Wer wird Amount A zahlen? - ifo Institut
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FORSCHUNGSERGEBNISSE Kunka Petkova und Stefan Greil* Wer wird Amount A zahlen? Qualitative vs. quantitative Ansätze zur Vermeidung der Doppelbesteuerung im Rahmen der Neuordnung der internationalen Unternehmensbesteuerung unter Säule 1 des Zwei-Säulen-Projekts Gewinne eines Unternehmens sollen aus ertragsteu IN KÜRZE erlicher Sicht in dem Staat besteuert werden, wo sie wirtschaftlich entstehen bzw. wo die Rendite für die ge tätigte Investition erzielt wird (Schön 2018). Die zuneh Der Beitrag beschäftigt sich mit einem der zentralen Aspekte mende Digitalisierung der Geschäftstätigkeit ermöglicht von Säule 1 des OECD Zwei-Säulen-Projekts zur Lösung der es vielen Unternehmen jedoch, aktiv am Wirtschafts steuerlichen Herausforderungen der Digitalisierung, nämlich leben eines Marktstaates teilzuhaben, ohne dort phy mit der Vermeidung der Doppelbesteuerung. Dieser Aspekt ist sisch präsent zu sein bzw. vor Ort im Marktstaat eine Investition getätigt zu haben. Trotz etwaiger umfang von besonderer Bedeutung, da sich daran sowohl die fiskali- reicher Marktaktivitäten stehen dem Marktstaat dann schen Auswirkungen der Säule 1 für die einzelnen Staaten als wegen der Ermangelung eines Nexus in Form einer Be auch die steuerlichen Auswirkungen für die betroffenen Kon- triebstätte regelmäßig keine Besteuerungsrechte für die zerne bestimmen lassen. Der Mechanismus zur Vermeidung vom Unternehmen generierten Gewinne zu. der Doppelbesteuerung folgt dabei dem Grundgedanken, dass Um diese steuerlichen Herausforderungen der sog. Residualgewinne umverteilt und in Marktstaaten besteuert Digitalisierung zu adressieren, haben sich am 8. Ok tober 2021 136 Staaten (mittlerweile 137) des OECD werden sollen. Zugleich hat der Mechanismus je nach Ausge- Inclusive Framework on BEPS (IF) auf Grundzüge staltung erhebliche Auswirkungen auf die Compliancekosten und einen konkreten Implementierungsplan bei dem der Konzerne und die Administrationskosten der beteiligten sog. Zwei-Säulen-Projekt geeinigt (OECD 2021a). Das Steuerverwaltungen. Im Beitrag werden verschiedene qualita- Zwei-Säulen-Projekt will die Fragen beantworten, wo tive und quantitative Ansätze zur Vermeidung einer Doppel- besteuert wird (Säule 1) und wie hoch die Besteu besteuerung zusammen mit ihren Vor- und Nachteilen vorge- erung mindestens sein soll (Säule 2). Säule 1 sieht insbesondere eine Umverteilung von Besteuerungs stellt. Die unterschiedlichen fiskalischen Auswirkungen dieser rechten besonders profitabler Konzerne zwischen An Ansätze für die betroffenen Staaten machen die Vermeidung sässigkeits- und Marktstaaten vor. Säule 2 bezweckt der Doppelbesteuerung und ihre konkrete Ausgestaltung zu ei- hingegen, international tätige Konzerne mit einem nem politisch sehr sensiblen Thema, was auch dazu führt, dass globalen effektiven Mindeststeuersatz zu belegen. die Lösung einen politischen Kompromiss darstellen wird. Diese globale effektive Mindestbesteuerung, die bei 15% liegen soll, soll Gewinnverlagerungen und inso weit den Wettbewerb der Staaten um die günstigsten Steuerbedingungen unterbinden. Säule 1 sieht insbesondere mit seinem Kernele Der Implementierungsplan sieht u.a. vor, dass ment, dem sog. Amount A, die teilweise Neuverteilung für die Umsetzung beider Säulen Musterregelungen von Besteuerungsrechten der größten und profitabels erarbeitet werden sollen. Es besteht die Absicht, ten Konzerne der Welt vor, die eine Umsatzschwelle Säule 1 über einen multilateralen völkerrechtlichen von 20 Mrd. Euro sowie eine Profitabilitätsgrenze von Vertrag (»MLC«) umzusetzen, der auf OECD-Ebene in 10% überschreiten. Zudem werden in Ausnahmefäl den nächsten Monaten ausgearbeitet und Mitte 2022 len auch Konzerne erfasst, bei denen lediglich ein zur Unterschrift vorgelegt werden soll. Anschließend einzelnes Segment oberhalb der Umsatz- und Pro soll dieser durch die beteiligten Staaten ratifiziert und fitabilitätsschwelle liegt, der Gesamtkonzern hinge in ihr nationales Recht überführt werden, um eine gen die Profitabilitätsschwelle nicht überschreitet. Anwendung der Regelungen ab dem 1. Januar 2023 Umsätze im Bereich der Rohstoffindustrie sowie des zu gewährleisten. regulierten Finanzsektors sind vom Anwendungsbe * Dr. Kunka Petkova ist in der Finanzverwaltung tätig. Dr. Stefan Greil reich ausgenommen.1 ist in der Finanzverwaltung tätig und Habilitand an der Universität 1 Hamburg. Der Beitrag ist in nicht dienstlicher Eigenschaft verfasst und Für grundsätzliche Ausführungen zu Säule 1 und Amount A vgl. gibt lediglich die persönliche Auffassung der Autoren wieder. u.a. Petkova und Greil (2021). ifo Schnelldienst 4 / 2022 75. Jahrgang 13. April 2022 33
