Wild, schön und gefährdet - Schneeleoparden in Not - NABU
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Impressum © 2016, NABU-Bundesverband 1. Auflage 01/2016 Naturschutzbund Deutschland (NABU) e. V. Charitéstraße 3 10117 Berlin Tel. 030.28 49 84-0 Fax 030.28 49 84-20 00 NABU@NABU.de www.NABU.de Text Christiane Röttger, Anette Wolff, Hanna Pfüller Redaktion Hanna Pfüller Gestaltung springer f3, corporate communication, Köln Druck DBM Druckhaus Berlin-Mitte GmbH, zertifiziert nach EMAS, gedruckt auf 100 % Recyclingpapier, zertifiziert mit dem Umweltzeichen „Der Blaue Engel“ Bildnachweis Titel: P. Sawer/Arco/FLPA ; S. 2/3: C. Ruoso; S. 4: NABU/Hof fotografen; S. 5: C. Martischius/S. Sun Hee Schuh; S. 6: C. Martischius/S. Sun Hee Schuh; S. 7: NABU/K. Karkow (groß), v.l.n.r. NABU, C. Ruoso, A. Fabian, C. Martischius/S. Sun Hee Schuh, C. Martischius/S. Sun Hee Schuh, C. Martischius/S. Sun Hee Schuh ; S. 8/9: D. Schreiber; S. 9: C. Ruoso; S. 10/11: NABU/K. Karkow (groß); S. 10: NABU (u.l.); S. 11: NABU/K. Karkow (u.r.); S. 12: C. Martischius/S. Sun Hee Schuh; S. 13: A. Richter, Silhouetten von Snow Leopard Trust; S. 14: NABU; S. 15: T. Rosen Michel (groß), Kamerafallenbilder: NABU; S. 16: C. Ruoso (o.l.), NABU (o.r.), twitter (u.r.); S. 17: A. Richter; S. 18: NABU (o.l.), iStock/chinaview (u.l.); S. 19: NABU/K. Karkow; S. 20: NABU/K. Karkow; S. 21: R. Nerger; S. 22: T. Tennhardt; S. 23: T. Tennhardt; S. 24: C. Martischius/S. Sun Hee Schuh (groß), NABU/T.u. Aman (o.); S. 25: NABU (groß), P. Johne (l.), NABU/K. Karkow (m.), C. Martischius/S. Sun Hee Schuh (r.), Freisteller: A. Richter; S. 26: NABU Kirgisistan; S. 26/27: flickr/dingopup – Titel „Snow Leopard Cubs“, zu finden unter http://bit.ly/ 1OL0sMW mit der CC-Lizenz CC BY-SA 2.0 (https://creativecom- mons.org/licenses/by-sa/2.0/deed.de); S. 28/29: NABU/K. Karkow; S. 28: NABU/K. Karkow (o.l.), NABU/K. Karkow (o.r.); S. 29: NABU (o.l.), NABU (o.r.); S. 30: NABU/W. Radschenkos (o.), A. Richter (u.); S. 32/33: M. Forster; S. 33: NABU; S. 34/35: A. Fabian (groß); S. 35: NABU/A. Kauerz (l.), NABU Kirgisistan (m.), W. Semle (r.); S. 36: C. Ruoso; S. 37: A. Richter (o.), NABU (u.l.), NABU/T.u. Aman (u.r.); S. 38: C. Martischius/S. Sun Hee Schuh Bezug Die Broschüre erhalten Sie unter der Artikelnummer 9513 beim NABU Natur Shop, Gutenbergstraße 12, 30966 Hemmingen. Tel +49(0)5 11.89 81 8-0, Fax +49(0)5 11.89 81 38-60, Info@NABU-Natur-Shop.de oder www.NABU.de/shop. Die Schutzgebühr von 2 Euro pro Exemplar zzgl. Versandkosten wird Ihnen in Rechnung gestellt. 2
Inhalt Vorwort Gejagte Jäger ....................................................................................... 4 Info Zahlen – Daten – Fakten .................................................................... 6 Der Bergsteiger unter den Großkatzen .......................................... 7 Hoch oben – der Lebensraum der Schneeleoparden ................. 8 Weitläufig und karg – das Revier der Schneeleoparden ............. 9 Die Berge Asiens – Perlen der Vielfalt ............................................. 10 Schneeleoparden als Symbole intakter Natur ............................. 11 Heulende Einzelgänger ..................................................................... 12 Von der kleinen Pfote zur großen Wildkatze ................................. 13 Große Sprünge für die Mahlzeit ....................................................... 14 Schneeleopardenforschung 2.0 ....................................................... 