Digitale Angebote erfolgreich vermarkten - Leitfaden zur Kommerzialisierung von digitalen Produkten und Services - BCG

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Digitale Angebote erfolgreich vermarkten - Leitfaden zur Kommerzialisierung von digitalen Produkten und Services - BCG
Digitale Angebote erfolgreich vermarkten

Leitfaden zur Kommerzialisierung von
digitalen Produkten und Services

                   in Kooperation mit

                                           Business Advisory
Digitale Angebote erfolgreich vermarkten

Leitfaden zur Kommerzialisierung von
digitalen Produkten und Services
2   DIGITALE ANGEBOTE ERFOLGREICH VERMARKTEN

        Inhalt

              Vorwort                                                                              5

              I.	Digitalisierung im Maschinenbau – Wachstumschancen versus Status quo            6

              II. Typen digitaler Leistungsangebote                                               9

                 Die vier Typen von digitalen ­Leistungen                                         11

              III.	Voraussetzungen für eine erfolgreiche Kommerzialisierung                      15

                 Muster und Methodiken bei der Kommerzialisierung digitaler L­ eistungen          16

              IV. Erfolgskonzepte zur Kommerzialisierung                                          18

                 Erfolgsmuster für den digitalen ­Leistungstyp 1: Integrale Produktverbesserung   18

                 Erfolgsmuster für den digitalen ­Leistungstyp 2: Komplementär­leistung           21

                 Erfolgsmuster für den digitalen ­Leistungstyp 3: Digitaler Mittler               24

                 Erfolgsmuster für den digitalen ­Leistungstyp 4: Digitale Innovation             27

              V. Handlungsempfehlungen                                                            30
ABBILDUNGSVERZEICHNIS       3

Abbildungsverzeichnis

   Abb. 1: Digitales Wachstumspotenzial deutlich über Wachstum der etablierten Kernmärkte                     6

   Abb. 2: Hohes Ambitionsniveau deutscher Maschinenbauer                                                     7

   Abb. 3: Einordnung digitaler Leistungen in zwei Dimensionen                                             10

   Abb. 4: Typische digitale Angebote führender Maschinenbauer                                             10

   Abb. 5: Entscheidungsbaum zur Einordnung neuer digitaler Leistungen                                     13

   Abb. 6: Voraussetzung für eine erfolgreiche Kommerzialisierung ist eine durchdachte Value Proposition   15

   Abb. 7: Erfolgsmuster für den digitalen Leistungstyp 1: Integrale Produktverbesserung                   18

   Abb. 8: Erfolgsmuster für den digitalen Leistungstyp 2: Komplementärleistung                            21

   Abb. 9: Erfolgsmuster für den digitalen Leistungstyp 3: Digitaler Mittler                               24

   Abb. 10: Erfolgsmuster für den digitalen Leistungstyp 4: Digitale Innovation                            27
4   DIGITALE ANGEBOTE ERFOLGREICH VERMARKTEN
VORWORT   5

Vorwort

   Die Digitalisierung eröffnet dem Maschinen- und       In diesem Leitfaden haben wir Erfolgskonzepte
   Anlagenbau neue Geschäftspotenziale. Viele            für unterschiedliche digitale Leistungen im
   Unternehmen arbeiten an der Entwicklung von           Maschinen- und Anlagenbau identifiziert.
   digitalen Services für ihre Kunden oder testen        Unsere Experten haben hierzu mehr als 20
   in Pilotprojekten neue datenbasierte Geschäfts-       Fallstudien erfolgreicher Digitalisierungsprojekte
   modelle. Die Chancen auf eine erfolgreiche            im Maschinen- und Anlagenbau sowie in
   Kommerzialisierung sind aufgrund des Nutzen­          vergleichbaren B2B-Branchen analysiert.
   versprechens für die Kunden groß. Digitale Ser-
   vices und Produkte können die Kostensituation         Die große Bandbreite der Aktionsfelder erforderte
   des Kunden verbessern – etwa durch eine höhere        zunächst eine Kategorisierung der digitalen
   Energie- und Rohstoffeffizienz –, sie können          Leistungen. Anhand der durchgeführten Analy-
   die Bedienbarkeit der Maschinen oder den              sen wurden die wesentlichen Stellhebel für die
   Aufwand bei der Wartung optimieren. Oder sie          Kommerzialisierung digitaler Leistungen defi-
   ermöglichen Umsatzsteigerungen, beispielsweise        niert. Maschinen- und Anlagenbauer, die digitale
   durch eine Erhöhung des Outputs, bessere Pro-         Services entwickeln und an neuen Geschäftsmo-
   duktqualität oder vereinfachte Administration.        dellen arbeiten, können sich daran orientieren.

   Die Erwartungen der Unternehmen an zukünf-            Der vorliegende Leitfaden „Digitale Angebote
   tige Erträge aus digitalen Leistungen sind ent-       erfolgreich vermarkten“ ist das Ergebnis
   sprechend hoch. Umso wichtiger ist es daher, die      eines gemeinsamen Projektes des Verbandes
   digitale Transformation strategisch voranzutrei-      Deutscher Maschinen- und Anlagenbau e. V.
   ben. Für die erfolgreiche Kommerzialisierung sind     (VDMA) und The Boston Consulting Group (BCG).
   die Definition des Kundennutzens und ein durch-
   dachter Anwendungsfall genauso wichtig wie            Wir wünschen Ihnen eine spannende Lektüre.
   die richtige Preis- und Marktangangsstrategie.

    Bianca Illner                                      Dr. Ralph Lässig
    Leitung Business Advisory                          Associate Director
    VDMA                                               Boston Consulting Group
6   DIGITALE ANGEBOTE ERFOLGREICH VERMARKTEN

        I. Digitalisierung im Maschinenbau –
           Wachstumschancen versus Status quo

               Digitale Wachstumsmärkte im Maschinenbau               Viele Unternehmen der Branche haben hohe
               Der Maschinen- und Anlagenbau kann mit Hilfe           Erwartungen an den zukünftigen Geschäftsbei-
               digitaler Innovationen interne Prozesse opti-          trag von digitalen Lösungen – das belegt eine
               mieren und sich mit digitalen Produkten und            BCG-Umfrage im Maschinen- und Anlagenbau
               Leistungen für produzierende Unternehmen aller         aus dem Jahr 2018. Demnach glauben 28 Prozent
               Branchen neue Geschäftsfelder erschließen. Das         der befragten Unternehmen, dass der Umsatz-
               Spektrum des möglichen Angebots ist sehr breit         anteil mit IoT-Lösungen in ihrem Unternehmen
               und reicht von Apps für Maschinenmonitoring            2023 bereits über fünf Prozent liegen wird. Das
               und Remote Service über Engineeringsoftware            wäre nahezu eine Verdopplung gegenüber 2018.
               und datengestützte Beratungsleistungen bis hin         Derzeit generieren nur 15 Prozent der befrag-
               zu digitalen Marktplätzen und digital gestützten       ten Unternehmen mehr als fünf Prozent ihrer
               Betreibermodellen.                                     Umsätze mit digitalen Lösungen.

               Während einige Unternehmen wie beispielsweise          Erwartung contra Status quo
               Siemens bereits Anfang der 2000er Jahre in den         Die Zukunftserwartung und die Beurteilung
               Markt für Industriesoftware eingestiegen sind, ist     des Status quo zeigen jedoch eine deutliche
               das Internet der Dinge (IoT – Internet of Things)      Diskrepanz. Denn trotz der erwarteten Umsatz-
               ein vergleichsweise neuer Markt. Im industriellen      steigerungen in den nächsten Jahren sehen die
               Bereich des Internets der Dinge prognostiziert         Unternehmen der Branche aktuell großen Nach-
               BCG der Branche Maschinen- und Anlagenbau              holbedarf auf dem Feld der Digitalisierung.
               für den Zeitraum zwischen 2018 und 2023 ein
               Umsatzwachstum von 32 Prozent. Bei der Indus-          Maschinen, Anlagen oder Komponenten sind
               triesoftware wird ein Wachstum von immerhin            schon überwiegend mit Informations- und
               acht Prozent erwartet.                                 Kommunikationstechnologien ausgestattet.
                                                                      Die während des Betriebs erhobenen Daten
                                                                      werden jedoch häufig nur für die Steuerung des

          Digitales Wachstumspotenzial deutlich über Wachstum der etablierten Kernmärkte
            # Industriesoftware                        #IoT (B2B Applikationen)

                                                                    CAGR +32 %

                        CAGR +8 %

               2017                 2023                    2017                 2023

          Abbildung 1                                                                                  Quelle: BCG Marktmodelle
DIGITALISIERUNG IM MASCHINENBAU – WACHSTUMSCHANCEN VERSUS STATUS QUO                        7

Hohes Ambitionsniveau deutscher Maschinenbauer
# Digitale Readiness          # Umsatz mit digitalen
  2017                          Leistungen 2023             • Digitale Technologien weitgehend
                                                              beherrscht, aber langsame
                                                              Umsetzung ins aktive Leistungsportfolio