FORSCHUNGSERGEBNISSE Im Zuge dieser teilweisen Neuverteilung sollen VERMEIDUNG DER DOPPELBESTEUERUNG »Marktstaaten« zusätzliche Besteuerungsrechte er halten. Als Marktstaaten gelten in diesem Zusam Wenn nun der Amount A eines Konzerns an die Markt menhang die Staaten, in denen sich die Endkon staaten verteilt und entsprechend besteuert wird, sument*innen bzw. Nutzer*innen von unterneh stellt sich zunächst einmal die Frage, ob die daraus merischen Leistungen befinden bzw. in denen die resultierende erhöhte Steuerlast bzw. Doppelbesteu Endkonsument*innen bzw. Nutzer*innen unternehme erung überhaupt vermieden werden sollte. So könnte rische Leistungen konsumieren bzw. nutzen. Hierfür angenommen werden, dass mit Amount A aufgrund werden sog. revenue sourcing rules vonnöten sein. der Konzernbetrachtungsweise eine neuartige Ertrag Umverteilt werden an Marktstaaten dann 25% des steuer eingeführt werden soll. Damit stellte sich die Konzerngewinns, der eine 10%ige Gewinnmarge über Frage der Vermeidung der Doppelbesteuerung nicht. steigt (Residualgewinn). Dies ist allerdings nicht der Fall. Amount A soll sich Mit dieser teilweisen Neuverteilung der Besteu trotz der Konzernbetrachtung ins normale Ertrag erungsrechte von Konzerngewinnen soll dazu beige steuersystem einfügen, das grundsätzlich an den je tragen werden, dass insbesondere Digitalkonzerne in weiligen Legaleinheiten des Konzerns und nicht am Marktstaaten, in denen sie wirtschaftlich aktiv sind, Konzern anknüpft. Dies bedeutet, dass zum einen ohne vor Ort eine physische Präsenz zu errichten, der der Konzern nicht der Steuerpflichtige für Amount A Besteuerung zugeführt werden, ohne eine neue Steuer ist und insoweit weiterhin auf die Legaleinheiten des zu schaffen. Mithin wird Amount A in das bestehende Konzerns zurückgegriffen werden muss. Zum ande Ertragsteuerrecht integriert, auch wenn das beste ren führt dies dazu, dass diese Legaleinheiten dann hende Steuerrecht grundsätzlich auf die einzelnen doppelt besteuert wären. Entsprechend stellt sich die Unternehmen eines Konzerns und nicht auf den Kon Frage, ob diese Doppelbesteuerung zu vermeiden sein zern als solchen abstellt. Um insoweit Doppelbesteu soll. Obgleich es sich nicht um eine (völker-)rechtliche erungen für die betroffenen Konzerne zu vermeiden, Verpflichtung handelt, die Doppelbesteuerung zu ver müssen andere Staaten auf Besteuerungsrechte ver meiden, haben sich die Staaten hierauf verständigt. zichten. Um diese Staaten zu bestimmen, werden ver Nun gibt es verschiedene Ansätze zur Vermeidung schiedene methodische Ansätze diskutiert. Zugleich der Doppelbesteuerung, die mehr oder weniger gut handelt es sich um den schwierigsten Bereich in der administrierbar sind, aber dem Grundgedanken im Findung einer internationalen Einigung, da nicht alle Einklang mit Amount A folgen, dass schließlich die Staaten von dieser Reform fiskalisch profitieren wer Staaten auf Besteuerungsrechte verzichten sollen, die den; manche Staaten werden sich negativen fiskali bisher sog. Residualgewinne vereinnahmt haben. Zu schen Konsequenzen gegenübersehen.2 Der Beitrag gleich haben die verschiedenen Ansätze unterschied diskutiert daher im Folgenden verschiedene Ansätze liche fiskalische Auswirkungen für die betroffenen zur Findung einer Lösung. Staaten, was diese Frage zu einem politisch sehr sensiblen Thema macht. Offensichtlich werden be Beispiel zur grundsätzlichen Funktionsweise stimmte Staaten Besteuerungsrechte abgeben müssen und damit negativ von der Reform betroffen sein. So Ein Konzern erzielt einen Umsatz von 30 Mrd. Euro und wird auch in der Studie von Fuest et al. (2021) festge einen Gewinn von 6 Mrd. Euro. Damit weist der Kon stellt, dass die fiskalischen Auswirkungen von Säule 1 zern eine Gewinnmarge von 20% aus. Der Residualge sehr sensitiv in Bezug auf die Regelungen sind, die zur winn beträgt 3 Mrd. Euro (= 6 Mrd. ./. 