15 Gefährdung Gejagt und verdrängt ........................................................................ 16 Warum werden Schneeleoparden getötet? ............................. 16-19 Schwindender Lebensraum und immer weniger Beutetiere ................................................................ 20 Warum schrumpft der Lebensraum? ........................................ 21-23 NABU vor Ort Aktiv für den Schutz des Schneeleoparden ................................. 24 Im Einsatz ............................................................................................ 25 Bewusstsein schaffen ....................................................................... 26 Schutzgebiete richtig managen ..................................................... 28 Nachhaltiges Weidemanagement .................................................. 28 Beobachten und bewerten ............................................................. 29 Reisen, forschen, schützen ............................................................. 29 Im Dialog ............................................................................................. 30 Aktiv Was kann ich tun? .............................................................................. 32 Zum Weiterlesen ................................................................................ 33 Werden Sie Schneeleo-Pate! .......................................................... 34 Für den Schneeleo aktiv – Paten berichten ................................. 35 Schneeleoparden sind wahre Bewegungs- künstler: Egal ob hinauf oder abwärts, sie meistern steile Hänge ohne Probleme und mit hohen Geschwindigkeiten. 3
Gejagte Jäger Schneeleoparden gehören zu den am stärksten be- ersten globalen Schneeleoparden-Forum verabschie- drohten Großkatzen der Erde. Allein in Kirgisistan, deten die Verbreitungsstaaten ein Schutzprogramm wo in den 1980er Jahren noch etwa 1.400 Tiere die zum Erhalt der Art. Ziel ist es, bis zum Jahr 2020 die Bergketten durchstreiften, werden heute nur noch 20 wichtigsten Gebiete für den Schneeleoparden unter etwa 300 Schneeleoparden im ganzen Land vermutet. Schutz zu stellen, damit sich hier langfristig Popula- Nicht nur ihr schönes Fell wird ihnen zum Verhäng- tionen halten können. Der Tag dieser Verabschiedung nis: Auch wegen ihrer Knochen werden Schneeleo- (23. Oktober) wird seither als „Internationaler Tag parden gejagt. Außerdem macht der Mensch ihnen des Schneeleoparden“ weltweit gefeiert – ein erster und ihren Beutetieren den Lebensraum streitig und Schritt, um den Schutz dieser besonderen Großkatze es kommt immer wieder zu Konflikten mit lokalen auch in der Öffentlichkeit voranzubringen. Hirten. Die Menschen in Kirgisistan nennen den Schneele- Der NABU engagiert sich seit 1999 für das Überleben opard den „Geist der Berge“: Sie sehen die Tiere nur der Schneeleoparden in Kirgisistan. Hier bekämpft selten, denn die Großkatzen leben als Einzelgänger in unsere Anti-Wilderer-Einheit Gruppa Bars (deutsch: den kargen Hochgebirgen Asiens. Was geht uns der Gruppe Schneeleopard) Wilderer und den illegalen Schutz dieser Großkatzen an, die bei uns gar nicht Handel, wir unterhalten ein Rehabilitationszentrum heimisch sind? Warum und wie engagiert sich der für verletzte Wildtiere, um diese – wenn möglich – NABU für die Schneeleoparden und was können Sie später wieder auswildern zu können und leisten mit tun, um den Tieren zu helfen? unserer Umweltbildung wichtige