WHISTLEBLOWING & INTERNAL INVESTIGATIONS - JKU ePUB

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Eingereicht von
                                        Johannes Farag

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                                        Institut für Europarecht

                                        Beurteiler / Beurteilerin
                                        Univ.- Prof. Dr. Franz
                                        Leidenmühler

                                        November 2021

WHISTLEBLOWING &
INTERNAL
INVESTIGATIONS

Diplomarbeit
zur Erlangung des akademischen Grades

Magister der Rechtswissenschaften
im Diplomstudium

Rechtswissenschaften

                                        JOHANNES KEPLER
                                        UNIVERSITÄT LINZ
                                        Altenberger Straße 69
                                        4040 Linz, Österreich
                                        jku.at
EIDESSTATTLICHE ERKLÄRUNG

Ich erkläre an Eides statt, dass ich die vorliegende Diplomarbeit selbstständig und ohne
fremde Hilfe verfasst, andere als die angegebenen Quellen und Hilfsmittel nicht benutzt
bzw. die wörtlich oder sinngemäß entnommenen Stellen als solche kenntlich gemacht
habe.

Die vorliegende Diplomarbeit ist mit dem elektronisch übermittelten Textdokument
identisch.

Wien, am 12.11.2021

Johanness Farag

                                                                                           2
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Inhaltsverzeichnis

1.    Einleitung .................................................................................................................... 5

2.    Begriffserklärung......................................................................................................... 6

      2.1. Was ist Whistleblowing? ...................................................................................... 6

      2.2. Was ist die Richtlinie zum Schutz von Hinweisgebern? ...................................... 6

3.    Die Richtlinie 2019/1937 ............................................................................................. 7

      3.1. Sachlicher Anwendungsbereich........................................................................... 7

      3.2. Persönlicher Anwendungsbereich ....................................................................... 8

      3.3. Voraussetzung für den Schutz von Hinweisgebern ............................................. 9

      3.4. Whistleblowing ................................................................................................... 11

            3.4.1. Interne Meldungen ................................................................................... 11

            3.4.2. Externe Meldungen.................................................................................. 13

            3.4.3. Offenlegung ............................................................................................. 14

      3.5. Schutzmaßnahmen ............................................................................................ 15

            3.5.1. Verbot von Druckmittel ............................................................................ 15

            3.5.2. Unterstützende Maßnahmen ................................................................... 16

            3.5.3. Maßnahmen zum Schutz vor Druckmittel ................................................ 17

                      3.5.3.1. Haftungsbegrenzung .................................................................. 17

                      3.5.3.2. Beweislastumkehr ...................................................................... 18

                      3.5.3.3. Einstweiliger Rechtsschutz ........................................................ 18

            3.5.4. Schutz betroffener Personen ................................................................... 18

            3.5.5. Sanktionen ............................................................................................... 19

4.    Internal Investigations ............................................................................................... 19

      4.1. Rechtliche Rahmen interner Untersuchungen ................................................... 19

            4.1.1. Beschaffung von Dokumenten................................................................. 21

            4.1.2. Personalfragebögen ................................................................................ 21

            4.1.3. Mitarbeiterinterviews ................................................................................ 21

                                                                                                                                     3
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4.1.4. Internetüberwachung ............................................................................... 22

            4.1.5. Videoüberwachung .................................................................................. 22

      4.2. Gestaltung interner Untersuchungen ................................................................. 23

            4.2.1. Dos bei internal Investigations ................................................................. 23

            4.2.2. Dont´s bei internal Investigations............................................................. 24

5.    Implementierung in der Praxis .................................................................................. 25

      5.1. Offene Tür .......................................................................................................... 25

      5.2. Briefkasten ......................................................................................................... 26

      5.3. E-Mail ................................................................................................................. 26

      5.4. Hotline ................................................................................................................ 27

      5.5. Ombudsmann .................................................................................................... 27

      5.6. Digitales Hinweisgebersystem ........................................................................... 28

6.    Fazit .......................................................................................................................... 29

7.    Literaturverzeichnis................................................................................................... 30

8.    Internetquellen .......................................................................................................... 32

Gender Erklärung

In Hinblick auf die Schaffung einer besseren Lesbarkeit wird auf geschlechtsspezifische
Differenzierungen verzichtet. Im Sinne der Gleichbehandlung gelten entsprechende
Begrifflichkeiten für beide Geschlechter gleichermaßen.

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1. Einleitung

„Whistleblower sind in unseren Gesellschaften äußerst wichtig. Es sind mutige Menschen,
die dazu bereit sind, illegale Aktivitäten ans Licht zu bringen, um die Öffentlichkeit vor
Fehlverhalten zu schützen - oft unter großer Gefahr für ihre Karriere und ihren
Lebensunterhalt“, betonte die Vizepräsidentin und Kommissarin für Werte und
Transparenz, Věra Jourová.1

Insbesondere Namen wie Edward Snowden, der Spionage- und Überwachungspraktiken
der NSA aufdeckte, oder Julian Assange, Gründer der Wikileaks Plattform, stehen im
Mittelpunkt, wenn es um Whistleblowing geht. Bereits seit rund einem Jahrzehnt ist das
Thema Whistleblowing im Bereich Compliance präsent. Ein funktionierendes Compliance-
Management-System setzt grundsätzlich ein effektives Hinweisgebersystem voraus.2
Nicht zuletzt durch die Richtlinie (EU) 2019/1937 des Europäischen Parlaments und des
Rates vom 23. Oktober 2019 zum Schutz von Personen, die Verstöße gegen das
Unionsrecht melden, im Folgenden Whistleblower Richtlinie genannt, steht die Thematik
im Zentrum der Compliance Branche.

Während nur 0,5 % der Mitarbeiter von Unternehmen im europäischen Raum Hinweise
abgegeben haben, lag derjenigen Glaubwürdigkeit bei 40 % - 50 %, womit es unbestritten
bleibt, dass Whistleblowing Systeme beziehungsweise Systeme oder Einrichtungen zur
Abgabe von Hinweisen Grundsteine für die Enthüllung von Missständen darstellen.3

1
    Vgl Neue EU-Richtlinie zum Schutz von Whistleblowern tritt heute in Kraft,
https://ec.europa.eu/germany/news/whistleblower20191216_de (abgefragt am 19. Oktober 2021).
2
    Vgl Tadeusz Stappers/Koukol, Whistleblowing – Ein Statusreport, Compliance Praxis 2019, 16.
3
    Vgl Petsche/Abd El Malak in Petsche (Hrsg), Whistleblowing & Internal Investigations – Praxiskommentar zur
Whistleblowing-Richtlinie (2021), Teil A: Der Kontext.
                                                                                                                 5
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2. Begriffserklärung

       2.1. Was ist Whistleblowing?

Unter Whistleblowing wird die Aufdeckung von Missständen durch Hinweisgeber
verstanden. Ein Hinweisgeber ist eine Person, die ein Fehlverhalten aufdeckt und dieses
auch adressiert. Der Ausdruck Whistleblowing stammt aus der Phrase „to blow a whistle“,
also im deutschen Sprachgebrauch eine Person die in eine Pfeife bläst, beziehungsweise
jemanden verpfeift. Es besteht eine gewisse negative Assoziation mit dem Begriff
Whistleblower, da man damit Personen verbindet, die ihren Mitarbeitern oder
Vorgesetzen in den Rücken fallen.4

       2.2. Was ist die Richtlinie zum Schutz von Hinweisgebern?

Bis zum Inkrafttreten der Whistleblower Richtlinie war der Schutz von Hinweisgebern in
den EU-Mitgliedstaaten sehr variierend festgelegt. Spätestens bis zum 17. Dezember
2021 müssen jedoch die Mindestanforderungen der Richtlinie sowohl in Österreich, als
auch in allen anderen Mitgliedstaaten umgesetzt sein.

