If..faktum - 100 jahre frauen-wahlrecht - gleichstellung kompakt - Land Vorarlberg

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If..faktum - 100 jahre frauen-wahlrecht - gleichstellung kompakt - Land Vorarlberg
if..faktum                                          100 jahre frauenwahlrecht
gleichstellung kompakt

                           100 jahre
                            frauen-
                           wahlrecht

                             .
                           if.faktum
                           gleichstellung kompakt

www.vorarlberg.at/frauen                                             1_2018
If..faktum - 100 jahre frauen-wahlrecht - gleichstellung kompakt - Land Vorarlberg
editorial

     Liebe Leserin,
     lieber Leser!
                                     Mag.a Monika Lindermayr
                        Referat für Frauen und Gleichstellung
                            monika.lindermayr@vorarlberg.at
                                                                                            I m November 1918, mit der Gründung der Ersten Republik,
                                                                                              ­erhielten Frauen in Österreich das aktive und passive Wahlrecht.
                                                                                            Nach jahrzehntelangem Kampf, vielen Demonstrationen und Streiks
                                                    Mehr Infos:                             wurde im Herbst 1918 in Österreich das allgemeine, gleiche, direkte
                                      www.vorarlberg.at/frauen
                                   E-Mail: frauen@vorarlberg.at                             und geheime Wahlrecht für alle Menschen ohne Unterschied des
                                                                                            ­Geschlechtes eingeführt. Seitdem sind Frauen in Parlamenten und
                                                                                                     ­Regierungen vertreten. Gleichermaßen vertreten wie Männer
                                                                                                         sind Frauen allerdings bis heute nicht – weder auf Bundes-,
                                                                                                            auf Landes- noch auf Gemeindeebene. Von gleichbe-
                                                                                                             rechtigter Repräsentanz und Partizipation kann heute
                                                                                                              noch keine Rede sein.
      Inhalt
                                                                                                                 Das vorliegende if:faktum setzt sich mit dem langen
      03_Frauen Mut machen
      Frauenlandesrätin                                                                                         Weg zur Erreichung des Frauenwahlrechts auseinan-
      Katharina Wiesflecker.                                                                                   der, mit der derzeitigen Situation der Frauen in der
                                                                                                             ­Politik und der Einschätzung der Entwicklung der politi-
      04_Bündnisse der Frauen
      100 Jahre nach Einführung des Frauenwahl-
                                                                                                         schen Beteiligung der Frauen auf allen Ebenen. Denn der
      rechts startet ein neues Frauenvolksbegehren.                                                 Frauenanteil in politischen Gremien ist in den letzten hundert
                                                                                            Jahren im Schneckentempo gewachsen und sinkt mancherorts sogar
      08_Ein Meilenstein der Frauenbewegung
                                                                                            wieder. Die beste Lösung ist deshalb eine, die seit Jahren diskutiert wird
      Frauen mussten sich das Wahlrecht
      lange und hart erkämpfen.                                                             und endlich auch von allen Parteien umgesetzt werden sollte – die
                                                                                            ­verpflichtende Frauenquote. Denn wer möchte, dass in der Politik
      09_Wandel? Stillstand? Rückschritt?                                                    ­tatsächlich die Bevölkerung repräsentiert wird, wird um die Quote
      Andrea Urthaler vom Netzwerk
      Geschlechterforschung im Gespräch.                                                    nicht herumkommen.

      10_Drei Generationen Feminismus                                                       100 Jahre Frauenwahlrecht sind Anlass, um die politische Teilhabe
      Monika, Marion und Magdalena Jarosch
      bringen es in drei Generationen gemeinsam auf
                                                                                            von Frauen in den Mittelpunkt zu stellen. Die Länder Tirol und
      fast 100 Jahre frauenpolitisches Engagement.                                          ­Vorarlberg haben für die Jubiläums­jahre 2018/2019 eine gemeinsame
                                                                                            Initiative zur Gleich­stellung von Frauen und Männern in der Politik
      12_Ohne Furcht und Adel
                                                                                            gestartet. Eine ­Wanderausstellung begleitet 2018 und 2019 Veranstal-
      Die Geschichte der Suffragetten zeugt
      von Mut und großer Entschlossenheit.                                                  tungen rund um die gesellschaftlichen und politischen Geschehnisse
                                                                                            von der Einführung des Frauenwahlrechts bis heute. In einer be­
                                                                        © Land Vorarlberg

      13_#metoo und die Folgen                                                               gleitenden Broschüre sind die Meilensteine der Frauenbewegung der
      Das Outing zahlreicher von sexuellen
      Übergriffen betroffener Frauen hat weltweit                                           letzten hundert Jahre auf­gezeigt. Und es kommen Frauen zu Wort, die
      eine sehr erhellende Debatte ausgelöst.                                               sich aktiv am politischen Geschehen beteiligten oder beteiligen.

      14_Frauen erzählen Geschichte(n)
      Das Frauenmuseum Hittisau ist einzigartig und
      gibt Frauen ihren Platz in der Geschichte.

      15_Lokale Expertinnen zum Thema

      16_Menschen zum Thema
      100 Jahre Frauenwahlrecht

      impressum

      if:faktum gleichstellung kompakt. Aktuelle Information zu Frauen- und Gleichstellungsthemen für MultiplikatorInnen sowie interessierte Frauen und Männer.
      Herausgeberin: Referat für Frauen und Gleichstellung des Amtes der Vorarlberger Landesregierung Chefredakteurin: Yvonne Schwarzinger
      Bundeslandredaktion: Monika Lindermayr Organisation: Janine Meinrad Artdirektion, Layout, Grafik und Bildbearbeitung: Martin Renner, rennergraphicdesign
      Druck: Samson Druck Auflage: Vorarlberg 4.000, Gesamtauflage 16.300 Beratung, Konzept, Koordination der Produktion: „Welt der Frau“ Corporate Print für das Amt
      der Vorarlberger Landesregierung, Referat für Frauen und Gleichstellung www.welt-der-frau.at

2 if..faktum 1_2018
If..faktum - 100 jahre frauen-wahlrecht - gleichstellung kompakt - Land Vorarlberg
standpunkte

                                    3 Fragen an …                                                             E     in ganzes Jahrhundert liegt
                                                                                                                    ­zwischen dem heurigen Jahr und
                                                                                                             der Einführung des Frauenwahlrechts im
                                    Susanne Willi                                                           Jahr 1918. ­Geändert hat sich seitdem viel.
                                    Verein Amazone
                                                                                                           Frauen sind in fast allen Bereichen des
                                                                                                         ­politischen und ­gesellschaftlichen Lebens
                                    Wie können Mädchen und junge Frauen für Politik
                                                                                                        vertreten. Jedoch ist die paritätische Teil­
                                    begeistert werden?
                                                                                                       habe in der Politik, der Wirtschaft und am
                                    Wichtig ist es, Mädchen und junge Frauen darin zu ermutigen
                                                                                                      ­Arbeitsmarkt noch nicht gegeben. Bis heute
                                    und darin zu bestärken, sich für Entscheidungsgremien zu
                                                                                                      stehen weniger Politikerinnen als Politiker zur
                                    ­interessieren und ihre Anliegen an die Politik zu formulieren.
                                                                                                      Wahl und werden auch weniger gewählt.
                                     Der Verein Amazone wurde deshalb im Rahmen des Inter-
                                     reg-Projekts „betrifft:frauen entscheiden“ mit der Vorberei-
                                                                                                      Daher sind Maßnahmen wie die Politiklehr­
                                     tung und Durchführung eines Mädchenparlaments beauf-
                                                                                                      gänge für Frauen, Mentoring und Frauennetz-
                                     tragt, bei dem im November 2016 rund 60 junge Frauen
                                                                                                      werke ­notwendig, um Frauen Mut zu machen,
                                     zwischen 14 und 17 Jahren aus Vorarlberg, Graubünden und
                                                                                                       mitzu­gestalten und mitzuentscheiden.
                                     Liechtenstein in Bregenz tagten.
                                                                                                        Ein überaus mächtiges Instrument ist die
                                    Was waren die Anliegen, die im Mädchenparlament
                                                                                                         Quote, die Frauen gerade im politischen
                                    erarbeitet und vorgetragen wurden?
                                                                                                          ­Bereich die Mitsprache und die Mitver­
                                    Die Themen wurden zur Gänze von den Mädchen bestimmt
                                                                                                            antwortung sichern soll.
                                    und die Reihenfolge der Dringlichkeit demokratisch gewählt.
                                    Die Anträge beschäftigten sich mit der Integration von
                                                                                                                               Ich möchte vor allem
                                    ­Flüchtlingen, der Gleichstellung von Frau und Mann in ver-
                                                                                                                                   Mädchen und
                                     schiedenen Bereichen, aber auch Themen wie „Frei(zeit)­
                                                                                                                                     ­Frauen
                                     räume“ und Schönheitsideale bzw. die unrealistische Darstel-
                                                                                                                                       ­motivieren,
                                     lung von Körperbildern in den Medien wurden behandelt.
                                                                                                                                         den Schritt
                                                                                                                                         zu machen, in
                                    Wie wurden diese Anliegen und Forderungen später
                                                                                                                                         die ­Politik zu
                                    in den drei beteiligten Regionen verarbeitet?
                                                                                                                                         gehen.
                                    Die von den Teilnehmerinnen erarbeiteten Anträge wurden
                                    an die anwesenden Politikerinnen und Politiker überreicht
                                    und von diesen der parlamentarischen Bearbeitung in den
                                    ­jeweiligen Ländern zugeleitet. Die Mädchen wurden über                                      Katharina Wiesflecker
                                     ­diesen Prozess auf dem Laufenden gehalten.                                                Frauenlandesrätin
                                      Informationen zum Projekt: www.frauenentscheiden.org