Aufklärungsarbeit Begeben Sie sich auf den folgenden Seiten mit uns auf bei Viehhirten, in Schulen und bei der Bevölkerung eine Reise in die Regionen der asiatischen Hochgebir- vor Ort. Auf Initiative des NABU brachte die kirgisi- ge und lernen Sie eine der schönsten, geheimnisvolls- sche Regierung 2013 alle zwölf Länder zusammen, ten und am meisten schützenswerten Großkatzen in denen der Schneeleopard vorkommt. Bei diesem der Welt kennen. Ihr Thomas Tennhardt NABU-Vizepräsident und Leiter des Schneeleopardenschutzes im NABU 4
INFO „Schneeleoparden gehören wie Tiger und Löwen zu den Großkatzen. An ihr Leben im kalten Hochgebirge sind sie durch ihre Körpereigenschaften bestens angepasst.“ Christiane Röttger, Schneeleoparden-Expertin des NABU Zahlen – Daten – Fakten Steckbrief: Schneeleopard Lateinischer Name: Panthera uncia Familie: Felidae (Katzenartige) Körperlänge: 100 bis 130 cm Schwanz: 80 bis 100 cm Schulterhöhe: ca. 60 cm bei ausgewachsenen Männchen, Weibchen sind etwas kleiner Gewicht: 37 bis 55 kg (Männchen), 35 bis 42 kg (Weibchen) Fell: dicht, gräulich-beige meliert mit langem Unterfell Lebenserwartung: ca. 12 bis 13 Jahre, in Gefangenschaft bis 21 Jahre Geschlechtsreife: im Alter von 2 bis 3 Jahren Paarungszeit: Januar bis März (Weibchen sind 2 bis 12 Tage paarungsbereit) Tragzeit: ca. 93 bis 110 Tage Anzahl Junge: normalerweise 2 bis 3 Junge Sozialstruktur: Einzelgänger Nahrung: kleine bis mittelgroße Huftiere, kleine Säugetiere und gelegentlich Vögel Lebensraum: Hochsteppen und felsiges Gelände oberhalb der Wald grenze (2.700 bis 5.000 m NN) Population: der Gesamtbestand wird weltweit auf 4.000 bis 6.400 Tiere geschätzt Ein Schneeleopard erlegt etwa alle zehn höher – schneller – weiter bis 15 Tage ein großes Beutetier, von dem er sich und ggf. auch seine Jungen ca. eine Woche lang ernähren kann. Über das Jahr verteilt braucht ein erwachsener • Streifzüge pro Tag: bis zu 30 km Schneeleopard etwa 20 bis 30 Beute • kann bis zu 16 Meter weit springen tiere von der Größe eines Blauschafes. • kann Beutetiere erlegen, die dreimal 6 so schwer sind wie er selbst
Der Bergsteiger unter den Großkatzen Schwanz Beine Pfoten Brustkorb Nase Fell Ihren fast einen Meter Mit ihren kurzen Die extrem großen Die Luft oberhalb der Große Nasenflügel Das dichte, gräulich- langen, buschigen Vorder- und langen Pfoten funktionieren Waldgrenze, dem bevor- wärmen die bis zu beige melierte Fell passt Schwanz rollen Hinterbeinen (wie beim so ähnlich wie Schnee zugten Lebensraum der minus 40 Grad Celsius sich perfekt der felsigen Schneeleoparden Frosch) gelingt es ihnen, schuhe: Sie erleichtern Schneeleoparden, ist kalte Luft vor, bevor Umgebung an. Es tarnt beim Schlafen um bis zu 16 Meter weit zu ihnen das Laufen über dünn. Deshalb brauchen sie in die Lungen sie so gut, dass sie fast den Körper wie eine springen! So können sie Schnee – so sinken sie die Tiere starke Lungen, gelangt. unsichtbar sind – so Stola und legen ihn breite Gletscherspalten weniger tief ein. um ausreichend Sauer können sie sich gut an als Kälteschutz vor die überwinden und Beute stoff zu erhalten. Dem- ihre Beute anschleichen. Nase. Außerdem hilft tiere in unwegsamem entsprechend haben Jedes Tier hat eine er ihnen, beim Sprung Terrain erlegen. Schneeleoparden einen individuelle Musterung die Balance zu halten. großen Brustkorb. und damit seinen ganz eigenen, unverwechsel- baren „Fingerabdruck“. Das Fell ist außerdem sehr dicht und verfügt Schneeleoparden