Wiedergutmachung Regelungen zur Entschädigung von NS-Unrecht - Regelungen zur Entschädigung von NS ...
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Wiedergutmachung Regelungen zur Entschädigung von NS-Unrecht
Wiedergutmachung - Regelungen zur Entschädigung von NS-Unrecht Inhalt 1. Geschichtliche Entwicklung der Wiedergutmachungs- und Kriegsfolgenregelungen in Deutschland_______________________5 1.1 Beginn der Wiedergutmachung nach Besatzungsrecht_________________________________________ 5 1.2 Rückerstattung________________________________________________________________________________ 5 1.3 Erste Entschädigungsregelungen in den Besatzungszonen______________________________________ 6 1.4 Luxemburger Abkommen und Überleitungsvertrag____________________________________________ 6 1.5 Leistungen in der ehemaligen DDR____________________________________________________________ 7 1.6 Bundesergänzungsgesetz, Bundesentschädigungsgesetz und Bundesentschädigungs- Schlussgesetz (BErgG, BEG, BEG-Schlussgesetz)________________________________________________ 7 1.7 Allgemeines Kriegsfolgengesetz (AKG)_________________________________________________________ 8 1.8 Sondergesetzliche Entschädigungsregelungen_________________________________________________ 9 1.9 Außergesetzliche Regelungen der Länder_____________________________________________________ 10 1.10 Erste Globalabkommen mit europäischen Staaten_____________________________________________ 10 1.11 Vereinbarungen mit osteuropäischen Staaten_________________________________________________ 10 1.12 Globalabkommen mit den USA_______________________________________________________________ 11 1.13 Washingtoner Konferenz über Holocaustvermögen___________________________________________ 11 1.14 Stiftung „Erinnerung, Verantwortung und Zukunft“ (EVZ)_____________________________________ 12 1.15 Anerkennungsrichtlinie für Arbeit im Ghetto und Rentenersatzzuschlag______________________ 13 1.16 Anerkennungsleistung für ehemalige sowjetische Kriegsgefangene____________________________ 13 1.17 Transformation der Wiedergutmachung______________________________________________________ 14 2. Außergesetzliche Entschädigungsleistungen des Bundes_____15 2.1 Härteregelung für Opfer pseudo-medizinischer Versuche_____________________________________ 15 2.2 Fonds für von den Nürnberger Gesetzen Betroffene___________________________________________ 15 2.3 Außergesetzliche Regelungen für jüdische Verfolgte___________________________________________ 16 2.4 Richtlinien für Verfolgte nicht jüdischer Abstammung________________________________________ 18 3
Wiedergutmachung - Regelungen zur Entschädigung von NS-Unrecht 3. Außergesetzliche Regelungen auf der Grundlage des Allgemeinen Kriegsfolgengesetzes (AKG)_____________________19 3.1 Richtlinien der Bundesregierung über Härteleistungen an Opfer von nationalsozialistischen Unrechtsmaßnahmen im Rahmen des Allgemeinen Kriegsfolgengesetzes (AKG-Härterichtlinien) _______________________________________________________________________ 19 3.2 Leistungen an Opfer der NS-Militärjustiz______________________________________________________ 20 4. Regelungen für die neuen Bundesländer_____________________21 4.1 Entschädigungsrentengesetz (ERG)____________________________________________________________ 21 4.2 Außergesetzliche Regelungen auf der Grundlage des Entschädigungsrentengesetzes___________ 21 4.3 Vermögensrechtliche Regelungen im Beitrittsgebiet___________________________________________ 22 Anlagen_________________________________________________________24 4
Geschichtliche Entwicklung der Wiedergutmachungs- und Wiedergutmachung- Kriegsfolgenregelungen in Deutschland Regelungen zur Entschädigung von NS-Unrecht 1. Geschichtliche Entwicklung der Wiedergutmachungs- und Kriegsfolgen- regelungen in Deutschland 1.1 Beginn der Wiedergutmachung 1.2 Rückerstattung nach Besatzungsrecht Die drei Westmächte erließen für ihre Besatzungs- Die durch nationalsozialistisches Unrecht verur- zonen und für die Westsektoren Berlins 1947 und sachten Schäden erforderten bereits unmittelbar 1949 Rückerstattungsgesetze, in denen die Rückge- nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs Regelun- währung und die Entschädigung für Vermögens- gen zur Wiedergutmachung. Besonders betroffen gegenstände geregelt wurden, die zwischen 1933 waren Personen, die aus Gründen politischer Geg- und 1945 aus Gründen rassischer, religiöser oder nerschaft gegen den Nationalsozialismus oder aus politischer Verfolgung ungerechtfertigt entzogen Gründen der Rasse, des Glaubens oder der Welt- worden waren. Rückerstattungsansprüche gegen anschauung durch nationalsozialistische Gewalt- das Deutsche Reich und andere an Entziehungen maßnahmen Schäden erlitten hatten. Für diese beteiligte deutsche Rechtsträger wurden nach Ent- Personen wurden deshalb bereits 1945 von den stehung der Bundesrepublik Deutschland im Bun- Besatzungsmächten und den Gemeinden erste desgesetz zur Regelung der rückerstattungsrechtli- Regelungen getroffen, die hauptsächlich Fürsor- chen Geldverbindlichkeiten des Deutschen Reiches gecharakter besaßen und an der Bedürftigkeit der und gleichgestellter Rechtsträger (Bundesrücker- Betroffenen ausgerichtet waren. stattungsgesetz – BRüG) vom 19. Juli 1957 (BGBl. I S. 734) geregelt. Mit der Gründung der Länder in den drei Westzo- nen (amerikanische, englische und französische Nach der Vereinigung Deutschlands wurden für Besatzungszone) entstanden in der Folge größere die neuen Bundesländer den Rückerstattungsge- Verwaltungseinheiten, die wiederum regional ein- setzen entsprechende Vorschriften in dem mit dem heitliche Entschädigungsregelungen durchführ- Einigungsvertrag in Kraft getretenen Gesetz zur ten. Zusätzlich zu rein fürsorgerischen Regelungen Regelung offener Vermögensfragen (Vermögens- wurden weitere Maßnahmen zur Entschädigung gesetz - VermG) und dem NS-Verfolgtenentschädi- ergriffen, die den Opfern einen Rechtsanspruch gungsgesetz (NS-VEntSchG) (Artikel 3 des Entschä- gewährten. Dennoch herrschte auch weiterhin eine digungs- und Ausgleichsleistungsgesetzes - EALG) große Vielfalt an unterschiedlichen Bestimmun- erlassen. gen, die sowohl in ihrem Regelungsgehalt als auch rein organisatorisch kaum zu überschauen waren. Die Rückerstattung ist lange abgeschlossen. Die Eine klare Vereinheitlichung dieses Rechtsbereichs Antragsfristen sind abgelaufen, die Verwaltungs- vollzog sich dann zunächst über die Abtrennung verfahren beendet. der Rückerstattung von der Entschädigung. 5
