WAS LEBT DENN DA? - Bund für Umwelt und Naturschutz ...

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WAS LEBT DENN DA? - Bund für Umwelt und Naturschutz ...
WAS LEBT
                          DENN DA?
Mal ehrlich: Wissen Sie, welches der häufigste
heimische Vogel ist? Nicht mal jede*r zehnte
Deutsche dürfte ihn erkennen. Es ist der Buchfink.
Nun ist Ihnen – als BUND-Mitglied – wohl diese
Weisheit vertraut: Nur was man kennt, kann man
schützen. Das lässt sich weiterführen: Nur was
man kennt, nimmt man zumeist überhaupt wahr.
Erst mit etwas Artenkenntnis entpuppen sich die
Meisen im Garten als Kohl- und Blau-, Hauben-
oder Weidenmeise. Nur wer ein wenig geübt hat,
filtert aus dem vielstimmigen Konzert der Vögel
mehr als den Kuckuck heraus. Nur wer botanisch
belesen ist, bemerkt, wo rare Pflanzen besonderen
Schutz verdienen. An Flechten, Pilze oder den
Mikrokosmos der Insekten gar nicht zu denken ...

Um die Fülle unserer biologischen Vielfalt
zu schützen, brauchen wir Leute, die sich
auskennen: Naturkundige, die registrieren,
wenn die Vielfalt bedroht ist. Und die uns
sagen, was wir unternehmen können.
Um sie geht es auf den nächsten Seiten.
WAS LEBT DENN DA? - Bund für Umwelt und Naturschutz ...
South_agency/iStock.com
WAS LEBT DENN DA? - Bund für Umwelt und Naturschutz ...
16 BUNDmagazin 3 | 19   ›   TITELTHEMA

             NATURSCHUTZ

             RETTET DIE ARTENKENNER!
                               KAI FROBEL                      W      ie geht es dem Kiebitz im Land-
                                                                      kreis? Hat der Laubfrosch die neu
                                                               angelegten Tümpel besiedelt? Wird die
                                                                                                                 Doch wie sollen wir wissen, wie es un-
                                                                                                              serer natürlichen Umwelt geht, wenn nie-
                                                                                                              mand mehr erkennt, was da kreucht und
                               lehrt Biogeographie an der
                               Uni Bayreuth und ist Sprecher
                                                               Speer­azur­jungfer wegen der Klimakrise        fleucht, und Alarm schlägt, wenn Arten ver-
                               des BUND-Arbeitskreises         seltener? Typische Fragen im Naturschutz       schwinden oder keinen Nachwuchs mehr
                               Naturschutz.                    vor Ort. Wer sie beantworten will, braucht     haben? Ohne ehren- und hauptamtliche
                                                               Daten: Wo kommen welche Arten warum            Artenkenner ist Naturschutz schlicht un-
      Nicht nur viele Tier-                                    bei uns vor? Halten sie sich, nehmen sie zu    möglich. Ihr Wissen und ihre langjährige
                                                               oder ab? Ohne dieses Wissen bleibt unser       Erfahrung bilden dafür erst die Grundlage.
        und Pflanzenarten                                      BUND-Engagement orientierungslos.
  werden immer seltener.                                       Hier sind wir auf Artenkundige angewie-        BLEIBENDE LÜCKE
                                                               sen: Menschen, die sich privat, ehrenamt-      Artenkenntnis – ein Leben lang erweitert
    ­Gleiches gilt auch für                                    lich oder beruflich mit bestimmten Tier-       – ist eine oft unterschätzte Qualifikation.
    die Menschen, die sie                                      und Pflanzengruppen befassen, diese be-        Wir brauchen Menschen, die Tiere und
                                                               stimmen und draußen in der Landschaft          Pflanzen erkennen und beobachten und
        erkennen können:                                       kartieren. Was sie beobachten, zeigt die       aus eigener Anschauung die biologische
      Ihre Zahl schwindet.                                     Verbreitung und – oft dramatische – Ent-       Vielfalt »messen« können. Sie wirken wie
                                                               wicklung bestimmter Arten. So waren es         ein Frühwarnsystem. Nehmen sie doch
  Für den N­ aturschutz ist                                    Krefelder Ehrenamtliche, die den langfristi-   Veränderungen im Gelände oft viel eher
  das ein großes ­Problem.                                     gen Niedergang der Insekten nachwiesen.        wahr als die, die im Labor sitzen.
Melanka Helms/GEO