nehmen innerhalb der Gattung Panthera eine über ein Unterfell, das besondere Stellung ein: Sie sind die einzigen Großkatzen, die nicht am Bauch bis zu zwölf brüllen können. Stattdessen schnurren sie wie unsere Hauskatzen. Zentimeter lang wird. So hält es sie in ihrem kalten Der Grund dafür ist, dass der Kehlkopf aller anderen Großkatzen Lebensraum warm. wie Löwe, Jaguar, Leopard und Tiger anders geformt ist. Schon gewusst? Hauskatzen und Schneeleoparden haben viele Gemeinsamkeiten: Beide sind Einzelgänger, haben eine Vorliebe für erhöhte Aussichtsplätze, spielen gern und meiden Hektik und Lärm. Schneeleoparden sind ebenso wie Hauskatzen so- genannte Ansitzjäger und nehmen ihre Nahrung nicht in liegender, sondern in kauernder Stellung zu sich. Hauskatzen und Schneeleoparden unterscheiden sich vor allem durch ihre verschiedenen Lebensräume und die jeweilige Anpas- sung daran. Weil Schneeleoparden in einer harschen, kalten und felsigen Umgebung leben, haben sie dickeres Fell, viel größere Pfoten und einen längeren Schwanz als Hauskatzen. Zudem paaren sich Schneeleoparden nur in einer klar definierten Jahreszeit (Januar bis März) und bekommen durchschnittlich weniger Junge. 7
Russland* ca. 60.000 km2 ca. 70 - 90 Ex. Jahr: 2012 KONFLIKTE INFO Kasachstan* ca. 50.000 km2 ca. 100 - 110 Ex. Mongolei* Jahr: 2001 ca. 101.000 km2 ca. 500 - 1.000 Ex. Jahr: 2000 Kirgisistan* ca. 105.000 km2 ca. 150 - 500 Ex. China* Jahr: 2001 ca. 1.100.000 km2 Afghanistan* ca. 2.000 - 2.500 Ex. ca. 50.000 km2 Jahr: 2003 ca. 100 - 200 Ex. Jahr: 2003 Bhutan* ca. 15.000 km2 Indien* ca. 100 - 200 Ex. ca. 75.000 km2 Jahr: 1994 ca. 200 - 600 Ex. Pakistan* Jahr: 1994 ca.80.000 km2 ca. 200 - 420 Ex. Jahr: 2003 Tadschikistan* Usbekistan* ca. 100.000 km2 Nepal* ca. 10.000 km2 ca. 180 - 220 Ex. ca. 30.000 km2 ca. 20 - 50 Ex. Jahr: 2003 ca. 300 - 500 Ex. Jahr: 2003 Jahr: 2009 Hoch oben – der Lebensraum der Schneeleoparden Schneeleoparden leben in Regionen mit überwiegend Schneeleoparden haben eine ausgeprägte Vorliebe kaltem, trockenem Kontinentalklima und wenig für abschüssiges, zerklüftetes Terrain. Sie halten sich Vegetation. Die Temperaturen in typischen Schnee- gerne an Hanglagen mit mehr als 40 Grad Neigung leoparden-Territorien reichen von etwa minus 40 Grad auf und bevorzugen ausgeprägte Gebirgsformen wie im Winter bis plus 20 Grad Celsius im Sommer. Solche Gebirgskämme, Steilhänge und Schluchten. Hier ha- Gebiete findet man im Hochgebirge des russischen ben sie die beste Übersicht und können potenzielle Altai, im Himmelsgebirge des Tian Shan, im Pamir Beutetiere frühzeitig ausmachen, das felsige Gelände und Hindukusch, dem Himalaya und im Tibetani- bietet ihnen gute Deckung für die Jagd. Im Winter schen Hochland sowie der Steppenwüste Gobi. Die wandern Schneeleoparden häufig in niedrigere Hö- Großkatzen bewegen sich normalerweise in Höhen hen ab, um tiefem Schnee auszuweichen oder den von 2.700 bis 5.000 Metern über dem Meeresspiegel. Wanderungen ihrer Beutetiere zu folgen. Ausnahmen bilden einige Regionen zum Beispiel in der mongolischen Gobi-Wüste und in Tadschikistan, wo die Tiere unterhalb von 900 bis 1.500 Meter mehr Beutetiere und bessere Deckung finden, oder im Himalaya und dem Qinghai-Tibetischen Plateau, wo sie auch noch in Höhen von 5.800 Metern vorkom- men. Über 60 Prozent des Lebensraums liegen allein in China. 8 8