Geschichtliche Entwicklung der Wiedergutmachungs- und Wiedergutmachung - Kriegsfolgenregelungen in Deutschland Regelungen zur Entschädigung von NS-Unrecht 1.3 Erste Entschädigungsregelungen Interessen an. Bereits einen Monat später schlossen in den Besatzungszonen sich 23 jüdische Organisationen zur „Conference on Jewish Material Claims against Germany“ (kurz Im Bereich des Entschädigungsrechts, das Perso- Jewish Claims Conference – JCC) zusammen, die nenschäden und nicht von der Rückerstattung sich die Durchsetzung von Entschädigungsansprü- erfasste Vermögensschäden regelt, wurden in der chen gegen Deutschland zum Ziel setzte. amerikanischen Besatzungszone bereits 1946 Län- dergesetze erlassen, die zum Zwecke der Wieder- Am 21. März 1952 wurden die Gespräche mit Ver- gutmachung vorläufige Zahlungen und Leistungen tretern Israels und der JCC in Den Haag aufgenom- zur Wiederherstellung der Gesundheit, zur berufli- men. Dabei ging es zum einen um einen Vertrag chen Ausbildung, zur Begründung einer wirtschaft- zwischen der Bundesrepublik Deutschland und lichen Existenz oder zur Abwendung einer Notlage Israel mit dem Ziel einer Globalentschädigung für sowie Renten an Verfolgte und ihre Hinterbliebe- den Staat Israel. Zum anderen stand in den zwei nen vorsahen. Am 26. April 1949 wurde dann als sogenannten Haager Protokollen (BGBl. II 1953 zoneneinheitliches Gesetz vom Süddeutschen Län- S. 35, 85) zwischen der Bundesregierung und der derrat das Gesetz zur Wiedergutmachung natio- JCC eine Individualentschädigung für die Opfer der nalsozialistischen Unrechts (Entschädigungsgesetz NS-Verfolgung im Vordergrund. – USEG) erlassen, das im August 1949 durch beson- dere Landesgesetze in Bayern, Bremen, Baden- Beide Vertragswerke sind untrennbar miteinander Württemberg und Hessen verkündet wurde. Diese verbunden. Sie wurden gleichzeitig am 10. Septem- Landesgesetze wurden nach Errichtung der Bun- ber 1952 in Luxemburg unterzeichnet. In diesem desrepublik Deutschland und nach Inkrafttreten Luxemburger Abkommen sagte Deutschland die des Grundgesetzes (GG) gemäß Artikel 125 GG als Zahlung von 3 Mrd. DM an den Staat Israel und von Bundesrecht übernommen. In den Ländern der 450 Mio. DM an die JCC zu. britischen und der französischen Besatzungszone sowie in Berlin (West) ergingen entsprechende Die Leistungen an Israel waren als Eingliede- Gesetze, die mit Ausnahme der Länder der briti- rungshilfe für entwurzelte und mittellose jüdi- schen Besatzungszone grundsätzlich die gleichen sche Flüchtlinge aus Deutschland und den ehemals Schadensarten regelten wie das USEG. unter deutscher Herrschaft stehenden Gebieten gedacht. Ein Großteil wurde durch Warenlieferun- gen beglichen. 1.4 Luxemburger Abkommen und Überleitungsvertrag Der 450 Mio. DM-Fonds sollte nach den Festle- gungen des Haager Protokolls Nr. 2 für die Unter- Die Bundesrepublik Deutschland behandelt — stützung und Eingliederung jüdischer Verfolg- ebenso wie vor ihrer Gründung die Länder und ter außerhalb Israels verwendet werden. Die JCC Gemeinden — die moralische und finanzielle wurde mit der Durchführung beauftragt. Wiedergutmachung des vom NS-Regime ver- übten Unrechts als eine vorrangige Aufgabe. In Mit dem Haager Protokoll Nr. 1 (BGBl. II 1953 einer Sondersitzung des deutschen Bundestages S. 85) verpflichtete sich die Bundesregierung, ein vom 27. September 1951 bekundete der damalige Gesetzgebungsprogramm für bundeseinheitli- Bundeskanzler Konrad Adenauer die Verantwor- che Rückerstattungs- und Entschädigungsrege- tung Deutschlands für die vom NS-Regime ver- lungen aufzulegen. Die wesentlichen Grundsätze übten Gräueltaten. Er betonte die Verpflichtung dieser Gesetzgebung wurden festgelegt. Anläss- des deutschen Volkes zur moralischen und mate- lich der Beendigung des westalliierten Besat- riellen Wiedergutmachung und bot Verhandlun- zungsregimes waren bereits 1952 im vierten Teil gen mit dem Staat Israel und Vertretern jüdischer des mit den drei westlichen Besatzungsmächten 6
Geschichtliche Entwicklung der Wiedergutmachungs- und Wiedergutmachung- Kriegsfolgenregelungen in Deutschland Regelungen zur Entschädigung von NS-Unrecht über den westlichen Teil Deutschlands geschlosse- 1.6 Bundesergänzungs-, nen Überleitungsvertrags (BGBl. II 1954 S. 57, 181, Bundesentschädigungsgesetz 194) Grundsätze für eine einheitliche Rückerstat- und Bundesentschädigungs- tungs- und Entschädigungsgesetzgebung aufge- Schlussgesetz (BErgG, BEG, stellt worden. BEG-Schlussgesetz) Das erste bundeseinheitliche Entschädigungsge- 1.5 Leistungen in der ehemaligen setz wurde mit dem am 1. Oktober 1953 in Kraft DDR getretenen Bundesergänzungsgesetz (BErgG) vom 18. September 1953 (BGBl. I 1953 S. 1387) erlassen. Seit ihrer Gründung hatte sich die Deutsche Demo- Das BErgG orientierte sich am Entschädigungs- kratische Republik (DDR) beharrlich geweigert, gesetz - USEG (siehe hierzu auch 1.3), ging über dem Beispiel der Bundesrepublik Deutschland bei eine reine Ergänzung aber deutlich hinaus. Den- Wiedergutmachungsleistungen zu folgen. noch erwiesen sich die Regelungen schon bald als unzureichend. Für ihre Abwehrhaltung in Bezug auf Entschädi- gungsforderungen aus dem Ausland spielte vor Am 29. Juni 1956 (BGBl. I 1956 S. 562) erging das allem ihr antifaschistischer Gründungsmythos Bundesgesetz zur Entschädigung für auf dem eine wichtige Rolle. Die DDR sah sich nicht als Gebiet des ehemaligen Deutschen Reiches lebende Rechtsnachfolgerin des Dritten Reiches, sondern Opfer der NS-Verfolgung (Bundesentschädigungs- verortete sich in der Tradition des Kampfes gegen gesetz – BEG). Dieses Gesetz trat rückwirkend zum den Faschismus. Somit lehnte sie materielle Leis- 1. Oktober 1953 in Kraft und regelte die Entschä- tungen für im Ausland lebende NS-Opfer ab und digung für NS-Verfolgte grundlegend neu. Neben verweigerte auch die moralische Mitverantwor- einer Erweiterung des Kreises der Berechtigten tung für die Verbrechen des nationalsozialistischen ermöglichte es ebenso eine Vielzahl von Änderun- Deutschlands. gen zugunsten der Verfolgten. Auch führte es zur Kostenteilung zwischen Bund und Ländern. Das Nach dem in der Sowjetzone geltenden Recht BErgG hatte noch den Ländern die Kostentragung erhielten jedoch systemkonforme Opfer des auferlegt. Faschismus Sonderleistungen im Rahmen der all- gemeinen Gesundheits-, Alters- und Hinterbliebe- Nach dem BEG konnte Entschädigung in Form nenversorgung sowie pauschale Ehrenpensionen. von Renten, Kapitalentschädigungen, Umschu- lungsbeihilfen, Heilverfahren sowie Hinterblie- Da die Wiederherstellung von Privateigentum benenversorgung geleistet werden. Das BEG sah nicht mit den Bestrebungen nach Überführung in ursprünglich eine Antragstellung nur bis zum Volkseigentum in der sowjetischen Besatzungs- 1. Oktober 1957 vor, die im Ersten Gesetz zur Ände- zone und späteren DDR zu vereinbaren war, wurde rung des BEG vom 1. Juli 1957 auf den 1. April 1958 das lediglich für Thüringen seit 1945 geltende Wie- ausgeweitet wurde (BGBl. I 1957 S. 663). dergutmachungsgesetz schon bald nicht mehr angewandt und 1952 endgültig aufgehoben. In der Anwendungspraxis zeigte sich allerdings schon bald erneuter Anpassungsbedarf. Die ange- Mit Dänemark, Finnland, Österreich und Schwe- strebte Novellierung sollte den endgültigen den schloss die DDR Pauschalentschädigungsab- Abschluss der Gesetzgebung bilden. Nach vierjäh- kommen, durch die Rückerstattungsansprüche der rigen eingehenden Beratungen in den zuständigen in diesen Ländern lebenden ehemaligen NS-Ver- Ausschüssen des Deutschen Bundestages und des folgten abgegolten wurden. Bundesrates erging am 14. September 1965 (BGBl. I 1965 S. 1315) unter ausdrücklicher Kennzeichnung 7
