Von der Krise in die Strafbarkeit? - Dr. Emanuel H. F. Ballo / Theresa Sauerwein* - NET
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Dr. Emanuel H. F. Ballo / Theresa Sauerwein* Von der Krise in die Strafbarkeit? Zu den Strafbarkeitsrisiken für Unternehmensverantwortliche und Unternehmen im Zusammen- hang mit Corona-Hilfsmaßnahmen Zu Unrecht beanspruchte Corona-Hilfen können zu straf- Zuschuss zu den Betriebskosten für einen Zeitraum von drei rechtlichen Konsequenzen für die handelnden Unterneh- Monaten beantragen. Die Antragsteller konnten diese So- mensvertreter sowie zu empfindlichen Sanktionen für Unter- fort-Hilfen „selbst“ beantragen. Die Mandatierung eines nehmen führen. Diese werden nachstehend behandelt. Steuerberaters, Wirtschaftsprüfers oder Rechtsanwalts war für die Antragstellung nicht erforderlich. I. Einleitung Den Unternehmen wurde zudem die Erstattung der Sozial- Seit Beginn der Corona-Pandemie können betroffene Unter- versicherungsbeiträge zugesagt. Gleichzeitig hat das Bundes- nehmen zahlreiche von Bund und Ländern geschaffene Hilfs- wirtschaftsministerium einen Wirtschaftsstabilisierungs- angebote beantragen. Die Anträge erfolgen in einer Zeit, in fonds („WSF“) aufgesetzt, der Unternehmen durch Kapital- der sich die antragsstellenden Unternehmen infolge der Aus- maßnahmen, Bürgschaften sowie durch KfW-Programme wirkungen der Pandemie in einer wirtschaftlich schwierigen, unterstützt. häufig existenzbedrohenden Lage befinden. Vor diesem Hin- tergrund kommt es häufig zu Anträgen, die unvollständige 2. Die „Corona-Überbrückungshilfen I-III“ oder unrichtige Angaben enthalten – mitunter in der Absicht, (September 2020 bis Juni 2021)2 Arbeitsplätze und das Unternehmen zu retten. Ziel der Überbrückungshilfen ist es insbesondere, Unterneh- men zu unterstützen, die ihren Geschäftsbetrieb im Zuge der Das führt zu strafrechtlichen Risiken für die verantwortlich Corona-Krise ganz oder zu wesentlichen Teilen einstellen handelnden Unternehmensvertreter sowie – das wird häufig mussten. übersehen – zu erheblichen Sanktionsrisiken für die Unter- nehmen. Bereits über 20.000 Verdachtsfälle wegen unrecht- Die „Corona-Überbrückungshilfe I für kleine und mittelstän- mäßig in Anspruch genommener Corona-Hilfen oder ande- dische Unternehmen“ umfasst die Fördermonate Juni bis rer Straftaten hat es nach Aussage des Bundesgeschäftsfüh- August 2020 und konnte bei einem Umsatzrückgang von rers des Deutschen Richterbunds, Sven Rebehn, Ende 2020 mindestens 60 Prozent gegenüber dem entsprechenden Vor- gegeben.1 Die Zahl der Verdachtsfälle dürfte weiter steigen. jahresmonat bis zum 9.10.2020 beantragt werden. Entschei- dend ist, dass sich das antragstellende Unternehmen nicht Im Folgenden werden zunächst die wichtigsten Hilfsmaß- bereits zum 31.12.2019 in wirtschaftlichen Schwierigkeiten nahmen zur Milderung der wirtschaftlichen Folgen der Co- befunden hatte. rona-Pandemie dargestellt. Anschließend werden die wesent- lichen strafrechtlichen Risiken für Unternehmensverantwort- Die „Corona-Überbrückungshilfe II für kleine und mittel- liche und Unternehmen durch die Beantragung und In- ständische Unternehmen“ umfasst die Fördermonate Sep- anspruchnahme von Corona-Hilfsmaßnahmen behandelt. tember bis Dezember 2020. Die Unternehmen konnten bei Abschließend werden die sonstigen Sanktionsrisiken für die einem Umsatzrückgang von durchschnittlich mindestens 30 betroffenen Unternehmen skizziert. Prozent in den Monaten April bis August 2020 oder einem Umsatzrückgang von mindestens 50 Prozent in zwei zusam- II. Staatliche Hilfsmaßnahmen * Dr. Emanuel H. F. Ballo ist Rechtsanwalt und Partner der Kanzlei DLA Nachfolgend soll zunächst ein kurzer Überblick über die Piper UK LLP in Frankfurt a. M. im Bereich Wirtschaftsstrafrecht, wichtigsten Corona-Hilfen für Unternehmen gegeben wer- Internal Investigations und Compliance sowie Lehrbeauftragter an der den. EBS Universität für Wirtschaft und Recht; Theresa Sauerwein ist Rechtsanwältin in der Kanzlei DLA Piper UK LLP in Frankfurt a. M. 1. Erste Hilfsmaßnahmen im Frühjahr 2020 im Bereich Wirtschaftsstrafrecht, Internal Investigations und Complian- ce. Im Rahmen des sogenannten Corona-Schutzschilds für 1 Https://rsw.beck.de/aktuell/daily/meldung/detail/richterbund-rund-20000- strafverfahren-mit-corona-bezug. Deutschland konnten im Frühjahr 2020 Soloselbstständige 2 Https://www.ueberbrueckungshilfe-unternehmen.de/UBH/Redaktion/ und Kleinstunternehmen mit bis zu zehn Beschäftigten einen DE/Artikel/uebersicht-ubh.html?nn=2183686.
