Wer kommt denn da sein Kind abholen? - Eine Orientierung im Umgang mit Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit in Kindertagesstätten
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Wer kommt denn da sein Kind abholen? Eine Orientierung im Umgang mit Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit in Kindertagesstätten
Impressum Herausgeber: Bildungswerk Berlin der Heinrich-Böll-Stiftung www.bildungswerk-boell.de Die Broschüre ist digital verfügbar unter: www.bildungswerk-boell.de/de/publikationen Konzept und Realisation: Kathrin Schlieter, Sabine Preuß Texte: Kathrin Schlieter Redaktion: Sabine Preuß Die sprachliche Gleichstellung von Frauen und Männern ist uns wichtig. Wir verwenden im Text abwech- selnd männliche und weibliche Bezeichnungen. Gemeint sind mit ihnen jeweils alle Menschen. Gestaltung und Illustration: Isabel Wienold www.iwi-design.de Druck: PinguinDruck, Berlin Copyright: Sabine Preuß, Kathrin Schlieter, Bildungswerk Berlin der Heinrich-Böll-Stiftung Berlin 2014 Diese Publikation wurde realisiert mit Mitteln der Stiftung Deutsche Klassenlotterie Berlin, Umverteilen! Stiftung für eine solidarische Welt Berlin, Netzwerk Selbsthilfe e.V. Berlin
Wer kommt denn da sein Kind abholen? Eine Orientierung im Umgang mit Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit in Kindertagesstätten Bildungswerk Berlin der Heinrich-Böll-Stiftung
Frauenbeirat Pankow Der Frauenbeirat vertritt die Interessen von Frauen Die Arbeitsgruppe „Engagement gegen Rechts“ im Bezirk, setzt sich für die Gleichstellung von des Frauenbeirates Pankow arbeitet zum Thema Frauen und Männern und für die Verbesserung ih- „Rechtsextreme Frauen und Familien“ und führt rer Lebenssituation ein. Der Beirat berät das Bezirk- in Kooperation mit anderen Berliner Projekten und samt Pankow, informiert und schafft Öffentlichkeit Trägern Veranstaltungen, Ausstellungen und Fort- für wichtige Themen. Im Beirat arbeiten Pankower bildungen durch. Bürgerinnen, Vertreterinnen von Frauenprojekten, Verbänden und Parteien zusammen – unabhängig, überparteilich, ehrenamtlich.
Inhaltsverzeichnis 1. Wer kommt denn da sein Kind abholen? 6 Einleitung 2. Wissen, mit wem man es zu tun hat 8 Rechtsextreme Kleidung, Symbole und Styles 3. „Sorgen Sie dafür, dass mein Kind nicht mit den Bimbos spielt!“ 13 Strategien gegen ausgrenzende, abwertende und rassistische Äußerungen 4. Belastungsprobe 15 Rechtsextreme Familien im Kindergarten 5. „Kümmerer“ und „Beschützer“ 19 Engagement von Rechts im Umfeld von Kindertagesstätten 6. Ist das schon Rassismus? 22 Wenn Eltern oder Kollegen „fremdeln“ 7. Wer erzieht denn hier? 24 Rechtsextreme Mitarbeiterinnen 8. Rückenstärkung für Couragierte 27 Was bringen Leitbilder und Hausordnungen? 9. Was braucht das Team? 30 Hilfen für die Mitarbeiterinnen 10. Bei uns sind alle willkommen! 31 Inhaltsverzeichnis Pädagogische Konzepte der Vielfalt und Inklusion 11. Anhang 32 Quellenangaben Beratungsnetzwerke der Bundesländer Literatur zum Weiterlesen Danksagung 35
1. Wer kommt denn da sein Kind abholen? Einleitung A us vielen jugendlichen Skinheads der 90er Jahre sind Eltern geworden, der Anteil von Frauen und Müttern in der rechten Szene ist ge- sich vehement von „Nazis“ ab. Und gerade rech- te Frauen werden häufig unterschätzt, obwohl sie immer wieder versuchen, im Umfeld von Familien, stiegen. Das Thema Rechtsradikalismus ist damit Kindern und Jugendlichen Einfluss zu nehmen. in den Kindertagesstätten angekommen. Erziehe- rinnen, Kinder und Eltern sind auch immer wieder mit alltäglicher Fremdenfeindlichkeit konfrontiert, mit abwertenden Äußerungen und ausgrenzenden „Die ‚Hoyerswerda-Generation‘, die Verhaltensweisen, die sich überall in unserer Ge- » « fremdenfeindlichen Jugendlichen, die sellschaft finden. Anfang der 90er Jahre traurige Berühmtheit „Sorgen Sie dafür, dass mein Sohn nicht mit den erlangten, sind ihrem Credo ‚Deutschland Bimbos spielt!“ - Solche und ähnliche Sprüche den Deutschen – Ausländer raus’ zum müssen sich Erzieher anhören. In einigen Einrich- großen Teil treu geblieben. Viele davon tungen arbeiten Fachkräfte mit Kindern, denen sind inzwischen Eltern geworden.“ zu Hause vermittelt wird, dass es richtig ist, „Aus- Danilo Starosta, Kulturbüro Sachsen länderkinder“ oder „Behinderte“ zu schikanieren. Mancher Vater geht in rechter Szenekleidung in der Kita ein und aus oder tut seine Gesinnung über aggressive Sprüche kund. Manche anderen Eltern kommen zu den regulären Abholzeiten nicht mehr Das Thema Rechtsextremismus ist ein Tabu-Thema. ins Haus, um diesem Vater nicht zu begegnen. Er- Viele Menschen reagieren darauf mit Abwehr oder Wer kommt denn da sein Kind abholen? zieherinnen stehen in der Regel dazwischen, müs- Angst, andere sorgen sich um das Image ihres Ortes sen den richtigen Ton, die richtigen Worte finden oder ihrer Einrichtung. Auch Rassismus und Frem- im Gespräch, versuchen dem Kind zuliebe einen denfeindlichkeit sind Themen, die viele verlegen Balanceakt zwischen einer Erziehungspartnerschaft und unsicher machen: Vielleicht war es gar nicht mit schwierigen Eltern und einer Grenzziehung da, böse gemeint? Werde ich für „politisch korrekt“ ge- wo es Not tut. halten, wenn ich reagiere? Doch wo Sprücheklopfer bestimmte Menschen beleidigen oder ausgrenzen, Ein Nazi in unserer Kita? – Die erste Reaktion auf muss man ihnen eine Grenze setzen. Das folgt bestimmte Beobachtungen ist häufig Unsicherheit, schon aus dem pädagogischen Auftrag, in der Kita wie man das Beobachtete überhaupt einordnen eine Atmosphäre zu schaffen, die allen Kindern kann: Ist das bloß ein Sprücheklopfer oder ein or- Bildung und Teilhabe ermöglicht. Und wo Extre- ganisierter Rechter? Ist eine bestimmte Bemerkung misten sich straff organisieren, sollten sich andere schon Rassismus oder sind wir überempfindlich, Menschen vernetzen und gut miteinander reden. wenn wir uns daran stören? Fallen solche Sprüche unter die Meinungsfreiheit? Und was kann ich tun, Wir haben bei der Recherche Fachkräfte kennen wo bekomme ich Unterstützung? gelernt, die sich gegen rechte Äußerungen und Botschaften gewehrt haben und damit Erfolg hat- Häufig müssen Einrichtungen reagieren, obwohl sie ten. Sie haben dabei die Erfahrung gemacht, dass noch nicht wissen, mit wem sie es eigentlich ge- es auch persönlich gut tut, sich eine Position zu nau zu tun haben: Mancher nette, engagierte Vater bilden und für die Vorstellungen, die man von der entpuppt sich als Funktionär einer rechtsextremen eigenen Arbeit hat, auch einzutreten. Es hilft, sich Organisation, der bei politischen Auftritten hass- im Team auszusprechen, sich Bündnispartner ins erfüllte Reden schwingt. Ein anderer klopft in der Boot zu holen. Und auch Öffentlichkeit kann un- Kita aggressive rassistische Sprüche, hat aber gar ter bestimmten Bedingungen eine Hilfe und ein kein geschlossenes rechtes Weltbild, sondern grenzt Schutz sein. 6
