WHISTLEBLOWING & INTERNAL INVESTIGATIONS - JKU ePUB
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Eingereicht von Johannes Farag Angefertigt am Institut für Europarecht Beurteiler / Beurteilerin Univ.- Prof. Dr. Franz Leidenmühler November 2021 WHISTLEBLOWING & INTERNAL INVESTIGATIONS Diplomarbeit zur Erlangung des akademischen Grades Magister der Rechtswissenschaften im Diplomstudium Rechtswissenschaften JOHANNES KEPLER UNIVERSITÄT LINZ Altenberger Straße 69 4040 Linz, Österreich jku.at
EIDESSTATTLICHE ERKLÄRUNG Ich erkläre an Eides statt, dass ich die vorliegende Diplomarbeit selbstständig und ohne fremde Hilfe verfasst, andere als die angegebenen Quellen und Hilfsmittel nicht benutzt bzw. die wörtlich oder sinngemäß entnommenen Stellen als solche kenntlich gemacht habe. Die vorliegende Diplomarbeit ist mit dem elektronisch übermittelten Textdokument identisch. Wien, am 12.11.2021 Johanness Farag 2 12. November 2021
Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung .................................................................................................................... 5 2. Begriffserklärung......................................................................................................... 6 2.1. Was ist Whistleblowing? ...................................................................................... 6 2.2. Was ist die Richtlinie zum Schutz von Hinweisgebern? ...................................... 6 3. Die Richtlinie 2019/1937 ............................................................................................. 7 3.1. Sachlicher Anwendungsbereich........................................................................... 7 3.2. Persönlicher Anwendungsbereich ....................................................................... 8 3.3. Voraussetzung für den Schutz von Hinweisgebern ............................................. 9 3.4. Whistleblowing ................................................................................................... 11 3.4.1. Interne Meldungen ................................................................................... 11 3.4.2. Externe Meldungen.................................................................................. 13 3.4.3. Offenlegung ............................................................................................. 14 3.5. Schutzmaßnahmen ............................................................................................ 15 3.5.1. Verbot von Druckmittel ............................................................................ 15 3.5.2. Unterstützende Maßnahmen ................................................................... 16 3.5.3. Maßnahmen zum Schutz vor Druckmittel ................................................ 17 3.5.3.1. Haftungsbegrenzung .................................................................. 17 3.5.3.2. Beweislastumkehr ...................................................................... 18 3.5.3.3. Einstweiliger Rechtsschutz ........................................................ 18 3.5.4. Schutz betroffener Personen ................................................................... 18 3.5.5. Sanktionen ............................................................................................... 19 4. Internal Investigations ............................................................................................... 19 4.1. Rechtliche Rahmen interner Untersuchungen ................................................... 19 4.1.1. Beschaffung von Dokumenten................................................................. 21 4.1.2. Personalfragebögen ................................................................................ 21 4.1.3. Mitarbeiterinterviews ................................................................................ 21 3 12. November 2021
4.1.4. Internetüberwachung ............................................................................... 22 4.1.5. Videoüberwachung .................................................................................. 22 4.2. Gestaltung interner Untersuchungen ................................................................. 23 4.2.1. Dos bei internal Investigations ................................................................. 23 4.2.2. Dont´s bei internal Investigations............................................................. 24 5. Implementierung in der Praxis .................................................................................. 25 5.1. Offene Tür .......................................................................................................... 25 5.2. Briefkasten ......................................................................................................... 26 5.3. E-Mail ................................................................................................................. 26 5.4. Hotline ................................................................................................................ 27 5.5. Ombudsmann .................................................................................................... 27 5.6. Digitales Hinweisgebersystem ........................................................................... 28 6. Fazit .......................................................................................................................... 29 7. Literaturverzeichnis................................................................................................... 30 8. Internetquellen .......................................................................................................... 32 Gender Erklärung In Hinblick auf die Schaffung einer besseren Lesbarkeit wird auf geschlechtsspezifische Differenzierungen verzichtet. Im Sinne der Gleichbehandlung gelten entsprechende Begrifflichkeiten für beide Geschlechter gleichermaßen. 4 12. November 2021
