Wer kommt denn da sein Kind abholen? - Eine Orientierung im Umgang mit Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit in Kindertagesstätten

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Wer kommt denn da sein Kind abholen? - Eine Orientierung im Umgang mit Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit in Kindertagesstätten
Wer kommt denn da
      sein Kind abholen?
Eine Orientierung im Umgang mit Rechtsextremismus
   und Fremdenfeindlichkeit in Kindertagesstätten
Wer kommt denn da sein Kind abholen? - Eine Orientierung im Umgang mit Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit in Kindertagesstätten
Impressum

Herausgeber:
Bildungswerk Berlin der Heinrich-Böll-Stiftung
www.bildungswerk-boell.de
Die Broschüre ist digital verfügbar unter: www.bildungswerk-boell.de/de/publikationen
Konzept und Realisation: Kathrin Schlieter, Sabine Preuß
Texte: Kathrin Schlieter
Redaktion: Sabine Preuß

Die sprachliche Gleichstellung von Frauen und Männern ist uns wichtig. Wir verwenden im Text abwech-
selnd männliche und weibliche Bezeichnungen. Gemeint sind mit ihnen jeweils alle Menschen.

Gestaltung und Illustration: Isabel Wienold www.iwi-design.de
Druck: PinguinDruck, Berlin

Copyright: Sabine Preuß, Kathrin Schlieter, Bildungswerk Berlin der Heinrich-Böll-Stiftung
Berlin 2014

Diese Publikation wurde realisiert mit Mitteln der Stiftung Deutsche Klassenlotterie Berlin,
Umverteilen! Stiftung für eine solidarische Welt Berlin, Netzwerk Selbsthilfe e.V. Berlin
Wer kommt denn da sein Kind abholen? - Eine Orientierung im Umgang mit Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit in Kindertagesstätten
Wer kommt denn da
   sein Kind abholen?
     Eine Orientierung im Umgang mit
Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit
           in Kindertagesstätten

                                   Bildungswerk Berlin
                              der Heinrich-Böll-Stiftung
Wer kommt denn da sein Kind abholen? - Eine Orientierung im Umgang mit Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit in Kindertagesstätten
Frauenbeirat Pankow
Der Frauenbeirat vertritt die Interessen von Frauen     Die Arbeitsgruppe „Engagement gegen Rechts“
im Bezirk, setzt sich für die Gleichstellung von        des Frauenbeirates Pankow arbeitet zum Thema
Frauen und Männern und für die Verbesserung ih-         „Rechtsextreme Frauen und Familien“ und führt
rer Lebenssituation ein. Der Beirat berät das Bezirk-   in Kooperation mit anderen Berliner Projekten und
samt Pankow, informiert und schafft Öffentlichkeit      Trägern Veranstaltungen, Ausstellungen und Fort-
für wichtige Themen. Im Beirat arbeiten Pankower        bildungen durch.
Bürgerinnen, Vertreterinnen von Frauenprojekten,
Verbänden und Parteien zusammen – unabhängig,
überparteilich, ehrenamtlich.
Wer kommt denn da sein Kind abholen? - Eine Orientierung im Umgang mit Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit in Kindertagesstätten
Inhaltsverzeichnis

1.   Wer kommt denn da sein Kind abholen?                                     6
     Einleitung

2.   Wissen, mit wem man es zu tun hat                                        8
     Rechtsextreme Kleidung, Symbole und Styles

3.   „Sorgen Sie dafür, dass mein Kind nicht mit den Bimbos spielt!“         13
     Strategien gegen ausgrenzende, abwertende und rassistische Äußerungen

4.   Belastungsprobe                                                         15
     Rechtsextreme Familien im Kindergarten

5.   „Kümmerer“ und „Beschützer“                                             19
     Engagement von Rechts im Umfeld von Kindertagesstätten

6.   Ist das schon Rassismus?                                                22
     Wenn Eltern oder Kollegen „fremdeln“

7.   Wer erzieht denn hier?                                                  24
     Rechtsextreme Mitarbeiterinnen

8.   Rückenstärkung für Couragierte                                          27
     Was bringen Leitbilder und Hausordnungen?

9.   Was braucht das Team?                                                   30
     Hilfen für die Mitarbeiterinnen

10. Bei uns sind alle willkommen!                                            31
                                                                                  Inhaltsverzeichnis

     Pädagogische Konzepte der Vielfalt und Inklusion

11. Anhang                                                                   32
     Quellenangaben
     Beratungsnetzwerke der Bundesländer
     Literatur zum Weiterlesen

     Danksagung                                                              35
Wer kommt denn da sein Kind abholen? - Eine Orientierung im Umgang mit Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit in Kindertagesstätten
1. Wer kommt denn da sein Kind abholen?
                                                                                        Einleitung

                                       A     us vielen jugendlichen Skinheads der 90er
                                             Jahre sind Eltern geworden, der Anteil von
                                       Frauen und Müttern in der rechten Szene ist ge-
                                                                                              sich vehement von „Nazis“ ab. Und gerade rech-
                                                                                              te Frauen werden häufig unterschätzt, obwohl sie
                                                                                              immer wieder versuchen, im Umfeld von Familien,
                                       stiegen. Das Thema Rechtsradikalismus ist damit        Kindern und Jugendlichen Einfluss zu nehmen.
                                       in den Kindertagesstätten angekommen. Erziehe-
                                       rinnen, Kinder und Eltern sind auch immer wieder
                                       mit alltäglicher Fremdenfeindlichkeit konfrontiert,
                                       mit abwertenden Äußerungen und ausgrenzenden
                                                                                                    „Die ‚Hoyerswerda-Generation‘, die
                                       Verhaltensweisen, die sich überall in unserer Ge-

                                                                                              »                                           «
                                                                                                   fremdenfeindlichen Jugendlichen, die
                                       sellschaft finden.
                                                                                               Anfang der 90er Jahre traurige Berühmtheit
                                       „Sorgen Sie dafür, dass mein Sohn nicht mit den          erlangten, sind ihrem Credo ‚Deutschland
                                       Bimbos spielt!“ - Solche und ähnliche Sprüche              den Deutschen – Ausländer raus’ zum
                                       müssen sich Erzieher anhören. In einigen Einrich-          großen Teil treu geblieben. Viele davon
                                       tungen arbeiten Fachkräfte mit Kindern, denen                 sind inzwischen Eltern geworden.“
                                       zu Hause vermittelt wird, dass es richtig ist, „Aus-                  Danilo Starosta, Kulturbüro Sachsen
                                       länderkinder“ oder „Behinderte“ zu schikanieren.
                                       Mancher Vater geht in rechter Szenekleidung in
                                       der Kita ein und aus oder tut seine Gesinnung über
                                       aggressive Sprüche kund. Manche anderen Eltern
                                       kommen zu den regulären Abholzeiten nicht mehr         Das Thema Rechtsextremismus ist ein Tabu-Thema.
                                       ins Haus, um diesem Vater nicht zu begegnen. Er-       Viele Menschen reagieren darauf mit Abwehr oder
Wer kommt denn da sein Kind abholen?