                                                                                                                          Käferexperte bei einem Tag der Arten-
                                                                                                                        vielfalt, veranstaltet von GEO und BUND.
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BUNDmagazin 3 | 19   ›   TITELTHEMA 17

  Seit etlichen Jahren beschäftigt sich
der BUND mit einer Entwicklung, die wir
2016 mit einer Studie erstmals belegen
konnten: der Erosion der Artenkenner. In
den letzten 20 Jahren ging ihre Zahl bun-

                                                                                                     Thomas Stephan
desweit um 21 Prozent zurück. Viele von
ihnen sind schon über 60. Und es mangelt
an qualifiziertem Nachwuchs. So ist ab-
sehbar: Viele Expert*innen werden uns in
zehn, zwanzig Jahren verloren gehen. Und         Lernen im Gelände: Jugendliche mit K
                                                                                    ­ eschern bei                      Wertvolles Wissen: Botanisch versierter
                                                                          einer BUND-Exkursion.                                    Ehrenamtlicher des BUND.
werden Lücken hinterlassen, weil Schulen
und Universitäten kaum Nachwuchs lie-
fern. Da fehlt eine ganze Generation von       KAUM ANGEBOTE                                           Profundes Artenwissen entsteht nicht
Menschen mit Artenkenntnis. Hier müssen        Ein Großteil der Artenkundigen erfuhr die            von heute auf morgen. Der Nachwuchs
wir schleunigst gegensteuern.                  Natur als Kind in der nächsten Umgebung:             muss langfristig und gesamtgesellschaft-
                                               in heckenreicher Kulturlandschaft, viel-             lich gefördert werden. Gefragt sind Um-
VIELE URSACHEN                                 fältigen Wäldern, geheimnisvollen Auen.              weltbehörden, Naturschutzzentren, Schu-
Es ist kurios: Die Unterstützung für den       Dort erlebten sie Tiere und Pflanzen, ihre           len, Universitäten – und wir alle.
Schutz der Biodiversität steigt sprunghaft     Schönheit und Faszination. Heute wach-                  Viele der heutigen Artenkenner sagen,
– siehe das erfolgreiche Volksbegehren         sen Kinder oft inmitten von Fichtenforsten,          ihre Eltern hätten den Grundstein für ihre
»Artenvielfalt in Bayern«. Gleichzeitig aber   Maisäckern und Güllewiesen auf. Was gibt             Naturbegeisterung gelegt. Dabei kam es
schwindet die Artenkenntnis. Ohne genug        es da noch zu entdecken?                             nicht darauf an, ob die Eltern Spezialisten
Expertise droht uns ein regelrechter Blind-      Daran ändert auch die Schule wenig.                waren. Wichtiger war, dass sie Neugierde
flug durch diese Zukunftsfrage.                Wem selbst jede Artenkenntnis fehlt,                 und Interesse für die Natur weckten.
   Der eklatante Mangel ist ein weltweiter.    kann sie auch nicht vermitteln. Und ver-
So warnt US-Ökologe E. O. Wilson vor ei-       meidet wohl eher, gemeinsam ins Grüne                FÜR DIE ZUKUNFT
nem »schwarzen Loch der Unwissenheit«.         zu gehen, aus Angst vor peinlichen Fragen.           Nötig sind auch Lehrer*innen, die draußen
Er fordert angesichts des Artensterbens        Die Universitäten wiederum versagen, da              zumindest einen Teil der Artenfülle ver-
mehr Wertschätzung für Feldbiologen – die      Drittmittel der Industrie oder des Staates           mitteln können. Ihre Ausbildung braucht
einst an der Spitze ihrer Disziplin standen.   andere Prioritäten setzen. So wurden Be-             in der Didaktik der Biologie also andere
   Die Gründe für den Negativtrend sind        stimmungskurse und freilandorientierte               Schwerpunkte. Und die Universitäten
vielfältig: Kinder erleben heute zu wenig      Lehrstühle massiv gestrichen, die Stellen            müssen wieder Leute mit Artenkenntnis
Natur in ihrem Umfeld. Lange hat man die       von Artenkennern nicht neu besetzt. Im               ausbilden, das ist schlicht ihre gesell-
Artenkenntnis gesellschaftlich kaum wert-      Studium ist das Interesse an Arten und               schaftliche Aufgabe.
geschätzt. Viele Lehrer*innen sind zudem       Geländekartierungen unverändert groß.                   Im BUND sollten wir unser reiches An-
selbst ohne Artenkenntnis. Kein Wunder:        Nur fehlen oft Angebote und die Wert-                gebot an Naturerfahrung für Kinder erwei-
An den Universitäten wurde die freiland-       schätzung für entsprechende Abschluss-               tern – um zusätzliche Möglichkeiten für
biologische Ausbildung stark dezimiert,        arbeiten. Deshalb suchen Planungsbüros               angehende Artenkenner. Bewährt haben
verdrängt von hoch geförderten Disziplinen     und Behörden heute händeringend Nach-                sich Artenkundige, die in kleinen Gruppen
wie der Gentechnik.                            wuchs mit guter Artenkenntnis.                       im Gelände ihr Wissen an Interessierte
                                                                                                    weitergeben. Gerade Berufsanfänger so-
                                               WER IST GEFRAGT?                                     wie Frauen mittleren Alters nehmen diese