Geschichtliche Entwicklung der Wiedergutmachungs- und Wiedergutmachung - Kriegsfolgenregelungen in Deutschland Regelungen zur Entschädigung von NS-Unrecht als Schlussgesetz das Zweite Gesetz zur Änderung durch nationalsozialistische Gewaltmaßnahmen des Bundesentschädigungsgesetzes (BEG-Schluss- einen Schaden an Leben, Körper, Gesundheit, Frei- gesetz). Durch das BEG-Schlussgesetz wurde die heit, Eigentum, Vermögen, in seinem beruflichen ursprünglich auf den 1. April 1958 festgesetzte oder wirtschaftlichen Fortkommen erlitten hat. Antragsfrist erheblich ausgeweitet. Durch Artikel VIII Abs. 1 BEG-Schlussgesetz wurde bestimmt, Einem Verfolgten gleichgestellt sind u. a. Personen, dass nach dem 31. Dezember 1969 keine Ansprü- die nationalsozialistischen Gewaltmaßnahmen che mehr angemeldet werden konnten. So können ausgesetzt waren, weil sie eine vom NS-Staat abge- auch heute keine neuen Anträge mehr gestellt lehnte künstlerische oder wissenschaftliche Rich- werden. NS-Opfer in den kommunistisch regierten tung vertraten oder einem Verfolgten nahestanden. Staaten des Warschauer Paktes waren grundsätz- lich von der Geltung des BEG ausgenommen. Als Verfolgte gelten nach dem BEG u. a. auch Hin- terbliebene von Verfolgten und Geschädigte, die als Jedoch können Leistungen für erlittene Gesund- nahe Angehörige von den nationalsozialistischen heitsschäden im Rahmen von „Verschlimmerungs- Gewaltmaßnahmen mit betroffen waren. verfahren“ angepasst werden. Darüber hinaus können auch heute noch im Wege von „Zweit- Keine Opfer gezielter NS-Verfolgung und damit verfahren“ Erstentscheidungen revidiert werden, auch keine Verfolgten im Sinne des BEG sind die- sofern sie sich nach heutiger Rechtsauffassung als jenigen, die infolge des vom nationalsozialistischen falsch erweisen. Deutschland begonnenen Krieges Schäden erlitten haben, die den allgemeinen Kriegsfolgen zuzurech- Zum BEG sind in den zurückliegenden Jahrzehn- nen sind, wie z. B. Kriegsgefangene oder Opfer des ten zahlreiche Durchführungsverordnungen (DV) Bombenkriegs. ergangen, von denen die erste bis dritte DV-BEG regelmäßig geändert werden, um die wieder- kehrenden Leistungen (Renten) an die steigen- 1.7 Allgemeines Kriegsfolgengesetz den Lebenshaltungskosten anzupassen. Die vierte (AKG) DV-BEG regelt die Erstattung von Kosten, die den Versicherungseinrichtungen für ihre Mitwirkung Das Gesetz zur allgemeinen Regelung durch den nach § 182 Abs. 1 des BEG entstehen. Die fünfte Krieg und den Zusammenbruch des deutschen Rei- DV-BEG bestimmt, welche Versorgungseinrich- ches entstandener Schäden (Allgemeines Kriegsfol- tungen durch nationalsozialistische Gewaltmaß- gengesetz – AKG) vom 5. November 1957 (BGBl. I nahmen aufgelöst worden sind. Durch die sechste 1957 S. 1747) regelt die Ansprüche von Geschädigten DV-BEG (KZ-Haftstättenverzeichnis) hat die Bun- des NS-Regimes, die nicht die Verfolgteneigenschaft desregierung im Rahmen der Vermutungsregelung im Sinne des § 1 des Bundesentschädigungsgesetzes des § 31 Abs. 2 BEG festgelegt, welche Haftstätten (BEG) besitzen. Während die Wiedergutmachungs- als Konzentrationslager anzusehen sind. gesetze sämtliche in Betracht kommenden Vermö- gens- und Nichtvermögensschäden regeln, sieht das Ausgeführt wird das BEG von den Entschädigungs- AKG eine Entschädigung nur für Schaden an Leben, behörden der Länder. Entschädigungsansprüche Körper oder Gesundheit sowie an Freiheit vor. § 5 können nur Verfolgte des NS-Regimes geltend AKG gewährt für rechtswidrige Verletzungen dieser machen. Auch Vertriebene im Sinne des Bundes- Rechtsgüter Anspruch auf Schadenersatz nach den vertriebenengesetzes (BVFG) sowie Staatenlose allgemeinen Rechtsvorschriften, insbesondere nach oder Flüchtlinge im Sinne der Genfer Konvention den Vorschriften über die Staatshaftung und nach wurden nach dem BEG entschädigt. Als Verfolg- den bürgerlich-rechtlichen Vorschriften über uner- ter gilt, wer aus Gründen politischer Gegnerschaft laubte Handlungen (§§ 823 ff. Bürgerliches Gesetz- gegen den Nationalsozialismus oder aus Gründen buch - BGB). der Rasse, des Glaubens oder der Weltanschauung 8
Geschichtliche Entwicklung der Wiedergutmachungs- und Wiedergutmachung - Kriegsfolgenregelungen in Deutschland Regelungen zur Entschädigung von NS-Unrecht Ansprüche konnten nur Geschädigte geltend ausgewanderten Angehörigen des öffentlichen machen, die am 31. Dezember 1952 ihren Wohnsitz Dienstes. Beide Gesetze wurden durch das Dienst- oder ständigen Aufenthalt im damaligen Geltungs- rechtliche Kriegsfolgen-Abschlussgesetz (DKfAG) bereich des AKG oder in einem Staat hatten, der die vom 20. September 1994 aufgehoben. Regierung der Bundesrepublik Deutschland am 1. April 1956 anerkannt hatte oder eine der sons- Zur Regelung der Wiedergutmachung in der Sozi- tigen in § 6 AKG genannten Wohnsitz- und Stich- alversicherung erging noch vor dem erstmaligen tagsvoraussetzungen erfüllte. Ausnahmeregelun- Zusammentritt des Deutschen Bundestages durch gen für Vertriebene (Aussiedler), Heimkehrer sowie den Wirtschaftsrat des Vereinigten Wirtschaftsge- Personen, die erst nach dem 31. Dezember 1952 im bietes (amerikanische und britische Besatzungs- Wege der Familienzusammenführung in das Bun- zone) das Gesetz über die Behandlung der NS-Ver- desgebiet gelangt sind, haben heute praktisch keine folgten in der Sozialversicherung vom 2. August Bedeutung mehr. 1949. Die Minderung oder der Verlust von Ansprü- chen auf Leistungen aus der Sozialversicherung, Anträge mussten grundsätzlich binnen eines Jah- vor allem aus der Rentenversicherung, betrafen res nach Inkrafttreten des Gesetzes, d. h. bis zum hauptsächlich eine Vielzahl ins Ausland geflohener 31. Dezember 1958, gestellt werden. Bei Versäu- oder ausgewanderter Juden und politischer Geg- mung dieser Frist konnte innerhalb eines weiteren ner des NS-Regimes. Mit der Erstreckung dieses Jahres, also bis zum 31. Dezember 1959, eine weitere Gesetzes auf die Länder der früheren französischen Nachfrist eingeräumt werden. Besatzungszone wurde 1950 eine bundeseinheitli- che Regelung getroffen. Eine zusammenfassende Ansprüche nach dem AKG werden heute nur noch bundeseinheitliche Regelung erfolgte durch das abgewickelt. Gesetz zur Änderung und Ergänzung der Vorschrif- ten über die Wiedergutmachung nationalsozialisti- Zuständig für die Bearbeitung von Anträgen ist schen Unrechts in der Sozialversicherung (WGSVG) die Generalzolldirektion, Service-Center Köln (vgl. vom 22. Dezember 1970 (BGBl. I 1970 S. 1846). Die Anlage 7, II). Aufwendungen wurden und werden ausschließlich von den Renten- und Unfallversicherungsträgern ohne staatliche Beteiligung gezahlt. 