Innovationsstandort Deutschland - Was ist zu tun? 24.03.2021 Svenja Knoll, LBBW Research Associate
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24.03.2021 Svenja Knoll, LBBW Research Associate Dr. Guido Zimmermann, Senior Economist Innovationsstandort Deutschland Was ist zu tun?
Innovationsstandort Deutschland: Was ist zu tun? Unsere Thesen • Deutschlands Innovationsfähigkeit stagniert. Einige Indikatoren deuten sogar auf eine nachlassende Innovationsfähigkeit hin. Was ist zu tun, um die Innovationsfähigkeit der Unternehmen in Deutschland und der Gesellschaft insgesamt zu befördern? • Wie technischer Fortschritt und Innovationen systematisch gefördert werden können, ist wenig bekannt. Zu sehr spielen schwer zu bestimmende kulturelle und institutionelle Voraussetzungen eine Rolle. • Bei alledem weist die empirische Evidenz darauf hin, dass v. a. Steuerfreibeträge zugunsten von Ausgaben für Forschung- und Entwicklung sowie die Immigration hochqualifizierter Fachkräfte relativ schnell positive Effekte zeitigen. Auch befördern Freihandel und ein starker Wettbewerb auf den Gütermärkten Innovationen. • Innovationen entstehen v. a. durch Freiheit der Gestaltung in Unternehmen und in einer Volkswirtschaft insgesamt. Kulturelle Aspekte sind daher nicht zu unterschätzen. • U. E. bedarf es eines erneuten „Rucks durch Deutschland“, der sich in einer bürokratischen Entschlackung, in Investitionen in die digitale Infrastruktur und in die elektronischen Verwaltung, in Investitionen in die Bildung (und hier v. a. in die MINT-Fächer), sowie generell in einer Hinwendung zurück zu mehr Marktwirtschaft äußert. 24.03.2021 Innovationsstandort Deutschland 2
Ein Blick in die Wirtschaftsgeschichte: Eigenschaften von Innovationen • Innovation ist extrem schwierig zu definieren. Gemeinhin wird unter Innovation die Durchsetzung einer Invention als marktfähiges Produkt oder Dienstleistung verstanden. Eine Innovation ist ein neues Produkt oder eine neue Methode, die zu einem neuen Standard wird. • Aus heutiger Sicht tragen drei Kräfte entscheidend zu einer solchen Leistung bei: Während ursprünglich die entscheidende Bedeutung des Unternehmers als Innovator betont wurde, hat sich zuletzt eine prägende Rolle des Marktes herauskristallisiert. Der dritte strategische Faktor ist die Fähigkeit und Bereitschaft der akademischen und industriellen Forschung, einen substanziellen Beitrag zu anwendungsrelevanten Themen zu leisten. Die genannten Faktoren befinden sich in einer dynamischen Wechselwirkung. • Innovationen und die Innovationsfähigkeit von Ländern und Unternehmen sind extrem schwierig zu messen. Etablierte Messgrößen zur Bestimmung von Innovationsfähigkeiten wie Ausgaben für Forschung und Entwicklung (F&E), Patente oder der Anteil hoch qualifizierter Mitarbeiter fließen unter anderem in Innovationsmessungen wie das European Innovation Scoreboard ein. • Wie entsteht Innovation? Aus der Wirtschaftsgeschichte sind folgende Charakteristika bekannt: Innovation ist graduell, Sprunginnovationen sind selten. Eine Innovation ist eine Invention in Form eines marktfähigen Produkts oder Dienstleistung. Innovation geschieht oft durch zufällige Entdeckung. Innovation geschieht durch Rekombination vorhandener Technologien. Innovation impliziert einen Prozess von „Versuch und Irrtum“. Innovation ist ein „Mannschaftssport“. Innovationen werden oft gleichzeitig von unterschiedlichen Akteuren lanciert, aber nur eine Innovatorin oder ein Innovator setzt sich auf dem Markt durch. Innovation unterliegt einem Hype-Cycle der Aufmerksamkeit: Ihre Bedeutung wird oft kurzfristig überschätzt, langfristig unterschätzt. Innovation wird durch eine fragmentierte Governance befördert. Kleinere Strukturen