WEGE ZUM RUHM Fünf alte Spielzeug-Rennwagen-Ikonen und ihre Vorbilder - Von Walter Herter - Blechmodelle
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Wege zum Ruhm WEGE ZUM RUH Fünf alte Spielzeug-Rennwagen-Ikonen und ihre Vorbilder Von Walter Herter 20. Mai 2021 1 M
Wege zum Ruhm E ntstanden in den Jahren zwischen den beiden Weltkriegen und der frühen Nachkriegszeit, gehören sie zweifellos zu den besten und ge- suchtesten Spielzeug-Rennwagen überhaupt. Der Alfa Romeo von CI Der Bugatti von Pay Der Auto Union von Distle Der Agajanian Special von Yonezaw Der Toschi Ferrari von ML Sie beeindrucken nicht nur durch ihre Grösse und ihre Ausstrahlung, sie alle repräsentieren Rennwagen, die Automobilsport-Geschichte geschrieben haben. 20. Mai 2021 2 a J B r a
Wege zum Ruhm S ollte man einmal das Glück haben, eines dieser Modelle in die Hand nehmen zu können, glaubt man doch irgendwie die Epoche zu spüren, in der sie entstanden sind. Zurückversetzt in eine Zeit im Autorennsport, in der das fahrerische Können der Fahrer ihrer grossen Vorbilder, gepaart mit einem gerüttelten Mass an Todesverachtung, über Sieg oder Niederlage entschieden hatte. Wo Mut wichtiger gewesen war als Technik und Strategien und wo man den Helden bei ihrer Arbeit noch hatte zusehen können, ein Fehler meist katastrophale Folgen gezeitigt hatte, man ihre Autos nicht nur an ihren Farben hatte unterscheiden können. Nichts liegt mir ferner, als die Geschichte des Automobilrennsports hier neu zu schreiben, wesentlich kompetentere Autoren haben dies bereits mehrfach getan. Mit einem Blick zurück in diese längst vergangenen Zeiten möchte ich viel- mehr aufzeigen, an welchen Vorbildern sich die damaligen Spielwaren- hersteller jeweils orientiert hatten bei ihrem Entschluss, davon ein Modell zu bauen und damit die damalige Jugend zu erfreuen. Man muss sich nur die Augen und den Puls des Jungen vorstellen, als er damals ein solches Modell unter dem Weihnachtsbaum vorgefunden hatte! Um dann voller Stolz vom Strassenrand aus die Mille Miglia von 1953 vorbeiziehen zu sehen, mit seinem Toschi Ferrari von MLB in den Armen, um aller Welt zeigen zu können: “Seht mal, was ich hier habe!” 20. Mai 2021 3
Wege zum Ruhm B eginnen wollen wir mit einem Blick zurück ins Jahr 1925. Dem Jahr, in welchem erstmals eine Automobil-Weltmeisterschaft ausge- schrieben worden war, allerdings lediglich für die Fahrzeug-Hersteller, noch nicht für die Rennfahrer. Nach nur vier Rennen in Indianapolis, Spa-Francorchamps, Linas- Montlhéry und Monza und mit einem aus heutiger Sicht doch eher etwas eigenartigem Wertungsmodus hiess der erste Weltmeister der Automobil- sport-Geschichte Alfa Romeo 1925 Das Alfa Romeo Team mit ihren P2 Rennwagen, Montlhéry 1925 Katalog Galeries Monceau für das Jahr 1926 LJM Alfa Romeo Erstausgabe Die ab Mitte 1925 bei LJM (Les Jouets Migault), ab 1927 dann bei der Nachfolgegesellschaft CIJ (Compagnie Industrielle du Jouets) entstandenen Exemplare unterschieden sich von den späteren Ausführungen hauptsächlich durch ihre glatten, unmarkierten, schwarzen oder weissen Ballonreifen, die allerersten Modelle zudem durch eine Lenkung mit Schneckenrad, welche eine Spiralfeder nach links oder rechts zog und so die Vorderräder einlenkte. Schneckenrad Sie wurde bald einmal ersetzt durch eine Zahnstangen-Lenkung. Die ersten Modelle waren allesamt in einem dunklen Rot gehalten. Zah nsta nge 20. Mai 2021 4
