Wahlprogramm zur Bundestagswahl 2013 - Mehr Demokratie eV
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
Vorwort Liebe Wählerin, Wir wollen ein Konzept einbringen, in dem lieber Wähler, in Zukunft keine Mindestsicherung mehr unter 1.050 Euro liegt. Sie halten das Wahlprogramm der n Starke Schultern müssen mehr tragen Partei DIE LINKE zur als schwache. Das steht sinngemäß sogar Bundestagswahl am im Grundgesetz. Deshalb ist für uns klar, 22. September 2013 dass der Spitzensteuersatz steigen muss, in den Händen. Superreiche eine Millionärsteuer zahlen »100 Prozent sozial« – müssen. DIE LINKE setzt sich als einzige hier ist der Name im wahrsten Sinne des Partei konsequent für gleichwertige Le- Wortes Programm. bensbedingungen in allen Regionen unse- res Landes ein. Gleicher Lohn und gleiche DIE LINKE – das sind gut 64 000 Mitglieder, Rente in Ost und West sind 23 Jahre nach Abgeordnete in Kreis- und Landtagen, der Wiedervereinigung überfällig. Bürgermeisterinnen und Bürgermeister, Landrätinnen und Landräte, Mitglieder des n Bildung und Kultur müssen allen Bundestages und des Europaparlaments. zugänglich sein. Zu oft ist der Bildungs- Ihre Erfahrungen, ihre Erlebnisse und erfolg der Kinder noch vom Geldbeutel ihre Kompetenz sind in dieses Programm der Eltern abhängig. Und Kultur – kreativ eingeflossen. Aber auch Vorschläge von und vielfältig – braucht Freiräume, um Vereinen, Initiativen oder Gewerkschaften, sich entfalten zu können, und öffentliche von einzelnen Interessierten sind von uns Förderung. berücksichtigt worden. Das Programm bündelt unsere Ansätze für ein sozial n Wir glauben nicht, dass militärische gerechtes, demokratisches und selbst- Interventionen die Welt sicherer machen – bestimmtes Miteinander aller Menschen. ganz im Gegenteil. Deshalb wollen wir die Bundeswehr aus ihren Auslandseinsätzen 100 Prozent – das schließt auch Sie, liebe Le- zurückholen und fordern ein Ende der serinnen und Leser, mit ein. Die allermeisten Rüstungsexporte. von Ihnen werden sich auf der Seite derer wiederfinden, die durch unsere Vorschläge Viele Fragen sind erst durch uns auf die entlastet werden, deren Leben einfacher, Tagesordnung gesetzt, viele Forderungen angst- und sorgenfreier wird. Den anderen erst durch unseren Druck von anderen sagen wir, dass Teilen Spaß macht – wenn Parteien diskutiert worden – jede Stimme es allen dient und ein Teil ihres Reichtums für DIE LINKE wirkt. Und wir versprechen: in Bildung, Erziehung und Infrastruktur fließt. Wir bleiben dran. Einige unserer Schwerpunkte möchte ich Dieses Wahlprogramm ist unser Angebot vorab erwähnen: an Sie. Überzeugen Sie sich, kommen Sie mit uns ins Gespräch darüber und treffen n DIE LINKE fordert einen flächendecken- Sie die richtige Wahl – am 22. September. den gesetzlichen Mindestlohn von zehn Euro pro Stunde und eine Mindestrente Mit freundlichem Gruß von 1.050 Euro. Nur so kann Lohndumping verhindert werden, nur so sind Löhne und Renten armutsfest. n Die Hartz-IV-Regelsätze müssen auf 500 Euro erhöht, Sanktionen und sogenannte Matthias Höhn, Bundeswahlkampfleiter »Ein-Euro-Jobs« abgeschafft werden. der Partei DIE LINKE
Wahlprogramm der Partei DIE LINKE zur Bundestagswahl 2013 beschlossen auf dem Bundestagswahlparteitag, Dresden, 14. bis 16. Juni 2013
Inhalt Einführung ................................... 6 Hochschulen jenseits des Marktes ........ 36 I. Solidarität neu erfinden: Demokratische Wissenschaften .......... 37 Gute Arbeit und soziale Damit wir leben können, Gerechtigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 wie wir wollen: Emanzipation Gute Arbeit statt niedriger Löhne und Geschlechtergerechtigkeit . . . . . . . . . . . . 38 und unsicherer Jobs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12 Zeit, Geld und soziale Garantien Mitbestimmung ausbauen für ein gutes Leben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 und Arbeitszeit verkürzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 Diskriminierung von Frauen Soziale Grundrechte umfassend beseitigen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 garantieren statt Schikane und Armut durch Hartz IV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 Wirksamer Schutz vor Gewalt gegen Frauen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 Gute Rente: Lebensstandard sichern, Altersarmut verhindern, Vielfalt stärken: Wahlfreiheit Ost-Renten angleichen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18 der Lebensentwürfe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 Solidarität und Qualität in der Bunt und verlässlich: für eine Gesundheitsversorgung stärken – emanzipatorische Familienpolitik .......... 41 Schluss mit der Zwei-Klassen-Medizin – Kindheit und Jugend – Gesundheit ist keine Ware . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 frei von Armut und Ausgrenzung ........... 42 Gute Pflege: Würde für Kultur für alle – kreativ, Pflegebedürftige, Angehörige vielfältig, dialogorientiert ................... 43 und Beschäftigte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 Kultur- und Kreativwirtschaft Mit Steuern umsteuern: von links . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 Reichtum ist teilbar . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 II. Die Krise überwinden. Umverteilen für soziale Demokratie und Sozialstaat Gerechtigkeit, Bildung und verteidigen – hier und sozial-ökologischen Umbau . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 europaweit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 Profiteure der Krise zur Kasse .............. 25 Für einen gerechten Weg Endlich Steuergerechtigkeit aus der Krise: keine Bankenrettungen herstellen – kleinere und mittlere auf Kosten der Bevölkerung . . . . . . . . . . . . . . . . 47 Einkommen entlasten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 Neustart der Europäischen Union: Für starke Kommunen und eine demokratisch, sozial, ökologisch, bessere öffentliche Infrastruktur . . . . . . . . . . . 26 friedlich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 Das Öffentliche stärken: Enteignung III. Friedlich und gerecht der Bevölkerung stoppen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 in der Welt. Nein zum Krieg ............ 52 Für bezahlbare Mieten und sozialen Konflikte friedlich lösen – Wohnungsbau: Spekulation mit Auslandseinsätze beenden . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 Wohnraum stoppen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 Soziale Gerechtigkeit weltweit ............ 53 Bildung ist keine Ware. Das internationale Recht stärken Gute Bildung für alle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 und Menschenrechte für alle . . . . . . . . . . . . . . 55 Eine Schule für alle ........................... 34 Frieden schaffen ohne Waffen: Gute Ausbildung und Rüstungsexporte verbieten, gute Weiterbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 Abrüstung vorantreiben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55