sind innovationsfreundlicher als große. Innovation impliziert weniger Ressourcenverbrauch durch eine zunehmende Dematerialisierung. Innovation geschieht „bottom-up“: Der Staat kann Innovationen befördern, eine Industriepolitik führt aber meist nicht zum Ziel. Innovation ist wechselseitig mit der Wissenschaft verbunden. Nicht die Innovationen, sondern deren Akzeptanz durch die Konsumentinnen und Konsumenten ist entscheidend für den Erfolg. Große Unternehmen sind weniger innovativ als kleine, es sei denn, sie sind durch intensiven Wettbewerb dazu gezwungen. Quelle: Matt Ridley: How Innovation works, London, 2020; Innovationskraft des deutschen Mittelstands, Studie im Auftrag des DIHIK, 2020 24.03.2021 Innovationsstandort Deutschland 3
Sprunginnovationen: In Deutschland zwar häufiger als gedacht, … • Eine aktuelle, vom DIHK in Auftrag gegebene Studie unter 70 hochinnovativen Unternehmen stellt fest: Sprunginnovationen kommen in deutschen Betrieben häufiger vor als gedacht – die Öffentlichkeit bekommt aber oft nichts davon mit. Begünstigt werden Innovationen nicht zuletzt durch externe Schocks wie die Corona-Krise. • Eine disruptive Innovation, die zu einer sprunghaft steigenden Nachfrage mit marktverändernder Wirkung führt, ist in Deutschland sogar eher die Regel als die Ausnahme. Sowohl schrittweise verbesserte Produkte als auch bahnbrechend neue Produkten können eine marktverändernde Wirkung mit sich bringen. Dabei finden Disruptionen bei den befragten Unternehmen oft in hochspezialisierten Geschäftsbeziehungen mit anderen Firmen statt. Diese sogenannten B2B-Märkte sind keine Massenmärkte, die das Erleben der Konsumenten verändern, sie beeinflussen vielmehr die Gewohnheiten von Produzenten. Sprunginnovationen sind daher in der Öffentlichkeit nicht so präsent, wie ihre Bedeutung es vermuten ließe. • Zwar ist die Anzahl derjenigen Unternehmen, die fähig sind, eine radikal neue Technik auf neuen Märkten zu platzieren, insgesamt eher klein. Volkswirtschaftlich gesehen spielen radikale Neuheiten wie mRNA-Vakzine jedoch eine unverzichtbare Rolle. • Radikale Innovatoren sind gemäß der DIHK-Studie oftmals forschende Unternehmerinnen oder forschende Unternehmer. Deren Betriebe sind eher klein als groß. Forschende Unternehmer weisen einen hohen akademischen Bildungsgrad auf, zeichnen sich auf Seiten der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter durch eine große Neugier für Neues aus und beliefern häufig Pioniermärkte sowie frühe Anwender. Sprunginnovationen „fallen nicht vom Himmel“, sondern sind das Ergebnis akribischer unternehmerischer Arbeit in Labors und Werkstätten – häufig in engem Austausch mit der Wissenschaft. Quelle: DHIK 24.03.2021 Innovationsstandort Deutschland 4
… aber: Insgesamt schwächelt der Innovationsstandort Deutschland Ranking im Bloomberg Innovation Index 2021 • Im weltweiten „Bloomberg Innovation Rating“ rutschte Deutschland im Jahr 2021 von Platz 1 im Jahr zuvor auf Platz 4 ab und wurde von Südkorea, Singapur und der Schweiz überholt. Auch beim gemeinsamen Innovationsindikator des BDI, des ZEW und des Fraunhofer Instituts liegt Deutschland auf Platz 4; in diesem Ranking werden lediglich 35 Länder untersucht. • Die Indizes setzen sich jeweils aus verschiedenen Komponenten zusammen, die neben tatsächlichen Erträgen (z.B. in Form von Patentanmeldungen) auch die zugehörigen Voraussetzungen im Land sowie die Diffusion, also die Anwendung der Innovation in der Wirtschaft, bewerten. • Deutschland weist zwar in einigen Feldern Stärken auf, kann sich aber in keinem Bereich an die Spitze setzen. • Besonders gut schnitt Deutschland bei der Anzahl der Hochtechnologie-Unternehmen ab. Im Bereich „Wertschöpfung im Verarbeitenden Gewerbe“ des Bloomberg-Index belegte Deutschland Rang 6, nicht zuletzt aufgrund der Kapazitäten im Maschinenbau. • Zwar etwas weniger stark, aber noch immer unter den Top 15, zeigte sich Deutschland bei den Patentanmeldungen. Dies ist insbesondere auf die hohe Patentaktivität in den Branchen Fahrzeug- und Maschinenbau, Elektrotechnik und Chemie- / Pharma zurückzuführen. Quelle: Bloomberg, LBBW Research. 24.03.2021 Innovationsstandort Deutschland 5