1. Einleitung „Whistleblower sind in unseren Gesellschaften äußerst wichtig. Es sind mutige Menschen, die dazu bereit sind, illegale Aktivitäten ans Licht zu bringen, um die Öffentlichkeit vor Fehlverhalten zu schützen - oft unter großer Gefahr für ihre Karriere und ihren Lebensunterhalt“, betonte die Vizepräsidentin und Kommissarin für Werte und Transparenz, Věra Jourová.1 Insbesondere Namen wie Edward Snowden, der Spionage- und Überwachungspraktiken der NSA aufdeckte, oder Julian Assange, Gründer der Wikileaks Plattform, stehen im Mittelpunkt, wenn es um Whistleblowing geht. Bereits seit rund einem Jahrzehnt ist das Thema Whistleblowing im Bereich Compliance präsent. Ein funktionierendes Compliance- Management-System setzt grundsätzlich ein effektives Hinweisgebersystem voraus.2 Nicht zuletzt durch die Richtlinie (EU) 2019/1937 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Oktober 2019 zum Schutz von Personen, die Verstöße gegen das Unionsrecht melden, im Folgenden Whistleblower Richtlinie genannt, steht die Thematik im Zentrum der Compliance Branche. Während nur 0,5 % der Mitarbeiter von Unternehmen im europäischen Raum Hinweise abgegeben haben, lag derjenigen Glaubwürdigkeit bei 40 % - 50 %, womit es unbestritten bleibt, dass Whistleblowing Systeme beziehungsweise Systeme oder Einrichtungen zur Abgabe von Hinweisen Grundsteine für die Enthüllung von Missständen darstellen.3 1 Vgl Neue EU-Richtlinie zum Schutz von Whistleblowern tritt heute in Kraft, https://ec.europa.eu/germany/news/whistleblower20191216_de (abgefragt am 19. Oktober 2021). 2 Vgl Tadeusz Stappers/Koukol, Whistleblowing – Ein Statusreport, Compliance Praxis 2019, 16. 3 Vgl Petsche/Abd El Malak in Petsche (Hrsg), Whistleblowing & Internal Investigations – Praxiskommentar zur Whistleblowing-Richtlinie (2021), Teil A: Der Kontext. 5 12. November 2021
2. Begriffserklärung 2.1. Was ist Whistleblowing? Unter Whistleblowing wird die Aufdeckung von Missständen durch Hinweisgeber verstanden. Ein Hinweisgeber ist eine Person, die ein Fehlverhalten aufdeckt und dieses auch adressiert. Der Ausdruck Whistleblowing stammt aus der Phrase „to blow a whistle“, also im deutschen Sprachgebrauch eine Person die in eine Pfeife bläst, beziehungsweise jemanden verpfeift. Es besteht eine gewisse negative Assoziation mit dem Begriff Whistleblower, da man damit Personen verbindet, die ihren Mitarbeitern oder Vorgesetzen in den Rücken fallen.4 2.2. Was ist die Richtlinie zum Schutz von Hinweisgebern? Bis zum Inkrafttreten der Whistleblower Richtlinie war der Schutz von Hinweisgebern in den EU-Mitgliedstaaten sehr variierend festgelegt. Spätestens bis zum 17. Dezember 2021 müssen jedoch die Mindestanforderungen der Richtlinie sowohl in Österreich, als auch in allen anderen Mitgliedstaaten umgesetzt sein. Grundsätzliches Ziel der Richtlinie ist eine effizientere Durchsetzung von Unionsrecht, durch die Gewährung von Schutzgarantien für Hinweisgeber.5 Dadurch soll eine Motivation für Whistleblower geschaffen werden, Missstände, insbesondere Gesetzesverstöße, die im öffentlichen Interesse liegen, zu melden.6 Die Realisierung der Umsetzung der Richtlinie in nationales Recht kommt nun den jeweiligen Gesetzgebern der Mitgliedstaaten zu. 4 Vgl Tadeusz Stappers/Koukol, Whistleblowing – Ein Statusreport, Compliance Praxis 2019, 16. 5 Vgl WBRL 2019/1937/EU, ABl 2019 L 305, Art 1. 6 Vgl WBRL 2019/1937/EU, ABl 2019 L 305, EG 1. 6 12. November 2021
3. Die Richtlinie 2019/1937 3.1. Sachlicher Anwendungsbereich Der sachliche Anwendungsbereich der Richtlinie beschränkt sich zum einen auf Verstöße, die in den Bereich der Anwendung der im Anhang aufgeführten Rechtsakte fallen und zum anderen auf die in Art 2 Abs 1 genannten Rechtsbereiche, wie beispielsweise Dienstleistungen, Produkte und Märkte der Finanzbranche, sowie die Verhinderung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung, Sicherheit des Verkehrs, Schutz der Umwelt, öffentliche Gesundheit, Verbraucherschutz, Lebensmittel- und Futtermittelsicherheit, Gesundheit und Schutz der Tiere und dergleichen. Im Falle neuer Erfahrungen beziehungsweise Entstehen der Notwendigkeit ist eine Ausweitung des sachlichen Anwendungsbereichs der Richtlinie auf weitere Rechtsakte und/oder Bereiche, zur Realisation der Richtlinie vorstellbar.7 Art 5 Nr 1 der Whistleblower Richtlinie enthält eine Legaldefinition des Begriffs „Verstöße“. Dabei umfasst die Richtlinie die Meldung von rechtswidrigen, also gegen die in Art 2 der Whistleblower Richtlinie genannten Rechtsakte verstoßende und rechtsmissbräuchliche Verhaltensweisen. Lediglich unmoralisches oder dem öffentlichen Interesse entgegenstehendes Verhalten ist von der Anwendung der Richtlinie ausgenommen.8 Unter anderem die nationale Sicherheit, Aspekte der nationalen Verteidigung und Sicherheit aber auch Bereiche wie die ärztliche oder anwaltliche Schweigepflicht und gerichtliches Strafverfahrensrecht werden in Art 3 Abs 2-4 der Whistleblower Richtlinie von deren Anwendungsbereich ausgeschlossen. Dies trifft auch auf innerstaatliche Vorschriften über die Inanspruchnahme der Rechte von Dienstnehmern gegenüber ihren Vertreter zu.9 7 Vgl Neuper in Petsche (Hrsg), Whistleblowing & Internal Investigations – Praxiskommentar zur Whistleblowing- Richtlinie (2021), Art 2. 8 Vgl Schmolke, Die neue Whistleblower-Richtlinie ist da! Und nun? NZG 2020, 5. 9 Vgl WBRL 2019/1937/EU, ABl 2019 L 305, Art 3. 7 12. November 2021
3.2. Persönlicher Anwendungsbereich Relativ weit gefasst ist der personale Anwendungsbereich der Richtlinie. Neben Arbeitnehmer im Sinne von Artikel 45 Absatz 1 AEUV sind auch Beamte und Weitere aus dem staatlichen Bereich eingeschlossen. Ebenso sind Selbstständige im Sinne von Artikel 49 AEUV, sowie unter der Aufsicht und Leitung von Auftragnehmern, Unterauftragnehmern und Lieferanten arbeitende Personen miteingeschlossen.10 Der persönliche Anwendungsbereich der Richtlinie nimmt dabei Bezug auf zwei wichtige Tatbestandsmerkmale. Auf der einen Seite die Beschäftigung des Whistleblowers in der Privatwirtschaft oder im Staatssektor und auf der anderen Seite die Aneignung von Informationen über Verstöße oder Missstände mit berufsmäßigem Zusammenhang. Die Wortfolge „mindestens folgende Personen“ in Abs 1 der Richtlinie, deutet auf die Möglichkeit der Mitgliedstaaten, eine Ausweitung des personalen Anwendungsbereichs der Richtlinie vorzunehmen und weitere Personen davon zu umfassen.11 Aus der herrschenden Rechtsprechung des EuGH haben sich, hinsichtlich des Arbeitnehmerbegriffs im Sinne des Art 45 AEUV, folgende Merkmale herauskristallisiert:12 • Natürliche Person; • Erbringung einer Leistung für einen anderen; • Im Rahmen einer gewissen Zeit; • Weisungsgebunden in Bezug auf Ort, Zeit und der Arbeitsabläufe; • Gegen eine Entlohnung als Kompensation. Auch für den Begriff der selbstständigen Tätigkeit haben nach der Rechtsprechung des EuGH diverse Eigenschaften vorhanden zu sein. Darunter fallen:13 • Entgeltlichkeit der Tätigkeit; 10 Vgl Schmolke, Die neue Whistleblower-Richtlinie ist da! Und nun? NZG 2020, 5. 11 Vgl Neuper in Petsche (Hrsg), Whistleblowing & Internal Investigations – Praxiskommentar zur Whistleblowing- Richtlinie (2021), Art 4. 12 Vgl EuGH 13.1.2004 Rs C-256/01, Allonby/ Accrington & Rossendale College ua, ECLI:EU:C:2004:18 (Rz 67). 13 Vgl EuGH 20.11. 2001 Rs C-268/99, Jany ua/ Staatssecretaris van Justitie, ECLI:EU:C:2001:616 (Rz 34). 8 12. November 2021