IV. Die Gesellschaft sozial, ökologisch Freiheit und Sicherheit: und barrierefrei umbauen und Bürgerrechte ausbauen ..................... 75 die Wirtschaft demokratisieren . . . . . . 57 Keinen Fußbreit den Nazis: Ein neues Solidarversprechen Antifaschismus ist gelebte für die Regionen in Ost und West . . . . . . . . . . 57 Demokratie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76 Gerechtigkeit für die Menschen Demokratie für alle, die hier leben. in Ostdeutschland: Gleichwertigkeit Gleiche Rechte für Migrantinnen der Lebensverhältnisse herstellen . . . . . . . . 57 und Migranten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 Regionale Entwicklung und Politik für Minderheiten gleiche Lebensverhältnisse ................ 59 an europäischen Maßstäben ausrichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 Profitlogik in die Schranken weisen . . . . . . . 60 Asylrecht ausbauen, Industriepolitik für die Zukunft: europäischen Flüchtlingsschutz ändern, was wir wie produzieren .......... 61 solidarisch gestalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 Wirtschaft demokratisieren: Selbstbestimmt und mittendrin: von der Mitbestimmung zur eine inklusive Gesellschaft Selbstbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 ohne Hindernisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 Die Macht der Monopole brechen: Für eine moderne Drogenpolitik: Energieversorgung in die Hände Kriminalisierung und Ausgrenzung der Bevölkerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 entgegenwirken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 Mobilität für alle – mit weniger Recht auf Feierabend: Verkehr: flexibel, ökologisch, freie Zeit genießen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 barrierefrei, bezahlbar . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 Demokratisierung Ökologische Lebensstile für alle .......... 68 der Medien: Information Schutz von Boden, Wasser, und Selbstbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 Luft und biologischer Vielfalt .............. 68 Für ein offenes und Die ländlichen Räume zukunftsfähig freies Internet: digitale machen. Natur und Tiere schützen . . . . . . . 69 Spaltungen bekämpfen ..................... 83 Verbraucherinnen und Bekenntnisfreiheit verwirklichen, Verbraucher stärken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 Religionsgemeinschaften Tourismus: ökologisch verträglich gleichbehandeln, Staat und Kirche und sozial gerecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 institutionell trennen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 V. Demokratische Teilhabe: VI. Gemeinsam das Land für eine Demokratie, in der verändern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 es etwas zu entscheiden gibt ......... 73 Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87
Einführung Soziale Gerechtigkeit ist das Programm Werkverträge und Niedriglohn. Viele der LINKEN. Vor der Wahl und nach der arbeiten bis zum Umfallen, und es reicht Wahl, in den Parlamenten und in Ausein- doch vorne und hinten nicht zum Leben. andersetzungen im Betrieb, auf der Straße, Auch das ist ein Ergebnis der Massener- in Initiativen, im Alltag: Wir wollen Armut werbslosigkeit. Wir brauchen Arbeitsplätze, beseitigen und Reichtum umverteilen. von denen es sich gut leben lässt, für alle. Soziale Grundrechte, gute Arbeit für alle Die Renten dürfen nicht nur vor Armut und freie Bildung. Wir wollen die natür- schützen, sie müssen den Lebensstandard lichen Lebensgrundlagen erhalten und für sichern. Endlich auch im Osten Deutsch- künftige Generationen wieder verbessern. lands! Über 20 Jahre nach der Wende Wir wollen das öffentliche gemeinsame ist das Land immer noch gespalten. Eigentum stärken und die öffentliche Wir werden das nicht hinnehmen. Daseinsvorsorge ausbauen und verbessern. Wir haben eine Vision, wie wir den ökolo- Das sind die Interessen, die wir auf- gischen Umbau sozial gerecht gestalten greifen, verteidigen, die uns am Herzen wollen. Wir stehen für den Frieden ein. liegen. Die Lobby der Konzerne und Wir verteidigen die Bürgerrechte und Reichen findet bei uns kein Gehör. Soziale wenden uns gegen den ständigen Abbau Gerechtigkeit und wachsende Ungleichheit von Bürger- und Menschenrechten. Das sind unvereinbar. Ungleichheit aber kann macht von Anfang an unsere Politik aus. nur wirksam bekämpfen, wer den Mut hat, Unsere Überzeugung wechselt nicht, weil Reichtum zu begrenzen und so umzuver- Wahlen sind. Viele reden jetzt – pünktlich teilen, dass er allen zugutekommt. Wir zu Beginn des Wahlkampfes – wieder von knicken nicht vor den Reichen ein: Wir sozialer Politik, aber Worte kosten nichts. wollen Reiche und Reichtum – Millionäre, DIE LINKE macht Druck. Wir wollen dafür Milliardäre, Kapitalvermögen – couragiert sorgen, dass auf Worte Taten folgen. besteuern und sicherstellen, dass sie zur Finanzierung des Gemeinwesens Niemand darf arm werden, weil er oder angemessen beitragen. Wir wollen die sie alt ist, erwerbslos, behindert, chronisch Enteignung der Bevölkerung stoppen. krank oder weil die Eltern arm sind. Wir Wenige sammeln großen Reichtum wollen Armut bekämpfen: Das Hartz-IV- in ihren Händen. Wir wollen ihn in die System muss weg. Stattdessen soll mittel- öffentliche Daseinsvorsorge investieren: fristig eine bedarfsdeckende, sanktions- Bildung, Kinderbetreuung, öffentlicher freie Mindestsicherung eingeführt werden. Verkehr, Gesundheit, Pflege, Wasser, Erwerbslose werden drangsaliert, denn sie Energieversorgung, bezahlbarer Wohn - dürfen auch die schlechtesten Jobs nicht raum – der Bedarf ist groß. So wird ablehnen, Sanktionen drohen. Das erhöht zugleich die Demokratie gestärkt auch den Druck auf die Beschäftigten, und die Teilhabe von allen gesichert. niedrige Löhne und Überstunden zu akzep- tieren. Kinder müssen wirksam vor Armut Bundeskanzlerin Angela Merkel will eine geschützt werden. Wir wollen für Beschäf- »marktkonforme Demokratie«. Dafür stehen tigte wie für Erwerbslose Respekt, Würde wir nicht zur Verfügung. Im Gegenteil: Wir und ein gutes Leben. wollen die sozialen Rechte und die Bürger- rechte stärken. Wir wollen die Macht der Unsere Forderungen sind nicht abstrakt, Banken und Konzerne brechen. Deshalb sondern sehr konkret: Für bessere Löhne treten wir für ein soziales, demokratisches und Arbeitsbedingungen müssen Tarif- und solidarisches Europa ein, das dem verträge leichter für allgemeinverbindlich Klammergriff der Finanzmärkte entzogen erklärt werden können. Der Druck auf die wird. Zwischen den Ländern mögen Grenzen Beschäftigten muss beendet werden: keine verlaufen. Aber die Bevölkerungen und Dumping-Konkurrenz durch Leiharbeit, die Beschäftigten dieser Länder haben 6
