Vortrag "Familienfreundlichkeit als Standortvorteil der Zukunft" - Veranstaltung Kölner Bündnis für Familien Köln, 06. November 2009 - Stadt Köln

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Vortrag
„Familienfreundlichkeit als Standortvorteil der
                  Zukunft“

    Veranstaltung Kölner Bündnis für Familien
           Köln, 06. November 2009

                 Dr. Harald Seehausen
   Frankfurter Agentur für Innovation und Forschung

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„Familienfreundlichkeit als Standortvorteil der
                      Zukunft“

Ausgangsüberlegung, Innovation und Forschung

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Ohne junge Familien gibt es keinen Fachkräftenachwuchs, keine
neuen Unternehmen und keine Innovation.

Praxisbeispiel:
   • Die IHK Frankfurt am Main legt seit 2006 alle zwei Jahre einen
      Familienatlas über die Familienfreundlichkeit einer Region vor. Ziel ist es,
      Stärken und Schwächen aufzudecken und Impulse zu geben, damit
      sich die Kommunen den Herausforderungen von morgen stellen
      können. Ein inhaltlicher Schwerpunkt: passgenaue und flexible
      Öffnungszeiten von Kindertageseinrichtungen.

       In dem Vorwort schreibt die ehemalige Vizepräsidentin und Diplom-Ing.
       Dagmar Bollin-Flade: “Die Familienfreundlichkeit im weitesten Sinne wird
       einer der entscheidenden Standortfaktoren der Zukunft sein. In
       absehbarer Zeit werden Unternehmen qualifizierte Fachkräfte fehlen.
       Auf der anderen Seite werden Kunden ausbleiben, die Dienstleistungen
       in Anspruch nehmen und Produkte kaufen können. Auch um die
       Innovationsfähigkeit der Wirtschaft, Wissenschaft und Forschung zu
       gewährleisten, sind wir alle auf nachfolgende Generationen
       angewiesen. Unsere Wirtschaft braucht junge, qualifizierte Menschen
       und junge Menschen brauchen eine Perspektive, um mit Kindern leben
       zu können. Familienfreundlichkeit wird daher eine immer größere Rolle
       spielen, wenn es darum geht, qualifizierte Arbeitskräfte anzuziehen und
       die Region wirtschaftlich zu stärken. Der steigende regionale
       Wettbewerb wird die Kommunen dazu zwingen, ihre Aktivitäten auf
       dem Gebiet der Familienfreundlichkeit zu verstärken.

„Lokale Bündnisse für Familie“ bringen Standortvorteile
   •   Ich orientiere mich an einer Innovationsberatung von Lokalen Bündnisse für
       Familien, habe 8 Kommunen beraten, werde mich aber vorrangig auf
       Frankfurt am Main beziehen. Hier sind seit der Gründung im September 2005
       vielfältige neue Partnerschaften zwischen Kommunen, Trägern, Wirtschaft und
       der Zivilgesellschaft entstanden, die eine nachhaltige Familienpolitik und den
       Zusammenhalt des örtlichen Gemeinwesens anstreben.
   •   Also: Wo liegt der Nutzen, die Standortvorteile von Familienfreundlichkeit für
       die Bündnisakteure, insbesondere die Nutzeneffekte für Unternehmen?

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Innovationsberatung und Praxisforschung vor Ort
Welche quantitative und qualitative Forschung steht hinter den folgenden
Thesen?

   •   Untersuchung auf Grundlage von Netzwerkanalysen, Fallstudien,
       quantitativen Erhebungen, ausführlichen Interviews (im Rahmen einer
       Begleitforschung)
       Im Rahmen der „Allianz für die Familie“ hat die Prognos AG den Nutzen
       besonders für Wirtschaft und Politik genauer untersucht.
       So bildete der Schwerpunkt „Betriebswirtschaftliche Effekte
       familienfreundlicher Maßnahmen – Kosten-Nutzen-Analyse“, und vom
       Handwerksbetrieb bis zum Weltkonzern. Modellrechnungen und Fallstudien –
       Investitionen in Familienfreundliche Arbeits- und Rahmenbedingungen
       rechnen sich.
   •   Leitung des bundesweiten Modellprojekts „ Betriebliche Förderung von
       Kinderbetreuung“
   •   Eigene Evaluationsforschung (2001, 2004, 2009) im Auftrag der Commerzbank.
       Praxisbeispiel Erweiterung von Kids & Co. auf 50 Plätze für Coba-ehemalige
       Mitarbeiter der Dresdner Bank

                               1. These
Familienfreundliche Rahmenbedingungen werden zu einem
wesentlichen Teil vor Ort geschaffen. Lokale Bündnisse für Familie
stehen für eine nachhaltige Familienpolitik und den Zusammenhalt
des örtlichen Gemeinwesens.