Deutschlands Innovationsfähigkeit stagniert Gesamtergebnis des ZEW-Innovationsindikators 2020 Rang Land Indexwert • Deutschland belegte im ZEW-Innovationsindikator 2020 erneut den 4. Platz. Deutschland trat damit im Vergleich zu seinen direkten 1 Schweiz 74 Wettbewerbern auf der Stelle. 2 Singapur 70 • Deutschland erzielte in wichtigen Themenfeldern trotz guter 3 Belgien 60 wirtschaftlicher Lage keine Fortschritte. Unter anderem im Bereich der Forschungsexzellenz rangierte Deutschland mit tendenziell nach unten 4 Deutschland 54 zeigendem Trend im Mittelfeld. 5 Schweden 54 • Auch in Bezug auf das Thema innovationsgetriebene 6 Dänemark 52 Systemtransformation taten sich Schwächen auf. So lagen die Investitionen in den Kapitalstock sowie in Forschung und Entwicklung zu 7 Irland 52 niedrig, um das deutsche Innovationssystem zukunftsfähig zu machen. 8 USA 52 • Im Jahr 2000 hatte sich Deutschland bei 43 von 58 Technologien über 9 Österreich 50 einen Platz unter denjenigen drei Ländern freuen dürfen, die im Besitz der meisten Weltklassepatente waren. Im Jahr 2010 belegte Deutschland 47- 10 Finnland 50 mal einen Platz unter den Top 3. Bis 2019 hat sich dieser Wert auf 22 13 Südkorea 50 Technologien mehr als halbiert. 15 Frankreich 45 • In keiner der Technologien der Digitalisierung und Infrastruktur gehört Deutschland noch zu den drei führenden Ländern. Im Bereich 18 Israel 44 Digitalisierung liegt es nur in zwei der sechs Technologien noch auf einem 20 Japan 41 der ersten fünf Plätze (Künstliche Intelligenz, Virtual / Augmented Reality). 26 China 13 Der Innovationsindikator misst die Innovationsleistung von 35 Ländern mithilfe von Indikatoren, die die gesamte Breite eines Innovationssystems abbilden. Er verdichtet diese Quelle: ZEW-BDI-Fraunhofer Innovationsindikator 2020, Bertelsmann-Stiftung: Indikatoren anhand eines Gesamtindexes und ermöglicht damit ein Ranking der untersuchten Weltklassepatente in Zukunftstechnologien – Die Innovationskraft Ostasiens, Nordamerikas Volkswirtschaften. und Europas 24.03.2021 Innovationsstandort Deutschland 6
Deutschlands Innovationsfähigkeit stagniert Gesamtranking Deutschlands seit 2000 im ZEW-Innovationsindikator Rang 2000 2005 2010 2015 2020 1 Schweiz Schweiz Schweiz Schweeiz Schweiz 2 Schweden Schweden Singapur Singapur Singapur 3 USA USA Schweden Belgien Belgien 4 Finnland Finnland Deutschland Deutschland Deutschland 5 Belgien Singapur Finnland Finnland Schweden 6 Singapur Niederlande Niederlande Großbritannien Dänemark 7 Israel Kanada Norwegen Dänemark Irland 8 Kanada Dänemark Österreich Schweden USA 9 Frankreich Belgien USA Österreich Österreich 10 Deutschland Deutschland Belgien Niederlande Finnland Der Innovationsindikator misst die Innovationsleistung von 35 Ländern mithilfe von Indikatoren, die die gesamte Breite eines Innovationssystems abbilden. Er verdichtet diese Indikatoren anhand eines Gesamtindexes und ermöglicht damit ein Ranking der untersuchten Volkswirtschaften. Quelle: ZEW-BDI-Fraunhofer Innovationsindikator 2020 24.03.2021 Innovationsstandort Deutschland 7