Ballo/Sauerwein, Strafbarkeitsrisiken COVuR 4/2021 201 Beiträge menhängenden Monaten im Vergleich zum Vorjahreszeit- vom Arbeitsausfall betroffen sind und der Arbeitsausfall raum ihre Anträge bis zum 31.3.2021 stellen. „durch Corona oder auch andere konjunkturelle Ursachen“ begründet ist.6 Zudem unterstützt der Bund mit den „Corona-November- und Dezemberhilfen“ unter anderem Unternehmen, deren In diesem Rahmen werden die Sozialversicherungsbeiträge Betrieb aufgrund des sogenannten „Lockdowns“ von Schlie- bis zum 30.6.2021 vollständig erstattet, anschließend – ßungen betroffen war. Die Betroffenen können die einmali- längstens bis zum 31.12.2021 – bis zur Hälfte, sofern die gen Zuschüsse in Höhe von bis zu 75 Prozent des Umsatzes Betriebe bis zum 30.6.2021 mit der Kurzarbeit beginnen. des Vorjahresmonats bis zum 30.4.2021 stellen. Unternehmen, die vollständig Kurzarbeit einführen, sind von der Verpflichtung zum Einbehalt und zur Abführung des Mit der „Corona-Überbrückungshilfe III für kleine und mit- Arbeitgeberanteils der Sozialversicherungsbeträge befreit. telständische Unternehmen“ wurde das Hilfsprogramm bis Ende Juni 2021 verlängert, im Umfang erweitert und das III. Strafrechtliche Risiken für Verfahren vereinfacht. Der relevante Förderungszeitraum er- Unternehmensverantwortliche durch die streckt sich vom 1.1.2021 bis zum 30.6.2021. Antrags- Beantragung und Inanspruchnahme von Corona- berechtigt sind Unternehmen mit einem Jahresumsatz von Hilfsmaßnahmen bis zu 750 Millionen EUR, die einen Umsatzeinbruch von mindestens 30 Prozent erlitten haben. Darüber hinaus beste- Sämtliche vorstehend dargestellten Hilfsmaßnahmen müssen hen branchenspezifische Regelungen (zB neue Abschrei- von den betroffenen Unternehmen – gegebenenfalls mit Hilfe bungsbedingungen für Saisonware oder die besondere Be- Dritter – beantragt werden. Häufig hängt die wirtschaftliche rücksichtigung von Stornierungen in der Reisebranche) und Existenz des Unternehmens vollständig von der Gewährung es werden Investitionen in die Digitalisierung gefördert.3 dieser Hilfsmaßnahmen ab. Durch die Beantragung und In- anspruchnahme kann es auch zu strafrechtlich relevanten Im Gegensatz zu den Hilfsmaßnahmen für Kleinstunterneh- Handlungen kommen, auf die im Folgenden näher eingegan- men und Soloselbstständige (vgl. vorstehend unter II. 1.) gen werden soll. Nicht Gegenstand dieser Betrachtung sind erfolgt die Antragstellung durch sogenannte „prüfende Drit- die strafrechtlichen Risiken im Zusammenhang mit der zwi- te“. Das sind Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer; seit der schenzeitlichen Lockerung der Insolvenzantragspflicht im Überbrückungshilfe II auch vereidigte Buchprüfer und Sinne des § 15 a Abs. 4 InsO.7 Rechtsanwälte. Damit die betroffenen Unternehmen schnel- ler finanzielle Unterstützung erhalten, finden vor der endgül- 1. Subventionsbetrug gemäß § 264 StGB tigen Auszahlung der beantragten Hilfen bereits Abschlags- Im Zusammenhang mit der Beantragung und Inanspruch- zahlungen statt. nahme der Hilfsmaßnahmen kommt für die handelnden Per- Nach Ende der Programmlaufzeit hat eine Schluss-Abrech- sonen ein Risiko wegen Subventionsbetrugs nach § 264 nung zu erfolgen. Im Rahmen dieser Abrechnung werden bei StGB in Betracht. Abweichung der tatsächlich durch die Unternehmen erzielten a) Subventionsbegriff im Sinne des § 264 Abs. 8 Umsätze überhöht gewährte Zuschüsse zurückgezahlt oder StGB zu geringe Hilfen aufgestockt. Unterbleibt die Schlussabrech- nung, ist die Corona-Überbrückungshilfe in gesamter Höhe Die unter II. 1.-4. dargestellten staatlichen Hilfsangebote zurückzuzahlen. können Subventionen im Sinne des § 264 Abs. 8 Nr. 1 StGB darstellen. Subventionen sind danach Leistungen aus öffent- 3. Kredite der KfW4 lichen Mitteln nach Bundes- oder Landesrecht an Betriebe oder Unternehmen, die wenigstens zum Teil ohne markt- Im Rahmen der sogenannten KfW-Corona-Hilfe (Kredite für mäßige Gegenleistung gewährt werden und (kumulativ) der Unternehmen) übernimmt die KfW das wirtschaftliche Aus- Förderung der Wirtschaft dienen. Als Subventionen gelten fallrisiko. Die Antragstellung durch die Unternehmen erfolgt nach herrschender Ansicht sowohl Zuschüsse ohne Gegen- unmittelbar über die jeweiligen Hausbanken. Unternehmen leistung als auch Darlehen zu günstigeren als marktüblichen (sowie Selbstständige und Freiberufler), die „durch die Coro- Zinsen und Konditionen oder Bürgschaften und Garantien.8 na-Krise in finanzielle Schieflagen geraten [sind]“, können bis zum 30.6.2021 einen „KfW-Schnellkredit 2020“ mit Es ist