Praxisbeispiel:
   • Der jedes Jahr stattfindende Frankfurter Familienkongress ist ein
      Baustein des Lokalen Bündnisses für Familien. Diese übergreifende
      Bündnisaktivität stellt ein wissenschaftliches Forum einer
      zukunftsorientierten Familienpolitik zur Verfügung und knüpft an
      aktuellen internationalen, nationalen und regionalen
      Forschungsergebnissen an. Hier werden gleichzeitig innovative
      familienfreundliche Reformprojekte der Stadt präsentiert und
      entsprechende Rahmenbedingungen im Dialog zwischen Kommune,
      Wirtschaft, Kirchen, Familienbildung, Elternvertreter u.a. thematisiert
      (u.a. 7. Familienbericht und 12. Kinder- und Jugendbericht). Die
      Entwicklung von sozialen Netzwerken für und mit Familien
      unterschiedlicher Milieus bildet u.a. einen inhaltlichen Schwerpunkt der
      Frankfurter Reformbeispiele.
                                                                                4
Welche Zielrichtung steht hinter diesem innovativen Beispiel von Reformpraxis,
       kommunaler Familienpolitik und Forschung?

   •   In der Kommunalpolitik muss Familienfreundlichkeit aufgrund der
       Vielschichtigkeit als Querschnittthema über zahlreiche Ressorts hin angelegt
       sein.
       Den lokalen Akteuren und damit den „Lokalen Bündnissen für Familie“ kommt
       eine Schlüsselrolle bei der Gestaltung einer familiengerechten Großstadt zu.
       Sicherlich beeinflusst der Bund und das Land die Verbesserung der
       Existenzbedingungen für Familien. Ob die konkreten Lebensbedingungen
       familiengerecht sind, wird jedoch vor Ort bestimmt.
   •   Hier liegt eine komplexe Querschnittsaufgabe in der Kooperation zwischen
       Kommune, Institutionen, Politik, Kirchen und Wirtschaft sowie Bürgerinitiativen
       vor uns: Familienfreundlichkeit betrifft vielfältige Handlungsfelder - von
       Wirtschaft, Wohnungsbau, Kultur und Sport, Bildung und Betreuung,
       Generationen, Chancengleichheit von Frauen und Männern.
       Dies bedeutet aber auch: Das Zusammenwirken und nicht die Summe der
       Einzelangebote entscheidet darüber, ob Familien attraktive
       Lebensbedingungen vorfinden.

   •   Effekte, wie etwa ein verstärkter Zuzug von Familien oder ein
       familienfreundliches Image einer Region sind nicht auf Einzelmaßnahmen oder
       einzelne Akteure rückführbar, sonder nur durch die Gesamtheit der Angebote
       erklärbar.

                                        2. These

Eine familienbewusste Personalpolitik wird zu einem festen
Bestandteil für die Unternehmenskultur der Zukunft. Sie bringt
wirtschaftliche und gesellschaftliche Vorteile für das Unternehmen.

Praxisbeispiel:
Die Veritas AG, ein mittelständisches Unternehmen in Nordhessen, organisiert
gemeinsam mit der Kommune Gelnhausen, Sportvereinen, Fachschule für
Erzieherinnen für die erwerbstätigen Eltern eine betriebsnahe
Ferienbetreuung. Das in der Region hoch anerkannte Projekt ist Teil eines
Leitbildes des Unternehmens und steht in enger Verbindung mit einer
mitarbeiterorientierten Unternehmenskultur. Vorstandsmitglieder und
Mitarbeiter des Unternehmens beteiligen sich aktiv an der Ferienbetreuung.

                                                                                     5
Welche Strategie von moderner familienfreundlicher Unternehmenskultur steht
dahinter?
  • Das Stichwort lautet „Erfolgsfaktor Mitarbeiterqualität –
      Mitarbeiterorientierte Unternehmenskultur“
  • Fassen wir wichtige Veröffentlichungen des Instituts für
      Mittelstandforschung zusammen, dann wird hier der Erfolgsfaktor
      Mitarbeiterqualität in den Mittelpunkt der Zukunftssicherung gerückt.
  • Eine herausragende Strategie für die Zukunftssicherung der
      mittelständischen Unternehmen ist es, gute Mitarbeiter zu finden, sie zu
      halten und für eine funktionierende, leistungsorientierte und
      innovationsfreundliche Unternehmenskultur zu sorgen. Dies bedeutet
      Investitionen in die Personalentwicklung.
  • Wissen und Können ist aber kein Kapitalwert, der irgendwie gelagert
      und bilanziert werden kann. Das gesamte Know - how eines
      Unternehmens steckt in den Köpfen der Mitarbeiter. Nichts bedroht die
      Existenz eines Unternehmens langfristig mehr, als wenn dieses Potential
      nicht gepflegt wird, seinen Wert verliert oder schlicht abwandert.
  • In diesem Kontext heißt unternehmerische Familienorientierung: Flexibel
      und bedarfsgerechter auf familiäre Mitarbeiterbelange zu reagieren
      (u.a. Arbeitszeit, Arbeitsort, Service für Kinderbetreuung).