Grundsätzliches Ziel der Richtlinie ist eine effizientere Durchsetzung von Unionsrecht,
durch die Gewährung von Schutzgarantien für Hinweisgeber.5 Dadurch soll eine
Motivation          für   Whistleblower        geschaffen        werden,       Missstände,        insbesondere
Gesetzesverstöße, die im öffentlichen Interesse liegen, zu melden.6 Die Realisierung der
Umsetzung der Richtlinie in nationales Recht kommt nun den jeweiligen Gesetzgebern
der Mitgliedstaaten zu.

4
    Vgl Tadeusz Stappers/Koukol, Whistleblowing – Ein Statusreport, Compliance Praxis 2019, 16.
5
    Vgl WBRL 2019/1937/EU, ABl 2019 L 305, Art 1.
6
    Vgl WBRL 2019/1937/EU, ABl 2019 L 305, EG 1.
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3. Die Richtlinie 2019/1937

       3.1. Sachlicher Anwendungsbereich

Der sachliche Anwendungsbereich der Richtlinie beschränkt sich zum einen auf Verstöße,
die in den Bereich der Anwendung der im Anhang aufgeführten Rechtsakte fallen und
zum anderen auf die in Art 2 Abs 1 genannten Rechtsbereiche, wie beispielsweise
Dienstleistungen, Produkte und Märkte der Finanzbranche, sowie die Verhinderung von
Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung, Sicherheit des Verkehrs, Schutz der Umwelt,
öffentliche Gesundheit, Verbraucherschutz, Lebensmittel- und Futtermittelsicherheit,
Gesundheit und Schutz der Tiere und dergleichen.

Im Falle neuer Erfahrungen beziehungsweise Entstehen der Notwendigkeit ist eine
Ausweitung des sachlichen Anwendungsbereichs der Richtlinie auf weitere Rechtsakte
und/oder Bereiche, zur Realisation der Richtlinie vorstellbar.7 Art 5 Nr 1 der Whistleblower
Richtlinie enthält eine Legaldefinition des Begriffs „Verstöße“. Dabei umfasst die Richtlinie
die Meldung von rechtswidrigen, also gegen die in Art 2 der Whistleblower Richtlinie
genannten Rechtsakte verstoßende und rechtsmissbräuchliche Verhaltensweisen.
Lediglich unmoralisches oder dem öffentlichen Interesse entgegenstehendes Verhalten
ist von der Anwendung der Richtlinie ausgenommen.8

Unter anderem die nationale Sicherheit, Aspekte der nationalen Verteidigung und
Sicherheit aber auch Bereiche wie die ärztliche oder anwaltliche Schweigepflicht und
gerichtliches Strafverfahrensrecht werden in Art 3 Abs 2-4 der Whistleblower Richtlinie
von deren Anwendungsbereich ausgeschlossen. Dies trifft auch auf innerstaatliche
Vorschriften über die Inanspruchnahme der Rechte von Dienstnehmern gegenüber ihren
Vertreter zu.9

7
    Vgl Neuper in Petsche (Hrsg), Whistleblowing & Internal Investigations – Praxiskommentar zur Whistleblowing-
Richtlinie (2021), Art 2.
8
    Vgl Schmolke, Die neue Whistleblower-Richtlinie ist da! Und nun? NZG 2020, 5.
9
    Vgl WBRL 2019/1937/EU, ABl 2019 L 305, Art 3.
                                                                                                                   7
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3.2. Persönlicher Anwendungsbereich

Relativ weit gefasst ist der personale Anwendungsbereich der Richtlinie. Neben
Arbeitnehmer im Sinne von Artikel 45 Absatz 1 AEUV sind auch Beamte und Weitere aus
dem staatlichen Bereich eingeschlossen. Ebenso sind Selbstständige im Sinne von Artikel
49         AEUV,      sowie      unter     der     Aufsicht      und      Leitung      von      Auftragnehmern,
Unterauftragnehmern und Lieferanten arbeitende Personen miteingeschlossen.10

Der persönliche Anwendungsbereich der Richtlinie nimmt dabei Bezug auf zwei wichtige
Tatbestandsmerkmale. Auf der einen Seite die Beschäftigung des Whistleblowers in der
Privatwirtschaft oder im Staatssektor und auf der anderen Seite die Aneignung von
Informationen über Verstöße oder Missstände mit berufsmäßigem Zusammenhang. Die
Wortfolge „mindestens folgende Personen“ in Abs 1 der Richtlinie, deutet auf die
Möglichkeit der Mitgliedstaaten, eine Ausweitung des personalen Anwendungsbereichs
der Richtlinie vorzunehmen und weitere Personen davon zu umfassen.11

Aus der herrschenden Rechtsprechung des EuGH haben sich, hinsichtlich des
Arbeitnehmerbegriffs im Sinne des Art 45 AEUV, folgende Merkmale herauskristallisiert:12

       •    Natürliche Person;
       •    Erbringung einer Leistung für einen anderen;
       •    Im Rahmen einer gewissen Zeit;
       •    Weisungsgebunden in Bezug auf Ort, Zeit und der Arbeitsabläufe;
       •    Gegen eine Entlohnung als Kompensation.

Auch für den Begriff der selbstständigen Tätigkeit haben nach der Rechtsprechung des
EuGH diverse Eigenschaften vorhanden zu sein. Darunter fallen:13

       •    Entgeltlichkeit der Tätigkeit;

10
     Vgl Schmolke, Die neue Whistleblower-Richtlinie ist da! Und nun? NZG 2020, 5.
11
     Vgl Neuper in Petsche (Hrsg), Whistleblowing & Internal Investigations – Praxiskommentar zur Whistleblowing-
Richtlinie (2021), Art 4.
12
     Vgl EuGH 13.1.2004 Rs C-256/01, Allonby/ Accrington & Rossendale College ua, ECLI:EU:C:2004:18 (Rz 67).
13
     Vgl EuGH 20.11. 2001 Rs C-268/99, Jany ua/ Staatssecretaris van Justitie, ECLI:EU:C:2001:616 (Rz 34).
                                                                                                                    8
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•   Eine von Weisungen freie beziehungsweise auf Eigenverantwortung beruhende
           Tätigkeit;
       •   Das Fehlen einer Überwachung bei der Leitungserbringung hinsichtlich Zeit, Ort
           und Arbeitsabfolge;
       •   Das Recht, sich vertreten zu lassen;
       •   Berechtigung eine Tätigkeit bzw ein Gewerbe zu praktizieren.

Jedoch fallen in den persönlichen Anwendungsbereich der Richtlinie nicht nur bezahlte
Tätigkeiten, sondern auch Freiwillige und unbezahlte Praktiken. Verstöße können durch
Hinweiswegeber gemeldet werden, selbst wenn das Arbeitsverhältnis bereits beendet ist
oder noch nicht begonnen hat und der Hinweisgeber während des Bewerbungsprozesses
oder anderer vorvertraglicher Einigungsgespräche Kenntnis über Rechtsbrüche oder
Missstände erlangt.14

       3.3. Voraussetzung für den Schutz von Hinweisgebern

Der Whistleblowerschutz ist nicht völlig uneingeschränkt auf jeden Whistleblower
anwendbar. Die Whistleblower Richtlinie knüpft gewisse Kriterien an diesen Schutz an.
Beispielsweise normiert Art 6 Abs 1 lit a der Richtlinie, dass bei einer Meldung, die im
Zusammenhang mit dem Verstoß gegen Unionsrecht steht, der Whistleblower
ausreichenden Grund haben musste, um anzunehmen, dass ein gegenständlicher
Verstoß vorgekommen ist und die gemeldeten Informationen wahrheitsgemäß sind.15

Viel konkreter ist die Behauptung von Tatsachen notwendig, die die Missachtung von
Unionsrecht oder dessen rechtswidrige Umgehung zum Inhalt hat.16 Daher hat ein
ausreichender Grund zur Annahme zu bestehen, dass hinsichtlich des gemeldeten
Verstoßes der Anwendungsbereich der Whistleblower Richtlinie eröffnet ist.17