Beispielregion Kirgisistan Ein Großteil der Fläche Kirgisistans bietet geeigneten Lebensraum für Schneeleo- parden: Mehr als 90 Prozent des Landes liegen höher als 1.500 Meter über dem Meeresspiegel, mit mehreren Gipfeln über 7.000 Meter. Etwa 40 Prozent sind von Gletschern, Dauerschnee und -eis, Felsen und Geröll bedeckt und damit als Lebensraum für Schneeleoparden weni- ger geeignet. Weitere 45 Prozent der Lan- desfläche sind von verschiedenen Gras- land-Ökosystemen bedeckt. Aufgrund seiner Lage im Herzen Zentralasiens – der nächste Ozean ist 3.000 Kilometer entfernt – herrscht in Kirgisistan ein tro- ckenes, kontinentales Klima mit heißen Sommern und eiskalten Wintern. All dies macht die besondere Bedeutung Kirgi- Schneeleoparden sind wendige Kletterer. sistans für Schneeleoparden aus. Steile Hänge und felsige Schluchten sind für sie kein Problem, sondern ihr Zuhause. Weitläufig und karg – Beispielregion Bhutan das Revier der Bhutan stellt den südlichsten Zipfel des Schneeleoparden Verbreitungsgebiets der Schneeleoparden Schneeleoparden besetzen dauerhaft ein bestimmtes dar. Etwa 10.000 Quadratkilometer vor Gebiet, in dem sie regelmäßig nach Beute suchen. allem im Norden des Landes sind als Le- Die Größe ihres Territoriums hängt in erster Linie bensraum für Schneeleoparden geeignet. davon ab, wie viele Beutetiere in der Region vorkom- Trotz seiner geringen Größe – Bhutan ist men: Viel Beute bedeutet ein kleineres Gebiet, wenig mit seinen 38.394 Quadratkilometern Beute erfordert einen größeren Aktionsradius und kleiner als die Schweiz – beheimatet es damit ein größeres Revier. Grundsätzlich benötigen neben Schneeleoparden auch noch eine Schneeleoparden aufgrund des kargen Lebensraums andere Großkatze: Etwa 115 bis 150 Tiger mit geringer Dichte an Beutetieren große Flächen. Das leben in Bhutan. Damit ist dieses Land macht es so schwer, die Tiere in ihrem Revier zu be- das einzige weltweit, in dem Tiger und obachten und zu zählen, um damit genaue Aussagen Schneeleoparden zusammen vorkommen. zur Anzahl wildlebender Schneeleoparden zu treffen. Studien in Nepal haben beispielsweise Reviergrößen von zwölf bis 39 Quadratkilometer berechnet, in der Mongolei kam man auf Territoriengrößen von mehr als 500 Quadratkilometer. Die Populationsdichte von Schneeleoparden reicht dementsprechend von we- niger als 0.1 bis zu zehn oder mehr Tieren pro 100 Quadratkilometer. Diese Angaben sind allerdings nur theoretische Werte. Fakt ist, dass Schneeleoparden vielerorts aus Gebieten verschwunden sind, obwohl diese als Lebensraum geeignet wären: Großer illegaler * Die Karte basiert auf Daten des Globalen Schneeleopar- Jagddruck, Mangel an ausreichend Beutetieren und den-Schutzprogramms (GSLEP). Sie zeigt für jedes Verbreitungs- Tötung durch Viehzüchter wegen Übergriffen auf land Schätzungen zur Flächengröße, auf der Schneeleoparden Haustiere reduzieren die Populationen. Neben dem vorkommen, zur Anzahl der Tiere sowie das Jahr der Datener- hebung. Viele Studien wurden bereits vor mehr als zehn Jahren Druck durch Wilderei ist vor allem die Anwesenheit gemacht, die Datenlage ist in vielen Teilen veraltet. Um aktu- von Beutetieren der bestimmende Faktor, ob Schnee- ellere Angaben zu Populationszahlen treffen zu können, sind weitere flächendeckende Erhebungen nötig. Die Erforschung leoparden in einer Region leben können oder nicht. der Großkatzen ist jedoch schwierig: Ein Großteil ihres ohnehin sehr unwegsamen und entlegenen Lebensraums liegt auf inter- nationalen Grenzen. Nur wenn die Länder also gut zusammenar- 9 beiten, kann den Schneeleoparden geholfen werden.