                                    3. These

Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf bietet einen wichtigen
regionalen Standortvorteil. Die Balance von privaten und
öffentlichen Interessen und Pflichten erfordert eine Bündelung von
Angeboten, Koordination und Kooperation unterschiedlicher
Bündnisakteure.

Praxisbeispiel:
Die Projektgruppe „Vereinbarkeit von Familie und Beruf“ des Frankfurter
Bündnisses für Familie, bestehend aus Betriebsräten,
Personalverantwortlichen, Gewerkschaftsvertretern, Frauenbeauftragten,
Trägern und Leitungskräften von Kindertageseinrichtungen, der
Wirtschaftsförderung, Agentur für Arbeit haben sich u.a. intensiv mit de
Fragekreis „Standortvorteil auf der Ebene betriebswirtschaftlicher Effekte“

                                                                              6
auseinandergesetzt. Neben den quantitativen Effekten standen insbesondere
„weiche“ Motivations- und Leistungseffekte im Mittelpunkt der Analyse.

   • In verschiedenen Studien sind in den letzten fünf Jahren die
     betrieblichen Wirkungen einer familienorientierten Personalpolitik
     untersucht worden, so dass mittlerweile von einem breiten Konsens in
     Bezug auf den betriebswirtschaftlichen Nutzen und damit die
     Wirkungen von Maßnahmen, insbesondere von betrieblich geförderter
     Kinderbetreuung, gesprochen werden kann.
   • Die Verringerung familienbedingter Fluktuation, die Beschäftigung mit
     höheren Pensen, die frühzeitige Rückkehr aus der Elternzeit, der
     frühzeitige Wiedereinstieg Teilzeit in Elternzeit, Senkung von Fehlzeiten
     und Krankenstand und Wettbewerbsvorteile beim Personalrecruiting
     sind wichtige Wirkungen.
   • Ein besonderes Ergebnis der Projektgruppe: „Beruf und Pflege in
     Einklang bringen“. Entwicklung eines „Pflegekompetenz-Trainings für
     Beschäftigte aus sieben Unternehmen. Dieses Projekt dokumentiert
     einen Kulturwandel in der Wirtschaft.
     Dazu der Betriebsratsvorsitzende Dr. Rüdiger Koch bei Merz Pharma:
     „Ich beobachte einen allmählichen Kulturwandel in der Wirtschaft, die
     das Thema Pflege bislang größtenteils ausgeklammert hat. Dabei
     handelt es sich um eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, denn die
     ambulante Pflege wird immer mehr zur Normalität werden.
     Unternehmen wie Mitarbeiter müssen dieser Entwicklung gewachsen
     sein“.
   • Die Betriebe profitieren durch Kostenreduzierungen im Personalbereich,
     höhere Mitarbeiterbindung oder Wettbewerbsvorteile im Markt,
     Arbeitsnehmer und Arbeitnehmerinnen durch größere
     Arbeitszufriedenheit und eine besser gelingende Work-Life-Balance.

                               4. These
   Lokale Bündnisse beziehen an Hochschulstandorten die
   Interessen von jungen Eltern bei der Vereinbarkeit von Familie,
   Studium und Forschung mit ein. Familienfreundlichkeit wird zu
   einem wichtigen Argument, das Absolventinnen und
   Absolventen in der Region hält.

Praxisbeispiel:

                                                                             7
Vertreterinnen der Frankfurter Fachschulen und der Goethe – Universität
beteiligen sich an dem Frankfurter Bündnis für Familien; sie kooperieren mit
dem Träger „Gesellschaft zur Förderung betrieblicher und betriebsnaher
Kindereinrichtungen e.V. Eine Campus-Kita wurde 2006 neu errichtet. Darüber
hinaus gibt es Betreute Kinderzimmer, Eltern-Kind-Räume, Beratung für
studierende Eltern, Berücksichtigung von Mutterschutz, Elternzeit und
Pflegesituationen in Prüfungsordnungen, Teilzeitstudium, alternierende
Telearbeit.