                                                            • Weiterhin geringer Nutzungsgrad
                                                              erhobener Daten, v.a. für intelligente
                                                              datenbasierte Services

                                                            • Häufig "Task Force"-Organisation
      ~60 %                        ~70 %                      innerhalb bestehender Strukturen
 sind Neulinge bei             haben Umsatzziel >3 %          Bisher marginaler Umsatzbeitrag
 digitalen Produkten           vom Gesamtumsatz               ohne signifikante Profite
 und Services

                                                             Quelle: VDMA Industrie 4.0-Readiness Online-Selbst-Check 2017;
Abbildung 2
                                                                                                      BCG IoT Umfrage 2018

     laufenden Betriebs genutzt und damit nicht wei-       61 Prozent nahezu gleich groß. Datenbasierte
     ter aggregiert, analysiert und für die Entwicklung    Dienstleistungen bieten sie entweder gar nicht
     von digitalen Leistungen verwendet. Ein weiteres      oder nur ohne Vernetzung mit dem Kunden an.
     Problem sind die Nutzungsrechte der Daten. Viele      Hier ist jedoch zu berücksichtigen, dass es sich
     Maschinenbetreiber sind nicht bereit, ihre Daten      bei einem nicht unerheblichen Teil der befrag-
     zur Verfügung zu stellen – erst recht, wenn für sie   ten Unternehmen um Komponentenhersteller
     daraus kein Nutzen für das eigene Unternehmen         handelt, die per se nur begrenzt datengetriebene
     erkennbar ist.                                        Services anbieten können (Quelle: VDMA Indust-
                                                           rie 4.0-Readiness Studie Online-Selbst-Check).
     Der Verband Deutscher Maschinen- und Anla-
     genbau e. V. (VDMA) hat zwischen Januar 2017          Was die Digitalisierung hemmt
     und Juni 2018 rund 530 Unternehmen aus dem            Die Digitalisierung im industriellen Umfeld ist
     Maschinen- und Anlagenbau nach ihrer „Indus-          komplex. Der Maschinen- und Anlagenbau ist
     trie 4.0-Readiness“ befragt. Ergebnis: Mehr           traditionell sehr technik- und produktzentriert.
     als jedes zweite Maschinenbauunternehmen              Seit Längerem spielt aber die Digitalisierung in
     (57 Prozent) sieht sich selbst als Neuling in der     der Konstruktion von Produktionsanlagen und
     Digitalisierung, Nachholbedarf besteht dabei          Maschinen eine wichtige Rolle und hat die Kern-
     weniger bei technischem Know-how als bei              kompetenz der Branche erweitert. Es entsteht
     strategischen und organisatorischen Fragen rund       ein Markt, der weit über die klassische Maschine
     um die Vermarktung von digitalen Leistungen.          hinausgeht. Dabei stellen die notwendigen Kom-
     62 Prozent verfügen über keine oder nur wenig         petenzen für die Entwicklung digitaler Lösungen
     Erfahrung bei „Smarten Produkten“. Gefragt            zunehmend einen Engpass dar. Auch die Komple-
     wurde nach einer Erweiterung der eigenen Pro-         xität vieler IT-Projekte wird häufig unterschätzt.
     dukte um intelligente Komponenten, die mit dem        So verfügen zwar viele Unternehmen über das
     Hersteller in Verbindung bleiben, um beispiels-       Know-how zur Entwicklung von Automatisie-
     weise Remote Monitoring zu ermöglichen.               rungslösungen. Dabei wird aber oft verkannt,
                                                           wie groß der Schritt von dort beispielsweise bis
     Die Produkte der befragten Unternehmen                zur durchlässigen Einbindung von Enterprise
     besitzen entsprechend nur in geringem Maß             Software ist. Ein weiteres Hemmnis ist der lange
     Zusatzfunktionalitäten aus der Informations- und      Produktlebenszyklus bei Industrie- und Ferti-
     Kommunikationstechnik (IKT). Bei den „Datenge-        gungsanlagen von 20 bis 30 Jahren. Die Unter-
     triebenen Services“ ist der Anteil der Unterneh-      nehmen stehen vor der Herausforderung, beste-
     men, die keine oder wenig Erfahrung haben, mit        hende Fertigungsanlagen in digitale Lösungen
8   DIGITALE ANGEBOTE ERFOLGREICH VERMARKTEN

              einzubinden. Wie bei jeder Diversifizierung des      abschätzen, welcher Aufwand notwendig ist, um
              Portfolios sind dazu auch vergleichsweise hohe       das digitale Projekt erfolgreich zu vermarkten.
              Investitionen im Vorfeld notwendig, deren Return     Die Entwicklung von digitalen Leistungen setzt
              on Investment (ROI) auch bei den befragten           eine klare und nutzerzentrierte Zieldefinition
              Unternehmen nicht abschätzbar ist.                   voraus. Diese kann sich beispielsweise an Leis-
                                                                   tungskennzahlen einer Betreiberproduktion wie
              Am Aufbau digitaler Leistungsportfolios führt        Verfügbarkeit, Taktfrequenzen, Durchlaufzeiten
              kein Weg vorbei                                      oder Qualitätszeiten orientieren.
              Die Digitalisierung ist eine der großen Herausfor-
              derungen für die Maschinenindustrie. Sie bietet      Parallel zur Entwicklung und Umsetzung ist
              große Chancen, das eigene Angebotsportfolio          es essenziell, den aus dem Softwareanteil ent-
              auszubauen und damit auch dem Markteintritt          stehenden Nutzen für den Kunden konkret zu
              branchenfremder Unternehmen zuvorzukom-              quantifizieren. Auch muss die Vermarktung der
              men. Dazu müssen die Unternehmen neue                digitalen Leistung durchdacht und entsprechend
              Geschäftsmodelle entwickeln. Wichtige Fragen         vorbereitet werden. Bei vielen Maschinen- und
              sind dabei: Wie lassen sich Fertigungsanlagen in     Anlagenbauern besteht aber noch Unsicherheit,
              der produzierenden Industrie digital nachrüsten?     wie man die digitalen Leistungen am besten in
              Wie können neue digitale Leistungen entwickelt       den Markt bringt und welchen Preis man dafür
              werden, die eine Vernetzung und Optimierung          fordert.
              von Produktionsanlagen ermöglichen?
                                                                   Es gibt keinen Königsweg, kein Patentrezept,
              Digitale Produkte und Leistungen des Maschinen-      wohl aber Strategien, die eine erfolgreiche Kom-
              und Anlagenbaus haben ein großes Potenzial,          merzialisierung möglich machen.
              wenn sie strategisch durchdacht, geplant und
              konsequent durchgeführt werden: Kunden-
              nutzen, Preis und Marktangang sind dabei die
              wesentlichen Stellhebel für eine erfolgreiche
              Kommerzialisierung der entwickelten Produkte
              und Dienstleistungen. Viele Digitalisierungs-
              projekte in der Industrie scheitern nicht an der
              Technik. Die Unternehmen können aber oft nicht
TYPEN DIGITALER LEISTUNGSANGEBOTE   9

II. Typen digitaler Leistungsangebote
   Dieser Leitfaden gibt dem Maschinen- und Anla-       Die Erhöhung des Nutzenbeitrags für
   genbau bei der Kommerzialisierung von Digital-       den Kunden unterscheidet sich in
   leistungen eine wirkungsvolle Hilfestellung. Das
   Spektrum möglicher digitaler Leistungen und          •   inkrementelle Verbesserung bekannter KPIs
   Produkte ist im Maschinen- und Anlagenbau sehr
   groß, weil sie direkt mit der Nutzung des unter-     •   Quantensprung in bestehenden Nutzen­
   nehmenseigenen Primärproduktes verbunden                 dimensionen
   sein beziehungsweise auf dieses referenzieren
   können. Ein originärer Softwareentwickler oder       •   einer neuen Nutzendimension
   ein Digital-Start-up haben diesen strategischen
   Vorteil nicht. Es gibt bereits heute einige sehr     Mit diesen Dimensionen lassen sich bei den
   erfolgreiche Beispiele aus der Branche. Auch         untersuchten Erfolgsbeispielen vier Typen digi-
   Unternehmen aus vergleichbaren B2B-Branchen          taler Leistungsangebote identifizieren. Diese
   wie Automobilzulieferer, Medizintechnik, Chemie      weisen jeweils unterschiedliche Ausprägungen
   und Pharma liefern wertvolle Best Practices. Die     der wesentlichen Merkmale Nutzenbeitrag und
   folgende Kategorisierung digitaler Leistungsan-      Portfoliokontext der Leistungen auf.
   gebote basiert auf der Analyse solcher erfolg-
   reichen Beispiele. Die Angebote sind zwar völlig
   unterschiedlich und folgen auch anderen Regeln
   der Kommerzialisierung. Es gibt jedoch zwei
   grundsätzliche Kernmerkmale, anhand derer sich
   eine sinnvolle Zuordnung vornehmen lässt: der
   Portfoliokontext und der Nutzenbeitrag.