                                       zieherinnen stehen in der Regel dazwischen, müs-       Angst, andere sorgen sich um das Image ihres Ortes
                                       sen den richtigen Ton, die richtigen Worte finden      oder ihrer Einrichtung. Auch Rassismus und Frem-
                                       im Gespräch, versuchen dem Kind zuliebe einen          denfeindlichkeit sind Themen, die viele verlegen
                                       Balanceakt zwischen einer Erziehungspartnerschaft      und unsicher machen: Vielleicht war es gar nicht
                                       mit schwierigen Eltern und einer Grenzziehung da,      böse gemeint? Werde ich für „politisch korrekt“ ge-
                                       wo es Not tut.                                         halten, wenn ich reagiere? Doch wo Sprücheklopfer
                                                                                              bestimmte Menschen beleidigen oder ausgrenzen,
                                       Ein Nazi in unserer Kita? – Die erste Reaktion auf     muss man ihnen eine Grenze setzen. Das folgt
                                       bestimmte Beobachtungen ist häufig Unsicherheit,       schon aus dem pädagogischen Auftrag, in der Kita
                                       wie man das Beobachtete überhaupt einordnen            eine Atmosphäre zu schaffen, die allen Kindern
                                       kann: Ist das bloß ein Sprücheklopfer oder ein or-     Bildung und Teilhabe ermöglicht. Und wo Extre-
                                       ganisierter Rechter? Ist eine bestimmte Bemerkung      misten sich straff organisieren, sollten sich andere
                                       schon Rassismus oder sind wir überempfindlich,         Menschen vernetzen und gut miteinander reden.
                                       wenn wir uns daran stören? Fallen solche Sprüche
                                       unter die Meinungsfreiheit? Und was kann ich tun,      Wir haben bei der Recherche Fachkräfte kennen
                                       wo bekomme ich Unterstützung?                          gelernt, die sich gegen rechte Äußerungen und
                                                                                              Botschaften gewehrt haben und damit Erfolg hat-
                                       Häufig müssen Einrichtungen reagieren, obwohl sie      ten. Sie haben dabei die Erfahrung gemacht, dass
                                       noch nicht wissen, mit wem sie es eigentlich ge-       es auch persönlich gut tut, sich eine Position zu
                                       nau zu tun haben: Mancher nette, engagierte Vater      bilden und für die Vorstellungen, die man von der
                                       entpuppt sich als Funktionär einer rechtsextremen      eigenen Arbeit hat, auch einzutreten. Es hilft, sich
                                       Organisation, der bei politischen Auftritten hass-     im Team auszusprechen, sich Bündnispartner ins
                                       erfüllte Reden schwingt. Ein anderer klopft in der     Boot zu holen. Und auch Öffentlichkeit kann un-
                                       Kita aggressive rassistische Sprüche, hat aber gar     ter bestimmten Bedingungen eine Hilfe und ein
                                       kein geschlossenes rechtes Weltbild, sondern grenzt    Schutz sein.
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Wer kommt denn da sein Kind abholen? - Eine Orientierung im Umgang mit Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit in Kindertagesstätten
Foto: Starosta K büro 2009
Die Idee für diese Broschüre entstand im Frauenbei-
rat des Berliner Bezirkes Pankow, wo wir nach Be-
kanntwerden des NSU-Skandals begonnen haben,
uns mit Aktivitäten von rechten Frauen im Bereich
Kita und Familie zu beschäftigen. In Kooperation
mit der Pankower Gleichstellungsbeauftragten, der
Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus Berlin               Radikale Botschaften
(MBR), dem Berliner Projekt ElternStärken und der           machen vor Kinderspiel-
Pankower Netzwerkstelle gegen Rechtsextremismus                  plätzen nicht Halt
[moskito] haben wir eine Fortbildungsreihe für
Fachkräfte zum Thema veranstaltet.

Wir haben zum Thema Rechtsextremismus und
Alltagsrassismus in Kindertagesstätten bundesweit
recherchiert, mit Fachkräften, Menschen mit Bera-
tungserfahrung und Eltern gesprochen. Dabei ha-
ben wir unterschiedliche Erfahrungen, Meinungen           „Im Vergleich zu den Neunzigern ist es

                                                        »                                       «
und Fallbeispiele zusammengetragen, die wir hier         vielerorts selbstverständlicher geworden,
als Handreichung für ähnliche Situationen darstel-       dass Leute sich gegen Rechts behaupten
len, als Anregung für Erzieher, aber auch für Eltern,   und dass auch pädagogische Einrichtungen
die selbst aktiv werden wollen. Heraus aus dem            Position beziehen. Damit sind einzelne
Schweigen - das ist der erste wichtige Schritt, dem       Rechtsextreme eine deutlich geringere

                                                                                                                                       Wer kommt denn da sein Kind abholen?
andere folgen werden.                                                Gefahr als früher.“
                 Kathrin Schlieter und Sabine Preuß             Rainer Spangenberg, RAA Brandenburg

                     „In unserer Kita
                      treffen Welten
                      aufeinander:
                      Wir haben
                     Eltern mit frem-                                         „Das ist doch
                   denfeindlichen                                            nicht schlimm,
                  Einstellungen und                                         dass das Kind
                wir haben Kinder aus                                      gestorben ist, es
Flüchtlingsfamilien. Und damit                                          war doch behindert
müssen wir irgendwie umgehen.“                          und hatte sowieso kein Lebensrecht.“
                                                                                      Kindergarten-Kind
		                                      Kita-Leiterin

Um unsere Gesprächspartner zu schützen und laufende Beratungen nicht zu gefährden,
haben wir alle Informationen und Beispiele anonymisiert.
                                                                                                                                                  7
Wer kommt denn da sein Kind abholen? - Eine Orientierung im Umgang mit Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit in Kindertagesstätten
2. Wissen, mit wem man es zu tun hat
                                                                 Rechte Kleidung, Symbole und Styles

                                                                                              In Gesprächen und Fortbildungsveranstaltungen
                                                                                              äußerten Erzieherinnen Unbehagen über dieses
                                                                                              „Verwirrspiel“. Sie möchten gern wissen, welche
                                                              „Bei uns in der
                                                                                              Botschaften in die Einrichtung getragen werden
                                                              Gegend wohnen                   – offen oder verdeckt – und was in der künftigen
                                                             etliche Rechtsex-                Zusammenarbeit mit solchen Eltern vielleicht noch
                                                           treme und es gab                   auf die Kita zukommt. Dazu muss man heute hin-
                                                                                              schauen und sich informieren, wofür bestimmte
                                                         auch schon Über-                     Zeichen, Marken oder Kleidungsstile stehen. Im
                                                       griffe. Mein Alptraum                  Internet und in Broschürenform gibt es dazu ver-
                                       ist, wenn eine rechte Familie erst                     schiedene Zusammenstellungen. (→ Anhang)

                                       mal bei uns in der Kita drin ist, dass
                                                                                              Nicht alles, was auf den ersten Blick martialisch
                                       dann zehn andere nach kommen. Ich                      wirkt, ist rechtsextrem. Andererseits steckt aber
                                       möchte gern besser erkennen kön-                       hinter manchem unauffälligen Kleidungsstück
                                       nen, mit wem ich es zu tun habe und                    eine menschenverachtende Botschaft: Ein T-Shirt
                                                                                              etwa mit dem Aufdruck „168:1“ wirkt harmlos,
                                       gewappnet sein.“                                       vielleicht sportlich. Doch wer im Internet nach die-
                                                                                   Erzieher   ser Zahlenkombination sucht, erfährt, dass damit
                                                                                              der Sprengstoffanschlag verherrlicht wird, den der
                                                                                              amerikanische Rechtsextreme Timothy McVeigh
2. Wissen, mit wem man es zu tun hat

                                                                                              1995 in Oklahoma verübte. Die 168 Todesopfer

                                       G
                                                                                              des Anschlags stehen dabei einem hingerichteten
                                              latze, Springerstiefel, Bomberjacke – den Ne-   Attentäter gegenüber. Aus der Sicht von Menschen,
                                              onazi der neunziger Jahre konnte man meist      die solche T-Shirts tragen, ist 168:1 eine positive
                                       auf den ersten Blick erkennen. Heute dagegen gibt      Bilanz. Wer dagegen wegen seiner Herkunft oder
                                       es eine verwirrende Vielfalt rechtsextremer Klei-      Lebensweise „ins Feindbild“ dieses T-Shirt-Trägers
                                       dungsstile und Erkennungszeichen. Nur ein Teil         passt, empfindet es als Zumutung, wenn jemand
                                       der Szene tritt noch mit aggressiven Parolen auf       in diesem Shirt in der Kita seines Kindes ein und
                                       dem T-Shirt oder martialischen Tattoos auf. Viele      aus geht.
                                       moderne Rechte kleiden sich modisch-athletisch
                                       oder bürgerlich-seriös, andere wirken auf den ersten
                                       Blick fast wie linke Autonome. Der uniformierte          Ein rechtes Outfit ist oft ein Test: Wird es
                                       Look von früher ist inzwischen unter vielen Rech-        akzeptiert, dass ich hier so herumlaufe?
                                       ten verpönt. Man sucht Anschluss an den gesell-          Man trägt sozusagen ein Stück rechtsex-
                                                                                                 tremes Programm auf seiner Haut. Das

                                                                                              »                                           «
                                       schaftlichen Mainstream und an andere Subkul-
                                       turen, die als schick und modern gelten.                   ist häufig auch Teil einer Strategie von
                                                                                                 Rechten, in ihrem Nahraum Einfluss zu
                                       Zudem hat die rechtsextreme Szene auf staatliche        nehmen. Diese Kleidung ist Teil eines men-
                                       Verbote reagiert und ist häufig auf Zeichen und              schenverachtenden Programms und
                                       Symbole ausgewichen, die nicht strafbar sind. Man         da sollte man schon sagen, das wollen
                                       schätzt, dass es weit über 100 Symbole und Zeichen
                                                                                                            wir hier nicht haben.
                                       mit Bezug zur Szene gibt. Viele davon sind Codes,
                                       die eine rechtsextreme politische Orientierung eher     Helga Hanusa, Landeskoordinierungsstelle Bayern
                                       verschlüsselt zum Ausdruck bringen.                                          gegen Rechtsextremismus
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Wer kommt denn da sein Kind abholen? - Eine Orientierung im Umgang mit Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit in Kindertagesstätten
Foto: Agentur für soziale Perspektiven Berlin
                                                                                                       »                                            «
                                                                                                           „Ein Kind hatte am Kopf ein kleines
                                                                                                        Hakenkreuz einrasiert. Wir haben die Eltern
                                                                                                         darauf angesprochen. Am nächsten Tag
                                                                                                               war das Zeichen abrasiert.“
                                                                                                                   Fallbeispiel aus einer Kindertagesstätte