14
     Vgl WBRL 2019/1937/EU, ABl 2019 L 305, Art 4.
15
     Vgl Reichetseder in Petsche (Hrsg), Whistleblowing & Internal Investigations – Praxiskommentar zur
Whistleblowing-Richtlinie (2021), Art 6.
16
     Vgl Garden/Hiéramente, Die neue Whistleblowing-Richtlinie der EU – Handlungsbedarf für Unternehmen und
Gesetzgeber, BB 2019, 963.
17
     Vgl Kröll/Stumpf, Die EU-Richtlinie zum Schutz von Whistleblowern - Handlungsbedarf für Unternehmen, RdW
2020/151, 161.
                                                                                                                9
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Dies hat zum Resultat, dass zum Schutz der Richtlinie nur korrekte beziehungsweise
zumindest redliche Behauptungen Zugang haben, womit dieser dem verfassungsrechtlich
gewährleisteten Recht auf freie Meinungsäußerung gemäß Art 13 StGG und Art 10 EMRK
nicht entgegensteht. Dieses Recht besteht jedoch nicht bei falschen Behauptungen oder
Wertungen, die auf solchen basieren. Voraussetzung für das Vorliegen einer „Tatsache“
ist die Möglichkeit dessen Inhalt objektiv auf deren Korrektheit zu überprüfen, womit
Tatsachen einem Beweis der Wahrheit unterliegen. Werturteile hingegen spiegeln die
subjektive Anschauung des Erklärenden wider.18 Die Meldung eines Hinweisgebers über
Unionsrechtsverstöße hat daher auf Tatsachen zu beruhen, nicht jedoch auf reine
Werturteile. Solche genießen keinen Schutz im Rahmen der Whistleblower Richtlinie.19
Die getroffene Differenzierung ist relevant, da Hinweise in Bezug auf „anstößiges“ oder
„unethisches“ Verhalten keinen Schutz genießen. Eine Ausweitung des Schutzes auf
derartige Verhaltensweisen würde ein unkalkulierbares Risiko schaffen.20

Ein redlicher bzw gutgläubiger Hinweisgeber ist ein solcher, dem bei der Beurteilung des
gemeldeten            Verstoßes       Fehlbewertungen           unterlaufen        sind.    Auch          gutgläubige
Whistleblower           sind    vom        Schutz    der    Richtlinie     eingeschlossen.         Ein      gewisser
Sorgfaltsmaßstab wird von der Whistleblower Richtlinie zwar nicht verlangt, jedoch sind
laut Erwägungsgrund 32 alle Informationen auszuwerten, die dem Zweck der
Gutgläubigkeit dienen.21 Da Hinweisgeber glaubhaft machen müssen, dass die Meldung
jedenfalls          redlich    beziehungsweise         gutgläubig      erfolgte,     ergeben       sich      gewisse
Unsicherheiten und/oder Herausforderungen.22

Die Beweggründe des Whistleblowers sind grundsätzlich irrelevant. Dies hat zum
Resultat, dass sofern ein Verstoß gegen Unionsrecht vorliegt bzw ein solcher redlich
vermutet wird, der Schutz des Hinweisgebers auch bei benachteiligender Intention
eröffnet ist.23 Unter dem Schutz der Richtlinie stehen lediglich Meldungen, die mit den

18
     Vgl Harrer/Wagner in Schwimann/Kodek, ABGB Praxiskommentar4 (2016), § 1330 Rz 13.
19
     Vgl Reichetseder in Petsche (Hrsg), Whistleblowing & Internal Investigations – Praxiskommentar zur
Whistleblowing-Richtlinie (2021), Art 6.
20
     Vgl Schmolke, Die neue Whistleblower-Richtlinie ist da! Und nun? NZG 2020, 7.
21
     Vgl Garden/Hiéramente, Die neue Whistleblowing-Richtlinie der EU – Handlungsbedarf für Unternehmen und
Gesetzgeber, BB 2019, 964.
22
     Vgl Dilling, Der Schutz von Hinweisgebern nach der EU-Whistleblower-Richtlinie, CZZ 05/2019, 216.
23
     Vgl Aszmons/Herse, EU-Whistleblowing-Richtlinie: Der richtige Umgang mit den neuen Vorgaben und deren
Umsetzung, DB 2019, 1850.
                                                                                                                   10
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Rahmenbedingungen der Richtlinie übereinstimmen. Daher hat die Meldung eines
Whistleblowers entweder intern, extern oder im Zuge einer berechtigten Offenlegung zu
erfolgen. Die diesbezüglichen Normen, finden sich in Artikel 7, 10 und 15 der Richtlinie.24

Da der Hinweisgeber an keine bestimmte Rangfolge gebunden ist, steht es ihm frei
zwischen einer internen Meldung an die juristische Person selbst oder einer externen
Meldung direkt an die Behörden zu wählen.25 Erfahrungswerte zeigen jedoch deutlich,
dass Whistleblower meist erst nach einer erfolglosen und wiederholten internen Meldung
sich an die Behörden im Rahmen externer Meldekanäle wenden.26

       3.4. Whistleblowing

               3.4.1. Interne Meldungen

Ein interner Meldekanal ist ein solcher, den eine juristische Person selbst installiert hat
und        worin     der     abgegebene          Hinweis      von     einer     natürlichen       Person     direkt
entgegengenommen und behandelt wird. Folgemaßnahmen sind Maßnahmen, die
ergriffen       werden,       um     dem        Hinweis     zu    folgen      und    die     darin    enthaltenen
Tatsachenbehauptungen zu durchleuchten, sowie dessen Wahrhaftigkeit zu überprüfen.

Eingangs war geplant, dass das Meldesystem eine Hierarchie vorsieht, in welcher
Meldungen zuerst intern abgegeben werden, bevor es zu einer externen Meldung kommt.
Eine Offenlegung nach Artikel 15 ist ohnedies nur in Ausnahmefällen zulässig.
Grundsätzliche Intention dieser Hierarchie war es, den Unternehmen die Gelegenheit zu
gewähren, den Missstand, sollte ein solcher vorliegen, intern zu bereinigen ohne, dass
die Behörde Kenntnis davon erlangt. Das hierarchische Modell wurde jedoch nicht in die
Richtlinie implementiert.27

24
     Vgl Reichetseder in Petsche (Hrsg), Whistleblowing & Internal Investigations – Praxiskommentar zur
Whistleblowing-Richtlinie (2021), Art 6.
25
     Vgl Schmolke, Die neue Whistleblower-Richtlinie ist da! Und nun? NZG 2020, 6.
26
     Vgl Kölbel/Herold, SFB 1369, 01/2020, 5.
27
     Vgl Romandy in Petsche (Hrsg), Whistleblowing & Internal Investigations – Praxiskommentar zur Whistleblowing-
Richtlinie (2021), Art 7.
                                                                                                                     11
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Das Ergebnis ist, dass Unternehmen dadurch Rufschädigungen erleiden können, da es
Whistleblowern offen steht sich direkt einer externen Meldung zu bedienen.28 Aus Sicht
des Unternehmens wäre es daher durchaus zweckdienlich Anregungen für die
Priorisierung interner Meldekanäle zu schaffen.29

Die Richtlinie hat nicht nur den Zweck potenzielle Hinweisgeber im Falle einer Meldung
zu schützen, sondern auch die Möglichkeit der Abgabe von Hinweisen, also die
Einrichtung von Meldekanälen, zu gewährleisten. Aus diesem Grund besteht für die
Mitgliedstaaten eine Pflicht zu garantieren, dass juristische Personen des privaten
Sektors mit 50 oder mehr Beschäftigte, sowie juristische Personen des öffentlichen
Sektors interne Meldekanäle einrichten und daran Folgemaßnahmen knüpfen.30