Foto: Starosta K büro 2009 Die Idee für diese Broschüre entstand im Frauenbei- rat des Berliner Bezirkes Pankow, wo wir nach Be- kanntwerden des NSU-Skandals begonnen haben, uns mit Aktivitäten von rechten Frauen im Bereich Kita und Familie zu beschäftigen. In Kooperation mit der Pankower Gleichstellungsbeauftragten, der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus Berlin Radikale Botschaften (MBR), dem Berliner Projekt ElternStärken und der machen vor Kinderspiel- Pankower Netzwerkstelle gegen Rechtsextremismus plätzen nicht Halt [moskito] haben wir eine Fortbildungsreihe für Fachkräfte zum Thema veranstaltet. Wir haben zum Thema Rechtsextremismus und Alltagsrassismus in Kindertagesstätten bundesweit recherchiert, mit Fachkräften, Menschen mit Bera- tungserfahrung und Eltern gesprochen. Dabei ha- ben wir unterschiedliche Erfahrungen, Meinungen „Im Vergleich zu den Neunzigern ist es » « und Fallbeispiele zusammengetragen, die wir hier vielerorts selbstverständlicher geworden, als Handreichung für ähnliche Situationen darstel- dass Leute sich gegen Rechts behaupten len, als Anregung für Erzieher, aber auch für Eltern, und dass auch pädagogische Einrichtungen die selbst aktiv werden wollen. Heraus aus dem Position beziehen. Damit sind einzelne Schweigen - das ist der erste wichtige Schritt, dem Rechtsextreme eine deutlich geringere Wer kommt denn da sein Kind abholen? andere folgen werden. Gefahr als früher.“ Kathrin Schlieter und Sabine Preuß Rainer Spangenberg, RAA Brandenburg „In unserer Kita treffen Welten aufeinander: Wir haben Eltern mit frem- „Das ist doch denfeindlichen nicht schlimm, Einstellungen und dass das Kind wir haben Kinder aus gestorben ist, es Flüchtlingsfamilien. Und damit war doch behindert müssen wir irgendwie umgehen.“ und hatte sowieso kein Lebensrecht.“ Kindergarten-Kind Kita-Leiterin Um unsere Gesprächspartner zu schützen und laufende Beratungen nicht zu gefährden, haben wir alle Informationen und Beispiele anonymisiert. 7
2. Wissen, mit wem man es zu tun hat Rechte Kleidung, Symbole und Styles In Gesprächen und Fortbildungsveranstaltungen äußerten Erzieherinnen Unbehagen über dieses „Verwirrspiel“. Sie möchten gern wissen, welche „Bei uns in der Botschaften in die Einrichtung getragen werden Gegend wohnen – offen oder verdeckt – und was in der künftigen etliche Rechtsex- Zusammenarbeit mit solchen Eltern vielleicht noch treme und es gab auf die Kita zukommt. Dazu muss man heute hin- schauen und sich informieren, wofür bestimmte auch schon Über- Zeichen, Marken oder Kleidungsstile stehen. Im griffe. Mein Alptraum Internet und in Broschürenform gibt es dazu ver- ist, wenn eine rechte Familie erst schiedene Zusammenstellungen. (→ Anhang) mal bei uns in der Kita drin ist, dass Nicht alles, was auf den ersten Blick martialisch dann zehn andere nach kommen. Ich wirkt, ist rechtsextrem. Andererseits steckt aber möchte gern besser erkennen kön- hinter manchem unauffälligen Kleidungsstück nen, mit wem ich es zu tun habe und eine menschenverachtende Botschaft: Ein T-Shirt etwa mit dem Aufdruck „168:1“ wirkt harmlos, gewappnet sein.“ vielleicht sportlich. Doch wer im Internet nach die- Erzieher ser Zahlenkombination sucht, erfährt, dass damit der Sprengstoffanschlag verherrlicht wird, den der amerikanische Rechtsextreme Timothy McVeigh 2. Wissen, mit wem man es zu tun hat 1995 in Oklahoma verübte. Die 168 Todesopfer G des Anschlags stehen dabei einem hingerichteten latze, Springerstiefel, Bomberjacke – den Ne- Attentäter gegenüber. Aus der Sicht von Menschen, onazi der neunziger Jahre konnte man meist die solche T-Shirts tragen, ist 168:1 eine positive auf den ersten Blick erkennen. Heute dagegen gibt Bilanz. Wer dagegen wegen seiner Herkunft oder es eine verwirrende Vielfalt rechtsextremer Klei- Lebensweise „ins Feindbild“ dieses T-Shirt-Trägers dungsstile und Erkennungszeichen. Nur ein Teil passt, empfindet es als Zumutung, wenn jemand der Szene tritt noch mit aggressiven Parolen auf in diesem Shirt in der Kita seines Kindes ein und dem T-Shirt oder martialischen Tattoos auf. Viele aus geht. moderne Rechte kleiden sich modisch-athletisch oder bürgerlich-seriös, andere wirken auf den ersten Blick fast wie linke Autonome. Der uniformierte Ein rechtes Outfit ist oft ein Test: Wird es Look von früher ist inzwischen unter vielen Rech- akzeptiert, dass ich hier so herumlaufe? ten verpönt. Man sucht Anschluss an den gesell- Man trägt sozusagen ein Stück rechtsex- tremes Programm auf seiner Haut. Das » « schaftlichen Mainstream und an andere Subkul- turen, die als schick und modern gelten. ist häufig auch Teil einer Strategie von Rechten, in ihrem Nahraum Einfluss zu Zudem hat die rechtsextreme Szene auf staatliche nehmen. Diese Kleidung ist Teil eines men- Verbote reagiert und ist häufig auf Zeichen und schenverachtenden Programms und Symbole ausgewichen, die nicht strafbar sind. Man da sollte man schon sagen, das wollen schätzt, dass es weit über 100 Symbole und Zeichen wir hier nicht haben. mit Bezug zur Szene gibt. Viele davon sind Codes, die eine rechtsextreme politische Orientierung eher Helga Hanusa, Landeskoordinierungsstelle Bayern verschlüsselt zum Ausdruck bringen. gegen Rechtsextremismus 8