gemeinsame Interessen: den Kampf gegen Diskussion – und mit Erfolg. Die anderen Lohndrückerei, Rezession und Massener- Parteien schrecken vor einer Politik der werbslosigkeit. sozialen Gerechtigkeit spätestens dann zurück, wenn es darum geht, Armut und DIE LINKE ist die Partei des sozial-ökolo- Niedriglohn wirksam zu bekämpfen und gischen Umbaus der Gesellschaft. Gerecht die Sozialpolitik mit einer Umverteilung des ist der ökologische Umbau nur, wenn er Reichtums zu finanzieren, den Beschäftig- auch sozial ist. Doch auch umgekehrt gilt: ten in betrieblichen Auseinandersetzungen Der Kampf um globale soziale Rechte muss den Rücken zu stärken und allen denselben die ökologische Frage umfassen. Mit dem Zugang zur Gesundheitsversorgung zu Projekt PLAN B hat DIE LINKE dafür ein sichern. Und Renten so zu erhöhen, Konzept vorgelegt. Wir stehen nicht für eine dass sie nicht nur vor Armut schützen. ökologische Politik zur Verfügung, die nur In diesem Sinne: DIE LINKE macht Druck. die Besserverdienenden im Blick hat und E.ON, Vattenfall & Co. gestattet, die Kosten Gemeinsam können wir Politik entwickeln, der Energiewende auf die Bevölkerung ab- gestalten und Widerständigkeit entfalten. zuwälzen – und die Ärmsten abzukoppeln. Uns bewegt mit anderen zusammen die Energie ist ein Gemeingut, es gehört in die Frage, wie wir morgen leben wollen. Das Hände der Bevölkerung! ist eine Frage der Demokratie: Was stärkt unseren Zusammenhalt, was schafft DIE LINKE ist die Friedenspartei. Wir haben gerechten Zugang für alle, worauf kön- als einzige Fraktion und Partei im Bundes- nen wir in Zukunft verzichten? Wir wollen tag den Auslandseinsätzen der Bundeswehr Erfahrungen und Ideen verbinden, die unser nicht zugestimmt und werden es auch in Zusammenleben friedlicher, produktiver, Zukunft nicht tun. Die deutschen Truppen nachhaltiger und auch sicherer machen. müssen aus Afghanistan sofort abgezogen Wir brauchen keine Banken, die riskant werden. spekulieren und unternehmerische Vorha- ben ausbremsen. Niemand darf wegschau- Die Verantwortung von Deutschland geht en, wenn in einem reichen Land Kinder noch weiter: Waffenexporte und die Produk- morgens mit leerem Magen zur Schule tion von Rüstungsgütern in der Bundesre- gehen. Das ist Ausgrenzung statt Freiheit. publik müssen verboten werden. Waffen- Die Armut von Kindern und Alten in unserer exporte, auch im Rahmen der Europäischen Gesellschaft wächst. Und das ist nur die Union und innerhalb des Militärbündnisses Spitze des Eisbergs von Ungerechtigkeiten, NATO, lehnt DIE LINKE ab. DIE LINKE ist die unser Zusammenleben bedrohen. Wenn die sozialistische Bürgerrechtspartei. Der es aussichtslos ist, Erwerbsarbeit zu finden, Einschränkung und dem Abbau von Grund- wenn das Einkommen entwürdigend ist, und Bürgerrechten haben wir konsequent wenn Menschen mit Behinderung oder widersprochen. Jede andere im Bundestag Asylsuchende gleich mehrfach benach- vertretene Partei hat bislang erhebliche teiligt werden – wenn Existenzangst und Eingriffe in die Bürger- und Menschenrechte Perspektivlosigkeit zum Alltag geworden vorgenommen, die, wenn überhaupt, sind, dann hat die Politik versagt. Die sozi- nur durch das Bundesverfassungsgericht alen und die Freiheitsrechte der Menschen wieder rückgängig gemacht werden werden dabei missachtet und Teilhabe und konnten. Wir wenden uns auch zukünftig Inklusion bleiben auf der Strecke. gegen den Eingriff in Bürger- und Men- schenrechte, denn deren Bestand gehört Unsere Antwort ist demokratisch, kreativ für uns zu den elementaren Bestandteilen und offen für Neues. Wir bringen unter- einer gerechten Gesellschaft. schiedliche Erfahrungen ein: aus den gewerkschaftlichen Kämpfen für gute Diese Positionen und Forderungen machen Arbeit und Sozialstaat, aus feministischen den Kern unserer Politik aus. An ihnen rich- und antirassistischen Bewegungen, aus der ten wir unsere Arbeit im nächsten Bundes- Friedensbewegung. Auch aus dem Aufbruch tag aus. Wir bringen sie immer wieder in die von 1989 gegen repressiven Staatssozialis- 7
mus. Über die Erfahrungen aus dem Staats- ob sie genug Zeit für ihre Kinder finden. sozialismus kritisch zu sprechen, so dass Viele müssen bei schlechter Bezahlung sie nicht die vielfältigen Lebenserfahrungen länger arbeiten, damit sie gerade noch delegitimieren, ist auch eine linke Aufgabe. über die Runden kommen. Andere müssen All diese Erfahrungen bringen wir in unsere in weniger Zeit noch mehr leisten. Viele Politik gegen repressiven Kapitalismus ein, können nicht so lange arbeiten, wie sie für die Stärkung öffentlicher Daseinsvorsorge wollen, andere werden vom Jobcenter in und einen sozial-ökologischen Umbau, schlecht bezahlte Tätigkeiten, unentgelt- gegen Rüstungsexporte, für gute Löhne liche Praktika oder Ein-Euro-Jobs gezwun- und Renten, für soziale Freiheitsrechte. gen. Stress und Erschöpfung gehören bei vielen zum Alltag: bei denen, die niedrige Freiheit für die Menschen, das ist etwas Löhne erhalten, bei den Selbstständigen, anderes als die Freiheit der Märkte oder die um jeden Auftrag kämpfen müssen, die »freie« Konkurrenz, die Menschen in bei denen, die in der Produktion oder im Deutschland und weltweit in Gewinnerinnen Krankenhaus arbeiten. Die Ursachen sind und Gewinner und Verliererinnen und Ver- die gleichen: Vor der Drohkulisse Hartz IV lierer einteilt. Wir wehren uns dagegen, dass und ohne gesetzlichen Mindestlohn können die Ärmsten noch beschimpft werden und Unternehmen leichter Löhne drücken und dass Flüchtlinge wie Kriminelle behandelt Arbeitsbedingungen verschlechtern. Der werden. Auf den sozialen Rissen und Spal- Kapitalismus ist ein auf Profitmaximierung tungen der Gesellschaft bauen alltäglicher ausgerichtetes System, das aktuell immer Rassismus und die Ungleichheitsideologien mehr auf kurzfristige Gewinne an den der Nazis auf. Offensichtlich haben staat- Finanzmärkten setzt. Öffentliche Güter liche Strukturen hier versagt, verharmlost werden privatisiert und auf Profit getrimmt: und vertuscht. Durch soziale Risse und Spal- Wohnen, Wasser- und Energieversorgung, tungen können Sexismus, Antisemitismus, Gesundheit. Die Ausweitung von Leiharbeit Feindlichkeit gegen Schwule, Lesben und und Hungerlöhnen, die Hartz-Gesetze, Transmenschen wachsen. Die Kosten dieser die Rente erst ab 67, die Abschaffung