10% × 30 Mrd.). Vermeidung einer Doppelbesteuerung der Unterneh 25% dieses Residualgewinns werden umverteilt. Der mensgewinne getroffen werden. zur Umverteilung zur Verfügung stehende Residual Schließlich muss die Reform aber so ausgestal gewinn (= Amount A) beträgt entsprechend 750 Mio. tet sein, dass sie dennoch als fair und ausgewogen (= 25% × 3 Mrd. Euro). Der Konzern erzielt 1,33% des von den beteiligten Staaten empfunden wird, um eine Umsatzes in oder in Bezug zu einem bestimmten zukunftsfähige und stabile Lösung implementieren Marktstaat. Diesem wird dann entsprechend 10 Mio. zu können. Euro (= 750 Mio. × 1,33%) als Amount A zugewiesen und in diesem Staat der »gewöhnlichen« Ertragsteuer Qualitativer Ansatz im Blueprint unterworfen. Die hieraus resultierende (wirtschaftli che) Doppelbesteuerung für den Konzern soll gemäß Im sog. Blueprint aus Oktober 2020 wurde im Ab dem IF vermieden werden. Dementsprechend muss schnitt 7 zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf der Staat bestimmt werden, der dem Konzern das paying entities abgestellt, die schließlich die Steuer entsprechende Anrechnungs- oder Freistellungsvo auf den Amount A zu entrichten haben und entspre lumen gewährt. chend deren Ansässigkeitsstaaten die daraus resul 2 Da es bei dem Zwei-Säulen-Projekt um eine internationale Reform tierende Doppelbesteuerung vermeiden sollen (OECD bestehend aus zwei Säulen geht, ist es möglich, dass manche Staa 2020). Mithin wurde sich für einen unternehmensbe ten, die negative fiskalische Konsequenzen unter Säule 1 erleiden werden, trotzdem von der Reform profitieren, weil der positive fiska zogenen Ansatz ausgesprochen, der grundsätzlich lische Effekt von Säule 2 dominiert. auch dazu führen würde, dass für Amount A meh 34 ifo Schnelldienst 4 / 2022 75. Jahrgang 13. April 2022
FORSCHUNGSERGEBNISSE rere Unternehmen eines Konzerns als insoweit steu entity (or entities) that will bear the tax liability will erpflichtig qualifiziert würden. Dies wiederum wirkt be drawn from those that earn residual profit.« (OECD sich entsprechend sowohl auf die Administration des 2021b) Amount A auf Seiten der Konzerne als auch auf Seiten Darüber hinaus erfordern insbesondere die der Steuerverwaltungen aus und steht einer zentralen Schritte 1 (Aktivitätstest) und 3 (Marktverbindungs Administration grundsätzlich entgegen. test) es, jedes einzelne Unternehmen im Konzern zu Zugleich sprach sich der Blueprint gegen ein for charakterisieren. Ein alleiniger Rückgriff auf eine et melhaftes Vorgehen aus und stellte eine qualitative waig vorhandene Verrechnungspreisanalyse ist hierfür Bestimmung der paying entitites auf Basis einer um nicht ausreichend, da das Verrechnungspreissystem fassenden Sachverhaltsanalyse in den Vordergrund. eine transaktionsspezifische Charakterisierung vor Hierfür waren vier Schritte vorgesehen: nimmt, die für die Zwecke des Amount A nicht geeig net ist. Für Zwecke dieser Charakterisierung müssten 1. In einem ersten Schritt sollen die Unternehmen daher qualitative Merkmale vorgegeben werden, die in innerhalb eines Konzerns identifiziert werden, jedem Einzelfall und auch jährlich aufgrund etwaiger die Tätigkeiten ausüben, die einen wesentlichen Änderungen in der Konzernstruktur zu untersuchen und nachhaltigen Beitrag zur Fähigkeit des Kon wären. Ergebnis wäre dann eine subjektive Entschei zerns leisten, Residualgewinne zu erzielen; sog. dung, die mitunter von 137 Staaten unterschiedlich Aktivitätstest. getroffen wird. Dabei stellt sich schon die nicht über 2. Anwendung eines Rentabilitätstests, um sicher windbare Herausforderung, dass ein Konzern mit all zustellen, dass die ermittelten Unternehmen in seinen Unternehmen, die weltweit verteilt sind, zeit der Lage sind, die Steuerschuld des Amount A gleich von allen betroffenen Steuerverwaltungen zu tragen. geprüft wird, um ebenjene subjektive Entscheidung 3. Die aus Amount A resultierende Steuerschuld soll vornehmen zu können. Darüber hinaus verdeutlichen dann den Unternehmen zugeordnet werden, die allein die Erfahrungen aus den streitbehafteten, kom eine Verbindung zu dem Markt/den Märkten ha plexen und zumeist bilateralen Diskussionen im Be ben, dem/denen der Amount A zugewiesen wird; reich der Verrechnungspreise (hierfür exemplarisch sog. Marktverbindungstest. OECD 2022), dass in einem Kontext mit 137 Staaten 4. Abschließend soll eine Zuteilung auf einer antei kaum eine zeitnahe Lösung des jeweiligen Einzelfalls ligen Basis zu allen identifizierten Unternehmen gefunden würde. erfolgen, wenn keine ausreichend starke(n) Ver Zugleich handelt es sich bei dem anteilig zu bindung(en) gefunden wird (werden) oder wenn verteilenden Residualgewinn um eine politisch be diejenigen, die eine Marktverbindung haben, nicht stimmte Variable, die rein auf einem quantitativen über den erforderlichen Gewinn verfügen. Kriterium beruht (mehr als 10% Gewinnmarge des Konzerns). Hierzu tragen grundsätzlich alle Unterneh Diese Vorgehensweise beruhte insbesondere darauf, men im Konzern bei und eine verursachungsgerechte dass im Blueprint darauf abgestellt wurde, dass Kon Bestimmung einzelner Unternehmen ist theoretisch zerne nur mit bestimmten Tätigkeiten in den Anwen nicht