Wege zum Ruhm Im Laufe der Jahre wurde das Modell mehrfach modifiziert. CIJ Alfa Romeo Standardausführung Katalog CIJ für 1931 Ab Beginn der 30er Jahre gab es “zerrissene” Sitzpolster, fein profilierte Reifen mit “MICHELIN” Markierung sowie eine reiche Farbpalette. CIJ Alfa Romeo Bi igausführung Trois Quartiers, Dezember 1934 Gegen Mitte der 30er Jahre wurde eine “Billigversion” angeboten, ohne Bremstrommeln, ohne Kurbel, ohne Stossdämpfer sowie ohne Alfa Romeo Kleeblätter auf der Motorhaube, aber bald einmal mit neuen, etwas breiteren, wiederum unmarkierten Reifen mit diamantförmigem Profil. CIJ Alfa Romeo Luxusausführung Etwa gleichzeitig erschien auch eine “Luxusausführung”, versehen mit allen Attributen der bisherigen Standardausführung, ausgerüstet jedoch mit den neuen Reifen und zwei batteriebetriebenen Scheinwerfern. Trois Quartiers, Dezember 1935 Die Produktion muss um 1937 eingestellt worden sein. 20. Mai 2021 5 ll
Wege zum Ruhm Z urück ins Jahr 1926. Zum zweiten Mal wurde eine Weltmeisteschaft für Konstrukteure ausgeschrieben, diesmal jedoch für kleinere Wagen mit kleineren Motoren, was Bugatti, dem französischen Hersteller im Elsass, sehr entgegen gekommen war. Die meisten anderen Konkurrenten hatten sich nämlich aufgrund des zu erwartenden, grossen technischen Aufwandes zurückgezogen, was teilweise zu absurd kleinen Teilnehmerfeldern geführt hatte. GP Frankreich in Miramas, 1926 Und so war es eigentlich kaum verwunderlich, dass nach fünf Rennen in den USA, Frankreich, Spanien, Grossbritannien und Italien … Bugatti …mit ihrem Typ 35 Renn- wagen zum zweiten Welt- meister der Automobilge- schichte erkoren werden 1926 konnte. GP Spanien in San Sebastian, 1926 PAYA “Bugat" PAYA Katalog ca. 1936 (Nachdruck) Es sollte jedoch noch vier Jahre dauern, bis 1930 in Spanien die Firma PAYA ein wunderbares Modell des Bugatti 35 herausbringen sollte, bis heute unter Kennern eines der schönsten Spielzeuge aller Zeiten. 20. Mai 2021 6
Wege zum Ruhm Irgendwann erhielt der PAYA Bugatti andere Räder. Die vormals schwarzen Speichen waren nun gelb, die schmutzig-weissen Reifen grau, die Beschriftung statt “BALLON” “13 x 45” “CABLE” nun “BALLON” “CORD” “13 x 45”. Andere Räder Ein interessantes Detail: Da PAYA es offenbar unterlassen hatte, bei Bugatti die Namensrechte zu erwerben, musste das Modell einfach “Bugat” heissen. Im Weiteren könnte die schwarze Katze hinten rechts am Heck des Modells eine Abbildung einer Bronzeplastik von Rembrandt Bugatti sein, dem jüngeren Bruder von Ettore Bugatti, dem Konstrukteur des Bugatti 35 Rennwagens. Zu den bekanntesten Werken des 1916 durch Selbstmord aus dem Leben geschieden Künstlers zählt ja bekanntlich auch die Skulptur des “Tanzenden Elefanten”, welche den Kühler des Bugatti Typ 41 Royale zierte und zum Symbol der Marke wurde. Eigentlich ein klares Indiz dafür, dass sich PAYA damals “Eléphant - warum auch immer - dafür entschlossen haben könnte, ihr Bugatti Modell mit einem Bild des “Sitzenden dressé” Leoparden” - einem weiteren bekannten Werk des Künstlers - zu verschönern. Die Ähnlichkeit der Skulptur mit dem Bild am Heck ist ja wirklich frappant, insbesondere mit dem vor dem Tier liegenden Schwanz. Etwas erstaunlich ist es allerdings schon, dass PAYA dies trotz fehlender Namensrechte getan haben soll. Aber vielleicht eben gerade deshalb! Sozusagen “zum Trotz”. “Leopard assis” PAYA “Bugat" Replikat Zwischen 1986 und 2000 wurden unter Verwendung der Original-Werk- zeuge Replikate hergestellt, in diversen Farben und jeweils limitierten Serien. 20. Mai 2021 7
