Care - Primary and Hospital Care
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
jo u r n al Peer Care re v ie we d Primary and Hospital Allgemeine Innere Medizin 416 Katja Trabold 420 Heinrich Kläui 425 Edy Riesen Notfälle im Flugzeug Migration und seelische Hr. Dr. Sommer, 23 5. 12. 2018 Gesundheit – was können Fr. Dr. Bergengruen und Hausärzt/-innen tun? der fiebernde Planet Weihnachten im Paradies? Offizielles Organ Schweizerische Gesellschaft für Allgemeine Innere Medizin Haus- und Kinderärzte Schweiz www.primary-hospital-care.ch Published under the copyright license “Attribution – Non-Commercial – NoDerivatives 4.0”. No commercial reuse without permission. See: http://emh.ch/en/services/permissions.html
INHALTSVERZEICHNIS 411 Redaktion Dr. Stefan Neuner-Jehle, Zug (Chefredaktor); Dr. Nadja Pecinska, Muttenz (Managing Editor); Dr. Monika Büttiker, Olten; PD Dr. Thomas Dieterle, Liestal; Prof. Dr. Jacques Donzé, Bern; Dr. Roman Hari, Bern; Dr. Pierre Loeb, Basel; Dr. Manuel Schaub, Bern; Dr. Daniel Widmer, Lausanne Editorial Philippe Luchsinger 413 Reisen bildet … oder? Offizielle Mitteilungen Bernadette Häfliger Berger 414 Projekte für eine effiziente und patientenorientierte Versorgung Der Bundesrat hat ein erstes Paket mit Kostendämpfungsmassnahmen zur Entlastung der obligatori- schen Krankenpflegeversicherung präsentiert. Die SGAIM befürwortete die vorgeschlagene Einfüh- rung des Referenzpreissystems bei Arzneimitteln sowie im Grundsatz die Verankerung eines Experimentierartikels im KVG. Die k onkreten Vorschläge zur Umsetzung des Experimentierartikels vermögen jedoch noch nicht zu überzeugen. Die SGAIM plädiert für Pilotprojekte, die insbesondere der Eindämmung der Mengen oder der Steigerung der Qualität dienen. Lernen Katja Trabold 416 Notfälle im Flugzeug Medizinische Notfälle erfordern stets ein rasches Handeln, eine gute Zusammenarbeit der Hilfskräfte und adäquates medizinisches Material. Solche Situationen sind bereits am Boden eine Herausforde- rung. Doch wie sieht es aus, wenn es auf über 10 000 m ü. M. zu einem Ernstfall kommt? Wie ist das Vorgehen der Piloten, der Crew und der anwesenden Ärzte? Wie kann man als Ärztin auf einem Flug helfen, und was muss beachtet werden? Heinrich Kläui a r tic le 420 Migration und seelische Gesundheit – was können Hausärzt/-innen tun? Peer re Ä rztinnen und Ärzte sind wichtige Vertrauenspersonen für Menschen, die auf der Flucht v ie we d vor Krieg und Folter in der Schweiz ankommen. Dieses Vertrauen muss langsam aufgebaut werden; die hausärztliche Praxis ist ein wichtiger Ort dafür. Offizielles Organ von: mfe Haus- und Kinderärzte Schweizerische Gesellschaft für Schweiz Allgemeine Innere Medizin SGAIM Schweizerische Akademie für Schweizerische Gesellschaft Kollegium für Psychosomatische und Psychosoziale Junge Hausärztinnen und -ärzte Swiss Young für Pädiatrie SGP Hausarztmedizin KHM Medizin SAPPM Schweiz JHaS Internists SYI Published under the copyright license “Attribution – Non-Commercial – NoDerivatives 4.0”. No commercial reuse without permission. See: http://emh.ch/en/services/permissions.html
INHALTSVERZEICHNIS 412 Jacques Donzé, Nicolas Schaad, Manuel Haschke 424 Metamizol / Novaminsulfon Das Medikament ist für den Internisten das, was dem Chirurgen das Skalpell ist: Ein unabdingbares Instrument zur Behandlung, das j edoch einen präzisen Einsatz erfordert. Reflektieren Edy Riesen 425 Hr. Dr. Sommer, Fr. Dr. Bergengruen und der fiebernde Planet Der alternde Kollege Sommer, geplagt von Rheuma und gelegentlichen depressiven Schüben, nimmt für sich seit eh und je in Anspruch, im Winter so oft wie möglich an die Sonne zu gehen; was heisst gehen, fliegen natürlich. Die Redaktion von Primary and Hospital Care und der Schweizerische Ärzteverlag EMH wünschen allen unseren Leserinnen und Lesern ein gesundes und glückliches neues Jahr. Wir freuen uns darauf, Ihnen auch 2019 interessanten, unabhängigen und fachlich hochstehenden Lesestoff zur Verfügung zu stellen. Weihnachtsbanner_18_PHC_d_f.indd 1 29.11.18 10:23 Impressum Primary and Hospital Care Marketing EMH / Inserate: © EMH Schweizerischer Ärzteverlag AG Hinweis: Alle in dieser Zeitschrift Offizielles Organ von mfe Haus- und Dr. phil. II Karin Würz, Leiterin (EMH), 2018. «Primary and Hospital publizierten Angaben wurden mit der Kinderärzte Schweiz, der Schweizeri- Marketing und Kommunikation, Care» ist eine Open-Access-Publika- grössten Sorgfalt überprüft. Die mit schen Gesellschaft für Allgemeine Tel. +41 (0)61 467 85 49, Fax +41 (0)61 tion von EMH. Entsprechend gewährt Verfassernamen gezeichneten Veröf- Innere Medizin SGAIM, der Schweize- 467 85 56, kwuerz@emh.ch EMH allen Nutzern auf der Basis der fentlichungen geben in erster Linie rischen Gesellschaft für Pädiatrie SGP, Creative-Commons-Lizenz «Namens- die Auffassung der Autoren und nicht des Kollegiums für Hausarztmedizin Abonnemente: EMH Schweizerischer nennung – Nicht kommerziell – Keine zwangsläufig die Meinung der Redak- KHM, der Schweizerischen Akademie Ärzteverlag AG, Abonnemente, Bearbeitungen 4.0 International» das tion von PrimaryCare wieder. Die an- für Psychosomatische und Psycho- Farnsburgerstrasse 8, 4132 Muttenz, zeitlich unbeschränkte Recht, das Werk gegebenen Dosierungen, Indikationen soziale Medizin SAPPM, Jungen Haus- Tel. +41 (0)61 467 85 75, Fax +41 zu vervielfältigen, zu verbreiten und und Applikationsformen, vor allem von ärztinnen und -ärzte Schweiz JHaS (0)61 467 85 76, abo@emh.ch öffentlich zugänglich zu machen unter Neuzulassungen, sollten in jedem Fall sowie der Swiss Young Internists SYI. Abonnementspreise: Für Mitglieder den Bedingungen, dass (1) der Name mit den Fachinformationen der ver- Redaktionsadresse: der Herausgebergesellschaften gelten des Autors genannt wird, (2) das Werk wendeten Medikamente verglichen Samantha Badowski, Redaktions spezielle Konditionen, die im Detail nicht für kommerzielle Zwecke ver- werden. assistentin, EMH Schweizerischer unter http://www.primary-hospital- wendet wird und (3) das Werk in keiner Ä rzteverlag AG, Farnsburgerstrasse 8, care.ch/fuer-leser/abonnement/ Weise bearbeitet oder in anderer Herstellung: Die Medienmacher AG, 4132 Muttenz, Tel. +41 (0)61 467 85 58, zu finden sind. Weise verändert wird. Die kommer Muttenz, www.medienmacher.com Fax +41 (0)61 467 85 56, zielle Nutzung ist nur mit ausdrück office@primary-hospital-care.ch, Abonnemente für Nichtmitglieder: licher vorgängiger Erlaubnis von EMH www.primary-hospital-care.ch CHF 125.–, Studentenabonnement und auf der Basis einer schriftlichen Manuskripteinreichung online: CHF 63.–, jeweils zuzüglich Porto. Vereinbarung zulässig. http://www.edmgr.com/primary hospitalcare ISSN: Printversion: 2297-7155 / 1. Bild S. 411: 4. Bild S. 411: ID 129850127 elektronische Ausgabe: 2297-7163 © Tomert | Dreamstime.com © Jiri Kratochvil | Dreamstime.com Verlag: EMH Schweizerischer Ärzte- Erscheinungsweise: 23 Ausgaben 2. Bild S. 411: ID 88562072 1. Bild S. 412: verlag AG, Farnsburgerstrasse 8, pro Jahr. © Pichai Pipatkuldilok | Dreamstime.com © Marko Volkmar | Dreamstime.com 4132 Muttenz, Tel. +41 (0)61 467 85 55, 3. Bild S. 411: ID 115642490 Titelbild: ID 99498381 © Nadezhda Fax +41 (0)61 467 85 56, www.emh.ch © Pop Nukoonrat | Dreamstime.com Zaytceva | Dreamstime.com Published under the copyright license “Attribution – Non-Commercial – NoDerivatives 4.0”. No commercial reuse without permission. See: http://emh.ch/en/services/permissions.html