                                                   t und Ko               Frauen in Gemeindevertretungen und auf Landesebene
                                              P unk         m
                                                              m
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                                                                          Auch 100 Jahre nach Einführung des Frauenwahlrechts sind Frauen in der
                                    A

                                                                     a

                                                                          ­Politik nicht gleichermaßen vertreten wie Männer – weder auf Bundes- noch
                                                                          auf Landesebene und auch nicht auf Gemeindeebene. Im Vorarlberger

                                      30,5 %                              Landtag beträgt der Frauenanteil mit Stand 31. Jänner 2018 30,5 %
                                                                          (Nationalrat: 35 %). Vor knapp 20 Jahren, nach den Landtagswahlen 1999,
                                                                          ­betrug er ebenfalls 30,5 % . Unter den sieben Mitgliedern der Vorarlberger
                                                                           Landesregierung sind seit 2009 zwei Frauen (Frauenanteil: 28,6 %).
© Land Vorarlberg, Verein Amazone

                                                                           Auf Gemeindeebene ist der Frauenanteil noch um einiges geringer; der Frauen­
                                                                           anteil an der Gemeindevertretung beträgt nicht einmal ein Viertel, sondern
                                                                           23,6 %. Allerdings ist auch auf Gemeindeebene der Frauenanteil in den letzten
                                                                           20 Jahren sukzessive gestiegen: 1999 betrug er nur 13,1 % und 2000 16,9 %.
                                        der Vorarlberger                   Derzeit haben sieben der 96 ­Vorarl­berger Gemeinden eine Bürgermeisterin.
                                     Landtagsabgeordneten                  Vor 20 Jahren gab es in Vorarlberg nur eine einzige Bürgermeisterin.
                                          sind Frauen.
                                             Stand 31. Jänner 2018

                                                                                                                                        1_2018 if..faktum 3
If..faktum - 100 jahre frauen-wahlrecht - gleichstellung kompakt - Land Vorarlberg
cover

                              Frauen*Volksbegehren 2.0
                                   www.frauenvolksbegehren.at
                                   12. Februar bis 12. März 2018
                             Seit 12. Februar 2018 können Unterstützungserklärungen für das
                       Frauen*Volksbegehren 2.0 abgegeben werden. Laut gesetzlichen Vorgaben
                       ­müssen österreichweit ­mindestens 8.401 Unterschriften gesammelt werden,
                             damit das Volksbegehren zur Eintragung aufgelegt werden kann.
                      Die Unterstützung kann bei jedem Gemeindeamt (unabhängig vom Wohnsitz)
                            oder auch mit der Bürger*innenkarte bzw. Handysignatur erfolgen.
                        Mit diesen Unterschriften kann der Antrag auf Einleitung eines Verfahrens
                            für ein Volksbegehren beim Innenministerium eingebracht werden.
                          Dieses setzt in der Folge den Termin für die Eintragungswoche für das
                                                                                                    © Shutterstock, Ayham

                         Frauen*Volksbegehren 2.0 (in den sechs Monaten nach Einreichung) fest.

                                                  Weitere Details dazu:
                                   https://frauenvolksbegehren.at/wo-unterschreiben/

4 if..faktum 1_2018
If..faktum - 100 jahre frauen-wahlrecht - gleichstellung kompakt - Land Vorarlberg
bündnisse
der frauen
Im November 1918 wurde in Österreich das allgemeine, ­gleiche, d ­ irekte und
geheime Wahlrecht für alle Menschen ohne Rücksicht auf das Geschlecht
­eingeführt. Damit ­erhielten Frauen erstmals das aktive und passive Wahlrecht.
 Ein Meilenstein der Emanzipationsbewegung, der über viele Jahrzehnte hart
 erkämpft werden musste. Wo aber stehen wir im Gleichstellungsprozess
 ­heute, 100 Jahre später? Was wurde erreicht, wofür gilt es noch zu kämpfen?
  if:faktum widmet sich in dieser Ausgabe genau diesen Fragen und hat sich
  dazu auf Recherche bei Feministinnen mehrerer Generationen begeben.

     100
                       Jahre sind vergangen seit der Ein­      des ersten Frauenvolksbegehrens umgesetzt wurden, ist
                       führung des Frauenwahlrechts in         Eva ­Rossmann dabei bewusst. So verdienen in Öster-
                       ­Österreich. Seitdem ist in Sachen      reich Frauen immer noch rund 20 Prozent weniger als
      Emanzipation und Gleichstellung viel passiert (siehe     Männer. Und Österreichs Chefetagen sind auch im
      dazu auch Seite 9). Doch in manchen Bereichen            Jahr 2018 noch weitgehend männlich. Nur rund
      kämpfen die Frauenrechtlerinnen von heute noch um        18 Prozent der Führungskräfte in mittelständischen
      dieselben Dinge wie die Feministinnen vergangener        Unternehmen sind Frauen. In 40 Prozent der Firmen
      Generationen. Im Sommer wird es deshalb auch ein         sitzt gar keine einzige Frau in der Führungsetage.
      neues Frauenvolksbegehren in Österreich geben.           Und eine aktuelle Studie des Beratungsunternehmens
                                                               EY zeigt, dass es in Österreich diesbezüglich sogar
      Wir begehren!                                            eine rückläufige Entwicklung gibt. So gaben etwa
      Als 1997 das erste österreichische Frauenvolksbegehren   2016 bei einer Befragung 51 der interviewten
      durchgeführt wurde und mit 650.000 Unterzeichne-         ­Unternehmensvertreterinnen und -vertreter an, dass
      rinnen und Unterzeichnern auch äußerst erfolgreich        ihrer Meinung nach ein höherer Frauenanteil in
      war, war Eva Rossmann eine der Mitbegründerinnen.         ­Führungspositionen den Unternehmenserfolg
      Die Autorin und Journalistin ist auch heute wieder         ­positiv beeinflusse. Ein Jahr später waren nur mehr
      (oder noch immer) in Sachen Emanzipation aktiv.             43 Prozent dieser Ansicht. Und nur 23 Prozent der
      ­Unter anderem unterstützt sie in beratender                      Unternehmen gaben bei der letzten Befragung
       Funktion die Initiatorinnen des neuen                                 an, Frauen aktiv zu fördern.
       Frauenvolksbegehrens 2.0, das heuer
       über die Bühne gehen soll. Dass selbst                                 Für Eva Rossmann ist deshalb auch
       bis heute längst nicht alle Forderungen                                 eine verbindliche Frauenquote von
                                                                               50 Prozent für öffentliche Unternehmen
                                                                               und politische Gremien einer der zent-
                „Frauen müssen
                                                                              ralen Punkte im Kampf für Geschlech-
                      den Mund                                              tergerechtigkeit und Gleichstellung.
                     aufmachen!“                                         Und Förderungen der öffentlichen Hand
                                     Eva Rossmann
                                                                    sollte es laut ihr nur mehr für Unternehmen
                                                               geben, die aktive Frauenförderung betreiben.