     Verschlüsselte Botschaften
                                                                                                       Fällt Kleidung aber nicht unter
                                                                                                       Meinungsfreiheit?
Erzieher möchten eine Atmosphäre schaffen, in
der sich alle Kinder, Eltern und Mitarbeiter wohl                                                                   Wenn Kleidungsstücke oder Sym-
und angenommen fühlen. Mehrere Erzieherinnen                                                                       bole Botschaften transportieren,
äußerten daher, dass sie Outfits, die man aus der                                                                 durch die Rechte und Freiheiten
rechten Szene kennt, in der Kita nicht akzeptabel                                                                anderer Menschen eingeschränkt
finden. Wenn Marken aber nicht nur von Rech-                                                                   werden oder die Atmosphäre in der
ten, sondern auch von anderen Menschen getragen                                                               Einrichtung vergiftet wird, sollte man
werden, wie kann man dann dagegen argumen-                                                                     sich dem entgegenstellen.
tieren? Wenn Rechtsextreme auf Codes, Sprüche
oder Symbole ausweichen, die nicht strafbar sind,
hat man dann überhaupt eine Handhabe dagegen?                                                          wen sich Audrucke wie „Whitepower“ richten. Sie
Wenn der Vater mit den martialischen T-Shirt-Auf-                                                      wissen auch, dass viele Rechtsextreme mit Men-
drucken sich bis jetzt nicht rechtsextrem geäußert                                                     schen, die nach ihrem Weltbild minderwertig sind,
hat, soll man ihm dann wegen seiner Kleidung zu                                                        nicht zimperlich umgehen. Zudem erzeugen auch

                                                                                                                                                              2. Wissen, mit wem man es zu tun hat
nahe treten?                                                                                           verschlüsselte Symbole ein Gemeinschaftsgefühl
                                                                                                       unter Menschen mit rechtem Weltbild, die sich
                                                                                                       dadurch gestärkt fühlen. Spätestens wenn mehrere
Kita als Schutzraum                                                                                    Personen in solchem Aufzug in der Kita aus- und
oder Angstraum?                                                                                        eingehen, kann der Schutzraum Kita für andere
                                                                                                       Eltern zum Angstraum werden.
Eltern möchten eine Kita als sicheren Ort wahr-
nehmen können. Schließlich geben sie dort täglich                                                      Wegen der Vielfalt der Kleidungsstile und Zeichen
ihre schutzbedürftigen Kleinkinder ab. Eltern aus-                                                     kann es für den Umgang damit keine Patentrezepte
ländischer Herkunft etwa verstehen schnell, gegen                                                      geben. Aus der besonderen Situation einer Kinder-
                                                                                                       tagesstätte ergeben sich aber einige Fragen, die im
                                                                                                       Einzelfall als Entscheidungshilfe dienen können:
   Auf einer Tasche, die Eltern ihrem Kind
 regelmäßig mit in die Kita gaben, war der                                                             • Welche Botschaft wird hier genau transportiert,
 Schriftzug einer in rechtsextremen Kreisen                                                              wie wirkt das auf andere?

»                                            «
beliebten Marke zu sehen. Die Leiterin sagte
   den Eltern, sie wisse um die Bedeutung                                                              • Welches Signal senden Sie als Team an andere
  dieser Marke und habe ein Problem mit                                                                  Eltern, wenn Sie nichts unternehmen? Wird die
                                                                                                         Abwertung bestimmter Menschen damit „salon-
solchen Botschaften. Die Eltern wollten sich
                                                                                                         fähig“?
auf kein Gespräch darüber einlassen, wofür
  diese Marke genau steht. Sie gaben dem
                                                                                                       • Dient dieser Kleidungsstil als Verständigungsmit-
 Kind danach aber eine andere Tasche mit.                                                                tel mehrerer Eltern ähnlicher Gesinnung, die die
            Fallbeispiel aus einer Kindertagesstätte                                                     Kita als ihr „Revier“ betrachten?
                                                                                                                                                                          9
Wer kommt denn da sein Kind abholen? - Eine Orientierung im Umgang mit Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit in Kindertagesstätten
Wie sag ich’s?
                                       • Wenn Sie im Team zu dem Schluss kommen, dass              teidigen. Trennen Sie zwischen der Person, die
                                         Sie solche Kleidung in der Kita nicht akzeptieren         Sie als Partner bei der Erziehung wertschätzen
                                         können, sollten Sie das den Eltern gegenüber              und einer Botschaft, die Sie in der Kita nicht
                                         klar, aber höflich begründen. Eva Prausner vom            akzeptieren können.
                                         Berliner Projekt ElternStärken empfiehlt bei-
                                         spielsweise, bei einem T-Shirt mit aggressiver          • Lassen Sie durchblicken, dass Sie sich informiert
                                         Botschaft so zu argumentieren:                            haben, wofür dieses Kleidungsstück oder Sym-
                                         „Wir haben uns im Team darüber unterhalten, wel-          bol genau steht. Unterstellen Sie bei Marken, die
                                         che politischen Botschaften hier in die Kita getragen     nicht ausschließlich von Rechtsextremen getra-
                                         werden. Und ich möchte Ihnen da jetzt nicht zu nahe       gen werden, aber erst einmal nicht, dass die Per-
                                         treten, Ihnen steht ja frei, was sie privat anziehen.     son selbst rechtsextreme Botschaften verbreiten
                                         Aber ihr T-Shirt bringt eine Botschaft zum Ausdruck,      will.
                                         die wir in der Kita nicht akzeptieren können. Dieses
                                         T-Shirt wird auch gern in der rechtsextremen Szene      • Legen Sie sich vorher eine Formulierung zurecht,
                                         getragen. Ich weiß nicht, ob Ihnen das bewusst ist        mit der Sie souverän wieder aus dem Gespräch
                                         und möchte Ihnen da auch nichts unterstellen. Aber        herauskommen, falls Ihr Gegenüber gar nicht
                                         wir müssen hier alle Eltern und Kinder im Blick ha-       mit sich reden lässt, z.B.:
                                         ben. Deshalb möchten wir Sie bitten, dass Sie das         „Wir können das jetzt nicht ausdiskutieren. Sie
                                         hier in der Kita nicht offen sichtbar tragen, sondern     können sich das ja noch mal überlegen und dann
                                         zum Beispiel eine Jacke drüberziehen.“                    vereinbaren wir noch mal einen Termin mit der Ge-
                                                                                                   schäftsführung unseres Trägers.“
                                       • Machen Sie deutlich, dass Sie und das betreffen-
                                         de Elternteil ein gemeinsames Anliegen haben:           • Wenn Sie sich unsicher fühlen, üben Sie vorher
                                         Sie wollen weiterhin bei der Erziehung des Kin-           in einem Rollenspiel mit einem Kollegen oder
                                         des gut zusammenarbeiten.                                 einer Freundin. Das hilft, die eigene Argumen-
                                                                                                   tation zu finden und sich freizusprechen.
2. Wissen, mit wem man es zu tun hat

                                       • Bleiben Sie höflich und professionell. Grenzen
                                         Sie den Betreffenden nicht aggressiv aus. Das           • Nennen Sie nicht namentlich einzelne Eltern, die
                                         kann dazu führen, dass andere Eltern ihn ver-              Ihnen anvertraut haben, dass sie Angst haben.