EDITORIAL 413 Den Horizont erweitern Reisen bildet ... oder? Philippe Luchsinger Präsident mfe Da begab es sich, dass auch zu früheren Zeiten Men waren, dass sie an einem fremden Ort die Möglichkeit schen unterwegs waren. Sicher nicht der einfache erhalten haben, ein neues Leben zu beginnen. Mein Bauer, der musste sein Land bestellen, und der Tag Urgrossvater war einer dieser Schweizer. löhner war froh, wenn er sich und seine Familie er nähren konnte. Die Reichen und Adligen, die aus Eine Gesellschaft, die sich verschliesst und Gründen des Handels, der kriegerischen Auseinan einkapselt, vergibt die Möglichkeit, Visionen dersetzung und der Eroberung reisten, bildeten ei umzusetzen. nen kleinen Teil der Bevölkerung. Gut, sie nahmen einige einfache Soldaten mit, aber die Schiffe damals Es gab auch Zeiten, in denen die Schweiz sich geöffnet hatten nicht Platz für 5000 Passagiere. Und diejenigen, hat, und Verfolgten aus ganz Europa Schutz bot. Die Philippe Luchsinger die nur aus purer Lust reisten, wie beispielsweise Goe Schweiz war damals, 1848, der einzige demokratische the, waren schon damals eine Rarität. Aber gerade sie Bundesstaat in Europa, in dem politische Freiheit und waren es, die dem Reisen einen so hohen Stellenwert Meinungsfreiheit galt. Wie auch an anderen Orten, die zur Erweiterung des Horizonts beimassen. offen waren und sind für Neuerungen, konnten alle profitieren und prosperieren. Diese unfreiwillig Rei Nicht alle Reisenden sind freiwillig unterwegs. senden haben zu einer Bereicherung unserer Gesell Im Moment sind 68 Millionen Menschen als schaft beigetragen, wie später auch die Arbeitskräfte, Flüchtlinge gezwungen, ihre Heimat aufzu die doch Menschen waren, wie Max Frisch festgestellt geben, sind unterwegs, obwohl sie lieber hat [1]. geblieben wären. Steven Pinker, der umstrittene Philosoph, deutet die heutige Angst vor Veränderungen als Verlustangst Schon zu früheren Zeiten waren diese Reisenden Vek einer reich gewordenen Gesellschaft [2]. Sicher, die toren: Sie haben Verwüstung und Seuchen mitge Armut konnte in den letzten Jahrzehnten deutlich bracht, Pest und Masern rafften gar viele Menschen vermindert werden. Aber was hindert uns daran, uns hinweg. Damals dauerte es Jahre, bis diese Krankhei noch weiter zu entwickeln? Eine Gesellschaft, die sich ten an einem neuen Ort waren. In späteren Zeiten verschliesst und einkapselt, vergibt die Möglichkeit, genügte ein Flug, um Kontinente zu überbrücken, wie Visionen umzusetzen. Das gilt auch für Teile unserer beispielsweise bei der Vogelgrippe. Aber die Reisenden Gesellschaft wie beispielsweise die Ärzteschaft. Aber haben nicht nur Krankheiten verbreitet oder nach vielleicht liegt es auch daran, wie die vielen Menschen Hause gebracht, sondern auch Lebensvorstellungen, heute reisen, dass der Horizont sich nicht erweitert: in Redaktionelle Umgangsformen und Gebräuche. Das Fremde, das engen Kreuzfahrtkabinen und Flugzeugrümpfen. Verantwortung: Exotische hatte schon immer seinen Reiz. Immer? Sandra Hügli, mfe Nicht alle Reisenden sind freiwillig unterwegs. Im Mo Ich wünsche Euch ein offenes, weites, hoffnungsvolles ment sind 68 Millionen Menschen als Flüchtlinge ge 2019, mit möglichst bildenden Reisen. Korrespondenz: zwungen, ihre Heimat aufzugeben, sind unterwegs, Sandra Hügli-Jost Literatur obwohl sie lieber geblieben wären. Unterwegs oder an Kommunikations 1 «Man hat Arbeitskräfte gerufen, und es kommen Menschen.» beauftragte einem fremden Ort, weil sie um ihr Leben fürchten Max Frisch, Vorwort zu dem Buch «Siamo italiani – Die Italiener. mfe Haus- und Kinderärzte Gespräche mit italienischen Arbeitern in der Schweiz» von müssen, oder in ihrem angestammten Leben keine Schweiz Alexander J. Seiler, Zürich: EVZ 1965. «Überfremdung I». Geschäftsstelle Perspektiven für sich, ihre Familie, ihre Nächsten se Max Frisch: Öffentlichkeit als Partner, edition suhrkamp 209 Effingerstrasse 2 hen. Familien und Clans legen zusammen, um Jugend (1967), S. 100. CH-3011 Bern 2 Steven Pinker: «Die Toilette war eine grossartige Erfindung!» NZZ, sandra.huegli[at] lichen eine Zukunft zu ermöglichen. Vor 150 Jahren 15.11.18. https://www.nzz.ch/feuilleton/steven-pinker-die-toilette- hausaerzteschweiz.ch waren es Schweizer, die auswandern mussten, die froh war-eine-grossartige-erfindung-ld.1436540. PRIMARY AND HOSPITAL CARE – ALLGEMEINE INNERE MEDIZIN 2018;18(23):413 Published under the copyright license “Attribution – Non-Commercial – NoDerivatives 4.0”. No commercial reuse without permission. See: http://emh.ch/en/services/permissions.html
OFFIZIELLE MIT TEILUNGEN 414 Vernehmlassung der SGAIM zum ersten Massnahmenpaket der Kostendämpfungsmassnahmen Projekte für eine effiziente und patientenorientierte Versorgung Bernadette Häfliger Berger Generalsekretärin SGAIM Der Bundesrat hat ein erstes Paket mit Kostendämpfungsmassnahmen zur Entlas- tung der obligatorischen Krankenpflegeversicherung präsentiert. Die SGAIM be- fürwortete die vorgeschlagene Einführung des Referenzpreissystems bei Arznei- mitteln sowie im Grundsatz die Verankerung eines Experimentierartikels im KVG. Die konkreten Vorschläge zur Umsetzung des Experimentierartikels vermögen je- doch noch nicht zu überzeugen, da sie einseitig die Eindämmung der Kostenent- wicklung fokussieren. Die SGAIM plädiert für Pilotprojekte, die insbesondere der Eindämmung der Mengen oder der Steigerung der Qualität dienen. Zudem sollen vor allem Projekte in der Grundversorgung favorisiert werden. Im Sommer 2017 erschienen insgesamt 38 Empfehlun- nahme zur Kostensenkung im Gesundheitswesen, gen einer Expertengruppe zu möglichen Kostendämp- ohne dass dies die Qualität der Gesundheitsversor- fungsmassnahmen zur Entlastung der obligatorischen gung negativ beeinflussen würde. Das Ziel der gesetz Krankenpflegeversicherung. Neben dem in der Presse lichen Änderung, finanzielle Fehlanreize durch die viel diskutierten und äusserst umstrittenen Global- Abgabe von teureren Medikamenten zu beseitigen, budget beinhaltet dieser Bericht durchaus auch wird von der SGAIM unterstützt. Die Einführung des Vorschläge, die von der SGAIM unterstützt werden Referenzpreissystems darf jedoch nicht zu einer einge- können. So wird unter anderem die