                                                                                                         1_2018 if..faktum 5
If..faktum - 100 jahre frauen-wahlrecht - gleichstellung kompakt - Land Vorarlberg
Ein Vorbild für viele
      Fragt man Feministinnen der letzten
      ­beiden Generationen heute, wer für
       sie das größte Vorbild der öster­                       Den Erfolg des ersten Frauenvolksbegehrens schmälert
       reichischen Frauenbewegung in der                       die mangelnde Umsetzung der Forderungen für Eva
                                                               Rossmann jedoch keineswegs. „Der Erfolg hängt nicht
       Zweiten Republik sei, so antworten
                                                               allein an der Umsetzung, sondern vielmehr an der
       die meisten spontan mit ­einem
                                                               ­Bewusstseinsbildung, die durch diese breite Kampagne
       ­Namen: Johanna Dohnal!                                  geschah“, meint sie. Entsprechend positiv sieht sie das
                                                                neue Frauenvolksbegehren, das derzeit lanciert wird.
      Sie war ab 1990 die erste österreichische Frauen-
                                                                „Ich beobachte derzeit wieder eine verstärkte Vernet-
      ministerin und hat die Frauenpolitik sowie Polit-
                                                                zung unter den Frauen. Und das ist auch ganz wichtig.
      frauen quer durch alle Parteien entscheidend ge-
                                                                Wir müssen uns zusammenschließen. Es freut mich
      prägt und beeinflusst. „Johanna Dohnal war eine
                                                                daher, dass das neue Frauenvolksbegehren ganz viele
      Orientierungsfrau. Sie stand für eine sehr kämpfe-
                                                                Bündnispartnerinnen hat“, sagt Eva Rossmann.
          rische, aber auch sehr an den Realitäten der
               Frauen orientierte Politik. Sie vereinte viel
                                                               Alte Forderungen, neue Kämpferinnen
                  fundiertes Wissen, Ahnung und viel
                                                               Schifteh Hashemi ist 31 Jahre alt und eine der
                    Überlegung in ihrer politischen Arbeit.
                                                               ­Mit­begründerinnen und Sprecherinnen des
                     Sie hat Furchen gelegt und Standards
                                                                Frauen*Volksbegehrens 2.0. Mit dem Wort Emanze
                     gesetzt“, schwärmt etwa Sonja
                                                                könne sie ­wenig anfangen, sagt sie. „Dieses Wort ist
                     ­Ablinger, Vorsitzende des Österrei-
                                                                für mich negativ besetzt und ich verbinde nichts da-
                     chischen Frauenrings. „Erst Johanna
                                                                mit. Auf j­eden Fall aber bin ich Feministin“, sagt die
                    Dohnal hat in der SPÖ ein Selbstver-
                                                                im Iran geborene Sozialökonomin. Und auch wenn
                   ständnis geschaffen dafür, dass man
                                                                sich die Begrifflichkeiten in den letzten Jahrzehnten
                sich als Feministinnen und Feministen
                                                                wohl v­ erändert haben, die Forderungen des neuen
             begreift. Das kam mit ihr“, so Ablinger –
                                                                Frauenvolksbegehrens sind dem vom 1997 in weiten
      selbst Jahrgang 66 und damit die Nach­
                                                                Bereichen noch erstaunlich ähnlich. Gefordert wer-
      folgegeneration Dohnals.
                                                                den eine Frauenquote in Unternehmen und
                                                                Entscheidungs­gremien von 50 Prozent, die Beseiti-
      Johanna Dohnal war bereits unter Bruno Kreisky
                                                                gung von Einkommensunterschieden und die gerech-
      im Jahr 1979 als Staatssekretärin für allgemeine
                                                                te Verteilung von bezahlter und unbezahlter Arbeit
      Frauenfragen in die Bundesregierung eingetreten.
                                                                durch die Einführung einer allgemein gültigen
      Schon ein Jahr davor war auf ihr Betreiben hin
                                                                30-Stunden-Woche. Weiters auf dem Forderungska-
      das erste Frauenhaus in Wien entstanden. Wäh-
                                                                talog: die Bekämpfung von Armut vor allem bei Al-
      rend ihrer unermüdlichen Aktivität auf dem Feld
                                                                leinerziehenden, der Ausbau von kostenlosen und
      der Gleichberechtigungspolitik wurden so ele-
                                                                qualitativ hochwertigen Kinderbetreuungsmöglich-
      mentare Frauenrechte wie die Beseitigung der
                                                                keiten, der Abbau von t­ raditionellen Rollenklischees
      Amtsvormundschaft für ledige Mütter, das Recht
                                                                und selbstverständlich verbesserter Gewaltschutz.
      zur Betretungsverweigerung bei Gewalt in der
      Ehe sowie das gesetzliche Verbot der sexuellen
                                                               Mitte März 2018 wird das Frauen*Volksbegehren 2.0
      Belästigung umgesetzt.
                                                               beim Innenministerium eingereicht. Die Eintragungs­
                                                               woche wird dann voraussichtlich im Frühsommer sein.
       Mitte der 90er-Jahre setzten dann allerdings in
                                                               Mindestens 100.000 Unterschriften müssen in
       Österreich mit dem politischen Erstarken von Jörg
                                                               dieser Woche dann zusammenkommen, damit das
      Haider ein Stimmungsumschwung und eine kon-
                                                               Frauen*Volks­­begehren 2.0 im Parlament behandelt wird.
       servative Wende ein. Und die schon zuvor wegen
                                                                                                                          © Manfred Werner (GNU-FDL), Gerhard Gruber, DJAKOB.at

       ihrer Konsequenz und Streitbarkeit nicht unum-
                                                               Schifteh Hashemi erzählt, dass viele junge Frauen
       strittene Johanna Dohnal geriet zusehends unter
                                                               heutzutage zum Feminismus kommen, weil sie mit
       politischen Druck. Trotz aller persönlichen Gegen-
                                                               dem Einstieg ins Berufsleben erstmals in ihrem Leben
       wehr wurde sie 1995 von Kanzler Franz Vranitzky
                                                               die persönliche Erfahrung machen müssen, dass ihr
       gegen ihren Willen aus der Bundesregierung ent-
                                                               Geschlecht sich negativ auf Möglichkeiten und Er-
       lassen. Sie zog sich aus der Parteipolitik zurück
                                                               folgschancen auswirkt. Neben diesen persönlichen
       und kandidierte nie mehr für ein politisches Amt.
                                                               Erfahrungen seien für die junge Generation Frauen-
      Sie blieb aber zeitlebens – Dohnal verstarb 2010 –
                                                               rechtlerinnen aber auch Vorbilder ungemein wichtig,
      der autonomen Frauenbewegung mit ihrem
                                                               meint Hashemi. „Wir haben den Feministinnen der
      ­frauenpolitischen Wirken verbunden.

6 if..faktum 1_2018
If..faktum - 100 jahre frauen-wahlrecht - gleichstellung kompakt - Land Vorarlberg
„Frauen
                                                                               brauchen
                                                                                  starke
letzten Jahrzehnte viel zu verdanken. Und wir wissen,
                                                                             Bündnisse.“
dass wir auf den Schultern von starken Frauen                                      Sonja Ablinger
­stehen“, sagt sie. Sie selbst nennt als ihre Vorbilder so
 unterschiedliche Frauen wie Johanna Dohnal und
 Heide Schmidt. „Es geht um Frauen, die sich Positio-
 nen erkämpft und sich darin behauptet haben“, er-
 klärt sie und fügt an: „Dazu gehören auch Frauen­            da sie seit den 90er-Jahren gewisse Rückschritte
 vorbilder, die sonst unsichtbar sind, wie etwa die           im Gleichstellungsprozess ortet. „Mit dem Rückbau
 erste Linienbusfahrerin in Wien.“                            des Wohlfahrtsstaates ging auch eine Zäsur in der
                                                              Gleichstellungspolitik einher. Plötzlich war das
Wider den Rückschritt                                        ­Private, wie etwa die Kindererziehung, nicht mehr
In die Riege der prominenten Unterstützerinnen des            politisch. Vereinbarkeit von Familie und Beruf wurde
neuen Frauenvolksbegehrens reiht sich mit Sonja               wieder zum Thema der einzelnen Person und damit
­Ablinger auch eine weitere Frauenrechtlerin der              meist der Frauen. Ich beobachte generell, dass Frauen
 ­„Generation Frauenvolksbegehren 1997“ ein. Sie will         wieder verstärkt im Familienzusammenhang gesehen
  als Vorsitzende des Österreichischen Frauenrings den        werden. Das ist ein Rückschritt in ein patriarchales
  Initiatorinnen des heurigen Frauenvolksbegehrens            System, gegen den etwas unternommen werden
  eine starke Bündnispartnerin sein. Nicht zuletzt,           muss“, sagt sie. 

               Juliane Bogner-Strauß ist neue Frauenministerin
               Sie ist die politische Senkrechtstarterin                   zu reduzieren. Ganz wesentlich hierfür wird
               schlechthin: Die 46-jährige steirische                      ­ nter anderem, gemeinsam mit den Sozial­
                                                                           u
               ­Molekularbiologin und dreifache Mutter Juliane             partnern, die Überprüfung und Beseitigung von
                Bogner-Strauß war noch nicht lange in der                  Diskriminierungen in allen Kollektivverträgen
                            ­Politik, als sie von Sebastian Kurz           sein. Ebenso soll es zu einer Neubewertung der
                                   im Dezember als neue Ministe-           Arbeitsfelder kommen. Unser Ziel ist gleicher
                                       rin für Frauen, Familie und         Lohn für gleichwertige Arbeit.
                                         Jugend rekrutiert w  ­ urde.
                                           Die zielstrebige Karrie-        Gleichstellung existiert auf dem Papier, aber
                                             refrau will als Ministe-       nicht in der Realität – siehe Gender Pay Gap,
                                              rin übrigens teilweise        Frauenanteil in Führungspositionen, Aufteilung
                                               von ­zu Hause aus            der unbezahlten Arbeit etc. Was kann dagegen
                                              ­arbeiten. Etwas, was         unternommen werden? Wie stehen Sie etwa zu
                                              gut zu ihrem Ressort         einer Quotenregelung?
                                             passe, meint sie – die        Ein erster wichtiger und guter Schritt zu mehr
                                           Vereinbarkeit von Fa-           Gleichberechtigung ist die Verpflichtung zu
                                         milie und Beruf. Dement-          30 Prozent Frauenanteil in Aufsichtsräten bei
                                       sprechend liegen ihr auch           börsennotierten und großen Unternehmen.
                                   eine (noch nicht näher konkre-          Die Zusammenführung der bestehenden
                            tisierte) Flexibilisierung der Kinder-         ­Einkommensberichte und eine bundesweite
               betreuungsmöglichkeiten sowie das Angebot                    Standardisierung sollen zu mehr Einkom-
                einer Sommerbetreuung am ­Herzen.                           menstransparenz führen.