nicht erforderlich, dass die staatlichen Hilfsangebote einem Volumen von bis zu 800.000 EUR für Anschaffungen durch formelles Gesetz geregelt werden. Vielmehr genügt es, (Investitionen) sowie laufende Kosten (Betriebsmittel) be- wenn ein entsprechendes Vorgehen in den durch Haushalts- antragen. Unternehmen, die bereits seit mindestens fünf Jah- gesetze festgesetzten Haushaltsplänen vorgesehen ist.9 ren am Markt aktiv sind, steht darüber hinaus der KfW- Sowohl die Überbrückungshilfen als auch die November- Unternehmerkredit – auch für größere Kreditbeträge – offen. und Dezember-Hilfen werden aus öffentlichen Mitteln und Der Bund sichert den Schnellkredit durch eine Garantie zu nach Bundesrecht an Unternehmen gewährt, die keine Ge- 100 Prozent und den Unternehmerkredit zu 90 Prozent ab, genleistung erbringen müssen. Ausdrückliche Ziele dieser so dass sich die Chance der Unternehmen erhöht, eine Kre- ditzusage zu erhalten. Voraussetzung ist, dass das Unterneh- men zum 31. Dezember 2019 noch nicht in wirtschaftlichen 3 Https://www.bundesfinanzministerium.de/Content/DE/Standardartikel/ Schwierigkeiten gewesen ist. Themen/Schlaglichter/Corona-Schutzschild/2021-01-19-ueberbrueckun gshilfe-verbessert.html. 4 Https://www.kfw.de/inlandsfoerderung/Unternehmen/KfW-Corona-Hilfe. 4. Kurzarbeitergeld 5 BGBl. 2020 I S. 2691. 6 Https://www.arbeitsagentur.de/unternehmen/corona-virus-informatio- Darüber hinaus können alle Unternehmen – unabhängig von nen-fuer-unternehmen-zum-kurzarbeitergeld#1478910781381. ihrer Größe – Kurzarbeitergeld beantragen. Die Corona- 7 Vgl. dazu u. a. Tresselt/Kienast COVuR 2020, 21; Ganter NZI 2020, Sonderregelungen beim Kurzarbeitergeld wurden durch das 1017. Beschäftigungssicherungsgesetz5 aktuell bis zum 31.12.2021 8 Fischer StGB § 264, Rn. 9. 9 Perron in Schönke/Schröder StGB § 264 Rn. 8 mwN; Tsambikakis/ verlängert. Unternehmen können danach Kurzarbeit be- Gierok in Esser/Tsambikakis PandemieStrafR § 9 Rn. 36 mit Verweis antragen, wenn mehr als zehn Prozent ihrer Beschäftigten auf das Nachtragshaushaltsgesetz BGBl. I 2020 S. 556.
202 COVuR 4/2021 Ballo/Sauerwein, Strafbarkeitsrisiken Beiträge Corona-Hilfen sind die Förderung der Wirtschaft und die aa) Antragstellung gemäß § 264 Abs. 1 Nr. 1 StGB Vermeidung oder Verringerung einer durch die Folgen der Die Handlungsvariante des § 264 Abs. 1 Nr. 1 StGB ver- Corona-Pandemie bedingten Wirtschaftskrise.10 wirklicht, wer für sich oder für andere unrichtige oder un- vollständige Angaben über subventionserhebliche Tatsachen Ob die KfW-Schnellkredite oder die KfW-Unternehmerkre- macht. dite eine Subvention im Sinne des § 264 Abs. 8 Nr. 1 StGB darstellen, ist vom Einzelfall abhängig. Die ausgezahlte Kre- Gemäß § 2 SubvG können die auszahlenden Behörden fest- ditsumme stellt zwar eine Leistung an ein Unternehmen nach legen, welche Angaben subventionserheblich sind. Subventi- Bundesrecht dar11 und soll als Liquiditätshilfe zugunsten der onserheblich für die November- und Dezember-Hilfen ist Unternehmen die Wirtschaft fördern. Des Weiteren werden beispielsweise, ob das antragstellende Unternehmen direkt die jeweils von der Hausbank als Subventionsmittler aus- oder indirekt von den coronabedingten Schließungsmaßnah- gezahlten Kredite aus öffentlichen Mitteln der KfW refinan- men betroffen war. Im Rahmen der Überbrückungshilfe III ziert.12 Maßgeblich dafür, ob ein KfW-Schnellkredit oder wird unterschieden, ob es sich um ein von den Schließungen KfW-Unternehmerkredit zumindest teilweise ohne markt- betroffenes Unternehmen handelt oder um ein sonstiges Un- gerechte Gegenleistung und damit als Subvention im Sinne ternehmen mit einem Umsatzrückgang von mindestens 30 des § 264 Abs. 8 Nr. 1 StGB ausgezahlt wird, ist jedoch, ob Prozent im Vergleich zum entsprechenden Vergleichsmonat. ein vergünstigter Zinssatz gewährt wird. Bei den KfW- Schnellkrediten beträgt der Zinssatz unabhängig von der Nach Auffassung einer mit diesen Fällen befassten Staats- Bonität des Unternehmens 3,00 Prozent pa13, bei den KfW- anwaltschaft könnten unvollständige Angaben beispielswei- Unternehmerkrediten zwischen 1,00 und 2,12 Prozent pa14. se vorliegen, wenn ein Unternehmen nicht angibt, dass eine Vor diesem Hintergrund ist es jedenfalls möglich, dass – andere Unternehmenssparte die erlittenen Einbußen aus- insbesondere durch die Corona-Krise „angeschlagene“ – Un- gleicht oder die Einbußen nicht auf die Corona-Krise zurück- ternehmen günstigere Kreditkonditionen erhalten als sie un- zuführen sind.23 Letzteres kann der Fall sein, wenn die Un- ter Berücksichtigung