Stärkung der schränkten Medikamentenliste führen. Dies wäre für Gesundheitskompetenz und bessere Information der die Aufrechterhaltung höchster medizinischer Quali- Patient/-innen sowie die Stärkung von Health Techno- tät problematisch. Die SGAIM bevorzugt aus diesem logy Assessments (HTA) gefordert, was die SGAIM mit Grund die Variante «Modell mit Preisabschlag», auch der Initiative smarter medicine schon seit Jahren voran- weil dadurch der bürokratische Aufwand geringer treibt. erscheint und eine schematische Festlegung der Im ersten Massnahmenpaket, für das der Bundesrat Referenz- und Höchstpreise als pragmatischer Weg be- am 18. März 2018 die Vernehmlassung eröffnet hat, feh- trachtet wird. Mit dieser Variante könnte verhindert len indessen die von der SGAIM favorisierten Aspekte werden, dass regelmässig ein Medikamentenwechsel des Expertenberichts fast gänzlich. Die SGAIM bedau- vorgenommen werden müsste, was gerade für multi- ert diese Priorisierung, beteiligt sich jedoch trotzdem morbide Patient/-innen problematisch wäre. am Vernehmlassungsverfahren. Sie äussert sich dabei aber ausschliesslich zum Referenzpreissystem bei Arz- Einführung eines Experimentierartikels neimitteln und zum Experimentierartikel. Bei sämt lichen Fragen rund um die Tarife, die ebenfalls im ers- Die SGAIM begrüsst die Einführung eines Experimen- ten Massnahmenpaket Eingang gefunden haben, tierartikels im KVG und die Möglichkeit Pilotprojekte unterstützt die SGAIM vollumfänglich die Positionen durchführen zu können, ohne dass unmittelbar der Haus- und Kinderärzte Schweiz (mfe). Gesetzesänderungen vorgenommen werden müssen. Pilotprojekte nur unter der Prämisse zu bewilligen, dass sie zu einer Eindämmung der Kostenentwicklung Referenzpreissystem bei Arzneimitteln führen, erscheint der SGAIM jedoch als zu eng gefasst. Redaktionelle Verantwortung: Die SGAIM erachtet die Einführung eines Referenz- Es wäre bei der Bewilligung darauf zu achten, dass vor Bruno Schmucki, SGAIM preissystems in der Schweiz für eine geeignete Mass- allem Projekte berücksichtigt werden, die einen effizi- PRIMARY AND HOSPITAL CARE – ALLGEMEINE INNERE MEDIZIN 2018;18(23):414– 415 Published under the copyright license “Attribution – Non-Commercial – NoDerivatives 4.0”. No commercial reuse without permission. See: http://emh.ch/en/services/permissions.html
Offizielle Mitteilungen 415 enten und patientenorientierten Ressourceneinsatz Pilotprojekt auch zur Steigerung forcieren. Die SGAIM lehnt es ab, dass nur Projekte be- der Qualität willigt werden sollen, die noch gar nicht erprobt sind und die sich von bereits bestehenden Modellen grund- Die SGAIM fordert, dass neben Pilotprojekten zur sätzlich unterscheiden müssen. Kosteneindämmung insbesondere auch Projekte zur Vielmehr ist zu fordern, dass auch bereits eingeleitete Eindämmung der Mengen oder zur Steigerung der Initiativen über den Experimentierartikel vertieft und Qualität im Experimentierartikel Eingang finden. in der Praxis umfassend erprobt werden können. Zudem sollten weitere Bereiche, in denen Pilotprojekte Damit könnte zum Beispiel die fehlende Datenbasis möglich sind, im Gesetzesartikel berücksichtigt wer- aufgebaut werden. Ansonsten werden aktuelle, auf den. Es gilt insbesondere die Prävention, die Verbesse- Eigenverantwortung der Initiant/-innen beruhende rung der Gesundheitskompetenz von Patient/-innen, Projekte benachteiligt, was die Innovation in den die Stärkung des Generalism sowie Qualitätsprojekte nächsten Jahren bis zum definitiven Erlass der neuen aufzunehmen. Gleichzeitig soll die zunehmende KVG-Regelung zum Erliegen bringen könnte. Fragmentierung der Medizin eingedämmt werden. Die Zudem verlangt die SGAIM bei jedem Pilotprojekt den SGAIM verlangt vom Bundesrat, dass besonders die Einbezug der Patient/-innen bzw. der Öffentlichkeit jenigen Pilotprojekte favorisiert werden, die eine gro- und begrüsst, dass verschiedene Akteure im Gesund- sse Zahl von Patient/-innen und damit die Grund heitsbereich zur Teilnahme am Pilotprojekt verpflich- versorgung betreffen. Aufgrund der demografischen tet werden können, da damit insbesondere auch auf Entwicklung der Bevölkerung ist ein besonderes bereits bestehendes Datenmaterial zurückgegriffen Augenmerk auf multimorbid und chronisch kranke werden kann. Menschen zu legen. Die ganze Stellungnahme der SGAIM finden Sie auf der Website unter www.sgaim/positionen Die wichtigsten Daten der SGAIM für 2019 Generalversammlung SGAIM Kongresse SGAIM Mittwoch, 5. Juni, 17.30–18.30 Uhr, Basel (1. Tag des Frühjahrs- – Frühjahrskongress: Mittwoch, 5. Juni bis Freitag, 7. Juni, B asel kongresses) – Herbstkongress: Donnerstag, 19. September bis Freitag 20. September, St. Gallen Delegiertenversammlungen Mehr Informationen unter www.sgaim.ch/kongress – Donnerstag, 28. März, 14.15 Uhr–18.00 Uhr | Schmiedstube (Schmiedenplatz 5) | Bern: Verabschiedung Jahresrechnung Facharztprüfungen AIM 2018 – Donnerstag, 27. Juni, 9.45–15.00 Uhr, Congress Center Basel – Donnerstag, 21. November, 14.15 Uhr–18.00 Uhr | Hotel Kreuz (Anmeldung vom 23. Januar bis 15. März) (Zeughausgasse 41) | Bern: Verabschiedung Budget 2020 – Donnerstag, 7. November, 9.45–15.00 Uhr, Congress Center Basel (Anmeldung vom 5. Juni bis 28. August) Anmeldung und mehr Informationen unter www.sgaim.ch/egim Kostenloser Zugang für SGAIM-Mitglieder Korrespondenz: Fachpersonen dabei, die bestmöglichen Entscheidungen für und Bruno Schmucki Verantwortlicher Bereich zusammen mit ihren Patient/-innen zu treffen. Administration und Die Inhalte werden täglich aktualisiert und von einem renom- Kommunikation Der Vorstand der SGAIM hat die Vereinbarung mit dem Anbieter mierten Ärzteteam verfasst, das über 500 medizinische Zeit- Schweizerische Gesellschaft der medizinischen Datenbank Dynamed Plus™ um drei Jahre schriften sichtet, neue Evidenz erkennt und objektive Analysen für Allgemeine Innere verlängert. Damit können die Mitglieder der SGAIM weiterhin liefert – ideal geeignet, um schnellstmöglich gezielte Antworten Medizin (SGAIM) von einem kostenlosen Zugang profitieren. auf klinische Fragen zu finden. Monbijoustrasse 43 Postfach DynaMed Plus™ ist ein evidenzbasiertes, klinisches Referenz- Detaillierte Informationen, wie Sie als SGAIM-Mitglied den CH-3001 Bern tool, das von Ärzt/-innen direkt für den Einsatz am Behandlungs- kostenlosen Zugang freischalten können, finden Sie unter bruno.schmucki[at]sgaim.ch ort entwickelt wurde. DynaMed Plus™ unterstützt medizinische www.sgaim.ch/dynamed PRIMARY AND HOSPITAL CARE – ALLGEMEINE INNERE MEDIZIN 2018;18(23):414– 415 Published under the copyright license “Attribution – Non-Commercial – NoDerivatives 4.0”. No commercial reuse without permission. See: http://emh.ch/en/services/permissions.html