   Beim Portfoliokontext unterscheiden sich
   ­Leistungen, die

   •   vollständig in das Primärprodukt integriert
       sind – beispielsweise die Konnektivität von
       Maschinen

   •   das bestehende Produkt erweitern, aber nur in
       Verbindung mit dem Primärprodukt nutzbar
       sind – beispielsweise digital gestützte proak-
       tive Remote Services

   •   eigenständig nutzbar sind, aber einen Bezug
       zum bestehenden Produkt haben, beispiels-
       weise eine Engineering Software

   •   sich eigenständig, ohne Bezug zum Primar-
       produkt nutzen lassen – beispielsweise Cloud-
       Dienste
10   DIGITALE ANGEBOTE ERFOLGREICH VERMARKTEN

 Einordnung digitaler Leistungen in zwei Dimensionen
Nutzenbeitrag                                                              Portfolioevolution                                       Diversifizierung
für den Kunden

Neue Nutzen-
dimension                                                                                                                    Digital-
adressiert                                                                                                               Innovation

 Quantensprung                                                                           Komplementär-
 in bestehenden                           Integrale                                      leistung
 Nutzen-                                Produktver-
 dimensionen                             besserung
                                                                                                                             Digitaler
                                                                                                                             Mittler
 Inkrementelle
 Verbesserung

                            Eingebettet in            Erweiterung/Ergänzung             Eigenständige          Vollständig produkt-
                            bestehendes               des bestehenden                   Leistung mit Bezug zum unabhängige
                            Produkt                   Produkts                          bestehenden Produkt    Leistung
                                                                       Portfoliokontext der Leistung

 Abbildung 3                                                                                                                      Quelle: Experteninterviews

 Typische digitale Angebote führender Maschinenbauer
 Nutzenbeitrag der digitalen
 Leistung für Kunden
                                                             IoT-enabled Remote
 Neue Nutzen-                                          Betreibermodelle Anlagenbetrieb                         Digital-Innovation              IoT-
 dimension                                                                                                                                Basisdienste
 adressiert                                                                                                               Gesundheits-
                                                                                                 Digital Tracking         management
                                                                       Remote Service

 Quantensprung                                          Komplementär-                                                        Marktplatz
                                                          leistung                             Workflow-Software
 in bestehenden            Ersatzteile via 3D-Druck
 Nutzen-                                                           Anlagenleitstand        Datengestützte                     Digitales Wartungs-
 dimensionen                                                                               Prozessop mierung                    management
                                                                   Maschinenportal
                                                                                                          Engineering-
                                                                                                          Soware
                          Integrale Produktverbesserung                   Maschinen-
                                                                          monitoring      Digitaler
 Inkrementelle                                            Konfigura-                      Mittler
 Verbesserung              Maschinenkonnektvität
                                                            onstool
                                                                          Ersatzteil-
                                                                          versorgung

               Nutzen-        Eingebettet in              Erweiterung/Ergänzung Eigenständige                                  Vollständig produkt-
               verspre-       bestehendes                 des bestehenden       Leistung mit Bezug zum                         unabhängige
                chen          Produkt                     Produkts              bestehenden Produkt                            Leistung
                                                               Portfoliokontext der digitalen Leistung

 Abbildung 4                                                                                                                       Quelle: Experteninterviews
TYPEN DIGITALER LEISTUNGSANGEBOTE   11

Die vier Typen von digitalen                        Die Typen der digitalen Leistungsangebote reichen
­Leistungen                                         von Digital-Features, die das eigene Produkt ergän-
                                                    zen und damit aufwerten, bis hin zu völlig neuen
Leistungstyp 1: Integrale Produktverbesserung       digitalen Services und Leistungen. Die Grenzen
Die Funktionalität des Primärprodukts wird mit      sind nicht immer trennscharf. Es können auch
Hilfe digitaler Technologien erweitert, um die      Lösungen weiterentwickelt werden, bei denen
Wettbewerbsfähigkeit abzusichern oder auszu-        beispielsweise der Bezug zum Primärprodukt des
bauen.                                              eigenen Unternehmens wegfällt und die digitale
                                                    Leistung somit auch für Wettbewerbsprodukte
Leistungstyp 2: Komplementärleistung                oder in neuen Anwendungen nutzbar ist.
Das eigene Leistungs- und Produktprogramm
wird um eigenständige digitale Angebote ergänzt     Die Integrale Produktverbesserung ist in das
oder erweitert. In Verbindung mit den beste-        bestehende Produktportfolio des Unternehmens
henden Produkten bieten diese Angebote den          eingebettet oder ergänzt das bestehende Pro-
Kunden einen signifikanten zusätzlichen Nutzen.     dukt. Digitale, in die Kernprodukte integrierte
                                                    Zusatzleistungen werden in naher Zukunft zum
Leistungstyp 3: Digitaler Mittler                   Mindeststandard der Branche zählen. Sie können
Eigenständige digitale Leistungsangebote mit        vor allem vorhandene Umsätze absichern – zu
sichtbaren Kundennutzen, die einen Bezug zum        einem spürbaren Wachstum tragen sie jedoch
eigenen Primärprodukt haben, aber gegebenen-        nicht bei. Dennoch sind sie ein wichtiger ers-
falls auch mit Produkten anderer Hersteller nutz-   ter Schritt hin zum digitalen Produktportfolio
bar sind. Diese sollen dazu dienen, den Absatz      und bereiten den Weg, weitere Leistungen mit
des Primärgeschäfts anzukurbeln.                    einem höheren Nutzenbeitrag, die unabhängiger
                                                    vom eigenen Produkt sind, zu entwickeln und
Leistungstyp 4: Digitale Innovation                 erfolgreich zu vermarkten. So kann beispiels-
Es handelt sich um eine komplett eigenständige      weise ein Maschinenbauer standardmäßig alle
Leistung ohne direkten Bezug zum Primärpro-         Neumaschinen mit der eigenen Cloud-Lösung
dukt, die sich auch eigenständig vermarkten         verbinden. Auf diese Digitalinfrastruktur kann
lässt. Dies kann eine Software, eine Lösung mit     er dann sukzessive Services aufsetzen und Kom-
einem hohen Softwareanteil oder ein Geschäfts-      plementärleistungen wie etwa Remote Machine
modell sein.                                        Monitoring oder eine Online-Beratung zur opti-
                                                    malen Betriebsweise der Maschinen anbieten.
                                                    Eine solche Online-Beratung kann auf einer App
                                                    durch Wartungsvideos erfolgen und zusätzlich,
                                                    wenn Bauteile doch defekt sein sollten, durch
                                                    einen installierten QR-Scanner eine genauere
                                                    und schnellere Ersatzteilversorgung ermöglichen.
                                                    Oder das Maschinenbauunternehmen bietet
                                                    seinen Kunden eine Service-App mit kostenlosen
                                                    Basisfunktionen wie Dokumentation, Support
12   DIGITALE ANGEBOTE ERFOLGREICH VERMARKTEN