der Risse und Verwerfungen kommen uns letzt- paritätischen Finanzierung der Sozialsys- lich teurer, als die Erneuerung dessen, was teme, die Deregulierung der Finanzmärkte den Zusammenhang stärkt und das soziale und die Steuergeschenke an Konzerne Gewebe der Gesellschaft ausmacht. Dafür sowie die Senkung des Spitzensteuersatzes brauchen wir soziale Investitionen. sind Ergebnis der Politik von CDU, FDP, SPD und Grünen. Diese Umverteilung von unten Die Bundesregierung wirbt mit der Lüge, nach oben ist von SPD und Grünen unter »wir« seien gut durch die Krise gekommen. der Schröder- Fischer-Regierung einge - Drohend zeigen Regierung und Medien auf leitet worden, wurde dann von der großen die Entwicklungen in den anderen Ländern Koalition und jetzt von der Merkel-Regie- in Europa und behaupten, dass es »uns« rung fortgesetzt. Der SPD-Kanzlerkandidat dagegen gut gehe. Gut durch die Krise Steinbrück hat sowohl als Ministerpräsident gekommen sind die Banken, die Reichen – in Nordrhein-Westfalen als auch als Finanz- hier, in Europa und weltweit. Die Gesell- minister in der Großen Koalition diese schaft jedoch treibt auseinander. Die offiziell Politik wesentlich mitgeprägt. gemessene Erwerbslosigkeit ist in Deutsch- land geringer als in anderen Ländern. Eine Gesellschaft, die vorrangig auf Profit Richtig. Doch wenn die Zahlen bereinigt und Markt ausgerichtet ist, kann und will werden, sind es immer noch fünf Millionen die Bedürfnisse und Interessen von immer Menschen. Und was sind das für Arbeits- mehr Menschen nicht befriedigen und führt verhältnisse? Niedriglöhne, Befristungen in die ökologische Katastrophe. Trotzdem und prekäre Arbeitsverhältnisse nehmen macht die Bundesregierung einfach weiter zu. Viele Beschäftigte leiden unter den so. Wenn die Menschen in Europa arm zunehmenden Belastungen an ihrem werden, wenn Löhne und Gehälter überall Arbeitsplatz. Sie machen sich Sorgen, sinken, droht auch in Deutschland die weil Mieten und Strompreise steigen oder Rezession, der wirtschaftliche Abschwung. 8
Die Regierung will die Konkurrenz zwischen n Wir wollen, dass niemand im Alter und den Beschäftigten in Europa verschärfen. in der Arbeit arm ist. Wir fordern einen Sie will den Druck auf die Löhne und Gehäl- gesetzlichen Mindestlohn von zehn Euro ter in Deutschland erhöhen. Sie setzt auf pro Stunde. Die Löhne müssen steigen einen schlanken, ausgehungerten Staat und das Rentenniveau muss wieder auf und damit auf eine marode, arme öffent- 53 Prozent angehoben werden. liche Infrastruktur und Daseinsvorsorge. Die Bundesregierung stellt die Menschen n Wir wollen gute Arbeit statt schlechter, und ihre Ansprüche an ein gutes Leben als ungesicherter und unterbezahlter Jobs. Ursache der Krise dar, statt zu sehen, dass Deshalb wollen wir eine umfassende es die Aufgabe demokratischer Politik ist, Regulierung und Absicherung aller dieses gute Leben für alle Menschen mög- Arbeitsverhältnisse. lich zu machen. Die Loyalitäten der Regie- rung Merkel liegen anderswo. Sie ordnet n Wir wollen öffentliche und soziale Demokratie und soziale Gerechtigkeit Dienstleistungen ausbauen und den öko- den Interessen der Unternehmen und der logischen Umbau voran bringen und so Finanzmärkte unter. Die soziale Ungleich- mit guter Arbeit Erwerbslosigkeit abbauen. heit nimmt zu. Es gibt mehr Arme – und Dazu fordern wir ein Zukunftsprogramm. mehr Reichtum. Das ist die alltägliche Krise. n Wir wollen eine Solidarische Mindestrente Dagegen stehen für uns LINKE die Menschen von 1.050 Euro netto – darunter droht die an der ersten Stelle. Gemeinsam drängen Armut. wir Profitorientierung und Privatisierung zurück, um Raum und Luft für solidarische n Wir stehen dafür, dass die Reichen und Alternativen zu schaffen. Dafür kämpfen Unternehmen an der Finanzierung des wir in den Parlamenten, in den Betrieben, Gemeinwesens gerecht beteiligt werden auf den Straßen, in den Genossenschaften, und privater Reichtum nicht zu öffentlicher in den Bürgerinitiativen. Armut führt. Wir wollen ein Zukunftsprogramm: Es n Hohe Einkommen müssen wieder mit fehlen Kita-Plätze, Schulen, öffentliche einem Spitzensteuersatz von 53 Prozent Dienstleistungen, die Infrastruktur muss besteuert werden. Zudem wollen wir eine verbessert werden. Wir haben in unserem Millionärsteuer auf hohe Vermögen einfüh- Programm Investitionen vorgesehen, die ren und eine Reform der Erbschaftsteuer. sich zusammengenommen auf etwa 100 Milliarden Euro belaufen. Damit wollen wir n DIE LINKE verteidigt die sozialen Grund- die Versorgung der Bevölkerung verbes- rechte der Menschen als Grundlage von sern, Massenerwerbslosigkeit bekämpfen Demokratie und Gerechtigkeit. Wir wollen und den Sozialstaat wieder stärken. Wir eine inklusive Gesellschaft, in der alle wollen die öffentliche Daseinsvorsorge Menschen am gesellschaftlichen Reichtum, ausbauen – durch Investitionen in Bildung, an Kultur und Bildung teilhaben – und mit- Krankenhäuser und Pflege –, die Energie- bestimmen, wie die Gesellschaft sich weiter wende sozial gerecht gestalten und den entwickelt. Wir fordern bessere Leistungen öffentlichen, barrierefreien Personenver- für Erwerbslose und: weg mit dem Hartz-IV- kehr verbessern. Und wir wollen zusätzliche System. Im ersten Schritt müssen die tariflich geschützte Beschäftigung schaffen. Sanktionen beseitigt und die Hartz-IV-Sätze Die Ausgaben dieses Zukunftsprogramms auf 500 Euro erhöht werden. Um Kinder sind durch unser Konzept zur Umverteilung wirksam vor Armut zu schützen, wollen gedeckt. wir eine Kindergrundsicherung einführen. Unser Programm ist machbar, bezahlbar n Wir wollen die Verdrängung von Miete- und ein Einstieg in eine bessere, mensch- rinnen und Mietern stoppen und die Mieten lichere Gesellschaft. In Kürze umfasst es deckeln. Wir brauchen mehr Wohnungen die folgenden Punkte: mit Sozialbindung. 9