LERNEN 416 Wie Vorgehen bei einer prekären Situation über den Wolken? Notfälle im Flugzeug Katja Trabold Wissenschaftliche Mitarbeiterin, Fliegerärztliches Institut FAI, Dübendorf Medizinische Notfälle erfordern stets ein rasches Handeln, eine gute Zusammenar- beit der Hilfskräfte und adäquates medizinisches Material. Solche Situationen sind bereits am Boden eine Herausforderung. Doch wie sieht es aus, wenn es auf über 10 000 m ü. M. zu einem Ernstfall kommt? Wie ist das Vorgehen der Piloten, der Crew und der anwesenden Ärzte? Wie kann man als Ärztin auf einem Flug helfen, und was muss beachtet werden? Medical Case – aus Sicht der Cabin Crew Im Flugzeug stehen mehrere First Aid Kits, ein AED und ein Notarztkoffer (Doctor’s Kit) zur Verfügung (Abb. 1). Die Cabin Crew, bestehend aus Flight Attendants (FA) Bei einem medizinischen Notfall kümmert sich die und einer/m Maître de Cabine (MC), absolviert jährlich Cabin Crew um das Wohl des Patienten. Ein FA spricht einen Nothelferkurs, bei dem das Vorgehen in einem dabei einen «Medical Case» über das Bord-Telefon aus, medizinischen Notfall geübt wird und die medizini- sodass auch die Cockpit-Besatzung informiert ist, dass schen Utensilien an Bord studiert werden. eventuell ein Notfall-Prozedere zum Einsatz kommen Abbildung 1: Inhalt des Doctor’s Kit der Lufthansa-Flotte [2]. Nachdruck mit freundlicher Genehmigung der Deutschen Lufthansa AG. PRIMARY AND HOSPITAL CARE – ALLGEMEINE INNERE MEDIZIN 2018;18(23):416 – 418 Published under the copyright license “Attribution – Non-Commercial – NoDerivatives 4.0”. No commercial reuse without permission. See: http://emh.ch/en/services/permissions.html
Lernen 417 wird. In den meisten Fällen handelt es sich um harm- oder ob ein naheliegender Flughafen angesteuert wer- lose medizinische Ursachen, wie zum Beispiel leichte den muss. Den Piloten steht in solchen Fällen ein Ent- Herz-Kreislauf-Störungen, die mittels glukosehaltigem scheidungsfindungs-Tool, das sogenannte SPORDEC, Getränk wieder behoben werden können. Ist ein Passa- zur Verfügung. Dieses wird bereits in der Ausbildung gier bewusstlos, so wird er von den Flugbegleiter/-in- gelernt und kommt im Ernstfall zum Tragen: nen in Seitenlage auf den Boden gelegt. Hier kommt – Situation Catch – Erfassung der Situation; die Schwierigkeit dazu, dass im Flugzeug stets Platz- – Prelimenary Actions – Lage prüfen (Wetter, momen- mangel herrscht. Wenn möglich, wird der Patient in taner Spielraum); die Bordküche – Galley genannt – gelegt, da so die Ab- – Options – zur Verfügung stehende Optionen (Aus- schirmung gegenüber den Mitreisenden besser ist und weichflughafen vs. Route weiterverfolgen); ebenfalls grössere Platzverhältnisse vorherrschen. – Rating – Situation beurteilen (Abwägung des Risikos Laut dem medizinischen Dienst der Deutschen Luft- für gesamtes Flugzeug); hansa AG ereignet sich pro 10 000 bis 40 000 Passa- – Decision – Entscheidung wird mit den Crewmitglie- giere ein medizinischer Zwischenfall. dern diskutiert; In den Jahren 2000–2011 wurden mehr als 20 000 me- – Execution – Ausführung der vorher getroffenen Ent- dizinische Notfälle dokumentiert (Abb. 2) [1]: scheidung; – Controlling – Kontrolle der ausgeführten Massnah- men. 11 % Falls ein Ausweichplatz angeflogen werden muss, so Sonstiges wird per Funk ein «Medical Emergency» deklariert, die 34% Magen-Darm- dem betreffenden Flugzeug auf dem Flughafen Lande- Erkrankungen priorität gewährt. Über Funk kann zudem ein Medical 12% Assistant angefordert werden, der am Boden den Pa Unfälle tienten gleich nach der Landung aus dem Flugzeug holt, weiter medizinisch versorgt und je nach Situation in ein nahegelegenes Krankenhaus bringt. Arzt an Bord Bei der SWISS, Lufthansa und Austrian Airlines können 43% Herz-Kreislauf, Neurologie sich Ärztinnen und Ärzte einmalig registrieren und Klassifizierung der Symptome beziehungsweise Diagnosen anhand von mehr als 20 000 dokumentierten medizinischen Zwischenfälle an Bord der Lufthansa der Jahre 2000 bis von verschiedenen Vorteilen profitieren (s. Infobox). 2011. Somit können die Flugbegleiter in einem medizini- Den Symptomen wurden Verdachtsdiagnosen zugeordnet. Die Herz-Kreislauf-Beschwerden beinhalten auch neurologische Erkrankungen, insbesondere Schlaganfälle. Unfälle waren schen Notfall direkt auf den Arzt zugehen, ohne diesen vor allem herabfallendes Gepäck aus den Gepäckablagen im Deckenbereich sowie Verbrennungen/Verbrühungen durch heiße Getränke. vorgängig ausrufen zu müssen. Obschon diese Regist- Sonstiges: Hals-Nasen-Ohren-Erkrankungen, Koliken, Verdacht einer Infektionskrankheit, psychiatrische Erkrankungen. rations-Möglichkeit bereits bekannt ist, scheuen sich noch viele Ärztinnen und Ärzte davor, sich dem Pro- Abbildung 2: Verteilung der medizinischen Notfälle [1]. Nach- gramm anzuschliessen, aus Angst vor rechtlichen druck mit freundlicher Genehmigung des Deutschen Ärzte- blatts. Konsequenzen. Die Deutsche Lufthansa schreibt zu diesem Thema auf ihrer Internetseite: «Die rechtliche Situation für den behandelnden Arzt ist abgesichert: Im Rahmen einer Haftpflichtversicherung, Medical Case – aus Sicht der Cockpit Crew die die Deutsche Lufthansa AG für solche Fälle abge schlossen hat, sind die Ärzte an Bord gegen eventuelle Re Seit dem 11. September 2001 muss die Cockpit-Türe ge- gressansprüche des behandelten Fluggastes abgesichert. schlossen bleiben und kann nur unter bestimmten Vorsatz ist hiervon selbstverständlich ausgenommen. Umständen geöffnet werden. Die Pilot/-innen hören Diese Enthaftung gilt für Ärzte und fachkundige Laien jedoch über das Kommunikationssystem des Flugzeu- helfer.» [2] ges die Durchsagen der Cabin Crew und werden so über Bei den meisten Airlines wird der helfenden Ärztin das Geschehen in der Kabine informiert. In lebens eine solche Enthaftungserklärung des Bordpersonals bedrohlichen Situationen entscheidet der Captain – in ausgehändigt, die sie bei der Hilfestellung versichert, Absprache mit einem anwesenden Arzt oder MedAire – ausgenommen sie handelt mit grober Fahrlässigkeit ob die Flugroute planmässig fortgeführt werden kann oder unter Vorsatz. PRIMARY AND HOSPITAL CARE – ALLGEMEINE INNERE MEDIZIN 2018;18(23):416 – 418 Published under the copyright license “Attribution – Non-Commercial – NoDerivatives 4.0”. No commercial reuse without permission. See: http://emh.ch/en/services/permissions.html