WAS LEBT
                                               Die BUND-Studie war ein Weckruf. So                  Angebote gerne an. Eine gute Ergänzung
                                               nahm das Bundesumweltministerium un-                 zur manchmal sperrigen Bestimmungs-

DENN DA?
                                               ser Anliegen in die »Naturschutzoffensive            literatur sind auch digitale, bildbasierte
                                               2020« auf. Der Deutsche Naturschutztag               Wege der Arterkennung über Apps.
                                               entwickelte ein eigenes Forum für Ju-                   Welche Konzepte versprechen heute
                                                gendliche mit diesem Schwerpunkt. Und               besonderen Erfolg, um die Artenkenntnis
                                                  neue Initiativen entstanden, um die               zu fördern? Um das herauszufinden, for-
                                                  Artenkenntnis zu fördern. Viele kleine            dert der BUND Modellprojekte staatlich zu
                                                    Anstöße vereinen sich gerade zu einer           unterstützen. Damit die Vielfalt der Arten
                                                       schwungvollen Bewegung.                      (-kenner) eine Zukunft hat!
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18 BUNDmagazin 3 | 19   ›   TITELTHEMA

                                               BUND AKTIV

                   VIELFÄLTIGE
                     ANGEBOTE
   Die Umweltbildung gehört zu den wichtigsten
       Säulen des BUND-Engagements. Getragen

                                                                                                                                                Bernd Quellmalz
    von vielen ehren- und hauptamtlich Aktiven,
       dient sie zumeist auch (und teilweise ganz
      gezielt) dazu, Artenkenntnis zu vermitteln.
                                                                                          »Aktion Wasser«: Bestimmung von Wasserorganismen
                                                                                                   an der Umweltstation Iffens/Niedersachsen.