ihrer individuellen Bonität auf dem ternehmenseinbußen vor der Corona-Krise eingetreten sind freien Markt erhalten hätten.15 oder sich bereits abgezeichnet haben. In diesem Zusammen- hang ist im Einzelfall fraglich, ob ein sich schon vor der Derzeit ist höchstrichterlich nicht geklärt, ob an Unterneh- Corona-Krise abzeichnender Auftragsrückgang zur Unvoll- men ausgezahltes, aber an die Mitarbeiter weitergeleitetes ständigkeit der gemachten Angaben führt, wenn er sich erst Kurzarbeitergeld eine Subvention im Sinne des § 264 Abs. 8 im Umsatz der „Corona-Monate“ niederschlägt. StGB darstellt.16 Im Schrifttum ist diese Frage – spätestens bb) Zweckwidrige Verwendung gemäß § 264 seit der Finanzkrise – umstritten.17 Gegen die Einordnung Abs. 1 Nr. 2 StGB des Kurzarbeitergeldes als Subvention spricht vor allem, dass das Kurzarbeitergeld letztlich den Beschäftigten und nicht Werden die ausgezahlten Corona-Hilfen nicht gemäß des dem Arbeitgeber zugutekommt.18 Das hängt auch mit dem Förderungszwecks genutzt, um etwa einen aufgrund der Co- Zweck des Kurzarbeitergeldes zusammen: Das Kurzarbeiter- rona-Pandemie erlittenen Liquiditätsengpass des Unterneh- geld verfolgt unmittelbar soziale Zwecke, dh es dient in mens zu überbrücken, kann eine zweckwidrige Verwendung erster Linie den Interessen des Arbeitnehmers (vgl. §§ 169 ff. im Sinne der Handlungsvariante des § 264 Abs. 1 Nr. 2 SGB III), so dass dies lediglich für eine „Subventionsvermitt- StGB vorliegen. Insbesondere kommt ein Anfangsverdacht lereigenschaft“ des Unternehmens spricht. Mittelbar verfolgt wegen Subventionsbetrugs gemäß § 264 Abs. 1 Nr. 2 StGB das Kurzarbeitergeld hingegen auch den Zweck, das Unter- im Betracht, wenn die ausgezahlten Hilfen nicht zur De- nehmen und die Arbeitsplätze zu erhalten und somit die ckung laufender Fixkosten wie Gewerbemieten oder Pacht- Wirtschaft zu fördern.19 Da Letzteres nicht nur unbeabsich- tigte Nebenfolge des Kurzarbeitergelds ist, sondern auch 10 BT-Drs. 19/18100, S. 5. durch den Gesetzgeber gewollt sein dürfte,20 besteht das 11 Tsambikakis/Gierok in Esser/Tsambikakis PandemieStrafR § 9 Rn. 58 Risiko, dass Gerichte das an Unternehmen ausgezahlte Kurz- mit Verweis auf das Nachtragshaushaltsgesetz (BGBl. 2020 I S. 556; BT-Drs. 18/18100). arbeitergeld als Subvention im Sinne des § 264 Abs. 8 StGB 12 Hellmann in NK-StGB § 264 Rn. 15. ansehen könnten.21 13 Https://www.kfw.de/inlandsfoerderung/Unternehmen/Erweitern-Festi- gen/F%C3 %B6rderprodukte/KfW-Schnellkredit-(078)/. 14 Https://www.kfw.de/inlandsfoerderung/Unternehmen/Unternehmen-er- b) Strafbewehrte Tathandlungen weitern-festigen/Finanzierungsangebote/KfW-Unternehmerkredit-Fremd Taugliche Täter im Sinne des § 264 StGB sind zunächst die kapital-(037-047)./. 15 Vgl. dazu auch Tsambikakis/Gierok in Esser/Tsambikakis Pandemie- prüfenden Dritten, die für die betroffenen Unternehmen die StrafR § 9 Rn. 59 f. Hilfsanträge stellen. 16 Vgl. Tsambikakis/Gierok in Esser/Tsambikakis PandemieStrafR § 9 Rn. 17 f. Für die Unternehmensverantwortlichen kommt eine Straf- 17 Dagegen u. a. Gaede/Laydecker NJW 2009, 3542 (3545 f.); Hellmann in NK-StGB § 264 Rn. 47; Perron in Schönke/Schröder StGB § 264 barkeit wegen Anstiftung oder Beihilfe nach §§ 26, 27 StGB Rn. 25; aA Ceffinato in MüKoStGB § 264 Rn. 57. in Betracht. Sofern die Unternehmensverantwortlichen die 18 Vgl. Rau in Schmidt Covid-19 § 19 Rn. 68; Burgert StraFO 2020, 181 prüfenden Dritten im Rahmen einer Wissensherrschaft über (187). die wirtschaftlichen Verhältnisse ihres Unternehmens zu un- 19 Vgl. auch Tiedemann in LK-StGB § 264 Rn. 57; BGH NStZ 2015, 93 (95). richtigen oder unvollständigen Angaben über subventions- 20 BGH NStZ 2015, 93 (95); Tiedemann in LK-StGB § 264 Rn. 57; vgl. erhebliche Tatsachen veranlassen, ist eine mittelbare Täter- auch mwN Gaede/Leydecker NJW 2009, 3542 (3545 f). schaft im Sinne des § 25 Abs. 1 Var. 2 StGB möglich.22 Im 21 So hat der BGH zB Fördermittel für den sozialen Wohnungsbau als Subvention qualifiziert, weil hiermit auch wirtschaftliche Zwecke ver- Fall kollusiven Zusammenwirkens ist auch eine Mittäter- folgt werden, BGHSt 59, 244. schaft gemäß § 25 Abs. 2 StGB denkbar. 22 Ceffinato in MüKoStGB § 264 Rn. 49; Straßer in Graf/Jäger/Wittig StGB § 264 Rn. 59; Heger in Lackner/Kühl StGB § 264 Rn. 19; Hell- Im Rahmen des § 264 Abs. 1 StGB kommen insbesondere mann in NK-StGB § 264 Rn. 69; Perron in Schönke/Schröder StGB § 264 Rn. 65. die folgenden strafrechtlich relevanten Tathandlungen in Be- 23 Vgl. Burgert StraFO 2020, 181 (186); Rau in Schmidt Covid-19 § 19 tracht. Rn. 70.