• Eine von Weisungen freie beziehungsweise auf Eigenverantwortung beruhende Tätigkeit; • Das Fehlen einer Überwachung bei der Leitungserbringung hinsichtlich Zeit, Ort und Arbeitsabfolge; • Das Recht, sich vertreten zu lassen; • Berechtigung eine Tätigkeit bzw ein Gewerbe zu praktizieren. Jedoch fallen in den persönlichen Anwendungsbereich der Richtlinie nicht nur bezahlte Tätigkeiten, sondern auch Freiwillige und unbezahlte Praktiken. Verstöße können durch Hinweiswegeber gemeldet werden, selbst wenn das Arbeitsverhältnis bereits beendet ist oder noch nicht begonnen hat und der Hinweisgeber während des Bewerbungsprozesses oder anderer vorvertraglicher Einigungsgespräche Kenntnis über Rechtsbrüche oder Missstände erlangt.14 3.3. Voraussetzung für den Schutz von Hinweisgebern Der Whistleblowerschutz ist nicht völlig uneingeschränkt auf jeden Whistleblower anwendbar. Die Whistleblower Richtlinie knüpft gewisse Kriterien an diesen Schutz an. Beispielsweise normiert Art 6 Abs 1 lit a der Richtlinie, dass bei einer Meldung, die im Zusammenhang mit dem Verstoß gegen Unionsrecht steht, der Whistleblower ausreichenden Grund haben musste, um anzunehmen, dass ein gegenständlicher Verstoß vorgekommen ist und die gemeldeten Informationen wahrheitsgemäß sind.15 Viel konkreter ist die Behauptung von Tatsachen notwendig, die die Missachtung von Unionsrecht oder dessen rechtswidrige Umgehung zum Inhalt hat.16 Daher hat ein ausreichender Grund zur Annahme zu bestehen, dass hinsichtlich des gemeldeten Verstoßes der Anwendungsbereich der Whistleblower Richtlinie eröffnet ist.17 14 Vgl WBRL 2019/1937/EU, ABl 2019 L 305, Art 4. 15 Vgl Reichetseder in Petsche (Hrsg), Whistleblowing & Internal Investigations – Praxiskommentar zur Whistleblowing-Richtlinie (2021), Art 6. 16 Vgl Garden/Hiéramente, Die neue Whistleblowing-Richtlinie der EU – Handlungsbedarf für Unternehmen und Gesetzgeber, BB 2019, 963. 17 Vgl Kröll/Stumpf, Die EU-Richtlinie zum Schutz von Whistleblowern - Handlungsbedarf für Unternehmen, RdW 2020/151, 161. 9 12. November 2021
Dies hat zum Resultat, dass zum Schutz der Richtlinie nur korrekte beziehungsweise zumindest redliche Behauptungen Zugang haben, womit dieser dem verfassungsrechtlich gewährleisteten Recht auf freie Meinungsäußerung gemäß Art 13 StGG und Art 10 EMRK nicht entgegensteht. Dieses Recht besteht jedoch nicht bei falschen Behauptungen oder Wertungen, die auf solchen basieren. Voraussetzung für das Vorliegen einer „Tatsache“ ist die Möglichkeit dessen Inhalt objektiv auf deren Korrektheit zu überprüfen, womit Tatsachen einem Beweis der Wahrheit unterliegen. Werturteile hingegen spiegeln die subjektive Anschauung des Erklärenden wider.18 Die Meldung eines Hinweisgebers über Unionsrechtsverstöße hat daher auf Tatsachen zu beruhen, nicht jedoch auf reine Werturteile. Solche genießen keinen Schutz im Rahmen der Whistleblower Richtlinie.19 Die getroffene Differenzierung ist relevant, da Hinweise in Bezug auf „anstößiges“ oder „unethisches“ Verhalten keinen Schutz genießen. Eine Ausweitung des Schutzes auf derartige Verhaltensweisen würde ein unkalkulierbares Risiko schaffen.20 Ein redlicher bzw gutgläubiger Hinweisgeber ist ein solcher, dem bei der Beurteilung des gemeldeten Verstoßes Fehlbewertungen unterlaufen sind. Auch gutgläubige Whistleblower sind vom Schutz der Richtlinie eingeschlossen. Ein gewisser Sorgfaltsmaßstab wird von der Whistleblower Richtlinie zwar nicht verlangt, jedoch sind laut Erwägungsgrund 32 alle Informationen auszuwerten, die dem Zweck der Gutgläubigkeit dienen.21 Da Hinweisgeber glaubhaft machen müssen, dass die Meldung jedenfalls redlich beziehungsweise gutgläubig erfolgte, ergeben sich gewisse Unsicherheiten und/oder Herausforderungen.22 Die Beweggründe des Whistleblowers sind grundsätzlich irrelevant. Dies hat zum Resultat, dass sofern ein Verstoß gegen Unionsrecht vorliegt bzw ein solcher redlich vermutet wird, der Schutz des Hinweisgebers auch bei benachteiligender Intention eröffnet ist.23 Unter dem Schutz der Richtlinie stehen lediglich Meldungen, die mit den 18 Vgl Harrer/Wagner in Schwimann/Kodek, ABGB Praxiskommentar4 (2016), § 1330 Rz 13. 19 Vgl Reichetseder in Petsche (Hrsg), Whistleblowing & Internal Investigations – Praxiskommentar zur Whistleblowing-Richtlinie (2021), Art 6. 20 Vgl Schmolke, Die neue Whistleblower-Richtlinie ist da! Und nun? NZG 2020, 7. 21 Vgl Garden/Hiéramente, Die neue Whistleblowing-Richtlinie der EU – Handlungsbedarf für Unternehmen und Gesetzgeber, BB 2019, 964. 22 Vgl Dilling, Der Schutz von Hinweisgebern nach der EU-Whistleblower-Richtlinie, CZZ 05/2019, 216. 23 Vgl Aszmons/Herse, EU-Whistleblowing-Richtlinie: Der richtige Umgang mit den neuen Vorgaben und deren Umsetzung, DB 2019, 1850. 10 12. November 2021
Rahmenbedingungen der Richtlinie übereinstimmen. Daher hat die Meldung eines Whistleblowers entweder intern, extern oder im Zuge einer berechtigten Offenlegung zu erfolgen. Die diesbezüglichen Normen, finden sich in Artikel 7, 10 und 15 der Richtlinie.24 Da der Hinweisgeber an keine bestimmte Rangfolge gebunden ist, steht es ihm frei zwischen einer internen Meldung an die juristische Person selbst oder einer externen Meldung direkt an die Behörden zu wählen.25 Erfahrungswerte zeigen jedoch deutlich, dass Whistleblower meist erst nach einer erfolglosen und wiederholten internen Meldung sich an die Behörden im Rahmen externer Meldekanäle wenden.26 3.4. Whistleblowing 3.4.1. Interne Meldungen Ein interner Meldekanal ist ein solcher, den eine juristische Person selbst installiert hat und worin der abgegebene Hinweis von einer natürlichen Person direkt entgegengenommen und behandelt wird. Folgemaßnahmen sind Maßnahmen, die ergriffen werden, um dem Hinweis zu folgen und die darin enthaltenen Tatsachenbehauptungen zu durchleuchten, sowie dessen Wahrhaftigkeit zu überprüfen. Eingangs war geplant, dass das Meldesystem eine Hierarchie vorsieht, in welcher Meldungen zuerst intern abgegeben werden, bevor es zu einer externen Meldung kommt. Eine Offenlegung nach Artikel 15 ist ohnedies nur in Ausnahmefällen zulässig. Grundsätzliche Intention dieser Hierarchie war es, den Unternehmen die Gelegenheit zu gewähren, den Missstand, sollte ein solcher vorliegen, intern zu bereinigen ohne, dass die Behörde Kenntnis davon erlangt. Das hierarchische Modell wurde jedoch nicht in die Richtlinie implementiert.27 24 Vgl Reichetseder in Petsche (Hrsg), Whistleblowing & Internal Investigations – Praxiskommentar zur Whistleblowing-Richtlinie (2021), Art 6. 25 Vgl Schmolke, Die neue Whistleblower-Richtlinie ist da! Und nun? NZG 2020, 6. 26 Vgl Kölbel/Herold, SFB 1369, 01/2020, 5. 27 Vgl Romandy in Petsche (Hrsg), Whistleblowing & Internal Investigations – Praxiskommentar zur Whistleblowing- Richtlinie (2021), Art 7. 11 12. November 2021