1.8 Sondergesetzliche Entschädigungsregelungen Jüdische Frontkämpfer im Ersten Weltkrieg, die als Verfolgte im Sinne des Bundesentschädigungsge- Die Entschädigungs- und Rückerstattungsgesetze setzes nationalsozialistischen Gewaltmaßnahmen wurden ergänzt durch verschiedene sondergesetz- ausgesetzt und in der ihnen als Kriegsopfer zuste- liche Entschädigungsregelungen. henden Versorgung geschädigt worden waren, wurden nach dem Bundesgesetz zur Wiedergut- Für Angehörige des öffentlichen Dienstes, die unter machung nationalsozialistischen Unrechts in der dem NS-Regime aus dem öffentlichen Dienst ent- Kriegsopferversorgung (BWK) vom 25. Juni 1958 fernt worden waren und ihre Rechte verloren entschädigt (BGBl. I 1958 S. 412). Dieses Gesetz hatten, trat am 11. Mai 1951 das Gesetz zur Rege- wurde durch das Erste Rechtsbereinigungsgesetz lung der Wiedergutmachung für Angehörige des vom 24. April 1986 (BGBl. I 1986 S. 560) aufgehoben. öffentlichen Dienstes (BWGöD) rückwirkend zum Für Berechtigte im Ausland erging ein gleichnami- 1. April 1951 in Kraft. Verfolgte Beschäftigte im ges Gesetz (BWKAusl) vom 3. August 1953 (BGBl. I öffentlichen Dienst sollten hiermit so gestellt wer- 1953 S. 843), das rückwirkend am 1. Oktober 1950 den, wie sie ohne die Verfolgung gestellt gewesen in Kraft trat. wären. Diesem Gesetz folgte am 18. Mai 1952 das BWGöD-Ausland für die unter Verfolgungsdruck 9
Geschichtliche Entwicklung der Wiedergutmachungs- und Wiedergutmachung - Kriegsfolgenregelungen in Deutschland Regelungen zur Entschädigung von NS-Unrecht 1.9 Außergesetzliche Regelungen 1.11 Vereinbarungen mit der Länder osteuropäischen Staaten Seit 1950 wurden von einzelnen Bundesländern In Anlehnung an die 1959 bis 1964 mit westeuro- jeweils für ihre Bürger, die Opfer von nationalso- päischen Staaten getroffenen Abkommen über zialistischen Gewaltmaßnahmen waren und die in pauschale Entschädigungsleistungen wurden nach den Gesetzen vorgesehenen Stichtags- und Wohn- Herstellung der Deutschen Einheit und der Über- sitzvoraussetzungen nicht erfüllen konnten oder windung des Ost-West-Gegensatzes auch mit ost- unverschuldet Antragsfristen versäumt hatten, europäischen Staaten entsprechende Verträge eigene landesrechtliche Regelungen über einmalige geschlossen (Entschädigung der Opfer des Natio- und laufende Beihilfen geschaffen. Der berechtigte nalsozialismus in den mittel- und osteuropäischen Personenkreis ist dabei in der Regel nicht allein auf Staaten). Hierbei ging es in erster Linie um humani- Verfolgte im Sinne von § 1 Bundesentschädigungs- täre Hilfen in Härtefällen und nicht um Leistungen gesetz (BEG) beschränkt. Außerdem sehen die lan- für Sachschäden. Grundsätzliche Voraussetzung desrechtlichen Bestimmungen häufig Leistungen für den Erhalt von Leistungen war der Nachweis an Hinterbliebene vor. Voraussetzung ist zumeist der Verfolgteneigenschaft gemäß § 1 Bundesent- – wie auch bei den außergesetzlichen Härterege- schädigungsgesetz (BEG). lungen des Bundes – das Vorliegen einer besonde- ren (wirtschaftlichen) Notlage. Auf die Leistungen Zwischen der Bundesrepublik Deutschland und besteht kein Rechtsanspruch. Zu den einzelnen der Republik Polen wurde mit Notenwechsel vom Länderregelungen vgl. Anlage 2. 16. Oktober 1991 in Polen eine nach polnischem Recht errichtete „Stiftung Deutsch-Polnische Aus- söhnung“ vereinbart und mit einmalig 500 Mio. DM 1.10 Erste Globalabkommen (255,64 Mio. Euro) für Personen, die während des mit europäischen Staaten Zweiten Weltkriegs durch nationalsozialistische Unrechtsmaßnahmen schwere Gesundheitsschä- In den Jahren 1959 bis 1964 schloss die Bundes- den erlitten hatten und sich in einer gegenwärtigen republik Deutschland mit Belgien, Dänemark, wirtschaftlichen Notlage befanden, ausgestattet. Frankreich, Großbritannien, Italien, Luxemburg, den Niederlanden, Norwegen, Österreich, Schwe- 1993 wurden in den drei Nachfolgestaaten der Sow- den, der Schweiz und Griechenland Globalabkom- jetunion Weißrussland, Russische Föderation und men zugunsten von durch NS-Verfolgungsmaß- Ukraine entsprechend jeweils die Stiftungen „Ver- nahmen geschädigten Staatsangehörigen dieser ständigung und Aussöhnung“ in Minsk, Moskau Länder. Aufgrund dieser Abkommen wurden ins- und Kiew gegründet und mit insgesamt 1 Mrd. DM gesamt 971 Mio. DM (496,46 Mio. Euro) zur Verfü- (0,51 Mrd. Euro) ausgestattet. Die drei Stiftungen gung gestellt (vgl. auch Anlage 5), deren Verteilung erklärten sich bereit, Zahlungen auch an Geschä- an die Geschädigten den Regierungen der betref- digte in anderen Staaten der ehemaligen Sowjet- fenden Länder oblag. Die Globalabkommen sind union zu leisten. abgeschlossen. Den drei baltischen Staaten Estland, Lettland und Litauen gewährte die Bundesrepublik Deutsch- land separate Hilfen in Höhe von 2 Mio. DM (1,02 Mio. Euro). Aus diesen Zuwendungen wur- den vor allem soziale Einrichtungen für NS-Opfer gefördert. 10
Geschichtliche Entwicklung der Wiedergutmachungs- und Wiedergutmachung - Kriegsfolgenregelungen in Deutschland Regelungen zur Entschädigung von NS-Unrecht Mit der Tschechischen Republik wurde mit Noten- Durch Zusatzvereinbarung vom 25. Januar 1999 wechsel vom 29. Dezember 1997 der auf zehn Jahre erfolgte eine weitere, das Abkommen abschließende ausgelegte Deutsch-Tschechische Zukunftsfonds Zahlung von rund 34,5 Mio DM (17,6 Mio. Euro). in Form eines Stiftungsfonds nach tschechischem Recht mit Sitz in Prag vereinbart, in den beide Staa- ten einzahlten. Zweck des Fonds ist die Finanzie- 1.13 Washingtoner Konferenz über rung von Sozialprojekten gemeinsamen Interesses Holocaustvermögen vor allem zugunsten von Opfern nationalsozialis- tischer Gewalt wie z. B. Altenfürsorge, Minderhei- Als Ergebnis der im Dezember 1998 in Washington tenförderung und gemeinsame wirtschaftliche und stattgefundenen Konferenz über Vermögenswerte ökologische Projekte. aus der Zeit des Holocaust, an der neben Deutsch- land noch 43 weitere Staaten sowie 12 nichtstaat- Für vergleichbare Maßnahmen in sonstigen mittel- liche Organisationen und der