Ballo/Sauerwein, Strafbarkeitsrisiken COVuR 4/2021 203 Beiträge zahlungen, Nebenkosten, Leasingzahlungen, Lizenzgebüh- Abs. 2 Nr. 1 StGB begründen kann. Denn zahlreiche mittel- ren, Bedienung von Krediten für Betriebsmittel etc. verwen- ständische und größere Unternehmen sind aufgrund ihrer det werden. Umsätze in den Vergleichsmonaten berechtigt, Hilfszahlun- gen in erheblichem Umfang zu beantragen, die über einen cc) In Unkenntnis lassen gemäß § 264 Abs. 1 Nr. 3 Betrag in Höhe von 50.000 EUR hinausgehen. StGB Ein strafrechtlich relevantes Unterlassen im Sinne des § 264 Überdies ist es für die Annahme eines besonders schweren Abs. 1 Nr. 3 StGB liegt vor, wenn die verantwortlich han- Falles erforderlich, dass der Täter aus „grobem Eigennutz“ delnden Personen die für die Subventionsvergabe verant- handelt. Der Täter muss dabei über das übliche kaufmän- wortliche Stelle in Unkenntnis über für den Subventionsneh- nische Gewinnstreben hinausgehen.29 Es liegt nahe, dass eine mer nachteilhafte und subventionserhebliche Tatsachen mit dem Sachverhalt befasste Staatsanwaltschaft es als grob lässt.24 Des Weiteren können die Strafverfolgungsbehörden eigennütziges Verhalten ansehen wird, wenn ein Unterneh- auch einen Anfangsverdacht wegen Subventionsbetrugs men in Pandemie- und Krisenzeiten ungerechtfertigt staatli- durch Unterlassen annehmen, wenn nach erfolgter Auszah- che Hilfen beantragt und das Hilfsprogramm für den eigenen lung die für die Gewährung der Subvention erheblichen Um- Vorteil ausnutzt.30 stände nicht eingetreten sind und dies nicht gegenüber der 2. Betrug gemäß § 263 StGB und Kreditbetrug nach zuständigen Behöre mitgeteilt wurde.25 § 265 b StGB In Bezug auf die unter II. 1. dargestellten Hilfsangebote Insbesondere wenn der Straftatbestand des Subventions- könnte das zum Beispiel der Fall sein, wenn (entgegen der betrugs nach § 264 StGB nicht einschlägig ist, besteht im durch den Antrag zum Ausdruck gebrachten Prognose) keine Zusammenhang mit der Beantragung von Corona-Hilfen für Existenzgefährdung eingetreten ist. In Bezug auf die Über- Unternehmensverantwortliche subsidiär das strafrechtliche brückungshilfen II und III sowie die November- und Dezem- Risiko des Betrugs gemäß § 263 StGB. Wenn die In- ber-Hilfen käme ein strafrechtlich relevantes Verhalten in anspruchnahme von KfW-Schnellkrediten oder KfW-Unter- Betracht, wenn – wider Erwarten – kein Umsatzeinbruch nehmerkrediten aufgrund der (guten) Bonität des Darlehen eingetreten ist oder das Unternehmen nicht von den getroffe- nehmenden Unternehmens zu marktgerechten Zinsen er- nen Schließungsmaßnahmen (unmittelbar oder mittelbar) folgt, besteht im Fall unrichtiger Angaben im Antrag das betroffen war und diese Umstände nicht gegenüber der zu- Risiko einer Strafverfolgung wegen Betrugs gemäß § 263 ständigen Stelle offengelegt werden. StGB sowie wegen Kreditbetrugs gemäß § 265 b StGB (gege- dd) Versuchsstrafbarkeit und tätige Reue benenfalls in Idealkonkurrenz/Tateinheit).31 Wer für Unter- nehmen als Kreditnehmer schriftlich unrichtige oder unvoll- Nach §§ 264 Abs. 4, 23 Abs. 1 Var. 2 StGB ist auch der ständige Angaben macht, die für das Unternehmen vorteil- Versuch der zweckwidrigen Verwendung im Sinne des § 264 haft und für die Entscheidung über den Kreditantrag erheb- Abs. 1 Nr. 2 StGB strafbar. Bei den übrigen Handlungsvari- lich sind, kann sich (auch) gemäß § 265 b Abs. 1 Nr. 1 b) anten ist der Anknüpfungspunkt für die Strafbarkeit bereits StGB strafbar machen. durch die Ausgestaltung als Gefährdungsdelikt vorver- lagert.26 Auch wenn man annähme, dass mit der unrechtmäßigen Inanspruchnahme von Kurzarbeitergeld befasste Gerichte zu Gemäß § 264 Abs. 6 StGB wird nicht bestraft, wer nach der Entscheidung kommen, dass das Kurzarbeitergeld keine vorsätzlicher oder leichtfertiger Tat freiwillig verhindert, Subvention im Sinne des § 264 Abs. 8 StGB darstellt, ver- dass die Subvention gewährt wird. In der Praxis kann die bleibt das Risiko einer Betrugsstrafbarkeit der handelnden Verhinderung erfolgen, indem unrichtige Angaben berich- Personen. tigt, eine Mitteilung nach § 264 Abs. 1 Nr. 3 StGB nach- geholt oder der Antrag vollständig zurückgenommen wird. 3. Steuerhinterziehung gemäß § 370 AO und Tätige Reue im Sinne des § 264 Abs. 6 StGB scheidet hin- Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt gegen aus, sobald der erste „Gewährungsakt“ abgeschlossen gemäß § 266 a StGB ist.27 Im Rahmen der Corona-Hilfen ist fraglich, ob bereits Ein strafrechtliches Risiko