Das Ergebnis ist, dass Unternehmen dadurch Rufschädigungen erleiden können, da es Whistleblowern offen steht sich direkt einer externen Meldung zu bedienen.28 Aus Sicht des Unternehmens wäre es daher durchaus zweckdienlich Anregungen für die Priorisierung interner Meldekanäle zu schaffen.29 Die Richtlinie hat nicht nur den Zweck potenzielle Hinweisgeber im Falle einer Meldung zu schützen, sondern auch die Möglichkeit der Abgabe von Hinweisen, also die Einrichtung von Meldekanälen, zu gewährleisten. Aus diesem Grund besteht für die Mitgliedstaaten eine Pflicht zu garantieren, dass juristische Personen des privaten Sektors mit 50 oder mehr Beschäftigte, sowie juristische Personen des öffentlichen Sektors interne Meldekanäle einrichten und daran Folgemaßnahmen knüpfen.30 Aus Art 9 Abs 1 lit a der Whistleblower Richtlinie geht hervor, dass interne Meldekanäle sicher aufgebaut sein müssen. Zugriff darf nur Personal haben, welches auch berechtigt ist, um eine Verletzung der Intimität der Identität des Whistleblowers und Dritter zu verhindern, wobei unter Dritte, Zeugen und Mitarbeiter des Hinweisgebers verstanden werden. Des Weiteren besteht für Unternehmen die Pflicht, eine unbefangene Person oder Abteilung in Bezug auf Folgemaßnahmen zu benennen. Dabei kann es sich durchaus um dieselbe Person handeln, die den Hinweis entgegengenommen hat.31 Sieben Tage hat die empfangende Stelle Zeit, dem Hinweisgeber eine Empfangsbestätigung zukommen zu lassen. Ob damit Kalender oder Werktage angedacht sind, geht aus der Richtlinie nicht hervor. Durch Absendung dieser Bestätigung wird die Dreimonatsfrist gemäß Art 9 Abs 1 lit f der Whistleblower Richtlinie ausgelöst.32 Innerhalb dieser drei Monate hat eine gegenständliche Rückmeldung zu erfolgen. Diese hat die in Planung stehenden oder bereits erfolgten Folgemaßnahmen, sowie deren Hintergründe zu enthalten. 28 Vgl Granetzny/Markworth, Die neue Whistleblower-Richtlinie, jurisPR-Compl 2020, 3. 29 Vgl Aszmons/Herse, EU-Whistleblowing-Richtlinie: Der richtige Umgang mit den neuen Vorgaben und deren Umsetzung, DB 2019, 1851. 30 Vgl Schmolke, Die neue Whistleblower-Richtlinie ist da! Und nun? NZG 2020, 7. 31 Vgl WBRL 2019/1937/EU, ABl 2019 L 305, Art 9. 32 Vgl Romandy in Petsche (Hrsg), Whistleblowing & Internal Investigations – Praxiskommentar zur Whistleblowing- Richtlinie (2021), Art 8. 12 12. November 2021
Die Meldung von Verstößen muss gemäß Art 9 Abs 2 der Whistleblower Richtlinie in Schriftform, mündlich oder persönlich ermöglicht sein. Für das Erfordernis der Schriftlichkeit kommt eine E-Mail-Adresse beziehungsweise eine Internetplattform oder die Einrichtung eines Briefkastens in Betracht. Ein mündlicher Meldekanal kann über eine Hotline oder einen Videochat eingerichtet werden. Ebenso kommt eine persönliche Besprechung mit einer befugten Person in Frage. 3.4.2. Externe Meldungen Es ist dem Hinweisgeber zwar grundsätzlich überlassen sich einer internen oder externen Meldung zu bedienen, die Mitgliedstaaten sollen jedoch bei der Umsetzung der Richtlinie interne Meldungen priorisieren. Über einen externen Meldekanal kann sich ein Hinweisgeber direkt an Behörden wenden und Verstöße melden. Gemäß Art 11 der Whistleblower Richtlinie wird den Mitgliedstaaten eine Pflicht auferlegt, externe Meldekanäle zu etablieren und Folgemaßnahmen in weiterer Folge zu ergreifen. Einer von den Mitgliedstaaten zu ernennende Behörde ist hierbei die Ermächtigung zu erteilen, Meldungen über Hinweise zu empfangen, entsprechende Rückäußerung zu tätigen sowie Folgemaßnahmen einzuleiten. Laut dem Erwägungsgrund 64 der Richtlinie können dies Justizbehörden, Regulierungs- oder Aufsichtsstellen, Behörden mit allgemeiner Zuständigkeit, Strafverfolgungsbehörden, Korruptionsbekämpfungsstellen oder Ombudsstellen sein. In Betracht kommen für Österreich hier beispielsweise die Finanzmarktaufsicht (FMA), die Zentrale Staatsanwaltschaft zur Verfolgung von Wirtschaftsstrafsachen und Korruption (WKStA), sowie die Bundeswettbewerbsbehörde (BWB). Diese verfügen zum jetzigen Zeitpunkt bereits über Whistleblower Systeme.33 Die befugten Behörden sind von den Mitgliedstaaten sowohl hinsichtlich monetärer Aspekte, als auch in Anbetracht personaler Ressourcen ausreichend auszustatten. 33 Vgl Petsche/Abd El Malak in Petsche (Hrsg), Whistleblowing & Internal Investigations – Praxiskommentar zur Whistleblowing-Richtlinie (2021), Art 11. 13 12. November 2021
Art 12 Abs 2 differenziert zwischen den verschiedenen Formen der Meldekanäle. Darunter fallen etwa Briefkastensysteme, Whistleblower-Hotlines, E-Mail-Adressen, eine Internetplattform oder Ombudspersonen, also die Ernennung einer verantwortlichen Person. Auch für Meldungen im Rahmen des externen Meldekanals ist dem Whistleblower binnen einer Siebentagesfrist eine Empfangsbestätigung auszustellen. Die Rückmeldung hat, ebenso wie bei internen Meldungen, innerhalb von drei Monaten zu erfolgen. In ausreichend begründeten Fällen kann die Frist auch sechs Monate betragen. Der Whistleblower ist vom Resultat der Untersuchung zu unterrichten. 3.4.3. Offenlegung Um unter den Schutz der Richtlinie zu fallen, ist die Offenlegung nach Art 15 der Whistleblower Richtlinie an gewisse Voraussetzungen gebunden. Um eine berechtigte Offenlegung zu tätigen, muss der Hinweisgeber bereits intern oder extern den Verstoß gemeldet haben und eine Maßnahme innerhalb der Frist unterblieben sein. Die Frist beträgt, wie bereits erwähnt, bei internen Meldungen drei Monate und bei externen Meldungen drei beziehungsweise sechs Monate.34 Ersatzweise reicht es aus, dass der Whistleblower ausreichend Grund zur Annahme hatte, dass der Verstoß eine Gefährdung öffentlicher Interessen zur Folge hat oder im Falle einer externen Meldung Repressalien zu befürchten hat beziehungsweise die Erwartung einer effizienten Verfolgung gering sind.35 34 Vgl Petsche/Abd El Malak in Petsche (Hrsg), Whistleblowing & Internal Investigations – Praxiskommentar zur Whistleblowing-Richtlinie (2021), Art 15. 35 Vgl WBRL 2019/1937/EU, ABl 2019 L 305, Art 15. 14 12. November 2021