             oder Maschinenvisualisierung an. Perspektivisch      einen Mehrfachnutzen: variable verbrauchsab-
             können weitere Mehrwertfunktionen aufge-             hängige Abrechnung, die Investitions- und War-
             schaltet werden – Maschinenüberwachung,              tungsaufwände beinhaltet, anstatt fixer Kosten
             vorausschauende Wartung, Energie-Monitoring          für die Maschinen. Der Maschinenbauer wiede-
             oder Auftragsmanagement –, die dann als Kom-         rum kann Kunden langfristig an sich binden und
             plementärleistung im Abonnement buchbar sind.        die Umsätze verstetigen.
             Eine solche App bietet die Möglichkeit, sukzessive
             digitale Zusatzfunktionen anzubieten, die eine       Beim Digitalen Mittler handelt es sich um ein
             neue Nutzendimension eröffnen und sich ent-          eigenständiges digitales Leistungsangebot mit
             sprechend monetarisieren lassen.                     einem klar messbaren Nutzen für den Kunden.
                                                                  Zwingend hat die Leistung einen Bezug zur Pri-
             Die Komplementärleistung ergänzt oder erwei-         märleistung. So gibt es Marktbeispiele, die zwar
             tert das eigene Leistungsprogramm um autarke         auf eine Primärleistung referenzieren, aber dies
             digitale Angebote. In Verbindung mit den beste-      muss nicht zwingend das Produkt des eigenen
             henden Produkten bieten diese den Kunden             Unternehmens sein. Ein Beispiel hierfür sind
             einen signifikanten zusätzlichen Nutzen. So gibt     Engineering-Software oder datengestützte Pro-
             es im Maschinenbau eine Vielzahl von Condition       zessoptimierung. Hier profitiert das Unterneh-
             Monitoring Systemen, die das eigene Aggregat         men von seiner Expertise der Herausforderungen
             nutzungsbasiert prüfen und über den Anlage-          in den Prozessen der jeweiligen Abnehmer-
             leitstand der Gesamtproduktion des Kunden            branchen, weil die digitale Leistung exakt auf
             eingebunden sind. Solche Lösungen schonen            die Bedürfnisse eigener beziehungsweise ähn-
             das technische Personal des Kunden und werden        licher Primärprodukte zugeschnitten ist – und
             zumeist über Lizenzmodelle vertrieben. Ein wei-      entsprechend auch positive Effekte darauf hat.
             teres bekanntes Beispiel sind auch Betreibermo-      Der Baustoffhersteller Xella baut aktuell sein
             delle mit Vorteilen für Anbieter wie Kunden. Für     Geschäftsmodell vom reinen Materiallieferanten
             Letztere kann die Umwandlung von Fixkosten in        zum Lösungsanbieter aus. Bestandteil dieser
             verbrauchsabhängige Kosten durchaus attrak-          Strategie sind Building Information Modeling
             tiv sein und entsprechend einen hohen Nutzen         (BIM) Planungstools, die eine bessere Flächen-
             stiften – unabhängig von der Kernleistung. Sol-      und Raumausnutzung im Gebäude ermögli-
             che IoT-gestützten Betreibermodelle bieten sich      chen – aufbauend auf dem Portfolio und den
             immer dann an, wenn die Installationen in der        Materialspezifikationen von Xella.
             Fläche weit verteilt sind, beispielsweise Druck-
             luftkompressoren, Waagen oder Mess- und Prüf-        Einige Maschinenbauer bieten produktionsbe-
             geräte. Sensoren sammeln die Daten, übermit-         gleitende Prozessoptimierung an. Sie basiert auf
             teln sie in Echtzeit an eine Machine-to-Machine      Daten, die etwa über die verbaute Bestandssen-
             Plattform und von dort in die Cloud. Servicetech-    sorik geliefert werden, sowie auf Daten aus Soft-
             niker überall auf der Welt erhalten ihre Aufträge    wareleistungen wie Condition Monitoring oder
             aus der Cloud direkt auf ihre mobilen Endgeräte.     Predictive Maintenance. Abgedeckt werden dabei
             Für den Kunden haben diese Betreibermodelle          nicht nur Fertigungsabschnitte, in denen das
TYPEN DIGITALER LEISTUNGSANGEBOTE               13

                  eigene Primärprodukt eingesetzt wird, sondern        Die Digitale Innovation ist eine digitale Leistung
                  auch vor- und nachgelagerte Prozessschritte, bei     oder ein digitales Geschäftsmodell – beispiels-
                  denen eventuell Fremdprodukte installiert sind.      weise eine Software, die keinen direkten Bezug
                  Mit dem Kunden werden garantierte Leistungs-         zur Primärleistung hat und sich solitär vermark-
                  zahlen definiert, die sich aus der bestehenden       ten lässt. Damit diversifiziert das Unternehmen
                  OPEX-Struktur ableiten lassen. Der Vorteil für den   und kann sich unabhängig vom Primärprodukt
                  Kunden ist ein günstigerer Stückkostenpreis. Der     neue Einnahmequellen sichern.
                  Maschinenbauer kann neben den softwarege-
                  stützten Leistungen auch seine Serviceangebote       Digitale Innovation in Reinkultur betreibt bei-
                  und Verbrauchsmaterialien innerhalb der Pro-         spielsweise Amazon, ursprünglich Onlinehändler,
                  zessberatung integrieren. Wenn die festgelegten      der sein Angebot mit Amazon Web Services in
                  KPIs übererfüllt werden, kommen zudem erfolgs-       Richtung Cloud-Services diversifiziert hat. Auch
                  abhängige Bepreisungsmodelle zum Tragen.             Siemens hat sich bereits vor einigen Jahren mit
                                                                       Industriesoftware in einem für den Konzern
                                                                       damals völlig neuen Marktsegment etabliert.

Entscheidungsbaum zur Einordnung neuer digitaler Leistungen

                          Eigenständige                                                  Fundamentaler
                          Leistung ohne                                                   Mehrnutzen in            Digitale
                            Bezug zum                 Neben eigenem                       bestehenden/           Innovation
                          Primärprodukt                   auch mit                      neuen Dimensionen
                                                          fremdem          Nutzen?
                                                       Primärprodukt
                                                           nutzbar                         Signifikante
                                                                                          Verbesserung            Digitaler
                                                                                          bekannter KPIs          Mittler
               Eigen-       Nutzbar in           Her-
  ?           ständig-
                keit?
                          Verbindung mit
                           (physischem)
                          Primärprodukt
                                              stellerbe-
                                                zug?
                                                                                        Quantensprünge            Komple-
                                                                                         und/oder neue            mentär-
                                                      Anwendbar nur                     Nutzendimensionen         leistung
                                                      zusammen mit
                                                          eigenem          Nutzen?
                          Vollständig ins              Primärprodukt                      Inkrementelle            Integrale
                          Primärprodukt                                                   Verbesserung           Produktver-
                             integriert                                                   bekannter KPIs          besserung

Abbildung 5                                                                                                                Quelle: BCG/VDMA
14   DIGITALE ANGEBOTE ERFOLGREICH VERMARKTEN

             Leistungen der digitalen Innovation im Maschi-        Jeder dieser vier Typen von digitalen Leistungen
             nen- und Anlagenbau zeichnen sich dadurch aus,        verlangt eine spezifische Preisgestaltung und
             dass die Software unterschiedliche Herstellerge-      einen spezifischen Marktangang. Der Entschei-
             räte verbindet beziehungsweise ihre Leistungen        dungsbaum auf Seite 13 hilft Unternehmen
             auch für Produkte von Wettbewerbern verwendet         zunächst, neue digitale Leistungen in die vier
             werden kann. Beispielsweise Wartungsapps, die         Kategorien einzuordnen. Im ersten Schritt wird
             bei unterschiedlichen Produktionsanlagen ein          die Eigenständigkeit der Leistung unterschieden.
             effizientes Instandhaltungsmanagement ermög-          Ist die digitale Leistung vollständig in das eigene
             lichen. Bei der installierten Basis können Instand-   Produkt integriert, ist sie nur in Verbindung mit
             haltungsmanager für alle Aggregate Wartungs-          dem Kernprodukt nutzbar oder handelt es sich
             zyklen eingeben. Der Wartungstechniker kann sie       um eine eigenständige Leistung? Hier ist noch
             über mobile Endgeräte abrufen und abarbeiten.         einmal nach Herstellerbezug zu unterscheiden,
             Datenmanagementlösungen in der Medizintech-           das heißt: Ist die digitale Leistung ausschließlich
             nik können in Krankenhäusern oder Arztpraxen          mit eigenen oder auch mit Produkten von Wett-
             die Prozesse effizienter gestalten, indem sie die     bewerbern nutzbar? Zudem differenzieren sich
             Daten unterschiedlicher medizinischer Periphe-        die Leistungen nach den Nutzendimensionen für
             riegeräte verarbeiten und damit eine zentrale         den Kunden. Diese können von inkrementellen
             Datenarchivierung der digitalen Akte des Patien-      Verbesserungen über spürbare Nutzenerhö-
             ten möglich machen.                                   hung bis hin zu signifikanten Verbesserungen
                                                                   beziehungsweise fundamentalem Mehrnutzen
                                                                   reichen.
VORAUSSETZUNGEN FÜR EINE ERFOLGREICHE KOMMERZIALISIERUNG         15

                III. V
                      oraussetzungen für
                     eine erfolgreiche Kommerzialisierung

              Der Innovationsprozess für digitale Leistungen       Unternehmen eine völlig neue Leistung, die es
              erfolgt nicht linear. Die Entwicklung und das Ver-   vorher gar nicht gab? Die möglichen Nutzendi-
              marktungskonzept greifen eng ineinander und          mensionen sind unterschiedlich und reichen von
              müssen deshalb parallel ausgearbeitet werden.        Optimierungen des Bedienungskomforts – der
                                                                   Kunde kann Daten nicht nur direkt auf dem Dis-
              Die Ideenfindung sollte in Interaktion mit dem       play der Maschine, sondern unabhängig von Zeit
              Kunden stattfinden. Seine Probleme und seine         und Ort überall auf seinem Smartphone einse-
              Bedürfnisse müssen angesprochen und klar             hen – bis hin zu völlig neuen medienbruchfreien
              herausgearbeitet werden. Die iterative Produkt­      Prozessen. Beispielsweise eine IoT-Plattform, auf
              entstehung, ebenfalls in enger Kommunikation         der Unternehmen Rechenkapazitäten buchen
              mit den Kunden und gegebenenfalls mit den            können. Geräte und Maschinen lassen sich Plug-
              Nutzern, schafft einen Optimierungskreislauf, der    and-play anschließen, alle Daten werden in der
              die Marktnähe der Lösung sichert.                    Cloud gespeichert, ausgewertet, analysiert und
                                                                   zur weiteren Optimierung etwa der Steigerung
              Grundvoraussetzung für die Kommerzialisierbar-       der Verfügbarkeit oder der Anlageneffektivität
              keit ist ein gut durchdachtes Nutzenversprechen      genutzt.
              für den Kunden. Wie groß ist das Verbesserungs-
              potenzial der digitalen Lösung gegenüber der         Je größer das Verbesserungspotenzial einer
              analog bestehenden Lösung? Was hat der Kunde         Lösung, desto unabhängiger vom Primärprodukt
              davon, wenn er Daten nicht mehr nur an der           lässt sich die digitale Leistung kommerzialisieren
              Maschine, sondern auch auf mobilen Endgeräten        und eben auch individuell bepreisen. Die genaue
              einsehen kann? Stellt dies einen quantifizierbar     Ausgestaltung hängt letztlich vom jeweiligen
              monetären Mehrwert dar? Oder aber schafft das        Leistungstyp ab.