nach § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO die Abschlagszahlungen auf die November- bzw. Dezember- sowie § 266 a StGB besteht, wenn Unternehmen Kurzarbei- Hilfe den ersten Gewährungsakt darstellen. Die besseren tergeld in Form der Lohnaufstockung beantragen und bezie- Argumente sprechen jedoch dafür, das zu verneinen. Denn hen, die Arbeitnehmer ohne hinreichende Dokumentation der Begriff der Abschlagszahlungen legt bereits im Rahmen aber weiterhin in größerem Umfang tätig sind.32 Denn stockt der wörtlichen Auslegung nahe, dass die Leistung lediglich das Unternehmen den infolge der Kurzarbeit gekürzten Lohn vorläufig und provisorisch gewährt wird. auf, muss es dennoch seiner Pflicht zur Abführung von c) Schwerer Fall des Subventionsbetrugs im Sinne Lohnsteuer gemäß § 3 Nr. 28 a EStG und der zusätzlich des § 264 Abs. 2 Nr. 1 StGB anfallenden Sozialversicherungsbeiträge gemäß § 1 Abs. 1 Ein schwerer Fall des Subventionsbetrugs im Sinne des § 264 Nr. 8 SvEV nachkommen. Bei dem ausgezahlten, aber nicht Abs. 2 Nr. 1 StGB liegt vor, wenn die handelnde Person aus gegenüber der Finanzbehörde mitgeteilten Arbeitsentgelt grobem Eigennutz oder unter Verwendung nachgemachter handelt es sich um steuererhebliche Tatsachen im Sinne des oder verfälschter Belege für sich oder einen anderen eine nicht gerechtfertigte Subvention großen Ausmaßes erlangt. 24 Ceffinato in MüKoStGB, § 264 Rn. 99. Als großes Ausmaß gelten in der Regel Förderbeträge ab ca. 25 Fischer StGB § 264 Rn. 28. 26 Fischer StGB § 264 Rn. 38; Staßer in Graf/Jäger/Wittig StGB § 264 50.000 EUR.28 Im Gegensatz zu Sofort-Hilfen mit geringen Rn. 142. Volumina, wird sowohl bei den November- und Dezember- 27 Fischer StGB § 264 Rn. 41. Hilfen als auch bei den Überbrückungshilfen II und III ein 28 Perron in Schönke/Schröder StGB § 264 Rn. 8. großes Ausmaß nach § 264 Abs. 2 Nr. 1 StGB künftig häu- 29 Fischer StGB § 264 Rn. 46; Hellmann in NK-StGB § 264 Rn. 136. 30 Vgl. auch Rau in Schmidt Covid-19 § 19 Rn. 73. fig zu bejahen sein, so dass die unberechtigte Inanspruch- 31 Tsambikakis/Gierok in Esser/Tsambikakis PandemieStrafR § 9 Rn. 60. nahme der Hilfen einen schweren Fall im Sinne des § 264 32 Giese/Schomburg NStZ 2020, 327 (330).
204 COVuR 4/2021 Ballo/Sauerwein, Strafbarkeitsrisiken Beiträge § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO.33 Die „Schwarzaufstockung“ des verhindern, die den Inhaber treffen und deren Verletzung Kurzarbeitergelds kann darüber hinaus auch eine strafrecht- mit Strafe oder Geldbuße bedroht ist und eine solche Zu- lich relevante Beitragshinterziehung gemäß § 266 a StGB widerhandlung durch entsprechende Maßnahmen hätte ver- darstellen. hindert oder wesentlich erschwert werden können. Die Un- ternehmensleitung kann diese Aufsichtspflicht gemäß § 130 Sowohl in Hinblick auf eine mögliche Steuerhinterziehung Abs. 1 S. 2 OWiG auch auf sorgfältig ausgewählte und über- als auch auf eine mögliche Beitragshinterziehung können wachte Aufsichtspersonen delegieren. Unternehmensverantwortliche nach Beendigung der Tat strafrechtliche Risiken reduzieren und gegebenenfalls voll- Fahrlässig im Sinne des § 130 Abs. 1 S. 1 OWiG handelt, ständig abwenden: Denn eine Selbstanzeige nach § 371 AO wer gegen die bestehenden Sorgfaltspflichten verstößt. Als hat regelmäßig strafbefreiende Wirkung, wenn unrichtige Maßstab ist diejenige Sorgfalt zugrunde zu legen, die von Angaben berichtigt, unvollständige Angaben ergänzt oder einem ordentlichen Angehörigen des jeweiligen Tätigkeits- unterlassene Angaben freiwillig nachgeholt werden, bevor bereichs verlangt werden kann, um die Verletzung unterneh- die Finanzbehörden auf eine mögliche Steuerverkürzung im mensbezogener Pflichten zu verhindern.36 Sinne des § 370 AO aufmerksam geworden sind. Des Wei- teren kann ein Gericht gemäß § 266 a Abs. 6 S. 1 StGB von Begeht demnach ein Mitarbeiter (der nicht zum Personen- einer Bestrafung absehen, wenn der Arbeitgeber spätestens kreis des § 30 Abs. 1 Nr. 1-5 OWiG zählt) eine Straftat im im Zeitpunkt der Fälligkeit oder unverzüglich danach der Zusammenhang mit der Beantragung von Corona-Hilfen, Einzugsstelle schriftlich die Höhe der vorenthaltenen Sozial- wird eine Staatsanwaltschaft sorgfältig prüfen, ob die Lei- versicherungsbeiträge mitteilt und darlegt, warum die frist- tungspersonen im Sinne des § 130 OWiG ihrer Aufsichts- gemäße Zahlung nicht möglich ist, obwohl dieser sich ernst- pflicht in gehörigem Maße nachgekommen sind. Dabei ist haft darum bemüht hat. In der