Foto: Agentur für soziale Perspektiven Berlin » « „Ein Kind hatte am Kopf ein kleines Hakenkreuz einrasiert. Wir haben die Eltern darauf angesprochen. Am nächsten Tag war das Zeichen abrasiert.“ Fallbeispiel aus einer Kindertagesstätte Verschlüsselte Botschaften Fällt Kleidung aber nicht unter Meinungsfreiheit? Erzieher möchten eine Atmosphäre schaffen, in der sich alle Kinder, Eltern und Mitarbeiter wohl Wenn Kleidungsstücke oder Sym- und angenommen fühlen. Mehrere Erzieherinnen bole Botschaften transportieren, äußerten daher, dass sie Outfits, die man aus der durch die Rechte und Freiheiten rechten Szene kennt, in der Kita nicht akzeptabel anderer Menschen eingeschränkt finden. Wenn Marken aber nicht nur von Rech- werden oder die Atmosphäre in der ten, sondern auch von anderen Menschen getragen Einrichtung vergiftet wird, sollte man werden, wie kann man dann dagegen argumen- sich dem entgegenstellen. tieren? Wenn Rechtsextreme auf Codes, Sprüche oder Symbole ausweichen, die nicht strafbar sind, hat man dann überhaupt eine Handhabe dagegen? wen sich Audrucke wie „Whitepower“ richten. Sie Wenn der Vater mit den martialischen T-Shirt-Auf- wissen auch, dass viele Rechtsextreme mit Men- drucken sich bis jetzt nicht rechtsextrem geäußert schen, die nach ihrem Weltbild minderwertig sind, hat, soll man ihm dann wegen seiner Kleidung zu nicht zimperlich umgehen. Zudem erzeugen auch 2. Wissen, mit wem man es zu tun hat nahe treten? verschlüsselte Symbole ein Gemeinschaftsgefühl unter Menschen mit rechtem Weltbild, die sich dadurch gestärkt fühlen. Spätestens wenn mehrere Kita als Schutzraum Personen in solchem Aufzug in der Kita aus- und oder Angstraum? eingehen, kann der Schutzraum Kita für andere Eltern zum Angstraum werden. Eltern möchten eine Kita als sicheren Ort wahr- nehmen können. Schließlich geben sie dort täglich Wegen der Vielfalt der Kleidungsstile und Zeichen ihre schutzbedürftigen Kleinkinder ab. Eltern aus- kann es für den Umgang damit keine Patentrezepte ländischer Herkunft etwa verstehen schnell, gegen geben. Aus der besonderen Situation einer Kinder- tagesstätte ergeben sich aber einige Fragen, die im Einzelfall als Entscheidungshilfe dienen können: Auf einer Tasche, die Eltern ihrem Kind regelmäßig mit in die Kita gaben, war der • Welche Botschaft wird hier genau transportiert, Schriftzug einer in rechtsextremen Kreisen wie wirkt das auf andere? » « beliebten Marke zu sehen. Die Leiterin sagte den Eltern, sie wisse um die Bedeutung • Welches Signal senden Sie als Team an andere dieser Marke und habe ein Problem mit Eltern, wenn Sie nichts unternehmen? Wird die Abwertung bestimmter Menschen damit „salon- solchen Botschaften. Die Eltern wollten sich fähig“? auf kein Gespräch darüber einlassen, wofür diese Marke genau steht. Sie gaben dem • Dient dieser Kleidungsstil als Verständigungsmit- Kind danach aber eine andere Tasche mit. tel mehrerer Eltern ähnlicher Gesinnung, die die Fallbeispiel aus einer Kindertagesstätte Kita als ihr „Revier“ betrachten? 9
Wie sag ich’s? • Wenn Sie im Team zu dem Schluss kommen, dass teidigen. Trennen Sie zwischen der Person, die Sie solche Kleidung in der Kita nicht akzeptieren Sie als Partner bei der Erziehung wertschätzen können, sollten Sie das den Eltern gegenüber und einer Botschaft, die Sie in der Kita nicht klar, aber höflich begründen. Eva Prausner vom akzeptieren können. Berliner Projekt ElternStärken empfiehlt bei- spielsweise, bei einem T-Shirt mit aggressiver • Lassen Sie durchblicken, dass Sie sich informiert Botschaft so zu argumentieren: haben, wofür dieses Kleidungsstück oder Sym- „Wir haben uns im Team darüber unterhalten, wel- bol genau steht. Unterstellen Sie bei Marken, die che politischen Botschaften hier in die Kita getragen nicht ausschließlich von Rechtsextremen getra- werden. Und ich möchte Ihnen da jetzt nicht zu nahe gen werden, aber erst einmal nicht, dass die Per- treten, Ihnen steht ja frei, was sie privat anziehen. son selbst rechtsextreme Botschaften verbreiten Aber ihr T-Shirt bringt eine Botschaft zum Ausdruck, will. die wir in der Kita nicht akzeptieren können. Dieses T-Shirt wird auch gern in der rechtsextremen Szene • Legen Sie sich vorher eine Formulierung zurecht, getragen. Ich weiß nicht, ob Ihnen das bewusst ist mit der Sie souverän wieder aus dem Gespräch und möchte Ihnen da auch nichts unterstellen. Aber herauskommen, falls Ihr Gegenüber gar nicht wir müssen hier alle Eltern und Kinder im Blick ha- mit sich reden lässt, z.B.: ben. Deshalb möchten wir Sie bitten, dass Sie das „Wir können das jetzt nicht ausdiskutieren. Sie hier in der Kita nicht offen sichtbar tragen, sondern können sich das ja noch mal überlegen und dann zum Beispiel eine Jacke drüberziehen.“ vereinbaren wir noch mal einen Termin mit der Ge- schäftsführung unseres Trägers.“ • Machen Sie deutlich, dass Sie und das betreffen- de Elternteil ein gemeinsames Anliegen haben: • Wenn Sie sich unsicher fühlen, üben Sie vorher Sie wollen weiterhin bei der Erziehung des Kin- in einem Rollenspiel mit einem Kollegen oder des gut zusammenarbeiten. einer Freundin. Das hilft, die eigene Argumen- tation zu finden und sich freizusprechen. 2. Wissen, mit wem man es zu tun hat • Bleiben Sie höflich und professionell. Grenzen Sie den Betreffenden nicht aggressiv aus. Das • Nennen Sie nicht namentlich einzelne Eltern, die kann dazu führen, dass andere Eltern ihn ver- Ihnen anvertraut haben, dass sie Angst haben. Fremde stören hier! Voller Selbstgerechtigkeit, Rassismus im Alltag erklärt werden. Äußere aber auch Selbstmitleid, Merkmale wie Hautfar- erhebt der Rassismus im Alltag die eingelebte Nor- be, Kopfform, Körperbau, aber auch die Sprache malität zur Norm, „wie es sich gehört“. Hier stören erscheinen als Ausdruck einer behaupteten „inne- die „Anderen“, die „Fremden“, zum Beispiel die ren“ biologischen Bestimmung. Unabhängig vom Flüchtlinge, die kommen und bleiben. Häufig wird tatsächlichen Aussehen werden die Menschen nun das Gefühl des Gestörtseins als unverdient und un- „weißen“, „gelben“ oder „schwarzen Rassen“ zuge- gerecht empfunden. Die wahrgenommene Anders- ordnet. Die behauptete Überlegenheit der Angehö- artigkeit der Anderen wird als Ausdruck ihrer Kultur rigen der einen Rasse über die einer anderen dient verstanden und ein Zusammenleben erscheint für der Rechtfertigung des Ausschlusses der „Fremden“ beide Seite schwierig, wenn nicht unmöglich. von den knappen gesellschaftlichen Gütern. Nicht zuletzt kann sich die im Namen des Rassismus be- Der „kulturelle“ Rassismus wird zum „biolo- gründete Ungleichheit zwischen denen, die dazu gischen“ Rassismus, wenn die sozialen Verhaltens- gehören, und denen, die stören, in Hass verwan- weisen ursächlich durch angeborene Eigenschaften deln. Text: Hanns Wienold 10