Voraussetzung für eine erfolgreiche Kommerzialisierung
ist eine durchdachte Value Proposition

                                      ?                   # Nutzenversprechen (Value Proposition)
                         Schritt 1:                         Spezifikation des Anwendungsfalls (Use Case)
                 Sicherstellung der                         Nutzenbeitrag für den Kunden (quantifizierbar)
              Kommerzialisierbarkeit                        Portfoliokontext

# Preisgestaltung                                                        # Marktangang
  Umsatzgenerierungsmodell               Schritt 2:                        Vertriebskanalmodell
  Preismodell inkl. Metrik                Aktive                           Kommunikationskonzept
  Preisfestsetzungsansatz             Kommerzialisierung                   Digitales Kooperationsmodell

Abbildung 6                                                                                          Quelle: BCG, VDMA
16   DIGITALE ANGEBOTE ERFOLGREICH VERMARKTEN

             Wie gehen Unternehmen hier bestmöglich               •   Ist die Reife des Marktes und der vorhandenen
             vor? Die erfolgreiche Kommerzialisierung setzt           Technik getestet?
             zunächst Vermarktungspotenzial voraus. Dieses
             lässt sich nur in engem Austausch mit Kunden         •   Sind die strategischen Ziele und die Bedeu-
             beziehungsweise der Zielgruppe identifizieren,           tung für das Unternehmen definiert?
             da bei neuen digitalen Leistungen weder der
             Wettbewerb noch Marktdaten einen belastbaren         •   Wurde die Investitionsplanung skizziert und
             Bezugsrahmen liefern, wie dies beim Primär-              ist die Wirtschaftlichkeit abgeschätzt?
             produkt und den daraus gewachsenen Wettbe-
             werbsbeobachtungen der Fall ist. Dann erfolgt        Preisgestaltung
             im zweiten Schritt die Kommerzialisierung des        Die Preisgestaltung ist von zentraler Bedeutung.
             digitalen Portfolioelements mit Preisgestaltung      Sie definiert den Umsatz- und Ergebnisstrom und
             und Marktangang.                                     ist ein wichtiges Marketinginstrument. Die Preis-
                                                                  gestaltung digitaler Leistungen ist aufgrund ihrer
             Wichtig ist die Spezifikation des Anwendungs-        Andersartigkeit im Vergleich zu analogen Produk-
             falls für die digitale Leistung. Nur wenn dieser     ten eine Herausforderung für Unternehmen.
             in allen Dimensionen sinnvoll durchdacht ist,        Die am weitesten verbreiteten Methoden zur
             besteht eine Chance der erfolgreichen Kommer-        Preisbildung sind die „Cost Plus“ Methode, die
             zialisierung.                                        Orientierung am Wettbewerb und die wert­
                                                                  orientierte Preisgestaltung. Viele Unternehmen
                                                                  kalkulieren auf Basis von Cost Plus. Hauptnach-
             Muster und Methodiken bei                            teile dieser Selbstkostenkalkulation: Es besteht
             der Kommerzialisierung digitaler                     die Gefahr, dass die Preise aufgrund der eigenen
             ­Leistungen                                          Kostenstruktur nicht das Marktpreisniveau
                                                                  treffen und damit das Marktpotenzial nicht voll
             Checkliste zur Beurteilung des Reifegrades           ausschöpfen. Insbesondere bei digitalen Leistun-
             der Use Case-Spezifikation                           gen mit hohen positiven Skaleneffekten ist die
             • Ist das Produkt technisch überhaupt                Methode nicht geeignet. Die Preisorientierung
                ­realisierbar?                                    am Wettbewerb setzt voraus, dass es vergleich-
                                                                  bare Produkte am Markt gibt. Bei Neuentwick-
             •   Ist das Marktpotenzial erfasst und die           lungen im digitalen Umfeld ist dies nicht immer
                 ­Wett­bewerbsdynamik verstanden?                 gegeben.

             •   Gibt es einen Bedarf und löst das Produkt Pro-   Hier bietet sich daher in erster Linie ein wertba-
                 bleme der aktuellen und potenziellen Nutzer?     siertes Preiskonzept an. Im Vordergrund stehen
                                                                  der Nutzen des Kunden und der damit für ihn
             •   Sind Differenzierungsmerkmale zu möglichen       geschaffene Wert. Der Nutzen kann dabei auch
                 Wettbewerbern definiert?                         die Ersparnis des Kunden, sprich Kostensenkun-
                                                                  gen oder die Erhöhung seiner Umsatzrendite,
VORAUSSETZUNGEN FÜR EINE ERFOLGREICHE KOMMERZIALISIERUNG        17

sein. So ist beispielsweise bei Software die Höhe     Vertriebseinheiten oder entsprechende Ver-
der Lizenzgebühren oftmals auf Basis des Ein-         triebspartner verkauft werden können. Eng damit
sparpotenzials des Kunden kalkuliert.                 verbunden sind Kommunikation und Marketing.
                                                      Mögliche Alternativen, die in der Praxis häufig
Wie viel Zeit, wie viel Material, wie viel Arbeits-   parallel genutzt werden, sind:
kraft spart er durch die digitale Leistung ein? Und
wie lassen sich diese Ressourcen gewinnbringend       •   Direktansprache der Bestandskunden
nutzen? Erhöht sich der Umsatz des Kunden
durch eine Erhöhung der Ausbringungsmenge,            •   Bildung von neuen Fokusgruppen, die einen
eine Steigerung der Qualität oder eine Verkür-            besonders hohen Nutzen durch die entwi-
zung der Lieferzeiten? Wie wirkt sich das auf             ckelte Leistung haben und dadurch besonders
seine Rendite aus? Diese Methode setzt voraus,            aufgeschlossen sind, Endkundenansprache
dass der Nutzen für den Kunden beziffert werden           und – besonders wichtig im digitalen Bereich
kann und dieser den Wertbeitrag auch erkennen
kann. Das Perceived Value Pricing basiert auf         •   digitale Ökosysteme mit intelligenten Anwen-
Modellrechnungen, da eine exakte individuelle             dungen und Services für Kunden und Partner.
Berechnung faktisch kaum möglich ist.
                                                      Grundsätzlich gibt es bei der letztgenannten
Beim Preis- oder Zahlungsmodell unterscheidet         Alternative folgende strategische Ausgestaltun-
man die indirekte Monetarisierung, die über das       gen: Das Unternehmen kann eine eigene digitale
Primärprodukt erfolgt, und die direkte Monetari-      Plattform als geschlossenes System aufbauen.
sierung, deren Bandbreite von kostenloser Nut-        Dies hat den Vorteil der größeren Kontrolle, auch
zung und Einmalzahlung bis hin zu unterschiedli-      Wettbewerber lassen sich damit ausschließen. Es
chen Formen wiederkehrender Zahlungen reicht.         ist allerdings auch schwieriger, die Plattform für
Diese können verbrauchsabhängig, an Lizenzen          Kunden attraktiv zu gestalten, wenn das Angebot
gebunden, beziehungsweise durch feste Raten           begrenzt ist. Eine Alternative sind offene part-
definiert sein.                                       nerschaftliche Systeme, die der eigenen digitalen
                                                      Leistung eine größere Verbreitungsbasis geben
Marktangang                                           und eine indirekte Vertriebsoption darstellen,
Die schnelle Penetration der Zielkundenbasis          da für den Kunden in solchen Netzwerken ein
und der Gewinn von Marktanteilen ist bei digi-        größeres Leistungsspektrum abgedeckt ist. Die
talen Produkten erfolgsentscheidend. Wichtige         hohe Angebotsdiversifizierung, die durch die
Hebel für den Marktangang sind Vertrieb, Kom-         Einbindung von Partnern entsteht, erhöht auch
munikation und Marketing sowie der Aufbau             die Attraktivität für den Kunden. Letztlich gibt
von Kooperationen und Netzwerken. Mögliche            es viele Spielarten, Netzwerke aufzubauen und
Vertriebskanäle reichen vom rein digitalen Web­       zu nutzen. Wichtig ist, dass sie die Kommerziali-
shop oder Marktplätzen bis hin zu Leistungen, die     sierungsstrategie der digitalen Leistung optimal
aufgrund ihrer Komplexität nur über die eigenen       stützen können.
18   DIGITALE ANGEBOTE ERFOLGREICH VERMARKTEN