möglich. dungsbereich der Säule 1 fallen sollten. Hier wurde zwischen Tätigkeiten im Bereich der automated digital Quantitativer Ansatz als praktikable services (ADS; bspw. Online-Werbedienstleistungen, und berechenbare Alternative Verkauf oder sonstige Verwertung von Nutzerdaten, Online-Suchmaschinen oder Plattformen für soziale In der Studie von Fuest et al. (2021) wird gezeigt, dass Medien) und des consumer facing business (CFB; Ver ein quantitativer Ansatz zur Vermeidung der Doppel kauf von Waren und Dienstleistungen, die üblicher besteuerung mit einer Anrechnung, die sich an der weise an Verbraucher verkauft werden) unterschie Verteilung der immateriellen Vermögenswerte über die den. Für Zwecke der Ermittlung des Amount A wäre Sitzländer orientiert, profitabel für Deutschland wäre.3 ebenfalls hiernach zu unterscheiden gewesen, so dass Die grundlegende Idee hinter einem quantitativen schließlich auch die paying entities zutreffend zuge Ansatz ist, dass nur solche Staaten mit einem tatsäch ordnet werden sollten. Mithin sollte kein Unternehmen lich vorhandenen Residualgewinn bzw. einem Residu des Konzerns im Bereich des CFB für eine Steuer auf algewinn über einem bestimmten Schwellenwert zur Amount A, die durch ADS-Tätigkeiten ausgelöst wird, Vermeidung der Doppelbesteuerung verpflichtet wä aufkommen. Mit Aufgabe dieser Unterscheidung und ren. Konkret würden diese Staaten die Doppelbesteue der Implementierung einer Konzernbetrachtung, die rung im Hinblick auf Amount A im Verhältnis zu ihrem rein auf quantitativen Voraussetzungen beruht (Um Anteil am Residualgewinn des Konzerns vermeiden. satz größer 20 Mrd. Euro und Gewinnmarge größer Ob dann in einem zweiten Schritt die Anrechnungs- 10%), hat sich allerdings der dem qualitativen An oder Freistellungsmethode zur Anwendung kommt, satz zugrunde liegende Gedanke erübrigt. Jedoch ist an dieser Stelle unerheblich. wurde dieser noch im Oktoberstatement des Inclusive 3 Vgl. Fuest et al. (2021) sowie Kulemann und Mandler (2021) für Framework aus dem Jahr 2021 übernommen: »The mehr Informationen zu den fiskalischen Auswirkungen von Säule 1. ifo Schnelldienst 4 / 2022 75. Jahrgang 13. April 2022 35
FORSCHUNGSERGEBNISSE Als mögliche Profitabilitätskennzahlen können von Residualgewinnen hin und letzteres stellt insbe beispielsweise sondere eine Fehlallokation von Besteuerungsrechten im bestehenden System dar. Zugleich zeigen Fuest et ‒ der Return on Tangible Assets (RoA) – definiert als al. (2022) auf Basis von Country-by-Country-Reports die Kapitalrendite, die den Gewinn nach Steuern (CbCR), dass sich Gewinnverschiebungen multinatio (Jahresüberschuss) eines Konzerns ins Verhältnis naler Unternehmensgruppen in Niedrigsteuerländer zu dessen Sachanlagen setzt; anhand der CbCR nachweisen lassen. Während der ‒ der Return on Depreciation (RoD) – definiert als Großteil der Beschäftigten in Ländern mit höheren die Kapitalrendite, die den Gewinn nach Steuern Steuersätzen aktiv ist, fallen die Gewinne in einem (Jahresüberschuss) eines Konzerns ins Verhältnis dazu überproportionalen Verhältnis in Niedrigsteu zu dessen Abschreibungen auf Sachanlagen setzt; erländern an. Das bedeutet, dass die in Ländern mit ‒ der Return on Payroll (RoP) – definiert als die Ka geringen effektiven Steuersätzen ansässigen Gesell pitalrendite, die den Gewinn nach Steuern (Jah schaften großer multinationaler Konzerne deutlich resüberschuss) eines Konzerns ins Verhältnis zu profitabler als Konzerngesellschaften in Hochsteuer dessen Lohnaufwendungen; oder ländern sind. Dieses Ungleichgewicht zwischen der ‒ eine Kombination zwischen den Kennzahlen Verteilung der Gewinne und der realwirtschaftlichen (RoAP oder RoDP) zur Anwendung kommen. 4 Aktivität (z.B. durch Gewinne pro Beschäftigten und Kapitalrentabilität) zugunsten von Niedrigsteuerlän Die Bezugsgrößen dieser Kennzahlen gehören zu den dern könnte als ein Indiz für steuermotivierte Gewinn wichtigsten Produktionskosten eines Unternehmens, verlagerung betrachtet werden. Da insbesondere im die sich aus Arbeits- und Kapitalkosten zusammenset materielle Werte eine besondere Rolle für Gewinn zen. Eine Kombination zwischen den Buchwerten ma verlagerungen deutscher Konzerne spielen (Fuest terieller Vermögenswerte und der Lohnaufwendungen et al. 2022), sind die angeführten Kennzahlen ohne würde damit sowohl arbeits- als auch vermögensin die Berücksichtigung von Verhaltensänderungen aus tensive Unternehmenstätigkeiten berücksichtigen. Die deutscher fiskalischer Sicht grundsätzlich positiv zu Fokussierung auf Vermögenswerte oder nur Lohnauf beurteilen. wendungen könnte hingegen