n Wir stehen für ein friedliches, weltoffenes zu den Gerichten muss gesichert und staat- und solidarisches Europa, in dem gemein- liches Handeln wieder an rechtsstaatlichen sam Sozialstandards ausgehandelt und die Grundsätzen ausgerichtet werden. Reichen über Vermögensabgaben an der Finanzierung beteiligt werden. n Wir wollen eine solidarische Gesund- heitsversicherung: eine Kasse für alle. Alle n Die Finanzmärkte und Banken müssen zahlen ein, alle werden gleichermaßen gut wirksam kontrolliert und in den Dienst der versorgt. Alle Zuzahlungen und Zusatzbei- Gesellschaft gestellt werden. Wir wollen träge werden abgeschafft, und die paritä- eine Finanztransaktionsteuer und eine tische Finanzierung wird wieder hergestellt. europaweite einmalige Abgabe für Für die meisten werden die Beiträge sinken, Vermögen über einer Million Euro. die private Krankenversicherung wird auf Zusatzversicherung beschränkt. n Wir wollen Wirtschaft und Gesellschaft ökologisch umbauen und dabei die soziale n DIE LINKE ist die Partei des Friedens – Frage ins Zentrum des Umbaus rücken. die einzige im Parlament. Wir stehen für Die Grundversorgung mit Energie muss als einen sofortigen, bedingungslosen Abzug Grundrecht gewährleistet, die Verschwen- der Bundeswehr aus den Auslandseinsätzen dung von Energie eingedämmt werden. Die und den Stopp von Waffenexporten. Die Versorgung darf nicht in den Händen von Produktion von Waffen muss beendet und – Konzernen liegen. Strom- und Gassperren unter Beteiligung der Belegschaften – in wollen wir verbieten. Mittelfristig soll der eine Produktion von zivilen Gütern über- Nahverkehr kostenfrei zur Verfügung stehen führt werden. und das Angebot ausgebaut werden. Wer will, kann schnell in eine machbare n Wir wollen Bürgerrechte stärken und andere Politik einsteigen: Einführung die sozialen Grundlagen der Demokratie des Mindestlohns von zehn Euro die Stunde, ausweiten. Den Einfluss der Wirtschafts- Zurückdrängen von Leiharbeit, Befristungen lobby auf die Politik wollen wir beenden. und Minijobs, Erhöhung der Renten, Rück- Demokratie bedeutet, dass gemeinsam und nahme der Rente erst ab 67 Jahren, Lohn- öffentlich über wichtige Dinge des Lebens und Rentengerechtigkeit in Ostdeutschland, entschieden wird. Dafür muss öffentliches solidarische Gesundheitsversicherung, Eigentum gestärkt und die Beteiligung der Vermögensteuer, Abschaffung der Hartz- Menschen sichergestellt werden. Es gibt IV-Sanktionen und Anhebung der Hartz-IV- viele Möglichkeiten: Die Mitbestimmung in Sätze auf 500 Euro, Abzug aus Afghanistan den Unternehmen wird ausgebaut. Private und Beendigung aller Auslandseinsätze der Unternehmen der öffentlichen Daseinsvor- Bundeswehr, Verbot von Waffenexporten – sorge werden rekommunalisiert. Genossen- das sind Entscheidungen, die eine neue schaften im Wohnungsbau werden gestärkt. Regierung sofort treffen könnte, das sind Die Möglichkeiten werden verbessert, dass unsere Sofortforderungen für einen Belegschaften ihre Betriebe übernehmen Politikwechsel. oder Genossenschaften gründen. Für uns sind diese Maßnahmen nur ein n Wir setzen uns gegen die Zerstörung des Anfang. Sie können Einstiege in ein neues Sozialstaates mit der »Schuldenbremse« Modell von Gesellschaft sein, eine Alterna- und daher für ihre Abschaffung aus dem tive zum Finanzkapitalismus. Ein Modell des Grundgesetz und allen Landesverfassungen Miteinanders, der praktischen Solidarität. ein. Solidarität ist nicht ein Aufruf zum persön- lichen Verzicht. Die Idee der Solidarität n Statt Überwachung, Einschränkungen drückt sich darin aus, wie wir unsere Gesell- des Rechtsschutzes und schleichenden Ver- schaft organisieren: in der gemeinsamen lusts von rechtsstaatlichen Standards muss Gestaltung des öffentlichen Lebens und der eine Umkehr stattfinden. Datenschutz muss öffentlichen Infrastruktur; in einem verant- gewährleistet, der – auch soziale – Zugang wortlichen und zukunftsfähigen Modell des 10
Wirtschaftens, das Soziales und Ökologi- öffentlichen Leben. Wir machen keine sches verbindet, das Klassen überwindet Politik stellvertretend für andere. Wir sind und das der Demokratie dient und ihr nicht Teil der Vielen, die für mehr Gerechtigkeit schadet. Wir wollen einen demokratischen – und Freiheit, Würde und Gemeinsinn freiheitlichen, ökologischen, lustvollen – kämpfen. Unsere Vorstellungen und Sozialismus gestalten. Auf dem Weg dahin Konzepte, unsere Theorien und Glaubens- gilt es, viele Schritte zu gehen. Sie beginnen vorstellungen mögen unterschiedliche sein. bei den Nöten und Sorgen, Wünschen und Gemeinsam ist uns: Wir mischen uns in Träumen der Menschen. soziale Kämpfe ein, unterstützen Initiativen, soziale Bewegungen und Gewerkschaften. Wir haben ein Programm machbarer Alter- Und wir geben denjenigen eine Stimme, nativen, das wir zusammen mit möglichst die von der Politik allein gelassen werden, vielen anderen weiterentwickeln und um- denen existenzielle Not und fehlende setzen wollen. Wir entwerfen ein Bild einer Perspektiven den Mut genommen haben. veränderten Bundesrepublik: Sie ist sozial Unser Platz ist an ihrer Seite – und das gerechter, macht Ernst mit der Energiewende, bleibt auch so. sie ist friedlich mit Blick auf internationale Verantwortung und arbeitet auf ein solida- Wir setzen uns für die Stärkung des risches Europa hin. Sie ermöglicht allen – Öffentlichen, für mehr Selbstbestimmung unabhängig von der Herkunft – an Bildung und damit für mehr Demokratie ein, machen und Entwicklung, überhaupt am gesell- Druck auf andere Parteien, damit sie eine schaftlichen Reichtum teilzuhaben. andere Politik verfolgen. Veränderungen gelingen nur mit den Alle großen Veränderungen beginnen mit Menschen. Deshalb bedarf es auch eines ersten, entschlossenen Schritten. Unser neuen demokratischen Alltags: in den Parla - Programm für die Bundestagswahl ist eine menten ebenso wie in den Betrieben und im Einladung, den Weg mit uns zu gehen. I. Solidarität neu erfinden: Gute Arbeit und soziale Gerechtigkeit Der Einstieg in eine gerechte Gesellschaft dass für Bildung und Kindererziehung bedarf mehrerer Entscheidungen gleich- eine ausreichende und gute öffentliche zeitig: Armut und Reichtum abgrenzen, Infrastruktur bereitgestellt wird. Auch also mit Steuern und Abgaben für die wer wenig Geld hat, muss die Möglichkeit Reichen die Gelder einnehmen, mit denen haben, seine Gesundheit gut zu erhalten. öffentliche Dienstleistungen und eine gute Jede und Jeder hat das Recht auf Arbeit Infrastruktur finanziert werden können; und das Recht, konkrete Arbeitsangebote die ungleichen Einkommen regulieren und abzulehnen, ohne Sperrzeiten oder andere verhindern, dass die Menschen sich arm Sanktionen fürchten zu müssen. arbeiten; die Massenerwerbslosigkeit be- kämpfen und die Erwerbslosen vor Entwür- Eine solidarische Gesellschaft muss Reich- digung schützen; gesellschaftliche Teilhabe tum von oben nach unten, von privat nach garantieren und verhindern, dass die Angst öffentlich verteilen und damit auch Neues vor Hartz IV die Menschen in schlechte schaffen: vor allem eine leistungsfähige Arbeitsverhältnisse zwingt; verhindern, öffentliche Daseinsvorsorge – Bildung, dass der Job das ganze Leben beherrscht, Gesundheit, Kultur, Verkehr, Energiever- so dass Zeit bleibt für Erholung, Familie, sorgung etc. – für alle bereitstellen. Dabei Spaß, auch um sich politisch einzumischen; geht es um große Investitionen ebenso ein Leben im Alter mit gesichertem Lebens- wie um die kleinen praktischen Schritte standard garantieren. Es muss sicher sein, für einen besseren Alltag, beispielsweise 11