K    lar: Bei jeder kleinen BUND-Tour ins Grüne fallen ein paar
     Tier- und Pflanzennamen. Und jede Broschüre über ein
Schutzgebiet führt exemplarisch einige seiner Bewohner mit auf.
                                                                     noch mehr Streuobst-Pädagogen: Über 70 können ihr Wissen zu
                                                                     diesem artenreichen Lebensraum bereits landesweit teilen.
                                                                       Last, but not least hat der BUND überall dort, wo Wildkatzen
So fördert unser öffentlicher Einsatz für die Natur immer auch       leben, auch für diese seltene Art Botschafter*innen ausgebildet.
das Allgemeinwissen zur Artenvielfalt. Doch damit allein ist
dem Schwund der Artenkenner nicht beizukommen. Der BUND              ANGEBOTE FÜR KINDER
hat deshalb spezifische Angebote entwickelt.                         Eine Investition in die Zukunft ist die Arbeit mit Kindern. Die
»Artenkenntnis erhalten – Entdecke Dein NaturTalent« lautet          meisten BUND-Kindergruppen eint das Anliegen, Umweltver-
eine Kampagne des BUND in Bayern. Von Oberbayern bis Unter-          ständnis und Artenkenntnis zu fördern. Das ist vielleicht nicht
franken bieten etliche Kreisgruppen und Naturschutzzentren seit      immer spektakulär, kann als dauerhaftes Angebot aber prägend
Jahren Bestimmungskurse für Jugendliche und Erwachsene.              sein. Wie auch die Aktion »Naturtagebuch« der BUNDjugend:
Das inhaltliche Spektrum ist groß und reicht von Pilzen und Pflan-   Jahr für Jahr regt sie Kinder zwischen 8 und 12 dazu an, einmal
zen über diverse Insekten bis zu Vögeln und Fledermäusen.            eingehender bestimmte Tiere oder einen Lebensraum zu erfor-
   Im Saarland leistet der BUND Überzeugungsarbeit für eine          schen – und ihre Erlebnisse in einem Naturtagebuch festzuhalten.
»Akademie für Artenkenner«. Sie soll Fachleute für                                                  Vier Bundesländer richten hierzu
verschiedenste Artengruppen ausbilden. Die Landes-                                                  Wettbewerbe aus. Wer weiß, wie
regierung hat sich das Projekt zu eigen gemacht                                                     viele Kinder das schon zum Anlass
und erarbeitet derzeit ein Konzept.                                                                 nahmen, sich in die Bestimmungs-
                                                                                                    literatur zu vertiefen?
BOTSCHAFTER DER NATUR
Damit sich Artenkenntnis verbreitet, bildet der BUND
                                                                                                      Zeichenkurs im Haus der BUNDten Natur,
gerne Multiplikator*innen aus, die ihr Wissen an                                                        Hamburg: Ob aus dieser Künstlerin mal
andere weitergeben. So etwa in Baden-Württemberg:                                                              eine große Artenkennerin wird?

40 »Schmetterlingsguides« bieten hier inzwischen
Exkursionen, Schulausflüge oder Erlebnistage an.
Sehr gefragt ist eine Fortbildung des BUND Rheinland-Pfalz. Im       AKTIV AN SCHULEN
Mittelpunkt seiner Kurse für Wildbienenbotschafter*innen stehen      Diverse BUND-Angebote sind darauf gemünzt, Schulkinder für
Artenkenntnis und Naturschutz. »Die Leute rennen uns die Bude        den Artenschutz zu gewinnen. So können Klassen etwa Paten-
ein«, heißt es dazu aus dem Landesverband. Der BUND Nieder-          schaften für Bäche abschließen und deren Lebenswelt erkunden.
sachsen qualifiziert ebenfalls »Wildbienenkennerinnen« – und         Herauszuheben ist das fahrende Klassenzimmer des BUND Saar:
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BUNDmagazin 3 | 19    ›   TITELTHEMA 19

                        WAS LEBT
                        DENN DA?

                                                                                           Axel Schreiner
Andre Maslo

                                             Was sitzt denn da? Naturkundliche Führungen                                                         Insektenkurs im Bildungszentrum
                                     zählen zum Standardprogramm vieler BUND-Gruppen.                                                                   Wartaweil am Ammersee.