bestimmte Unternehmen Obwohl der Ausgangspunkt für die oben genann benachteiligen, die ihre Investitionen in dem einen ten Bezugsgrößen die bereits in den CbCR zur Verfü oder in dem anderen Bereich tätigen; beispielsweise gung stehenden Daten zu den Buchwerten materi Vertriebseinheiten mit Lohnaufwendungen, aber dafür eller Vermögenswerte und der Anzahl der Beschäf ohne Vermögenswerte. Außerdem sind die Buchwerte tigten sind, müssten diese spezifisch und eindeutig der materiellen Vermögenswerte und die Anzahl der für Amount A festgelegt werden. So muss einheitlich Beschäftigten weniger mobil als immaterielle Vermö geregelt werden, auf welcher Basis die Kennzahlen genswerte. Deswegen würden sie als Profitabilitäts ermittelt werden. Möglich ist die Verwendung von kennzahlen für die Vermeidung der Doppelbesteuerung konsolidierten oder aggregierten Daten des Konzerns das Potenzial von möglichen Verzerrungen und Mani für den betreffenden Staat. Bei konsolidierten Daten pulationen seitens der Konzerne erheblich reduzieren. würden Ergebnisse aus Transaktionen zwischen kon Zugleich spiegelt sich der Aspekt der wirtschaftli zernverbundenen Unternehmen innerhalb des Staates chen Aktivität in der Kombination aus den Buchwerten eliminiert, zugleich Ergebnisse aus grenzüberschrei der materiellen Vermögenswerte und der Lohnaufwen tenden konzerninternen Transaktionen ausgewiesen. dungen wider. Schon im Rahmen der formelbasierten Bei aggregierten Daten würden die Ergebnisse ledig Aufteilung der ehemals geplanten gemeinsamen kon lich aufsummiert und damit Transaktionen zwischen solidierten Körperschaftsteuer-Bemessungsgrundlage konzernverbundenen Unternehmen innerhalb des (GKKB) (Europäische Kommission 2016) sollten Arbeit Staates abgebildet werden. Daher wäre ein Abstel und Vermögenswerte als Gewichtungsfaktoren heran len auf konsolidierte Daten sachgerecht. Ferner stellt gezogen werden, damit Gewinne dort besteuert wer sich die Frage nach dem maßgebenden Rechnungsle den, wo sie tatsächlich anfallen.5 Dementsprechend gungswerk. Im Einklang mit Amount A, dass Konzern lässt ein hoher Return in Zusammenhang mit den gewinne basierend auf Rechnungslegungsstandards genannten Kennzahlen tendenziell darauf schließen, und nicht auf steuerlichen Vorschriften umverteilt dass Gewinne insbesondere aufgrund von immateri werden, ist es naheliegend, auch in diesem Bereich ellen Werten erzielt werden bzw. dass Gewinne erzielt auf die Rechnungslegungsvorschriften abzustellen. werden, obwohl keine bzw. geringe Investitionen getä Allerdings ist dann zu beachten, dass die Vermeidung tigt wurden und damit keine wirtschaftliche Substanz der Doppelbesteuerung im steuerlichen Regelwerk vor Ort gegeben ist.6 Ersteres deutet auf die Erzielung erfolgt. Die Buchwerte der materiellen Vermögenswerte 4 Greil und Eisgruber (2021); Petkova und Greil (2021). 5 COM(2016) 683 final. und die Lohnaufwendungen sollen auch unter Säule 2 6 Vgl. Acemoglu und Restrepo (2018); Baumann et al. (2020); Delis des Zwei-Säulen-Projekts zur Anwendung kommen, et al. (2021); Dischingerund Riedel (2011); Dudar et al. (2015); Ernst und Spengel (2011); Ernst et al. (2014); Griffith et al. (2014); Haskel allerdings mit einer anderen Zielsetzung. Unter und Westlake (2018); Karkinsky und Riedel (2012). Säule 2 wird die Bildung der Substanzausnahme 36 ifo Schnelldienst 4 / 2022 75. Jahrgang 13. April 2022
FORSCHUNGSERGEBNISSE (carve outs) als Kürzungsbetrag bei der Bemessungs drittprofitabelsten Staates erreicht ist. Dieser Prozess grundlage der globalen effektiven Mindestbesteu wird fortgesetzt, bis die Doppelbesteuerung vollstän erung berücksichtigt. Die oben genannten Bezugs- dig vermieden werden kann (siehe Beispiel 1). größen bilden die wirtschaftliche Aktivität und Subs tanz vor Ort ab und verhindern somit die Nachbesteu Beispiel 1 erung jener Gewinne, die sich auf realwirtschaftliche Aktivitäten zurückführen lassen. Falls man sich auf Der Wasserfallansatz zur Vermeidung der Doppelbe diese Bezugsgrößen auch bei Säule 1 einigen sollte, steuerung fängt mit der De-minimis-Gewinnregelung könnte eine solche Entscheidung u.a. der Vermin an. Es werden die Staaten von der Verpflichtung zur derung von weiterem Administrationsaufwand so Vermeidung der Doppelbesteuerung befreit, wenn ihre wohl für die Verwaltungs- als auch für die Unterneh Gewinne unterhalb 100 liegen. Das wäre in Tabelle 1 mensseite führen. der Fall für Staat 4. Da der Gewinn in Staat 4 unter 100 Dazu könnte man noch eine De-minimis-Ge liegt, wird er von der Verpflichtung zur Vermeidung winnregelung einführen, mit der Staaten von der