INFO Die Berge Asiens – Perlen der Vielfalt Schneeleoparden finden vor allem in den Hochgebirgsregionen Asiens ge- eignete Lebensräume. Diese wiederum beinhalten unterschiedliche Länder und vielfältige Kulturen. Aufgrund der Topografie haben sich hier auch zahlreiche verschiedene Ökosysteme herausgebildet, die einen hohen Grad Wasser Klima an einzigartiger biologischer Vielfalt – auch Biodiversität genannt – aufwei- Die asiatischen Hochgebirgsketten Insgesamt kennzeichnet die Region sen. Die Gebiete sind nicht nur reich spielen für die Wasserversorgung ein ausgeprägt kontinentales, tro- an wilden Tieren und Pflanzen, son- von einem Drittel der Weltbevöl- ckenes Klima mit großen Tempe- dern auch an natürlichen Ressourcen kerung eine zentrale Rolle. Sie raturunterschieden zwischen den wie Gold, Kohle, Mineralien und Gas. sind mit ihren riesigen Gletschern heißen Sommern und eiskalten Auch die grenzüberschreitenden Ge- wichtige Wasserspeicher und Quel- Wintern. Es gibt nur wenig Nieder- wässer und großen Flüsse spielen eine le zahlreicher großer Flüsse, die schlag, meist in den Frühlings- und bedeutende Rolle in der wirtschaftli- 22 Länder mit Wasser versorgen. Sommermonaten. Trockenes Gras- chen Entwicklung der Region. Trotz des Gletscher speichern Wasser als Eis land, Weiden und tundraähnliche damit zusammenhängenden, rapiden über Jahrzehnte und geben den Ökosysteme sind charakteristisch wirtschaftlichen Wachstums in einigen Winterniederschlag im Sommer für die Hochgebirge. Ländern ist die ländliche Bevölkerung als Schmelzwasser wieder frei. Das im Großteil der Region verarmt und ist vor allem in Gebieten wichtig, Biologische Vielfalt abhängig von der traditionellen, klein- in denen es manchmal monatelang bäuerlichen Vieh- und Landwirtschaft. nicht regnet. Schmelzwasser aus Schraubenziegen, Bären, Argali- dem Tian Shan zum Beispiel ist für Wildschafe, Gazellen, Kleine Pandas die Versorgung von Kasachstan, oder Schwarzhalskraniche – allein Kirgisistan, Usbekistan und Teile in den indischen Hochgebirgen le- Chinas von entscheidender Bedeu- ben mehr als 350 Säugetier- und tung. Die Flüsse der Hindukusch- über 1.200 Vogelarten sowie bei- Himalaya-Gebirgsregion versorgen nahe 1.750 Heilpflanzen. In den mehr als 200 Millionen Menschen Altai-Bergen gibt es fast 4.000 ver- in der Region direkt und weitere schiedene Pflanzenarten und die 1,3 Milliarden Menschen flussab- zentralasiatischen Walnusswälder wärts indirekt mit Wasser. beherbergen eine große Bandbreite einzigartiger Früchte und Samen. Die biologische Vielfalt in diesen Regionen ist von ganz besonderer Bedeutung, denn viele der Pflan- zen- und Tierarten sind endemisch, also nur hier zu finden. 10
Atemberaubende Weiten mit einzigartiger Bedeutung: Die Berge Asiens sind ein wichtiger Lebensraum vieler Tier- und Pflanzenarten, die nur hier vorkommen. „Schneeleoparden schützen – das bedeutet gleichzeitig, die einzigartige und bedeutsame Natur ihres Lebensraums zu bewahren. Und andersherum: Schützt man die reichhaltigen Ökosysteme der zentralasiatischen Hochgebirge, so hilft man auch den bedrohten Großkatzen.