              Im KunterBUNDmobil können über 2500 Schüler*innen pro Jahr                         unterscheiden? Artenkundige Ehrenamtliche geben bei solchen
              wirbellose Tiere unter der Lupe betrachten.                                        Aktivitäten gerne Auskunft.
                Einer wichtigen Zielgruppe nimmt sich der BUND Bremen an:                          Wer weitab der Natur in Ballungsräumen wohnt, kann in Städten
              Kinder mit Migrationshintergrund und aus sozial schwachen                          wie Herten, Hamburg oder Bremen zudem Erlebnisgärten des
              Stadtteilen. Neugierde und Forscherdrang will er fördern bei de-                   BUND aufsuchen – und dort die heimische Natur kennenlernen.
              nen, die oft sehr wenig über die Natur vor ihrer Haustür wissen.
              Um Schüler*innen ganz allgemein Spinnen, Wildbienen, Wasser-                       SPEZIALISTEN AM WERK
              insekten oder Amphibien nahezubringen, bietet der Landesver-                       Hier und da hat sich in Gruppen und Arbeitskreisen besonderes
              band Materialkisten zu »Bremens Vielfalt unter der Lupe« an.                       Knowhow versammelt. Zwei Beispiele vom Bodensee: Die
              Projekttage und -wochen für Schulklassen vermitteln Wissen                         BUND-Gruppen aus Gottmadingen (Fokus: Fledermäuse) und
              speziell über Insekten.                                                            Radolfzell (Orchideen) gewinnen mittels vielfältiger Aktivitäten
                Die Schule meist schon beendet hat, wer bei der Kreisgruppe                      Verbündete und kundigen Nachwuchs.
              Köln Studienpraktika in Biologie und Geographie absolviert –                          Oder der Arbeitskreis »Feldherpetologie« in Sachsen-Anhalt:
              und dabei Grundkenntnisse in der Artenbestimmung erlangt.                          Er hat sich ganz der Erforschung und dem Schutz der Amphibien
                                                                                                 und Reptilien verschrieben. Dazu treibt er viel Öffentlichkeits-
              FÜR JEDEFRAU UND JEDERMANN                                                         arbeit: In Aschersleben betreut er einen Lehrgarten mit Schau-
              Zahllose BUND-Gruppen führen naturkundliche Exkursionen in                         gehegen. Außerdem organisiert er Camps für Kinder und Jugend-
              ihrem Programm. Je nach Jahreszeit stehen hier verschiedene                        liche sowie Exkursionen zu Frosch, Eidechse und Co.
              Tiere oder Pflanzen im Fokus. Um dauerhaft auf die Flora und                          Oder der Berliner Arbeitskreis »Pilzkunde & Ökologie«. Er wirbt
              Fauna eines Schutzgebietes hinzuweisen, haben viele Gruppen                        mit Vorträgen und Seminaren dafür, das so bunte – und doch
              Naturlehrpfade eingerichtet oder Infotafeln aufgestellt. Was ge-                   vielen ganz unbekannte – Reich der Pilze zu entdecken.
              nau wächst und gedeiht hier? Und was unternimmt der BUND vor                          Wer also seinen Blick für die Artenvielfalt öffnen und seinen
              Ort, um die Vielfalt zu bewahren?                                                  Horizont erweitern möchte, ist beim BUND vielerorts bestens
                Ein klassischer Anlass, um Artenkenntnisse zu vermitteln, ist                    aufgehoben. Kontaktieren Sie Ihre Kreisgruppe oder Ihren Landes-
              der GEO-Tag der Natur. Gruppen wie der BUND Neubrandenburg                         verband, wenn Sie sich schlauer machen wollen!                 sz
              nutzen ihn alljährlich, um mit Fachleuten bestimmte Flächen ge-
              nauer unter die Lupe zu nehmen. Dazu laden sie regelmäßig auch
              die Öffentlichkeit ein. Für Laien lässt sich da viel lernen! Wie bei
                                                                                                            i
                                                                                                                MEHR INFORMATIONEN
              so vielen Einsätzen draußen: Welche Molche und Frösche sind                                       zum Bildungsangebot des BUND finden Sie unter
              diesmal am Krötenschutzzaun gestrandet? Und wie sind sie zu                                       www.bund.net/umweltbildung
WAS LEBT DENN DA? - Bund für Umwelt und Naturschutz ...
WAS LEBT
                     DENN DA?
Thomas Stephan

                                                                                                 Hat hier eine Wildkatze Haare gelassen? BUND-
                                                                                                Aktive kontrollieren einen Lockstock in Sachsen.

                                                       BÜRGERWISSENSCHAFT

                  PATENT AUS PASSION
                                                                                                        MARTINA LÖW

                                                                                                         leitet die Abteilung
                                                                                                  Freiwilligenmanagement.

                     Ehrenamtliche Artenkundige liefern wert-
                                                                                                    MAGNUS WESSEL
                 volle Daten für Wissenschaft und Naturschutz.
                                                                                                leitet die Naturschutzpolitik
                        Und verdienen dafür alle Unterstützung.                                                   des BUND.