Wegducken und Ignorieren bringt auf Dauer nichts, Viele Erzieher fühlen sich erst einmal nicht ge- das zeigt auch das folgende Beispiel: In einer Kita rüstet, mit solchen Eltern zu diskutieren. Häufig kommen manche Eltern nicht mehr zu den üb- scheint diese Angst aber gar nicht angebracht zu lichen Abholzeiten, weil sie Angst haben, einem sein. Wir haben in unseren Recherchegesprächen bestimmten Vater zu begegnen. Dieser Vater trägt in Kitas mehrere Erzieherinnen kennen gelernt, Kleidung einer bei Rechtsextremen beliebten Marke die ein solches Anliegen erfolgreich kommuniziert mit soldatischen und martialischen Motiven. Auf haben. Die betreffenden Eltern entsprachen dem etliche andere Eltern wirkt er einschüchternd, kei- Wunsch der Erzieherin und zeigten die angespro- ner mag sich mit ihm anlegen. Wenn er im Raum chenen Marken oder Symbole nicht mehr in der ist, unterhalten sich viele Eltern inzwischen nicht Kita. Auch sie hatten scheinbar das Bedürfnis, die mehr frei. Mit seinem martialischen, „coolen“ gute Arbeitsbeziehung mit der Einrichtung nicht Äußeren hat der Vater zudem eine gewisse Vor- aufs Spiel zu setzen oder scheuten einfach eine Aus- bildfunktion für manche Kinder: Sie versuchen einandersetzung. Motive von den Aufdrucken auf seiner Kleidung nachzuzeichnen. „Einmal als ich mein Kind abgeholt habe, hat der sich so vor mir aufgebaut. Es war klar, für den gehör’ ich nicht hier her. Mein Vater ist kein weißer Europäer, ich selbst bin nicht weiß. Der Typ hatte ein Hakenkreuz auf dem Handrücken als Tattoo.“ Vater eines Kita-Kindes 2. Wissen, mit wem man es zu tun hat Positionieren gegen menschenverachtende Botschaften Interview mit Sabine Hammer, Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus Berlin (MBR) Die meisten Symbole oder Marken, die heute gern von Beispiel wird von vielen als „rechte Marke“ wahrgenom- Rechtsextremen getragen werden, sind nicht verboten. men. Lonsdale wird aber auch von vielen Menschen ge- Wogegen sollte man sich trotzdem positionieren, auch tragen, die nicht mit der rechten Szene sympathisieren. wenn der Träger nicht gegen Gesetze verstößt? Wie kann man damit umgehen? Ein Beispiel: Ein T-Shirt mit dem Aufdruck „Her- Lonsdale-T-Shirts wurden von Rechtsextremen renrasse“ ist nicht verboten, es kann aber bewir- gern unter einer offenen Jacke getragen, so dass ken, dass Menschen sich bedroht oder abgewertet nur die Buchstaben NSDA zu sehen waren - eine fühlen. Es macht etwas mit der Atmosphäre in der Anspielung auf die NSDAP. Aber ein Kleidungsstück Kita, wenn solche menschenverachtenden Aussa- dieser Marke allein ist kein Hinweis auf rechtes gen offen gezeigt werden können. Die Einrichtung Gedankengut. Die Marke wird nicht in den ein- sollte auf jeden Fall etwas unternehmen, wenn schlägigen rechtsextremen Online-Läden verkauft bestimmte Menschen oder Gruppen abgewertet und der Hersteller hat sich von der Nutzung durch werden oder die Kleidung unterschwellige oder Rechtsextreme distanziert, unter anderem mit der offene Drohungen zum Ausdruck bringt. Unter- Kampagne „Lonsdale loves all Colors“. Das hat die nimmt man nichts, dann ist die Botschaft, dass das Marke Sympathien in der rechtsextremen Szene scheinbar „in Ordnung“ so ist. gekostet. Gegen ein Lonsdale-Shirt vorzugehen, würde ich nicht empfehlen, es sei denn es gibt zu- Zum Umgang mit Kleidungsmarken gibt es recht un- sätzlich konkrete Hinweise, dass der Träger oder die terschiedliche Auffassungen. Die Marke Lonsdale zum Trägerin rechtsextreme Ideen vertritt. 11
Foto: Starosta K büro 2009 Was wollen die Rechten? 2. Wissen, mit wem man es zu tun hat Rechtsextremismus in Deutschland heute Im Kern lehnen rechte Politikvorstellungen die li- schaltet werden. Rechtsextreme verstehen sich beralen und demokratischen Prinzipien der grund- daher als „Kampfgemeinschaft“, die der Überle- sätzlichen Gleichheit zwischen allen Menschen genheit des „deutschen Volkes“, des „Deutschen“ - etwa den Geschlechtern, den Altersgruppen mit allen Mitteln Geltung verschaffen will. Der oder Sprach- und Herkunftsgruppen - ab, die zur Gemeinschaftsgedanke bündelt für Rechtsextreme Formulierung der Menschenrechte für bestimmte Sehnsüchte und Wünsche nach Überlegenheit und Gruppen, wie für Kinder, Frauen und Behinderte Ganzheit, die sich auch in Begriffen von Anstand, geführt haben. Die Ablehnung der Gleichheits- Sauberkeit, Ehre und Pflicht ausdrücken. Ihre Ab- grundsätze führt zur Bekämpfung der rechtsstaat- lehnung, ja ihr Hass richtet sich auf Menschen lichen Demokratie und zur Befürwortung und Ver- und Gedanken, die in ihren Augen ein „gesundes herrlichung von Gewalt, mit der den „von Natur Volksempfinden“ durch die politische und soziale aus gegebenen“ Rangordnungen, etwa zwischen Anerkennung anderer Lebensformen zu schwä- „Rassen“ und ihren „natürlichen“ Fähigkeiten, chen scheinen. gesellschaftliche Geltung verschafft werden soll. In der wissenschaftlichen Forschung wird der Für Rechtsextreme bildet die schon von den Rechtsextremismus als geschlossenes Weltbild an- Nazis propagierte Vorstellung von der „Volksge- gesehen, das durch Argumente oder Erfahrungen meinschaft“ eine leitende Idee, in der alle sozi- in der Realität nicht zu erschüttern ist. Einzelne alen Konflikte beseitigt sind, weil ihr nur solche Elemente des Weltbildes sind jedoch in der deut- „Volksgenossen“ angehören dürfen, die sich als schen Gesellschaft weit verbreitet. dienende Glieder des „Volksganzen“ verstehen. Alles „von Natur aus“ Minderwertige soll ausge- Text: Hanns Wienold 12