Deutschland ist nirgendwo Spitze! Indikatorenwerte der fünf Subindikatoren des ZEW-Innovationsindikators 2020 Subindikatoren Rang Wirtschaft 7 Wissenschaft 12 Bildung 11 Staat 9 Gesellschaft 12 Der Innovationsindikator misst die Innovationsleistung von 35 Ländern mithilfe von Indikatoren, die die gesamte Breite eines Innovationssystems abbilden. Er verdichtet diese Indikatoren anhand eines Gesamtindexes und ermöglicht damit ein Ranking der untersuchten Volkswirtschaften. Quelle: ZEW-BDI-Fraunhofer Innovationsindikator 2020 24.03.2021 Innovationsstandort Deutschland 8
Corona-Krise: Spontane Prozessinnovationen im Mittelstand Art der in der Corona-Krise vorgenommenen Innovationen 2020 • Das KfW-Mittelstandspanel erhebt regelmäßig Daten zu Innovations- aktivitäten deutscher Mittelstandsunternehmen. Als Innovatoren gelten dabei Firmen, die in den vergangenen drei Jahren mindestens eine Innovation hervorgebracht haben. • Im Jahr 2020 stellte die Corona-Pandemie eine besondere Herausforderung dar: Einerseits waren kreative Lösungen gefragt, andererseits beeinträchtigten Sparmaßnahmen die Finanzierung der Aktivitäten. • Reagierten die Unternehmen zu Beginn noch erfinderisch auf die Krise, vor allem mit Geschäftsmodellen und im Bereich Digitalisierung, so führte die zunehmend angespannte finanzielle Lage schnell zu einem Rückgang der Innovationen. Während 10% der Mittelständler ihre jeweiligen Innovationsaktivitäten steigerten, fuhren 25% der Unternehmen diese zurück. Insbesondere kleinere Unternehmen mit weniger als zehn Beschäftigten kürzten ihre Innovationsausgaben. Andererseits hielten diejenigen Wirtschaftszweige, die schon in den vergangenen Jahren eine Vorreiterrolle einnahmen, ihre Innovationsaktivitäten am häufigsten aufrecht. In diesem Zusammenhang sind insbesondere das Verarbeitende Gewerbe und der Dienstleistungssektor zu nennen. • In der Krise dominieren spontane Prozessinnovationen, also die Erneuerung oder Verbesserung von Herstellungs- und Vertriebsverfahren, mit 21% vor Geschäfts- und Produktinnovationen (jeweils 14%). Damit liegt der Anteil an innovativen Unternehmen auf einem rekordhohen Niveau, wie es auch in der letzten Wirtschaftskrise 2008/09 so nicht zu beobachten war. Quelle: KfW, LBBW Research 24.03.2021 Innovationsstandort Deutschland 9
Planbudgets für Innovationen: Großunternehmen mit leichten Zuwächsen, KMUs mit Rückgängen • Die kürzlich erschienene Studie des ZEW zu den Innovationsaktivitäten deutscher Unternehmen, die das Jahr 2019 und die diesbezüglichen Planzahlen für das Jahr 2020 umfasst, zeigt auf, dass die deutschen Unternehmen 2019 so viel Geld für Innovationen ausgaben wie nie zuvor. Die Studie zeigt des Weiteren, dass der internationale Wettbewerb härter wird und der Blick gerade auf die kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) in unserem Land gerichtet werden muss: Denn während die Großunternehmen ihre Innovationsbudgets im Jahr 2020 fast stabil hielten, rechnen die KMU mit einem Rückgang des Innovationsbudgets von knapp neun Prozent. • Je nach Branche zeigt sich allerdings ein differenziertes Bild: Eine positive Entwicklung ist nur in den Branchen Chemie/Pharma und Informations- und Kommunikationsdienstleistungen zu beobachten. Besonders starke Rückgänge verzeichneten hingegen die Unternehmensdienstleistungen, die Metallindustrie, die Konsumgüterindustrie und der Großhandel. • Für 2021 sind die Planzahlen der Unternehmen laut ZEW-Umfrage von sehr hoher Unsicherheit geprägt. Mit Stand Mitte 2020 zeichnete sich ein leichter Zuwachs um 0,9 Prozent auf knapp 175 Milliarden Euro ab. Wiederum sind es die Großunternehmen, die optimistischer in die Zukunft blicken (plus zwei Prozent), während die KMU ihre Innovationsbudgets auch 2021 zurücknehmen wollen (minus fünf Prozent). Quelle: Innovationen in der deutschen Wirtschaft, ZEW et al. 2020 24.03.2021 Innovationsstandort Deutschland 10