“ Christiane Röttger, Schneeleoparden-Expertin des NABU Schneeleoparden als Symbole intakter Natur Schneeleoparden repräsentieren einen ganzen Lebens- Neben ihrer Rolle im Ökosystem sind sie auch ein raum: Geht es den Schneeleoparden gut, dann zeigt wichtiger Bestandteil des kulturellen, traditionellen dies, dass es auch ausreichend Beutetiere wie Wildzie- und spirituellen Lebens der Menschen in der Regi- gen und -schafe gibt sowie intakte Gebirgsweiden und on. Sie haben in einer Bandbreite von Folklore und Vegetation, von denen sich wiederum diese Pflanzen- Glauben große Bedeutung. Die supernatürlichen fresser ernähren können. Die Großkatzen sind also ein Wesen in der Vorstellungswelt der Wakhi, einem sehr guter Indikator für den allgemeinen ökologischen Bergvolk in den Bergen des Pamir, Hindukusch und Zustand der Region, in der sie leben. Schützt man sie, Karakorum in Zentralasien, nahmen beispielsweise hilft dies auch den Ökosystemen. Andersherum ist ein die Form von Schneeleoparden an. Im ganzen Ver- effektiver Schutz von Schneeleoparden nur möglich, breitungsgebiet finden sich Schneeleoparden als wenn auch ihr Lebensraum aktiv geschützt wird. Symbole von Städten oder Bezirken. Die Großkatzen werden vielerorts als Schneeleoparden erfüllen eine wichtige Funktion im „heiliges Tier“ oder „Totem“ verehrt. Ökosystem: Sie töten vor allem alte und kranke Tiere und halten damit die wilden Huftierbestände gesund und widerstandsfähig. 11
INFO Kommunikationsspuren Schneeleoparden markieren ihren Lebensraum und hinterlassen damit eindeutige Botschaften für ihre Artgenossen, vor allem in der Paarungs- zeit. Diese Spuren und Markierungen können sehr unterschiedlich sein und vermitteln auch Wissenschaftlern wichtige Hinweise, die unter anderem auf die Präsenz, die Wanderungen und die sozialen Interaktionen der Tiere schließen lassen. Kratzspuren Schneeleoparden kratzen mit den Hinterpfoten auf dem Boden und hinterlassen dabei charak- teristische Spuren mit länglichen Vertiefungen und einem Haufen Erde an der Seite. Außerdem hinterlassen sie Kratzspuren an Baumstämmen oder Felsen. Urin Manchmal urinieren Schneeleoparden auf ihre Kratzstellen oder hinterlassen durch das Ver- sprühen von Urin Geruchsmarken an senkrech- ten Felsen. Damit markieren sie ihr Territorium. Kot Kot findet man entweder einzeln oder in Verbin- dung mit weiteren Zeichen. Heulende Einzelgänger Schneeleoparden sind normalerweise Einzelgänger, Aber wie finden Männchen und Weibchen in einem die sich in einem großen Aktionsraum bewegen. Die so großen Revier eigentlich zueinander? Die Antwort: Ausnahme bilden Weibchen mit ihren Jungen sowie Schneeleoparden können sehr laut und durchdrin- Jungtiere, die nach der Trennung von der Mutter noch gend heulen. Diese Paarungsrufe hören sich zum Teil einige Zeit zusammen bleiben. Erwachsene Schnee- sehr menschlich an und sind vermutlich einer der leoparden bleiben nur während der Paarungszeit für Gründe für die Gerüchte über den Yeti, den legen- ein paar Tage zusammen, trennen sich danach jedoch dären Schneemenschen. Außerdem markieren die wieder. Die Männchen suchen sich anschließend in Tiere während der Paarungszeit ihre Umgebung noch der Regel kein weiteres Weibchen zur Paarung – die intensiver als sonst. Paarungszeit ist einfach zu kurz und die Entfernun- gen sind zu groß. 12