                                                                                Fremde stören hier!
                                       Voller Selbstgerechtigkeit,                 Rassismus im Alltag                  erklärt werden. Äußere
                                       aber auch Selbstmitleid,                                                         Merkmale wie Hautfar-
                                       erhebt der Rassismus im Alltag die eingelebte Nor-     be, Kopfform, Körperbau, aber auch die Sprache
                                       malität zur Norm, „wie es sich gehört“. Hier stören    erscheinen als Ausdruck einer behaupteten „inne-
                                       die „Anderen“, die „Fremden“, zum Beispiel die         ren“ biologischen Bestimmung. Unabhängig vom
                                       Flüchtlinge, die kommen und bleiben. Häufig wird       tatsächlichen Aussehen werden die Menschen nun
                                       das Gefühl des Gestörtseins als unverdient und un-     „weißen“, „gelben“ oder „schwarzen Rassen“ zuge-
                                       gerecht empfunden. Die wahrgenommene Anders-           ordnet. Die behauptete Überlegenheit der Angehö-
                                       artigkeit der Anderen wird als Ausdruck ihrer Kultur   rigen der einen Rasse über die einer anderen dient
                                       verstanden und ein Zusammenleben erscheint für         der Rechtfertigung des Ausschlusses der „Fremden“
                                       beide Seite schwierig, wenn nicht unmöglich.           von den knappen gesellschaftlichen Gütern. Nicht
                                                                                              zuletzt kann sich die im Namen des Rassismus be-
                                       Der „kulturelle“ Rassismus wird zum „biolo-            gründete Ungleichheit zwischen denen, die dazu
                                       gischen“ Rassismus, wenn die sozialen Verhaltens-      gehören, und denen, die stören, in Hass verwan-
                                       weisen ursächlich durch angeborene Eigenschaften       deln. 				Text: Hanns Wienold
      10
Wegducken und Ignorieren bringt auf Dauer nichts,      Viele Erzieher fühlen sich erst einmal nicht ge-
das zeigt auch das folgende Beispiel: In einer Kita    rüstet, mit solchen Eltern zu diskutieren. Häufig
kommen manche Eltern nicht mehr zu den üb-             scheint diese Angst aber gar nicht angebracht zu
lichen Abholzeiten, weil sie Angst haben, einem        sein. Wir haben in unseren Recherchegesprächen
bestimmten Vater zu begegnen. Dieser Vater trägt       in Kitas mehrere Erzieherinnen kennen gelernt,
Kleidung einer bei Rechtsextremen beliebten Marke      die ein solches Anliegen erfolgreich kommuniziert
mit soldatischen und martialischen Motiven. Auf        haben. Die betreffenden Eltern entsprachen dem
etliche andere Eltern wirkt er einschüchternd, kei-    Wunsch der Erzieherin und zeigten die angespro-
ner mag sich mit ihm anlegen. Wenn er im Raum          chenen Marken oder Symbole nicht mehr in der
ist, unterhalten sich viele Eltern inzwischen nicht    Kita. Auch sie hatten scheinbar das Bedürfnis, die
mehr frei. Mit seinem martialischen, „coolen“          gute Arbeitsbeziehung mit der Einrichtung nicht
Äußeren hat der Vater zudem eine gewisse Vor-          aufs Spiel zu setzen oder scheuten einfach eine Aus-
bildfunktion für manche Kinder: Sie versuchen          einandersetzung.
Motive von den Aufdrucken auf seiner Kleidung
nachzuzeichnen.

                                        „Einmal als ich mein Kind abgeholt habe, hat der
                                        sich so vor mir aufgebaut. Es war klar, für den
                                        gehör’ ich nicht hier her. Mein Vater ist kein weißer
                                        Europäer, ich selbst bin nicht weiß. Der Typ hatte
                                        ein Hakenkreuz auf dem Handrücken als Tattoo.“
                                                                           Vater eines Kita-Kindes

                                                                                                                 2. Wissen, mit wem man es zu tun hat
           Positionieren gegen menschenverachtende Botschaften
     Interview mit Sabine Hammer, Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus Berlin (MBR)

Die meisten Symbole oder Marken, die heute gern von    Beispiel wird von vielen als „rechte Marke“ wahrgenom-
Rechtsextremen getragen werden, sind nicht verboten.   men. Lonsdale wird aber auch von vielen Menschen ge-
Wogegen sollte man sich trotzdem positionieren, auch   tragen, die nicht mit der rechten Szene sympathisieren.
wenn der Träger nicht gegen Gesetze verstößt?          Wie kann man damit umgehen?

Ein Beispiel: Ein T-Shirt mit dem Aufdruck „Her-       Lonsdale-T-Shirts wurden von Rechtsextremen
renrasse“ ist nicht verboten, es kann aber bewir-      gern unter einer offenen Jacke getragen, so dass
ken, dass Menschen sich bedroht oder abgewertet        nur die Buchstaben NSDA zu sehen waren - eine
fühlen. Es macht etwas mit der Atmosphäre in der       Anspielung auf die NSDAP. Aber ein Kleidungsstück
Kita, wenn solche menschenverachtenden Aussa-          dieser Marke allein ist kein Hinweis auf rechtes
gen offen gezeigt werden können. Die Einrichtung       Gedankengut. Die Marke wird nicht in den ein-
sollte auf jeden Fall etwas unternehmen, wenn          schlägigen rechtsextremen Online-Läden verkauft
bestimmte Menschen oder Gruppen abgewertet             und der Hersteller hat sich von der Nutzung durch
werden oder die Kleidung unterschwellige oder          Rechtsextreme distanziert, unter anderem mit der
offene Drohungen zum Ausdruck bringt. Unter-           Kampagne „Lonsdale loves all Colors“. Das hat die
nimmt man nichts, dann ist die Botschaft, dass das     Marke Sympathien in der rechtsextremen Szene
scheinbar „in Ordnung“ so ist.                         gekostet. Gegen ein Lonsdale-Shirt vorzugehen,
                                                       würde ich nicht empfehlen, es sei denn es gibt zu-
Zum Umgang mit Kleidungsmarken gibt es recht un-       sätzlich konkrete Hinweise, dass der Träger oder die
terschiedliche Auffassungen. Die Marke Lonsdale zum    Trägerin rechtsextreme Ideen vertritt.
                                                                                                                       11
Foto: Starosta K büro 2009
                                       Was wollen die Rechten?
2. Wissen, mit wem man es zu tun hat

                                       Rechtsextremismus in Deutschland heute
                                       Im Kern lehnen rechte Politikvorstellungen die li-   schaltet werden. Rechtsextreme verstehen sich
                                       beralen und demokratischen Prinzipien der grund-     daher als „Kampfgemeinschaft“, die der Überle-
                                       sätzlichen Gleichheit zwischen allen Menschen        genheit des „deutschen Volkes“, des „Deutschen“
                                       - etwa den Geschlechtern, den Altersgruppen          mit allen Mitteln Geltung verschaffen will. Der
                                       oder Sprach- und Herkunftsgruppen - ab, die zur      Gemeinschaftsgedanke bündelt für Rechtsextreme
                                       Formulierung der Menschenrechte für bestimmte        Sehnsüchte und Wünsche nach Überlegenheit und
                                       Gruppen, wie für Kinder, Frauen und Behinderte       Ganzheit, die sich auch in Begriffen von Anstand,
                                       geführt haben. Die Ablehnung der Gleichheits-        Sauberkeit, Ehre und Pflicht ausdrücken. Ihre Ab-
                                       grundsätze führt zur Bekämpfung der rechtsstaat-     lehnung, ja ihr Hass richtet sich auf Menschen
                                       lichen Demokratie und zur Befürwortung und Ver-      und Gedanken, die in ihren Augen ein „gesundes
                                       herrlichung von Gewalt, mit der den „von Natur       Volksempfinden“ durch die politische und soziale
                                       aus gegebenen“ Rangordnungen, etwa zwischen          Anerkennung anderer Lebensformen zu schwä-
                                       „Rassen“ und ihren „natürlichen“ Fähigkeiten,        chen scheinen.
                                       gesellschaftliche Geltung verschafft werden soll.
                                                                                            In der wissenschaftlichen Forschung wird der
                                       Für Rechtsextreme bildet die schon von den           Rechtsextremismus als geschlossenes Weltbild an-
                                       Nazis propagierte Vorstellung von der „Volksge-      gesehen, das durch Argumente oder Erfahrungen
                                       meinschaft“ eine leitende Idee, in der alle sozi-    in der Realität nicht zu erschüttern ist. Einzelne
                                       alen Konflikte beseitigt sind, weil ihr nur solche   Elemente des Weltbildes sind jedoch in der deut-
                                       „Volksgenossen“ angehören dürfen, die sich als       schen Gesellschaft weit verbreitet.
                                       dienende Glieder des „Volksganzen“ verstehen.
                                       Alles „von Natur aus“ Minderwertige soll ausge-                                     Text: Hanns Wienold
      12
3. „Sorgen Sie dafür, dass mein
                 Kind nicht mit den Bimbos spielt!“
           Ausgrenzende, abwertende und rassistische Äußerungen

E    s gibt „Arbeitsaufträge“, die sprachlos machen:
     In einer Einrichtung in Niedersachsen wiesen
Eltern die Erzieherinnen an, dafür zu sorgen, dass
                                                       Trägers ein Mitarbeiter, der sich mit dem Thema
                                                       intensiver beschäftigen wollte. Diese Erzieher tra-
                                                       fen sich mehrmals, tauschten Beobachtungen aus
ihre Sprösslinge nicht mit Kindern ausländischer       und setzten verschiedene Veränderungen in Gang.
Herkunft spielen. Die Mitarbeiter waren sich einig,