               if:faktum hat die neue Frauenministerin in                   Welche Vorkenntnisse und Erfahrungen
               ­ihren ersten Tagen nach Amtsantritt zu ihren               ­bringen Sie für Ihre neue Tätigkeit mit?
                wichtigsten frauenpolitischen Plänen befragt:               Ich habe mich mehrere Jahre neben meiner
                Frau Ministerin, was werden bezüglich                       Lehrtätigkeit an der TU Graz in diversen
                ­Gleichstellung die Arbeitsschwerpunkte der                 ­Arbeitskreisen und auch in der Gleichstellungs-
                 nächsten Jahre sein?                                       kommission sowohl mit dem Thema Frauen­
                 Juliane Bogner-Strauß: Es bedarf weiterer                  förderung als auch mit der Vereinbarkeit von
                 ­Maßnahmen, um Benachteiligungen für Frauen                Beruf und Familie beschäftigt.

                                                                                                                      1_2018 if..faktum 7
If..faktum - 100 jahre frauen-wahlrecht - gleichstellung kompakt - Land Vorarlberg
Ein Meilenstein der
     Frauenbewegung
      Das Wahlrecht mussten sich Frauen lange und hart erkämpfen.
      Doch nicht alle Frauen begrüßten es.

                      A    m 18. Dezember 1918 wurde das allgemeine,
                           freie, geheime und gleiche Wahlrecht unabhän-
                      gig vom Geschlecht in der österreichischen Verfas-
                                                                               stellten, zu großen Teilen die jeweils gegnerische
                                                                               ­Partei wählen würden. Die Christlichsozialen hatten
                                                                                zudem Schwierigkeiten, Frauen für ihre Partei zu
                      sung verankert. Das Wahlrecht für Frauen war ein          ­rekrutieren. Und es gab durchaus auch unter den
                      echter Meilenstein in der Geschichte der Frauen­           Frauen Stimmen gegen das Frauenwahlrecht. Im
                      bewegung, was sich auch darin spiegelte, dass bei der      ­katholischen Umfeld sprach man nicht von einem
                      ersten Wahl 1919 82 Prozent der Frauen von ihrem            Recht, sondern ‚einer schweren Pflicht‘ für Frauen.“
                      neuen Stimmrecht Gebrauch machten.
                                                                               Diese Befürchtungen stellen sich aber als unbegrün-
                      Österreich zählte mit Deutschland zu jenen europäi-      det heraus. Nachdem 1920 die Forderung nach
                      schen Ländern, die das Frauenwahlrecht sehr früh         ­verschiedenfarbigen Kuverts für Frauen und Männer
                                      einführten. Eine Vorreiterrolle kam       durchgesetzt wurde und bei den darauffolgenden
                                             wie bei vielen emanzipatori-       Wahlen die Stimmen getrennt ausgezählt wurden,
                                                 schen Fortschritten den        hat man rasch erkannt, dass die Frauen keine
                                                   skandinavischen Ländern      ­politisch geschlossene Gruppe darstellen. Völlige
                                                     zu. Finnland führte als     ­politische Gleichberechtigung für Frauen gab es in
                                                      erstes Land 1906 das        Österreich übrigens erst 1923. Denn bis dahin durf-
                                                       Frauenwahlrecht ein,       ten Prostituierte nicht wählen. „Es gab den gesell-
                                                       1915 folgte Däne-          schaftlichen Konsens, dass das Wahlrecht an Moral
                                                       mark. In vielen Län-       und Sitte gebunden sei“, erklärt dazu Veits-Falk.
                                                       dern Südeuropas, aber      „Auf der anderen Seite steht die vielleicht über­
                                                      auch in Frankreich          raschend wirkende Tatsache, dass in einigen Ländern
                                                     und Belgien erhielten        und Gemeinden der Habsburgmonarchie Frauen
                                                   Frauen erst nach dem           schon in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts das
                                                 Zweiten Weltkrieg das            Wahlrecht besaßen. Damals entschied die Höhe der
                                             Stimmrecht. Die Schweizerinnen       Steuerleistungen über die Zulassung zur Wahl und
                                      durften erst 1971 auf Bundes­ebene          das Gewicht der einzelnen Stimme. Die begüterten
                      wählen, und die Liechtensteinerinnen erhielten              Steuerzahlerinnen durften allerdings nicht selbst zur
                      ­dieses Recht gar erst 1990 zugesprochen.                   Wahlurne gehen, sondern mussten sich von ihrem
                                                                                  Ehemann oder einem anderen männlichen Bevoll-
                      Und in einigen Ländern bedeutete die Einführung             mächtigten bei der Stimmabgabe vertreten lassen“,
                      des Frauenwahlrechts nicht sofort die völlige Gleich-       schildert Veits-Falk.
                      stellung der Geschlechter in den Wahlkabinen. So
                      durften zum Beispiel in Großbritannien 1919 Frauen       Dass das lange umstrittene Frauenwahlrecht ausge-
                      erst ab einem Alter von 28 Jahren wählen. „Auch in       rechnet nach dem Ersten Weltkrieg eingeführt wur-
                      Österreich gab es Überlegungen, für Frauen ein hö-       de, ist für die Salzburger Historikerin natürlich kei-
                      heres Wahlalter festzulegen“, berichtet die Salzburger   neswegs Zufall. „Der Krieg ermöglichte den Frauen
                      Historikerin und Genderforscherin Sabine Veits-Falk.     einen wichtigen emanzipatorischen Schritt. Die alte
                      „Es gab eine große Unbekannte – die Frage: Wie           ­Ordnung war aufgebrochen und Frauen verrichteten
                                                                                                                                          © shutterstock

                      werden die Frauen wählen? Und alle ­politischen           an der Heimatfront die typischen Männerarbeiten“,
                      ­Lager hatten Angst, dass die Frauen, die noch dazu       ortet Veits-Falk damals die Entstehung eines neuen
                       mit 52 Prozent die Mehrheit der Wahl­berechtigten        Selbstbewusstseins der Frauen. 