ein unentgeltliches warmes und gesundes Zusätzlicher materieller und psychischer Mittagessen in allen Kitas und Schulen. Druck entsteht aufgrund unsicherer Es ist nur gerecht, zur Finanzierung dieser Arbeitsverhältnisse. Andere wiederum Maßnahmen diejenigen sehr viel stärker leiden, weil sie keine Arbeit haben. heranzuziehen, die wohlhabend und reich sind. Insofern sind gute Erwerbsarbeit, ein Die Agenda 2010 stellte den bisher tiefsten guter Lohn, Schutz vor Erwerbslosigkeit Einschnitt in die Sozialsysteme und Arbeits- und Armut sowie leistungsfähige öffentliche bedingungen der Nachkriegsgeschichte dar. Dienstleistungen und Infrastrukturen ei- Der Arbeitsmarkt und die Arbeitsbedingun- nerseits und höhere öffentliche Einnahmen gen sind mit der Agenda 2010 der damaligen aufgrund von Reichen-, Millionärs- und hö- rot-grünen Bundesregierung im Interesse heren Unternehmenssteuern andererseits der Unternehmen umgebaut worden, die zwei Seiten einer Medaille. Beides zusam- sozialen Rechte von Beschäftigten und men bildet die Grundlage einer gerechten Arbeitsuchenden wurden erheblich einge- und solidarischen Gesellschaft. DIE LINKE schränkt. In den vergangenen zehn Jahren steht für einen solchen Einstieg in eine neue sind über zwei Millionen Vollzeit-Arbeits- Gerechtigkeit. plätze abgebaut worden – gleichzeitig sind fast doppelt so viele schlechte Jobs neu Gute Arbeit statt niedriger Löhne entstanden. Befristete Stellen, Leiharbeit, und unsicherer Jobs Werkverträge und Minijobs waren ein erklärtes Ziel der Agenda 2010 und sind »Ich arbeite als Krankenschwester bis zur heute Alltag: Sie höhlen die Tarifverträge Erschöpfung, und es reicht doch nicht für die aus und werden bewusst eingesetzt, um Familie. Für die Patienten ist kaum Zeit, die die fest angestellten Beschäftigten mit müssen immer schnell abgefertigt werden, ihren meist höheren Löhnen unter Druck seit der Privatisierung geht es nur noch um zu setzen. Gleichzeitig hat sich die Massen- Zeiteinsparen und Profit. Oft arbeite ich erwerbslosigkeit verfestigt. Sie funktioniert länger, um mich mehr mit Patienten befassen zusammen mit Hartz IV als Drohkulisse zu können. Dann fehlt mir zu Hause oft die und Disziplinierung der Beschäftigten. Zeit für die Kinder, und ich habe ein schlech- Wir wollen Erwerbslosigkeit bekämpfen tes Gewissen. Die Kinder stehen in der Schu- und den Personalmangel in der öffentlichen le enorm unter Druck. Und ich weiß nicht, wie Daseinsvorsorge ausgleichen. Dafür sind ich ihnen noch was bieten kann, mal in den öffentliche Investitionen und eine andere Urlaub, das Haus abbezahlen. Und wenn das Ausrichtung der Industrie- und Wirtschafts- mit der Rente so entschieden wird, komme politik dringend notwendig ( vgl. Kapitel IV ). ich gerade mal auf 730 Euro, wenn ich bis 67 DIE LINKE will die Arbeit, ihre Verteilung, durchhalte. Und das schaffe ich nicht, jeden ihre Bezahlung, ihre Organisation neu und Tag die Patienten heben und so. Wann gibt’s besser regeln: Die Löhne müssen deutlich für uns einen Rettungsschirm?« Katrin, 42, stärker steigen als die Preise, Tarifverträge Krankenschwester aus Zwickau allgemeinverbindlich sein, befristete Arbeits- verhältnisse dürfen nicht Normalität, Gute Arbeit bedeutet, dass wir von unserer sondern müssen Ausnahme sein. Erwerbsarbeit leben, unser Leben eigen- ständig gestalten und uns weiterentwickeln Alle müssen von ihrer Erwerbsarbeit können. Der Anspruch, dass die Arbeit gut leben können, Zeit und Ruhe haben, sein muss, bezieht sich auf die Höhe von sich zu erholen, das Leben mit der Familie Lohn und Gehalt, den Inhalt, die Arbeitsab- zu pflegen, Hobbys und Interessen nach- läufe und die Gestaltung des Arbeitsplatzes zugehen und politisch aktiv zu sein. und der Arbeitszeiten. Viele Menschen arbeiten zu lang, weil sie zu wenig verdienen n DIE LINKE fordert ein Verbot der Leih- oder weil die Arbeit so organisiert ist, dass arbeit. Bis zu dessen Umsetzung ist mit sie sie buchstäblich mit nach Hause nehmen sofortiger Wirkung die gleiche Bezahlung und nicht mehr aus dem Kopf bekommen. für Leiharbeiterinnen und Leiharbeiter Viele leiden unter Stress und Erschöpfung. und Beschäftigte der Stammbelegschaft 12
durchzusetzen. Die Verleihdauer soll auf diese Entwicklung umzukehren, müssen die wenige Monate begrenzt und eine Flexibili- Rechte der Beschäftigten und der Gewerk- tätszulage von zehn Prozent des Lohnes für schaften gestärkt werden. Leiharbeiterinnen und Leiharbeiter einge- führt werden. Sie müssen vom Verleiher im Im öffentlichen Dienst gibt es dabei direktere Grundsatz fest beschäftigt werden; Befris- politische Gestaltungsmöglichkeiten. Die tungen mit dem Ziel der Synchronisation Politik kann dafür sorgen, dass vor allem mit Zeiten der Verleihung sind unzulässig. im Bereich der sozialen Dienstleistungen Der Einsatz von Leiharbeiterinnen und Leih- die Löhne und Gehälter deutlich angehoben arbeiter im ausleihenden Betrieb ist nur mit werden. Zustimmung des Betriebsrates zu erlauben. Wir setzen uns dafür ein, dass die Lohn- n Kein Lohndumping über Werkverträge! entwicklung mindestens die Produktivitäts- Der Missbrauch von Werkverträgen – und Preissteigerung als auch den Lohn- ob als Scheinselbstständigkeit oder über verzicht ausgleichen muss, der besonders Auslagerung – muss wirksam unterbunden im Zuge der Agenda-Politik zu realen werden. Ohne Zustimmung des Betriebs- Lohnsenkungen geführt hat. rates dürfen keine Werkverträge vergeben werden. n Wir wollen den Niedriglohnbereich zurückdrängen und diese schlechten n Wir wollen, dass Minijobs von der ersten Arbeitsverhältnisse in gute umwandeln. Stunde an in voll sozialversicherungspflich- tige Arbeitsplätze umgewandelt werden. n Lohndumping muss verhindert werden: Ziel muss es sein, dass Teilzeitarbeit nicht mit einem flächendeckenden gesetzlichen unter 18 Stunden in der Woche geleistet Mindestlohn von zehn Euro. Die Einkom- wird, die Beschäftigten sollen darauf einen men von fast acht Millionen Beschäftigten Rechtsanspruch haben. würden direkt und spürbar steigen. Der Min- destlohn muss jährlich ansteigen, dabei ist n Die ausufernden Befristungen der Arbeits- mindestens die Produktivitäts- und Preis- verhältnisse wollen wir zurückdrängen – entwicklung zu berücksichtigen. Bis zum unbefristete Beschäftigung muss wieder Ende der Wahlperiode sollte der gesetzliche das Normalarbeitsverhältnis werden. Ket- Mindestlohn an der Marke »60 Prozent des tenbefristungen und sachgrundlose Befris- nationalen Durchschnittslohnes« ausgerich- tung wollen wir untersagen. Die Befristung tet werden. Das sind derzeit zwölf Euro. wollen wir auf einmalig, längstens