Lernen 418 Der Crew und der helfenden medizinischen Fachperson steht bei einem Medical Case im Flugzeug zusätzlich Info Box medizinische Hilfe vom Boden zur Verfügung. Zum Registrieren Sie sich unkompliziert und einfach als Ärztin/Arzt Beispiel arbeitet die Fluggesellschaft SWISS mit Med bei der SWISS, Lufthansa und Austrian Airlines. So geht’s: – https://www.swiss.com/ch/DE/vorbereiten/spezielle-betreu- Aire zusammen, bei der die Cabin Crew, der Arzt oder ung/gesundheit-und-reisen die Pilotin jederzeit über Funk oder Satellitentelefon – «Arzt an Bord» Programm → jetzt anmelden Hilfe anfordern kann. Die Fachkräfte der MedAire un- – Sie werden auf die Webseite der Lufthansa weitergeleitet terstützen beim weiteren medizinischen Vorgehen und (www.lufthansa.com), auf der Sie auch noch weitere Infor- liefern Entscheidungsgrundlagen betreffend den mög- mationen über das Programm vorfinden. lichen Ausweichflughäfen und Spitälern [3]. merksamkeit erfordert, wäre es zu gefährlich und ver- antwortungslos, wenn die Pilotinnen und Piloten trotz Medizinische und andere Zwischenfälle Krankheit oder Schlafmangel arbeiten würden. Nicht nur akute medizinische Notfälle testen die Be- Für den Fall eines medizinischen Notfalls eines Cock- lastbarkeit der Besatzung im Flugzeug. Alkoholisierte pit-Crewmitglieds während des Fluges, wird jährlich Passagiere werden bereits beim Boarding abgefangen, im Flugsimulator-Training geübt, wie das Flugzeug woraufhin der Captain und die Maître de Cabine infor- alleine gesteuert werden kann. In einer solchen Situa- miert werden. Sie entscheiden gemeinsam, nachdem tion wird in jedem Fall ein Mayday per Funk abgesetzt sie mit dem Passagier direkt gesprochen haben, ob sie und der nächstmögliche Flughafen angesteuert. es verantworten können, ihn mitzunehmen, oder ob er am Abflugort bleiben muss. Verhält sich ein Passa- Kurioses gier jedoch erst während des Fluges aggressiv und auf- fällig, so gestaltet sich die Situation schwieriger. Die Bei einem sehr seltenen Ereignis eines Todesfalles im Flight Attendants werden darauf geschult, solche Situa- Flugzeug (die Wahrscheinlichkeit eines Todesfalls liegt tionen zu deeskalieren. Misslingt dieses Unterfangen bei ca. 1:2 Millionen Passagiere [4]), wird der Flug plan- jedoch, so bleibt dem Captain noch die Möglichkeit, mässig fortgeführt und die verstorbene Person in einen dem Passagier eine schriftliche Verwarnung zukom- Bodybag gelegt. Nur ein an Bord anwesender Arzt darf men zu lassen. In dieser wird erklärt, dass nach der den Tod eines Passagiers feststellen, wobei der Captain Landung die Polizei eingeschaltet wird, sollte sich die aber in jedem Fall die Koordinaten des Flugzeuges zum Lage nicht umgehend beruhigen. Zeitpunkt des Todes aufschreiben muss. Seit dem Absturz des Germanwings-Fluges wird in der Die Koordinaten müssen auch im Falle einer Geburt zivilen Luftfahrt der psychischen Gesundheit der (1 pro Jahr, laut der Lufthansa [2]) angegeben werden. Pilotinnen und Piloten eine erhöhte Aufmerksamkeit Die Bestimmung der Nationalitäten des Neugeborenen geschenkt. Aus Angst, bei der Konsultierung des Flie- ist dann von Fall zu Fall unterschiedlich, wobei in gerarztes die Fluglizenz zu verlieren, könnten die Pilo- jedem Fall die Nationalität der Eltern zum Tragen ten allenfalls vermeiden, fachliche Hilfe zu beanspru- kommt. Befindet sich das Flugzeug jedoch zum Zeit- chen. Die Schweizer Fluggesellschaften SWISS und punkt der Geburt zum Beispiel über Kanada, so erhält Edelweiss sind sich dieser Problematik bewusst und das Baby auch noch den kanadischen Pass. Dies aber haben deshalb zusammen mit der Airline Pilots Associa nur, da Kanada als e ines von 190 Ländern Teil des Chi- tion AEROPERS ein Programm ins Leben gerufen. Bei cago-Abkommens ist, das den Mitgliederstaaten über dieser unabhängigen Beratungsstelle erhalten freiwil- ihrem Gebiet die vollständige Lufthoheit gewährt. lige Pilotinnen und Piloten eine von Experten beglei- Befindet sich das Flugzeug jedoch über dem Ozean, so tete Ausbildung für die vertrauliche Erstbetreuung kann das Kind unter Umständen die Nationalität des ihrer Kollegen. Eine allfällige weiterführende Therapie Landes erhalten, in welchem die Fluggesellschaft regis- wird von Experten übernommen. triert ist. Da dieser Beruf sehr anspruchsvoll ist und viel Verant- wortung mit sich trägt, wird der Gesundheit der Pilo- Korrespondenz: Literatur Fliegerärztliches Institut FAI tinnen und Piloten grosse Beachtung geschenkt. Nicht 1 Graf J, Stüben U, Pump S. In-flight medical emergencies. Dtsch Katja Trabold nur der jährliche obligatorische Check bei der Flieger- Arztebl Int 2012;109(37):591–602. DOI: 10.3238/arztebl.2012.0591 Wissenschaftliche 2 Deutsche Lufthansa AG. Internetseite: https://www.lufthansa. Mitarbeiterin ärztin, sondern auch die Tatsache, dass sie sich ohne com/de/de/arzt-an-bord. 09.2018. Abgerufen am 3.10.2018. Bettlistrasse 16 Begründung krankmelden dürfen, spricht für diese 3 Swiss International Air Lines AG. www.swiss.com. CH-8600 Dübendorf Abgerufen am 3.10.2018. katja.trabold[at] Fürsorge. Aufgrund der Tatsache, dass das Steuern ei- 4 Siedenburg J (2010). Kompendium Flug- und Reisemedizin. vtg.admin.ch nes Flugzeuges 100-prozentige Konzentration und Auf- BOD, Norderstedt. PRIMARY AND HOSPITAL CARE – ALLGEMEINE INNERE MEDIZIN 2018;18(23):416 – 418 Published under the copyright license “Attribution – Non-Commercial – NoDerivatives 4.0”. No commercial reuse without permission. See: http://emh.ch/en/services/permissions.html
LERNEN | ÄRZ TEKONGRESS AROSA 420 Hof fnung auf Sicherheit und ein Leben in Würde Migration und seelische Gesundheit – was können Hausärzt/-innen tun? Heinrich Kläui Hausarzt, Bern; ehem. Konsiliararzt Ambulatorium für Folter- und Kriegsopfer, Bern Ärztinnen und Ärzte sind wichtige Vertrauenspersonen für Menschen, die auf der a r tic le Flucht vor Krieg und Folter in der Schweiz ankommen. Dieses Vertrauen muss lang- Peer sam aufgebaut werden; die hausärztliche Praxis ist ein wichtiger Ort dafür. re v ie we d Die Schweizer Geschichte war immer auch eine Migra- tionsgeschichte. Über Jahrhunderte verliessen junge Menschen ihre Heimat, um in fremden Ländern zu kämpfen, zu dienen oder ihr Glück zu suchen. Militäri- sche Arbeitsmigration ab dem 15.Jahrhundert, zivile Arbeitsmigration (Küher, Bäcker, Baumeister, Wissen- schaftler, Künstler etc.), Flucht aus religiösen und politischen Gründen und manchmal behördlich ange- ordnete Armutsmigration [1]. Diese war nicht selten unfreiwillig – die Hälfte einer grossen, über 300-köpfi- gen Gruppe von verarmten Bürgern Rothrists (= Nie- derwyl bei Zofingen) wurde 1855 von der Gemeinde gedrängt, sich auf die lange Reise nach Amerika zu ma- chen (Abb. 1 und 2). Die letzte Auswanderungswelle in den zwanziger Jah- ren des letzten Jahrhunderts führte nach Argentinien. In vielen Familien leben heute noch die Auswande- rungsgeschichten der Vorfahren weiter. Nun erleben wir – nach den grossen Zuwanderungs- wellen zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts und während der Hochkonjunktur – eine Zuwanderung von Flüchtlingen, die vor Krieg, Armut und Folter flüchten. Diese Menschen haben oft Schreckliches er- Abbildung 2: Denkmal für die Auswanderer, Rothrist. lebt, zu Hause und auf der Flucht. Sie haben ihr Land unfreiwillig verlassen, hoffend auf Sicherheit und ein Leben in Würde; sie kommen mit Vorstellungen, Hoff- nungen und Wünschen, die wir nicht kennen und die uns fremd sind. In der Sprechstunde Die häufigsten Konsultationsgründe sind Rücken- schmerzen, Magenbeschwerden, Schlafstörungen; häufig sind aber auch banal erscheinende Leiden wie Akne oder Haarausfall Grund eines Arztbesuches. Hin- ter harmlosen Beschwerden kann sich eine grosse Abbildung 1: Textauszug der New York Times von 1855. Angst verbergen: Habe ich nach der entbehrungsrei- PRIMARY AND HOSPITAL CARE – ALLGEMEINE INNERE MEDIZIN 2018;18(23):420– 423 Published under the copyright license “Attribution – Non-Commercial – NoDerivatives 4.0”. No commercial reuse without permission. See: http://emh.ch/en/services/permissions.html