8 if..faktum 1_2018
If..faktum - 100 jahre frauen-wahlrecht - gleichstellung kompakt - Land Vorarlberg
Wandel? Stillstand? Rückschritt?
                             Ein Gespräch mit Andrea Urthaler vom Netzwerk Geschlechter­
                             forschung, Innsbruck, über die Entwicklung der Frauenbewegung
                             seit Einführung des Frauenwahlrechts vor 100 Jahren.
                                if:faktum: Frau Urthaler, bitte             ­ bschaffung der Stellung des Mannes
                                                                            A                                          Ich persönlich sehe die derzeitige
                                ­erklären Sie unseren Leserinnen und        als Familienoberhaupt in der Familien-     ­Situation zwiespältig. Auf der einen
                                 Lesern kurz, was der Verein Netzwerk       rechtsreform, die Entkriminalisierung       ­Seite sehe ich einen zunehmenden soge-
                                 ­Geschlechterforschung macht und           des Schwangerschaftsabbruchs und           nannten „Anti-Genderismus“, das heißt
                                  warum seine Arbeit wichtig ist.           schließlich für den Gewaltschutz auch      eine gezielte Abwehr gegen Gender und
                                  Andrea Urthaler: Der Verein Netzwerk      die Errichtung des ersten Frauenhauses     alles, was damit verbunden wird. Auch
                                  Geschlechterforschung wurde 2011 von      in Wien 1978.                              die zunehmend prekären Arbeitsverhält-
                                  der Politikwissenschaftlerin und                                                     nisse, von denen häufig Frauen betrof-
                                  ­Geschlechterforscherin der Universität   Wenn Sie auf 100 Jahre Emanzipation        fen sind, sehe ich in emanzipatorischer
                                   Innsbruck Univ.-Prof.in Dr.in Erna       zurückblicken: Gab es so etwas wie eine    Hinsicht als sehr problematisch an.
                             ­Appelt gegründet. Sein Ziel ist es, den       Hochkonjunktur des Feminismus?             Dasselbe gilt für die Entwicklungen im
                              ­Austausch zwischen Wissenschaft und          Eine Hochkonjunktur des Feminismus         Bereich der unbezahlten Betreuungs­
                             Gesellschaft zu stärken und damit ein          sehe ich vor allem in der Zeit der           arbeit, der nach wie vor vor allem von
                             gegenseitiges Voneinanderlernen zu             Neuen Frauenbewegung, also in den          Frauen getragen wird. Auf der anderen
                               ­initiieren. Das Netzwerk möchte damit       1970er- und 1980er-Jahren, welche die      Seite sehe ich junge engagierte Men-
                             eine Brücke zwischen Wissenschaft und          Gesellschaft nachhaltig verändert und      schen, die ein Leben außerhalb traditio-
                             Gesellschaft bzw. Theorie und Praxis           die Moderne mitgestaltet und wesent-       neller Geschlechterrollen anstreben,
                             bilden. In diesem Sinne setzt es sich          lich geprägt hat. So ist die Erwerbs­        ­sowie aktive feministische Bewegungen
                             jährlich mit einem aktuellen Thema             tätigkeit von Frauen und Müttern heute     und Zusammenschlüsse.
                             auseinander und arbeitet dieses mög-           in zahlreichen Ländern selbstverständ-
                             lichst facettenreich und auch für ein          lich geworden und das nicht mehr zeit-
                             „außeruniversitäres“ Publikum ver­             gemäße Bild des Mannes als Familien­
                                ständlich auf.                              ernährer wurde infrage ­gestellt.
                                                                             In den letzten 100 Jahren gab es aber
                             Aus Ihrer Sicht: Was sind die ­                auch große Rückschritte in Sachen
                             zentralen Errungenschaften im                  Gleichberechtigung. Die Zeit des Nati-
                             Gleichstellungsprozess seit Einfüh-            onalsozialismus warf die Frauenbewe-
                             rung des Frauenwahlrechts 1918?                gung sozusagen um drei Schritte zu-
                             Die wichtigsten Errungenschaften               rück. Aber auch nach den Erfolgen der
                             ­seither sehe ich vor allem in diversen        1970er- und 1980er-Jahre gab und gibt
                              ­gesetzlichen Verankerungen, in der           es immer wieder Rückschritte auf unter-
                               ­Institutionalisierung frauenspezifischer    schiedlichen Ebenen. So wurde etwa
                             Einrichtungen und Gleichstellungs­             unter der Regierung Schüssel und
                                                                                                                        Andrea
                                maßnahmen sowie der Einrichtung von         ­Riess-Passer im Jahr 2000 das Frauen-     Urthaler
                             Gremien, Abteilungen und Kommissio-             ministerium aufgelöst und Frauen­
                             nen, die das Ziel haben, die Verwirk­           agenden in das Sozialministerium einge-
                                lichung von Gleichstellung voranzu­          gliedert. Und von den Forderungen des
                                treiben. In diesem Zusammenhang              Frauenvolksbegehrens 1997, das fast
                             muss man auch die EU erwähnen, die              650.000 Österreicherinnen und Öster-
                             2009 mit dem Vertrag von Lissabon die           reicher unterschrieben ­haben, wurde
© fotostudio heinz stanger

                             Gleichheit von Frauen und Männern als           nicht viel umgesetzt.
                             gemeinsamen Wert der Staatengemein-
                             schaft verankert hat. In Österreich gab        Wie beurteilen Sie die derzeitige
                             es vor allem in den 1970er-Jahren              ­Situation? Wandel, Stillstand,
                                ­wesentliche Errungenschaften: Die           Rückschritt, Fortschritt?

                                                                                                                                                   1_2018 if..faktum 9
If..faktum - 100 jahre frauen-wahlrecht - gleichstellung kompakt - Land Vorarlberg
drei                                           Monika Jarosch (77) ist Juristin und
                                                     ­Politologin. Sie hat als Anwältin und Richte-

        generationen
                                                      rin gearbeitet. 1991 wurde sie Mitarbeiterin
                                                      des Vereins Arbeitskreis Emanzipation und
                                                     Partnerschaft (AEP), in dessen Vorstand sie
                                                      auch heute als Obfrau ist. An der Universi-

         feminismus
                                                         tät Innsbruck ist sie assoziiertes Mitglied
                                                          der Forschungsplattform Geschlechter­
                                                              forschung. Die Anfänge ihres frauen­
                                                      politischen Engagements liegen im Kampf
                                                           um die Fristen­regelung. Als eines ihrer
                                                              ­Leitbilder nennt sie ­Johanna Dohnal.

                                                     Marion Jarosch (45) ist Psychotherapeutin
                                                     und n ­ eben ­ihrer einschlägigen Tätigkeit auch
                                                       an der Universität Innsbruck tätig, wo sie
                                                     ­Koordinatorin der Forschungsplattform
                                                      ­Geschlechterforschung ist. Zudem ist sie im
                                                       Verein Netzwerk Geschlechterforschung
                                                       engagiert, mit dem sie sich stark für das
              Magdalena Đukanović (17), geht          Frauen*Volksbegehren 2.0 einsetzen will.
              noch zur Schule, bereitet sich auf
              die Matura vor und ist in der Aktion
              Kritischer Schüler_innen engagiert.
              Ihr ist wichtig, dass Genderbewusst-
              sein bereits in der (Schul)Bildung
              vermittelt wird.
                                                                                                        © Jarosch

10 if..faktum 1_2018
Monika und Marion Jarosch und Magdalena Đukanović bringen es in drei
  ­Generationen gemeinsam auf fast 100 Jahre frauenpolitisches Engagement.
   Sie haben damit zweifellos viel bewegt und werden noch viel bewegen.
   if:faktum hat Mutter, Tochter und Enkelin zu einem Gespräch über Vergangenheit,
   Gegenwart und Zukunft des Feminismus in Österreich an einen Tisch gebeten.

  W         er sich mit drei Generationen
            ­feministischen Engagements an
   einen Tisch setzt, stellt schnell fest, dass
                                                    Verhältnisse so ändern. Gerade derzeit
                                                    scheint die Frau wieder auf ihre Biolo-
                                                    gie, ihre Gebärmutter zurückgeführt zu
                                                                                                  Marion Jarosch. Und ihre Mutter
                                                                                                  ­Monika fügt sofort an: „Vereinbarkeit
                                                                                                   muss für beide Geschlechter gelten.“
   sich dabei im Gespräch alles finden              werden. Wir Feministinnen müssen im-           ­Einig sind sich Mutter und Tochter: Es
   lässt: Stolz und Freude über die Erfolge,        mer wieder von vorne anfangen. Und              ist heute leichter, die Männer im Kampf
   Ärger über die Rückschläge, manchmal             ich bin froh, dass es immer wieder jun-         um Gleichstellung als Mitstreiter zu
   auch ein bisschen Resignation und                ge engagierte Frauen gibt“, sagt Monika         ­gewinnen.
   Frust, entillusionierter Pragmatismus,           Jarosch, die mit ihren 77 Jahren vieles
   emotionale Aufbruchsstimmung und                        zwar pragmatisch sieht, aber           Enkelin Magdalena wiederum ist der
   realistische Re­flexion. In einem                           nichts von ihrem Kampfgeist        Meinung, dass Männer sich ohnehin
  sind sich die drei Jarosch-Ge-                                 verloren hat.                    mehr Raum in der Gesellschaft neh-
  nerationen – Mutter, Tochter                                                                    men. Raum, den Frauen sich erst schaf-
                                                                    Marion Jarosch
  und Enkelin – aber einig:                                         „Ich bin froh über das,       fen müssen. Eine Erfahrung, die man
  100 Jahre nach Einführung                                        was die Frauenbewegung         im heutigen Österreich offenbar mit
                                                                  erreicht hat. Aber im Grun-
  des Frauenwahlrechts, 20 Jahre                                 de haben wir die Proble­
                                                                                                  17 Jahren bereits gemacht hat. Eines ih-
  nach dem ersten Frauenvolksbe-                               matik nur verschoben. Viele        rer großen Anliegen, für das sie kämpft,
                                                            junge Frauen glauben heute, dass
  gehren und kurz vor dem zweiten ist               sie alle Möglichkeiten haben. Und wenn
                                                                                                  ist deshalb auch, dass der Gleichstel-
  der Kampf für gleiche Rechte und                  sie dann 30 sind, wird sichtbar, was die      lungsgedanke vermehrt in die Bildung
  ­Lebensbedingungen von Frauen und                 Wahrheit ist. Nämlich, dass sie sehr          einfließt. „Früher mussten Frauen für
                                                    schnell an Grenzen stoßen.“
  Männern noch lange nicht beendet.                                                               das Wahlrecht kämpfen – heute darum,
                                                                                                  dass in Schulen gegendert wird“, meint
  Dass sie sich aktiv für das Frauen*Volks­          Für zwei Generationen feministischen         Magdalena.
  begehren 2.0 engagieren, steht für                 Nachwuchs hat Monika Jarosch – di-           Im Gespräch mit Feministinnen aus
  ­Monika und Marion Jarosch deshalb                 rekt und indirekt – selber gesorgt. „Ich     drei Generationen wird deutlich: Von
   auch fest. Vor allem da sie beide klar            bin aufgewachsen in einer Familie, wo               Wahlrecht über Fristenregelung
   ­darauf hinweisen, dass nicht viele der           Gleichstellung immer ein Thema                           und Vereinbarkeit von
    Forderungen aus dem ersten Frauen-               war. Bei uns gab es eine offene                            ­Familie und Beruf bis zur
    volksbegehren jemals realisiert wurden.          politische Gesprächskultur, in
    „Der damalige Bundeskanzler Viktor               der alles thematisiert wurde
    Klima hat uns versprochen, dass alles            und ich einen kritischen Blick                               Magdalena Đukanović
                                                                                                                 „Ich habe das Gefühl, dass es
    umgesetzt wird. Und was war? Praktisch           erlernte“, erinnert sich Marion
                                                                                                               heute so dargestellt wird, als
    nichts ­davon wurde umgesetzt“, sagt             Jarosch an den Einfluss ihres                           wäre bezüglich Gleichberechti-
    Monika Jarosch nicht ohne Verärge-              ­Elternhauses. Kritisch sieht Marion                 gung alles erreicht. Aber die alte
                                                                                                  Denkweise ist nicht aus den Köpfen ver-
    rung. Vor allem sie, als älteste der drei        Jarosch deshalb ebenfalls die momen­         schwunden. Ich erlebe immer wieder, dass
    Jarosch-Frauen, hat das Gefühl, immer            tane Situation. „Ich bin immer wieder        Lehrpersonen offen gegen Feminismus
                                                                                                  ­auftreten.“
    wieder Rückschläge im Gleichstellungs-           erstaunt, dass Sachen, die man für erle-
    prozess erleben zu müssen. „Es                       digt hält, es eben nicht sind. Wir
    ist schon ein gewisser Frust,                            sind bis zu einem gewissen           geschlechtergerechten Sprache – die
    wenn sich die politischen                                   Punkt gekommen bei der            Kampfgebiete mögen sich ändern.
                                                                 Gleichstellung, aber dann        Doch eines bleibt gleich: Was eine
                                                                 fliegt uns alles wieder um die   ­Generation erreicht hat, muss die
                Monika Jarosch
 „Bezüglich Gleichberechtigung                                   Ohren. Und für viele Frauen       nächste verteidigen und umsetzen.
hat sich in den letzten Jahrzehn-                               scheitert es eben im prakti-       Und der Kampf um Gleichstellung
  ten schon viel getan. Heute ist es
 selbstverständlich, dass Frauen stu-
                                                             schen Leben an der Vereinbar-         von Frauen und Männern geht in die
 dieren. Das Entscheidende ist aber, dass                keit von Familie und Beruf“, meint        immer wieder nächste Runde. 
      das alte Rollenbild der typischen Frau noch
    ­immer in den Köpfen verankert ist. Und das
                          muss geändert ­werden!“