 C     itizen Science hat in den vergangenen
       Jahren erheblich an Popularität ge-
   wonnen. Auch ist sie aus der Diskussion
                                                  LANGE TRADITION
                                                  Grundsätzlich ist das nichts Neues: Men-
                                                  schen mit Interesse an der Natur erfas-
                                                                                             WAS LAIEN LEISTEN
                                                                                             Wie wichtig – und immer wichtiger – der
                                                                                             bürgerwissenschaftliche Einsatz ist,
   um die Zukunft der Forschung nicht mehr        sen ehrenamtlich Arten, sammeln Daten      zeigt das Beispiel der Roten Listen ge-
   wegzudenken. Citizen Science – oft als         oder ergründen Zusammenhänge und die       fährdeter Arten: Ihr Fundament bilden
   »Bürger­wissenschaft« übersetzt – meint        Ursachen von Veränderungen in Natur        ganz überwiegend Daten und Schlussfol-
   vor allem zweierlei: die Beteiligung von       und Umwelt. Das haben schon Goethe,        gerungen, die außerhalb der universitä-
   Laien an wissenschaftlichen Projekten.         Charles Darwin oder Jane Godall getan –    ren Forschungswelt entwickelt wurden.
   Und die eigenständige Forschungsarbeit         große Namen, lange bevor über Citizen      So stammt der wichtigste Nachweis da-
   von Menschen jenseits der universitären        Science gesprochen wurde. Schon seit       für, dass unsere Insektenfauna nun seit
   Wissen­schaft (oder nur lose verknüpft         Jahrhunderten erforschen »Laien«                      Jahrzehnten verarmt, von pri-
   damit). Ihr Einsatz erfolgt dabei freiwillig   Themen, die der institutionellen                      vat tätigen Insektenkundlern.
   und nicht im Rahmen einer beruflichen          Wissenschaft oft abwegig erschie-                    Auch zentrale Artenschutz-
   Tätigkeit.                                     nen. Sie entwickelten eigene Hy-                      projekte des BUND fußen auf
                                                  pothesen und Theorien, zuweilen                       Citizen Science (> Kasten).
                                                  sehr erfolgreich, wie Darwins                          Welche Herausforderungen
                                                  Evolutionstheorie bezeugt. Oder                          zeichnen sich dafür ab?
                                                  sie bleiben einer Passion wie                             Unsere Gesellschaft steht
                                                  der Pflanzen-Taxonomie treu,                                vor der Jahrhundertauf-
                                                  obwohl sie an vielen Unis                                    gabe, schnell zu einer
                                                  längst aufs Abstellgleis ran-                                 wirklich nachhaltigen
                                                  giert wurde.                                                  Lebensweise zu finden.
WAS LEBT DENN DA? - Bund für Umwelt und Naturschutz ...
BUNDmagazin 3 | 19   ›   TITELTHEMA 21

                                                                                                     Die biologische Vielfalt zu schützen ist
                                                                                                   eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, ge-
                                                                                                   nauso wie viele Aspekte des Umweltschut-
                                                                                                   zes. Die Bürgerwissenschaft spielt dabei
                                                                                                   eine starke Rolle. Doch dauerhaft können
                                                                                                   Natur- und Umweltschutz nur erfolgreich
                                                                                                   sein, wenn der Staat seine Verantwortung
                                                                                                   hierbei angemessen wahrnimmt.
Jutta Schreiner

Ehrenamtliche befestigen in Rheinland-Pfalz einen
­Spurentunnel, um Gartenschläfer nachzuweisen.