Aus Art 9 Abs 1 lit a der Whistleblower Richtlinie geht hervor, dass interne Meldekanäle
sicher aufgebaut sein müssen. Zugriff darf nur Personal haben, welches auch berechtigt
ist, um eine Verletzung der Intimität der Identität des Whistleblowers und Dritter zu
verhindern, wobei unter Dritte, Zeugen und Mitarbeiter des Hinweisgebers verstanden
werden. Des Weiteren besteht für Unternehmen die Pflicht, eine unbefangene Person
oder Abteilung in Bezug auf Folgemaßnahmen zu benennen. Dabei kann es sich
durchaus um dieselbe Person handeln, die den Hinweis entgegengenommen hat.31

Sieben         Tage         hat   die   empfangende          Stelle     Zeit,    dem      Hinweisgeber         eine
Empfangsbestätigung zukommen zu lassen. Ob damit Kalender oder Werktage
angedacht sind, geht aus der Richtlinie nicht hervor. Durch Absendung dieser Bestätigung
wird die Dreimonatsfrist gemäß Art 9 Abs 1 lit f der Whistleblower Richtlinie ausgelöst.32
Innerhalb dieser drei Monate hat eine gegenständliche Rückmeldung zu erfolgen. Diese
hat die in Planung stehenden oder bereits erfolgten Folgemaßnahmen, sowie deren
Hintergründe zu enthalten.

28
     Vgl Granetzny/Markworth, Die neue Whistleblower-Richtlinie, jurisPR-Compl 2020, 3.
29
     Vgl Aszmons/Herse, EU-Whistleblowing-Richtlinie: Der richtige Umgang mit den neuen Vorgaben und deren
Umsetzung, DB 2019, 1851.
30
     Vgl Schmolke, Die neue Whistleblower-Richtlinie ist da! Und nun? NZG 2020, 7.
31
     Vgl WBRL 2019/1937/EU, ABl 2019 L 305, Art 9.
32
     Vgl Romandy in Petsche (Hrsg), Whistleblowing & Internal Investigations – Praxiskommentar zur Whistleblowing-
Richtlinie (2021), Art 8.
                                                                                                                     12
12. November 2021
Die Meldung von Verstößen muss gemäß Art 9 Abs 2 der Whistleblower Richtlinie in
Schriftform, mündlich oder persönlich ermöglicht sein. Für das Erfordernis der
Schriftlichkeit kommt eine E-Mail-Adresse beziehungsweise eine Internetplattform oder
die Einrichtung eines Briefkastens in Betracht. Ein mündlicher Meldekanal kann über eine
Hotline oder einen Videochat eingerichtet werden. Ebenso kommt eine persönliche
Besprechung mit einer befugten Person in Frage.

               3.4.2. Externe Meldungen

Es ist dem Hinweisgeber zwar grundsätzlich überlassen sich einer internen oder externen
Meldung zu bedienen, die Mitgliedstaaten sollen jedoch bei der Umsetzung der Richtlinie
interne Meldungen priorisieren.

Über einen externen Meldekanal kann sich ein Hinweisgeber direkt an Behörden wenden
und Verstöße melden. Gemäß Art 11 der Whistleblower Richtlinie wird den
Mitgliedstaaten eine Pflicht auferlegt, externe Meldekanäle zu etablieren und
Folgemaßnahmen in weiterer Folge zu ergreifen.

Einer von den Mitgliedstaaten zu ernennende Behörde ist hierbei die Ermächtigung zu
erteilen, Meldungen über Hinweise zu empfangen, entsprechende Rückäußerung zu
tätigen sowie Folgemaßnahmen einzuleiten. Laut dem Erwägungsgrund 64 der Richtlinie
können dies Justizbehörden, Regulierungs- oder Aufsichtsstellen, Behörden mit
allgemeiner Zuständigkeit, Strafverfolgungsbehörden, Korruptionsbekämpfungsstellen
oder Ombudsstellen sein. In Betracht kommen für Österreich hier beispielsweise die
Finanzmarktaufsicht (FMA), die Zentrale Staatsanwaltschaft zur Verfolgung von
Wirtschaftsstrafsachen und Korruption (WKStA), sowie die Bundeswettbewerbsbehörde
(BWB). Diese verfügen zum jetzigen Zeitpunkt bereits über Whistleblower Systeme.33 Die
befugten Behörden sind von den Mitgliedstaaten sowohl hinsichtlich monetärer Aspekte,
als auch in Anbetracht personaler Ressourcen ausreichend auszustatten.

33
     Vgl Petsche/Abd El Malak in Petsche (Hrsg), Whistleblowing & Internal Investigations – Praxiskommentar zur
Whistleblowing-Richtlinie (2021), Art 11.
                                                                                                                  13
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Art 12 Abs 2 differenziert zwischen den verschiedenen Formen der Meldekanäle. Darunter
fallen       etwa     Briefkastensysteme,           Whistleblower-Hotlines,           E-Mail-Adressen,            eine
Internetplattform oder Ombudspersonen, also die Ernennung einer verantwortlichen
Person.

Auch für Meldungen im Rahmen des externen Meldekanals ist dem Whistleblower binnen
einer Siebentagesfrist eine Empfangsbestätigung auszustellen. Die Rückmeldung hat,
ebenso wie bei internen Meldungen, innerhalb von drei Monaten zu erfolgen. In
ausreichend begründeten Fällen kann die Frist auch sechs Monate betragen. Der
Whistleblower ist vom Resultat der Untersuchung zu unterrichten.

               3.4.3. Offenlegung

Um unter den Schutz der Richtlinie zu fallen, ist die Offenlegung nach Art 15 der
Whistleblower Richtlinie an gewisse Voraussetzungen gebunden. Um eine berechtigte
Offenlegung zu tätigen, muss der Hinweisgeber bereits intern oder extern den Verstoß
gemeldet haben und eine Maßnahme innerhalb der Frist unterblieben sein. Die Frist
beträgt, wie bereits erwähnt, bei internen Meldungen drei Monate und bei externen
Meldungen drei beziehungsweise sechs Monate.34 Ersatzweise reicht es aus, dass der
Whistleblower ausreichend Grund zur Annahme hatte, dass der Verstoß eine Gefährdung
öffentlicher Interessen zur Folge hat oder im Falle einer externen Meldung Repressalien
zu befürchten hat beziehungsweise die Erwartung einer effizienten Verfolgung gering
sind.35

34
     Vgl Petsche/Abd El Malak in Petsche (Hrsg), Whistleblowing & Internal Investigations – Praxiskommentar zur
Whistleblowing-Richtlinie (2021), Art 15.
35
     Vgl WBRL 2019/1937/EU, ABl 2019 L 305, Art 15.
                                                                                                                    14
12. November 2021
3.5. Schutzmaßnahmen

               3.5.1. Verbot von Druckmittel

Für die Mitgliedstaaten besteht, um Whistleblower zu schützen und die Realisierung der
Richtlinie zu gewährleisten gemäß Art 19 der Whistleblower Richtlinie eine Pflicht
Vorkehrungen zu treffen, durch welche Repressalien sowie deren Versuch oder
Androhung verhindert werden.36

Art 19 der Richtlinie enthält eine Auflistung, mit welcher der Begriff der Repressalien
beispielgebend umschrieben und dadurch relativ weit gefasst wird.37 Repressalien im
Sinne der Whistleblower Richtlinie, sind unmittelbare oder mittelbare Handlungen oder
Unterlassungen im berufsmäßigen Zusammenhang, welche Resultat einer Meldung im
Rahmen der Meldekanäle beziehungsweise einer Offenlegung sind und durch welche der
Whistleblower eine Benachteiligung erleidet, oder ihm eine solche angedroht wird.
Fundament dieses Schutzes ist eine im Einklang mit der Richtlinie stehende Meldung
eines Hinweises. Zwischen dem angedrohten beziehungsweise eingetretenen Nachteil
muss eine laut Erwägungsgrund 44 der Richtlinie sogar enge Verknüpfung bestehen.38