Ver- der Doppelbesteuerung befreit. pflichtung zur Vermeidung der Doppelbesteuerung Im zweiten Schritt berechnet man den Return der befreit werden könnten, wenn ihre Gewinne unterhalb verbliebenen Staaten: Im konkreten Beispiel wird der einer bestimmten Gewinnschwelle liegen. Auf diese RoAP als Profitabilitätskennzahl verwendet. Da Staat 1 Weise wären Staaten von der Verpflichtung zur Vermei den höchsten Return aufweist, ist er zuerst für die Ver dung der Doppelbesteuerung befreit, wenn sie zwar meidung der Doppelbesteuerung zuständig. Der korre eine relativ hohe Gewinnmarge ausweisen, aber abso spondierende Gewinn des Konzerns in Staat 1 soll so lut betrachtet, relativ geringe Gewinne vereinnahmen. lange reduziert werden, bis seine Rendite mit der des Nachdem die vorgenannten Schritte die in Be zweitprofitabelsten Staats (RoAP in Höhe von 75%) tracht kommenden Staaten bestimmt haben, ist zu gleichgesetzt ist. Der Gewinn in Staat 1 soll also um klären, in welcher Reihenfolge und in welchem Aus 50 reduziert werden. Im nächsten Schritt sind Staat 1 maß diese Staaten herangezogen werden. Ein mög und Staat 2 für die Vermeidung der Doppelbesteu licher Ansatz dafür ist der sog. Wasserfallansatz, bei erung zuständig. Die korrespondierenden Gewinne dem die Verantwortung für die Vermeidung der Dop in Staat 1 und Staat 2 sollen so lange reduziert wer pelbesteuerung zuerst den profitabelsten Staaten den, bis ihre Rendite mit der des drittprofitabelsten zugewiesen würde. Der Ansatz stellt sicher, dass die Staats (RoAP in Höhe von 40%) gleichgesetzt ist. Das Staaten mit der höchsten Rendite zuerst zuständig bedeutet eine weitere Reduzierung des Gewinns in für die Vermeidung der Doppelbesteuerung sind. Die Staat 1 um 70 und in Staat 2 um 280. Der Prozess wird ser Ansatz führt damit tendenziell dazu, dass weniger fortgesetzt, bis die Doppelbesteuerung vollständig Staaten auf ihre Besteuerungsrechte verzichten müss vermieden wird. ten und lediglich wenige Staaten hierzu verpflichtet Ein zweiter möglicher Ansatz ist der sog. Pro-Ra würden. ta-Ansatz. Hiernach allokiert man Residualgewinne Im Rahmen des Waserfallansatzes würden Staa verhältnismäßig aus allen in Betracht kommenden ten nach ihrer Rentabilität eingeordnet werden. Der Staaten (oberhalb der Profitabilitätsschwelle) um. Staat mit der höchsten Rendite wird zuerst für die Je höher die Rendite eines Staates gegenüber der Vermeidung der Doppelbesteuerung zuständig sein. Rendite eines anderen Staates ist, desto mehr wird Der korrespondierende Gewinn des Konzerns in die aus dem erstgenannten Staat umallokiert. Der An sem Staat soll so lange reduziert werden, bis seine satz könnte aus Sicht der kooperativen Spieltheorie Rendite mit der von dem zweitprofitabelsten Staat als fairer bezeichnet werden, da er den Verzicht auf gleichgesetzt ist. Dann soll der zweite Staat zusam Steueraufkommen auf mehrere Staaten verteilt und men mit dem ersten Staat zur Vermeidung der Dop damit dazu beitragen kann, dass Säule 1 auf einem pelbesteuerung zuständig sein, bis die Rendite des stabileren Fundament steht. Tab. 1 Wasserfallansatz mit RoAP als Profitabilitätskennzahl Staat 1 2 3 4 Gewinne 200 600 1 000 10 Buchwerte materieller Vermögenswerte und Lohnaufwendungen 200 800 2 500 25 1. De-minimis-Gewinnregelung (100) Ja Ja Ja Nein 2. Ermittlung von RoAP 100% 75% 40% – 3. Vermeidung durch Staat 1 4. Vermeidung durch Staaten 1 and 2 (Staat 2 nur bei Bedarf) 5. Vermeidung durch Staaten 1, 2 und 3 (Staat 3 nur bei Bedarf) Quelle: Darstellung der Autor*innen. ifo Schnelldienst 4 / 2022 75. Jahrgang 13. April 2022 37
FORSCHUNGSERGEBNISSE Eine dritte Möglichkeit kann auch ein hybrider Es gibt viele Möglichkeiten, wie ein quantita- Ansatz sein, der aus zwei Schritten besteht und eine tiver Ansatz zur Vermeidung der Doppelbesteuerung Kombination aus dem Wasserfallansatz und dem aussehen könnte. Unabhängig von seinem konkre- Pro-Rata-Ansatz vorsieht. Hiernach würde eine zu ten Design würde aber ein quantitativer Ansatz die sätzliche Profitabilitätsschwelle festgelegt werden: praktikablere und berechenbarere Alternative zu ei Oberhalb dieser Profitabilitätsschwelle käme zunächst nem qualitativen Ansatz sein. Außerdem würde ein entweder der Wasserfallansatz oder der Pro-Rata-An quantitativer Ansatz fiskalisch vorteilhaft für Deutsch satz zur Anwendung. Nur wenn anschließend noch land sein, falls er sich an der Verteilung der imma- weitere Schritte zur Beseiti-gung der Doppelbesteu teriellen Vermögenswer te über die Sitzländer erung erforderlich sind, weil dieser erste Schritt noch orientiert. nicht ausreicht, um die