/Wittig
                                                                    StGB § 264 Rn. 59; Heger in Lackner/Kühl StGB § 264 Rn. 19; Hell-
Im Rahmen des § 264 Abs. 1 StGB kommen insbesondere                 mann in NK-StGB § 264 Rn. 69; Perron in Schönke/Schröder StGB
                                                                    § 264 Rn. 65.
die folgenden strafrechtlich relevanten Tathandlungen in Be-     23 Vgl. Burgert StraFO 2020, 181 (186); Rau in Schmidt Covid-19 § 19
tracht.                                                             Rn. 70.
Ballo/Sauerwein, Strafbarkeitsrisiken                                                                     COVuR 4/2021        203
                                                        Beiträge

zahlungen, Nebenkosten, Leasingzahlungen, Lizenzgebüh-         Abs. 2 Nr. 1 StGB begründen kann. Denn zahlreiche mittel-
ren, Bedienung von Krediten für Betriebsmittel etc. verwen-    ständische und größere Unternehmen sind aufgrund ihrer
det werden.                                                    Umsätze in den Vergleichsmonaten berechtigt, Hilfszahlun-
                                                               gen in erheblichem Umfang zu beantragen, die über einen
cc) In Unkenntnis lassen gemäß § 264 Abs. 1 Nr. 3              Betrag in Höhe von 50.000 EUR hinausgehen.
StGB
Ein strafrechtlich relevantes Unterlassen im Sinne des § 264   Überdies ist es für die Annahme eines besonders schweren
Abs. 1 Nr. 3 StGB liegt vor, wenn die verantwortlich han-      Falles erforderlich, dass der Täter aus „grobem Eigennutz“
delnden Personen die für die Subventionsvergabe verant-        handelt. Der Täter muss dabei über das übliche kaufmän-
wortliche Stelle in Unkenntnis über für den Subventionsneh-    nische Gewinnstreben hinausgehen.29 Es liegt nahe, dass eine
mer nachteilhafte und subventionserhebliche Tatsachen          mit dem Sachverhalt befasste Staatsanwaltschaft es als grob
lässt.24 Des Weiteren können die Strafverfolgungsbehörden      eigennütziges Verhalten ansehen wird, wenn ein Unterneh-
auch einen Anfangsverdacht wegen Subventionsbetrugs            men in Pandemie- und Krisenzeiten ungerechtfertigt staatli-
durch Unterlassen annehmen, wenn nach erfolgter Auszah-        che Hilfen beantragt und das Hilfsprogramm für den eigenen
lung die für die Gewährung der Subvention erheblichen Um-      Vorteil ausnutzt.30
stände nicht eingetreten sind und dies nicht gegenüber der     2. Betrug gemäß § 263 StGB und Kreditbetrug nach
zuständigen Behöre mitgeteilt wurde.25                         § 265 b StGB
In Bezug auf die unter II. 1. dargestellten Hilfsangebote      Insbesondere wenn der Straftatbestand des Subventions-
könnte das zum Beispiel der Fall sein, wenn (entgegen der      betrugs nach § 264 StGB nicht einschlägig ist, besteht im
durch den Antrag zum Ausdruck gebrachten Prognose) keine       Zusammenhang mit der Beantragung von Corona-Hilfen für
Existenzgefährdung eingetreten ist. In Bezug auf die Über-     Unternehmensverantwortliche subsidiär das strafrechtliche
brückungshilfen II und III sowie die November- und Dezem-      Risiko des Betrugs gemäß § 263 StGB. Wenn die In-
ber-Hilfen käme ein strafrechtlich relevantes Verhalten in     anspruchnahme von KfW-Schnellkrediten oder KfW-Unter-
Betracht, wenn – wider Erwarten – kein Umsatzeinbruch          nehmerkrediten aufgrund der (guten) Bonität des Darlehen