                                                                                                               3. „Sorgen Sie dafür, dass mein Kind nicht mit den Bimbos spielt!“
dass sie diesen „Auftrag“ nicht ausführen können       Wenn Unsicherheit herrscht, ob man gegen be-
und wollen. Aber wie vermittelt man das Eltern, die    stimmte Äußerungen eine Handhabe hat, hilft es
fordernd bis aggressiv auftreten? Was haben diese      Teams meist, sich zu überlegen, welche Werte sie
Eltern für einen Hintergrund und wie werden sie        Kindern vermitteln möchten und welche Regeln in
reagieren? „Hier muss sich die ganze Einrichtung       ihrer Einrichtung gelten sollen. „Meist wird dann
auf eine Position verständigen, damit es nicht an      schnell klar, dass rassistische Sprüche oder Beleidi-
der einen Erzieherin hängt, die das Gespräch führt.    gungen keine beliebigen Meinungen sind, die man
Wenn sie mit Rückendeckung des Teams und des           neben anderen Meinungen stehen lassen muss“,
Trägers spricht, kann sie den Eltern höflich klar      so Nicole Schneider.
machen: ‚Wenn sie das von uns erwarten, sind sie
hier falsch’“, empfiehlt Reinhard Koch, Leiter der
Arbeitsstelle Rechtsextremismus und Gewalt in                    Fällt das noch unter
Niedersachsen (ARUG).                                             Meinungsfreiheit?
In diesem Fall kam das Team recht schnell zu einer                   Lassen Sie sich nicht ins Bockshorn
einhelligen Bewertung des Vorfalls. Das ist nicht                   jagen, wenn Eltern über eine „Mei-
immer so. Häufig machen Mitarbeiter unterschied-                   nungsdiktatur“ schimpfen, sobald sich
liche Beobachtungen oder die Meinungen gehen                      jemand ihren Parolen entgegenstellt:
auseinander: Manche Mitarbeiter sehen Hand-                      Die Meinungsfreiheit ist immer da zu
lungsbedarf, andere trauen sich aus Unsicherheit                Ende, wo andere wichtige Güter geschützt
oder Angst nicht aus der Deckung, wieder andere                werden müssen (Grundgesetz, Artikel 5). So
finden: „Lass den doch reden, ist eben seine Mei-            fallen etwa rassistische Sprüche nicht unter
nung.“                                                        den Schutz der Meinungsfreiheit, weil sie
                                                               meist beleidigend und sachlich unzutref-
„Bevor Irritationen im Team entstehen, sollte                 fend sind.
man sich Zeit nehmen und in Ruhe über die un-
terschiedlichen Beobachtungen und Bewertungen
sprechen“, rät Nicole Schneider von der Mobilen
Beratung Thüringen (MOBIT). „Nur so entsteht
auch ein vollständiges Bild davon, was gerade in
der Einrichtung abläuft.“ Schneider beriet bei-
spielsweise im Auftrag eines Trägers, bei dem es
in verschiedenen Kitas zu Problemen gekommen
war: „Eltern mit Migrationshintergrund waren be-
leidigt worden, ein Kind grüßte mit ‚Heil Hitler’,
einige Eltern sympathisierten offenbar stark mit
rechtsextremen Vorstellungen.“ Es hatte jeweils nur
ein Teil der Mitarbeiter die Vorfälle miterlebt, die   „So reden wir hier
Einschätzungen gingen auseinander. Im Ergebnis
                                                       nicht miteinander!“
der Beratung fand sich dann in jeder Kita dieses
                                                                                                                       13
„Sie können ja noch                „Das müssen wir nicht
                                                                                        nicht mal durchsetzen,             durchsetzen, das kommt
                                                                                        dass hier Deutsch                  ganz von allein. Die
                                                                                        gesprochen wird!“                  Kinder, die neu bei uns
                                                                                                                           sind, lernen sehr schnell
                                                                                                                           Deutsch.
                                                                     Wie sag ich’s?
                                                                     Mit Eltern, die beleidigen, pöbeln oder rechts-         hineinziehen lassen. Sie können auf einer fach-
                                                                     extreme Parolen schwingen, kann man schlecht            lichen Ebene bleiben, auf der Sie sich wohl füh-
                                                                     diskutieren. Ihnen kann man nur Grenzen setzen,         len, z.B.:
                                                                     indem man klar macht, dass so etwas in der Ein-          „Es ist nicht gut für die Entwicklung Ihres Kindes,
                                                                     richtung inakzeptabel ist. Ideologen haben kein         wenn es andere ausgrenzt und seine Umwelt nur
3. „Sorgen Sie dafür, dass mein Kind nicht mit den Bimbos spielt!“

                                                                     offenes, sondern ein geschlossenes Diskussions-         durch die Vorurteilsbrille sieht. Damit verschließt
                                                                     verhalten: Sie ignorieren Gegenargumente, bie-          es sich auch selbst viele Türen.“
                                                                     gen alles so hin, wie sie es brauchen und sprin-
                                                                     gen von einer steilen These zur nächsten. Lassen      • Belehren und Moralisieren ist kontraproduktiv,
                                                                     Sie sich also sich nicht durch die Versatzstücke        sachlich Informieren ist besser.
                                                                     rechter Ideologie verunsichern, sondern bleiben
                                                                     Sie ruhig bei ihrer Botschaft: „So reden wir hier     • Bleiben Sie ruhig und höflich. Achten Sie auf eine
                                                                     nicht miteinander!“                                     offene Körpersprache. Verschränkte Arme signa-
                                                                                                                             lisieren Abwehr, Humor dagegen entspannt.
                                                                     Mit anderen Eltern kann man häufig ins Gespräch
                                                                     kommen und das Gegenüber auf eine Ebene re-           • Ignorieren Sie ausgrenzende oder abwertende
                                                                     spektvoller Zusammenarbeit zurückholen:                 Sprüche nicht. Sprücheklopfer meinen sonst im
                                                                                                                             Namen der schweigenden Mehrheit zu sprechen.
                                                                     • Signalisieren Sie Interesse an Ihrem Gegenüber,
                                                                       fragen sie nach, versuchen Sie ihm eine Brücke      • Bei Konflikten können Sie sich auf transparente
                                                                       zu bauen, z.B.:                                       Regeln berufen, z.B.:
                                                                       „Warum stört Sie der Ausländeranteil unserer Ein-     „Das steht auch in unserem Konzept, dass wir so
                                                                       richtung? Machen Sie sich Sorgen um die Sprach-       arbeiten. Das kann jeder auf unserer Internetseite
                                                                       förderung?“                                           nachlesen. Das haben wir Ihnen auch bei Vertrags-
                                                                                                                             abschluss ausgehändigt.“
                                                                     • Sie müssen sich nicht in politische oder ideo-
                                                                       logische Diskussionen, etwa über Rassismus,         • Stellen Sie sich vor das Opfer.

                                                                                     Klare Regeln gegen Abwertung und Ausgrenzung
                                                                                       Interview mit Eva Prausner vom Projekt ElternStärken in Berlin

                                                                     Warum sollten sich Fachkräfte unbedingt gegen ras-    Was sollten Fachkräfte in Gesprächen mit diesen Eltern
                                                                     sistische oder ausgrenzende Äußerungen von Eltern     beachten?
                                                                     positionieren?
                                                                                                                           Wichtig ist, dass man den betreffenden Eltern signa-
                                                                     Kitas haben den Auftrag, dafür zu sorgen, dass alle   lisiert, dass man auch weiterhin an einer guten Zu-
                                                                     Kinder und Eltern gleichwertig behandelt werden,      sammenarbeit interessiert ist. Andererseits braucht
                                                                     unabhängig von Herkunft, Geschlecht, Familien-        es eine klare Haltung gegenüber Äußerungen, die
                                                                     kultur oder Handicaps. Das ist eine notwendige        andere Menschen diskriminieren oder abwerten.
                                                                     Voraussetzung dafür, dass alle Kinder sich in der     Eltern haben ein Recht zu erfahren, warum be-
                                                                     Kita wohlfühlen und gleichermaßen an Bildungs-        stimmte Meinungen in der Kita nicht erwünscht
                                                                     prozessen teilhaben können. Rassistische oder ab-     sind. Die Grundsätze der Menschenrechte bzw. der
                                                                     wertende Äußerungen einzelner Eltern signalisie-      Kinderrechte bieten hierfür eine gute Grundlage,
                                                                     ren aber, dass bestimmte Kinder nicht dazugehören     auf der Fachkräfte argumentieren können.
    14                                                               oder nicht willkommen sind.
4. Belastungsprobe
                       Rechtsextreme Familien im Kindergarten

R     echte Familien stellen für Kitas häufig eine
      schwierige Herausforderung dar. Manche
Kinder aus solchen Familien „spuren“ in der Kita
                                                       dass die Kinder in der Schule und im Arbeitsleben
                                                       immer wieder mit Menschen unterschiedlicher
                                                       Herkunft zusammen kommen und sich mit frem-
auffällig gut und erzählen nichts von zu Hause.        denfeindlichen Haltungen auch selbst Nachteile
Andere jedoch tragen die Ideologie, in der sie er-     einhandeln werden.
zogen werden, massiv in die Einrichtung, fallen
durch aggressives oder ausgrenzendes Verhalten         „Wichtig ist, solchen Eltern freundlich klarzuma-
gegenüber anderen Kindern auf, das auch negativ        chen, dass die Kita ihren pädagogischen Auftrag da-
auf sie selbst zurückschlägt. Die Zusammenarbeit       rin sieht, den Kindern einen positiven Umgang mit
mit den Eltern ist meist ein Balanceakt. Im Fol-       Vielfalt zu vermitteln und dass sie diesen Auftrag
genden werden einige Fallbeispiele beschrieben,        auch umsetzen wird“, so Starosta. Das Team arbei-
in denen Einrichtungen in Abhängigkeit von der         tete außerdem in den folgenden Monaten immer
Situation und ihren Möglichkeiten unterschied-         wieder mit den Kindern zu Themen wie Ausgren-
liche Lösungen gefunden haben.                         zung, die Situation entspannte sich allmählich.