Ein weiteres Praxisbeispiel:
Das Frankfurter Kinderbüro hat mit einer Beschäftigungsgesellschaft und einem
Weiterbildungszentrum (GFFB) eine Notfallbetreuung für Hartz IV-Eltern, aber auch für
ExistenzgründerInnen (und in der Umgebung tätige Unternehmen) installiert.

Ein familienfreundliches Umfeld verbessert vor allem die Bedingungen für
Existenzgründungen; Gründerinnen und Gründer brauchen eine gut ausgebaute
Betreuungsinfrastruktur, besonders in der belastenden Anfangsphase. Gegenwärtig
wird eine Krippe aufgebaut.

                                     5.These
Neue Wege zur flexiblen Gestaltung von Kinder- und Familienzeit,
Öffnungszeiten in Tageseinrichtungen und Arbeitszeit bilden eine
wichtige Grundlage in der Verknüpfung von persönlichen und
betrieblichen Zeitbelangen.

Praxisbeispiel:
Das Frankfurter Bündnis für Familie hat in der Projektgruppe „ Chancen und
Risiken flexibler Betreuungsangebote für Kleinstkinder“ wichtige
psychologische und pädagogische Fragen von langen und differenzierten
Öffnungs- und Betreuungszeiten geklärt und diese gemeinsam mit
Vertreterinnen aus der Wirtschaft unter die Lupe genommen. Der 3. Frankfurter
Familienkongress hat in diesem Jahr unter dem Titel“ Mehr Zeit für Kinder und
Familien“ neue Zeit-Brücken zwischen Familie, Kindertageseinrichtungen und
Unternehmen entwickelt und entworfen.

Fassen wir wichtige Merkmale der Beiträge und Workshops zusammen:

                                                                                    8
•   Kinder brauchen Elternzeit
   •   Angebotsflexibilität unterstützt die Stabilität der Familie
   •   Familiengerechte Arbeitszeit fördert Lebenszufriedenheit
   •   Familienbewusste Personalpolitik bietet Stressentlastung
   •   Zeit-Brücken verringern die Zeithektik in den Familien
   •   Mehr Väterzeit führt zu einer besseren Balance im Alltag
   •   Familienorientierte Öffnungszeiten verringern Zeithektik
   •   Gemeinsame Zeit mit Kindern und Familien ist zu erlernen.

Ich werde in dem folgenden Workshop „Chancen und Risiken der
Flexibilisierung von Arbeitszeiten und Öffnungszeiten für Kinder, Eltern und
Unternehmen“ näher darauf eingehen.

                                       6. These

Die Vielfalt betrieblich geförderter Kinderbetreuung unterstützt u.a.
die Anwerbung und Bindung qualifizierter Arbeitskräfte.
Familienfreundlichkeit wird hier zum Wettbewerbsfaktor. Weiche,
qualitative Effekte beeinflussen Arbeitszufriedenheit und
Lebenszufriedenheit.

Praxisbeispiel
Die Projektgruppe des Frankfurter Bündnisses für Familie „Betriebliche Förderung von
Kinderbetreuung“ hat sich mit einer Vielfalt betrieblich geförderter Kinderbetreuung
auseinandergesetzt. Es existieren in Frankfurt inzwischen 29 Projekte, die z. T.
unterschiedliche Organisationsmodelle von betrieblich unterstützter Kinderbetreuung
verfolgen:
   • Betriebseigene Kindertageseinrichtung
   • Betriebliche Beteiligung an einer Stadtteil-Kita
   • Förderung einer Elterninitiative
   • Überbetriebliche Kooperation mehrerer Unternehmen
   • Finanzierung von Belegplätzen in bestehenden Einrichtungen
   • Betreuung in besonderen Situationen
   • Information/Beratung/Vermittlung
   • Angebotserweiternde Maßnahmen.

Die Projektgruppe ist ein Fundus kreativer Ideen praktischer Firmenbeispiele und
gelebter Zusammenarbeit mit Akteuren aus unterschiedlichen Handlungsfeldern
kommunaler Familienpolitik
                                                                                   9
Das Frankfurter Bündnis für Familien organisiert Fachforen, wo die Ergebnisse von
Projektgruppen der breiten Fachöffentlichkeit vorgestellt werden, vor allem mit dem
Ziel, mit den Entscheidungsträgern aus Politik und Verwaltung Förderkriterien mit
entsprechenden Finanzmitteln zu diskutieren und zu realisieren.

In einer engen Kooperation zwischen FAIF und Prognos sind auf dem
Hintergrund von pädagogischen und betriebswirtschaftlichen die
Wechselbeziehungen und Wechselwirkungen von quantitativen Effekten
sowie den weichen Motivations- und Leistungseffekte untersucht worden.