                IV. Erfolgskonzepte zur Kommerzialisierung

               Digitale Produkte und Leistungen unterscheiden           Erfolgsmuster für
               sich in der Herstellung, Bereitstellung und Nut-         den digitalen ­Leistungstyp 1:
               zung wesentlich von analogen Produkten. Im               Integrale Produktverbesserung
               Folgenden werden die wichtigsten strategischen
               Schritte für die erfolgreiche Kommerzialisierung         Die Integrale Produktverbesserung ist in das
               digitaler Produkte und Leistungen der Maschi-            bestehende Produktportfolio des Unternehmens
               nen- und Anlagenbauunternehmen durchdekli-               eingebettet oder ergänzt das bestehende Pro-
               niert. Die beschriebenen aktuellen Praxisfälle           dukt. Der Preis ist vollständig in den Preis des
               sind den vier vorab definierten Leistungstypen           Primärprodukts integriert. Die Leistung bietet
               zugeordnet, die im Maschinen- und Anlagenbau             dem Kunden mindestens eine inkrementelle
               vorzufinden sind.                                        Verbesserung, im besten Fall sogar einen deutli-
                                                                        chen Mehrnutzen. Sie übersteigt allerdings nicht
                                                                        einen Nutzenschwellenwert für den Kunden, der
                                                                        eine eigenständige Monetarisierung ermöglichen
                                                                        würde. Ziel ist es, das aktuelle Preisniveau des
                                                                        Primärproduktes abzusichern und eine Basis für
                                                                        den Verkauf zusätzlicher Komplementärleistun-
                                                                        gen zu schaffen.

Erfolgsmuster für den
Erfolgsmuster         digitalen
                    für         ­LeistungstypIntegrale
                         Leistungstyp:        1: Integrale Produktverbesserung
                                                           Produktverbesserung
# Preisgestaltung          Umsatzgenerierungs-             Paket-        Individuelles      Lock-in
                                                          angebot          Angebot          & sell up
                                 modell

                                                           Indirekt
                                                             über                           Einmal-       Verbrauchs-        Lizenz/         Erfolgs-
                                  Preismodell              Primär-
                                                                           Umsonst
                                                                                            zahlung        abhängig        Feste Rate      beteiligung
                                                           produkt

                                                                                                                            Differen-
                          Preisfestsetzungsansatz       Kostenbasiert
                                                                          Zahlungs-
                                                                         bereitschaft
                                                                                            Nutzen-
                                                                                            quantifi-     Wettbewerbs-
                                                                                                                           ziert (nach
                                                                                                           orientiert     Zeit/Kunde/
                            inkl. -differenzierung                       des Kunden         zierung                          Geogra-
                                                                                                                              phie)

# Marktangang              Vertriebskanalmodell
                                                             Inte-
                                                          griert mit
                                                                           Webshop
                                                                                            Eigene
                                                                                           Vertriebs-
                                                                                                           Vertriebs-
                                                                                                                          Marketplace
                                                         Kerngeschäft                                       partner
                                                                                            einheit

                                                           Direkt-
                                                         ansprache          Fokus-         Endkunden-     Community-
                          Kommunikationskonzept         der Kunden-        gruppen          ansprache       building
                                                            basis

                                                                              Selbst-       Einzelnes
                                Digitales                                                                     Multi-
                                                                         kontrolliertes,   Ökosystem,
                                                         Proprietär                                       systemfähiges
                                                                          offenes Öko-       fremd-
                            Kooperationsmodell                               system        kontrolliert
                                                                                                             Angebot

 Abbildung 7                                                                                                                            Quelle: BCG, VDMA
ERFOLGSKONZEPTE ZUR KOMMERZIALISIERUNG     19

A. Preisgestaltung                                    jüngster Zeit gelingt es vereinzelt, eine Beprei-
Die Ziele sind Integraler Produktverbesserungen       sung von Teilen der bislang kostenlosen Web-
in der Regel der Erhalt oder Ausbau der bestehen-     Inhalte beim Kunden durchzusetzen.
den Wettbewerbsposition des Primärprodukts
oder die Kompensation eines potenziellen Preis-       Entscheidend für eine erfolgreiche und vor allem
verfalls. Weil die digitale Leistung untrennbar       nachhaltige Bepreisung ist es, den Nutzen für
mit dem Primärprodukt verbunden ist – also per        den Kunden auch klar an diesen zu kommunizie-
se nicht separat verkauft werden kann –, wird         ren. Mit steigendem Anteil digitaler Leistungs-
sie indirekt über das Primärprodukt bepreist.         bestandteile kann das Preis- und Rabattmodell
Dennoch sollte der enthaltene Nutzen, wenn            des Primärproduktes dann nach und nach in eine
möglich, gegenüber dem Kunden quantifiziert           gleichrangige Bepreisung von Software- und
werden.                                               Hardware-Elementen transformiert werden.

Idealerweise ist die Integrale Produktverbesse-
rung Bestandteil eines aufeinander aufbauenden
digitalen Leistungsportfolios, für das Lock-in-
Effekte beim Kunden erzielt werden – je höher         B. Marktangang
die Wechselkosten, desto stärker die Kundenbin-       Die bestehenden Vertriebskanäle für das Primär-
dung.                                                 produkt werden genutzt. Möglicherweise erfor-
                                                      dert die integrale digitale Leistung einen zusätzli-
Grundsätzlich stellt sich die Frage: Wird die Inte-   chen digitalen Vertriebskanal, etwa in Form eines
grale Produktverbesserung durch einen Preisauf-       Online-Zugangs zu After-Sales-Services. Dieser
schlag ausgewiesen oder wird sie als kostenloses      sollte aber ebenfalls in den Kern- oder im Service-
Feature mitgeliefert?                                 vertrieb integriert werden.

Die Bestimmung des Mehrwerts für den Kunden           Die bestehenden Zielgruppen werden proaktiv
sollte, wenn möglich, quantitativ als Eingangs-       angesprochen. Vor dem Hintergrund einer Erwei-
größe in die Kalkulation des Preises für das Pri-     terung der digitalen Leistungspalette werden
märprodukt einfließen und als eigene Position         offene flexible Schnittstellen für die Anbindung
im Angebot erscheinen. Hierbei sollte allerdings      an fremde Partnernetzwerke geschaffen, indem
vermieden werden, lediglich einen virtuellen          die Leistung beispielsweise auf Branchenplattfor-
Preis auszuweisen, diesen dann aber nicht einzu-      men oder Plattformen von Anbietern mit komple-
fordern und die Leistung kostenlos zur Verfügung      mentären Leistungen platziert wird.
zu stellen. Dies erzeugt beim Kunden erfahrungs-
gemäß nicht den gewünschten Rabatteffekt,
vielmehr tritt ein Gewöhnungseffekt ein. Es fällt     C. Praxisbeispiel
dann in der Folge schwerer, digitale Leistungen       Vom Holzverarbeiter zum Upselling-Strategen
entsprechend ihres Mehrwertes zu bepreisen. So        Die Michael Weinig AG ist der weltweit größte
hat das Verlagswesen über viele Jahre redaktio-       Hersteller von Maschinen und Systemen in der
nelle Inhalte im Internet kostenlos zur Verfügung     Massivholzbearbeitung und hat weltweit Instal-
gestellt, was die Auflagen der kostenpflichti-        lationen im Einsatz.
gen Printprodukte und damit die Einnahmen
der Branche erheblich vermindert hat. Erst in         Seit 2015 bietet das Unternehmen seinen Kun-
                                                      den die Weinig-App Suite mit vielen Services
                                                      rund um die Holzverarbeitung, wie beispiels-
                                                      weise Tools für Winkelberechnungen oder
                                                      Hobelschrittrechner. Herzstück der App ist der
20   DIGITALE ANGEBOTE ERFOLGREICH VERMARKTEN