                                                                                                                                  1_2018 if..faktum 11
Ohne Furcht und Adel
       Die bürgerlichen Kämpferinnen für das Frauenwahlrecht in ­England und Amerika,
       die als Suffragetten bekannt wurden, taten sich durch große Entschlossenheit und
       Streitbarkeit hervor und schreckten auch vor gewaltsamen Aktionen nicht zurück.

      B      lickt man in die Geschichte der Frauenbewegung, so war
             der Kampf um ein allgemeines und gleiches Wahlrecht
       ­sicherlich einer der wesentlichen Motoren und Meilensteine.
                                                                         Bei den Suffragetten handelte es sich Großteils um bürger­
                                                                         liche Frauen. Untrennbar verbunden ist die Bewegung mit
                                                                         den Namen Emmeline und Christabel Pankhurst. Mutter
       Vor allem die sogenannten Suffragetten haben sich dabei An-       Emmeline gründete 1903 die Women’s Social and Political
       fang des 20. Jahrhunderts in England und Amerika mit ihrem        Union, und Tochter Christabel galt als eine der führenden
       Mut, ihrer Entschlossenheit, aber auch ihrem Bekenntnis zu        Suffragetten. Immer wieder kam es bei Aktionen der Suffra-
       nicht notwendigerweise gewaltfreien Aktionen hervorgetan.         getten in Großbritannien zu Massenverhaftungen der Frauen.
       So schreckten sie zum Beispiel nicht davor zurück, Schaufens-     So etwa 1912, als 150 Suffragetten mit Hämmern und Stei-
       ter einzuschlagen oder Brandanschläge zu verüben, und oft         nen bewaffnet Hunderte Schaufenster im Londoner Westend
       traten die Suffragetten bewaffnet auf. Der Großteil der Aktio-    zerstörten. 220 Frauen wurden damals verhaftet.
       nen der Suffragetten war aber durchaus friedlicher Natur und
       zeugte nicht selten von Humor. Meistens ging es dabei um          Nicht weniger dramatisch ist auch die Geschichte von Emily
        ­öffentlich zelebrierte Tabubrüche, wie etwa das demonstrative   Davison, die nach ihrem Tod 1913 von ihren Mitstreiterinnen
       Rauchen in der Öffentlichkeit, das damals nur Männern zu-         als Märtyrerin verehrt wurde. Davison wurde als Tochter eines
       gestanden und bei Frauen als Anmaßung empfunden wurde.            Kaufmanns geboren und schaffte es, an der renommierten
                                                                         Universität von Oxford Studien der Biologie, Chemie sowie
       Der Begriff Suffragette leitet sich übrigens ganz konkret vom     der englischen Sprache und Literatur abzuschließen. Wobei
       zentralen Anliegen der Erkämpfung des Wahlrechts ab. Be-          ihr als Frau, wie damals üblich, die akademischen Grade jedoch
       deutet doch das Wort „suffrage“ sowohl im Englischen als          verwehrt blieben. Sie schloss sich früh den Suffragetten an,
       auch im Französischen schlicht Wahlrecht. Die                       wurde bei zahlreichen Aktivitäten mehrmals verhaftet und
       Suffragetten hatten sich diesen Namen ur-                                 zu mehrmonatigen Freiheitsstrafen verurteilt. Einmal
       sprünglich selbst gegeben. Er wurde aber in                                  unter anderem, weil sie in einer Halle in London im
       der Folge von ihren Gegnern oft abwer-                                        Beisein des damaligen Schatzkanzlers eine Rede
       tend gebraucht. Ein Schicksal, das übri-                                        halten wollte. Im Gefängnis trat die streitbare
       gens ­viele Jahrzehnte später auch die                                          ­Davison wiederholt in Hungerstreik und wurde,
       deutschen Emanzen ereilte.                                                       wie viele ihrer Kampfgenossinnen, zwangsernährt.

       Hervorgegangen waren die Suffragetten                                           Emily Davison starb 1913, vier Tage nachdem
       aus einer Bewegung von Gegnerinnen der                                        sie sich bei einem Galopprennen vor das Pferd
       Contagious Diseases Acts, jener Gesetze, die                               von König Georg V. geworfen hatte und von diesem
       in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts die                        überrannt worden war, an ihren schweren Verletzungen.
       Zwangsuntersuchungen von Prostituierten in Großbritannien         Da Davison nach dem Vorfall nie mehr das Bewusstsein
       regelten. Diese Kampagne konnte nach langem Kampf 1886            ­erlangte, ist bis heute unklar, ob diese Aktion wirklich als
                                                                                                                                             © shutterstock

       von den Frauen zum Erfolg geführt werden. Ein Umstand,             ­Demonstration für das Frauenwahlrecht und als Suizid
       der die Befürworterinnen des Frauenwahlrechts erstarken und         ­geplant war. Die Inschrift auf ihrem Grabstein lautet: „Deeds,
       zu neuen Methoden des politischen Protests greifen ließ.          not words“ („Taten, nicht Worte“).

12 if..faktum 1_2018
#metoo und die Folgen
                 Das Outing zahlreicher von sexuellen Übergriffen betroffener Frauen hat weltweit eine
                 sehr erhellende Debatte ausgelöst. Sie könnte dazu führen, dass sich künftig nicht mehr
                 die Opfer, sondern die Täter schmutzig fühlen. Heute jedenfalls – 100 Jahre nach
                 ­Einführung des Frauenwahlrechts – kämpfen Frauen gegen sexualisierte Gewalt.