Die qualitativen Effekte sind weniger greifbar als die quantitativen Effekte und
werden darum häufig als „weiche“ Effekte bezeichnet. Zufriedenheit am
Arbeitsplatz, ein positives Betriebsklima und die Identifikation mit dem
Unternehmen sind von großer Bedeutung für die Leistungsfähigkeit und den
Leistungswillen der Beschäftigten. Mit den folgenden Überschriften aus der
Evaluationsstudie möchte ich Sie neugierig auf die Ergebnisse machen:
          • Motivation und Zufriedenheit: Erfolgreich in Beruf und Familie
          • Betriebsklima: Teamfähige Eltern in familienfreundlicher
             Umgebung
          • Weniger Stress: Dank Flexibilität konzentrierter arbeiten
          • Effizienz und Produktivität: Leistungsfähig wie alle anderen
          • Potenzial von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern voll genutzt.

                                      7. These

Unternehmen profitieren von frühkindlicher Förderung und
Unterstützung von Familien. Moderne Konzepte der Bildung,
Erziehung und Betreuung fördern auf lange Sicht Auszubildende
und Beschäftigte mit höheren fachlichen und sozialen
Kompetenzen.

Praxisbeispiel:
Die Arbeitsgruppe „Familienbildung und Unternehmen“ untersucht den
Fragekreis „Familienkompetenzen – Potential einer innovativen
Personalpolitik“. Akteure wie Familienbildnerinnen, Betriebsräte,
Gleichstellungsbeauftragte, Beauftragte für Chancengleichheit am

                                                                                  10
Arbeitsmarkt der Agentur für Arbeit haben zwei Fragen in den Mittelpunkt ihrer
Fachdiskussion gestellt:
   • Welche in der Familie erworbenen Kompetenzen sind anzuerkennen,
      aufzugreifen und bringen welchen Nutzen für das Unternehmen, die
      Gesellschaft und für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter?
   • Welche Schlüsselkompetenzen werden durch
      Familienbildungsangebote speziell gestärkt und was bieten
      Familienbildungsstätten als Kooperationspartner von Unternehmen?
      (Diskussionen mit Betriebs- und Personalräten, Personalmanagement
      von Union Investment und der Stadt Frankfurt als Arbeitgeber)

Welcher Grundgedanke steht hinter diesem Ansatz?
Neue Strukturen in der Arbeitswelt führen zu immer schnellerem Veralten
technisch-fachlicher Qualifikationen. Diese Veränderungen und die damit
verbundene höhere Komplexität der Arbeitsaufgaben stellen hohe
Anforderungen an die Lern- und Innovationspotentiale der Beschäftigten. In
diesem Zusammenhang gewinnen überfachliche Schlüsselkompetenzen
stetig an Gewicht: Persönliche und soziale Kompetenz, unternehmerische
Kompetenz und Führungskompetenz.

Auf allen Ebenen des Wirtschaftsprozesses sind Innovationsfähigkeit, phantasievolle
Kreativität und vor allem ein enorm hohes Ausbildungsniveau gefragt. Diese
Potentiale des Humanvermögens bedürfen langjähriger Investitionen im
außerökonomischen Bereich. Auf internationalen Finanzmärkten wird der Faktor
„Humanvermögen“ zu einem immer zentraleren Wettbewerbsfaktor eines
Wirtschafts- und Lebensstandortes (Soziales Kapital).

                                       8. These

Kommunen erhalten mit der Mitarbeit in lokalen Bündnissen trotz
angespannter Haushaltslage neue Möglichkeiten der Gestaltung.
Sie können dank besserer Informationen ihre Angebote
zielgerichteter entwickeln. Kooperationen zwischen Kommunen,
Trägern und Wirtschaft führen zu neuen Ressourcen.
Praxisbeispiel

                                                                                      11
In der Kommune Maintal (im Einzugsgebiet von Frankfurt) entwickeln die
verantwortlichen Mitarbeiterinnen aus dem Personalmanagement von
Unternehmen und der Abteilung für Kinder- und Familienförderung der
Kommune das Instrument der Elternbefragung im Unternehmen, um genauer
Bedarfe von Familien zu recherchieren. Hieraus entstehen nicht selten auch
neue Formen der Mix-Finanzierung von Betreuungsangeboten.

Träger und Einrichtungen der Kinder-, Jugend- und Familienhilfe profitieren von
neuen Impulsen der Wirtschaft zur Entwicklung ihres Angebotes. Sie können es
passgenau und bedarfsgerecht gestalten und Ressourcen gezielt einsetzen.
Kooperationen mit der Wirtschaft können zu kreativen Innovationen führen und
zusätzliche Finanzmittel erschließen.