Indem nicht nur Benachteiligungen des Arbeitsgebers sondern auch solche durch
Führungskräfte, Mitarbeiter, Kundschaft oder beispielsweise Subunternehmen vom
Begriff der Repressalien im Sinne der Richtlinie umfasst werden, wird praktisch jede auch
nur vorstellbare Zusammensetzung einer Benachteiligung miteingeschlossen.39

Durch die in Art 19 in Verbindung mit Erwägungsgrund 93 der Whistleblower Richtlinie
statuierten Beweislastumkehr obliegt es nicht dem Whistleblower sondern dem
Verdächtigen zu beweisen, dass eine allenfalls erfolgte Maßnahme nicht in Verbindung

36
     Vgl Reichetseder in Petsche (Hrsg), Whistleblowing & Internal Investigations – Praxiskommentar zur
Whistleblowing-Richtlinie (2021), Art 19.
37
     Vgl Schmolke, Die neue Whistleblower-Richtlinie ist da! Und nun? NZG 2020, 7.
38
     Vgl WBRL 2019/1937/EU, ABl 2019 L 305, EG 44.
39
     Vgl Garden/Hiéramente, Die neue Whistleblowing-Richtlinie der EU – Handlungsbedarf für Unternehmen und
Gesetzgeber, BB 2019, 963.
                                                                                                              15
12. November 2021
zur Abgabe des Hinweises steht. Dadurch soll die Ergreifung solcher Maßnahmen
vermieden und der Whistleblower bestärkt werden. 40

Eine Beschränkung des Schutzes des Hinweisgebers in Bezug auf die zeitliche
Komponente geht aus der Richtlinie nicht hervor. Bei der Umsetzung der Richtlinie ist von
einer solchen auch dringend abzusehen, da dies eine immense Verschlechterung für
Hinweisgeber bedeuten würde. Die Vornahme einer zeitlichen Beschränkung des
Schutzes ist den Mitgliedstaaten daher untersagt.41

               3.5.2. Unterstützende Maßnahmen

Die Whistleblower Richtlinie enthält nicht nur Maßnahmen hinsichtlich der Hinweisgeber
selbst, sondern auch Regelungen um die in Art 4 der Richtlinie genannten betroffenen
Personen zu unterstützen. Aus Erwägungsgrund 89 der Richtlinie geht hervor, dass es
sich dabei um unentgeltliche, individuelle, unabhängige und diskrete Beratung handeln
soll. Die Durchführung kann in diesem Fall einem Informationszentrum oder einer
unabhängigen Verwaltungsbehörde obliegen.

Sollte eine laut der Richtlinie, „zivilgesellschaftliche“ Organisation mit der Beratung
beauftragt werden, muss gewährleistet sein, dass diese nicht selbst Repressalien
unterworfen ist. Solche können sich beispielsweise durch finanzielle Schädigung ergeben.
Wie solche Repressalien vermieden werden, bleibt Angelegenheit der Mitgliedstaaten,
wobei aus dem Wortlaut der Richtlinie hervorgeht, dass die Beratung von einer
ausschließlich dafür etablierten Einrichtung durchgeführt werden sollte, welche keine
                                                                      42
Anteilhabe am wirtschaftlichen Verkehr aufweist.                           Auch den Sozialpartnern soll in
Angelegenheiten der Beratung eine fundamentale und auch vielförmige Rolle
zukommen.43

40
     Vgl Reichetseder in Petsche (Hrsg), Whistleblowing & Internal Investigations – Praxiskommentar zur
Whistleblowing-Richtlinie (2021), Art 19.
41
     Vgl Kröll/Stumpf, Die EU-Richtlinie zum Schutz von Whistleblowern - Handlungsbedarf für Unternehmen, RdW
2020/151, 161.
42
     Vgl Reichetseder in Petsche (Hrsg), Whistleblowing & Internal Investigations – Praxiskommentar zur
Whistleblowing-Richtlinie (2021), Art 20.
43
     Vgl Kommission, Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zum Schutz von
Personen, die Verstöße gegen das Unionsrecht melden, https://eur-lex.europa.eu/legal-
content/DE/TXT/HTML/?uri=CELEX:52018PC0218&from=EN (abgefragt am 29.10.2021).
                                                                                                                16
12. November 2021
3.5.3. Maßnahmen zum Schutz vor Druckmittel

Gemäß Art 21 der Whistleblower Richtlinie besteht eine Obligation der Mitgliedstaaten,
die Hinweisgeber vor arbeitsrechtlichen Konsequenzen, wie beispielsweise Versetzung,
Kündigung, Degradierung oder monetäre Schädigungen zu schützen.44 Der Schutz vor
derartigen Druckmittel besteht nicht nur bezüglich des Whistleblowers selbst, sondern
sonstige Individuen, Mitarbeiter oder Angehörige des Hinweisgebers, die eine berufs-
oder gewerbsmäßige Beziehung zum Arbeitgeber des Whistleblowers, zu Kundschaft des
Hinweisgebers oder zu Dienstleistungsempfänger des Whistleblowers aufweisen.45

                         3.5.3.1. Haftungsbegrenzung

In Anbetracht dessen, dass der Zugriff beziehungsweise die Aneignung der gemeldeten
Informationen einer strafrechtlichen Verfolgung unterliegen könnte, sieht Art 21 Abs 3 leg
cit der Richtlinie eine Haftungsbegrenzung vor. Eine Haftung für dieses Verhalten ist nicht
möglich, sofern dieses keine Straftat darstellt.

Gemäß Art 21 Abs 7 können insbesondere in privatrechtlichen, öffentlich-rechtlichen oder
arbeitsrechtlichen Gerichtsverfahren wegen Verleumdung, Urheberrechtsverletzungen,
Verletzung der Geheimhaltungspflicht, Verstoßes gegen Datenschutzvorschriften,
Offenlegung von Geschäftsgeheimnissen sowie Schadensersatzverfahren die in Art 4
genannten Personen basierend auf einer richtlinienkonformen Meldung oder Offenlegung
in keiner Weise haftbar gemacht werden.46 Sollte ein strafrechtlicher Tatbestand durch
das Verhalten des Whistleblowers erfüllt werden, unterliegt die strafrechtliche
Verantwortung stets den nationalen Vorschriften. Das hat zur Folge, dass die
beabsichtigte Meldung von Fehlinformationen wegen Verleumdung gemäß § 297 StGB,
Vortäuschung einer mit Strafe bedrohten Handlung gemäß § 298 StGB oder Übler
Nachrede gemäß § 111 StGB bestraft werden kann.47

44
     Vgl Tadeusz Stappers/Koukol, Whistleblowing – Ein Statusreport, Compliance Praxis 2019, 16ff.
45
     Vgl Peitsch, Whistleblowing-Hotlines spätestens 2021 verpflichtend, NetV 2020, 60.
46
     Vgl WBRL 2019/1937/EU, ABl 2019 L 305, Art 21.
47
     Vgl Tadeusz Stappers/Koukol, Whistleblowing – Ein Statusreport, Compliance Praxis 2019, 16ff.
                                                                                                     17
12. November 2021
3.5.3.2. Beweislastumkehr

Sollten erlittene Schädigungen in weiterer Folge zu einem Gerichtsverfahren frühen, so
gilt für das Verfahren die Beweislastumkehr. Damit hat der Arbeitgeber nachzuweisen,
dass eine von ihm ergriffene Konsequenz, in keiner Verbindung, zu einer vom
Whistleblower erfolgten Meldung steht.48

                        3.5.3.3. Einstweiliger Rechtsschutz

Um Whistleblower die Befürchtung von Repressalien beruflicher Natur wie beispielsweise
Mobbing am Arbeitsplatz oder einer Kündigung die den finanziellen Ruin des
Hinweisgebers zur Folge hätte, zu nehmen, besteht im Laufe eines Verfahrens ein
einstweiliger Rechtsschutz vor solchen Maßnahmen beziehungsweise der Androhung
dieser.