Vatikan teilnahmen, und osteuropäischen Staaten, mit denen bislang stand eine rechtlich nicht bindende Übereinkunft keine Globalentschädigungsabkommen geschlos- über Grundsätze in Bezug auf Kunstwerke, die von sen worden waren (Albanien, Bosnien, Bulgarien, den Nationalsozialisten beschlagnahmt wurden ehemaliges Jugoslawien, Kroatien, Mazedonien, (Washingtoner Erklärung vom 3. Dezember 1998). Rumänien, Slowakei, Slowenien, Ungarn) wurden Im Bewusstsein seiner historischen und morali- für die Jahre 1998 bis 2000 ebenfalls Mittel in Höhe schen Verantwortung verabschiedete Deutschland von 80 Mio. DM bereitgestellt (sog. „Hirsch-Initia- im Zuge der Umsetzung am 9. Dezember 1999 eine tive“). Die Durchführung wurde unterschiedlichen gemeinsame Erklärung von Bundesregierung, Län- nationalen Einrichtungen, zumeist dem Nationa- dern und kommunalen Spitzenverbänden, in der es len Roten Kreuz, übertragen. sich zur Auffindung und zur Rückgabe NS-verfol- gungsbedingt entzogenen Kulturgutes, insbeson- dere aus jüdischem Besitz, verpflichtete. 1.12 Globalabkommen mit den USA Als praktische Hilfestellung für die Suche und Am 19. September 1995 wurde in Anlehnung an Identifizierung der von den Nationalsozialisten die Kriterien des Bundesentschädigungsgesetzes beschlagnahmten Kunstgüter und zur Vorberei- (Verfolgung aus Gründen der Rasse, der Weltan- tung von Entscheidungen über deren mögliche schauung oder des Glaubens) ein deutsch-ameri- Rückgabe dient eine in 2001 veröffentlichte und in kanisches Globalabkommen zur Wiedergutma- 2007 redaktionell überarbeitete Handreichung. chung für NS-Opfer, die zur Zeit ihrer Verfolgung bereits US-Staatsangehörige waren und bis dahin Das Deutsche Zentrum Kulturgutverluste veröffent- keine Entschädigung erhalten hatten, geschlossen. licht im Internet unter www.lostart.de regelmäßig Weitere Berechtigungskriterien waren der Aufent- die in ihrer Datenbank gespeicherten Informatio- halt in einem Konzentrationslager sowie geleis- nen über Kulturgüter, die infolge der nationalso- tete Zwangsarbeit. Inhaltlich und konzeptionell zialistischen Gewaltherrschaft verbracht, verlagert folgte das Abkommen den Vorbildern vergleich- oder verfolgungsbedingt entzogen wurden (s. hierzu barer Abkommen mit anderen Westmächten aus auch Anlage 7, VI). Hier besteht auch die Möglich- den Jahren 1959 bis 1964 (vgl. auch 1.10). Es wur- keit einer Provenienzrecherche, bei der auf Inhalte, den rund 3 Mio. DM (1,5 Mio. Euro) zur Verfügung die auf der Auswertung von Primär- und Sekundär- gestellt. Die Verteilung der Mittel lag im Ermessen quellen sowie der Fachliteratur beruhen, zugegriffen der US-Regierung. werden kann. Eine Provenienzrecherche kann eben- falls über das Bundesamt für Zentrale Dienste und offene Vermögensfragen (BADV) unter www.badv. bund.de durchgeführt werden. 11
Geschichtliche Entwicklung der Wiedergutmachungs- und Wiedergutmachung - Kriegsfolgenregelungen in Deutschland Regelungen zur Entschädigung von NS-Unrecht Im Rahmen der Umsetzung der Washingtoner bestimmten Voraussetzungen konnten Leistungen Grundsätze und der sogenannten „Gemeinsa- nach dem Stiftungsgesetz auch zur Begleichung men Erklärung“ von Bund, Ländern und kommu- von Vermögensschäden erbracht werden. nalen Spitzenverbänden sowie der durchgeführ- ten Recherchen konnte bislang bereits eine Reihe Sieben internationale Partnerorganisationen, von Bildern namhafter Künstler aus öffentlichem koordiniert durch ein international besetztes Stif- Besitz an die ursprünglich Berechtigten bzw. deren tungskuratorium, waren verantwortlich für die Erben zurückgegeben werden. Annahme und Prüfung von Anträgen. Die Antrags- frist endete endgültig am 31. Dezember 2002. Anfang 2007 waren die Auszahlungen abgeschlos- 1.14 Stiftung „Erinnerung, sen. Neue Anträge können nicht mehr gestellt Verantwortung und Zukunft“ werden. (EVZ) Insgesamt haben über 1,7 Millionen Personen, davon Zur Entschädigung ehemaliger Zwangsarbeiter 1,66 Millionen Zwangsarbeiter, Leistungen erhal- wurde durch Gesetz vom 2. August 2000 die Stif- ten. Von der Stiftungssumme sind 4,37 Mrd. Euro tung „Erinnerung, Verantwortung und Zukunft“ für Leistungen an ehemalige Zwangsarbeiter aus- (EVZ) errichtet (EVZStiftG, BGBl. I S. 1263, zuletzt gezahlt worden. geändert durch Gesetz vom 1. September 2008, BGBl. I S. 1797) und mit einem Stiftungsvolumen Seit Beendigung der Auszahlungen ist die Stiftung von insgesamt 10,1 Mrd. DM (5,16 Mrd. Euro) aus- EVZ gemäß § 2 Abs. 2 EVZStiftG als reine Förder- gestattet. Dieser Betrag wurde von der Bundesre- stiftung für internationale Projekte, die der Völker- publik Deutschland und von deutschen Unterneh- verständigung, den Interessen von Überlebenden, men aufgebracht. dem Jugendaustausch, der sozialen Gerechtigkeit, der Erinnerung an die Bedrohung durch totalitäre Hauptaufgabe der Stiftung war es, Finanzmittel Systeme und Gewaltherrschaft und der internati- zur Gewährung von individuellen Einmalzahlun- onalen Zusammenarbeit auf humanitärem Gebiet gen an überlebende Betroffene bereitzustellen. Die dienen, tätig. Auszahlungen wurden durch Partnerorganisatio- nen in den einzelnen Ländern durchgeführt. Nähere Informationen zur Stiftung sind im Inter- net unter www.stiftung-evz.de abrufbar (vgl. hierzu Leistungen aus der Stiftung konnten in erster auch Anlage 7, VII). Linie zur Arbeit gezwungene Personen in Kon- zentrationslagern und Ghettos sowie aus ihrem Heimatstaat deportierte und zum Arbeitseinsatz gezwungene und inhaftierte oder haftähnlichen Bedingungen ausgesetzte Opfer erhalten. Darüber hinaus waren beispielsweise auch Zwangsarbeiter in der Landwirtschaft leistungsberechtigt. § 11 Abs. 1 Satz 5 des Stiftungsgesetzes sah ferner Leistungen zum Ausgleich sonstiger Personen- schäden im Zusammenhang mit nationalsozi- alistischem Unrecht vor, so z. B in Fällen medi- zinischer Versuche oder bei Tod oder schweren Gesundheitsschäden eines in einem Zwangsar- beiterkinderheim untergebrachten Kindes. Unter 12