Folge sind gemäß § 266 a „erschwerend“ zu berücksichtigen, dass der in der Praxis Abs. 6 S. 2 StGB die Beiträge innerhalb der von der Einzugs- von den Staatsanwaltschaften häufig angelegte strenge Maß- stelle gesetzten Frist zu entrichten. stab dazu führt, dass eine fahrlässige Verletzung der Auf- sichtspflicht sehr schnell angenommen wird. IV. Strafrechtliche Risiken für Unternehmen durch die Beantragung von Corona-Hilfsmaßnahmen 2. Einziehung gemäß § 73 StGB Mit der ungerechtfertigten Beantragung oder Inanspruch- Gegenüber Unternehmen kann alternativ zur Geldbuße im nahme von Corona-Hilfen gehen auch erhebliche Sanktions- Sinne des § 30 OWiG die Einziehung von Taterträgen gemäß risiken für Unternehmen einher. §§ 73, 73 b StGB angeordnet werden, wenn der Beteiligte an einer rechtswidrigen Tat oder der Täter einer mit Geldbuße 1. Verbandsgeldbuße gemäß § 30 OWiG bedrohten Handlung für einen anderen, insbesondere das Gegen ein Unternehmen kann eine Geldbuße gemäß § 30 Anstellungsunternehmen, gehandelt hat und dieses dadurch OWiG verhängt werden, wenn die Unternehmensverant- etwas erlangt hat. Liegt eine strafbare Handlung zugrunde, wortlichen eine Straftat oder Ordnungswidrigkeit begangen ist die Einziehung zwingend.37 haben und dadurch entweder Pflichten, die sich auf das Gegenstand der Einziehung ist das Erlangte oder ein der Unternehmen beziehen, verletzt haben oder das Unterneh- Höhe entsprechender Geldbetrag. In den vorstehend erörter- men dadurch bereichert worden ist oder jedenfalls werden ten Konstellationen dürfte der Einziehungsbetrag häufig dem sollte.34 Betrag der ausgezahlten Corona-Hilfe oder des ausgezahlten Die Verbandsgeldbuße kann bei vorsätzlicher Begehung Kurzarbeitergeldes entsprechen. Indem jeglicher vermögens- nach § 30 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 OWiG bis zu 10 Millionen EUR werte Zufluss erfasst wird, sind auch sonstige bezifferbare und bei fahrlässiger Begehung nach § 30 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 Vergünstigungen oder Einsparungen Tatertrag im Sinne der OWiG bis zu 5 Millionen EUR betragen. Darüber hinaus §§ 73, 73 c StGB.38 gehend kann die Geldbuße nach § 17 Abs. 4 OWiG um den Teil erhöht werden, den das Unternehmen aus der Tat er- Wenn aus Opportunitätsgründen von der Verfolgung des langt hat. Mitarbeiters abgesehen wird (zum Beispiel im Wege einer Einstellung gegen Auflage nach § 153 a StPO), kann den- Eine Strafbarkeit wegen Subventionsbetrugs, Betrugs oder noch gemäß §§ 73, 73 c, 76 a StGB der erlangte wirtschaftli- Steuerhinterziehung ist taugliche Anknüpfungstat im Sinne che Vorteil in einem selbständigen Verfahren eingezogen des § 30 OWiG. Beantragen Leitungspersonen die Corona- werden. Dazu muss das Unternehmen aufgrund der rechts- Hilfen zu Unrecht, dulden sie die zweckwidrige Verwendung widrigen Tat als ein anderer im Sinne des § 73 b Abs. 1 S. 1 im Unternehmen oder teilen den zuständigen Stellen subven- Nr. 1 StGB bereichert worden sein. Der handelnde Täter tionserhebliche Tatsachen nicht mit, kann dieses Verhalten muss die Bereicherung zudem im Interesse des Unternehmens die Grundlage für eine Unternehmensgeldbuße sein. Ist die gewollt haben.39 zugrunde liegende Straftat oder Ordnungswidrigkeit von ei- nem Mitarbeiter des Unternehmens begangen worden, der Alternativ zur Einziehung gemäß §§ 73 ff. StGB kann die keine Leitungsperson im Sinne der § 30 Abs. 1 Nr. 1 bis 5 Einziehung im Fall von Ordnungswidrigkeiten nach § 29 a OWiG ist, kommt als Anknüpfungstat eine Ordnungswid- OWiG erfolgen. rigkeit wegen vorsätzlicher oder fahrlässiger Aufsichts- pflichtverletzung nach § 130 OWiG in Betracht.35 33 Wicke/Wicke AO-StB 2020, 57 (60). 34 Berndt in Berndt/Theile UnternehmensStrafR Teil 5 Rn. 467. Die Aufsichtspflichtverletzung nach § 130 Abs. 1 S. 1 35 Berndt in Berndt/Theile UnternehmensStrafR Teil 5 Rn. 467. OWiG spielt in der Praxis eine erhebliche Rolle. Danach 36 OLG Düsseldorf LSK 1983, 050130; WuW 2007 = BeckRS 2007, 379; handelt ordnungswidrig, wer als Inhaber eines Betriebs oder Niesler in Graf/Jäger/Wittig OWiG § 130 Rn. 70. Unternehmens (vorsätzlich oder fahrlässig) Aufsichtsmaß- 37 Joecks/Meißner in MüKoStGB § 73 Rn. 1. 38 Altenhain/Fleckenstein in Matt/Renzikowski StGB § 73 Rn. 4. nahmen unterlässt, die erforderlich sind, um in dem Betrieb 39 Heger in Lackner/Kühl StGB § 73 b Rn. 2; Achenbach in Achenbach/ oder Unternehmen Zuwiderhandlungen gegen Pflichten zu Ransiek/RönnauWirtschaftsStrafR-HdB 1. Teil 2. Kapitel Rn. 32.