3. „Sorgen Sie dafür, dass mein Kind nicht mit den Bimbos spielt!“ Ausgrenzende, abwertende und rassistische Äußerungen E s gibt „Arbeitsaufträge“, die sprachlos machen: In einer Einrichtung in Niedersachsen wiesen Eltern die Erzieherinnen an, dafür zu sorgen, dass Trägers ein Mitarbeiter, der sich mit dem Thema intensiver beschäftigen wollte. Diese Erzieher tra- fen sich mehrmals, tauschten Beobachtungen aus ihre Sprösslinge nicht mit Kindern ausländischer und setzten verschiedene Veränderungen in Gang. Herkunft spielen. Die Mitarbeiter waren sich einig, 3. „Sorgen Sie dafür, dass mein Kind nicht mit den Bimbos spielt!“ dass sie diesen „Auftrag“ nicht ausführen können Wenn Unsicherheit herrscht, ob man gegen be- und wollen. Aber wie vermittelt man das Eltern, die stimmte Äußerungen eine Handhabe hat, hilft es fordernd bis aggressiv auftreten? Was haben diese Teams meist, sich zu überlegen, welche Werte sie Eltern für einen Hintergrund und wie werden sie Kindern vermitteln möchten und welche Regeln in reagieren? „Hier muss sich die ganze Einrichtung ihrer Einrichtung gelten sollen. „Meist wird dann auf eine Position verständigen, damit es nicht an schnell klar, dass rassistische Sprüche oder Beleidi- der einen Erzieherin hängt, die das Gespräch führt. gungen keine beliebigen Meinungen sind, die man Wenn sie mit Rückendeckung des Teams und des neben anderen Meinungen stehen lassen muss“, Trägers spricht, kann sie den Eltern höflich klar so Nicole Schneider. machen: ‚Wenn sie das von uns erwarten, sind sie hier falsch’“, empfiehlt Reinhard Koch, Leiter der Arbeitsstelle Rechtsextremismus und Gewalt in Fällt das noch unter Niedersachsen (ARUG). Meinungsfreiheit? In diesem Fall kam das Team recht schnell zu einer Lassen Sie sich nicht ins Bockshorn einhelligen Bewertung des Vorfalls. Das ist nicht jagen, wenn Eltern über eine „Mei- immer so. Häufig machen Mitarbeiter unterschied- nungsdiktatur“ schimpfen, sobald sich liche Beobachtungen oder die Meinungen gehen jemand ihren Parolen entgegenstellt: auseinander: Manche Mitarbeiter sehen Hand- Die Meinungsfreiheit ist immer da zu lungsbedarf, andere trauen sich aus Unsicherheit Ende, wo andere wichtige Güter geschützt oder Angst nicht aus der Deckung, wieder andere werden müssen (Grundgesetz, Artikel 5). So finden: „Lass den doch reden, ist eben seine Mei- fallen etwa rassistische Sprüche nicht unter nung.“ den Schutz der Meinungsfreiheit, weil sie meist beleidigend und sachlich unzutref- „Bevor Irritationen im Team entstehen, sollte fend sind. man sich Zeit nehmen und in Ruhe über die un- terschiedlichen Beobachtungen und Bewertungen sprechen“, rät Nicole Schneider von der Mobilen Beratung Thüringen (MOBIT). „Nur so entsteht auch ein vollständiges Bild davon, was gerade in der Einrichtung abläuft.“ Schneider beriet bei- spielsweise im Auftrag eines Trägers, bei dem es in verschiedenen Kitas zu Problemen gekommen war: „Eltern mit Migrationshintergrund waren be- leidigt worden, ein Kind grüßte mit ‚Heil Hitler’, einige Eltern sympathisierten offenbar stark mit rechtsextremen Vorstellungen.“ Es hatte jeweils nur ein Teil der Mitarbeiter die Vorfälle miterlebt, die „So reden wir hier Einschätzungen gingen auseinander. Im Ergebnis nicht miteinander!“ der Beratung fand sich dann in jeder Kita dieses 13
„Sie können ja noch „Das müssen wir nicht nicht mal durchsetzen, durchsetzen, das kommt dass hier Deutsch ganz von allein. Die gesprochen wird!“ Kinder, die neu bei uns sind, lernen sehr schnell Deutsch. Wie sag ich’s? Mit Eltern, die beleidigen, pöbeln oder rechts- hineinziehen lassen. Sie können auf einer fach- extreme Parolen schwingen, kann man schlecht lichen Ebene bleiben, auf der Sie sich wohl füh- diskutieren. Ihnen kann man nur Grenzen setzen, len, z.B.: indem man klar macht, dass so etwas in der Ein- „Es ist nicht gut für die Entwicklung Ihres Kindes, richtung inakzeptabel ist. Ideologen haben kein wenn es andere ausgrenzt und seine Umwelt nur 3. „Sorgen Sie dafür, dass mein Kind nicht mit den Bimbos spielt!“ offenes, sondern ein geschlossenes Diskussions- durch die Vorurteilsbrille sieht. Damit verschließt verhalten: Sie ignorieren Gegenargumente, bie- es sich auch selbst viele Türen.“ gen alles so hin, wie sie es brauchen und sprin- gen von einer steilen These zur nächsten. Lassen • Belehren und Moralisieren ist kontraproduktiv, Sie sich also sich nicht durch die Versatzstücke sachlich Informieren ist besser. rechter Ideologie verunsichern, sondern bleiben Sie ruhig bei ihrer Botschaft: „So reden wir hier • Bleiben Sie ruhig und höflich. Achten Sie auf eine nicht miteinander!“ offene Körpersprache. Verschränkte Arme signa- lisieren Abwehr, Humor dagegen entspannt. Mit anderen Eltern kann man häufig ins Gespräch kommen und das Gegenüber auf eine Ebene re- • Ignorieren Sie ausgrenzende oder abwertende spektvoller Zusammenarbeit zurückholen: Sprüche nicht. Sprücheklopfer meinen sonst im Namen der schweigenden Mehrheit zu sprechen. • Signalisieren Sie Interesse an Ihrem Gegenüber, fragen sie nach, versuchen Sie ihm eine Brücke • Bei Konflikten können Sie sich auf transparente zu bauen, z.B.: Regeln berufen, z.B.: „Warum stört Sie der Ausländeranteil unserer Ein- „Das steht auch in unserem Konzept, dass wir so richtung? Machen Sie sich Sorgen um die Sprach- arbeiten. Das kann jeder auf unserer Internetseite förderung?“ nachlesen. Das haben wir Ihnen auch bei Vertrags- abschluss ausgehändigt.“ • Sie müssen sich nicht in politische oder ideo- logische Diskussionen, etwa über Rassismus, • Stellen Sie sich vor das Opfer. Klare Regeln gegen Abwertung und Ausgrenzung Interview mit Eva Prausner vom Projekt ElternStärken in Berlin Warum sollten sich Fachkräfte unbedingt gegen ras- Was sollten Fachkräfte in Gesprächen mit diesen Eltern sistische oder ausgrenzende Äußerungen von Eltern beachten? positionieren? Wichtig ist, dass man den betreffenden Eltern signa- Kitas haben den Auftrag, dafür zu sorgen, dass alle lisiert, dass man auch weiterhin an einer guten Zu- Kinder und Eltern gleichwertig behandelt werden, sammenarbeit interessiert ist. Andererseits braucht unabhängig von Herkunft, Geschlecht, Familien- es eine klare Haltung gegenüber Äußerungen, die kultur oder Handicaps. Das ist eine notwendige andere Menschen diskriminieren oder abwerten. Voraussetzung dafür, dass alle Kinder sich in der Eltern haben ein Recht zu erfahren, warum be- Kita wohlfühlen und gleichermaßen an Bildungs- stimmte Meinungen in der Kita nicht erwünscht prozessen teilhaben können. Rassistische oder ab- sind. Die Grundsätze der Menschenrechte bzw. der wertende Äußerungen einzelner Eltern signalisie- Kinderrechte bieten hierfür eine gute Grundlage, ren aber, dass bestimmte Kinder nicht dazugehören auf der Fachkräfte argumentieren können. 14 oder nicht willkommen sind.