3.5. Schutzmaßnahmen 3.5.1. Verbot von Druckmittel Für die Mitgliedstaaten besteht, um Whistleblower zu schützen und die Realisierung der Richtlinie zu gewährleisten gemäß Art 19 der Whistleblower Richtlinie eine Pflicht Vorkehrungen zu treffen, durch welche Repressalien sowie deren Versuch oder Androhung verhindert werden.36 Art 19 der Richtlinie enthält eine Auflistung, mit welcher der Begriff der Repressalien beispielgebend umschrieben und dadurch relativ weit gefasst wird.37 Repressalien im Sinne der Whistleblower Richtlinie, sind unmittelbare oder mittelbare Handlungen oder Unterlassungen im berufsmäßigen Zusammenhang, welche Resultat einer Meldung im Rahmen der Meldekanäle beziehungsweise einer Offenlegung sind und durch welche der Whistleblower eine Benachteiligung erleidet, oder ihm eine solche angedroht wird. Fundament dieses Schutzes ist eine im Einklang mit der Richtlinie stehende Meldung eines Hinweises. Zwischen dem angedrohten beziehungsweise eingetretenen Nachteil muss eine laut Erwägungsgrund 44 der Richtlinie sogar enge Verknüpfung bestehen.38 Indem nicht nur Benachteiligungen des Arbeitsgebers sondern auch solche durch Führungskräfte, Mitarbeiter, Kundschaft oder beispielsweise Subunternehmen vom Begriff der Repressalien im Sinne der Richtlinie umfasst werden, wird praktisch jede auch nur vorstellbare Zusammensetzung einer Benachteiligung miteingeschlossen.39 Durch die in Art 19 in Verbindung mit Erwägungsgrund 93 der Whistleblower Richtlinie statuierten Beweislastumkehr obliegt es nicht dem Whistleblower sondern dem Verdächtigen zu beweisen, dass eine allenfalls erfolgte Maßnahme nicht in Verbindung 36 Vgl Reichetseder in Petsche (Hrsg), Whistleblowing & Internal Investigations – Praxiskommentar zur Whistleblowing-Richtlinie (2021), Art 19. 37 Vgl Schmolke, Die neue Whistleblower-Richtlinie ist da! Und nun? NZG 2020, 7. 38 Vgl WBRL 2019/1937/EU, ABl 2019 L 305, EG 44. 39 Vgl Garden/Hiéramente, Die neue Whistleblowing-Richtlinie der EU – Handlungsbedarf für Unternehmen und Gesetzgeber, BB 2019, 963. 15 12. November 2021
zur Abgabe des Hinweises steht. Dadurch soll die Ergreifung solcher Maßnahmen vermieden und der Whistleblower bestärkt werden. 40 Eine Beschränkung des Schutzes des Hinweisgebers in Bezug auf die zeitliche Komponente geht aus der Richtlinie nicht hervor. Bei der Umsetzung der Richtlinie ist von einer solchen auch dringend abzusehen, da dies eine immense Verschlechterung für Hinweisgeber bedeuten würde. Die Vornahme einer zeitlichen Beschränkung des Schutzes ist den Mitgliedstaaten daher untersagt.41 3.5.2. Unterstützende Maßnahmen Die Whistleblower Richtlinie enthält nicht nur Maßnahmen hinsichtlich der Hinweisgeber selbst, sondern auch Regelungen um die in Art 4 der Richtlinie genannten betroffenen Personen zu unterstützen. Aus Erwägungsgrund 89 der Richtlinie geht hervor, dass es sich dabei um unentgeltliche, individuelle, unabhängige und diskrete Beratung handeln soll. Die Durchführung kann in diesem Fall einem Informationszentrum oder einer unabhängigen Verwaltungsbehörde obliegen. Sollte eine laut der Richtlinie, „zivilgesellschaftliche“ Organisation mit der Beratung beauftragt werden, muss gewährleistet sein, dass diese nicht selbst Repressalien unterworfen ist. Solche können sich beispielsweise durch finanzielle Schädigung ergeben. Wie solche Repressalien vermieden werden, bleibt Angelegenheit der Mitgliedstaaten, wobei aus dem Wortlaut der Richtlinie hervorgeht, dass die Beratung von einer ausschließlich dafür etablierten Einrichtung durchgeführt werden sollte, welche keine 42 Anteilhabe am wirtschaftlichen Verkehr aufweist. Auch den Sozialpartnern soll in Angelegenheiten der Beratung eine fundamentale und auch vielförmige Rolle zukommen.43 40 Vgl Reichetseder in Petsche (Hrsg), Whistleblowing & Internal Investigations – Praxiskommentar zur Whistleblowing-Richtlinie (2021), Art 19. 41 Vgl Kröll/Stumpf, Die EU-Richtlinie zum Schutz von Whistleblowern - Handlungsbedarf für Unternehmen, RdW 2020/151, 161. 42 Vgl Reichetseder in Petsche (Hrsg), Whistleblowing & Internal Investigations – Praxiskommentar zur Whistleblowing-Richtlinie (2021), Art 20. 43 Vgl Kommission, Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zum Schutz von Personen, die Verstöße gegen das Unionsrecht melden, https://eur-lex.europa.eu/legal- content/DE/TXT/HTML/?uri=CELEX:52018PC0218&from=EN (abgefragt am 29.10.2021). 16 12. November 2021
3.5.3. Maßnahmen zum Schutz vor Druckmittel Gemäß Art 21 der Whistleblower Richtlinie besteht eine Obligation der Mitgliedstaaten, die Hinweisgeber vor arbeitsrechtlichen Konsequenzen, wie beispielsweise Versetzung, Kündigung, Degradierung oder monetäre Schädigungen zu schützen.44 Der Schutz vor derartigen Druckmittel besteht nicht nur bezüglich des Whistleblowers selbst, sondern sonstige Individuen, Mitarbeiter oder Angehörige des Hinweisgebers, die eine berufs- oder gewerbsmäßige Beziehung zum Arbeitgeber des Whistleblowers, zu Kundschaft des Hinweisgebers oder zu Dienstleistungsempfänger des Whistleblowers aufweisen.45 3.5.3.1. Haftungsbegrenzung In Anbetracht dessen, dass der Zugriff beziehungsweise die Aneignung der gemeldeten Informationen einer strafrechtlichen Verfolgung unterliegen könnte, sieht Art 21 Abs 3 leg cit der Richtlinie eine Haftungsbegrenzung vor. Eine Haftung für dieses Verhalten ist nicht möglich, sofern dieses keine Straftat darstellt. Gemäß Art 21 Abs 7 können insbesondere in privatrechtlichen, öffentlich-rechtlichen oder arbeitsrechtlichen Gerichtsverfahren wegen Verleumdung, Urheberrechtsverletzungen, Verletzung der Geheimhaltungspflicht, Verstoßes gegen Datenschutzvorschriften, Offenlegung von Geschäftsgeheimnissen sowie Schadensersatzverfahren die in Art 4 genannten Personen basierend auf einer richtlinienkonformen Meldung oder Offenlegung in keiner Weise haftbar gemacht werden.46 Sollte ein strafrechtlicher Tatbestand durch das Verhalten des Whistleblowers erfüllt werden, unterliegt die strafrechtliche Verantwortung stets den nationalen Vorschriften. Das hat zur Folge, dass die beabsichtigte Meldung von Fehlinformationen wegen Verleumdung gemäß § 297 StGB, Vortäuschung einer mit Strafe bedrohten Handlung gemäß § 298 StGB oder Übler Nachrede gemäß § 111 StGB bestraft werden kann.47 44 Vgl Tadeusz Stappers/Koukol, Whistleblowing – Ein Statusreport, Compliance Praxis 2019, 16ff. 45 Vgl Peitsch, Whistleblowing-Hotlines spätestens 2021 verpflichtend, NetV 2020, 60. 46 Vgl WBRL 2019/1937/EU, ABl 2019 L 305, Art 21. 47 Vgl Tadeusz Stappers/Koukol, Whistleblowing – Ein Statusreport, Compliance Praxis 2019, 16ff. 17 12. November 2021