             Maschinenmonitor. Weltweit können Weinig-           den Preispunkt des Primärproduktes zu stüt-
             Kunden den aktuellen Status ihrer Maschinen         zen. Gleichzeitig ist damit die Basis für weitere
             sowie laufende und produzierte Aufträge über        zusätzliche Komplementärleistungen geschaffen.
             das Smartphone abrufen. Durch das Produktions-
             monitoring erhält der Anwender Auswertungen         Die Preisfestsetzung für die Mehrwertleistun-
             bezüglich der Maschinenverfügbarkeit sowie          gen orientiert sich an der Zahlungsbereitschaft
             Wartungsintervalle direkt auf das Mobilgerät.       der Kunden und an Wettbewerbsangeboten.
             Auch können die Nutzer zu den regionalen Ser-       Die Weinig-App Suite wird bei Bestandskunden
             vicepartnern verlinkt werden. Weinig betreibt       beworben und über den Google Play-Store bezie-
             diese digitalen Lösungen zurzeit über eine          hungsweise den Apple App-Store distribuiert.
             geschlossene Cloud, geplant ist die Nutzung von
             Siemens Mind­Sphere, um internationale Kunden       Zusammengefasst:
             besser einbinden zu können.                         Preisgestaltung
                                                                 • Vollständige Integration des Preises für das
             Die Weinig-App Suite ist ein klassisches Beispiel      Digitalprodukt in den Preis des Primärprodukts
             für eine Integrale Produktverbesserung, die
             jedoch auch aufeinander aufbauende Komple-          •   Klare Kommunikation des Mehrwerts für den
             mentärleistungen anbietet. Die App-Funktionen           Kunden
             sind mit Weinig-Maschinen verbunden, nur
             wenige Zusatzfeatures lassen sich unabhängig        •   Fokus auf Erhalt der Wettbewerbsfähigkeit des
             vom Primärprodukt einsetzen. Die Registrierung          Primärproduktes und/oder die Kompensation
             für die App ist kostenlos ebenso wie die Nutzung        eines potenziellen Preisverfalls
             der Basisfunktionen wie etwa die Anzeige des
             Weinig Maschinenparks und der lokalen Service-      Marktangang
             partner. Weitere Mehrwertfunktionen werden          • Marktangang erfolgt zusammen mit dem
             über In-App-Käufe entweder als Einzelleistung         Primärgeschäft
             oder im Abonnement verkauft. Dazu gehören
             beispielsweise das Maschinenmonitoring mit          •   Zusätzlich Promotion weiterer, auf die inte-
             Produktions-Auftragsmanagement und das Con-             grale Digitalleistung aufbauender digitaler
             dition Monitoring von Spindeln. Weinig arbeitet         Leistungsangebote
             an zusätzlichen modularisierten Einzelleistun-
             gen, die die Gesamtverfügbarkeit der Anlage         •   Proprietäre digitale Lösung mit offenen
             erhöhen sollen.                                         Schnittstellen

             Das Unternehmen verfolgt hier eine Upselling-
             Strategie, indem der Kunde zunächst durch
             kostenlose Services an das Stammportfolio
             gebunden wird. Ziel ist es, zunächst einmal
ERFOLGSKONZEPTE ZUR KOMMERZIALISIERUNG                         21

              Erfolgsmuster für                                         verfügt oftmals nicht über die notwendigen
              den digitalen ­Leistungstyp 2:                            Kenntnisse. Deshalb benötigt die Komplemen-
              Komplementär­leistung                                     tärleistung für die Anlaufphase zumindest eine
                                                                        eigenständige Vertriebseinheit. Alternativ kann
              Die Komplementärleistung ergänzt oder erwei-              auch eine Geschäftseinheit gegründet werden,
              tert das eigene Leistungsprogramm um autarke              die sich auch aus digitalen Vertriebsmitarbeitern,
              digitale Angebote. In Verbindung mit den beste-           dem Produktmanagement, dem Service und oder
              henden Produkten bieten diese den Kunden                  auch dem strategischen Marketing zusammen-
              einen signifikanten zusätzlichen Nutzen. Die              setzt. Von zentraler Bedeutung ist zudem der
              Bepreisung der Komplementärleistung kann als              aktive Aufbau eines offenen Technologiepartner-
              Einmal- oder fortlaufende Zahlung konzipiert              Netzwerks, um zusammen mit den anderen
              werden, je nachdem, ob die Nutzungsintensität             Anbietern abgestimmte Leistungen für die
              des Kunden messbar ist. Hier ist auch die CAPEX/          gleiche Zielgruppe zu entwickeln. Dies könnten
              OPEX-Präferenz des Zielkunden wichtig.                    beispielsweise produktionsprozessübergreifende
                                                                        Partner sein, die gemeinsam mit ihren Teilleis-
              Die Komplementärleistung unterscheidet sich               tungen eine bessere Gesamtanlageneffektivität
              grundsätzlich vom Primärprodukt, da sie sehr              (OEE – Overall Equipment Effectiveness) beim
              viel softwarelastiger ist. Der bestehende Vertrieb        Zielkunden sicherstellen.

Erfolgsmuster für den
Erfolgsmuster      fürdigitalen L­ eistungstypKomplementärleistung
                        Leistungstyp:          2: Komplementär­leistung

  Preisgestaltung          Umsatzgenerierungs-              Paket-       Individuelles        Lock-in
                                                           angebot         Angebot            & sell up
                                modell

                                                           Indirekt
                                                            über                               Einmal-      Verbrauchs-      Lizenz/         Erfolgs-
                                  Preismodell              Primär-
                                                                           Umsonst
                                                                                               zahlung       abhängig      Feste Rate       beteiligung
                                                           produkt

                                                                                                                             Differen-
                         Preisfestsetzungsansatz        Kostenbasiert
                                                                           Zahlungs-          Nutzen-                       ziert (nach
                                                                                                                           Zeit/Kunde/
                           inkl. -differenzierung                         des Kunden           zierung                       Geogra-
                                                                                                                               phie)
                                                             Inte-
# Marktangang              Vertriebskanalmodell
                                                          griert mit
                                                         Kerngeschäft      Webshop
                                                                                              Eigene
                                                                                             Vertriebs-
                                                                                                             Vertriebs-
                                                                                                                           Marketplace
                                                            (Neu/                                             partner
                                                                                              einheit
                                                           Service)

                                                            Direkt-
                                                          ansprache          Fokus-         Endkunden-      Community-
                                                         der Kunden-        gruppen          ansprache        building
                                                             basis

                                                                             Selbst-          Einzelnes
                                Digitales                 Proprietär
                                                                         kontrolliertes,     Ökosystem,     Multisystem-
                                                                          offenes Öko-         fremd-         fähiges
                            Kooperationsmodell                               system          kontrolliert    Angebot

Abbildung 8                                                                                                                              Quelle: BCG, VDMA
22   DIGITALE ANGEBOTE ERFOLGREICH VERMARKTEN

             A. Preisgestaltung                                   B. Marktangang
             Als eigenständige Leistung mit messbarem,            Idealerweise werden Bestandskunden direkt
             signifikant operativem oder finanziellem Zusatz-     angesprochen. Um der Komplexität der digita-
             nutzen für den Kunden soll und kann die Komple-      len Produkte gerecht zu werden, empfiehlt es
             mentärleistung separat bepreist werden. Vertrie-     sich, den originären Vertrieb mit einer neuen
             ben wird sie einzeln oder im Verbund mit dem         Vertriebseinheit zu unterstützen. Die beiden
             Primärprodukt. Aufgrund der Eigenständigkeit ist     Einheiten betreuen die Kunden in der Markt-
             die Komplementärleistung auch als alternatives       einführungsphase gemeinsam. Ein „Double
             Geschäfts- und Umsatzgenerierungsmodell zur          Accounting“-Anreizsystem fördert die Zusam-
             Primärleistung denkbar.                              menarbeit und verhindert internes Konkurrenz-
                                                                  denken. Schrittweise kann dann die gesamte
             Die Preisgestaltung ist abhängig von der Art der     Vertriebsorganisation für den Verkauf digitaler
             Leistung. Fortlaufende verbrauchsabhängige           Leistungen qualifiziert werden, so dass dann die
             Zahlungen setzen voraus, dass der Verbrauch          Einheiten zusammengelegt werden können.
             messbar ist, etwa bei Betreibermodellen. Hier
             orientiert sich die verbrauchsabhängige Beprei-      Viele Komplementärleistungen funktionieren
             sung meistens an den variablen Kosttreiber beim      gegebenenfalls auch unabhängig vom Primär-
             Kunden. Remote-Lösungen werden häufig als            produkt, lassen sich dann aber nicht vermarkten.
             Lizenzmodelle verkauft. Einmalzahlungen bieten       Die Konzentration weiterer komplementärer
             sich für On-Premise-Lösungen an, gegebenenfalls      Leistungen in einem Netzwerk kann für Kunden
             können sie mit laufenden Wartungs- oder Ser-         und Anbieter ein hochattraktives Partnernetz-
             vicegebühren gekoppelt werden.                       werk schaffen, von dem letztlich alle Teilnehmer
                                                                  profitieren.
             Um die Einstiegshürde möglichst gering zu
             halten, ist ein Freemium-Modell oder eine kos-       Die Gefahr, sich bei Digitalprojekten zu über-
             tenlose Testphase unbedingt empfehlenswert.          nehmen, wird reduziert, wenn Unternehmen bei
             Komplementärleistungen müssen die kritische          der Erstellung von Komplementärleistungen auf
             Nutzeranzahl überschreiten, insofern ist das         die eigenen Kernkompetenzen fokussieren und
             erste Ziel nicht die Kostendeckung, sondern der      gleichzeitig aktiv ein branchen- oder segment-
             Gewinn von Marktanteilen.                            spezifisches Partnernetzwerk mit weiteren
                                                                  komplementären Angeboten aufbauen. Solche
             Der geeignete Zielpreis lässt sich basierend auf     Communitys leben von ihrer Offenheit. Es ist kei-
             quantifiziertem Kundennutzen, Zielkosten und         nesfalls notwendig, diese Netzwerke zu dominie-
             der Zahlungsbereitschaft ermitteln. Weitere          ren. Im Gegenteil: Dadurch verlieren sie häufig an
             Markierungen für den Preis sind – falls vorhan-      Dynamik. Die Gruppenbildung in offenen Netz-
             den – die Preise von Wettbewerbern. Wichtig          werken kann dagegen für Kunden ein attraktives
             ist es, im Zuge der Anlaufphase Spielräume zur       Umfeld schaffen. Gleichzeitig bietet es für die
             Preisadjustierung einzuplanen. Zudem kann die        Anbieter die Möglichkeit, die Entwicklung digita-
             Preisgestaltung auch differenziert nach Kunden       ler Angebote in der Branche mitzugestalten.
             mit Hilfe zentral gesteuerter Preisarchitekturvor-
             gaben erfolgen.
ERFOLGSKONZEPTE ZUR KOMMERZIALISIERUNG   23