LERNEN 421 chen Flucht nun eine schwere Erkrankung? Hat die Fol- Traumatisierte Flüchtlinge ter bleibende Schäden hinterlassen? Oft ist die sprachliche Verständigung schwierig; leider Die Diagnose einer posttraumatischen Belastungsstö- harrt das leidige Problem der ungedeckten Überset- rung (PTBS) (Tab. 1) lässt sich bei 30–60% der neu ein- zungskosten weiter einer Lösung. Das Bundesamt für treffenden Flüchtlingen stellen; die Prävalenz sinkt auf Gesundheit BAG hat den Nationalen Telefondolmetsch 15–20% bei anerkannten Flüchtlingen [3]. Die Prävalenz dienst initiiert (Telefonnummer 0842 442 442, CHF 3/ der Depression ist mindestens gleich hoch, in einigen Minute, mindestens CHF 30/Gespräch), der mit quali Studien höher als die der PTBS. fizierten, zertifizierten Dolmetschpersonen arbeitet und der Schweigepflicht untersteht. Auch verschie- Tabelle 1: Posttraumatische Belastungsstörung. dene Hilfswerke bieten Übersetzungsdienste an, am Traumatisches Ereignis, Beginn nach 1 bis 6 Monaten einfachsten aufzufinden über die lokale Vermittlungs- Aufdrängende Erinnerungen:Flashbacks, Träume, innere stelle von INTERPRET: www.inter-pret.ch [2]. Bedrängnis (Intrusion) Als schwierig werden aber auch sogenannte «kultu- Vermeidungsverhalten (Konstriktion) relle Differenzen» angesehen: Menschen, die ihre Teilweise/vollständige Amnesie Erfahrungen mit einem uns unbekannten Gesund- Übererregung (hyperarousal): Schlafstörungen, Reizbarkeit, heitssystem mitbringen; die sich ungewohnt verhal- Konzentrationsschwierigkeiten, Hypervigilanz, Schreckhaftigkeit ten, fordernd oder sehr passiv; Menschen, die ihr Leiden in uns fremden Worten ausdrücken; Menschen mit unrealistischen Hoffnungen oder unverständ Die psychische Morbidität zeigt nicht nur einen Zeit- lichen Ängsten. verlauf, sie hängt auch mit der Intensität der erlebten Auch wenn Stereotypien uns viel Denkarbeit abneh- Traumata zusammen. Unter Asylsuchenden aus dem men und Zeit sparen: Wir haben ein Individuum mit Nahen Osten ist die Prävalenz der PTBS bei Syrern mit einer individuellen Geschichte vor uns; fragen wir 30% mehr als doppelt so hoch als bei Nicht-Syrern diese Person, wenn uns ihr Verhalten oder ihre Gedan- (Abb. 3) [4]. ken unverständlich sind! Stereotypien sind nicht dien- Wie lässt sich eine Traumatisierung erkennen? Wich- lich, um einen kranken Menschen zu verstehen; weit tige Symptome, die oft spontan erwähnt werden, sind wichtiger als die «Kultur» sind die Lebenserfahrungen, Schlafstörungen, Konzentrationsstörungen und Ner- das Krankheitserleben und die erworbenen Bewälti- vosität. Erfragt werden sollten Albträume, Vermei- gungsstrategien des konkreten Individuums. dungsverhalten und sozialer Rückzug. Komorbidität ist häufig, sowohl mit Depressionen wie auch mit Anpassungsstörungen und protrahierten other nationalities Trauerreaktionen. Die diagnostische Klärung ist in der psychosis Syrian hausärztlichen Praxis oft schwierig – und vielleicht auch nicht im Vordergrund. Ein pragmatisches Vor somatisation disorder gehen orientiert sich am Leidensdruck: Kann der Patient/die Patientin schlafen? Bestehen schwere addiction disorder Konzentrationsstörungen? Behindern Flashbacks und Vermeidungsverhalten die Alltagsgestaltung? In die- depression sen Fällen empfiehlt sich die Überweisung an eine Fachstelle, sei dies an eines der Ambulatorien für post traumatic stress disorder Folter- und Kriegsopfer, an eine spezialisierte transkul- turelle Sprechstunde oder an psychiatrisch-psycho- therapeutische Kolleg/-innen (ärztliche und nicht psychosocial crisis ärztliche), die sich in der Behandlung traumatisierter Menschen auskennen. 0% 10% 20% 30% 40% An dieser Stelle sei erwähnt, das viele Flüchtlinge gro- psychiatric comorbidities sse Vorbehalte gegenüber psychopharmakologischen Abbildung 3: Prävalenz psychischen Störungen bei Asylsuchenden aus dem Behandlungen haben; einerseits verbinden sie mit psy- Nahen O sten in einer universitären Notfallstation (Inselspital Bern). chischer Krankheit die oft wenig entwickelte Anstalts- Pfortmueller CA, Schwetlick M, Mueller T, Lehmann B, Exadaktylos AK (2016) Adult psychiatrie im Heimatland, andererseits werden Medi- A sylum Seekers from the Middle East Including Syria in Central Europe: What Are Their Health Care Problems? PLoS ONE 11(2): e0148196. https://doi.org/10.1371/journal. kamente in der Folter verwendet und wecken Ängste pone.0148196. vor Kontrollverlust. PRIMARY AND HOSPITAL CARE – ALLGEMEINE INNERE MEDIZIN 2018;18(23):420– 423 Published under the copyright license “Attribution – Non-Commercial – NoDerivatives 4.0”. No commercial reuse without permission. See: http://emh.ch/en/services/permissions.html
LERNEN 422 Ein wichtiges Zeichen durchgemachter Traumatisierung tienten-Beziehung. Die so erhaltenen anamnestischen und Folter sind chronische Schmerzen, insbesondere Rü- Angaben sind oft widersprüchlich und ungenau (dies cken- und Kopfschmerzen. Sie sind Ausdruck der hohen wird leider von den Migrationsbehörden zu Unguns- inneren Anspannung, die phasenweise unaushaltbar ten der Person verwendet). Es empfiehlt sich, sehr be- werden kann (und häufig zu Notfallkonsultationen und hutsam vorzugehen. Oft reicht die Frage, ob jemand im Besuchen in Notfallstationen führt). Ein zentraler Faktor Gefängnis oder in einem Lager war, um ein stummes ist die Angst: Angst vor bleibenden Schäden durch Folter beidseitiges Wissen herzustellen, das dann zu gegebe- und Misshandlung; Angst vor Invalidität und dadurch ner Zeit zur Sprache gebracht werden kann. Unmöglichkeit, ein neues Leben aufzubauen. Man ist oft Wichtig sind Empathie, Transparenz (Erklären der erstaunt, welche Antworten auf die Frage «Was befürch- geplanten Untersuchungen, der Befunde, eventueller ten Sie am meisten?» gegeben werden: Ein Patient bei- Überweisungen), ruhiges Vorgehen ohne unnötige spielsweise sah seine Zukunft im Rollstuhl, nachdem er Wartezeiten und Vermitteln von Sicherheit (Arztge- im heimatlichen Fernsehen eine Dokumentation über heimnis erwähnen, Sitzordnung, physische und psy- einen gefolterten Menschen mit den gleichen Rücken- chische Distanzen