               3.5.4. Schutz betroffener Personen

Personen, die in einer internen oder externen Meldung beziehungsweise einer
Offenlegung als jene angeführt sind, die einen Verstoß begangen haben, oder an einem
solchen beteiligt sind, werden unter Art 6 Nr 10 der Whistleblower Richtlinie als betroffene
Personen bezeichnet.49
Auch diese Personen sollen laut der Richtlinie einen Schutz genießen, um eine
Rufschädigung oder negative Konsequenzen vermeiden zu können, wobei deren Schutz
nach der Richtlinie relativ zurückhaltend ausgestaltet ist.50 Gemäß Art 22 Abs 1 der
Whistleblower Richtlinie müssen die Rechte nach der EU-Grundrechtecharta, wie zum
Beispiel       das     Recht      auf     einen    wirksamen        Rechtsbehelf        und    auf       ein   faires
Gerichtsverfahren            und        die   Wahrung        der     Unschuldsvermutung              sowie      ihre
Verteidigungsrechte, samt des Rechts auf Anhörung und des Rechts auf Einsicht in ihre
Akte, gewährleistet bleiben. Aufgrund der rechtsstaatlichen Erforderlichkeit dieser Rechte

48
     Vgl Rechnungshof, Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zum Schutz von
Personen, die Verstöße gegen das Unionsrecht melden (2018/C 405/01),
https://www.eca.europa.eu/Lists/ECADocuments/OP18_04/OP18_04_DE.pdf (abgefragt am 29.10.2021).
49
     Vgl WBRL 2019/1937/EU, ABl 2019 L 305, Art 6.
50
     Vgl Dilling, Der Schutz von Hinweisgebern nach der EU-Whistleblower-Richtlinie, CZZ 05/2019, 220.
                                                                                                                   18
12. November 2021
hat die Aufzählung in Art 22 Abs 1 der Richtlinie, lediglich deklaratorischen Charakter.51
Art 22 Abs 2 und 3 der Richtlinie normiert Schutzregelungen im Hinblick auf die Identität
der betroffenen Personen.

               3.5.5.   Sanktionen

Die Sanktionierung in Verbindung mit der Richtlinie erfolgt zweigleisig. Auf der einen Seite
sind Reaktionen zu sanktionieren, die den Hinweisgeber benachteiligen oder die Intention
verfolgen die Meldung zu unterbinden, auf der anderen Seite sollen wissentliche
Falschmeldungen oder Offenlegungen unter Strafe gestellt werden. Ebenso soll der
indiskrete Umgang mit der Identität des Hinweisgebers sanktioniert werden.52
Um Falschmeldungen durch Hinweisgeber oder falscher Offenlegungen, welche
wissentlich         erfolgen,      entgegenzuwirken,           haben      die    Mitgliedstaaten         effiziente,
verhältnismäßige und abschreckende Sanktionen festzusetzen.53
Nach der österreichischen Rechtslage kommen dafür derzeit Verleumdungs-,
Rufschädigungs-, oder Kreditschädigungsklagen in Betracht. Während die Umsetzung
der Sanktionierungspflicht den einzelnen Mitgliedstaaten obliegt, kommen dafür
insbesondere zivilrechtliche, strafrechtliche aber auch verwaltungsrechtliche Sanktionen
in Betracht.54

4. Internal Investigations

       4.1. Rechtliche Rahmen interner Untersuchungen

Sinn und Zweck interner Ermittlungen innerhalb eines Unternehmens ist Defizite, sowie
Rechtsverletzungen ans Licht zu bringen. Dadurch sollen bereits bestehende Gefahren
und Schädigungen beseitigt oder verringert und neuerliche vermieden werden. Internal
Investigations können gewisse Personen, Abteilungen oder sogar das gesamte

51
     Vgl Thüsing/Rombey, Nachdenken über den Richtlinienvorschlag der EU-Kommission zum Schutz von
Whistleblowern, NGZ 2020, 1006.
52
     Vgl Petsche/Abd El Malak in Petsche (Hrsg), Whistleblowing & Internal Investigations – Praxiskommentar zur
Whistleblowing-Richtlinie (2021), Art 23.
53
     Vgl Schmolke, Die neue Whistleblower-Richtlinie ist da! Und nun? NZG 2020, 7.
54
     Vgl WBRL 2019/1937/EU, ABl 2019 L 305, Art 23.
                                                                                                                  19
12. November 2021
Unternehmen betreffen. § 16 ABGB normiert als grundlegende Bestimmung die
Persönlichkeitsrechte eines Einzelnen, woran die Zulässigkeit beziehungsweise das
Ausmaß interner Untersuchungen gemessen werden kann.55

Es erfolgt eine Konfrontation zwischen Interessen des Dienstgebers an Informationen und
der Persönlichkeitsrechte des Dienstnehmers. Die Durchführung oder Einführung von
Kontrollen durch den Arbeitgeber veranlasst alleine noch keine Verletzung von
Persönlichkeitsrechten. Vielmehr gehört es zum Wesen eines Dienstvertrages,
Kontrollbefugnisse des Arbeitsgebers unterworfen zu sein.56 Es kommt also grundsätzlich
auf die Reichweite der Maßnahmen des Dienstgebers an, wobei sowohl Ausmaß der
Datenerfassung, als auch die Dauer entscheidend sind. Erfolgen die Maßnahmen in für
Dienstverhältnisse untypische Art und Weise, können dadurch Persönlichkeitsrechte des
Dienstnehmers tangiert werden. Sollte dies der Fall sein, ist eine Interessenabwägung
zwischen            beidseitiger      Interessen        vorzunehmen,            um     die     Zulässigkeit         der
Kontrollmaßnahmen bestimmen zu können.57

Ohnedies muss der Eingriff in die Persönlichkeitsrechte des Dienstnehmers durch
Kontrollen des Arbeitgebers dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz folgen. Dabei darf nur
das gelindeste, also das am wenigsten in die Rechte des Dienstnehmers eingreifende,
Mittel angewendet werden, um die notwendigen Informationen zu beschaffen.58 Die
Maßnahmen des Arbeitgebers sind in jenem Fall zulässig, in dem sein Interesse an der
Erlangung der jeweiligen Informationen, das Interesse des Arbeitnehmers am Schutz
seiner Persönlichkeitsrechte überwiegt.

Im Rahmen interner Ermittlungen kommen unter anderem die Beschaffung von Akten und
Dokumenten, Fragebögen für die Dienstnehmer, Gespräche mit den Mitarbeitern,
Bewachung der Internetverwendung, Video- oder Telefonüberwachung der Mitarbeiter,
sowie Whistleblowing-Hotlines als geeignete Mittel in Betracht.

55
     Vgl Petsche in Petsche (Hrsg), Whistleblowing & Internal Investigations – Praxiskommentar zur Whistleblowing-
Richtlinie (2021), Kapitel 2: Rechtlicher Rahmen für Internal Investigations.
56
     Vgl Tomandl, Wesensmerkmale des Arbeitsvertrages in rechtsvergleichender und rechtspolitischer Sicht (1971),
68ff.
57
     Vgl Brodil, Die Kontrolle der Nutzung neuer Medien im Arbeitsverhältnis. Kontrollbefugnisse des Arbeitgebers
zwischen Datenschutz und Persönlichkeitsrechten, ZAS 2004/28, 156.
58
     Vgl Brodil, Kontrolle und Datenschutz im Arbeitsrecht, ZAS 2009/21, 122.
                                                                                                                     20
12. November 2021
4.1.1. Beschaffung von Dokumenten