Deutsche Führungskräfte und Innovation: Mehr Zweifel als Optimismus „Die wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen fördern Innovationen nicht“ Anteil der Antworten deutscher Führungskräfte 2019 (in %) 50 • Eine von der Bertelsmann-Stiftung 2019 mit durchgeführte Umfrage 45,2 ergab, dass Führungskräfte in Deutschland die 45 Innovationsfähigkeit der Unternehmen, etwa auf dem Gebiet der 40 37,3 Digitalisierung, überwiegend skeptisch sehen. Obwohl die meisten darin ein strategisch wichtiges Feld erkennen, 35 bestätigen sie gleichzeitig einen technologischen Rückstand und 30 bemängeln die wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen zur Förderung von Innovationen. 25 • Der Umfrage zufolge ist mit 47 Prozent fast die Hälfte der 20 17,5 Führungskräfte der Meinung, dass ihre Unternehmen bei innovativen Technologien, insbesondere bei Künstlicher Intelligenz, Big Data oder 15 Digitalisierung, im Rückstand sind. Ein knappes Drittel von 32 Prozent 10 bestätigt diese Einschätzung zum Teil. Von 20 Prozent wird sie verneint. 5 • Weitere empirische Erhebungen zeigen: Deutsche Unternehmen 0 investieren zu wenig in Wissenskapital, und nur wenige haben eine Ja Teils/Teils Nein innovationsfreundliche Unternehmenskultur. Quelle: Bertelsmann-Stifung: Deutsche Führungskräfte und Innovation: Mehr Zweifel als Optimismus, April 2020 24.03.2021 Innovationsstandort Deutschland 11
Die Innovationsformel Treiber von Innovationen und Ansatzpunkte für die Wirtschaftspolitik • Treiber des • Ansatzpunkte für die technischen Fortschritts Wirtschaftspolitik Technischer Fortschritt = Globale Innovationen • Der technische Fortschritt eines Innovationen v. Landes wird durch schwierig zu • Forschungsförderung messende und zu Forschungslaboren beeinflussende Faktoren bestimmt. • Wenig Bürokratie; Anpassungsfähigkeit • Vieles deutet aber darauf hin, niedrige Steuern dass eine offene Gesellschaft mit der Unternehmen einer ausgeprägten Unternehmerkultur sowie einem grenzüberschreitender • Freihandel und Fokus auf naturwissenschaftliche globaler Fächer dem Innovationsklima Technologietransfer eines Landes sehr förderlich ist. Talentwettbewerb • Die Abbildung zeigt stilisiert die Bildung • MINT-Fächer empirische Evidenz für Treiber des technischen Fortschritts und implizit die Ansätze für die Wirtschaftspolitik bei der Unternehmerkultur • Steuerliche Anreize, positiven Beeinflussung dieser Wirtschaftswissen in Treiber auf. der Schule, etc. Quelle: Phelps, Edmund (2017) “The Dynamism of Nations: Toward a Theory of Indigenous Innovation,” Capitalism and Society: Vol. 12: Iss. 1, Article 3, LBBW Research 24.03.2021 Innovationsstandort Deutschland 12
Ausgaben für Forschung und Entwicklung (FuE): Deutschland muss nachlegen! FuE-Ausgaben ausgewählter Länder (in % des BIPs) • Während sich die Anzahl der Patentanmeldungen und Promovierten auf die gegenwärtige Leistung bezieht, geben Ausgaben für Forschung und Entwicklung (FuE) sowie die Qualität der Hochschulbildung Hinweise auf das Innovationspotenzial der Zukunft. • Laut Destatis lagen die FuE-Ausgaben 2019 von Staat und Wirtschaft zusammen bei 109,5 Mrd. EUR. Das entspricht rund 3,2% des BIP. Im internationalen Vergleich liegt Deutschland damit zwar in der Spitzengruppe, innerhalb dieser allerdings am unteren Ende. Quelle: Bloomberg, LBBW Research 24.03.2021 Innovationsstandort Deutschland 13