3.5.3.2. Beweislastumkehr Sollten erlittene Schädigungen in weiterer Folge zu einem Gerichtsverfahren frühen, so gilt für das Verfahren die Beweislastumkehr. Damit hat der Arbeitgeber nachzuweisen, dass eine von ihm ergriffene Konsequenz, in keiner Verbindung, zu einer vom Whistleblower erfolgten Meldung steht.48 3.5.3.3. Einstweiliger Rechtsschutz Um Whistleblower die Befürchtung von Repressalien beruflicher Natur wie beispielsweise Mobbing am Arbeitsplatz oder einer Kündigung die den finanziellen Ruin des Hinweisgebers zur Folge hätte, zu nehmen, besteht im Laufe eines Verfahrens ein einstweiliger Rechtsschutz vor solchen Maßnahmen beziehungsweise der Androhung dieser. 3.5.4. Schutz betroffener Personen Personen, die in einer internen oder externen Meldung beziehungsweise einer Offenlegung als jene angeführt sind, die einen Verstoß begangen haben, oder an einem solchen beteiligt sind, werden unter Art 6 Nr 10 der Whistleblower Richtlinie als betroffene Personen bezeichnet.49 Auch diese Personen sollen laut der Richtlinie einen Schutz genießen, um eine Rufschädigung oder negative Konsequenzen vermeiden zu können, wobei deren Schutz nach der Richtlinie relativ zurückhaltend ausgestaltet ist.50 Gemäß Art 22 Abs 1 der Whistleblower Richtlinie müssen die Rechte nach der EU-Grundrechtecharta, wie zum Beispiel das Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf und auf ein faires Gerichtsverfahren und die Wahrung der Unschuldsvermutung sowie ihre Verteidigungsrechte, samt des Rechts auf Anhörung und des Rechts auf Einsicht in ihre Akte, gewährleistet bleiben. Aufgrund der rechtsstaatlichen Erforderlichkeit dieser Rechte 48 Vgl Rechnungshof, Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zum Schutz von Personen, die Verstöße gegen das Unionsrecht melden (2018/C 405/01), https://www.eca.europa.eu/Lists/ECADocuments/OP18_04/OP18_04_DE.pdf (abgefragt am 29.10.2021). 49 Vgl WBRL 2019/1937/EU, ABl 2019 L 305, Art 6. 50 Vgl Dilling, Der Schutz von Hinweisgebern nach der EU-Whistleblower-Richtlinie, CZZ 05/2019, 220. 18 12. November 2021
hat die Aufzählung in Art 22 Abs 1 der Richtlinie, lediglich deklaratorischen Charakter.51 Art 22 Abs 2 und 3 der Richtlinie normiert Schutzregelungen im Hinblick auf die Identität der betroffenen Personen. 3.5.5. Sanktionen Die Sanktionierung in Verbindung mit der Richtlinie erfolgt zweigleisig. Auf der einen Seite sind Reaktionen zu sanktionieren, die den Hinweisgeber benachteiligen oder die Intention verfolgen die Meldung zu unterbinden, auf der anderen Seite sollen wissentliche Falschmeldungen oder Offenlegungen unter Strafe gestellt werden. Ebenso soll der indiskrete Umgang mit der Identität des Hinweisgebers sanktioniert werden.52 Um Falschmeldungen durch Hinweisgeber oder falscher Offenlegungen, welche wissentlich erfolgen, entgegenzuwirken, haben die Mitgliedstaaten effiziente, verhältnismäßige und abschreckende Sanktionen festzusetzen.53 Nach der österreichischen Rechtslage kommen dafür derzeit Verleumdungs-, Rufschädigungs-, oder Kreditschädigungsklagen in Betracht. Während die Umsetzung der Sanktionierungspflicht den einzelnen Mitgliedstaaten obliegt, kommen dafür insbesondere zivilrechtliche, strafrechtliche aber auch verwaltungsrechtliche Sanktionen in Betracht.54 4. Internal Investigations 4.1. Rechtliche Rahmen interner Untersuchungen Sinn und Zweck interner Ermittlungen innerhalb eines Unternehmens ist Defizite, sowie Rechtsverletzungen ans Licht zu bringen. Dadurch sollen bereits bestehende Gefahren und Schädigungen beseitigt oder verringert und neuerliche vermieden werden. Internal Investigations können gewisse Personen, Abteilungen oder sogar das gesamte 51 Vgl Thüsing/Rombey, Nachdenken über den Richtlinienvorschlag der EU-Kommission zum Schutz von Whistleblowern, NGZ 2020, 1006. 52 Vgl Petsche/Abd El Malak in Petsche (Hrsg), Whistleblowing & Internal Investigations – Praxiskommentar zur Whistleblowing-Richtlinie (2021), Art 23. 53 Vgl Schmolke, Die neue Whistleblower-Richtlinie ist da! Und nun? NZG 2020, 7. 54 Vgl WBRL 2019/1937/EU, ABl 2019 L 305, Art 23. 19 12. November 2021
Unternehmen betreffen. § 16 ABGB normiert als grundlegende Bestimmung die Persönlichkeitsrechte eines Einzelnen, woran die Zulässigkeit beziehungsweise das Ausmaß interner Untersuchungen gemessen werden kann.55 Es erfolgt eine Konfrontation zwischen Interessen des Dienstgebers an Informationen und der Persönlichkeitsrechte des Dienstnehmers. Die Durchführung oder Einführung von Kontrollen durch den Arbeitgeber veranlasst alleine noch keine Verletzung von Persönlichkeitsrechten. Vielmehr gehört es zum Wesen eines Dienstvertrages, Kontrollbefugnisse des Arbeitsgebers unterworfen zu sein.56 Es kommt also grundsätzlich auf die Reichweite der Maßnahmen des Dienstgebers an, wobei sowohl Ausmaß der Datenerfassung, als auch die Dauer entscheidend sind. Erfolgen die Maßnahmen in für Dienstverhältnisse untypische Art und Weise, können dadurch Persönlichkeitsrechte des Dienstnehmers tangiert werden. Sollte dies der Fall sein, ist eine Interessenabwägung zwischen beidseitiger Interessen vorzunehmen, um die Zulässigkeit der Kontrollmaßnahmen bestimmen zu können.57 Ohnedies muss der Eingriff in die Persönlichkeitsrechte des Dienstnehmers durch Kontrollen des Arbeitgebers dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz folgen. Dabei darf nur das gelindeste, also das am wenigsten in die Rechte des Dienstnehmers eingreifende, Mittel angewendet werden, um die notwendigen Informationen zu beschaffen.58 Die Maßnahmen des Arbeitgebers sind in jenem Fall zulässig, in dem sein Interesse an der Erlangung der jeweiligen Informationen, das Interesse des Arbeitnehmers am Schutz seiner Persönlichkeitsrechte überwiegt. Im Rahmen interner Ermittlungen kommen unter anderem die Beschaffung von Akten und Dokumenten, Fragebögen für die Dienstnehmer, Gespräche mit den Mitarbeitern, Bewachung der Internetverwendung, Video- oder Telefonüberwachung der Mitarbeiter, sowie Whistleblowing-Hotlines als geeignete Mittel in Betracht. 55 Vgl Petsche in Petsche (Hrsg), Whistleblowing & Internal Investigations – Praxiskommentar zur Whistleblowing- Richtlinie (2021), Kapitel 2: Rechtlicher Rahmen für Internal Investigations. 56 Vgl Tomandl, Wesensmerkmale des Arbeitsvertrages in rechtsvergleichender und rechtspolitischer Sicht (1971), 68ff. 57 Vgl Brodil, Die Kontrolle der Nutzung neuer Medien im Arbeitsverhältnis. Kontrollbefugnisse des Arbeitgebers zwischen Datenschutz und Persönlichkeitsrechten, ZAS 2004/28, 156. 58 Vgl Brodil, Kontrolle und Datenschutz im Arbeitsrecht, ZAS 2009/21, 122. 20 12. November 2021