Wege zum Ruhm F ür das nächste Modell müssen wir uns ins Jahr 1934 begeben. In das erste Jahr der neuen 750-kg-Rennformel, nach welcher die Renn- wagen ohne Benzin, Wasser und Reifen nicht mehr als 750 kg wiegen durften. Hitler wollte deutsche Siege im Grand Prix Rennsport. Er unterstützte daher sowohl Auto Union als auch Mercedes-Benz mit substantiellen Mitteln. Auto Union testete ihren von Professor Porsche konstruierten P-Wagen (P stand für Porsche) im Winter 1933/34 auf dem Nürburgring, auf der AVUS in Berlin und dem Autodromo Nazionale Monza. Mercedes Benz war noch nicht soweit, und so trat die … Auto Union … Rennabteilung 1934 dann mit dem jetzt Typ A genannten Fahrzeug als erster und einziger deutscher Rennstall beim Internationalen AVUS Rennen im Mai 1934 an, wo Stuck lange führte, bis ihn ein Defekt zur Aufgabe zwang. 1934 AVUS Rennen, Berlin, 1934 Vermutlich aus einem Distler Katalog DISTLER Auto Union Distler brachte Mitte der 30er Jahre ein grosses Modell eines Auto Union Rennwagens aus Blech heraus. Mit seiner Länge von 35 cm ein feines, wirklich eindrückliches Modell mit Federwerk und einstellbarer Vorder- achse. Eine Weiterentwicklung hat es nie erfahren, es ist mir auch nicht bekannt, bis wann es produziert worden ist. 20. Mai 2021 8
Wege zum Ruhm Für den Sammler könnte es allerdings von Interesse sein, zu wissen, welcher der Auto Union Rennwagen denn Pate gestanden hatte für das Modell von Distler. Es gab ja deren vier: den P-Wagen oder aber die Typen A, B oder C. Das würde Rückschlüsse auf das Erscheinungsdatum des Modells zulassen. Obwohl es in seinen Proportionen doch eher etwas ungenau geraten war, sind doch deutlich erkennbar die kleine Türverschalung neben dem Fahrer, die Lufthutzen seitlich hinter dem Cockpit sowie das lange Auspuffrohr darunter; alles Merkmale eines frühen P-Wagens bzw. eines Auto Union Typ A, zum Unterschied zu den späteren Typen B und C mit ihren Auspuff- stummeln, den fehlenden Lufthutzen und dem offenen Cockpit. Auto Union Typ A Auto Union Typ C Ausgerüstet mit langem Heck und Vorderachs-Verschalungen gelangten drei Auto Union Rennwagen am 27. Mai 1934 beim IV. Internationalen AVUS- Rennen in Berlin zum Einsatz, es sollte ihr einziger in dieser Form bleiben. Das Auto Union Team mit ihren Typ A Rennwagen beim AVUS Rennen, Berlin, 1934 Genau dieser AVUS-Ausführung entsprach der Distler Auto Union, welcher in den Farben Silber, Hellgrün, Crèmefarbig und Grau zu haben gewesen war. 20. Mai 2021 9
Wege zum Ruhm D as nächste Modell führt uns ins Jahr 1952. In die USA, nach Indianapolis, wo am 30. Mai das sechsunddreissigste 500 Meilen Rennen von Indianapolis auf dem Programm stand. Mit Troy Ruttman siegte etwas glücklich - jedoch nicht unverdient - der bisher jüngste Rennfahrer, der das legendäre Rennen gewonnen hatte. Getan hatte er das im … Agajanian Special, … einem eigentlich für Sandbahnrennen konzipierten Rennwagen. Glücklich deshalb, weil sein Wagen während eines Boxenstops Feuer gefangen hatte und auch deshalb, weil der in Führung liegende Bill Vukovich kurz vor Schluss wegen Lenkungsbruch in der Mauer gelandet war. 1952 YONEZAWA Agajanian Special Von eben diesem Rennwagen mit der berühmten Startnummer 98 brachte Yonezawa 1952 ein grosses Blechmodel heraus und nannte es anfänglich natürlich “Agajanian SPECIAL”. Stolze 46.5 cm lang, besass es lediglich einen Schwungradantrieb, keine Lenkung, jedoch abnehmbare Räder mit Zentralverschluss und weichen Gummireifen. Auf beiden Seiten vor dem Cockpit stand der Name des siegreichen Fahrers: Troy Ruttman. 20. Mai 2021 10