Schöneborn, Mitgliederversammlung COVuR 4/2021 205 Beiträge V. Weitere Sanktionsrisiken GewO in das Gewerbezentralregister eingetragen. Auch das hat jedenfalls für Unternehmen, die regelmäßig an (öffent- Neben den straf- und ordnungswidrigkeitenrechtlichen lichen) Ausschreibungen teilnehmen, erhebliche Nachteile Sanktionen können Unternehmen infolge ungerechtfertigt er- und stellt einen Wettbewerbsnachteil dar. langter Corona-Hilfen auch weitere signifikante Folgen tref- fen. Zudem besteht gemäß § 321 Nr. 3 SGB III eine Schadens- So sind nach § 2 Abs. 1 Nr. 3 WRegG rechtskräftige Buß- ersatzpflicht gegenüber der Bundesagentur für Arbeit, wenn geldentscheidungen in das Wettbewerbsregister einzutragen, das Unternehmen seine Berechnungs-, Auszahlungs-, Auf- die nach § 30 OWiG (gegebenenfalls in Verbindung mit zeichnungs- und Mitteilungspflichten u. a. bei Kurzarbeiter- § 130 OWiG) wegen in § 2 Abs. 1 WRegG benannten Straf- geld nicht erfüllt hat. Neben der Hauptforderung in Höhe taten – zum Beispiel Betrug, Subventionsbetrug, Vorenthal- des unrechtmäßig ausgezahlten Betrags drohen dem Unter- tung und Veruntreuung von Arbeitsentgelt oder Steuerhin- nehmen also auch Zinsforderungen. terziehung – ergangen sind. Die Eintragung erfolgt gemäß § 2 Abs. 2 S. 2 WRegG, wenn die natürliche Person, gegen Schließlich sind die erheblichen Reputationsrisiken zu nen- die sich das Urteil oder die Bußgeldentscheidung gerichtet nen, die mit der Einleitung staatsanwaltschaftlicher Ermitt- hat, als für die Leitung des Unternehmens Verantwortliche lungen gegen Mitarbeiter, Leitungspersonen und das Unter- gehandelt hat. Der Gesetzgeber hat ausdrücklich klargestellt, nehmen selbst einhergehen. Nicht selten werden derartige dass dazu auch die Überwachung der Geschäftsführung oder Ermittlungsverfahren bekannt und sind Gegenstand öffent- die sonstige Ausübung von Kontrollbefugnissen in leitender lichkeitswirksamer Medienberichterstattung. Stellung gehört. Öffentliche Auftraggeber sind ab einem Nettoauftragsvolu- V. Fazit men in Höhe von 30.000 EUR gemäß § 6 Abs. 1 WRegG Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die strafrechtlichen verpflichtet, eine Registerabfrage vorzunehmen. Ein zwin- und sonstigen Sanktionsrisiken für Unternehmensverant- gender Ausschluss vom Vergabeverfahren zulasten des gelis- wortliche und Unternehmen erheblich sind. Insbesondere teten Unternehmens erfolgt zwar nicht, aber der öffentliche vor dem Hintergrund der dargestellten Konsequenzen für Auftraggeber entscheidet gemäß § 6 Abs. 5 WRegG „nach Unternehmen kann jedenfalls bezweifelt werden, ob es tat- Maßgabe der vergaberechtlichen Vorschriften in eigener sächlich eines sogenannten Unternehmensstrafrechts bedarf, Verantwortung über den Ausschluss eines Unternehmens das aller Voraussicht nach unter dem „Deckmantel“ des von der Teilnahme an dem Vergabeverfahren“. Im Wett- „Gesetzes zur Stärkung der Integrität in der Wirtschaft“ bewerbsregister gelistete Unternehmen haben folglich gerin- bzw. dem Verbandssanktionengesetzes noch in dieser Legis- gere Chancen, den Zuschlag zu erhalten als nicht gelistete laturperiode verabschiedet werden soll, oder die derzeitigen Unternehmen. Regelungen im Ordnungswidrigkeitengesetz (vgl. §§ 29 a, Darüber hinaus werden Geldbußen im Sinne des § 30 OWiG 30, 17 Abs. 4 OWiG) und im Strafgesetzbuch (vgl. §§ 73 ff. ab einer Höhe von 200 EUR gemäß § 149 Abs. 2 Nr. 3 StGB) nicht ausreichen. &
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