Geschichtliche Entwicklung der Wiedergutmachungs- und Wiedergutmachung - Kriegsfolgenregelungen in Deutschland Regelungen zur Entschädigung von NS-Unrecht 1.15 Anerkennungsrichtlinie Zusätzlich können seit Juli 2017 Antragsteller für Arbeit im Ghetto und gemäß § 2 Abs. 2 der Anerkennungsrichtlinie eine Rentenersatzzuschlag einmalige Leistung in Höhe von 1.500 Euro erhal- ten, wenn ihr Antrag bei der Deutschen Rentenver- Nach dem in 2002 verabschiedeten Gesetz zur sicherung nur deshalb abgelehnt worden ist, weil Zahlbarmachung von Renten aus Beschäftigung die allgemeine Wartezeit nach § 50 Abs. 1 Satz 1 des in einem Ghetto (ZRBG) können Holocaust-Über- Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VI) nicht lebende, die während ihrer Inhaftierung in einem erfüllt ist. von den Nationalsozialisten errichteten Ghetto gegen Entgelt aus freiem Willen gearbeitet haben, Die Richtlinie wird von der Organisationseinheit eine Sozialversicherungsrente erhalten. Arbeitsgruppe Anerkennungsleistung (AG AfG) im Bundesamt für zentrale Dienste und offene Zahlreiche Anträge auf Leistungen nach dem ZRBG Vermögensfragen (BADV) in Berlin durchgeführt waren zunächst abgelehnt worden. Daher erließ die (s. hierzu Anlage 7, I). Bundesregierung im Oktober 2007 eine Richtlinie, nach der NS-Verfolgte für Arbeit in einem Ghetto, die keine Zwangsarbeit war und bisher keine sozial- 1.16 Anerkennungsleistung für versicherungsrechtliche Berücksichtigung gefun- ehemalige sowjetische den hatte, eine Einmalzahlung von 2.000 Euro Kriegsgefangene erhalten konnten. Leistungen nach ZRBG und Richtlinie schlossen sich allerdings gegenseitig aus. Der Deutsche Bundestag hat am 21. Mai 2015 Ebenfalls ausgeschlossen von der Anerkennungs- beschlossen, dass ehemalige sowjetische Kriegs- leistung waren Personen, deren Arbeit im Ghetto gefangene eine symbolische finanzielle Anerken- bereits als Zwangsarbeit aus den Mitteln der Stif- nungsleistung erhalten sollen. Angehörige der tung EVZ entschädigt worden ist (vgl. hierzu auch sowjetischen Streitkräfte, die während des Zweiten 1.14). Schlusstermin für die Antragstellung war der Weltkriegs in der Zeit vom 22. Juni 1941 bis 8. Mai 31. Dezember 2011. 1945 als Kriegsgefangene in deutschem Gewahr- sam waren, konnten eine einmalige Leistung in Mit der Neufassung der „Richtlinie über eine Aner- Höhe von 2.500 Euro beantragen. Die Antragsfrist kennungsleistung an Verfolgte für Arbeit in einem endete am 30. September 2017. Auf die Leistung Ghetto, die keine Zwangsarbeit war“ (Anerken- bestand kein Rechtsanspruch, sie war höchstper- nungsrichtlinie) vom 20. Juli 2011 (BAnz Nr. 110 sönlicher Natur und nicht übertragbar. Erben von S. 2624 vom 26. Juli 2011) wurde die Anerkennungs- ehemaligen sowjetischen Kriegsgefangenen hat- leistung schließlich rückwirkend vom Erhalt einer ten kein Antragsrecht. Die Einzelheiten wurden in Rente nach dem ZRBG entkoppelt. Damit steht die einer Richtlinie geregelt, die am 14. Oktober 2015 sozialversicherungsrechtliche Berücksichtigung im Bundesanzeiger bekannt gegeben wurde (BAnz der Arbeit im Ghetto der Zahlung einer Anerken- AT 14.10.2015 B1). nungsleistung nicht mehr entgegen. Das Erste Gesetz zur Änderung des ZRBG, das am 1. August 2014 in Kraft trat, ermöglicht heute eine breite Rückwirkung der Zahlungen bis zum 1. Juli 1997. Ein Deutsch-Polnisches Abkommen vom 5. Dezember 2014, in Kraft getreten am 1. Juni 2015, erlaubt eine Rentenzahlung nunmehr auch an Empfänger in Polen. 13
Geschichtliche Entwicklung der Wiedergutmachungs- und Wiedergutmachung - Kriegsfolgenregelungen in Deutschland Regelungen zur Entschädigung von NS-Unrecht 1.17 Transformation der Sowohl unverrückbare außenpolitische Grund- Wiedergutmachung sätze als auch der Umstand, dass bestimmte innen- und gesellschaftspolitische Themen und deren 75 Jahre sind seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs öffentliche Behandlung ohne Bezug zur fortgesetz- vergangen. ten Verantwortung aus den Verbrechen vor 1945 nur sehr schwer vermittelbar sind und sein werden, Auch heute noch werden individuelle Entschä- bedingen zukünftig die stärkere Einbeziehung der digungsleistungen zur Wiedergutmachung nati- Akten der Wiedergutmachung und Entschädigung onalsozialistischen Unrechts gemäß § 1 BEG den der Opfer. in eigener Person verfolgten und geschädigten Betroffenen gezahlt. Die demographische Entwick- Angesichts der immer länger zurückliegenden lung zeigt allerdings, dass das Ende dieser aktiven Zeit von Holocaust wie auch Wiedergutmachung und höchstpersönlichen Leistungen an die Über- und der Tatsache, dass inzwischen in Deutschland lebenden von Holocaust, Porajmos und NS-Terror Generationen heranwachsen, die durch Migration absehbar ist. ohne familiären/regionalen oder kulturellen Bezug zur Zeit des Nationalsozialismus sind, stellt dies Die Bundesregierung ist der Auffassung, dass dies eine besondere Herausforderung für die Zukunft aus nationalen und internationalen sowie aus dar. politischen und gesellschaftspolitischen Gründen keineswegs ein Ende der Wiedergutmachung im Seit 2017 beschäftigt sich das Bundesministerium Sinne eines Schlussstrichs unter dem Engagement der Finanzen in zunehmenden Maße mit den hie- der Bundesrepublik Deutschland bedeuten soll. raus resultierenden Folgeaufgaben der Wieder- gutmachung. Mithilfe eines „Themenportals Wie- Vielmehr soll auch vor dem Hintergrund von dergutmachung“ soll beispielsweise erstmals ein zunehmendem Antisemitismus und Holocaust- digitaler Gesamtzugang zum Dokumentenerbe Leugnung der Blick verstärkt darauf gerichtet wer- der Wiedergutmachungsakten, die bei verschiede- den, was vor und nach 1945 geschah, wie die junge nen Stellen im In- und Ausland liegen, angestrebt Demokratie der Bundesrepublik Deutschland werden. In hundertausend- und millionenfach vor- hiermit umgegangen ist, welche Lehren aus den liegenden Einzelfallakten der Antragssteller schil- Menschheitsverbrechen im Nationalsozialismus derten diese im Verwaltungsverfahren ihr Verfol- gezogen wurden und werden und wie dies künfti- gungsschicksal ebenso wie ihre Familiengeschichte gen Generationen sinnvoll und nachhaltig vermit- mit Angabe von Daten, Orten, Namen, Tätern, telt werden kann. Die Wiedergutmachung natio- weiteren Opfern und vielem mehr. Das alles soll nalsozialistischen Unrechts wandelt sich insofern irgendwann einmal vollständig und einheitlich von einem aktiven Unterstützungsprogramm für zugänglich gemacht werden. Diese Dokumente die Opfer der Verfolgung hin zu Aktivitäten, bei sind nicht nur für die wissenschaftliche Forschung denen die Vermittlung dessen, wie die Bundesre- von unschätzbarem Wert, sondern in gleichem publik aktiv Verantwortung übernommen hat, im Maße für Angehörige und Nachkommen der Opfer Mittelpunkt steht. und Überlebenden sowie als Beitrag für Maßnah- men der sogenannten Holocaustbildung zu sehen. 14