Ausgaben für Forschung und Entwicklung (FuE): Deutschland muss nachlegen! Öffentliche und private Bildungsausgaben je Studierenden 2017 (in US-Dollar) • Den größten Rückstand zur Spitze zeigt Deutschland im Bereich Hochschulbildung. Die öffentlichen und privaten Ausgaben je Studierenden liegen im BDI-Ranking auf Platz 12, im Bloomberg-Index kommt Deutschland beim Thema Bildung nur auf Rang 23. • Auch benötigt es Investitionen in die Weiterbildung von Fachpersonal. • Die Exzellenzrate, die den Anteil an den am häufigsten zitierten wissenschaftlichen Publikationen angibt, befindet sich seit mehreren Jahren in einer Seitwärtsbewegung auf mittlerem Niveau. Quelle: BDI, LBBW Research 24.03.2021 Innovationsstandort Deutschland 14
Fokus auf FuE-Steuerfreibeträge und hochqualifizierte Immigration! Ranking verschiedener Politikmaßnahmen nach ihrer Effektivität Politik Empirische Evidenz Kosten-Nutzen Zeithorizont FuE-Steuerfreibeträge Hoch Hoch Kurzfristig Immigration hochqualifizierter Fachkräfte Hoch Hoch Kurz-bis mittelfristig Freier Außenhandel und Wettbewerbsförderung Mittel Hoch Mittelfristig Direkte FuE-Zuschüsse Mittel Mittel Mittelfristig Angebot von MINT-Studenten Mittel Mittel Langfristig Patent-Sandkästen Mittel Negativ k. A. Anreize f. Universitäten Niedrig Niedrig Mittelfristig Themengeleitete Förderpolitik Niedrig Niedrig Mittelfristig Stärkung intellektuellen Eigentums Niedrig Unbekannt Mittelfristig • Die empirische Evidenz weist darauf hin, dass insbesondere Steuerfreibeträge für FuE-Aufwendungen sowie die Immigration hochqualifizierter Fachkräfte einen schnellen Effekt auf die Innovationsfähigkeit eines Landes haben. • Förderlich sind auch Maßnahmen zur Erhöhung des (globalen) Wettbewerbs auf den Gütermärkten. • Als kontraproduktiv erweisen sich Projekte zur Clusterung von Start-ups, um so Agglomerations- und Spillovereffekte zu erzielen. • Ein Abbau regulatorischer Vorgaben würde das Innovationsverhalten insbesondere kleiner Unternehmen (weniger als 50 Beschäftigte) befördern. Quelle: The impact of regulation on innovation, Philippe Aghion, Antonin Bergeaud, John Van Reenen, CEP No.1744 January 2021; CEP Discussion Paper No 1634, July 2019, A Toolkit of Policies to Promote Innovation, Nicholas Bloom, John Van Reenen, Heidi Williams, LBBW Research 24.03.2021 Innovationsstandort Deutschland 15
Der Mittelstand innoviert anders als Großunternehmen • Ein aktueller Diskussionsstrang zum Innovationsverhalten von Unternehmen unterscheidet konzeptionell zwischen zwei verschiedenen Innovationsarten, dem "Science-Technology-Innovation" (STI)- und dem "Doing-Using-Interacting" (DUI)-Modus: Der STI-Modus zeichnet sich durch Innovationen aus, welche auf wissenschaftlichem Tatsachenwissen beruhen. Dieses Wissen wird tendenziell in Form von Patenten und intellektuellen Schutzrechten kodifiziert und kann dadurch in global organisierten Wissensnetzwerken verteilt und ausgetauscht werden. Lernen erfolgt durch einen offenen Suchprozess nach neuem Wissen. Formelle F&E gilt als wesentlicher Treiber für Innovationen, wie z.B. von neuen Produkten oder Prozessen, welche eine weltweite Marktneuheit darstellen. Innovationsaktivitäten im STI-Modus werden durch die derzeit etablierten Indikatoren, quantitativ sehr gut erfasst. Der DUI-Modus hingegen zeichnet sich durch die Nutzung von implizitem Wissen aus. Dieses Wissen wird von Mitarbeitern durch alltägliche Problemlösungen entwickelt, ist nur schwer kodifizierbar und in lokalen Netzwerken verankert. Innovationen entstehen zum einen durch das Lernen aus täglicher Arbeitserfahrung, welches zur Steigerung der Produktionseffizienz und der Verbesserung von betrieblichen Geschäftsprozessen beiträgt. Zum anderen entstehen sie durch die Nutzung und enge Einbindung externer Wissensquellen wie z.B. von Kunden, Zulieferern und Konkurrenten. Der DUI- Modus zeichnet sich v.a. durch inkrementelle Innovationen aus. Dieser Ansatz ist v. a. für das Innovationsverhalten von KMU charakteristisch. • Die auf der nächsten Seite abgebildeten Einflussgrößen des Innovationsverhaltens des Mittelstands sind bei der Innovationspolitik zu berücksichtigen. Quelle: Innovationskraft des deutschen Mittelstands, Studie im Auftrag des DIHIK, 2020; Deutsches Handwerkinstitut: Harm Alhusen, Till Proeger, Kilian Bizer, Indikatoren für Lern- und Innovationsprozesse, in kleinen und mittleren Unternehmen 24.03.2021 Innovationsstandort Deutschland 16