                                       9. These
Positive Auswirkungen eines familienfreundlichen Umfeldes zeigen
sich durch Einkommenseffekte auf die Regionalwirtschaft und die
öffentlichen Haushalte. Eine höhere Erwerbstätigkeit von Eltern mit
kleinen Kindern führt zu Steuermehreinnahmen.

Fallstudien für die Praxis
Die Prognos AG hat in einer Reihe von Kommunen von lokalen Bündnissen für Familie
positive Einkommens- und Steuereffekte berechnet. So wurden u.a.in Jena
regionalwirtschaftliche Beschäftigungseffekte einer Kinderbetreuungseinrichtung
untersucht, die durch flexible Angebote vielen Frauen die Wiederaufnahme ihrer
Arbeit oder überhaupt erst die Aufnahme einer Tätigkeit ermöglichte. Weitere
Beispiele aus Ostfriesland, wo es sich um die Vermittlung von Arbeits- und
Betreuungsplätzen handelte, oder aus Mittelhessen, wo die Gemeinde Wettenberg
von dem Zuzug junger Familien profitiert.

   •   Die positiven Auswirkungen eines familienfreundlichen Umfeldes auf die
       kommunalen Haushalte entstehen durch eine höhere Erwerbsbeteiligung von
       Eltern mit kleinen Kindern und durch die Vermeidung von familienbedingter
       Arbeitslosigkeit.
   •   Oder: Der Mangel an Kinderbetreuungsmöglichkeiten führt zu
       Mindereinnahmen bei der Einkommenssteuer und bei den
       Sozialversicherungsbeiträgen. Familienbedingte Arbeitslosigkeit führt zu
       Mehrausgaben der öffentlichen Haushalte.

   •   Ein weiterer(Brutto-)Einnahmeeffekt für die öffentlichen Haushalte entsteht bei
       der Schaffung von zusätzlichen Arbeitsplätzen im Bereich der Kinderbetreuung

                                                                                   12
und anderer familiennaher Dienstleistungen. Durch bessere
       Betreuungsangebote – vor allem für alleinerziehende Mütter und Väter –
       können Kommunen hier Einsparungen erzielen.
   •   Durch die Bindung und den Zuzug von Familien – in langfristiger Perspektive
       auch durch die häufigere Entscheidung für Kinder – kann die Kaufkraft einer
       Region durch Familienfreundlichkeit nachhaltig gesichert werden.

                                        10.These

Durch den Zusammenschluss von Akteuren aus unterschiedlichen
Bereichen zu einem Lokalen Bündnis und der damit verbundenen
Öffentlichkeitswirksamkeit erhöht sich die Legitimation des Themas
Familienfreundlichkeit entscheidend.

Praxisbeispiel
Einmal im Jahr organisiert das Frankfurter Bündnis für Familie im Zoo die Frankfurter
Familienmesse statt, ein Informationsangebot für Familien. Über 60 Organisationen
und Institutionen aus zahlreichen Handlungsfeldern von Bildung, Betreuung,
Erziehung, Unternehmen, Sport, Kultur, Agentur für Arbeit u.a. nehmen teil. Familien
erhalten hier fundierte und umfassende Auskünfte über passende Angebote und
Betreuung. Die Resonanz ist sehr hoch. Ca. 6.000 Familien besuchen am Sonntag die
Familienmesse und verbinden dies mit einem Zoobesuch. Umfangreiche
Unterstützungsleistungen auf Sponsoringbasis werden von
Unternehmensverantwortlichen geleistet.

Wenn wir die personale Zusammensetzung der Projektgruppen untersuchen, dann
arbeiten hier Akteure aus der IHK, Agentur für Arbeit, engagierte Unternehmen
(u.a.Commerzbank, Merz Pharma, BHF), aber auch IG-Metall-Vorstandsverwaltung,
DGB wie freie und kommunale Träger und Einrichtungen, Kirchen, AWO,
zivilgesellschaftliche Bürgergruppen und Sportvereine mit. Hier findet ein
umfangreicher Informationstransfer statt.

Welche Erfahrungen können wir hier zusammenfassen?
Eine breite Wahrnehmung des Bündnisses begünstigt, dass die Bedeutung des
Themas für Wirtschaft und Kommune eher erkannt wird und Betriebe sensibilisiert
werden.
Beispiel des 1. Frankfurter Familienkongress bei der Commerzbank, wo die Ergebnisse
des 7. Familienberichts und des 12. Kinder- und Jugendberichts referiert und
herangezogen wurden, um auf dieser Grundlage Recherchen und Reformprojekte
der IHK, der Kinder-, Jugendhilfe und Familienbildung zu diskutieren.