Doppelbesteuerung gänzlich zu vermeiden, geht es in einem zweiten Schritt mit Marketing and Distribution Profits Safe Harbour dem Pro-Rata-Approach weiter. Im Kontext der Vermeidung der Doppelbesteuerung Beispiel 2 stellt sich zumindest aus Staatensicht noch die Frage der Doppelerfassung von Residualgewinnen und da Der kombinierte Pro-Rata-Ansatz zur Vermeidung mit derer etwaigen doppelten Besteuerung. Würden der Doppelbesteuerung berücksichtigt den durch auf Basis des normalen Besteuerungssystems einem schnittlichen RoAP des Konzerns mit dem Ziel, nur Staat Residualgewinne zugeordnet, die dieser auch diejenigen Gewinne umzuallokieren, die über diesem besteuern darf, dann stellt sich die Frage, ob dieser Durchschnitt liegen. Die grundlegende Idee ist, dass Staat überhaupt noch einen Amount A zugeordnet Residualgewinne zu einer höheren Rate als dem durch bekommen soll. Immerhin würden dann Residual schnittlichen Return erwirtschaftet werden müssen. gewinne mehrfach besteuert werden dürfen. Diese Der Ansatz fängt mit der De-minimis-Gewinnregelung Frage adressiert der sog. marketing and distribution an, die Staaten von der Verpflichtung zur Vermeidung profits safe harbour (MDSH). Die Prämisse dieses der Doppelbesteuerung befreit, wenn ihre Gewinne MDSH ist es, dass Amount A nicht jenen Marktstaa unterhalb 100 liegen. Das wäre der Fall für Staat 4. ten zugewiesen werden sollte, in denen ein Konzern Da der Gewinn in Staat 4 unter 100 liegt, wird er von bereits Residualgewinne erzielt. Entsprechend ist eine der Verpflichtung zur Vermeidung der Doppelbesteu Kürzung des einem Staat zuzuordnenden Amount A erung befreit. Im zweiten Schritt berechnet man den vorgesehen. Allerdings setzt diese Sichtweise voraus, durchschnittlichen RoAP des Konzerns. Für Zwecke dass die Rechnungslegungsdaten, auf die im Rahmen des Beispiels wird angenommen, dass er 45% beträgt. von Amount A zurückgegriffen wird, den steuerlichen Im dritten Schritt ermittelt man den Return für jeden Daten entsprechen. Staat, der nicht von der De-minimis-Gewinnregelung Die Ausgestaltung des MDSH im Blueprint fokus befreit wird und dessen Return höher als 45% ist. Das siert sich auch auf qualitative Faktoren. Hiernach wä wäre der Fall für Staat 2 und Staat 3. Im Schritt 4 be ren die Gewinne zu bestimmen, die dem Marktstaat rechnet man dann die umzuallokierenden Gewinne mit nach den bestehenden Gewinnzuordnungsregeln für der Hilfe von dem übersteigenden RoAP. Für Staat 2 die Durchführung von Marketing- und Vertriebsaktivi kommt man z.B. auf einen umzuallokierenden Gewinn täten zugewiesen werden. Dies erfordert zum einen von 60 = (50% – 45%) × 1 200. Im fünften Schritt wird eine Definition und Bestimmung der konkreten Mar Amount A des Konzerns auf die im dritten Schritt 3 keting- und Vertriebsaktivitäten, die in den Anwen identifizierten Staaten im Verhältnis zu ihren umzual dungsbereich des MDSH fallen sollen. Zum anderen lokierenden Gewinnen aufgeteilt. Das bedeutet, dass bedarf es eines segmentierten Gewinnausweises nur Amount A nun zu 14% von Staat 2 und zu 86% von für diese Tätigkeiten, um zu vermeiden, dass Gewinne Staat 2 zu tragen ist. aus anderen Tätigkeiten den Residualgewinn beein Tab. 2 Kombinierter Pro-Rata-Ansatz mit RoAP als Profitabilitätskennzahl Staat 1 2 3 4 Gewinne 1 000 600 400 10 Buchwerte materieller Vermögenswerte und der Lohnaufwendungen 3 500 1 200 80 25 1. De-minimis-Gewinnregelung (100) Ja Ja Ja Nein 2. Ermittlung des durchschnittlichen RoAP (auf Konzernbasis) Annahme: 45% 3. Ermittlung von RoAP 29% 50% 500% – 4. Ermittlung von umzuallokierenden Gewinnen – 60 364 – 5. Zuteilung – 14% 86% – Quelle: Darstellung der Autor*innen. 38 ifo Schnelldienst 4 / 2022 75. Jahrgang 13. April 2022
FORSCHUNGSERGEBNISSE flussen. Schließlich bedarf es dann noch der Festle Regeln unter Säule 1 sollen die faire Aufteilung von gung einer safe harbour-Rendite, die sich bspw. an Besteuerungsrechten sicherstellen und dadurch der jeweiligen Profitabilität des Konzerns orientieren die Stabilität des internationalen Besteuerungssys- könnte und innerhalb derer Grenzen Amount A nicht tems wieder herstellen sowie unkoordinierte uni- gekürzt wird. laterale Maßnahmen vermeiden. Ein zentraler Aspekt Aufgrund des qualitativen Ansatzes, der wie der internationalen Einigung zu Säule 1 ist die Ver der qualitative Ansatz zur Vermeidung der Doppel meidung der Doppelbesteuerung, die dem Grund besteuerung an den Ursprungsgedanken von Amount gedanken folgt, dass schließlich die Staaten auf Be A anknüpft, stellen sich die vergleichbaren Her steuerungsrechte verzichten sollen, die bisher Re- ausforderungen