4.1.1. Beschaffung von Dokumenten Berufliche Dokumente des Arbeitnehmers können vom Arbeitgeber grundsätzlich kontrolliert werden. Da in einem solchen Fall Dokumente nicht im Zusammenhang mit der Privatsphäre des Arbeitnehmers stehen, sowie dessen Persönlichkeitsrechte nicht berühren, ist keine Interessenabwägung durchzuführen. Der Zugriff der Unterlagen muss jedoch dessen ungeachtet dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz entsprechen. Unterlagen, die jedoch keinen berufsmäßigen Kontext aufweisen, können nicht Gegenstand einer Kontrollmaßnahme des Arbeitgebers sein, weshalb der Zugriff des Arbeitgebers auf persönliche Unterlagen des Dienstnehmers unzulässig bleibt.59 4.1.2. Personalfragebögen Die Aneignung von Informationen ist ebenso über Fragebögen erdenklich. Diese werden von einem Dienstnehmer beantwortet und beinhalten Fragen über die Person des Arbeitnehmers.60 Das Einvernehmen des Dienstnehmers ist nicht erforderlich, sofern die Fragebögen lediglich herkömmliche Informationen über diesen enthalten. Ein sogenannter qualifizierter Fragebogen hingegen bedarf grundsätzlich der Akzeptanz des Betriebsrates. Handelt es sich um Fragen, die dem Arbeitgeber verhelfen über private Angelegenheiten oder Anschauungen des Dienstnehmers Kenntnis zu erlangen, so liegt ein derartiger qualifizierter Fragebogen vor. Sollten die gestellten Fragen jedoch dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz nicht entsprechen, sind diese selbst bei Zustimmung des Betriebsrates unzulässig.61 4.1.3. Mitarbeiterinterviews Auch Mitarbeitergespräche stellen ein geeignetes Mittel interner Untersuchungen dar, wobei zu hinterfragen ist, inwiefern Arbeitnehmer eine Auskunftspflicht im Rahmen solcher Gespräche trifft. Die Beantwortung der Fragen kann zum einen der Veranschaulichung der Arbeitspflicht dienen, zum anderen aber Ausfluss der Treuepflicht des Dienstnehmers sein. Werden durch die, im Zuge des Gesprächs gestellten Fragen, 59 Vgl Petsche in Petsche (Hrsg), Whistleblowing & Internal Investigations – Praxiskommentar zur Whistleblowing- Richtlinie (2021), Kapitel 2: Rechtlicher Rahmen für Internal Investigations. 60 Vgl Löschnigg, Arbeitsrecht13, 961. 61 Vgl Löschnigg, Arbeitsrecht13, 962. 21 12. November 2021
in Persönlichkeitsrechte des Dienstnehmers eingegriffen, so ist auch hier die Prüfung anhand der Verhältnismäßigkeit durchzuführen.62 4.1.4. Internetüberwachung Der Arbeitgeber hat auch die Möglichkeit die Internetverwendung seiner Dienstnehmer zu überwachen beziehungsweise zu kontrollieren. Sollte der Dienstgeber die private Verwendung des Internets gänzlich unterbunden haben, so kann er eine Kontrolle der Internetverwendung auch ohne Einwilligung des Dienstnehmers durchführen lassen.63 Eine intensivere Kontrolle könnte jedoch eine inadäquater Beeinträchtigung der Rechte des Dienstnehmers darstellen und somit rechtswidrig sein.64 4.1.5. Videoüberwachung Eine gewisse Problematik, sowohl aus arbeitsrechtlicher, als auch datenschutzrechtlicher Sicht, verursacht die Thematik der Videoüberwachung von Dienstnehmern. Durch solche Überwachungsmethoden erfolgt immer ein Eingriff in die Persönlichkeitsrechte des Arbeitnehmers. Wie bereits mehrmals erwähnt, ist auch hier eine Abwägung der Interessen des Arbeitnehmers und des Arbeitsgebers durchzuführen. Überwiegen die Interessen des Arbeitgebers an einer Videoüberwachung, so kann eine solche als zulässig angesehen werden, wobei keine weniger eingreifende Praxis ebenso effizient sein darf, allenfalls die Überwachung unrechtmäßig wäre.65 Die Überwachung von Toiletten, Waschräumen oder die kontinuierliche Bewachung des Arbeitsplatzes sind ohnehin unzulässig.66 62 Vgl Petsche in Petsche (Hrsg), Whistleblowing & Internal Investigations – Praxiskommentar zur Whistleblowing- Richtlinie (2021), Kapitel 2: Rechtlicher Rahmen für Internal Investigations. 63 Vgl Sacherer, Internet am Arbeitsplatz als zustimmungspflichtige Kontrollmaßnahme?, RdW 2005/714, 627. 64 Vgl Dellisch, Private e-mail- und Internet-Nutzung am Arbeitsplatz, ASoK 2001, 316. 65 Vgl Riesenkampff, Die arbeitsrechtliche Zulässigkeit der Installation von Videokameras in Ladenlokalen, ecolex 2007, 746. 66 Vgl Knyrim/Bartlmä, Big Brother im Unternehmen. Datenanwendungen, ihre Rechtsprobleme und deren Lösung, ecolex 2007, 741. 22 12. November 2021
4.2. Gestaltung interner Untersuchungen 4.2.1. Dos bei internal Investigations Im Rahmen interner Untersuchungen ist es essentiell eine Intention beziehungsweise eine Zielvorstellung festzulegen. Diese könnte beispielsweise sein, der Meldung eines Whistleblowers nachzugehen oder der Schutz des Unternehmens vor staatlichen Maßnahmen. Erfolgt keine solche Festlegung, werden durch interne Untersuchungen oftmals überflüssig Ressourcen aufgewendet. Des Weiteren ist es von Bedeutung, die Reichweite der Untersuchung festzusetzen. Dies erfolgt im Hinblick darauf, in welchen Staaten und innerhalb welchen Zeitraums die Untersuchung durchgeführt wird.67 Eine bedeutsame Rolle, spielt dabei festzusetzen welche Mittel angewendet werden und in welcher Reihenfolge diese zur Anwendung kommen. Die Untersuchungsmöglichkeiten sind oben bereits genannt. Oftmals kommt es im Rahmen interner Untersuchungen zuerst zur Einsichtnahme in die Akten und Dokumente, bevor beispielsweise Mitarbeitergespräche durchgeführt werden. Wie längst ausgeführt, werden durch interne Untersuchungen die Persönlichkeitsrechte der Mitarbeiter berührt. Daher ist schon vor Durchführung der internen Untersuchung eine Rechtsanalyse vorzunehmen, um bestimmen zu können, inwieweit ein Rechtsbruch durch die Untersuchung erfolgen könnte, insbesondere bei der Durchführung von diesen in unterschiedlichen Ländern. Da abhängig von der Größe des Unternehmens interne Untersuchungen sehr schnell ein größeres Ausmaß erlangen können, ist es für die höchste Effizienz unumgänglich, sowohl die bestehenden Ressourcen bestmöglich aufzuteilen als auch einen konkreten Ablauf Zeitplan festzulegen. Wesentlich für internal Investigations ist die eine eventuelle Zusammenarbeit mit Mitarbeitern. Hierbei können den kooperierenden Mitarbeitern Vorteile zugesprochen werden. Kommt es zu Untersuchungen seitens staatlicher Behörden ist bereits im Vorfeld zu definieren, ob eine Kooperation seitens des Unternehmens, mit den Behörden erfolgen wird. Während hier eine Enthüllung an die Behörde hinsichtlich der gesammelten 67 Vgl Petsche in Petsche (Hrsg), Whistleblowing & Internal Investigations – Praxiskommentar zur Whistleblowing- Richtlinie (2021), Kapitel 1: Dos and Don’ts bei Internal Investigations. 23 12. November 2021