4. Belastungsprobe Rechtsextreme Familien im Kindergarten R echte Familien stellen für Kitas häufig eine schwierige Herausforderung dar. Manche Kinder aus solchen Familien „spuren“ in der Kita dass die Kinder in der Schule und im Arbeitsleben immer wieder mit Menschen unterschiedlicher Herkunft zusammen kommen und sich mit frem- auffällig gut und erzählen nichts von zu Hause. denfeindlichen Haltungen auch selbst Nachteile Andere jedoch tragen die Ideologie, in der sie er- einhandeln werden. zogen werden, massiv in die Einrichtung, fallen durch aggressives oder ausgrenzendes Verhalten „Wichtig ist, solchen Eltern freundlich klarzuma- gegenüber anderen Kindern auf, das auch negativ chen, dass die Kita ihren pädagogischen Auftrag da- auf sie selbst zurückschlägt. Die Zusammenarbeit rin sieht, den Kindern einen positiven Umgang mit mit den Eltern ist meist ein Balanceakt. Im Fol- Vielfalt zu vermitteln und dass sie diesen Auftrag genden werden einige Fallbeispiele beschrieben, auch umsetzen wird“, so Starosta. Das Team arbei- in denen Einrichtungen in Abhängigkeit von der tete außerdem in den folgenden Monaten immer Situation und ihren Möglichkeiten unterschied- wieder mit den Kindern zu Themen wie Ausgren- liche Lösungen gefunden haben. zung, die Situation entspannte sich allmählich. Fallbeispiel 1: Fallbeispiel 2: Ein kriegstraumatisiertes Kind aus einer Flücht- Ein Fünfjähriger trug T-Shirts aus einschlägigen lingsfamilie wurde von anderen Kindern regelmä- rechtsextremen Internetshops und versuchte Kin- ßig schikaniert. Das traumatisierte Kind wehrte sich der ausländischer Herkunft auszugrenzen. Sein und es kam immer wieder zu ernsthaften körper- Sozialverhalten war für die Mitarbeiter oft eine lichen Auseinandersetzungen zwischen den Kin- Herausforderung. Die Zusammenarbeit mit den dern. Die Eltern der anderen Kinder hatten bereits Eltern gestaltete sich ebenfalls sehr schwierig. Der in der Vergangenheit in Gegenwart der Erzieher Vater war in der rechtsextremen Szene verankert, diskriminierende und aggressive Sprüche geklopft. ging in szenetypischer Kleidung in der Kita ein und Die Kinder wurden offenbar durch ihre Eltern in aus. Die Leiterin hielt es für notwendig, etwas zu ihrem Verhalten bestärkt. Die Erzieher wussten tun, auch vor dem Hintergrund des nicht, inwieweit diese Eltern in der rechten Szene schwierigen Sozialverhaltens des involviert waren. Kindes. Doch als sie den rechts- extremen Hintergrund der Fa- Um die Situation zu entschärfen, musste die Kita milie gegenüber ihren Mitar- schwierige Gespräche mit den Eltern führen. Da beitern ansprach, lachten die die Erzieher einen aggressiven Gesprächsverlauf be- Erzieherinnen nur über die 4. Belastungsprobe fürchteten, holten sie sich externe Unterstützung Kleidung des Kindes und bei Danilo Starosta vom Kulturbüro Sachsen. Auf sahen keinen der Basis von Erfahrungen aus anderen Beratungen Handlungs- erarbeitete Starosta mit dem Team Strategien zur bedarf. Vermeidung bzw. Auflösung einer möglichen Es- kalation. So entstanden in methodisch begleiteten Da die Leiterin mit Gruppenreflexionen Ideen für die Gespräche mit den Mitarbeiterinnen ge- den Eltern. „Es hat hier zum Beispiel gut funktio- meinsam weiterkommen niert, Termine für Entwicklungsgespräche zu ma- wollte, organisierte sie chen und dann erst mal über die positiven Ent- zunächst eine Team-Fort- wicklungen bei den Kindern zu sprechen, damit bildung im Haus. Jörn Didas eine entspannte Atmosphäre entsteht“, so Starosta. vom Adolf-Bender-Zentrum, Anschließend thematisierten die Erzieherinnen, der Fachberatungsstelle im 15
saarländischen Beratungsnetzwerk gegen Rechts- anderes erzählen’. Damit kann ein Kind nichts extremismus, informierte dabei über aktuelle Er- anfangen“, so Rainer Spangenberg von den Regi- scheinungsformen des Rechtsextremismus. Didas onalen Arbeitsstellen für Bildung, Integration und stellte typische Outfits der rechten Szene vor und Demokratie Brandenburg (RAA). zeigte dabei als Beispiele unter anderem auch Klei- dungsstücke, wie sie der Vater und der Sohn der Gerade Kinder von rechtsextremen Eltern können betreffenden Familie trugen. Bei dieser Fortbildung vom Besuch eines Kindergartens sehr profitieren: kamen die Erzieherinnen endlich ins Gespräch über „Der Umgang mit anderen nahen Kontaktpersonen die Familie. „Es ist oft hilfreich, wenn noch einmal kann eine ‚produktive Verwirrung’ mit sich brin- Informationen und Impulse von außen kommen“, gen, auch was Wertvorstellungen betrifft. Dadurch hat Jörn Didas mehrfach in seiner Beratungsarbeit bekommen Kinder die Möglichkeit, auch andere erfahren. Sichtweisen und Erlebnismöglichkeiten zu ent- wickeln“, so Helga Hanusa, die für die bayerische Nachdem die Kommunikation im Team in Gang Landeskoordinierungsstelle gegen Rechtsextremis- gekommen war, entwickelten die Mitarbeiterinnen mus berät. Auch in schwierigen Situationen kann verschiedene Ideen, wie sie mit der Familie weiter das Ziel deshalb sein, dass das Kind weiter die Kita umgehen wollten: Die Mutter des Kindes lebte vom besuchen kann. Voraussetzung dafür ist, dass die Vater getrennt und war nicht in der rechtsextremen Eltern bereit sind, sich an einige Grundregeln zu Szene involviert. Die Kita entschied sich, durch ver- halten und damit die Arbeit der Kita entsprechend schiedene Maßnahmen die Mutter zu stärken und ihres pädagogischen Konzeptes zu ermöglichen. ein Unterstützungs-Netzwerk um sie zu knüpfen, damit sie dem Einfluss des Vaters in der Erziehung Eine gute Arbeitsebene mit den Eltern ist wichtig, mehr entgegensetzen konnte. Die Kita arbeitete auch wenn das manchmal auf einen Balanceakt außerdem intensiv mit dem betreffenden Kind: hinausläuft: „Ich muss jemanden nicht mögen, um Ausgrenzendes Verhalten und Gewalt ge- in meiner Berufsrolle mit ihm auf einer gewissen genüber anderen Kindern wurden un- Ebene zusammenzuarbeiten“, so Rainer Spangen- terbunden. Die Erzieherinnen stell- berg. Die Einrichtung sollte den Eltern zwar im- ten aber vor allem die Stärken des mer wieder deutlich machen, dass ein be- Kindes in den Mittelpunkt und ver- stimmtes Verhalten im Widerspruch zu den suchten ihm Wertvorstellungen der Kita steht. Gleichzei- dafür positive tig sollten Erzieherinnen den Eltern aber Aufmerksam- signalisieren, dass sie sie als Partner bei keit zu geben. der Erziehung ihres Kindes schätzen. Das vermittelt den Eltern das Gefühl, dass ihre Kinder trotz aller Meinungsverschieden- heiten in der Einrichtung gut aufgehoben sind. Was braucht das Kind? 4. Belastungsprobe Politische Konflikte sollten Fallbeispiel 3: zwischen Erwachsenen ausge- tragen werden, nicht über die In diesem Fall führten Elterngespräche mit einer Kinder. „Die Kita sollte den organisierten rechtsextremen Familie über einen Kindern vermitteln, welche längeren Zeitraum zu keiner Verbesserung der Situ- Regeln in der Einrichtung ation: Der Sohn der Familie drangsalierte behinder- gelten, dass zum Beispiel te Kinder, spielte martialische Spiele und bedrohte nicht geduldet wird, wenn seine Spielgefährten, wenn sie nicht tun wollten, einzelne Kinder ausgegrenzt was er sagte. Der Leidensdruck war hoch bei allen werden. Man sollte einem Beteiligten: Kinder wollten nicht mehr in die Kita, Kind aber nicht vermitteln, Eltern überlegten sie abzumelden, Erzieherinnen ‚Deine Eltern sind dane- wollten sich wegen des Dauerkonfliktes mit der ben, wenn sie dir etwas Familie weg bewerben. Der betreffende Junge 16