eingetreten ist oder das Unternehmen nicht von den getroffe-   nehmenden Unternehmens zu marktgerechten Zinsen er-
nen Schließungsmaßnahmen (unmittelbar oder mittelbar)          folgt, besteht im Fall unrichtiger Angaben im Antrag das
betroffen war und diese Umstände nicht gegenüber der zu-       Risiko einer Strafverfolgung wegen Betrugs gemäß § 263
ständigen Stelle offengelegt werden.                           StGB sowie wegen Kreditbetrugs gemäß § 265 b StGB (gege-
dd) Versuchsstrafbarkeit und tätige Reue                       benenfalls in Idealkonkurrenz/Tateinheit).31 Wer für Unter-
                                                               nehmen als Kreditnehmer schriftlich unrichtige oder unvoll-
Nach §§ 264 Abs. 4, 23 Abs. 1 Var. 2 StGB ist auch der         ständige Angaben macht, die für das Unternehmen vorteil-
Versuch der zweckwidrigen Verwendung im Sinne des § 264        haft und für die Entscheidung über den Kreditantrag erheb-
Abs. 1 Nr. 2 StGB strafbar. Bei den übrigen Handlungsvari-     lich sind, kann sich (auch) gemäß § 265 b Abs. 1 Nr. 1 b)
anten ist der Anknüpfungspunkt für die Strafbarkeit bereits    StGB strafbar machen.
durch die Ausgestaltung als Gefährdungsdelikt vorver-
lagert.26                                                      Auch wenn man annähme, dass mit der unrechtmäßigen
                                                               Inanspruchnahme von Kurzarbeitergeld befasste Gerichte zu
Gemäß § 264 Abs. 6 StGB wird nicht bestraft, wer nach          der Entscheidung kommen, dass das Kurzarbeitergeld keine
vorsätzlicher oder leichtfertiger Tat freiwillig verhindert,   Subvention im Sinne des § 264 Abs. 8 StGB darstellt, ver-
dass die Subvention gewährt wird. In der Praxis kann die       bleibt das Risiko einer Betrugsstrafbarkeit der handelnden
Verhinderung erfolgen, indem unrichtige Angaben berich-        Personen.
tigt, eine Mitteilung nach § 264 Abs. 1 Nr. 3 StGB nach-
geholt oder der Antrag vollständig zurückgenommen wird.        3. Steuerhinterziehung gemäß § 370 AO und
Tätige Reue im Sinne des § 264 Abs. 6 StGB scheidet hin-       Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt
gegen aus, sobald der erste „Gewährungsakt“ abgeschlossen      gemäß § 266 a StGB
ist.27 Im Rahmen der Corona-Hilfen ist fraglich, ob bereits
                                                               Ein strafrechtliches Risiko nach § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO
die Abschlagszahlungen auf die November- bzw. Dezember-
                                                               sowie § 266 a StGB besteht, wenn Unternehmen Kurzarbei-
Hilfe den ersten Gewährungsakt darstellen. Die besseren
                                                               tergeld in Form der Lohnaufstockung beantragen und bezie-
Argumente sprechen jedoch dafür, das zu verneinen. Denn
                                                               hen, die Arbeitnehmer ohne hinreichende Dokumentation
der Begriff der Abschlagszahlungen legt bereits im Rahmen
                                                               aber weiterhin in größerem Umfang tätig sind.32 Denn stockt
der wörtlichen Auslegung nahe, dass die Leistung lediglich
                                                               das Unternehmen den infolge der Kurzarbeit gekürzten Lohn
vorläufig und provisorisch gewährt wird.