Der Mittelstand innoviert anders als Großunternehmen Innovationstreiber im Mittelstand • Kunden u. • Extern Nutzer • Learning-by-Using Akteure • Learning-by-Interacting • Learning-by-Doing • Firmeninterne • Technologie Akteure • Learning-by- internal-interacting • Mechanismen zum Wissens- • Aus- u. austausch Weiterbildung • Fehler- • Informelle tolerante Interaktion Kultur Quelle: Innovationskraft des deutschen Mittelstands, Studie im Auftrag des DIHIK, 2020; Deutsches Handwerkinstitut: Harm Alhusen, Till Proeger, Kilian Bizer, Indikatoren für Lern- und Innovationsprozesse, in kleinen und mittleren Unternehmen, LBBW Research. 24.03.2021 Innovationsstandort Deutschland 17
Der Mittelstand innoviert anders als Großunternehmen Prozentualer Anteil der Unternehmen in einem Gewerbe, die einen der fünf Faktoren als wichtig oder sehr wichtig für ihre Innovationen eingeschätzt haben • Unternehmensinterne Faktoren wie Innovationen anderer Gewerbe 55,5 regelmäßige Treffen von Mitarbeitern und 62,9 eine offene Kommunikation von Ideen 87,7 spielen für die Innovationsfähigkeit im Mittelstand eine wesentliche Austausch Zulieferer Rolle. Weiterhin wird die Bedeutung externer Faktoren in Form von 76,9 Austausch mit Kunden und Zulieferern Austausch Kunden 97,8 Innovationen aus anderen Branchen 94,4 als relevant für Innovationen angesehen. Offene Kommunikation 100,0 • Als sehr wichtig für Innovationen werden laut Umfragen der IHK 95,6 Niedersachsen vor allem die Faktoren einer offenen Kommunikation (46,8 %) und der Austausch mit Kunden (45,8 %) Regelmäßige Treffen der Beschäftigten 88,6 eingeschätzt. 85,3 • Häufig „nur“ als wichtig für Innovationen wurden Faktoren wie 0 20 40 60 80 100 120 regelmäßige Treffen von Mitarbeitern (62,4 %) und der Austausch mit Zulieferern (50,0 %) bezeichnet. Herstellung von DV‐Geräten Verarbeitendes Gewerbe • Innovationen aus anderen Gewerben werden eher als wichtig (49,8 %) oder weniger wichtig (34,8 %) eingeschätzt In der Abbildung wurde bewusst das „traditionelle“ Verarbeitende Gewerbe mit Herstellern von Datenverarbeitungsgeräten verglichen, um so die unterschiedliche Bedeutung z. B. beim Austausch mit Zulieferern oder der Rolle der offenen Kommunikation hervorzuheben. Quelle: Innovationskraft des deutschen Mittelstands, Studie im Auftrag des DIHIK, 2020; Deutsches Handwerkinstitut: Harm Alhusen, Till Proeger, Kilian Bizer, Indikatoren für Lern- und Innovationsprozesse, in kleinen und mittleren Unternehmen. 24.03.2021 Innovationsstandort Deutschland 18
Anstehende Legislaturperiode: Prioritäten für die Innovationspolitik setzen! • Für den größten Teil der deutschen Unternehmen hat die aktuelle Krisensituation negative Auswirkungen auf die laufenden oder geplanten Innovationsprojekte. Nach Auffassung der deutschen Expertenkommission EFI (Expertenkommission Forschung und Innovation) kann die Krise jedoch auch als Katalysator für den Übergang zu neuen Technologien genutzt werden und auf diese Weise zur langfristigen Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands beitragen. Das setzt voraus, dass Konjunkturprogramme und wachstumspolitische Maßnahmen F&I-orientiert ausgestaltet werden. • Die Einrichtung des Zukunftsfonds im vergangenen Jahr sollte gemäß EFI die finanziellen Rahmenbedingungen für die Bereitstellung von Wagnis- und Wachstumskapital verbessern. Die Förderung von