                                                                                     13
Die öffentlichkeitswirksame Präsentation der familienfreundlichen
Maßnahmen stärkt das Profil der Unternehmen als familienfreundliche,
attraktive Arbeitgeber in der Kommune. Die Nutzung des öffentlichen Images
ist ein entscheidender Schlüssel für interne Kommunikation und einer
nachhaltigen Familienpolitik.
           • Kompetenzen aus der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
              zusammenbringen mit entsprechenden Synergieeffekten.

Erläuterung zur Medienpartnerschaft mit der FR und Kooperation mit dem HR.
Das Lokale Bündnis trägt wesentlich zur Verbesserung des Informationsflusses
bei. Durch den informellen oder organisierten Austausch und die Bündelung
von Wissen werden relevante Informationen zwischen den Akteuren, aber
auch gegenüber den Familien schneller, genauer, vollständiger und günstiger
vermittelt.

                                  11.These

Lokale Bündnisse aktivieren bürgerschaftliches Engagement. Das
Unternehmen übernimmt lokale Verantwortung. Es engagiert sich
wie ein guter Bürger für die Gemeinschaft. Soziale Ressourcen
werden in Verbindung mit Betrieben und Akteuren aus der
Nachbarschaft mobilisiert.

Praxisbeispiel
Eine besondere Art der Kooperation zwischen den Generationen gibt es seit
2001 in der Kinderbetreuung des Hessischen Rundfunks in Frankfurt. Ehemalige
Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen des Senders betreuen die Kinder
erwerbstätiger Eltern in den gesamten hessischen Schulferien. Dieses
nachahmenswerte Projekt wird von allen Beteiligten als hervorragende
Ergänzung der eher spärlichen Regelbetreuungsangebote und vor allem als
persönliche Bereicherung wahrgenommen.

Wir beobachten seit ca. 5 Jahren einen Prozess des Umdenkens und der
Neubestimmung des eigenen Selbstverständnisses von Unternehmen. Unter
Schlagworten wie Corporate Citizenship wird über die lokale Verantwortung
auch der global agierenden Unternehmen nachgedacht und zahlreiche
Projekte im Dritten Sektor gefördert („Social Day“ – Maltheser).

                                                                            14
Corporate Citizenship ist das gesamte über die eigentliche Geschäftstätigkeit
hinausgehende Engagement des Unternehmens zur Lösung gesellschaftlicher
Probleme. Es ist der Versuch, ein Unternehmen auf möglichst vielfältige Weise
positiv mit dem Gemeinwesen zu verknüpfen, in dem es tätig ist. Für dieses
Engagement sollen alle Arten von Ressourcen des Unternehmens unter
besonderer Berücksichtigung seiner spezifischen Kompetenzen genutzt
werden. Es geht um ein freiwilliges Engagement der Mitarbeiter, das
gegenüber möglichst vielen Zielgruppen bewusst und gezielt kommuniziert
werden soll. Corporate Citizenship geht damit deutlich über bisherige
Sponsoringaktivitäten von Unternehmen hinaus. Es ist vielmehr eine langfristige
Investitionsstrategie zur Bildung und Sicherung von sozialem Kapital am
Standort.

Um es auf den Punkt zu bringen: Soziale Kompetenz und soziale
Verantwortung werden zukünftig zu Faktoren des Wettbewerbs. Tief greifende
technologische und ökonomische Veränderungsprozesse führen dazu, dass
immaterielle Phänomene wie Information, Wissen, Kreativität und soziale
Kompetenz mehr und mehr in den Produktwert eingehen. Immaterielle Werte
und Bindungen bestimmen damit verstärkt die materielle Wertschöpfung.

                                     12.These

Lokale Bündnisse fördern die Beteiligung von Familien und treffen damit
genauer deren Bedürfnisse. In besonderer Weise gilt dies für Projekte der
Stadtentwicklung in den Innenstädten. Der wirtschaftliche Erfolg des
Einzelhandels verbessert sich; es wird mehr Raum für Familien geschaffen.

Praxisbeispiel:
Aus Meschede, wo der Arbeitskreis „LebensraumStadt“ Konzepte und Aktionen
entwickelt, um die Innenstadt für Kinder und Familien attraktiver und sicherer zu
gestalten.
Familienfreundliche Einzelhandelsgeschäfte werden mit dem „ Prädikat:
Familienfreundlich!“ ausgezeichnet. Diese Initiative ist im Mescheder Einzelhandel in
Form von Aufklebern stets gegenwärtig. Den Aufkleber erhalten Händler, die in ihren
Geschäften bestimmte familienfreundliche Voraussetzungen erfüllen, z.B. durch
Spielecke, Wickeltisch oder barrierefreien Zugang, Spielzonen.