                               2017             wird wohl als das Jahr in die Ge-
                                                schichte der Frauenbewegung einge-
                                hen, in dem Frauen in großer Zahl erstmals weltweit
                                                                                          In Österreich wurde die Schauspielerin Maxi Blaha
                                                                                          zu einem der ersten prominenten Gesichter der #me-
                                                                                          too-Bewegung. Als junge Schauspielerin musste die
                                thematisiert haben, was die meisten erwachsenen           heute 45-Jährige erleben, dass ihr eine vertraglich
                                Angehörigen des weiblichen Geschlechts zumindest          ­zugesicherte Hauptrolle wieder entzogen wurde,
                                in minder schwerer Form bereits am eigenen Leib            nachdem sie den Regisseur des Stücks nicht bei sich
                               ­erlebt haben: sexuelle oder sexistische Übergriffe         übernachten lassen wollte. Dessen Argument damals:
                                oder Belästigungen durch einflussreiche Männer in          Er könne nicht mit jemandem arbeiten, der keine
                                    Machtpositionen.                                       „Nähe“ zuließe. Damals sei ihr das alles sehr peinlich
                                                                                           gewesen, erinnert sich Maxi Blaha. „Zumal ich von
                                            Das mutige Voranschreiten einiger              niemandem Unterstützung erhielt. Alle in meiner
                                             Frauen, die ihre Erlebnisse öffentlich        Umgebung – auch Kolleginnen und Kollegen –
                                              gemacht haben, und die Verbrei-              wussten Bescheid, aber keiner hat mir geholfen. Ich
                                               tungs- und Beteiligungsmöglich­             fühlte mich im Gegenteil eher bedroht.“ Bedroht vor
                                                 keiten der sozialen Medien von            allem von möglichen negativen Folgen für ihre Karri-
                                                  Twitter bis Facebook haben eine          ere. „Ich war jung und allein. Ich hatte kein Geld.
                                                  Debatte in Gang gesetzt, die in          Als junge Schauspielerin lebst du ohnehin immer am
                                                   Zukunft niemand mehr wird               Rande des Prekariats. Ich hab mich gefürchtet. Eine
                                                   ­ignorieren können. Und das aner-       verlorene Klage hätte ich mir einfach nicht leisten
                                                    kannte amerikanische „Time Ma-         können“, erzählt sie.
                                                     gazine“ hat die „Schweigebreche-
                                                     rinnen“ von #metoo kollektiv zur     Heute freut sich Maxi Blaha über die zahlreiche posi-
                                                     Person des Jahres gewählt. Ob        tive Resonanz auf ihr #metoo-Outing. „Ich bin froh
                                                      dadurch die Zahl an Übergriffen     und stolz, dass ich das gemacht habe. Ich will Femi-
                                                      und Belästigungen zurückgehen       nistin sein. Das bedeutet für mich auch, ein Vorbild
                                                      wird, muss die Zukunft zeigen.      zu sein mit beispielhaftem Verhalten – auch wenn es
                                                     Zwei Dinge stehen allerdings         mal nicht so sympathisch auf jemanden wirkt“, sagt
                                                    jetzt schon fest: #metoo hat es für   Blaha. Ihren Blick für Sexismus haben Maxi Blahas
                                                   viele Frauen leichter gemacht, ihre    eigene Erfahrungen auf jeden Fall geschärft. „Es gibt
                                                  Belästiger beim Namen zu nen-           keine Probe, auf der die Männer nicht in irgendeiner
                                                  nen, über ihre Erfahrungen öffent-      Form Körperliches kommentieren. Ich gehe nur
                                                 lich zu sprechen und dagegen             mehr in Jogginghosen, um nichts herauszufordern.“
                                                 rechtlich vorzugehen. Das ist
                                                ­positiv. Zum anderen hat sich aber       Dass sich Missbrauchserfahrungen quer durch alle
                                               rasch gezeigt, dass auch 2017 keine        Gesellschaftsbereiche ziehen, zeigt nicht zuletzt das
                                              Frau vor Spott und Häme auch aus            Outing von Nicola Werdenigg. Die Tiroler Ex-Ski-
                                              den eigenen Reihen gefeit ist, wenn         rennläuferin hatte im Dezember von Übergriffen bis
                                                 sie sich als Opfer sexistischer Über-    hin zur Vergewaltigung durch einen Mannschaftskol-
                                                       griffe outet. Das ist – um es      legen berichtet, als sie 16 Jahre alt war. Als Motivati-
                                                          vorsichtig zu sagen – nicht     on für diesen Schritt nannte Werdenigg: Aufklärung,
                                                             so schön.                    Aufarbeitung und Prävention.

                                                                                      #WeTogether gegen Missbrauch im Sport
                      Schauspielerin
                      Maxi Blaha                                                    Nicola Werdenigg hat eine Plattform gegen sexualisierte
© Peter Rigaud

                                                                                   Gewalt und Machtmissbrauch im Sport ins Leben gerufen.
                                                                                 Der Verein #WeTogehter soll Anlaufstelle für Betroffene sein,
                                                                                      aber auch in Vorbeugung und Forschung aktiv werden.
                                                                                                      Weitere Informationen: wetogether.eu

                                                                                                                                     1_2018 if..faktum 13
Frauen erzählen Geschichte(n)
       Das Frauenmuseum Hittisau ist in vielerlei Hinsicht einzigartig. Es ist nicht nur das erste
       und einzige Frauenmuseum Österreichs, sondern auch weltweit das einzige im ländlichen
       Raum. Zudem geht es in der Art der Vermittlung einen ganz persönlichen Weg.

                                                                                     vielfältig. Die aktuelle Ausstellung widmet sich dem
                                                                                     Thema Pflege, von dem Frauen massiv betroffen
                                                                                     sind. Frühere Ausstellung beschäftigten sich zum
                                                                                     Beispiel mit Frauen in der Alpingeschichte oder auch
                                                                                     mit Zirkusartistinnen.

                                                                                     Stefania Pitscheider Soraperra versteht ein Museum
                                                                                     dabei als einen Ort der Auseinandersetzung, an dem
                                                                                     Gesellschaft mitgestaltet wird. Deshalb geht man im
                                                                                     Frauenmuseum Hittisau auch einen sehr speziellen
                                                                                     Weg der Vermittlung, bei dem Frauen aus der Regi-
                                                                                     on ganz bewusst einbezogen werden. Dabei handelt
                                                                                     es sich um Frauen mit höchst unterschiedlichem
                                                                                                                     ­sozialem Hintergrund
                                                                                                          ­Stefania
                                                                                                                      und jedweden Alters

                       D          ie Geschichtsschreibung ist männlich und
                                  ­erzählt meist eine Abfolge von großen Taten
                        und Schlachten. Doch daneben gibt es eine Alltags-
                                                                                                       Pitscheider
                                                                                                        Soraperra
                                                                                                                      (von 16 bis 87). Diese
                                                                                                                      Mitarbeiterinnen erar-
                                                                                                                      beiten dabei mit der
                        geschichte, in der Frauen als Role Models und                                                 Museumsleitung und
                        ­Kulturträgerinnen immer schon eine zentrale Rolle                                            Expertinnen einen ganz
                         gespielt haben. Das Frauenmuseum Hittisau im                                                 persönlichen Blick­
                         ­Bregenzerwald will diese Geschichte der Frauen                                              winkel zum jeweiligen
                          ­vermitteln. „Die Auseinandersetzung mit Geschichte        ­Thema, um diesen dann den Besucherinnen und
                           und Kultur aus Frauenperspektive gibt Frauen ein           ­Besuchern vermitteln zu können. Das Museum soll
                           ganz neues Selbstbewusstsein und zeigt auf, dass es         damit für Gestalterinnen und Besucherinnen und
                           vielfältige Wege der Lebensgestaltung gibt. Es ist          Besucher zu einem Ort der Begegnung werden.
                           wichtig, dass Frauen verstehen, wer sie sind und was        „Es geht uns um eine ernsthafte Auseinandersetzung
                           sie sind“, sagt Stefania Pitscheider Soraperra, die das     mit den jeweiligen Themen. Ein Museum soll
                           Frauenmuseum Hittisau seit 2009 leitet. Im Bregen-          ­Fragen stellen, nicht Antworten geben“, meint
                           zerwald schaut man dabei auch über den eigenen               ­Stefania Pitscheider Soraperra. 
                           Tellerrand hinaus. Eine der beiden jährlichen Aus-
                           stellungen zeigt Frauengeschichte aus dem inter­          Informationen zum Frauenmuseum Hittisau:
                           nationalen Blickwinkel. Die Themen sind dabei sehr        www.frauenmuseum.at

                        100 Jahre Frauenwahlrecht
         sind Anlass, um die politische Teilhabe von Frauen in den Fokus
         des Interesses zu stellen. Die Länder Tirol und Vorarlberg haben
        für die ­Jubiläumsjahre 2018/2019 eine gemeinsame Initiative zur
                                                                                                                                               © Werner Lutz, Ines Agostinelli (2)

          Gleichstellung von F ­ rauen und Männern in der Politik gestartet.
       Eine Wanderaus­stellung begleitet 2018 und 2019 Veranstaltungen
       zu den gesellschaftlichen und politischen Geschehnissen von der
           Einführung des Frauenwahlrechts bis heute. Die Auftaktveran­
                    staltung findet am 8. März im Landhaus Bregenz statt.
                                                 www.vorarlberg.at/frauen

14 if..faktum 1_2018
Defizite bei der Beteiligung                                             Mut und Engagement
                                                       müssen beseitigt werden                                                   auf allen Ebenen
                                                   100 Jahre Frauen*wahlrecht – eine wichtige Errungenschaft              Das Wahlrecht ist für uns heute normal und für manche
                                                        der Frauen*bewegung! Doch mit Blick auf die aktuelle            ­sogar manchmal lästig. Wer sich die Sache aber genauer
                                                    ­Zusammensetzung von Parlament und Landtagen in Öster-                 anschaut, sieht, wie hart die Pionierinnen der Frauen­
                                                      reich kommt es mir vor, als wäre das erst zehn Jahre her.           bewegungen für das Frauenwahlrecht gekämpft haben.