Informationen erfolgt, ist das Unternehmen in die Erwägungen der Behörde eingebunden und in das Untersuchungsverfahren integriert.68 4.2.2. Dont´s bei internal Investigations Oftmals haben Führungspersonen eines Unternehmens ein Interesse daran, die Enthüllungen einer internen Untersuchung zu verschweigen und somit dessen Ergebnisse zu verdunkeln. Dadurch werden auch Compliance-Officer verleitet, an derartigen Verschwiegenheiten mitzuwirken. Ein derartiges Verhalten ist zu verhindern, da sich daraus sowohl eine strafrechtliche Verantwortung, als auch eine Verletzung der Pflichten des Compliance-Officers ergeben können. Unabdinglich ist die Unparteilichkeit des Compliance-Verantwortlichen. Untersuchungen die auf persönlichen Anschauungen basieren, führen zu einer Unzweckmäßigkeit dieser. Im Zuge interner Untersuchungen, ist darauf Acht zu geben, dass diese nicht Gegenstand persönlicher Intentionen werden und nicht Absichten verfolgt werden, die nicht angemessen sind. Nur unvoreingenommene Personen dürfen an den Untersuchungen teilhaben. Befangen sind jene Personen die Gegenstand der Untersuchung sind, also betroffene Personen, als auch diesen nahestehende Personen. Die Dokumentation der Enthüllungen und Ergebnisse einer Untersuchung ist von großem Belangen. Da diese im Rahmen behördlicher Durchsuchungen als Beweismittel aufgenommen werden können, ist grundsätzlich zu beachten, keine Beweismittel gegen sich selbst zu schaffen. Diese Gefährdung kann durch die Beziehung eines Rechtsanwaltes minimiert werden, da diesem sein Anwaltsprivileg zukommt. Wurde die Untersuchung nicht vorab detailliert geplant und festgelegt, wie mit den Erkenntnissen umzugehen ist, kommt es oft zu einem vorzeitigen Abbruch der Untersuchung. Daher ist eine konsequente Planung unabdinglich, um eine effiziente Untersuchung durchzuführen.69 Um ein wirksames Compliance-Management-System beizubehalten muss im Zuge interner Untersuchungen enthülltes Fehlverhalten auch adäquate 68 Vgl Petsche in Petsche (Hrsg), Whistleblowing & Internal Investigations – Praxiskommentar zur Whistleblowing- Richtlinie (2021), Kapitel 1: Dos and Don’ts bei Internal Investigations. 69 Vgl Petsche in Petsche (Hrsg), Whistleblowing & Internal Investigations – Praxiskommentar zur Whistleblowing- Richtlinie (2021), Kapitel 1: Dos and Don’ts bei Internal Investigations. 24 12. November 2021
Konsequenzen nach sich ziehen. Ist dies nicht der Fall, kommt es zu einer Entkräftung des Compliance-Systems beziehungswiese zu dessen gänzlicher Bedeutungslosigkeit. Wichtig ist ebenso, dass die Sanktionen nicht nur auf untergeordneter Rangstufe ergriffen werden, sondern auch Führungspersonal Adressaten einer Sanktion sein können. Letztlich müssen Ergebnisse der Untersuchung auch zu gegenständlichen Veränderungen führen. 5. Implementierung in der Praxis Durch Erlassung der Whistleblower Richtlinie besteht zum ersten Mal eine rechtliche Obliegenheit ein Whistleblowing System innerhalb des Unternehmens zu integrieren. Während die Form der Implementierung den Unternehmen überlassen wird, garantiert Art 9 der Whistleblower Richtlinie Mindeststandards technischer und verfahrensrechtlicher Natur. Mit der Einrichtung entsprechender Systeme geht jedenfalls eine finanzielle Belastung einher, weshalb vor allem Unternehmen kleiner beziehungsweise mittlerer Größe vor einer Herausforderung stehen.70 Die Meldung eines Hinweises durch Inanspruchnahme eines internen Meldekanals muss gemäß Art 9 Abs 2 der Whistleblower Richtlinie mündlich und/oder in Schriftform zur Verfügung stehen.71 Neben einer mündlichen und schriftlichen Meldemöglichkeit ist eine weitere technische Voraussetzung, dass die Abgabe der Meldung sicher ausgestaltet ist, indem lediglich Personen Zugriff haben, die über eine entsprechende Befugnis verfügen. Die Ausgestaltung eines internen Meldekanals ist äußerst relevant, da sich diese vorbeugend auf das Unternehmen auswirken können.72 5.1. Offene Tür Nach dem „open door“ Prinzip ist es Hinweisgebern ermöglicht eine Meldung unmittelbar an die Geschäftsführung beziehungsweise an einen eventuell eingerichteten Compliance- 70 Vgl Kröll/Stumpf, Die EU-Richtlinie zum Schutz von Whistleblowern - Handlungsbedarf für Unternehmen, RdW 2020/151, 163. 71 Vgl WBRL 2019/1937/EU, ABl 2019 L 305, Art 9. 72 Vgl Borowa in Bay/Hastenrath, Compliance-Management-Systeme2 (2016), Kapitel 5 Rz 57. 25 12. November 2021
Verantwortlichen abzugeben. Durch die Einrichtung eines solchen Systems ist jedoch den Anforderungen der Whistleblower Richtlinie nicht Genüge getan und erfordert parallel die Implementierung eines weiteren Meldekanals.73 5.2. Briefkasten Die Mehrheit der Unternehmen, die bereits vor Inkrafttreten der Whistleblower Richtlinie Whistleblowing Systeme integriert haben, haben sich für die Einrichtung eines Briefkastensystems entschieden. Hierbei wird ein Briefkasten an einem passenden Ort im Unternehmen angebracht. Dieser muss jedoch so aufgestellt oder montiert werden, dass er einer andauernden Überwachung nicht zugänglich ist, um dem Hinweisgeber eine anonyme Meldung zu ermöglichen und dessen Identität zu wahren. Der Briefkasten wird folglich in regelmäßigen Abständen von einer befugten Person entleert, um die abgegebenen Meldungen entgegennehmen zu können.74 Sollte die innerstaatliche Gesetzgebung bei der Umsetzung der Richtlinie sowohl eine mündliche als auch schriftliche Meldemöglichkeit vorsehen, wäre mit einem Briefkasten alleine den Anforderungen nicht Rechnung getragen. 5.3. E-Mail Die wahrscheinlich einfachste Methode zur Einrichtung eines internen Meldekanals ist die Errichtung einer E-Mail-Adresse für Meldungen von Whistleblowern. Um die Anonymität des Whistleblowers zu gewährleisten, wird dieser jedoch ebenso eine eigens eingerichtete E-Mail-Adresse verwenden müssen. Trotz des Fehlens der rechtlichen Obliegenheit, die gänzliche Anonymität des Whistleblowers zu gewährleisten, besteht diese durch bereits geläufige Compliance-Standards. Interessensvertretungen setzen sich für die Wahrung der Anonymität des Hinweisgebers, auf Ebene der innerstaatlicher Gesetzgebung ein.75 Es können sich zwar eine Reihe an technischen Problemstellungen 73 Vgl Reichetseder in Petsche (Hrsg), Whistleblowing & Internal Investigations – Praxiskommentar zur Whistleblowing-Richtlinie (2021), Kapitel 1: Auswahl des passenden Meldekanals. 74 Vgl Reichetseder in Petsche (Hrsg), Whistleblowing & Internal Investigations – Praxiskommentar zur Whistleblowing-Richtlinie (2021), Kapitel 1: Auswahl des passenden Meldekanals. 75 Vgl Transparency International Austria, Austrian Chapter Forderungspapier: Whistleblowing EU-Richtlinie; https://www.ti-austria.at/2020/09/21/4312/ (abgefragt am 6.11.2021). 26 12. November 2021
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