Das Plus dieser Bündnisarbeit: In Kooperation mit den Beteiligten des Lokalen
Bündnisses konnten Ideen, die bereits vor der Gründung im Stadtmarketingprozess
entwickelt wurden, mit neuem Elan realisiert werden. Der Handel in der Innenstadt
erhält so mehr Attraktivität und wird besser angemessen. Die Sensibilisierung des
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Einzelhandels für das Thema Familienfreundlichkeit hat zudem auch zu einem
verstärkten Interesse der Händler geführt, auf die Wünsche von Familien als
Kundengruppe einzugehen. Damit wird durch das Bündnis sowohl die Basis für den
wirtschaftlichen Erfolg des Einzelhandels der Stadt verbreitert als auch mehr Raum für
Familien in der Stadt geschaffen.

                                  Resümee
                           Auf den Punkt gebracht

   1. Vereinbarkeit ist über weite Strecken des Erwerbslebens erforderlich.
   2. Familienbewusste Personalpolitik lohnt sich betriebswirtschaftlich.
   3. Kompetenzen von Eltern für Arbeitsprozess und Wertschöpfung nutzen.
   4. Die „Zeit-Frage“ als Schnittpunkt verschiedener Lebensfelder
      berücksichtigen.
   5. Betrieblich unterstützte Kinderbetreuung steigert die
      Wettbewerbsfähigkeit.
   6. Ökonomische Notwendigkeit besteht wegen Fachkräftemangel und
      Qualifikationen.
   7. Kooperation und Netzwerke bringen ökonomische Vorteile.

Zum Abschluss:

Im Rahmen einer globalen Gesellschaft und Ökonomie gewinnt die lokale
Gesellschaft und lokale Ökonomie an Bedeutung. Denn die lokale
Gesellschaft und Ökonomie umspannt alle jene Güter und Dienstleistungen,
die in lokalen und regionalen Zusammenhängen erbracht werden, die sich
nicht rationalisieren lassen; bei denen die Nachfrager auf Unikate oder
wenigstens auf persönliche Beziehungen zwischen Produzent und Konsument
Wert legen; wo es nicht nur um Waren, sondern auch um menschliche
Beziehungen geht.

Die strukturelle Rücksichtslosigkeit gegenüber Familien wird angesichts
abnehmender Geburtenraten zunehmend in Frage gestellt werden. Eine
wachsende Gruppe von Ökonomen äußert die Überzeugung, dass im
familienfreundlichen Umbau unserer Industriegesellschaft eine der ganz
großen gesamtgesellschaftlichen Herausforderungen des 21. Jahrhunderts
liegt – in seinem Stellenwert durchaus vergleichbar mit der
Ökologieproblematik.
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Dies begünstigt eine vorausschauende betriebliche Personalplanung und
eine kommunale Familienpolitik, die das Thema „Familienfreundlichkeit als
Standortvorteil der Zukunft“ ins Zentrum künftiger Entwicklungsprozesse rückt.

Literatur:

BMFSFJ/Zentralverband des Deutschen Handwerks (Hrsg.): Familienfreundliche
Maßnahmen im Handwerk. Berlin 2004
BMFSFJ/Europäische Union-Europäischer Sozialfonds (Hrsg.): Betriebswirtschaftliche
Effekte familienfreundlicher Maßnahmen. Berlin 2006.
BMFSFJ (Hrsg.): Erfolgreich für mehr Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Berlin 2009
BMFSFJ: Betrieblich unterstützte Kinderbetreuung. Berlin 2002
Frankfurter Agentur für Innovation und Forschung/Prognos AG in Kooperation mit
Commerzbank AG, Group Human Resources: Evaluationsstudie Modellprojekt Kids &
Co. – Kindertagesstätte. Frankfurt am Main 2009

Gemeinnützige Hertie-Stiftung/Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie
(Hrsg.): Wettbewerbsvorteil Familienbewusste Personalpolitik. Frankfurt 2001
Seehausen, H./ Uhrig, K.: Zugang zu Unternehmen und deren Einbindung als
Bündnispartner. Eine Arbeitshilfe für die Lokalen Bündnisse für Familie. Deutsches
Jugendinstitut. München 2004.
Seehausen, H.: Zwischen Pädagogik und Ökonomie: Flexible Modelle in der
Kinderbetreuung. In: Esch/Mezger/Stöbe-Blossey (Hrsg.): Kinderbetreuung –
Dienstleistung für Kinder. Wiesbaden 2005, S. 173-199.

Dr. Harald Seehausen

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