respektieren). schmerzen gesehen hatte. Die Zusammenhänge von Trauma und Schmerzen sind nicht allen traumatisierten Was erwarten Flüchtlinge von uns? Menschen geläufig. Es lohnt sich, anhand von Schmerz- tagebüchern oder ähnlichen Hilfen Verbindungen zwi- Flüchtlinge erwarten sehr viel von uns! Ist einmal eine schen Schmerz und psychischem Zustand (Schlaf, Nervo- Vertrauensbasis gelegt, dann sind wir eine zentrale sität, «Stress») herzustellen. Anlaufstelle für viele Fragen. Als wichtig werden ange- geben: Zeit – Vertrauen – Interesse am politischen und historischen Kontext – direktes Ansprechen der psy- Soll die Traumatisierung angesprochen chischen Symptome (Albträume, Flashbacks, Nervosi- werden? tät, Konzentrationsstörungen, Trauer, Vermeidungs- Es hat sich bewährt, den Entscheid, die Traumatisie- verhalten) – Information und Psychoedukation zu rung anzusprechen oder nicht, dem Patienten/der Pa- PTBS und Traumafolgestörungen [5]. tientin zu überlassen. Einerseits ist es nicht an uns, Das Krankheitsmodell vieler traumatisierter Flücht- Fragen zu stellen, die vielleicht vor kurzem durch die linge ist multifaktoriell und psychosozial – sie sehen Migrationsbehörden gestellt wurden; andererseits ihren Zustand als Resultat einer Vielzahl verschiede- kann ein zu forsches Explorieren zu schmerzhaften ner Stressoren, die auf ihr Leben einwirken [6]. Oft wird Rückerinnerungen und zu Dissoziationen führen. Eine ein Zusammenhang mit aktuellen Belastungen her Anamneseerhebung, die Erinnerungen an Verhöre gestellt; die Traumatisierung kommt seltener zur Spra- weckt, kann bei traumatisierten Patientinnen und Pa- che. Vielleicht fehlt die Hoffnung, das erlittene Leid sei tienten Angst, Verwirrung und dissoziative Zustände einer Behandlung zugänglich? Das Konzept der psy- hervorrufen – insbesondere bei erst kurzer Arzt-Pa chotherapeutischen Gesprächsbehandlung ist vielen Menschen fremd. Hausärzte und -ärztinnen hingegen Tabelle 2: Postmigratorische Lebensschwierigkeiten bei 134 Patient/-innen kennen alle ... Auf diesem Vertrauensvorschuss kön- des Ambulatoriums für Folter- und Kriegsopfer SRK in Zürich [9]. nen wir aufbauen. Es liegt an uns, unserer Patientin Einsamkeit 84,3% oder unserem Patienten das Wesen einer psychothera- Sorge um Familienangehörige im Heimatland 80,8% peutischen Traumabehandlung zu erklären und sie Unmöglichkeit, im Notfall in die Heimat zu reisen 75,4% gegebenenfalls dazu zu motivieren. Trennung von der Familie 73,9% Schwierigkeiten, Deutsch zu lernen 73,1% Schwierigkeiten mit Arbeit 65,7% Erfolgsfaktoren in der Behandlung Verständigungsschwierigkeiten 62,7% Schematisch lassen sich vier Ebenen [7] unterscheiden: Angst vor zukünftiger Rücksendung in die Heimat 61,2% – Eine Ebene des Selbstmanagements, unterstützt Schwierigkeiten, angemessenen Wohnraum zu bekommen 56,0% durch Peers mit ähnlichen Erfahrungen, und durch Nicht ausreichend Geld, um Nahrung und nötige Kleidung 53,7% zu kaufen oder die Miete zu bezahlen psychoedukative Unterstützung (z.B. durch Haus- Diskriminierung 47,0% ärztinnen und -ärzte); Sorgen, keine Behandlung für Gesundheitsprobleme zu erhalten 47,0% – Eine Ebene der psychosozialen Hilfe: Wohnung, Keine Anerkennung als Flüchtling 39,6% Ausbildung, Arbeit – unterstützt durch hausärztli- Konflikte mit Sozialarbeitenden/anderen Autoritäten 37,3% che Vermittlung und Zeugnisse, durch Hilfswerke Konflikte mit eigener/anderen ethnischen Gruppen in der Schweiz 23,1% und Sozialdienste; PRIMARY AND HOSPITAL CARE – ALLGEMEINE INNERE MEDIZIN 2018;18(23):420– 423 Published under the copyright license “Attribution – Non-Commercial – NoDerivatives 4.0”. No commercial reuse without permission. See: http://emh.ch/en/services/permissions.html
LERNEN 423 – Eine Ebene der Behandlung von Komorbiditäten: Schmerzzustände, somatische Krankheiten, Infekte Zusammenfassung – die hausärztliche Domäne; – Und schliesslich die Ebene der eigentlichen Trauma Der Hausarzt/die Hausärztin ist eine wichtige Vertrau- therapie durch spezialisierte Dienste und niederge- ensperson für Menschen, die ihre materielle Existenz lassenen Psycholog/-innen und Psychiater/-innen. und ihr Vertrauen in die Menschlichkeit verloren ha- Die Prognose der psychischen Traumafolgestörungen ben. Dieses Vertrauen muss langsam aufgebaut wer- ist in der Regel günstig; es besteht eine nicht zu unter- den; die hausärztliche Praxis mit ihrer Zuverlässig- schätzende Selbstheilungstendenz. Psychosoziale keit, Transparenz und Offenheit ist ein wichtiger Ort Faktoren haben einen entscheidenden Einfluss auf die auf diesem Weg. Ein Patient beschrieb es als «Seil in Genesung; an erster Stelle steht die physische und psy- einem reissenden Strom, an dem er sich festhalte». chische Sicherheit, gewährleistet durch einen sicheren Die Zusammenarbeit mit psychotherapeutischen Aufenthaltsstatus. Kolleg/-innen ist Hilfe für schwer traumatisierte Die psychotherapeutische Arbeit mit traumatisierten Patientinnen und Patienten – und im kollegialen Aus- Menschen benötigt einen gesicherten Boden, um mit tausch Entlastung in unserer hausärztlichen Arbeit der Arbeit am Trauma zu beginnen; ist diese Sicherheit mit traumatisierten Menschen. nicht gewährleistet, bleibt nur Stabilisierung und sym- Psychosoziale Unterstützung, Erfassen und Behan- ptomatische Therapie. Die meisten psychotherapeuti- deln von Krankheiten und Ängsten, erklärende Infor- schen Verfahren arbeiten mit Trauma-Reexposition; mationen (Psychoedukation) und manchmal einfach dies ist jedoch nicht unumstritten. Für weitere Infor- Da-Sein – das sind die vornehmen Aufgaben der mationen zur Psychotherapie mit traumatisierten hausärztlichen Praxis. Menschen sei auf die Fachliteratur verwiesen [8]. Postmigratorische Faktoren Unter postmigratory living difficulties (PLMD) werden die Probleme, Hindernisse und Schwierigkeiten zu- Literatur sammengefasst, die das Gelingen des Migrationspro- 1 Holenstein A, Kury P, Schulz K. (2018) Schweizer Migrations geschichte. Von den Anfängen bis zur Gegenwart. Hier und Jetzt, jektes erschweren und gefährden (Tab. 2). Baden. Die Probleme von Überlebenden von Folter und Miss- 2 Eine Liste der Vermittlungsstellen findet sich unter https://www. inter-pret.ch/admin/data/files/editorial_asset/file/317/liste_der_ handlung müssen weit breiter definiert werden als nur vermittlungsstellen.pdf?lm=1536834874 über die PTBS-Symptome, wie eine Cochrane-Über- 3 Kläui H (2018) Allgemeinmedizinische und hausärztliche Betreuung sicht [10] feststellte. von Flüchtlingen und Asylsuchenden, in Maier T, Morina N, Schick M, Schnyder U (Hrsg.) (2018, im Druck) Trauma – Flucht – Zu den alltäglichen Schwierigkeiten des Aufbaus eines Asyl. Ein interdisziplinäres Handbuch für Beratung, Betreuung Lebens im Exil kommt die moralische Dimension der und Behandlung. Hogrefe, Bern und Göttingen. 