Foto: Starosta K büro 2009 „Hitler zu Hause – Juden kein Zutritt“ – rechtsextreme Graffitis und Sprüche auf einem Kinderspielplatz wurde von den anderen Kindern gefürchtet und stellte sich aber auch die Frage, wie es um das Wohl- abgelehnt, manövrierte sich immer stärker in die ergehen der anderen Kinder, Eltern und Mitarbeiter Isolation und litt darunter zunehmend auch selbst. bestellt ist, wenn bestimmte Eltern sehr klare Feind- 4. Belastungsprobe bilder haben, entsprechend auftreten und erziehen. Hier steuerten die Eltern erst um, nachdem die Manche Einrichtungen entscheiden daher, dass sie Einrichtung der Familie mitgeteilt hatte, dass man das momentan nicht schultern können. Vor allem den Betreuungsplatz kündigen wolle. Jetzt besserte kleinere Kitas, die nicht die Unterstützung eines sich das Verhalten des Kindes, der Junge konnte starken Trägers im Rücken haben, können von sol- allmählich wieder positive Sozialkontakte zu An- chen Situationen überfordert sein. deren aufbauen. Wenn mehrere rechtsextreme Familien ihre Kinder in derselben Einrichtung anmelden wollten, haben Was können wir uns zutrauen? Kitas daher versucht, die Kinder aufzuteilen, damit Den meisten Erziehern, mit denen wir gesprochen bei ihnen nicht die Eltern-Mischung „kippt“. Vor haben, war wichtig, dass kein Kind vom Besuch allem Einrichtungen, in deren Nähe viele Angehö- der Kita ausgeschlossen wird. Für viele Fachkräfte rige der rechten Szene wohnen, haben bewusst ihr 17
Engagement gegen Rassismus, Rechtsextremismus von der Einrichtung zunächst ein klares Signal, und Diskriminierung öffentlich gemacht, um für dass die Mitarbeiter sich des Problems annehmen Rechte weniger attraktiv zu sein. wollen. Gibt es ein solches Signal, werden manche Eltern auch eher gewillt sein, sich selbst zu positi- Es gibt aber auch Fälle, in denen Kitas ein Kind aus onieren, um klar zu machen, dass rechtsextreme einer rechtsextremen Familie aufgenommen ha- Positionen hier nicht mehrheitsfähig sind. Kitas, ben, nachdem zuvor eine andere Einrichtung den die sich mit rechten Familien auseinandersetzen Eltern wegen massiver Verhaltensprobleme und müssen, können das auch zum Anlass nehmen, Nicht-Kooperation den Vertrag gekündigt hatte. um bewusst eine Kultur der Vielfalt und Toleranz Einige Einrichtungen bieten alle Diplomatie auf, in der Einrichtung zu etablieren. (s. Kapitel 10). um zu verhindern, dass rechte Eltern ihr Kind aus der Kita heraus nehmen, weil sie dem Kind wei- Manche Einrichtungen versuchen, ihre Probleme terhin Sozialkontakte und Erfahrungen außerhalb nicht bekannt werden zu lassen, weil sie um ihren seines rechten Umfeldes ermöglichen möchten: Ruf fürchten. Da es sich häufig aber doch herum- spricht, kann es geschickter sein, nach außen klar zu kommunizieren, wie die Einrichtung arbeitet, um rechten Botschaften keinen Raum zu geben. Fallbeispiel 4: Eine betroffene Kita setzte beispielsweise gemein- Ein Junge wurde von seinen Eltern auch im Win- sam mit anderen Bildungseinrichtungen ein Prä- ter in zu dünner Kleidung in die Kita geschickt. ventionskonzept gegen Rechtsextremismus um. Die Einrichtung kannte die stramme ideologische – Ein starkes Signal nach außen, dass zugleich die Haltung der Eltern und ihre Vorstellungen von „Ab- einzelne Einrichtung aus der „Schusslinie“ nahm. härtung“, vor allem bei Jungen. Deshalb setzte sich die Einrichtung nicht mit den Eltern auseinander, sondern stellte eine Kiste mit Kleidungsstü- cken auf, in der sich die Kinder bedienen und „verkleiden“ durften, sobald sie in die Kita kamen. Durch das „Verkleidungsspiel“ konnte der Junge sich wärmer anziehen, ohne aus der Gruppe herauszustechen und ohne sich erklären zu müssen. Was brauchen die anderen Kinder und Eltern? Rechtsextreme Familien und ihre Kinder be- anspruchen die Aufmerksamkeit und Energie 4. Belastungsprobe des pädagogischen Personals oft sehr stark. Trotzdem sollten Kitas den Blick auch auf die anderen Kinder und Eltern richten, empfiehlt Jörn Didas: „Welche Unterstützung brauchen die potentiellen Opfer und wie können wir Menschen stärken, die schweigend daneben stehen, damit sie sich auch positiv positionieren können, damit wir sie mit ins Boot holen?“ Unabhängig davon, inwieweit man rechtsextreme Eltern beeinflussen kann, können Kitas doch mit den anderen El- tern arbeiten: Viele andere Eltern brauchen 18
5. „Kümmerer“ und „Beschützer“ Engagement von Rechts im Umfeld von Kindertagesstätten B eim Kuchenbasar ist auf sie Verlass, sie lassen sich gern in den Elternbeirat wählen oder bie- ten an, den Kindern alte Haushaltstechniken zu eingeschüchtert, brauchen manche Bürgermeister Polizeischutz. Viele Bildungseinrichtungen lehnen daher dankend ab, wenn Menschen mit Bezug zur vermitteln. – Manche rechtsextremen Eltern tre- rechten Szene beispielsweise anbieten, den Räu- ten in der Kita engagiert und freundlich auf und men der Kita oder Schule einen neuen Anstrich werden als „Kümmerer“ von anderen anerkannt. zu verpassen. Vor dem Hintergrund der bekannten rechten Unterwanderungsstrategie sind auch viele Eltern besorgt, wenn bekannte Rechtsextremisten versu- „Wo durch eine Zusammenarbeit oder » « chen, sich als Eltern in der Einrichtung zu engagie- persönliche Bekanntschaft soziale Nähe ren. Kitas sind hier in einer schwierigen Position, da entsteht, will es vielen Menschen erst sie zum Wohle des Kindes auch mit diesen Eltern einmal nicht in den Kopf, dass dieser nette, zusammenarbeiten wollen und müssen. Auch in kompetente Mensch ein Neonazi sein soll.