C. Praxisbeispiel                                    Converting 4.0 wird zwar von Kampf maß-
Vom Maschinenbauer zum digitalen Netzwerker          geblich vorangetrieben, aber nicht gesteuert.
Kampf Schneid- und Wickeltechnik gehört zu           Mittlerweile haben sich mehr als 50 Partner aus
den weltweit führenden Anbietern von großen          Industrie, Forschung und Verbänden hier zusam-
Maschinen zur Herstellung und Verarbeitung von       mengeschlossen, um gemeinsam praxistaugliche
Folien aller Art. Die Maschinen stehen in mehr als   Digitalanwendungen für die Folienindustrie zu
3500 Fabriken weltweit. Gemeinsam mit Part-          entwickeln. Kampf ist zudem Gründungsmitglied
nern hat das Unternehmen die Plattform the@          im Verein MindSphere World, der Lösungen von
vanced entwickelt. Die integrative Softwareplatt-    cloudbasierten IoT-Betriebssystemen erarbeitet.
form bietet effizienzsteigernde digitale Zusatz-
funktionen für den Betrieb von Maschinen und         Zusammengefasst:
Anlagen wie beispielsweise die Überwachung
von Produktionsprozessen auf mobilen Endgerä-        Preisgestaltung
ten. Die Plattform integriert Zusatzaggregate und    • Eigenständige Bepreisung der
sorgt für die Konnektivität und Interoperabilität       digitalen Leistung
mit digitalen Unternehmensinfrastrukturen.
Zunächst wurde the@vanced als On-Premise             •   Einmal- oder fortlaufende Zahlung für die
Plattform entwickelt – die Lösung lief auf einem         Leistung, abhängig vom Betriebsmodell und
Server beim Kunden vor Ort.                              der CAPEX/OPEX-Präferenz der Zielkunden

 Der Datenfluss aller vernetzten Maschinen kann      •   Freemium-Modell oder kostenlose Testphase
 damit automatisiert überwacht und analysiert
 werden. Um auch Maschinen an anderen Stand-         •   Multidimensionale Bestimmung des Zielprei-
 orten anbinden zu können, wurde schließlich             ses über Zahlungsbereitschaft, Nutzenquan-
 eine Cloud-Lösung entwickelt. Damit können sich         tifizierung und gegebenenfalls Marktpreisni-
 Maschinenbediener jederzeit über den Status             veau
 der Maschine informieren. Aufgrund des Echtzeit-
 Monitorings lässt sich die Produktivität bei        Marktangang
­sinkenden Wartungskosten steigern. Das              • Direktansprache der bestehenden Kundenbasis
 the@vanced Software- und Servicepaket kann
 kostenlos getestet werden. Die weitere Verwen-      •   Eigenständige Vertriebseinheit für die Anlauf-
 dung ist kostenpflichtig, Nutzer können dafür           phase erforderlich, eng vernetzt mit bestehen-
 Lizenzen erwerben. Dabei gibt es je nach Leis-          der Vertriebsorganisation
 tungspaket und Maschinentypen differenzierte
 Preise.                                             •   Aktiver Aufbau eines offenen Technologiepart-
                                                         ner-Netzwerks mit weiteren komplementären
the@vanced ist im Rahmen von Converting 4.0              Leistungen
entstanden – ein interdisziplinäres Netzwerk,
das neue digitale Ideen für die Optimierung der
Produktion in der Folienherstellung entwickelt.
Ziel der Zusammenarbeit ist es, Lösungen anzu-
bieten, die den gesamten Produktionsprozess
eines Fabrikbetreibers abdecken können und die
Verfügbarkeit des installierten Maschinenparks
steigern. Eine solche branchenübergreifende
Entwicklung ist nur in einem großen Partnernetz-
werk möglich.
24   DIGITALE ANGEBOTE ERFOLGREICH VERMARKTEN

               Erfolgsmuster für den digitalen                           hoch, wird sie nicht mehr als Digitaler Mittler
               ­Leistungstyp 3: Digitaler Mittler                        wahrgenommen. Als autarke Leistung ist ein
                                                                         eigenständiger Vertrieb unerlässlich, der eng mit
               Beim Digitalen Mittler handelt sich um ein                dem Stammvertrieb zusammenarbeitet.
               eigenständiges digitales Leistungsangebot mit
               einem klar messbaren Nutzen für den Kunden.               Zu diesem Leistungstyp gibt es noch wenige
               Zwingend hat die Leistung einen Bezug zur                 Anwendungsbeispiele, wie beispielsweise die
               Primärleistung. Sie kann jedoch auch in Wettbe-           digitale datenbasierte produktionsbegleitende
               werbsprodukte und andere komplementäre End-               Prozessoptimierung, die nicht nur die Primär-
               peripherien integriert werden und dient weiter            produkte des Anbieters, sondern auch Produkte
               dazu, den Absatz des Primärgeschäfts anzukur-             der Wettbewerber abdeckt. Die Potenziale dieses
               beln. Der Fokus liegt also klar auf einem Lock-in         Leistungstyps sind für den Maschinen- und Anla-
               & Sell-up-Effekt für das Kernproduktportfolio. In         genbau vielversprechend.
               der Standardversion kann die digitale Leistung
               kostenlos angeboten werden, gegebenenfalls
               ist eine Erfolgsprämie sinnvoll. Diese muss aber
               deutlich unter der Zahlungsbereitschaft der
               Kunden für die Leistung liegen. Ist der Preis zu

 Erfolgsmuster für den digitalen Leistungstyp 3: Digitaler Mittler
Erfolgsmuster für Leistungstyp: Digitaler Mittler
# Preisgestaltung           Umsatzgenerierungs-             Paket-        Individuelles       Lock-in
                                                           angebot          Angebot           & sell up
                                 modell

                                                           Indirekt
                                                             über                              Einmal-      Verbrauchs-        Lizenz/         Erfolgs-
                                  Preismodell              Primär-
                                                                            Umsonst
                                                                                               zahlung       abhängig        Feste Rate      beteiligung
                                                           produkt

                                                                                                                              Differen-
                           Preisfestsetzungsansatz                         Zahlungs-          Nutzen-                        ziert (nach
                                                                                                            Wettbewerbs-
                                                         Kostenbasiert    bereitschaft        quantiffi-                    Zeit/Kunde/
                                                                                                             orientiert
                             inkl. -differenzierung                       des Kunden          zierung                          Geogra-
                                                                                                                                phie)

                                                             Inte-
# Marktangang                Vertriebskanalmodell
                                                          griert mit
                                                         Kerngeschäft       Webshop
                                                                                               Eigene
                                                                                              Vertriebs-
                                                                                                             Vertriebs-
                                                                                                                            Marketplace
                                                            (Neu/                                             partner
                                                                                               einheit
                                                           Service)

                                                            Direkt-
                                                          ansprache           Fokus-         Endkunden-     Community-
                           Kommunikationskonzept         der Kunden-         gruppen          ansprache       building
                                                             basis

                                                                               Selbst-        Einzelnes
                                 Digitales                                                                      Multi-
                                                                           kontrolliertes,   Ökosystem,
                                                          Proprietär                                        systemfähiges
                                                                            offenes Öko-       fremd-
                             Kooperationsmodell                                system        kontrolliert
                                                                                                               Angebot

 Abbildung 9                                                                                                                              Quelle: BCG, VDMA
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