4 Pfortmueller C, Schwetlick M, Mueller T, et al. Adult asylum seekers Folter: Folter und Misshandlung erschüttern unsere from the middle east including Syria in Central Europe: what are Grundüberzeugungen; durch die Konfrontation mit their health care problems? PLoS One. 2016;11(2):e0148196. 5 Shannon P. Refugees’ advice to physicians: how to ask about Hass und Willkür wird das Vertrauen in die Mitmen- mental health. Fam Pract. 2014;31(4):462–66. schen nachhaltig zerstört. 6 Maier T, Straub M .My Head is Like a Bag Full of Rubbish: Concepts of Illness and Treatment Expectations in Traumatized Migrants. Qual Health Research. 2011;21:233–48. 7 Maier T (2018): Antrittsvorlesung Uni Zürich, www.uzh.ch/outreach/ events/av.html 8 Maier T, Morina N, Schick M, Schnyder U (Hrsg.) (2018 im Druck) Nützliche Links Trauma – Flucht – Asyl. Ein interdisziplinäres Handbuch für Beratung, Betreuung und Behandlung. Hogrefe, Bern und www.migesplus.ch: Umfassender Zugang zu Materialien (Bro- Göttingen. schüren, Patienteninformationen) zu Themen der Migration in 9 Morina N, Kuenburg A, Schnyder U, et al. The Association of vielen Sprachen. Post-traumatic and Postmigration Stress with Pain and Other Korrespondenz: Somatic Symptoms: An Explorative Analysis in Traumatized www.migesexpert.ch: Informationen für Ärztinnen und Ärzte zu Dr. med. Heinrich Kläui Refugees and Asylum Seekers. Pain Medicine. 2018;19:50–9. Bühlstrasse 59 Migration und Gesundheit. 10 Patel N, Kellezi B, Williams AC. (2014) Psychological, social and CH-3012 Bern www.torturevictims.ch: Webseite des Verbunds der Ambulato- welfare interventions for psychological health and well-being h.klaeui[at]hin.ch rien für Folter- und Kriegsopfer mit weiterführenden Materialien. of t orture survivors. Cochrane Database Syst Rev, 11, CD009317 PRIMARY AND HOSPITAL CARE – ALLGEMEINE INNERE MEDIZIN 2018;18(23):420– 423 Published under the copyright license “Attribution – Non-Commercial – NoDerivatives 4.0”. No commercial reuse without permission. See: http://emh.ch/en/services/permissions.html
LERNEN 424 Das Medikament ist für den Internisten das, was dem Chirurgen das Skalpell ist: Ein unabdingbares Instrument zur Behandlung, das jedoch einen präzisen Einsatz erfordert. Dieser Artikel ist Teil einer Serie, in der die wichtigsten Informationen zu häufig verwendeten Medikamenten kurz und bündig präsentiert werden sollen, um eine angemessene Verschreibung in der täglichen Praxis zu gewährleisten. Die Angaben sind direkt dem Brevimed (er- schienen bei Editions Médecine et Hygiène) entnommen. Dieses Buch im Taschenformat wurde von Prof. Dr. med. Jacques Donzé verfasst (die zweite Edition in Zusammenarbeit mit Prof. Nicolas Schaad) und gibt eine Übersicht über 1400 Wirkstoffe, die in der Medizin häufig eingesetzt werden. Der Brevimed bietet den Vorteil, auf ein bis zwei Seiten alle für die Verschreibung relevanten Informationen darzustel- len, und zwar unabhängig von der Pharmaindustrie. Jeder Teil der Serie wird von einem kurzen Gastkommentar eines Experten ergänzt. Das Skalpell des Internisten Metamizol / Novaminsulfon Jacques Donzé a , Nicolas Schaad b , Manuel Haschke c a Mitglied der Redaktion; Universitätsklinik für Allgemeine Innere Medizin, Inselspital Bern, Harvard Medical School, Boston, MA; b Pharmacie interhospita- lière de la Côte, Morges, Faculté de médecine, Université de Genève; c Klinische Pharmakologie, Inselspital Bern Bezeichnung Novalgin® und Generika: Tabletten 500 mg, Zäpfchen 1 g, Tropfen 0,5 g/ml, Injektionslösung 1 g/2 ml und 2,5 g/5 ml (i.v.; i.m.). Eig Antiphlogistisch durch unselektive Hemmung von COX-1 und 2. Möglicherweise sind andere Wirkmechanis- men, etwa die Stimulierung der Cannabinoid-Rezeptoren, an der analgetischen Wirkung beteiligt. Pharm Novaminsulfon ist ein Prodrug, das in einen aktiven, für die Hemmung der Cyclooxygenasen verantwortlichen Metaboliten (4-Methylaminoantipyrin, MAA) umgewandelt wird. Die Halbwertszeit von MAA beträgt 6 h. Indik Schmerzen und Fieber, die auf andere NSAR schlecht ansprechen. Dos Oral: 0,5–1 g 3–4×/Tag (max. 4 g/Tag); rektal: 1 g 3–4×/Tag (max. 4 g/Tag). Anpas Anpassung bei Niereninsuffizienz: Wenige Daten verfügbar. Dieselben Vorsichtsmassnahmen wie bei anderen NSAR anwenden. Anpassung bei Leberinsuffizienz: Wenige Daten verfügbar. KI Hypotonie, Bronchospasmus nach Einnahme von NSAR, schwerwiegende unerwünschte Wirkungen nach Einnahme von NSAR (gastrointestinale Beschwerden, Niereninsuffizienz). NW Hypotension (i.v.-Gabe: langsame Injektion), Niereninsuffizienz, Agranulozytose. Die absolute Häufigkeit der Agranulozytose ist nicht genau bekannt (1:3000–1:1 000 000). Sie tritt im Allgemeinen innerhalb von sieben Tagen auf. Vor allem bei Frauen zu beobachten. Inter Novaminsulfon ist ein Induktor von CYP3A4 und 2B6. Bei gleichzeitiger Behandlung mit Arzneistoffen, die von diesen Enzymen metabolisiert werden, verringert sich möglicherweise deren Wirkung. Beispielsweise wird im Rahmen einer Rivaroxaban-Therapie das Thromboserisiko erhöht (aufgrund der verringerten gerinnungs hemmenden Wirkung). Novaminsulfon schwächt den thrombozytenaggregationshemmenden Effekt von Acetylsalicylsäure ab. Gleichzeitige Behandlung mit Methotrexat (höheres Risiko von Agranulozytose). Anm Dieser Wirkstoff ist in zahlreichen Ländern aufgrund des Agranulozytose-Risikos nicht zugelassen (USA, England, Australien, Japan). Seitdem er auf den Markt kam, wurden der WHO bereits über 1400 Fälle gemeldet. Novaminsulfon ist weiterhin ein sehr häufig verwendeter Wirkstoff, ungeachtet dessen, dass die Daten zur A nwendungssicherheit sehr lückenhaft sind. Es ist nicht erwiesen, dass Novaminsulfon im Hinblick auf den Magen-Darm-Trakt, die Nieren und das Herz-Kreislauf-System sicherer als andere NSAR ist. Kann eine Rotverfärbung des Urins bewirken. Auszug aus dem «Brevimed», Gastkommentar erschienen 2017 bei Editions Médecine Prof. Dr. med. Manuel Haschke, Chefarzt Klinische Phar- et Hygiène, www.medhyg.ch. Nur auf Französisch erhältlich. makologie, Universitätsklinik für Allgemeine Innere Me- Nachdruck mit freundlicher Genehmi- dizin, Inselspital Bern gung von Médecine et Hygiène. Metamizol ist ein Nichtopioid-Analgetikum, das in der Schweiz zugelassen ist zur Behandlung von starken Schmerzen und hohem Fieber, die auf andere Mass- nahmen nicht ansprechen. In einigen Teilen der Welt ist Metamizol wegen des Agranulozytose-Risikos nicht zugelassen. In der Schweiz und Deutschland sind die Verbrauchszahlen hingegen stark zunehmend. Metamizol ist ein effektives Analgetikum mit schwa- Fortsetzung auf Seite 426 PRIMARY AND HOSPITAL CARE – ALLGEMEINE INNERE MEDIZIN 2018;18(23):424 Published under the copyright license “Attribution – Non-Commercial – NoDerivatives 4.0”. No commercial reuse without permission. See: http://emh.ch/en/services/permissions.html
Sie können auch lesen