                                                   N      ach wie vor beeinflusst das soziale Geschlecht (Gender)
                                                          Möglichkeiten und Zugänge, wie Mädchen* und ­Jungen*
                                                   Beteiligung leben und umsetzen können. Mädchen* sind nach
                                                                                                                       N      och heute gibt es kein Wahlrecht für Frauen in Saudi-
                                                                                                                              Arabien! Als Landessprecherin des Frauennetzwerks
                                                                                                                       Vorarlberg halte ich es daher für äußerst wichtig, dass Frauen
                                                   wie vor an Modellen politischer Partizipation ­weniger beteiligt,   von dieser Errungenschaft – ihrem Wahlrecht – Gebrauch
                                                   vor allem bei repräsentativen und offenen Beteiligungsformen        machen. Nur so können wir in unserem Bestreben nach
                                                   wie Jugendparlamenten und Versammlungen.                            Gleichstellung in allen Bereichen weiterkommen. Die gesell-
                                                                                                                       schaftliche Position in unserer westlich-liberalen Welt hat sich
                                                                         Gerade wenn Themen wie Familien­              auf jeden Fall verbessert. Die Lebensrealitäten der Frauen sind
                                                                            bonus, flexible Arbeits­zeiten, Ehe für    allerdings nach wie vor von strukturellen Ungleichheiten
                                                                             alle etc. diskutiert werden, ist es       ­geprägt. Die immer noch stark in den Köpfen verankerten
                                                                              wichtig, dass Mädchen* ihre Stand-        Rollenbilder tragen mit dazu bei, dass für den Aufstieg von
                                                                              punkte spürbar und sichtbar ein-          Frauen nicht nur das eigene Engagement, sondern auch das
                                                                              bringen (können). Geschlechter­           soziale, politische und kulturelle Umfeld entscheidend ist.
                                                                              gerechtigkeit ist ein primäres            Das Frauennetzwerk ist daher bemüht, durch „Netzwerken“
                                                                              Handlungsprinzip der Offenen              die Frauen in diesen Themen zu sensibilisieren und ihnen
                                                                              ­Jugendarbeit und sollte bei der          deutlich zu machen, dass es wichtig ist, nicht
                                              Mag.a (FH) Olivia Mair, MA       ­Planung und Durchführung von            mit dem Erreichten zufrieden zu sein, son-
                                              Geschäftsführung koje –
                                               Koordinationsbüro für            Partizipationsprojekten und -aktivi-    dern genau hinzusehen und sich auch mit
                                               Offene Jugendarbeit              täten zentral sein.                     Mut und Engagement auf allen Ebenen
                                                  und Entwicklung
                                                                                Die Offene ­Jugendarbeit setzt          einzubringen.
                                                  ­bewusst Angebote für Mädchen*, um diesem Defizit ent­                           Sabine Wäger ist Regional-
                                                   gegenzuwirken und alternative, geschlechtergerechte                               und Landessprecherin des
                                                   ­Be­teiligungsformen zu bieten.                                                 Frauennetzwerks Vorarlberg.
                                                                                                                         Das Frauennetzwerk Vorarlberg ist ein
                                                                                                                             Projekt des Referates für Frauen und
                                                   Anm.: Der Stern „*“ steht für die Offenheit in Bezug auf Ge-           Gleichstellung der Vorarlberger Landes­
                                                                                                                       regierung und wurde im Herbst 2000 gegrün-
                                                   schlechtsidentitäten und soll zum Ausdruck bringen, dass alle       det. Das Frauennetzwerk Vorarlberg will die persön-
                                                   Menschen einbezogen sind, auch diejenigen, die sich nicht in das             liche Lebensqualität und die gesellschaftspolitische
                                                                                                                       Mitsprache von Frauen in Vorarlberg durch Vernetzung und
                                                   zweigeschlechtliche System aus „Mann“ und „Frau“ einordnen               Information verbessern. Es schafft Eigenständigkeit bei
                                                   können oder wollen.                                                                  ­Entscheidungen in Familie, Beruf und Politik.

                                                                       Schritt für Schritt zur Geschlechtergerechtigkeit
                                                                       Lea Putz-Erath, Leiterin FEMAIL FrauenInformationszentrum

                                                                       Meine Omas (* 1922 und 1928) gehörten der ersten Generation von Frauen an, die mit dem
                                                                       Frauenwahlrecht aufgewachsen sind. Für beide war es immer Pflicht, von ihrem Wahlrecht
                                                                       ­Gebrauch zu machen. Wahltag war etwas Besonderes – fast schon wie ein Feiertag.
                                                                        Ich erinnere mich an den Wahlgang der beiden Frauen vor oder nach dem sonntäglichen
                                                                        ­Kirchenbesuch mit Kopftuch oder Hut (die eine Bäuerin, die andere Ehefrau eines Gewerbe-
                                                                              treibenden), Handtasche und Festtagsmantel. Und an meine Mischung aus Stolz, Neugier-
                                                                                 de und Unsicherheit, wenn ich sie dabei als Kind ­begleiten durfte. Innerhalb einer
© Ioannis Revekis, Stefan Sandholzer, wäger

                                                                                   ­Generation ist das Frauenwahlrecht zur Selbst­verständlichkeit geworden. Und jetzt –
                                                                                     100 Jahre später? Was sind die nächsten Schritte zur Geschlechtergerechtigkeit,
                                                                                      die unseren Enkelinnen und Enkeln selbstverständlich werden?

                                                                                    MMag.a (FH) Dr.in Lea Putz-Erath ist Sozial­arbeiterin mit den Schwerpunkten
                                                                                   Organi­sationsanalyse, Frauen und Inklusion in E ­ rwerbsarbeit und leitet das
                                                                                  FEMAIL F
                                                                                         ­ rauenInformationszentrum Vorarlberg. ­Berufliche Erfahrungen sammelte
                                                                               sie bisher in Österreich, Deutschland und den USA.

                                                                                                                                                                          1_2018 if..faktum 15
menschen
   zum thema
100 jahre frauen-
    wahlrecht

                                                                               Elisabeth Stöckler, Gründerin des Frauenmuseums Hittisau
                                                                                Frauenemanzipation ist ohne Kenntnis von Frauengeschichte
                                                                                  nicht möglich. Es war und ist mir ein Anliegen, Reflexionsprozesse
                                                                                  über die gesellschaftliche Bedingtheit von Geschlechterrollen
                                                                                 ­anzuregen und damit mich selbst und andere zur bewussten
                                                                               ­Gestaltung von Alltag, Geschichte und Gesellschaft zu ermächtigen.

                                                                            Angela Alicke, Frauennetzwerk Vorarlberg
                                                                              Als ich zum Frauennetzwerk kam, fiel es mir schwer, vor Leuten zu
                                                                                sprechen. Dies hat sich geändert! Der Politiklehrgang des Landes
                                                                                 Vorarlberg hat mich sehr in meiner Persönlichkeitsbildung
                                                                                 bestärkt. Ich habe mich im Laufe der Jahre mit dem Frauen­
                                                                                 netzwerk positiv weiterentwickelt und profitiere ungemein davon.
                                                                                Ich habe gelernt, wieder auf mich selbst zu hören, mich wahr-
                                                                               und wichtig zu nehmen und meine Bedürfnisse zu stillen.
                                                                             Diesen Ratschlag werde ich allen Frauen geben.

                                                                             Karin Fitz, Verein Amazone
                                                                               Unsere Erfahrungen zeigen, dass weibliche Jugendliche ein
                                                                                ­distanzierteres Verhältnis zur etablierten Politik haben als
                                                                                 ­männliche. Sie stehen den Formen der Beteiligung skeptischer
                                                                                 gegenüber und nutzen Partizipationsmöglichkeiten seltener.
                                                                                 Mädchen erfahren oft, dass ihre Stimme nicht gehört wird.
                                                                               Im Verein Amazone werden sie im Sinne einer gleichberechtigten
                                                                              Teilhabe sensibilisiert, gestärkt und gefördert.
            © Tiziana Condito, Susi Bell/Foto Hebenstreit, verein amazone

                                                                                            Bestellungen
                                                                                       und Änderungen:
                                                                                E frauen@vorarlberg.at
                                                                                     T 05574/511-24136.

                                                                                               Amt der
                                                                                         Vorarlberger
                                                                                     Landesregierung
                                                                                    Referat für Frauen
                                                                                   und Gleichstellung,
                                                                                       Römerstraße 15,
                                                                                        6900 Bregenz.

                                                                                                                                         Österreichische Post AG MZ 02Z031539 M
  if..faktum 1_2018                                                                                         Amt der Vbg. LR, Ref. für Fr. und Gleichst., Römerstr. 15, 6900 Bregenz
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