                                                               auf, muss es dennoch seiner Pflicht zur Abführung von
c) Schwerer Fall des Subventionsbetrugs im Sinne               Lohnsteuer gemäß § 3 Nr. 28 a EStG und der zusätzlich
des § 264 Abs. 2 Nr. 1 StGB                                    anfallenden Sozialversicherungsbeiträge gemäß § 1 Abs. 1
Ein schwerer Fall des Subventionsbetrugs im Sinne des § 264    Nr. 8 SvEV nachkommen. Bei dem ausgezahlten, aber nicht
Abs. 2 Nr. 1 StGB liegt vor, wenn die handelnde Person aus     gegenüber der Finanzbehörde mitgeteilten Arbeitsentgelt
grobem Eigennutz oder unter Verwendung nachgemachter           handelt es sich um steuererhebliche Tatsachen im Sinne des
oder verfälschter Belege für sich oder einen anderen eine
nicht gerechtfertigte Subvention großen Ausmaßes erlangt.      24 Ceffinato in MüKoStGB, § 264 Rn. 99.
Als großes Ausmaß gelten in der Regel Förderbeträge ab ca.     25 Fischer StGB § 264 Rn. 28.
                                                               26 Fischer StGB § 264 Rn. 38; Staßer in Graf/Jäger/Wittig StGB § 264
50.000 EUR.28 Im Gegensatz zu Sofort-Hilfen mit geringen          Rn. 142.
Volumina, wird sowohl bei den November- und Dezember-          27 Fischer StGB § 264 Rn. 41.
Hilfen als auch bei den Überbrückungshilfen II und III ein     28 Perron in Schönke/Schröder StGB § 264 Rn. 8.
großes Ausmaß nach § 264 Abs. 2 Nr. 1 StGB künftig häu-        29 Fischer StGB § 264 Rn. 46; Hellmann in NK-StGB § 264 Rn. 136.
                                                               30 Vgl. auch Rau in Schmidt Covid-19 § 19 Rn. 73.
fig zu bejahen sein, so dass die unberechtigte Inanspruch-     31 Tsambikakis/Gierok in Esser/Tsambikakis PandemieStrafR § 9 Rn. 60.
nahme der Hilfen einen schweren Fall im Sinne des § 264        32 Giese/Schomburg NStZ 2020, 327 (330).
204 COVuR 4/2021                                                                         Ballo/Sauerwein, Strafbarkeitsrisiken
                                                         Beiträge

§ 370 Abs. 1 Nr. 1 AO.33 Die „Schwarzaufstockung“ des           verhindern, die den Inhaber treffen und deren Verletzung
Kurzarbeitergelds kann darüber hinaus auch eine strafrecht-     mit Strafe oder Geldbuße bedroht ist und eine solche Zu-
lich relevante Beitragshinterziehung gemäß § 266 a StGB         widerhandlung durch entsprechende Maßnahmen hätte ver-
darstellen.                                                     hindert oder wesentlich erschwert werden können. Die Un-
                                                                ternehmensleitung kann diese Aufsichtspflicht gemäß § 130
Sowohl in Hinblick auf eine mögliche Steuerhinterziehung
                                                                Abs. 1 S. 2 OWiG auch auf sorgfältig ausgewählte und über-
als auch auf eine mögliche Beitragshinterziehung können
                                                                wachte Aufsichtspersonen delegieren.