Fallbeispiel 1:                                        Fallbeispiel 2:

Ein kriegstraumatisiertes Kind aus einer Flücht-       Ein Fünfjähriger trug T-Shirts aus einschlägigen
lingsfamilie wurde von anderen Kindern regelmä-        rechtsextremen Internetshops und versuchte Kin-
ßig schikaniert. Das traumatisierte Kind wehrte sich   der ausländischer Herkunft auszugrenzen. Sein
und es kam immer wieder zu ernsthaften körper-         Sozialverhalten war für die Mitarbeiter oft eine
lichen Auseinandersetzungen zwischen den Kin-          Herausforderung. Die Zusammenarbeit mit den
dern. Die Eltern der anderen Kinder hatten bereits     Eltern gestaltete sich ebenfalls sehr schwierig. Der
in der Vergangenheit in Gegenwart der Erzieher         Vater war in der rechtsextremen Szene verankert,
diskriminierende und aggressive Sprüche geklopft.      ging in szenetypischer Kleidung in der Kita ein und
Die Kinder wurden offenbar durch ihre Eltern in        aus. Die Leiterin hielt es für notwendig, etwas zu
ihrem Verhalten bestärkt. Die Erzieher wussten         tun, auch vor dem Hintergrund des
nicht, inwieweit diese Eltern in der rechten Szene     schwierigen Sozialverhaltens des
involviert waren.                                      Kindes. Doch als sie den rechts-
                                                       extremen Hintergrund der Fa-
Um die Situation zu entschärfen, musste die Kita       milie gegenüber ihren Mitar-
schwierige Gespräche mit den Eltern führen. Da         beitern ansprach, lachten die
die Erzieher einen aggressiven Gesprächsverlauf be-    Erzieherinnen nur über die
                                                                                                              4. Belastungsprobe

fürchteten, holten sie sich externe Unterstützung      Kleidung des Kindes und
bei Danilo Starosta vom Kulturbüro Sachsen. Auf        sahen keinen
der Basis von Erfahrungen aus anderen Beratungen       Handlungs-
erarbeitete Starosta mit dem Team Strategien zur       bedarf.
Vermeidung bzw. Auflösung einer möglichen Es-
kalation. So entstanden in methodisch begleiteten      Da die Leiterin mit
Gruppenreflexionen Ideen für die Gespräche mit         den Mitarbeiterinnen ge-
den Eltern. „Es hat hier zum Beispiel gut funktio-     meinsam weiterkommen
niert, Termine für Entwicklungsgespräche zu ma-        wollte, organisierte sie
chen und dann erst mal über die positiven Ent-         zunächst eine Team-Fort-
wicklungen bei den Kindern zu sprechen, damit          bildung im Haus. Jörn Didas
eine entspannte Atmosphäre entsteht“, so Starosta.     vom Adolf-Bender-Zentrum,
Anschließend thematisierten die Erzieherinnen,         der Fachberatungsstelle im
                                                                                                                    15
saarländischen Beratungsnetzwerk gegen Rechts-          anderes erzählen’. Damit kann ein Kind nichts
                     extremismus, informierte dabei über aktuelle Er-        anfangen“, so Rainer Spangenberg von den Regi-
                     scheinungsformen des Rechtsextremismus. Didas           onalen Arbeitsstellen für Bildung, Integration und
                     stellte typische Outfits der rechten Szene vor und      Demokratie Brandenburg (RAA).
                     zeigte dabei als Beispiele unter anderem auch Klei-
                     dungsstücke, wie sie der Vater und der Sohn der         Gerade Kinder von rechtsextremen Eltern können
                     betreffenden Familie trugen. Bei dieser Fortbildung     vom Besuch eines Kindergartens sehr profitieren:
                     kamen die Erzieherinnen endlich ins Gespräch über       „Der Umgang mit anderen nahen Kontaktpersonen
                     die Familie. „Es ist oft hilfreich, wenn noch einmal    kann eine ‚produktive Verwirrung’ mit sich brin-
                     Informationen und Impulse von außen kommen“,            gen, auch was Wertvorstellungen betrifft. Dadurch
                     hat Jörn Didas mehrfach in seiner Beratungsarbeit       bekommen Kinder die Möglichkeit, auch andere
                     erfahren.                                               Sichtweisen und Erlebnismöglichkeiten zu ent-
                                                                             wickeln“, so Helga Hanusa, die für die bayerische
                     Nachdem die Kommunikation im Team in Gang               Landeskoordinierungsstelle gegen Rechtsextremis-
                     gekommen war, entwickelten die Mitarbeiterinnen         mus berät. Auch in schwierigen Situationen kann
                     verschiedene Ideen, wie sie mit der Familie weiter      das Ziel deshalb sein, dass das Kind weiter die Kita
                     umgehen wollten: Die Mutter des Kindes lebte vom        besuchen kann. Voraussetzung dafür ist, dass die
                     Vater getrennt und war nicht in der rechtsextremen      Eltern bereit sind, sich an einige Grundregeln zu
                     Szene involviert. Die Kita entschied sich, durch ver-   halten und damit die Arbeit der Kita entsprechend
                     schiedene Maßnahmen die Mutter zu stärken und           ihres pädagogischen Konzeptes zu ermöglichen.
                     ein Unterstützungs-Netzwerk um sie zu knüpfen,
                     damit sie dem Einfluss des Vaters in der Erziehung      Eine gute Arbeitsebene mit den Eltern ist wichtig,
                     mehr entgegensetzen konnte. Die Kita arbeitete          auch wenn das manchmal auf einen Balanceakt
                     außerdem intensiv mit dem betreffenden Kind:            hinausläuft: „Ich muss jemanden nicht mögen, um
                     Ausgrenzendes Verhalten und Gewalt ge-                  in meiner Berufsrolle mit ihm auf einer gewissen
                     genüber anderen Kindern wurden un-                      Ebene zusammenzuarbeiten“, so Rainer Spangen-
                     terbunden. Die Erzieherinnen stell-                     berg. Die Einrichtung sollte den Eltern zwar im-
                     ten aber vor allem die Stärken des                            mer wieder deutlich machen, dass ein be-
                     Kindes in den Mittelpunkt und ver-                             stimmtes Verhalten im Widerspruch zu den
                     suchten ihm                                                    Wertvorstellungen der Kita steht. Gleichzei-
                     dafür positive                                                 tig sollten Erzieherinnen den Eltern aber
                     Aufmerksam-                                                      signalisieren, dass sie sie als Partner bei
                     keit zu geben.                                                   der Erziehung ihres Kindes schätzen. Das
                                                                                      vermittelt den Eltern das Gefühl, dass ihre
                                                                                     Kinder trotz aller Meinungsverschieden-
                                                                             heiten in der Einrichtung gut aufgehoben sind.
                     Was braucht
                     das Kind?
4. Belastungsprobe