Der dafür nötige Wandel wird nur glücken,           kritisch im Blick zu behalten. Das schützt
wenn Zivilgesellschaft und Wissenschaft             vor Missbrauch und »Greenwashing« und
                                                                                                     WILDKATZEN UND
eng kooperieren. Kundige Freizeitforsche-           bietet Chancen für beide Seiten.
r*innen haben den Raum, über die Fach-                Damit Citizen-Science-Projekte gelin-
                                                                                                     SCHLAFMÄUSE
disziplinen hinaus den Blick zu öffnen, ihr         gen und die Freiwilligen gut eingebunden
Fachgebiet breiter zu denken und zu                 werden, müssen sie begleitet und koordi-         »Als wir Handschuhe bekamen,
überschauen. Wer ehrenamtlich forscht,              niert werden. Wer ein solches Projekt            wurde mir klar: Jetzt wird es wis-
hat die Freiheit, seinen Blick auf größere          plant, sollte deshalb immer einen Förder­        senschaftlich. Die Proben sollten
Zusammenhänge zu werfen. Und das,                   anteil für das Management der Freiwilligen       ja nicht verunreinigt werden.«
ohne überlegen zu müssen, welche The-               beantragen. Auch der nicht-universitäre
men und Hypothesen sich wohl für die                Partner sollte die Federführung und die
Wissenschaftsjournale eigneten.                     Antragsrechte innehaben können. Ehren-
   Wer nicht hauptberuflich forscht, kann           amtlich Aktiven darf es zudem nicht zu           So ­berichtet ein ehrenamtlicher Hel-
auch mal eine Außenseitermeinung ver-               schwer gemacht werden: Kurze Fristen             fer von seiner Teilnahme am Citizen-­
treten – faktenbasiert, versteht sich. Oder         für die Antragstellung, zu wenig Anerken-        Science-Projekt »Wildkatzensprung«
sich in vernachlässigte Bereiche vertiefen.         nung ehrenamtlicher Zeit und Ressourcen          des BUND. Freiwillige sammelten
Oder sein Wirken mit einem praktischen              (für den Eigenanteil) sowie hohe formale         jahrelang Haare von Wildkatzen,
Naturschutzprojekt verbinden.                       akademische Hürden haben der Citizen             begleitet von einem Forschungs-
                                                    Science in der Vergangenheit oft Steine in       institut. In sechs aufeinanderfol-
WAS BRAUCHT CITIZEN SCIENCE?                        den Weg gelegt.                                  genden Wintern kontrollierten sie
Fruchtbar könnte sich ein engeres Mitein-                                                            regelmäßig über 3500 Lockstöcke.
ander von Wissenschaft und Bürgerwis-               STAAT IN DER PFLICHT                             Damit lieferten eine beachtliche
senschaft auswirken. Und mehr Mut sei-              Schließlich sollten wir nicht vergessen: Bei     Datenbasis, um die Verbreitung der
tens der Institutionen, auf Augenhöhe mit           bestimmten Aufgaben steht primär der             seltenen Art zu erforschen.
den Laien zusammenzuarbeiten. Gemein-               Staat in der Verantwortung – zum Beispiel           Wie erfolgreich Citizen Science
same Standards und Methoden, techni-                bei der kontinuierlichen Überwachung und         beim BUND zum Einsatz kommt,
sche Unterstützung und Möglichkeiten                Kontrolle europäischer Schutzgebiete.            zeigt auch unser aktuelles Projekt
der Veröffentlichung schaffen die Basis             Wenn Behörden dieser Pflicht nicht ausrei-       »Spurensuche Gartenschläfer«.­
der Kooperation – und sichern gleichzeitig          chend nachkommen, können und sollten             Viele freiwillige Helfer*innen wei-
die Qualität der Ergebnisse.                        Ehrenamtliche diese Lücke nicht füllen.          sen die Schlafmaus hier mithilfe
  Für die Eigenständigkeit von Citizen-­            Politisch bewegt sich sonst noch weniger.        von »Spurentunneln« nach, die den
Science-­Projekten ist es wichtig, die Rech-        Auch darf zum Beispiel, wer bei einem Ein-       Pfotenabdruck der Tiere dokumen-
te an Datengrundlagen und Ergebnissen               griff Natur und Umwelt schädigt, nicht aus       tieren. Außerdem kontrollieren sie
zu wahren; sich intensiv auszutauschen;             der Pflicht entlassen werden, selber nach-       Nistkästen und bringen Wildtier-
die Forschungsergebnisse transparent zu             zuweisen, dass er diesen Schaden ausge-          kameras in Aktion.
verwenden; und politische Einflussnahme             glichen hat (wie vom Gesetz gefordert).
WAS LEBT DENN DA? - Bund für Umwelt und Naturschutz ... WAS LEBT DENN DA? - Bund für Umwelt und Naturschutz ...
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