“ dem folgenden Fall stellte sich daher die Frage nach Helga Hanusa, Landeskoordinierungsstelle Bayern einer angemessenen Grenzziehung: gegen Rechtsextremismus Fallbeispiel 1: Ein weichgespülter Kader als Vater Sicher gibt es Fälle, wo Menschen mit rechtsex- Der Vater eines Kita-Kindes war ein organisierter tremem Gedankengut einfach nur eine gute soziale rechter Kader. Viele Eltern und Erzieher beobach- Anbindung suchen, ohne dabei ihr Umfeld ide- teten, dass er sich in der Region für rechtsextreme ologisch unterwandern zu wollen. Doch minde- politische Ziele stark machte und dabei häufig 5. „Kümmerer“ und „Beschützer“ stens bei einem Teil dieser Aktiven kann man da- mit einem entsprechend aggressiven Gebahren von ausgehen, dass hinter dem Engagement auch auftrat. In der Kita dagegen hatte er bislang keine Strategie steckt: Rechtsextreme versuchen durch ausgrenzenden oder ideologisch geprägten Äuße- bürgerschaftliches Engagement weiteren Einfluss rungen getätigt, sondern versuchte vielmehr, sich auf die Gesellschaft zu bekommen. Vor allem Po- bei verschiedenen Projekten und Unternehmungen sitionen als Elternvertreter oder Trainer, in denen der Einrichtung zu engagieren. Für manche Eltern sie perspektivisch vielleicht Einfluss auf Kinder und war es schwer erträglich, dass ein solcher Vater mit Jugendliche nehmen können, sind für viele aktive seinem Engagement möglicherweise bei Einigen Rechte strategisch interessant. In der Szene kursie- punkten könnte. ren beispielsweise Verhaltenstipps, wie man etwa bei Elternabenden durch engagiertes, verbindliches Es gab in der Kita kontroverse Diskussionen unter Auftreten seine Chancen steigert, zum Elternver- Erziehern und Eltern: Wo sollten in einem solchen treter gewählt zu werden. Fall Grenzen gezogen werden? „Es geht zunächst einmal um das Wohl des Kindes. Deshalb würde In der ersten Zeit fällt häufig gar nicht auf, mit ich als pädagogische Fachkraft einen solchen Vater wem man es zu tun hat. In vielen Fällen begannen genauso als Partner bei der Erziehung seines Kindes aktive Rechte aber nach einiger Zeit, im Sinne ihres sehen und behandeln wie andere Eltern“, plädiert Weltbildes Einfluss auf ihre Umgebung zu nehmen. Rainer Spangenberg von der RAA Brandenburg. Und in Regionen, in denen die rechte Szene mit „Fachkräfte müssen in einer solchen Situation aber ihrer „Graswurzelstrategie“ erst einmal richtig besonders genau hinschauen und gut vorbereitet Fuß gefasst hat, werden Andersdenkende häufig sein, damit sie bei ausgrenzenden oder rechtsextre- 19
Foto: Agentur für soziale Perspektiven Berlin Oft ist die Gesinnung nicht so leicht zu erkennen men Äußerungen sofort mit einer klaren Grenzset- Strippenzieher und gleichzeitig aktiver NPD-Kader zung reagieren können“, rät Spangenberg. Daneben war. Als die Einrichtung in der Krise steckte, gelang sollten Einrichtungen immer auch überlegen, was es ihm, sich als „Retter“ zu präsentieren, der die sie Extremisten inhaltlich entgegensetzen können. Karre schon aus dem Dreck ziehen würde. Dazu (s. Kapitel 10). trat er eine Kampagne gegen andere aktive Eltern los, arbeitete mit Abwertungen und Schuldzuwei- Eine schwierige Frage ist, ob man einem solchen sungen, die er aber nie sachlich untermauerte. Vater ermöglicht, in einer Weise mitzuarbeiten, wo „Während seiner aktiven Zeit dort war eine Ent- er mit anderen Kindern in Kontakt kommt, zum demokratisierung in den Gremien zu beobachten“, 5. „Kümmerer“ und „Beschützer“ Beispiel als Begleiter bei einem Kitaausflug. Eine erinnert sich Helga Hanusa von der bayerischen solche Mitwirkung setzt natürlich voraus, dass alle Landeskoordinierungsstelle gegen Rechtsextre- anderen Eltern bereit sind, diesem Elternteil ihre mismus, die die Einrichtung beriet. „Elementare Kinder mit anzuvertrauen. Ist das nicht der Fall, Regeln der Geschäftsordnung wurden nicht mehr dann wäre hier eine Grenze zu ziehen, weil andern- eingehalten. Und selbst nach dem Rücktritt die- falls wahrscheinlich Konflikte aufbrechen, Eltern ses Vaters ging es noch eine Weile so weiter, denn ihre Kinder vom Ausflug abmelden. Bei einzelnen inzwischen hatten sich einige andere Leute selbst Eltern können hier auch Sorgen eine Rolle spielen, diesen Arbeitsstil zu eigen gemacht.“ dieser Vater könnte im Kontakt mit ihrem Kind Informationen über den Hintergrund der Familie In der Elternschaft gab es zunehmenden Verdruss. bekommen, die er besser nicht bekommen sollte. Als andere Eltern schließlich die politische Anbin- dung dieses Vaters an die NPD entdeckten und im- mer wieder thematisierten, trat der Vater zurück. Fallbeispiel 2: » « Veränderte Spielregeln Wo Rechtsextreme Gremien unterwandern, werden „Wenn man Öffentlichkeit schafft, ziehen häufig auch demokratische Spielregeln unterlau- sich Rechtsextreme häufig zurück.“ fen. So beispielsweise in einer privaten Bildungs- Helga Hanusa, Landeskoordinierungsstelle Bayern einrichtung in Bayern. Hier wurde ein Vater in den gegen Rechtsextremismus Vorstand der Einrichtung gewählt, der ein fähiger 20
„Auf Ängste von Eltern sollte die Einrichtung na- Klausel gegen türlich eingehen, auch wenn sie vielleicht über- Engagement von Rechts trieben sind. Man sollte die Eltern darüber in- Die Gleichwertigkeit aller Men- formieren, wie man selbst die Situation fachlich schen ist für uns Grundlage und einschätzt. Fehlinformationen und rassistischen Stereotypen dagegen muss man entgegentreten“, Verpflichtung. Personen, die Mit- so Rainer Spangenberg. glied der NPD und anderer rechts- extremistischer Gruppierungen sind In anderen Fällen konnten Einrichtungen rech- oder sich für deren Ziele engagieren, ten „Aktivisten“ den Wind aus den Segeln neh- auch ohne Mitglied dieser Partei oder men und sie isolieren, indem sie die Eltern und Gruppierung zu sein, sowie Mitglieder verschiedene andere Bündnispartner mit ins Boot anderer, verfassungsfeindlicher Orga- holten und das Problem auch offensiv nach außen nisationen, die dem Gedanken der kommunizierten. Gleichwertigkeit aller Menschen entgegenstehen, sind in …. (den je- weiligen Mitwirkungsgremien) nicht erwünscht. Formulierungsvorschlag des Regional- zentrums für demokratische Kultur Rostock für das Kita-Leitbild „Die Veranstaltenden Fallbeispiel 3: behalten sich vor, von Vereinnahmt durch rechte ihrem Hausrecht Ge- „Beschützer“ brauch zu machen und Personen, die rechts- 5. „Kümmerer“ und „Beschützer“ Manchmal werden auch Kon- extremen Parteien oder flikte von außen in die Kita Organisationen angehö- hineingetragen, beispiels- weise im Zusammenhang mit ren, der rechtsextremen rechtsextremen Kampagnen gegen Szene zuzuordnen sind Asylbewerberheime. Dabei werden oder bereits in der Vergan- im Internet und durch Mund-zu- Mund-Propaganda Fehlinforma- genheit durch rassistische, tionen und Halbwahrheiten ver- nationalistische, antisemi- breitet und Ängste unter den Eltern tische oder sonstige menschen- geschürt. In einem Fall wurde aus verachtende Äußerungen in der Beobachtung, dass sich einige männliche Asylbewerber häufiger Erscheinung getreten sind, in der Nähe der Einrichtung auf- den Zutritt zur Veranstaltung hielten und sich dabei offenbar für zu verwehren oder von dieser die spielenden Kinder interessierten, auf rechten Internetseiten ein Be- auszuschließen.“1 drohungsszenario gestrickt. Teile der Die MBR Berlin empfiehlt, diese Ausschluss- Eltern waren daraufhin sehr besorgt klausel für Veranstaltungen auf die Einla- und forderten, die Kindertagesstätte dung zu drucken, damit der Veranstalter zur „Festung“ auszubauen. bei Bedarf das Hausrecht ausüben kann. 21
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