Berufliche Dokumente des Arbeitnehmers können vom Arbeitgeber grundsätzlich
kontrolliert werden. Da in einem solchen Fall Dokumente nicht im Zusammenhang mit der
Privatsphäre des Arbeitnehmers stehen, sowie dessen Persönlichkeitsrechte nicht
berühren, ist keine Interessenabwägung durchzuführen. Der Zugriff der Unterlagen muss
jedoch dessen ungeachtet dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz entsprechen. Unterlagen,
die jedoch keinen berufsmäßigen Kontext aufweisen, können nicht Gegenstand einer
Kontrollmaßnahme des Arbeitgebers sein, weshalb der Zugriff des Arbeitgebers auf
persönliche Unterlagen des Dienstnehmers unzulässig bleibt.59

               4.1.2. Personalfragebögen

Die Aneignung von Informationen ist ebenso über Fragebögen erdenklich. Diese werden
von einem Dienstnehmer beantwortet und beinhalten Fragen über die Person des
Arbeitnehmers.60 Das Einvernehmen des Dienstnehmers ist nicht erforderlich, sofern die
Fragebögen            lediglich     herkömmliche        Informationen           über   diesen     enthalten.     Ein
sogenannter qualifizierter Fragebogen hingegen bedarf grundsätzlich der Akzeptanz des
Betriebsrates. Handelt es sich um Fragen, die dem Arbeitgeber verhelfen über private
Angelegenheiten oder Anschauungen des Dienstnehmers Kenntnis zu erlangen, so liegt
ein derartiger qualifizierter Fragebogen vor. Sollten die gestellten Fragen jedoch dem
Verhältnismäßigkeitsgrundsatz nicht entsprechen, sind diese selbst bei Zustimmung des
Betriebsrates unzulässig.61

               4.1.3.    Mitarbeiterinterviews

Auch Mitarbeitergespräche stellen ein geeignetes Mittel interner Untersuchungen dar,
wobei zu hinterfragen ist, inwiefern Arbeitnehmer eine Auskunftspflicht im Rahmen
solcher Gespräche trifft. Die Beantwortung der Fragen kann zum einen der
Veranschaulichung der Arbeitspflicht dienen, zum anderen aber Ausfluss der Treuepflicht
des Dienstnehmers sein. Werden durch die, im Zuge des Gesprächs gestellten Fragen,

59
     Vgl Petsche in Petsche (Hrsg), Whistleblowing & Internal Investigations – Praxiskommentar zur Whistleblowing-
Richtlinie (2021), Kapitel 2: Rechtlicher Rahmen für Internal Investigations.
60
     Vgl Löschnigg, Arbeitsrecht13, 961.
61
     Vgl Löschnigg, Arbeitsrecht13, 962.
                                                                                                                     21
12. November 2021
in Persönlichkeitsrechte des Dienstnehmers eingegriffen, so ist auch hier die Prüfung
anhand der Verhältnismäßigkeit durchzuführen.62

               4.1.4.    Internetüberwachung

Der Arbeitgeber hat auch die Möglichkeit die Internetverwendung seiner Dienstnehmer zu
überwachen beziehungsweise zu kontrollieren. Sollte der Dienstgeber die private
Verwendung des Internets gänzlich unterbunden haben, so kann er eine Kontrolle der
Internetverwendung auch ohne Einwilligung des Dienstnehmers durchführen lassen.63
Eine intensivere Kontrolle könnte jedoch eine inadäquater Beeinträchtigung der Rechte
des Dienstnehmers darstellen und somit rechtswidrig sein.64

               4.1.5.    Videoüberwachung

Eine gewisse Problematik, sowohl aus arbeitsrechtlicher, als auch datenschutzrechtlicher
Sicht, verursacht die Thematik der Videoüberwachung von Dienstnehmern. Durch solche
Überwachungsmethoden erfolgt immer ein Eingriff in die Persönlichkeitsrechte des
Arbeitnehmers. Wie bereits mehrmals erwähnt, ist auch hier eine Abwägung der
Interessen des Arbeitnehmers und des Arbeitsgebers durchzuführen. Überwiegen die
Interessen des Arbeitgebers an einer Videoüberwachung, so kann eine solche als
zulässig angesehen werden, wobei keine weniger eingreifende Praxis ebenso effizient
sein darf, allenfalls die Überwachung unrechtmäßig wäre.65 Die Überwachung von
Toiletten, Waschräumen oder die kontinuierliche Bewachung des Arbeitsplatzes sind
ohnehin unzulässig.66

62
     Vgl Petsche in Petsche (Hrsg), Whistleblowing & Internal Investigations – Praxiskommentar zur Whistleblowing-
Richtlinie (2021), Kapitel 2: Rechtlicher Rahmen für Internal Investigations.
63
     Vgl Sacherer, Internet am Arbeitsplatz als zustimmungspflichtige Kontrollmaßnahme?, RdW 2005/714, 627.
64
     Vgl Dellisch, Private e-mail- und Internet-Nutzung am Arbeitsplatz, ASoK 2001, 316.
65
     Vgl Riesenkampff, Die arbeitsrechtliche Zulässigkeit der Installation von Videokameras in Ladenlokalen, ecolex
2007, 746.
66
     Vgl Knyrim/Bartlmä, Big Brother im Unternehmen. Datenanwendungen, ihre Rechtsprobleme und deren Lösung,
ecolex 2007, 741.
                                                                                                                      22
12. November 2021
4.2. Gestaltung interner Untersuchungen

               4.2.1. Dos bei internal Investigations

Im Rahmen interner Untersuchungen ist es essentiell eine Intention beziehungsweise
eine Zielvorstellung festzulegen. Diese könnte beispielsweise sein, der Meldung eines
Whistleblowers nachzugehen oder der Schutz des Unternehmens vor staatlichen
Maßnahmen. Erfolgt keine solche Festlegung, werden durch interne Untersuchungen
oftmals überflüssig Ressourcen aufgewendet. Des Weiteren ist es von Bedeutung, die
Reichweite der Untersuchung festzusetzen. Dies erfolgt im Hinblick darauf, in welchen
Staaten und innerhalb welchen Zeitraums die Untersuchung durchgeführt wird.67 Eine
bedeutsame Rolle, spielt dabei festzusetzen welche Mittel angewendet werden und in
welcher Reihenfolge diese zur Anwendung kommen. Die Untersuchungsmöglichkeiten
sind oben bereits genannt. Oftmals kommt es im Rahmen interner Untersuchungen zuerst
zur       Einsichtnahme          in     die     Akten       und      Dokumente,        bevor       beispielsweise
Mitarbeitergespräche durchgeführt werden.

Wie längst ausgeführt, werden durch interne Untersuchungen die Persönlichkeitsrechte
der Mitarbeiter berührt. Daher ist schon vor Durchführung der internen Untersuchung eine
Rechtsanalyse vorzunehmen, um bestimmen zu können, inwieweit ein Rechtsbruch durch
die Untersuchung erfolgen könnte, insbesondere bei der Durchführung von diesen in
unterschiedlichen Ländern. Da abhängig von der Größe des Unternehmens interne
Untersuchungen sehr schnell ein größeres Ausmaß erlangen können, ist es für die
höchste Effizienz unumgänglich, sowohl die bestehenden Ressourcen bestmöglich
aufzuteilen als auch einen konkreten Ablauf Zeitplan festzulegen.
Wesentlich für internal Investigations ist die eine eventuelle Zusammenarbeit mit
Mitarbeitern. Hierbei können den kooperierenden Mitarbeitern Vorteile zugesprochen
werden. Kommt es zu Untersuchungen seitens staatlicher Behörden ist bereits im Vorfeld
zu definieren, ob eine Kooperation seitens des Unternehmens, mit den Behörden erfolgen
wird. Während hier eine Enthüllung an die Behörde hinsichtlich der gesammelten

67
     Vgl Petsche in Petsche (Hrsg), Whistleblowing & Internal Investigations – Praxiskommentar zur Whistleblowing-
Richtlinie (2021), Kapitel 1: Dos and Don’ts bei Internal Investigations.
                                                                                                                     23
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Informationen erfolgt, ist das Unternehmen in die Erwägungen der Behörde eingebunden
und in das Untersuchungsverfahren integriert.68

               4.2.2. Dont´s bei internal Investigations

Oftmals haben Führungspersonen eines Unternehmens ein Interesse daran, die
Enthüllungen einer internen Untersuchung zu verschweigen und somit dessen
Ergebnisse zu verdunkeln. Dadurch werden auch Compliance-Officer verleitet, an
derartigen Verschwiegenheiten mitzuwirken. Ein derartiges Verhalten ist zu verhindern,
da sich daraus sowohl eine strafrechtliche Verantwortung, als auch eine Verletzung der
Pflichten des Compliance-Officers ergeben können.