Unternehmensverantwortliche nach Beendigung der Tat
strafrechtliche Risiken reduzieren und gegebenenfalls voll-     Fahrlässig im Sinne des § 130 Abs. 1 S. 1 OWiG handelt,
ständig abwenden: Denn eine Selbstanzeige nach § 371 AO         wer gegen die bestehenden Sorgfaltspflichten verstößt. Als
hat regelmäßig strafbefreiende Wirkung, wenn unrichtige         Maßstab ist diejenige Sorgfalt zugrunde zu legen, die von
Angaben berichtigt, unvollständige Angaben ergänzt oder         einem ordentlichen Angehörigen des jeweiligen Tätigkeits-
unterlassene Angaben freiwillig nachgeholt werden, bevor        bereichs verlangt werden kann, um die Verletzung unterneh-
die Finanzbehörden auf eine mögliche Steuerverkürzung im        mensbezogener Pflichten zu verhindern.36
Sinne des § 370 AO aufmerksam geworden sind. Des Wei-
teren kann ein Gericht gemäß § 266 a Abs. 6 S. 1 StGB von       Begeht demnach ein Mitarbeiter (der nicht zum Personen-
einer Bestrafung absehen, wenn der Arbeitgeber spätestens       kreis des § 30 Abs. 1 Nr. 1-5 OWiG zählt) eine Straftat im
im Zeitpunkt der Fälligkeit oder unverzüglich danach der        Zusammenhang mit der Beantragung von Corona-Hilfen,
Einzugsstelle schriftlich die Höhe der vorenthaltenen Sozial-   wird eine Staatsanwaltschaft sorgfältig prüfen, ob die Lei-
versicherungsbeiträge mitteilt und darlegt, warum die frist-    tungspersonen im Sinne des § 130 OWiG ihrer Aufsichts-
gemäße Zahlung nicht möglich ist, obwohl dieser sich ernst-     pflicht in gehörigem Maße nachgekommen sind. Dabei ist
haft darum bemüht hat. In der Folge sind gemäß § 266 a          „erschwerend“ zu berücksichtigen, dass der in der Praxis
Abs. 6 S. 2 StGB die Beiträge innerhalb der von der Einzugs-    von den Staatsanwaltschaften häufig angelegte strenge Maß-
stelle gesetzten Frist zu entrichten.                           stab dazu führt, dass eine fahrlässige Verletzung der Auf-
                                                                sichtspflicht sehr schnell angenommen wird.
IV. Strafrechtliche Risiken für Unternehmen durch
die Beantragung von Corona-Hilfsmaßnahmen                       2. Einziehung gemäß § 73 StGB
Mit der ungerechtfertigten Beantragung oder Inanspruch-         Gegenüber Unternehmen kann alternativ zur Geldbuße im
nahme von Corona-Hilfen gehen auch erhebliche Sanktions-        Sinne des § 30 OWiG die Einziehung von Taterträgen gemäß
risiken für Unternehmen einher.                                 §§ 73, 73 b StGB angeordnet werden, wenn der Beteiligte an
                                                                einer rechtswidrigen Tat oder der Täter einer mit Geldbuße
1. Verbandsgeldbuße gemäß § 30 OWiG                             bedrohten Handlung für einen anderen, insbesondere das
Gegen ein Unternehmen kann eine Geldbuße gemäß § 30             Anstellungsunternehmen, gehandelt hat und dieses dadurch
OWiG verhängt werden, wenn die Unternehmensverant-              etwas erlangt hat. Liegt eine strafbare Handlung zugrunde,
wortlichen eine Straftat oder Ordnungswidrigkeit begangen       ist die Einziehung zwingend.37
haben und dadurch entweder Pflichten, die sich auf das          Gegenstand der Einziehung ist das Erlangte oder ein der
Unternehmen beziehen, verletzt haben oder das Unterneh-         Höhe entsprechender Geldbetrag. In den vorstehend erörter-
men dadurch bereichert worden ist oder jedenfalls werden        ten Konstellationen dürfte der Einziehungsbetrag häufig dem
sollte.34                                                       Betrag der ausgezahlten Corona-Hilfe oder des ausgezahlten
Die Verbandsgeldbuße kann bei vorsätzlicher Begehung            Kurzarbeitergeldes entsprechen. Indem jeglicher vermögens-
nach § 30 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 OWiG bis zu 10 Millionen EUR        werte Zufluss erfasst wird, sind auch sonstige bezifferbare