wie unter dem qualitativen Ansatz sidualgewinne vereinnahmt haben. Dazu gibt es im Blueprint. Eine praktikablere Umsetzung würde an sowohl qualitative als auch quantitative Ansätze, rein quantitativen Kriterien anknüpfen und auch eine die mehr oder weniger administrierbar sind. Auf- konsequente Fortentwicklung zum oben beschrie grund der unterschiedlichen fiskalischen Auswir- benen quantitativen Ansatz darstellen. Wenn es das kungen, die die verschiedenen Ansätze für die betrof Ziel ist, dass Residualgewinne in einem Staat nicht fenen Staaten haben, ist das Thema politisch sehr doppelt erfasst werden sollen, dann wäre es ausrei sensibel. chend, diesen Residualgewinn unabhängig von den in Grundsätzlich kann man sagen, dass die bis jetzt dem Staat erbrachten Tätigkeiten in Einklang mit der diskutierten qualitativen Ansätze äußerst komplex, Amount A-Formel zu bestimmen und eine entspre streitanfällig und fast unmöglich nachzuprüfen wä chende Gegenrechnung des Amount A vorzunehmen. ren. Dies ginge einher mit steigenden Compliance kosten für die betroffenen Konzerne und steigenden Beispiel 3 Administrationskosten für die beteiligten Steuer- verwaltungen. Zugleich können die fiskalischen Aus Im Rahmen der Neuverteilung von Besteuerungs wirkungen sowie die Steuerwirkungen für die Kon rechten werden für einen Marktstaat 10 Mio. Euro zerne kaum verlässlich eingeschätzt werden. Im Ver an Amount A vorgesehen (siehe Eingangsbeispiel). gleich dazu würde ein quantitativer Ansatz, unab- In diesem Marktstaat sind jedoch Konzerneinheiten hängig von seinem genauen Design, zu einer wesent belegen, deren Gewinne in Höhe 5 Mio. Euro bereits lichen administrativen Vereinfachung des Gesamts- der Besteuerung unterlegen haben. Der Umsatz dieser ystems beitragen und sich auf die damit verbunde- Konzerneinheiten beträgt in und bezogen auf diesen nen Kosten der Konzerne und Verwaltungen positiv Marktstaat 20 Mio. Euro. Entsprechend betragen die auswirken. Außerdem führt ein quantitativer Ansatz Gewinnmarge 25% und der dem Marktstaat schon dazu, dass sich die Auswirkungen der internatio- zugeordnete Residualgewinn 3 Mio. Euro. Amount A nalen Reform einfacher quantifizieren lassen. Erste würde entsprechend um diese 3 Mio. Euro auf 7 Mio. Schätzungen, die sich an den bisherigen Gutachten Euro gekürzt, sofern der MDSH tätigkeitunabhängig des ifo Instituts orientieren, zeigen, dass ein quan- ausgestaltet würde. Ansonsten wäre in einem weite titativer Ansatz basierend auf renditeorientier- ren Schritt der Gewinnanteil von Marketing- und Ver ten Kennzahlen, wie dem RoAP oder dem RoDP, mit triebsaktivitäten zu bestimmen. Würde man bspw. an einer Orientierung an der Verteilung der immate- nehmen, dass dieser Anteil 25% beträgt, dann würde riellen Vermögenswerte über die Sitzländer fiskalisch sich der Residualgewinn auf 750 000 Euro reduzieren. vorteilhaft für Deutschland sein sollte. Zugleich Entsprechend würde Amount A nur um diesen Betrag erscheint es dann nicht unwahrscheinlich, dass auf 9,25 Mio. Euro gekürzt. die Konzernsteuerquoten der betroffenen Konzer- Zugleich könnte eine Rückwirkung auf den Me ne ansteigen dürften, da die Umverteilung ins- chanismus zur Vermeidung der Doppelbesteuerung besondere aus niedrig besteuernden Staaten her- zu beachten sein. Wenn der MDSH greift und die Allo aus er folgen dür fte, die für steuergestalteri- kation von Amount A aufgrund von schon vorhande sche Zwecke mit immateriellen Werten eingesetzt nen Residualgewinnen im Marktstaat begrenzt bzw. werden. vermindert wird, dann könnte man argumentieren, Abschließend ist aber auch festzustellen, dass dass diese Residualgewinne nicht mehr für die Ver bei den beschriebenen Mechanismen zur Vermei meidung der Doppelbesteuerung zur Verfügung ste dung der Doppelbesteuerung im Einklang mit den hen; sie wären dann bei dem zuvor dargestellten An anderen Elementen von Säule 1 bzw. Amount A auf satz rauszurechnen. Mithin wären die Gewinne zur »financial accounting«-Kennzahlen abgestellt wird. Ob Bestimmung beispielsweise des RoAP oder des RoDP tatsächlich der umzuverteilende Residualgewinn in zu vermindern. den Staaten der Besteuerung zugrunde lag, ist nicht immer zwingend. Außerdem ist es nicht zwingend, FAZIT dass genügend steuerliche Gewinne bei den einzelnen Konzerngesellschaften vor Ort ausgewiesen werden, 137 Staaten haben sich der internationalen Einigung um das Anrechnungs- und Freistellungsvolumen nut zum OECD Zwei-Säulen-Projekt angeschlossen. Die zen zu können. ifo Schnelldienst 4 / 2022 75. Jahrgang 13. April 2022 39
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