Wiedergutmachung - Außergesetzliche Entschädigungsleistungen des Bundes Regelungen zur Entschädigung von NS-Unrecht 2. Außergesetzliche Entschädigungsleistungen des Bundes 2.1 Härteregelung für Opfer seinerzeit keine diplomatischen Beziehungen pseudo-medizinischer unterhielt. Anträge von Staatsangehörigen die- ser Staaten (Polen, ehemalige CSSR, Jugoslawien, Versuche Ungarn und Rumänien) wurden im Auftrag der Personen, die infolge der in mehreren nationalso- Bundesregierung von einer hierfür gebildeten zialistischen Konzentrationslagern vorgenomme- Neutralen Kommission des Internationalen Komi- nen pseudo-medizinischen Versuche einen ver- tees vom Roten Kreuz (IKRK) in Genf in Einzelver- folgungsbedingten Gesundheitsschaden erlitten fahren geprüft und aus den durch die Bundesregie- haben, hatten Anspruch auf Entschädigung wegen rung zur Verfügung gestellten Mitteln entschädigt. Schadens an Körper oder Gesundheit zunächst nach landesgesetzlichen Regelungen, später dann In dem Bestreben, die Entschädigung für diese nach dem Bundesergänzungsgesetz (BErgG) von Versuchsopfer möglichst bald abzuschließen, ent- 1953, abgelöst durch das Bundesentschädigungsge- schloss sich die Bundesregierung im Einverneh- setz (BEG) von 1956, sowie aus einem Sonderfonds men mit dem IKRK, zugunsten der noch nicht ent- nach Artikel V BEG-Schlussgesetz von 1965. schädigten Antragsteller, die mit einer positiven Entscheidung rechnen konnten, Globalabkommen Für Opfer pseudo-medizinischer Menschenversu- mit Jugoslawien, der damaligen CSSR, Ungarn und che, die nicht aus Gründen der politischen Geg- Polen abzuschließen. nerschaft, der Rasse, des Glaubens oder der Welt- anschauung geschädigt worden sind oder die nicht die gesetzlichen Wohnsitz- und Stichtagsvoraus- 2.2 Fonds für von den Nürnberger setzungen erfüllen oder nicht die Antragsfristen Gesetzen Betroffene eingehalten haben, schuf die Bundesregierung bereits durch Kabinettbeschluss vom 26. Juli 1951 Bereits im Vorfeld des Luxemburger Abkommens eine Härteregelung in Form einer einmaligen Für- wurde 1952 der Fonds für die von den Nürnber- sorgeleistung. Nicht unter diese Regelung fallen ger Gesetzen Betroffenen gegründet (NGJ-Fonds). wegen ihres durch höchstrichterliche Rechtspre- Auch dieser Personenkreis war von der Verfolgung chung bestätigten streng subsidiären Charakters betroffen, da die Nationalsozialisten nicht von reli- alle Personen, die bereits eine anderweitige Ent- giösen, sondern von rassischen Vorstellungen aus- schädigung erhalten haben oder die zu dem Perso- gingen und somit als Juden auch diejenigen verfolg- nenkreis gehören, der durch Globalabkommen der ten, die nicht der jüdischen Glaubensgemeinschaft Bundesrepublik Deutschland mit einer Reihe von angehörten, aber nach der nationalsozialistischen europäischen Staaten begünstigt ist (vgl. unter 1.10). Rassenlehre als Juden angesehen wurden. Die ursprünglich gebietsmäßig begrenzte Regelung wurde durch weiteren Beschluss vom 22. Juni 1960 Zuwendungen aus dem Fonds (in der Fassung vom angesichts der besonderen Unmenschlichkeit der 15. September 1966 – BAnzNr. 178 vom 22. Septem- pseudo-medizinischen Versuche dahin gehend ber 1966) können Personen erhalten, die wegen erweitert, eine Beihilfe auch solchen Opfern von ihrer jüdischen Abstammung im Sinne der Nürn- Menschenversuchen zu gewähren, die in Staaten berger Gesetze von 1935 verfolgt wurden oder als leben, mit denen die Bundesrepublik Deutschland nahe Angehörige von der Verfolgung mit betroffen 15
Wiedergutmachung - Außergesetzliche Entschädigungsleistungen des Bundes Regelungen zur Entschädigung von NS-Unrecht waren. Außerdem dürfen sie weder zum Zeitpunkt 2.3 Außergesetzliche Regelungen der Verfolgung noch der Entscheidung über ihren für jüdische Verfolgte Beihilfeantrag der jüdischen Glaubensgemein- schaft angehört haben oder angehören. Dies ist ein Nach Ablauf der Antragsfrist des BEG-Schlussgeset- entscheidendes Abgrenzungsmerkmal gegenüber zes zum Jahresende 1969 ergaben sich immer wie- der Zuständigkeit der Jewish Claims Conference der Härtefälle, bei denen die Fristversäumnis zum (JCC), die ausschließlich die Interessen der Glau- Leistungsausschluss führte. Hinzu kam, dass Ende bensjuden vertritt. der 1970er Jahre in verschiedenen osteuropäischen Staaten Ausreisemöglichkeiten für jüdische Bür- Zuwendungen aus dem Fonds für rassisch Ver- ger eingerichtet wurden, mit der Folge, dass eine folgte nicht jüdischen Glaubens können als einma- erhebliche Anzahl von jüdischen NS-Verfolgten aus lige oder laufende Beihilfen gewährt werden. Bei diesen Ländern nach Israel ausreisen konnte. Nach der Antragsbearbeitung werden neben der Schwere den bestehenden Vorschriften hatte diese Gruppe und den Auswirkungen der Verfolgung die wirt- keinen Anspruch auf Entschädigung. Das Parla- schaftlichen und persönlichen Verhältnisse der ment des Staates Israel, die Knesset, verlangte daher Antrag stellenden Person und ihrer unterhaltsver- Nachbesserungen in der deutschen Entschädi- pflichteten Angehörigen angemessen berücksich- gung. Dies führte dazu, dass der Deutsche Bundes- tigt. Die Höhe der laufenden Beihilfen wird nach tag in einer Entschließung vom 14. Dezember 1979 Richtsätzen festgelegt, die regelmäßig an die allge- (BT-Drs. 8/3511) die Bundesregierung aufforderte, meine wirtschaftliche Entwicklung angepasst wer- Härterichtlinien zu erlassen, nach denen dieser den. Einmalige Beihilfen werden allgemein zum Personenkreis Hilfen erhalten konnte. Nach die- Lebensunterhalt oder zweckgebunden zur Bestrei- sen Härterichtlinien vom 3. Oktober 1980 (BAnz tung anderweitig nicht gedeckter Krankheitskos- Nr. 192 vom 14. Oktober 1980) können jüdische ten oder zur Beschaffung von Hausrat und Beklei- NS-Verfolgte durch die Jewish Claims Conference dung gewährt. (JCC) Einmalbeihilfen in Höhe von 5.000 DM (2.556 Euro) erhalten. Anträge können formlos beim Bundesministe- rium der Finanzen, Dienstsitz Bonn (Kontakt vgl. Die genannten Richtlinien sind seit 1992 Bestand- Anlage 7, III), gestellt werden. Auf die Leistun- teil der sogenannten Artikel-2-Vereinbarung, die gen besteht kein Rechtsanspruch. Sie sind höchst- im Rahmen von Artikel 2 der Zusatzvereinbarung persönlicher Natur und weder übertragbar noch zum Einigungsvertrag zwischen der Bundesrepu- vererblich. blik Deutschland und der früheren DDR mit der JCC über die weitere Entschädigung bislang nicht Nach den Richtlinien des Fonds können auch Trä- entschädigter jüdischer NS-Verfolgter getroffen ger von Alters- oder sonstigen Heimen Zuschüsse wurde. In 2012, genau zwanzig Jahre nach Abschluss erhalten, sofern sie sich verpflichten, eine des Abkommens, wurden die bisher getroffenen bestimmte Anzahl von Heimplätzen nach Bedarf Absprachen in einer Neufassung dokumentiert. auf Dauer mit Leistungsberechtigten zu belegen. Danach kann jüdischen Verfolgten, die durch nati- onalsozialistische Gewaltmaßnahmen im Sinne von § 2 Bundesentschädigungsgesetz (BEG) unmit- telbar betroffen waren oder die ihre Eltern durch nationalsozialistische Gewaltmaßnahmen verlo- ren haben (als Kinder Verfolgte) und bislang keine Entschädigungsleistung erhalten haben, eine ein- malige Beihilfe in Höhe von 2.556 Euro gewährt werden. Im Rahmen des Härtefonds können auch 16