und bei fahrlässiger Begehung nach § 30 Abs. 2 S. 1 Nr. 2       Vergünstigungen oder Einsparungen Tatertrag im Sinne der
OWiG bis zu 5 Millionen EUR betragen. Darüber hinaus            §§ 73, 73 c StGB.38
gehend kann die Geldbuße nach § 17 Abs. 4 OWiG um den
Teil erhöht werden, den das Unternehmen aus der Tat er-         Wenn aus Opportunitätsgründen von der Verfolgung des
langt hat.                                                      Mitarbeiters abgesehen wird (zum Beispiel im Wege einer
                                                                Einstellung gegen Auflage nach § 153 a StPO), kann den-
Eine Strafbarkeit wegen Subventionsbetrugs, Betrugs oder        noch gemäß §§ 73, 73 c, 76 a StGB der erlangte wirtschaftli-
Steuerhinterziehung ist taugliche Anknüpfungstat im Sinne       che Vorteil in einem selbständigen Verfahren eingezogen
des § 30 OWiG. Beantragen Leitungspersonen die Corona-          werden. Dazu muss das Unternehmen aufgrund der rechts-
Hilfen zu Unrecht, dulden sie die zweckwidrige Verwendung       widrigen Tat als ein anderer im Sinne des § 73 b Abs. 1 S. 1
im Unternehmen oder teilen den zuständigen Stellen subven-      Nr. 1 StGB bereichert worden sein. Der handelnde Täter
tionserhebliche Tatsachen nicht mit, kann dieses Verhalten      muss die Bereicherung zudem im Interesse des Unternehmens
die Grundlage für eine Unternehmensgeldbuße sein. Ist die       gewollt haben.39
zugrunde liegende Straftat oder Ordnungswidrigkeit von ei-
nem Mitarbeiter des Unternehmens begangen worden, der           Alternativ zur Einziehung gemäß §§ 73 ff. StGB kann die
keine Leitungsperson im Sinne der § 30 Abs. 1 Nr. 1 bis 5       Einziehung im Fall von Ordnungswidrigkeiten nach § 29 a
OWiG ist, kommt als Anknüpfungstat eine Ordnungswid-            OWiG erfolgen.
rigkeit wegen vorsätzlicher oder fahrlässiger Aufsichts-
pflichtverletzung nach § 130 OWiG in Betracht.35                33 Wicke/Wicke AO-StB 2020, 57 (60).
                                                                34 Berndt in Berndt/Theile UnternehmensStrafR Teil 5 Rn. 467.
Die Aufsichtspflichtverletzung nach § 130 Abs. 1 S. 1           35 Berndt in Berndt/Theile UnternehmensStrafR Teil 5 Rn. 467.
OWiG spielt in der Praxis eine erhebliche Rolle. Danach         36 OLG Düsseldorf LSK 1983, 050130; WuW 2007 = BeckRS 2007, 379;
handelt ordnungswidrig, wer als Inhaber eines Betriebs oder        Niesler in Graf/Jäger/Wittig OWiG § 130 Rn. 70.
Unternehmens (vorsätzlich oder fahrlässig) Aufsichtsmaß-        37 Joecks/Meißner in MüKoStGB § 73 Rn. 1.
                                                                38 Altenhain/Fleckenstein in Matt/Renzikowski StGB § 73 Rn. 4.
nahmen unterlässt, die erforderlich sind, um in dem Betrieb     39 Heger in Lackner/Kühl StGB § 73 b Rn. 2; Achenbach in Achenbach/
oder Unternehmen Zuwiderhandlungen gegen Pflichten zu              Ransiek/RönnauWirtschaftsStrafR-HdB 1. Teil 2. Kapitel Rn. 32.
Schöneborn, Mitgliederversammlung                                                                     COVuR 4/2021     205
                                                         Beiträge

V. Weitere Sanktionsrisiken                                     GewO in das Gewerbezentralregister eingetragen. Auch das
                                                                hat jedenfalls für Unternehmen, die regelmäßig an (öffent-
Neben den straf- und ordnungswidrigkeitenrechtlichen
                                                                lichen) Ausschreibungen teilnehmen, erhebliche Nachteile
Sanktionen können Unternehmen infolge ungerechtfertigt er-
                                                                und stellt einen Wettbewerbsnachteil dar.
langter Corona-Hilfen auch weitere signifikante Folgen tref-
fen.