                     Politische Konflikte sollten
                                                                             Fallbeispiel 3:
                     zwischen Erwachsenen ausge-
                     tragen werden, nicht über die                           In diesem Fall führten Elterngespräche mit einer
                     Kinder. „Die Kita sollte den                            organisierten rechtsextremen Familie über einen
                     Kindern vermitteln, welche                              längeren Zeitraum zu keiner Verbesserung der Situ-
                     Regeln in der Einrichtung                               ation: Der Sohn der Familie drangsalierte behinder-
                     gelten, dass zum Beispiel                               te Kinder, spielte martialische Spiele und bedrohte
                     nicht geduldet wird, wenn                               seine Spielgefährten, wenn sie nicht tun wollten,
                     einzelne Kinder ausgegrenzt                             was er sagte. Der Leidensdruck war hoch bei allen
                     werden. Man sollte einem                                Beteiligten: Kinder wollten nicht mehr in die Kita,
                     Kind aber nicht vermitteln,                             Eltern überlegten sie abzumelden, Erzieherinnen
                     ‚Deine Eltern sind dane-                                   wollten sich wegen des Dauerkonfliktes mit der
                     ben, wenn sie dir etwas                                    Familie weg bewerben. Der betreffende Junge
 16
Foto: Starosta K büro 2009
                                         „Hitler zu Hause – Juden kein Zutritt“ – rechtsextreme Graffitis
                                         und Sprüche auf einem Kinderspielplatz

wurde von den anderen Kindern gefürchtet und          stellte sich aber auch die Frage, wie es um das Wohl-
abgelehnt, manövrierte sich immer stärker in die      ergehen der anderen Kinder, Eltern und Mitarbeiter
Isolation und litt darunter zunehmend auch selbst.    bestellt ist, wenn bestimmte Eltern sehr klare Feind-
                                                                                                                                           4. Belastungsprobe

                                                      bilder haben, entsprechend auftreten und erziehen.
Hier steuerten die Eltern erst um, nachdem die        Manche Einrichtungen entscheiden daher, dass sie
Einrichtung der Familie mitgeteilt hatte, dass man    das momentan nicht schultern können. Vor allem
den Betreuungsplatz kündigen wolle. Jetzt besserte    kleinere Kitas, die nicht die Unterstützung eines
sich das Verhalten des Kindes, der Junge konnte       starken Trägers im Rücken haben, können von sol-
allmählich wieder positive Sozialkontakte zu An-      chen Situationen überfordert sein.
deren aufbauen.
                                                      Wenn mehrere rechtsextreme Familien ihre Kinder
                                                      in derselben Einrichtung anmelden wollten, haben
Was können wir uns zutrauen?
                                                      Kitas daher versucht, die Kinder aufzuteilen, damit
Den meisten Erziehern, mit denen wir gesprochen       bei ihnen nicht die Eltern-Mischung „kippt“. Vor
haben, war wichtig, dass kein Kind vom Besuch         allem Einrichtungen, in deren Nähe viele Angehö-
der Kita ausgeschlossen wird. Für viele Fachkräfte    rige der rechten Szene wohnen, haben bewusst ihr
                                                                                                                                               17
Engagement gegen Rassismus, Rechtsextremismus          von der Einrichtung zunächst ein klares Signal,
                     und Diskriminierung öffentlich gemacht, um für         dass die Mitarbeiter sich des Problems annehmen
                     Rechte weniger attraktiv zu sein.                      wollen. Gibt es ein solches Signal, werden manche
                                                                            Eltern auch eher gewillt sein, sich selbst zu positi-
                     Es gibt aber auch Fälle, in denen Kitas ein Kind aus   onieren, um klar zu machen, dass rechtsextreme
                     einer rechtsextremen Familie aufgenommen ha-           Positionen hier nicht mehrheitsfähig sind. Kitas,
                     ben, nachdem zuvor eine andere Einrichtung den         die sich mit rechten Familien auseinandersetzen
                     Eltern wegen massiver Verhaltensprobleme und           müssen, können das auch zum Anlass nehmen,
                     Nicht-Kooperation den Vertrag gekündigt hatte.         um bewusst eine Kultur der Vielfalt und Toleranz
                     Einige Einrichtungen bieten alle Diplomatie auf,       in der Einrichtung zu etablieren. (s. Kapitel 10).
                     um zu verhindern, dass rechte Eltern ihr Kind aus
                     der Kita heraus nehmen, weil sie dem Kind wei-         Manche Einrichtungen versuchen, ihre Probleme
                     terhin Sozialkontakte und Erfahrungen außerhalb        nicht bekannt werden zu lassen, weil sie um ihren
                     seines rechten Umfeldes ermöglichen möchten:           Ruf fürchten. Da es sich häufig aber doch herum-
                                                                            spricht, kann es geschickter sein, nach außen klar
                                                                            zu kommunizieren, wie die Einrichtung arbeitet,
                                                                            um rechten Botschaften keinen Raum zu geben.
                     Fallbeispiel 4:
                                                                            Eine betroffene Kita setzte beispielsweise gemein-
                     Ein Junge wurde von seinen Eltern auch im Win-         sam mit anderen Bildungseinrichtungen ein Prä-
                     ter in zu dünner Kleidung in die Kita geschickt.       ventionskonzept gegen Rechtsextremismus um.
                     Die Einrichtung kannte die stramme ideologische        – Ein starkes Signal nach außen, dass zugleich die
                     Haltung der Eltern und ihre Vorstellungen von „Ab-     einzelne Einrichtung aus der „Schusslinie“ nahm.
                     härtung“, vor allem bei Jungen. Deshalb setzte sich
                     die Einrichtung nicht mit den Eltern auseinander,
                     sondern stellte eine Kiste mit Kleidungsstü-
                     cken auf, in der sich die Kinder bedienen
                     und „verkleiden“ durften, sobald sie in die
                     Kita kamen. Durch das „Verkleidungsspiel“
                     konnte der Junge sich wärmer anziehen,
                     ohne aus der Gruppe herauszustechen und
                     ohne sich erklären zu müssen.

                     Was brauchen die anderen
                     Kinder und Eltern?
                     Rechtsextreme Familien und ihre Kinder be-
                     anspruchen die Aufmerksamkeit und Energie
4. Belastungsprobe

                     des pädagogischen Personals oft sehr stark.
                     Trotzdem sollten Kitas den Blick auch auf die
                     anderen Kinder und Eltern richten, empfiehlt
                     Jörn Didas: „Welche Unterstützung brauchen die
                     potentiellen Opfer und wie können wir Menschen
                     stärken, die schweigend daneben stehen, damit sie
                     sich auch positiv positionieren können, damit wir
                     sie mit ins Boot holen?“

                     Unabhängig davon, inwieweit man
                     rechtsextreme Eltern beeinflussen kann,
                     können Kitas doch mit den anderen El-
                     tern arbeiten: Viele andere Eltern brauchen
 18
5. „Kümmerer“ und „Beschützer“
         Engagement von Rechts im Umfeld von Kindertagesstätten

B    eim Kuchenbasar ist auf sie Verlass, sie lassen
     sich gern in den Elternbeirat wählen oder bie-
ten an, den Kindern alte Haushaltstechniken zu
                                                        eingeschüchtert, brauchen manche Bürgermeister
                                                        Polizeischutz. Viele Bildungseinrichtungen lehnen
                                                        daher dankend ab, wenn Menschen mit Bezug zur
vermitteln. – Manche rechtsextremen Eltern tre-         rechten Szene beispielsweise anbieten, den Räu-
ten in der Kita engagiert und freundlich auf und        men der Kita oder Schule einen neuen Anstrich
werden als „Kümmerer“ von anderen anerkannt.            zu verpassen.

                                                        Vor dem Hintergrund der bekannten rechten
                                                        Unterwanderungsstrategie sind auch viele Eltern
                                                        besorgt, wenn bekannte Rechtsextremisten versu-
    „Wo durch eine Zusammenarbeit oder

»                                            «
                                                        chen, sich als Eltern in der Einrichtung zu engagie-
   persönliche Bekanntschaft soziale Nähe               ren. Kitas sind hier in einer schwierigen Position, da
     entsteht, will es vielen Menschen erst             sie zum Wohle des Kindes auch mit diesen Eltern
 einmal nicht in den Kopf, dass dieser nette,           zusammenarbeiten wollen und müssen. Auch in
 kompetente Mensch ein Neonazi sein soll.“              dem folgenden Fall stellte sich daher die Frage nach
 Helga Hanusa, Landeskoordinierungsstelle Bayern        einer angemessenen Grenzziehung:
                      gegen Rechtsextremismus

                                                        Fallbeispiel 1: Ein weichgespülter
                                                        Kader als Vater
Sicher gibt es Fälle, wo Menschen mit rechtsex-         Der Vater eines Kita-Kindes war ein organisierter
tremem Gedankengut einfach nur eine gute soziale        rechter Kader. Viele Eltern und Erzieher beobach-
Anbindung suchen, ohne dabei ihr Umfeld ide-            teten, dass er sich in der Region für rechtsextreme
ologisch unterwandern zu wollen. Doch minde-            politische Ziele stark machte und dabei häufig