Unabdinglich ist die Unparteilichkeit des Compliance-Verantwortlichen. Untersuchungen
die auf persönlichen Anschauungen basieren, führen zu einer Unzweckmäßigkeit dieser.
Im Zuge interner Untersuchungen, ist darauf Acht zu geben, dass diese nicht Gegenstand
persönlicher Intentionen werden und nicht Absichten verfolgt werden, die nicht
angemessen sind. Nur unvoreingenommene Personen dürfen an den Untersuchungen
teilhaben. Befangen sind jene Personen die Gegenstand der Untersuchung sind, also
betroffene Personen, als auch diesen nahestehende Personen.

Die Dokumentation der Enthüllungen und Ergebnisse einer Untersuchung ist von großem
Belangen. Da diese im Rahmen behördlicher Durchsuchungen als Beweismittel
aufgenommen werden können, ist grundsätzlich zu beachten, keine Beweismittel gegen
sich selbst zu schaffen. Diese Gefährdung kann durch die Beziehung eines
Rechtsanwaltes minimiert werden, da diesem sein Anwaltsprivileg zukommt. Wurde die
Untersuchung nicht vorab detailliert geplant und festgelegt, wie mit den Erkenntnissen
umzugehen ist, kommt es oft zu einem vorzeitigen Abbruch der Untersuchung. Daher ist
eine       konsequente          Planung       unabdinglich,          um     eine    effiziente     Untersuchung
durchzuführen.69 Um ein wirksames Compliance-Management-System beizubehalten
muss im Zuge interner Untersuchungen enthülltes Fehlverhalten auch adäquate

68
     Vgl Petsche in Petsche (Hrsg), Whistleblowing & Internal Investigations – Praxiskommentar zur Whistleblowing-
Richtlinie (2021), Kapitel 1: Dos and Don’ts bei Internal Investigations.
69
     Vgl Petsche in Petsche (Hrsg), Whistleblowing & Internal Investigations – Praxiskommentar zur Whistleblowing-
Richtlinie (2021), Kapitel 1: Dos and Don’ts bei Internal Investigations.
                                                                                                                     24
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Konsequenzen nach sich ziehen. Ist dies nicht der Fall, kommt es zu einer Entkräftung
des Compliance-Systems beziehungswiese zu dessen gänzlicher Bedeutungslosigkeit.
Wichtig ist ebenso, dass die Sanktionen nicht nur auf untergeordneter Rangstufe ergriffen
werden, sondern auch Führungspersonal Adressaten einer Sanktion sein können.
Letztlich       müssen       Ergebnisse        der    Untersuchung          auch     zu      gegenständlichen
Veränderungen führen.

5. Implementierung in der Praxis

Durch Erlassung der Whistleblower Richtlinie besteht zum ersten Mal eine rechtliche
Obliegenheit ein Whistleblowing System innerhalb des Unternehmens zu integrieren.
Während die Form der Implementierung den Unternehmen überlassen wird, garantiert Art
9 der Whistleblower Richtlinie Mindeststandards technischer und verfahrensrechtlicher
Natur. Mit der Einrichtung entsprechender Systeme geht jedenfalls eine finanzielle
Belastung einher, weshalb vor allem Unternehmen kleiner beziehungsweise mittlerer
Größe vor einer Herausforderung stehen.70

Die Meldung eines Hinweises durch Inanspruchnahme eines internen Meldekanals muss
gemäß Art 9 Abs 2 der Whistleblower Richtlinie mündlich und/oder in Schriftform zur
Verfügung stehen.71 Neben einer mündlichen und schriftlichen Meldemöglichkeit ist eine
weitere technische Voraussetzung, dass die Abgabe der Meldung sicher ausgestaltet ist,
indem lediglich Personen Zugriff haben, die über eine entsprechende Befugnis verfügen.
Die Ausgestaltung eines internen Meldekanals ist äußerst relevant, da sich diese
vorbeugend auf das Unternehmen auswirken können.72

       5.1. Offene Tür

Nach dem „open door“ Prinzip ist es Hinweisgebern ermöglicht eine Meldung unmittelbar
an die Geschäftsführung beziehungsweise an einen eventuell eingerichteten Compliance-

70
     Vgl Kröll/Stumpf, Die EU-Richtlinie zum Schutz von Whistleblowern - Handlungsbedarf für Unternehmen, RdW
2020/151, 163.
71
     Vgl WBRL 2019/1937/EU, ABl 2019 L 305, Art 9.
72
     Vgl Borowa in Bay/Hastenrath, Compliance-Management-Systeme2 (2016), Kapitel 5 Rz 57.
                                                                                                                25
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Verantwortlichen abzugeben. Durch die Einrichtung eines solchen Systems ist jedoch den
Anforderungen der Whistleblower Richtlinie nicht Genüge getan und erfordert parallel die
Implementierung eines weiteren Meldekanals.73

       5.2. Briefkasten

Die Mehrheit der Unternehmen, die bereits vor Inkrafttreten der Whistleblower Richtlinie
Whistleblowing Systeme integriert haben, haben sich für die Einrichtung eines
Briefkastensystems entschieden. Hierbei wird ein Briefkasten an einem passenden Ort im
Unternehmen angebracht. Dieser muss jedoch so aufgestellt oder montiert werden, dass
er einer andauernden Überwachung nicht zugänglich ist, um dem Hinweisgeber eine
anonyme Meldung zu ermöglichen und dessen Identität zu wahren. Der Briefkasten wird
folglich in regelmäßigen Abständen von einer befugten Person entleert, um die
abgegebenen Meldungen entgegennehmen zu können.74 Sollte die innerstaatliche
Gesetzgebung bei der Umsetzung der Richtlinie sowohl eine mündliche als auch
schriftliche Meldemöglichkeit vorsehen, wäre mit einem Briefkasten alleine den
Anforderungen nicht Rechnung getragen.

       5.3. E-Mail

Die wahrscheinlich einfachste Methode zur Einrichtung eines internen Meldekanals ist die
Errichtung einer E-Mail-Adresse für Meldungen von Whistleblowern. Um die Anonymität
des Whistleblowers zu gewährleisten, wird dieser jedoch ebenso eine eigens
eingerichtete E-Mail-Adresse verwenden müssen. Trotz des Fehlens der rechtlichen
Obliegenheit, die gänzliche Anonymität des Whistleblowers zu gewährleisten, besteht
diese durch bereits geläufige Compliance-Standards. Interessensvertretungen setzen
sich für die Wahrung der Anonymität des Hinweisgebers, auf Ebene der innerstaatlicher
Gesetzgebung ein.75 Es können sich zwar eine Reihe an technischen Problemstellungen

73
     Vgl Reichetseder in Petsche (Hrsg), Whistleblowing & Internal Investigations – Praxiskommentar zur
Whistleblowing-Richtlinie (2021), Kapitel 1: Auswahl des passenden Meldekanals.
74
     Vgl Reichetseder in Petsche (Hrsg), Whistleblowing & Internal Investigations – Praxiskommentar zur
Whistleblowing-Richtlinie (2021), Kapitel 1: Auswahl des passenden Meldekanals.
75
     Vgl Transparency International Austria, Austrian Chapter Forderungspapier: Whistleblowing EU-Richtlinie;
https://www.ti-austria.at/2020/09/21/4312/ (abgefragt am 6.11.2021).
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