Zukunftstechnologien wie Wasserstoff- und Quantentechnologie im Rahmen des Zukunftspakets sind ebenfalls zu begrüßen. Überlegenswert sind Begleitmaßnahmen, die die Effektivität wichtiger F&I-politischer Initiativen des Jahres 2020 erhöhen sollen. • Gemäß der EFI sind in der nächsten Legislaturperiode konkret fünf Fokusthemen zu adressieren: „Große gesellschaftliche Herausforderungen angehen“: hier ist v. a. das Thema Nachhaltigkeit und Energiewende angesprochen. „Technologische Rückstände aufholen und vermeiden“: hier sind v. a. die Technologiethemen Servicerobotik, künstliche Intelligenz (KI), autonome Systeme, Cybersicherheitsapplikationen, E-Government, digitale Geschäftsmodelle und die Digitalisierung der Hochschulen angesprochen. „Fachkräftebasis sichern“ durch innovative Bildungs- und Weiterbildungsprogramme für die Digitalisierung der Gesellschaft. und die Immigration hochqualifizierter Fachkräfte. „Innovationsbeteiligung erhöhen“: Die Bedingungen für rentable Innovationsaktivitäten auf breiter Ebene, insbesondere für KMU, sowie für die Beteiligung an F&I-Aktivitäten scheinen sich in den letzten Jahren verschlechtert zu haben. Die Politik muss hier durch einen besseren Erkenntnis- und Technologietransfer sowie ein anderes Vergaberecht mit einer „Priorität für das innovative Angebot“ reagieren. „Agilität der F&I-Politik steigern“: Wie das Corona-Management der öffentlichen Hand schmerzhaft aufzeigt, herrschen bürokratische Strukturen mit langen Entscheidungswegen, unzureichende übergeordnete Koordinationsstrukturen, ein Mangel an Reflexionsräumen, eine gering ausgeprägte Fehlerkultur sowie eine gewisse Scheu vor Evaluation und entsprechenden notwendigen Anpassungen herrschen derzeit vor. Dies muss geändert werden. Quelle: EFI 24.03.2021 Innovationsstandort Deutschland 19
Niedrigere FuE-Produktivität: Notwendigkeit höherer FuE-Ausgaben und flankierende Maßnahmen! Erhöhung der öffentlichen Ausgaben für FuE • Ein Grund für die im Vergleich zu den Erhöhung der Planungs- u. Finanzierungskapazitäten USA niedrigere Innovationstätigkeit in der Kommunen Europa sind die bislang noch ausbaufähige Integration der Europaweite Förderung von FuE europäischen Gütermärkte sowie das Fehlen von Märkten für Risikokapital. zur Schließung der Innovationslücken zwischen Ländern • Ein US-Technologie-Start-up, das auf seinem lokalen Markt erfolgreich ist, Investitionen in Bildung und Fortbildung kann fast mühelos auf kontinentale Größe skaliert werden. Diese Skalierungseffekte sind in Europa Integration der europäischen Gütermärkte bislang weniger gut möglich. Hierzu bedarf es einer weiteren regulatorischen Harmonisierung der Ausbau der Risikokapitalmärkte europäischen Gütermärkte. • Auch fehlt das Risikokapital für Start- ups. Derartige Märkte sind aus historischen Lock-in-Effekten heraus schwierig zu begründen, aber eine stärkere Integration der europäischen Kapitalmärkte kann hier helfen. Quelle: ZEW, FT. 24.03.2021 Innovationsstandort Deutschland 20
Was ist politisch zu tun? Investieren und Produktivitätswachstum zulassen! Investitionen in digitale Infrastruktur Investitionen in digitale Bildung (Infrastruktur und Pädagogik) Investitionen in E-Government Investitionen u. Förderung von Forschung & Entwicklung Förderung von Bio-Tech Fokus auf neue Technologien (z. B. Blockchain, Quantencomputing) Datenschutz als europäisches Exportgut fördern Förderung industrieller künstlicher Intelligenz Förderung von B2B-Plattformen Abbau der Bürokratie Talentorientierte Migration-/Integrationspolitik Förderung der Risikokapitalvergabe Förderung des Arbeitens im Home Office Quelle: ifo 24.03.2021 Innovationsstandort Deutschland 21
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