                                                                Zudem besteht gemäß § 321 Nr. 3 SGB III eine Schadens-
So sind nach § 2 Abs. 1 Nr. 3 WRegG rechtskräftige Buß-         ersatzpflicht gegenüber der Bundesagentur für Arbeit, wenn
geldentscheidungen in das Wettbewerbsregister einzutragen,      das Unternehmen seine Berechnungs-, Auszahlungs-, Auf-
die nach § 30 OWiG (gegebenenfalls in Verbindung mit            zeichnungs- und Mitteilungspflichten u. a. bei Kurzarbeiter-
§ 130 OWiG) wegen in § 2 Abs. 1 WRegG benannten Straf-          geld nicht erfüllt hat. Neben der Hauptforderung in Höhe
taten – zum Beispiel Betrug, Subventionsbetrug, Vorenthal-      des unrechtmäßig ausgezahlten Betrags drohen dem Unter-
tung und Veruntreuung von Arbeitsentgelt oder Steuerhin-        nehmen also auch Zinsforderungen.
terziehung – ergangen sind. Die Eintragung erfolgt gemäß
§ 2 Abs. 2 S. 2 WRegG, wenn die natürliche Person, gegen        Schließlich sind die erheblichen Reputationsrisiken zu nen-
die sich das Urteil oder die Bußgeldentscheidung gerichtet      nen, die mit der Einleitung staatsanwaltschaftlicher Ermitt-
hat, als für die Leitung des Unternehmens Verantwortliche       lungen gegen Mitarbeiter, Leitungspersonen und das Unter-
gehandelt hat. Der Gesetzgeber hat ausdrücklich klargestellt,   nehmen selbst einhergehen. Nicht selten werden derartige
dass dazu auch die Überwachung der Geschäftsführung oder        Ermittlungsverfahren bekannt und sind Gegenstand öffent-
die sonstige Ausübung von Kontrollbefugnissen in leitender      lichkeitswirksamer Medienberichterstattung.
Stellung gehört.
Öffentliche Auftraggeber sind ab einem Nettoauftragsvolu-       V. Fazit
men in Höhe von 30.000 EUR gemäß § 6 Abs. 1 WRegG
                                                                Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die strafrechtlichen
verpflichtet, eine Registerabfrage vorzunehmen. Ein zwin-
                                                                und sonstigen Sanktionsrisiken für Unternehmensverant-
gender Ausschluss vom Vergabeverfahren zulasten des gelis-
                                                                wortliche und Unternehmen erheblich sind. Insbesondere
teten Unternehmens erfolgt zwar nicht, aber der öffentliche
                                                                vor dem Hintergrund der dargestellten Konsequenzen für
Auftraggeber entscheidet gemäß § 6 Abs. 5 WRegG „nach
                                                                Unternehmen kann jedenfalls bezweifelt werden, ob es tat-
Maßgabe der vergaberechtlichen Vorschriften in eigener
                                                                sächlich eines sogenannten Unternehmensstrafrechts bedarf,
Verantwortung über den Ausschluss eines Unternehmens
                                                                das aller Voraussicht nach unter dem „Deckmantel“ des
von der Teilnahme an dem Vergabeverfahren“. Im Wett-
                                                                „Gesetzes zur Stärkung der Integrität in der Wirtschaft“
bewerbsregister gelistete Unternehmen haben folglich gerin-
                                                                bzw. dem Verbandssanktionengesetzes noch in dieser Legis-
gere Chancen, den Zuschlag zu erhalten als nicht gelistete
                                                                laturperiode verabschiedet werden soll, oder die derzeitigen
Unternehmen.
                                                                Regelungen im Ordnungswidrigkeitengesetz (vgl. §§ 29 a,
Darüber hinaus werden Geldbußen im Sinne des § 30 OWiG          30, 17 Abs. 4 OWiG) und im Strafgesetzbuch (vgl. §§ 73 ff.
ab einer Höhe von 200 EUR gemäß § 149 Abs. 2 Nr. 3              StGB) nicht ausreichen.                                   &
Sie können auch lesen