Wiedergutmachung - Außergesetzliche Entschädigungsleistungen des Bundes Regelungen zur Entschädigung von NS-Unrecht Anträge von Personen berücksichtigt werden, die Die Leistungsberechtigung ist nachzuweisen. Ist zum Zeitpunkt der Verfolgung noch nicht geboren ein Nachweis nicht möglich, kann die Leistungs- waren, aber als Kind im Mutterleib die Verfolgung berechtigung auch auf geeignete Weise glaubhaft der Mutter mit erlitten haben. gemacht werden. Die Leistung kann ganz oder teil- weise versagt werden, wenn sich der Antragstel- Über die Einmalzahlungen hinaus eröffnet das ler unlauterer Mittel bedient oder vorsätzlich oder Abkommen die Möglichkeit laufender monatlicher grob fahrlässig unrichtige oder irreführende Anga- Beihilfen für jüdische NS-Verfolgte, die sich in einer ben gemacht, veranlasst oder zugelassen hat. Sie wirtschaftlichen Notlage befinden und zusätzlich kann ganz oder teilweise zurückgefordert werden. ●● in einem Konzentrationslager oder Ghetto Die Verteilung der von deutscher Seite zur Verfü- im Sinne von § 42 Absatz 2 BEG inhaftiert gung gestellten Mittel wurde der JCC übertragen. waren oder Sie trifft in eigener Verantwortung die Entscheidun- ●● unter menschenunwürdigen Bedingungen gen im Einzelfall unter Zugrundelegung der in dem entweder in einem Versteck oder in der Abkommen festgelegten Kriterien. Anträge neh- Illegalität unter falscher Identität gelebt men die Büros der JCC entgegen (vgl. Anlage 7, V). haben. Über die Durchführung dieses Abkommens führt Die Bewilligung einer der beiden Formen der Bei- das Bundesfinanzministerium regelmäßig Gesprä- hilfe schließt grundsätzlich die jeweils andere aus. che mit der JCC mit dem Ziel der Anpassung der Einmalige Beihilfen aus deutscher Quelle stehen Leistungsberechtigung. der Bewilligung einer laufenden Beihilfe nicht entgegen. Inzwischen wurden auch solche Beihil- Der Bedarf an häuslicher Pflege und medizinischer fen in die Artikel-2-Vereinbarung einbezogen, die Betreuung der hoch betagten Überlebenden des aufgrund einer im Januar 1998 getroffenen Ver- Holocaust ist groß und in den vergangenen Jah- einbarung eine Entschädigung von in Mittel- und ren besonders stark gestiegen. Die JCC erhält daher Osteuropa lebenden jüdischen Verfolgten vorsah im Rahmen der Artikel-2-Vereinbarung ebenfalls (ehemaliger CEE-Fonds der JCC). Mittel, die der Erhaltung und Verbesserung der Pflege- und Betreuungsmöglichkeiten für jüdische Die laufende Beihilfe wird für die Dauer der wirt- Verfolgte im Sinne des § 1 BEG, insbesondere der schaftlichen Notlage gewährt. Bei der Bestimmung Pflege in der häuslichen Wohnumgebung dienen. des Einkommens bleiben Renten wegen Alters, ver- minderter Erwerbsfähigkeit sowie wegen Todes Nach intensiven Gesprächen anlässlich des 80. Jah- oder vergleichbare Leistungen unberücksichtigt. restages der historischen Kindertransporte nach der Reichspogromnacht am 9. November 1938 Auf Beihilfen nach der Vereinbarung besteht kein haben das Bundesministerium der Finanzen und Rechtsanspruch. Sie sind höchstpersönlicher Natur die JCC eine einmalige symbolische Zahlung von und weder übertragbar noch vererblich. Eine Aus- 2.500 Euro für die Teilnehmer der Kindertransporte zahlung an Dritte ist nicht zulässig. Eine Ausnahme vereinbart. hiervon gilt für den überlebenden Ehegatten oder, wenn dieser ebenfalls bereits verstorben ist, für die Mit den Kindertransporten gelangten rund 10.000 noch lebenden Kinder zur gesamten Hand, wenn jüdische Minderjährige ohne Begleitung ihrer der Leistungsberechtigte nach Antragstellung, Eltern vor allem bis zum Kriegsbeginn am 1. Sep- jedoch vor Entscheidung stirbt. In diesem Fall ist tember 1939 aus dem Deutschen Reich und den die Leistung auf bis zu 2.556 Euro begrenzt. von diesem annektierten oder besetzten Gebieten in sichere Staaten. Ziel war vornehmlich das Verei- nigte Königreich. 17
Wiedergutmachung - Außergesetzliche Entschädigungsleistungen des Bundes Regelungen zur Entschädigung von NS-Unrecht Mit der Einmalzahlung soll das besondere Schick- ●● Freiheitsentziehung in bestimmten sal dieser Kinder gewürdigt werden. Sie mussten Haftstätten bzw. Leben unter lagerhaft- noch in Friedenszeiten ihre Familien verlassen, in ähnlichen Bedingungen während mindes- vielen Fällen ohne sie jemals wiederzusehen. tens drei Monaten, wobei auch bei kürzeren Haftzeiten eine Einzelfallprüfung zugelassen Auch hier wurde die Verteilung der von deutscher wird. Seite zur Verfügung gestellten Mittel der JCC über- ●● Verstecktleben unter menschenunwürdigen tragen. Sie entscheidet im Einzelfall unter Zugrun- oder besonders erschwerten Bedingungen delegung der gemeinsam festgelegten Kriterien. oder in der Illegalität während mindestens Anträge auf diese Leistung nehmen ebenfalls die vier Monaten, wenn hierdurch ein nachhalti- Büros der JCC entgegen (vgl. Anlage 7, V). ger Gesundheitsschaden mit einem Grad der Behinderung (GdB) von mindestens 50 eingetreten ist. 2.4 Richtlinien für Verfolgte nicht jüdischer Abstammung Eine laufende Beihilfe aus dem WDF kann unter anderem nur erhalten, wer die deutsche Staatsbür- Für Verfolgte nicht jüdischer Abstammung hat die gerschaft besitzt und seinen Wohnsitz in Deutsch- Bundesregierung eine den für jüdische Verfolgte land hat. Ebenfalls berechtigt sind deutsche entsprechende Regelung in den „Richtlinien für die Volkszugehörige im Sinne des Bundesvertriebe- Vergabe von Mitteln an Verfolgte nicht jüdischer nengesetzes (BVFG). Abstammung zur Abgeltung von Härten in Einzel- fällen im Rahmen der Wiedergutmachung“ vom Auch auf Leistungen aus dem WDF besteht kein 26. August 1981 in der Fassung vom 7. März 1988 Rechtsanspruch. Sie sind höchstpersönlicher Natur getroffen (sogenannter Wiedergutmachungs-Dis- und weder übertragbar noch vererblich. positions-Fonds – WDF, BAnz Nr. 55 vom 19. März 1988). Über Anträge nach diesen Richtlinien entscheidet das Bundesministerium der Finanzen, Dienstsitz Nach dieser Regelung kann Verfolgten nicht jüdi- Bonn (vgl. Anlage 7, III). scher Abstammung, die durch nationalsozialisti- sches Unrecht Gesundheitsschäden erlitten haben und die aus Gründen politischer Gegnerschaft gegen den Nationalsozialismus oder aus Gründen der Rasse, des Glaubens oder der Weltanschauung durch nationalsozialistische Gewaltmaßnahmen verfolgt worden sind (§§ 1, 2 Bundesentschädi- gungsgesetz – BEG), aber aus formellen Grün- den keine gesetzlichen Entschädigungsleistun- gen erhalten konnten, einmalige Beihilfen bis zu 2.556 Euro und in besonderen Fällen auch laufende Beihilfen gewährt werden. Besondere Ausnahmefälle können vorliegen bei: ●● Haft in einem Konzentrationslager im Sinne des BEG während mindestens drei Monaten, wobei auch bei kürzeren Haftzeiten eine Einzelfallprüfung zugelassen wird. 18
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