Wege zum Ruhm Yonezawa muss mit diesem Modell kurz nach seinem Erscheinen offenbar in Copyright-Probleme verwickelt worden sein. Aufgrund einer richter- lichen Verordnung mussten die Modelle umbenannt, die bei Yonezawa und den Händlern noch lagerhaltigen “Agajanian SPECIAL” Modelle vernichtet werden. YONEZAWA Champion’s Racer Auf den ersten Blick fallen die vorgenommen Änderungen nicht auf. Erst bei genauerem Hinsehen sieht man, dass erstens der Schriftzug “CHAMPION’S RACER” anstelle von “Agajanian SPECIAL” auf der Motorhaube lautete sowie zweitens “INDIANAPOLIS STYLE” anstelle von “TROY RUTTMAN” seitlich vor dem Cockpit stand. Zwecks besserer Erschliessung des europäischen Markt wurden Lizenzen an die Spielzeugfirmen GEM (Georges et Ernest Merli) in Frankreich und an WÜCO (Fritz Wünnerlein & Co.) in Deutschland vergeben, beides Her- steller von mechanischem Spielzeug. GEM Super Racer (weiss/blau) WÜCO Super Racer (rot) GEM Super Racer (weiss/rot) 20. Mai 2021 11
Wege zum Ruhm F ür das letzte Modell bleiben wir im Jahr 1952. Obwohl es - streng genommen - kein Spielzeug ist und auch nie als solches gedacht war. Trotzdem: es gehört in jede richtige Sammlung! Die Weltmeisterschaft musste 1952/53 für Formel-2 Fahrzeuge ausge- schrieben werden, da sich die alte Formel-1 nach dem Rückzug von Alfa Romeo totgelaufen hatte. Der … Ferrari Tipo 500/F2 … dominierte und Alberto Ascari wurde damit in beiden Jahren überlegen Weltmeister. Alberto Ascari im Ferrari 500/F2, Nürburgring 1952 1952 Eine ausserordentlich reiche Kirschenernte in Vignola in der Provinz Modena hatte die Gebrüder Toschi gegen Ende des Krieges auf die Idee gebracht, Kirschen in Alkohol einzumachen und in Gläsern zu verkaufen. Sie gründeten 1945 die Firma TOSCHI VIGNOLA und beauftragten Anfang der 50er Jahre die italienische Spielzeugfirma MLB mit dem Bau einer Anzahl Ferrari 500/F2 Modelle im Masstab 1:8 als Werbeträger und Geschenk für berühmte Persönlichkeiten im Automobil-Rennsport. MLB Toschi Ferrari Weltmeister Alberto Ascari wurde als einer der Ersten glücklicher Besitzer eines solchen TOSCHI Ferrari, … …Juan Manuel Fangio erhielt seinen TOSCHI Ferrari nach seinem Sieg in Monza 1953 (auf einem Maserati!). 20. Mai 2021 12
Wege zum Ruhm MLB hatte damals die Herstellung der beiden Schalen bei der Giesserei FONDERPRESS in Bologna in Auftrag gegeben. Die Schalen wurden im Druckgussverfahren aus einer Aluminiumlegierung hergestellt. Dafür wurden zwei verschiedene Gussformen eingesetzt. Für die erste Serie wurden Gussformen ohne, für die zweite mit je einer FONDERPRESS Markierung im Innern der beiden Schalen verwendet. Erste Serie ohne Markierung, … … zweite Serie mit Markierung So weit, so gut. Nun ist es jedoch so, dass in Sammlerkreisen immer wieder behauptet wird, die Modelle ohne FONDERPRESS-Markierungen seien Kopien, was jedoch nicht zutrifft. Auch sie sind alles Originale. Das Problem ist halt nur: es gibt tatsächlich Kopien! Sie sollen in den 80er Jahren entstanden sein; etwas kleiner als die Originale, heute aber auch wesentlich seltener und für den wahren Kenner demzufolge auch entsprechend wertvoll. Zur Herstellung dieser Plagiate war ein originales Modell der zweiten Serie mit den FONDERPRESS Markierungen verwendet worden. Statt 55 cm sind sie jedoch lediglich 53.7 cm lang, was sich durch die zwangsläufig eingetretene Schwindung des erkaltenden Gusses erklären lässt. Oben ein Original, unten ein Plagiat 20. Mai 2021 13
Wege zum Ruhm H ier endet die kurze Abhandlung zu den fünf Ikonen unter den alten Spielzeugrennwagen und ihren grossen Vorbildern. Aber nicht ohne einen würdigen Schlusspunkt darunter zu setzen: das Duell zwischen einem Alfa Romeo P2 und einem Bugatti 35 auf dem berühmten Brooklands Race Track, irgendwann in den 30er Jahren. Brian James: Alfa and Bugatti at Brooklands 20. Mai 2021 14
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