                                                                                                                 5. „Kümmerer“ und „Beschützer“
stens bei einem Teil dieser Aktiven kann man da-        mit einem entsprechend aggressiven Gebahren
von ausgehen, dass hinter dem Engagement auch           auftrat. In der Kita dagegen hatte er bislang keine
Strategie steckt: Rechtsextreme versuchen durch         ausgrenzenden oder ideologisch geprägten Äuße-
bürgerschaftliches Engagement weiteren Einfluss         rungen getätigt, sondern versuchte vielmehr, sich
auf die Gesellschaft zu bekommen. Vor allem Po-         bei verschiedenen Projekten und Unternehmungen
sitionen als Elternvertreter oder Trainer, in denen     der Einrichtung zu engagieren. Für manche Eltern
sie perspektivisch vielleicht Einfluss auf Kinder und   war es schwer erträglich, dass ein solcher Vater mit
Jugendliche nehmen können, sind für viele aktive        seinem Engagement möglicherweise bei Einigen
Rechte strategisch interessant. In der Szene kursie-    punkten könnte.
ren beispielsweise Verhaltenstipps, wie man etwa
bei Elternabenden durch engagiertes, verbindliches      Es gab in der Kita kontroverse Diskussionen unter
Auftreten seine Chancen steigert, zum Elternver-        Erziehern und Eltern: Wo sollten in einem solchen
treter gewählt zu werden.                               Fall Grenzen gezogen werden? „Es geht zunächst
                                                        einmal um das Wohl des Kindes. Deshalb würde
In der ersten Zeit fällt häufig gar nicht auf, mit      ich als pädagogische Fachkraft einen solchen Vater
wem man es zu tun hat. In vielen Fällen begannen        genauso als Partner bei der Erziehung seines Kindes
aktive Rechte aber nach einiger Zeit, im Sinne ihres    sehen und behandeln wie andere Eltern“, plädiert
Weltbildes Einfluss auf ihre Umgebung zu nehmen.        Rainer Spangenberg von der RAA Brandenburg.
Und in Regionen, in denen die rechte Szene mit          „Fachkräfte müssen in einer solchen Situation aber
ihrer „Graswurzelstrategie“ erst einmal richtig         besonders genau hinschauen und gut vorbereitet
Fuß gefasst hat, werden Andersdenkende häufig           sein, damit sie bei ausgrenzenden oder rechtsextre-
                                                                                                                        19
Foto: Agentur für soziale Perspektiven Berlin
                                                                          Oft ist die Gesinnung nicht so leicht zu erkennen

                                 men Äußerungen sofort mit einer klaren Grenzset-      Strippenzieher und gleichzeitig aktiver NPD-Kader
                                 zung reagieren können“, rät Spangenberg. Daneben      war. Als die Einrichtung in der Krise steckte, gelang
                                 sollten Einrichtungen immer auch überlegen, was       es ihm, sich als „Retter“ zu präsentieren, der die
                                 sie Extremisten inhaltlich entgegensetzen können.     Karre schon aus dem Dreck ziehen würde. Dazu
                                 (s. Kapitel 10).                                      trat er eine Kampagne gegen andere aktive Eltern
                                                                                       los, arbeitete mit Abwertungen und Schuldzuwei-
                                 Eine schwierige Frage ist, ob man einem solchen       sungen, die er aber nie sachlich untermauerte.
                                 Vater ermöglicht, in einer Weise mitzuarbeiten, wo    „Während seiner aktiven Zeit dort war eine Ent-
                                 er mit anderen Kindern in Kontakt kommt, zum          demokratisierung in den Gremien zu beobachten“,
5. „Kümmerer“ und „Beschützer“

                                 Beispiel als Begleiter bei einem Kitaausflug. Eine    erinnert sich Helga Hanusa von der bayerischen
                                 solche Mitwirkung setzt natürlich voraus, dass alle   Landeskoordinierungsstelle gegen Rechtsextre-
                                 anderen Eltern bereit sind, diesem Elternteil ihre    mismus, die die Einrichtung beriet. „Elementare
                                 Kinder mit anzuvertrauen. Ist das nicht der Fall,     Regeln der Geschäftsordnung wurden nicht mehr
                                 dann wäre hier eine Grenze zu ziehen, weil andern-    eingehalten. Und selbst nach dem Rücktritt die-
                                 falls wahrscheinlich Konflikte aufbrechen, Eltern     ses Vaters ging es noch eine Weile so weiter, denn
                                 ihre Kinder vom Ausflug abmelden. Bei einzelnen       inzwischen hatten sich einige andere Leute selbst
                                 Eltern können hier auch Sorgen eine Rolle spielen,    diesen Arbeitsstil zu eigen gemacht.“
                                 dieser Vater könnte im Kontakt mit ihrem Kind
                                 Informationen über den Hintergrund der Familie        In der Elternschaft gab es zunehmenden Verdruss.
                                 bekommen, die er besser nicht bekommen sollte.        Als andere Eltern schließlich die politische Anbin-
                                                                                       dung dieses Vaters an die NPD entdeckten und im-
                                                                                       mer wieder thematisierten, trat der Vater zurück.
                                 Fallbeispiel 2:

                                                                                       »                                            «
                                 Veränderte Spielregeln
                                 Wo Rechtsextreme Gremien unterwandern, werden
                                                                                          „Wenn man Öffentlichkeit schafft, ziehen
                                 häufig auch demokratische Spielregeln unterlau-            sich Rechtsextreme häufig zurück.“
                                 fen. So beispielsweise in einer privaten Bildungs-      Helga Hanusa, Landeskoordinierungsstelle Bayern
                                 einrichtung in Bayern. Hier wurde ein Vater in den                           gegen Rechtsextremismus
                                 Vorstand der Einrichtung gewählt, der ein fähiger
  20
„Auf Ängste von Eltern sollte die Einrichtung na-
            Klausel gegen
                                                 türlich eingehen, auch wenn sie vielleicht über-
        Engagement von Rechts                    trieben sind. Man sollte die Eltern darüber in-
               Die Gleichwertigkeit aller Men-   formieren, wie man selbst die Situation fachlich
               schen ist für uns Grundlage und   einschätzt. Fehlinformationen und rassistischen
                                                 Stereotypen dagegen muss man entgegentreten“,
             Verpflichtung. Personen, die Mit-
                                                 so Rainer Spangenberg.
            glied der NPD und anderer rechts-
           extremistischer Gruppierungen sind
                                                 In anderen Fällen konnten Einrichtungen rech-
         oder sich für deren Ziele engagieren,   ten „Aktivisten“ den Wind aus den Segeln neh-
        auch ohne Mitglied dieser Partei oder    men und sie isolieren, indem sie die Eltern und
       Gruppierung zu sein, sowie Mitglieder     verschiedene andere Bündnispartner mit ins Boot
        anderer, verfassungsfeindlicher Orga-    holten und das Problem auch offensiv nach außen
        nisationen, die dem Gedanken der          kommunizierten.
       Gleichwertigkeit aller Menschen
entgegenstehen, sind in …. (den je-
weiligen Mitwirkungsgremien) nicht
erwünscht.
Formulierungsvorschlag des Regional-
zentrums für demokratische Kultur
Rostock für das Kita-Leitbild

                                                                   „Die Veranstaltenden
Fallbeispiel 3:
                                                                   behalten sich vor, von
Vereinnahmt
durch rechte                                                        ihrem Hausrecht Ge-
„Beschützer“                                                     brauch zu machen und
                                                                    Personen, die rechts-

                                                                                                         5. „Kümmerer“ und „Beschützer“
Manchmal werden auch Kon-                                        extremen Parteien oder
flikte von außen in die Kita
                                                                Organisationen angehö-
hineingetragen, beispiels-
weise im Zusammenhang mit                                        ren, der rechtsextremen
rechtsextremen Kampagnen gegen                                   Szene zuzuordnen sind
Asylbewerberheime. Dabei werden                               oder bereits in der Vergan-
im Internet und durch Mund-zu-
Mund-Propaganda Fehlinforma-
                                                              genheit durch rassistische,
tionen und Halbwahrheiten ver-                                nationalistische, antisemi-
breitet und Ängste unter den Eltern                      tische oder sonstige menschen-
geschürt. In einem Fall wurde aus
                                                             verachtende Äußerungen in
der Beobachtung, dass sich einige
männliche Asylbewerber häufiger                               Erscheinung getreten sind,
in der Nähe der Einrichtung auf-                           den Zutritt zur Veranstaltung
hielten und sich dabei offenbar für                        zu verwehren oder von dieser
die spielenden Kinder interessierten,
auf rechten Internetseiten ein Be-
                                                                       auszuschließen.“1
drohungsszenario gestrickt. Teile der                    Die MBR Berlin empfiehlt, diese Ausschluss-
Eltern waren daraufhin sehr besorgt                         klausel für Veranstaltungen auf die Einla-
und forderten, die Kindertagesstätte                        dung zu drucken, damit der Veranstalter
zur „Festung“ auszubauen.                                   bei Bedarf das Hausrecht ausüben kann.
                                                                                                                21
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