ein Jahr und wenige sachliche Gründe beschränken. n Der gesetzliche Mindestlohn ist nicht genug: Wir wollen, dass branchenspezifisch n Den Missbrauch von Praktikantinnen höhere Mindestlöhne sowie die sich darauf und Praktikanten als billige Arbeitskräfte aufbauende Lohnstruktur, die von Gewerk- wollen wir beenden. Praktika, die innerhalb schaften ausgehandelt werden, leichter einer Ausbildung vorgesehen sind, sollen im als bisher und auch ohne Zustimmung der Rahmen der Ausbildungsvergütung, jedoch Arbeitgeber für allgemeinverbindlich erklärt monatlich mit mindestens 300 Euro vergütet werden können. Tarifverträge müssen auf werden. Praktika als Berufseinstieg nach Antrag einer Tarifvertragspartei allgemein- einer abgeschlossenen Ausbildung sind verbindlich erklärt werden, der Gewerk- tarifvertraglich zu vergüten. schaftsseite ist ein Vetorecht einzuräumen. Die Reallöhne sind in den Jahren von 2000 n Wir fordern, dass die Vergabe von öffent- bis 2011 um fünf Prozent gesunken. Viele lichen Aufträgen an Mindestlöhne und an spüren das in ihrem Alltag: Das Geld reicht die Einhaltung ortsüblicher Tarifverträge hinten und vorne nicht. Damit wurde nicht geknüpft wird. Wir setzen uns dafür ein, der Wirtschaftskrise vorgebaut, wie die dass Tarifverträge wieder in allen Bereichen Regierung behauptet, sondern die Abwärts- öffentlicher Vergabe vorgegeben werden spirale der Löhne in Gang gehalten. Um dürfen. 13
n Wenn der Inhaber eines Betriebes wech- Managergehältern bei den Landesbanken selt, müssen die bisherigen Tarifverträge kann hier ein Vorbild sein – und streiten dauerhaft in ihrer jeweils gültigen Fassung dafür, dass solche Regelungen in allen unbefristet geschützt bleiben. Tarifflucht Unternehmen gelten. Wir fordern die Mit- und Lohndumping durch Betriebsübergänge glieder in Aufsichtsräten auf, überhöhten können so verhindert werden. Gehältern nicht mehr zuzustimmen und auf eine freiwillige Selbstverpflichtung n Gleicher Lohn für gleichwertige Arbeit: des Unternehmens hinzuwirken. Die strukturelle Unterbezahlung von Frauen muss beendet werden. Ungleiche Bezah- n Wir fordern zudem ein Ende der steuer- lung darf nicht durch unterschiedliche Be- lichen Abzugsfähigkeit von Jahresgehältern schäftigungsverhältnisse wie zum Beispiel über einer halben Million Euro. Boni und Leiharbeit ermöglicht werden. Die Tarife in überhöhte Abfindungen wollen wir insge- Ost und West müssen angeglichen werden. samt ausschließen. Gleicher Lohn für gleiche Arbeit und der gesetzliche Mindestlohn stehen auch Mitbestimmung ausbauen Menschen mit Behinderung zu. und Arbeitszeit verkürzen n Entscheidend ist, dass das Sanktions- Dass wir immer mehr Güter und materiel- regime von Hartz IV – der Zwang zur Auf- len Reichtum schaffen können mit immer nahme jedes noch so mies bezahlten Jobs – weniger Arbeit, ist eigentlich eine gute beseitigt wird. Es ist nicht nur unsozial, Nachricht. So könnte deshalb die Arbeits- sondern führt auch zur Erpressbarkeit der zeit verkürzt werden, damit die Arbeit Beschäftigten. Die Androhung eines Arbeits- anders verteilt wird und die Menschen platzabbaus ist vor diesem Hintergrund mehr freie Zeit zur eigenen Verfügung und bedrohlicher. zur demokratischen Gestaltung der Gesell- schaft haben. Jedoch kommen die Vorteile Wer niedrige Löhne kritisiert und dass dieser Entwicklung nur den Unternehmen Menschen trotz ihrer Erwerbsarbeit arm zugute. Nicht den Beschäftigten: Die einen bleiben oder werden, darf von Manager- müssen viele Überstunden machen, andere gehältern und explodierenden Vorstands- müssen sich mit erzwungener Teilzeit und gehältern in DAX-Unternehmen nicht wenigen Stunden zufriedengeben. Flexi- schweigen. Wenn der (meist männliche) bilität, die den Beschäftigten auch mehr Vorstand eines DAX-Unternehmens im Selbstbestimmung bringen könnte, ist zu Durchschnitt das 54fache dessen erhält, einem Drohwort geworden. Arbeit ist mehr was seine Angestellten verdienen, dann als Erwerbsarbeit. Zur Arbeit zählen auch ist das nicht mit Leistung zu erklären. Was alle ehrenamtlichen Tätigkeiten, Erzie- ist daran gerecht? Wir wollen gemeinsam hungsarbeit, Pflegearbeit und dergleichen mit Vertreterinnen und Vertretern aus mehr. Diese müssen in unserer Gesell- Gewerkschaften, Kirchen, Sozialverbänden schaft stärker anerkannt werden. Damit die und Wissenschaft – selbst verantwortungs- Erwerbsarbeit sich besser verbinden lässt, bewussten Unternehmen – eine Debatte beispielsweise mit Familienleben und der anstoßen, wie viel Ungleichheit bei den Erziehung von Kindern, brauchen wir neue Einkommen akzeptabel ist und ab wann Arbeitszeit-Modelle. Dann können Eltern die der Zusammenhalt und die Demokratie Arbeiten im Haushalt und die Erziehung der in unserer Gesellschaft darunter leiden. Kinder gerechter als bisher untereinander aufteilen. Das Konzept von Flexibilität muss Wir schlagen vor, dass niemand mehr als sich im Arbeitsleben endlich an den Bedürf- 40-mal so viel verdienen sollte wie das nissen der Beschäftigten orientieren. Bei- gesellschaftliche Minimum – bei der der- spiel: Beschäftigte sollen zweimal in ihrem zeitigen Verteilung wären das noch knapp Berufsleben die Möglichkeit haben für ein eine halbe Million Euro im Jahr. Wir fordern Jahr auszusteigen (Sabbatjahr ), verbunden verbindliche Regeln für alle öffentlichen mit einem Rückkehrrecht auf den gleichen Unternehmen – die Begrenzung von oder einen gleichwertigen Arbeitsplatz. 14
Die Beschäftigten brauchen größere beim Europarat ein Beschwerderecht bei Selbst- und Mitbestimmungsrechte in Bezug Verletzungen der Sozialcharta bekommen. auf ihre Arbeitszeit und die Gestaltung ihrer Arbeit – Überbelastungen müssen abgebaut n Wir unterstützen Initiativen, den gesetz- werden. Nur so bleibt genügend freie Zeit lichen Ladenschluss stärker zu begrenzen, für Erholung, Muße und selbstbestimmte insbesondere Sonn- und Feiertagsarbeit ist Tätigkeiten. Der Profitdruck wird heute auf wenige, streng definierte Ausnahmen zunehmend an jeden einzelnen Beschäf- zu beschränken. tigten weitergegeben. Das Unternehmen will nicht nur die Arbeitskraft, es will den n Sofort umsetzbar ist die Einführung einer ganzen Menschen: seine Motivation, seine Anti-Stress-Verordnung, wie sie auch von Kreativität, sein Wissen, um Kosten zu spa- der IG Metall gefordert wird, und eines indi- ren und die Leistung noch mehr zu steigern. viduellen Veto-Rechts bei der Umgestaltung Es ist Zeit, diese Tendenz umzudrehen: von Arbeitsaufgaben. Arbeit und Arbeitsplätze müssen nach den Bedürfnissen der Beschäftigten gestaltet n Wir wollen den betrieblichen Arbeits- und werden. Es gibt ein Recht auf Feierabend. Gesundheitsschutz und das Jugendarbeits- schutzgesetz verbessern. n Wir wollen das Arbeitszeitgesetz so ändern, dass die zulässige wöchentliche Wir wollen die Arbeitszeiten bei vollem Höchstarbeitszeit von derzeit 48 auf höchs- Lohn- und Personalausgleich verkürzen. tens 40 Stunden gesenkt wird. Ausnah- Die Vorstellung, dass »Vollzeit« ein Acht- meregelungen müssen deutlich reduziert Stunden-Arbeitstag ist, stammt aus den werden, Überstunden effektiv begrenzt Kämpfen des 19. Jahrhunderts und wur- werden und es müssen stärkere Kontrollen, de 1918 gesetzlich vorgeschrieben. Wir insbesondere solche durch unabhängige brauchen dringend ein neues Ziel: Sechs Arbeitnehmervertretungen, gesetzlich Stunden sind genug. Gute Arbeit für alle, vorgeschrieben werden. aber weniger Arbeit für die Einzelnen – das wollen wir als neue Vollbeschäftigung. n Ausbau der kollektiven Mitbestimmung Wir unterstützen die Initiativen aus Gewerk- der Beschäftigten und der betrieblichen schaften, eine neue gesellschaftliche Interessenvertretungen: Im Büro, in der Debatte um eine Arbeitszeitbegrenzung Werkshalle, in Behindertenwerkstätten, voranzubringen. Wir streben eine Ober- auf Station und im Geschäft müssen die grenze von 35, längerfristig von 30 Stunden Rechte der Beschäftigten sowie die der an. Damit verkürzte Arbeitszeiten nicht zu Betriebsräte, Schwerbehindertenver- Arbeitsverdichtung und damit zu Lohnkür- tretungen und Werkstatträte sowie ihre zungen »verkommen« und so konterkariert Mitbestimmung bei der Gestaltung ihrer werden, müssen die Mitbestimmungsrechte individuellen Tätigkeiten gestärkt werden – der Beschäftigtenvertretungen bei Perso- beispielsweise mittels Vetorechten und nal- und Stellenplänen erweitert werden. im Hinblick auf Stellenpläne, bei der Aus- gestaltung von kollektiven Arbeitsabläufen Kapital und Arbeit stehen sich in unserer und bei der Personalbemessung. Gesellschaft immer gegenüber. Die Vorstel- lungen davon, was gerecht und angemes- n Wir unterstützen Initiativen, um die sen ist, werden in politischen und sozialen »weißen Flecken« der Mitbestimmung, Kämpfen ausgehandelt. Die Kräfteverhält- wie Betriebe ohne jegliche Mitwirkung nisse sind im Neoliberalismus zugunsten der Beschäftigten, Stück für Stück zu des Kapitals verschoben worden. beseitigen. n Die Mitbestimmungsrechte müssen n Deutschland muss endlich das Zusatz- ausgebaut, Informations-, Kontroll- und protokoll der Europäischen Sozialcharta Vetorechte ergänzt und auf wirtschaftliche über Kollektivbeschwerden ratifizieren, Fragen, insbesondere auch Betriebs- so dass unter anderem Gewerkschaften änderungen, Standortänderungen und 15
Entlassungen, sowie auf die Gestaltung Jörg und Anja regelmäßig Einladungen. der Tätigkeiten und der Arbeitsbedingungen Jedes Mal wollten sie mit ihnen über ihre ausgeweitet werden. berufliche Situation sprechen, konnten aber nichts anbieten. Jörg war KFZ-Mechaniker- n DIE LINKE unterstützt Belegschaften, Meister. Schließlich wollte ihm der Fallmana- die ihre in die Krise geratenen Betriebe in ger einen Job als Wachmann aufzwingen, bei Eigenregie weiterführen wollen. Genossen- dem er gerade 5 Euro die Stunde erhalten schaften und Belegschaftsbetriebe bauen hätte. Er wollte eine Arbeit, die seiner auf Wissen, Erfahrung und Planungsfähig- Qualifikation entsprach. Aber der Haupt- keiten der Beschäftigten auf und geben grund war, dass sie den Lohn als entwürdi- ihnen mehr Möglichkeiten, über Art und gend empfanden. Der Fallmanager kürzte Inhalt der Produktion mitzubestimmen. Jörg daraufhin das Geld. n Das Streikrecht ist unteilbar – das gilt Die soziale Sicherheit schafft das auch für die Beschäftigten in Kirche, Diakonie Fundament, damit Menschen in Würde und Caritas. Es wird Zeit, dass Beschäftigte leben können. So kann an ihr abgelesen kirchlicher Einrichtungen die gleichen Rechte werden, wie wichtig Gerechtigkeit für eine bekommen wie alle anderen Beschäftigten. Gesellschaft ist: Wer arm ist, darf nicht Das kirchliche Mitarbeitervertretungsrecht an den Rand gedrängt werden, Armut und ist materiell schlechter. Deshalb muss das ihre Ursachen zu bekämpfen, gehört ins Betriebsverfassungsgesetz uneingeschränkt Zentrum der Politik. Es sollte selbstver- für die Kirchenbeschäftigten gelten. ständlich sein, dass alle am Leben der Paragraf 118 Betriebsverfassungsgesetz Gesellschaft teilhaben können. Weil die ist entsprechend zu streichen. Kirchliche sozialen Sicherungen, beispielsweise Einrichtungen, die öffentliche Zuschüsse durch die Einführung von Hartz IV, syste- empfangen, müssen für alle als Beschäftigte matisch geschwächt wurden, hat die sowie Nutzerinnen und Nutzer zugänglich Armut in Deutschland eine neue Dimen - sein. Das Allgemeine Gleichbehandlungs- sion erhalten, immer mehr Menschen sind gesetz muss auch in kirchlichen Einrichtun- gezwungen, schlechte Jobs mit schlechten gen Anwendung finden. Das Arbeitsrecht Löhnen anzunehmen: Das sei »zumutbar« muss sicherstellen, dass ein aus der Sicht und gehöre zu einer »neuen Freiwilligkeit«. der Kirchen »fehlendes privates Wohlver- In Wahrheit geht es um höhere Gewinne halten« nicht zur Grundlage von Kündigun- für die Unternehmen und um die Senkung gen in kirchlichen Einrichtungen und der Löhne, auch unter Zuhilfenahme staat- Betrieben gemacht werden darf. licher Subventionen für all jene, deren Löhne noch unterhalb des Existenzmini- Starke Gewerkschaften sind unerlässlich mums liegen. Zunehmend treiben Armut für gute Arbeits- und Lebensbedingungen. und Sanktionsdruck sie in die Isolation, DIE LINKE will die Flächentarife wiederher- sie werden von der Teilhabe an der Gesell- stellen. Dafür gilt es, das Streikrecht der schaft, ihrem Reichtum, ihren Kulturgütern Gewerkschaften zu verbessern und vor und den vielen kleinen und doch so wichti- jeglicher gesetzlicher Einschränkung zu gen Begegnungen und Ereignissen im bewahren und ein Verbandsklagerecht zur Alltag ausgeschlossen. Einhaltung von Tarifverträgen und gesetz- lichen Bestimmungen einzuführen. Tarifver- Die Massenerwerbslosigkeit kann nur träge müssen auf Antrag einer Tarifpartei reduziert werden, wenn zusätzliche Arbeits- als allgemeinverbindlich gelten. plätze geschaffen werden und die Arbeits- zeit gerecht verteilt wird. Eine Arbeitsmarkt- Soziale Grundrechte garantieren statt politik, die die Ursache der Erwerbslosigkeit Schikane und Armut durch Hartz IV bei den Erwerbslosen selbst sucht, kann daher nur scheitern. Wir brauchen einen Jörg (51) und Anja (43) sind arbeitslos, seit Kurswechsel in der Sozial- und Arbeits- der Automobilzulieferer vor drei Jahren marktpolitik, der konsequent mit der Insolvenz anmeldete. Das Jobcenter schickt Hartz-IV-Logik bricht: 16
Sie können auch lesen