Von der kleinen Pfote zur großen Wildkatze 1. Schneeleoparden paaren sich im Winter in den Monaten Januar bis März. Die Tiere machen dabei verstärkt durch Duft markierungen und Paarungsrufe auf sich aufmerksam. Hat sich ein Paar gefunden, bleiben Männchen und Weibchen für ein 2. 3. paar Tage eng beieinander und paaren Nach einer Tragzeit von 93 bis 110 Tagen Die Jungtiere werden ungefähr fünf sich in dieser Zeit mehrmals täglich. Da- gebären die Weibchen im Frühling meist Monate gesäugt. Mit etwa sechs bis nach trennen sie sich jedoch wieder. im Schutz einer Felshöhle zwei bis drei – acht Wochen fangen sie an, neben in ganz seltenen Fällen bis zu fünf – Jung der Muttermilch auch Fleisch zu tiere. Die Tragzeit verlängert sich mit fressen. Die Jungen bekommen mit steigender Wurfgröße. Die Jungtiere sind drei Wochen die ersten Milchzähne, direkt nach der Geburt blind und hilflos, ihr Gebiss ist mit etwa einem Jahr haben aber bereits ein dichtes, schüt- vollständig ausgebildet. zendes Fell. Ihre Augen öffnen sie nach durchschnittlich neun Tagen. 7. Mit etwa zwei bis drei Jahren werden die Jungtiere geschlechtsreif und su- chen in ihren Revieren und an deren Grenzen nach einem Partner für die Fortpflanzung. 4. Im Sommer, mit etwa drei Monaten, kommen die jungen Schneeleoparden das erste Mal aus ihrer Geburtshöhle, erkunden die Umgebung und folgen ihrer Mutter auf Streifzüge. Von ihr lernen sie alle wichtigen Verhaltens- weisen – vor allem die Jagd. Dies erklärt, warum eine Auswilderung von Großkatzen, die als Jungtiere gefan- gen wurden, sehr schwierig ist. 6. 5. Nach der Trennung von der Mutter bleiben Junge Schneeleoparden werden erst im Alter die Geschwister manchmal noch für eine von etwa zwei Jahren ganz selbstständig. Weile zusammen, bis sie sich eigene Reviere Sie bleiben 18 bis 22 Monate bei der Mutter, gesucht haben. Dazu unternehmen sie meist bis diese im zweiten Jahr nach der oft erstaunliche Anstrengungen: Während Geburt wieder paarungsbereit ist, manchmal Schneeleoparden es normalerweise ver- jedoch sogar, bis sie wieder Junge bekommt. meiden, offenes Terrain zu überqueren, gibt Schneeleoparden bekommen in der Regel es Studien, die zeigen, dass einige Tiere bis nur alle zwei Jahre Nachwuchs. zu 65 Kilometer offene Steppe und Wüste durchquerten, um entfernte und isolierte Bergmassive zu erreichen. 13
INFO Rotfuchs 4,3 % Hase 3,1 % Vögel 3,1 % Hausschaf 2,3 % Asiatischer Steinbock 9,7 % Hausrind & Yak 1,2 % Hausrind & Yak 8,6 % Pferd 0,8 % Hausschaf 2,5 % Schraubenziege 3,2 % Esel 0,4 % Vögel 1,2 % Vögel 2,2 % Ladakh-Wildschaf 0,4 % ali Arg 6 % P 8, fla ,2 % 31 nze 9,8 % er ge Pfla ,0 % ti Hauszie n Murmel 41 % nzen 17,3 Süd-Gobi, Baltistan, Ladakh, Mongolei Pakistan Indien Hauszi Hausz bock 2012 2011 1994 11,8 ge 10,2 ge % tein % e ie he 0,4 % t ier rS 7 2% 17, nti fiz c Ha 16,1 % tis uss e 23 Blau ,4 % Asia chaf t id nich schaf Quelle: Shehzad, W./ McCarthy, TM. / Pompanon, F. / Purevjav, L. / Coissac, E. et al. (2012): Prey Preference of Snow Leopard (Panthera uncia) in South Gobi, Mongolia. Große Sprünge für die Mahlzeit Der Schneeleopard ist ein Ansitzjä- Schneeleoparden erlegen etwa alle ger: Er pirscht sich an seine Beute zehn bis 15 Tage ein großes Beu- an oder lauert ihr an einem Pfad, tetier, von dem sie sich ca. eine einer Tränke oder zwischen Felsen Woche lang ernähren. Über das verborgen auf. Hat sich ein Beute- Jahr verteilt brauchen sie ca. 20 tier genähert, wirft er es zu Boden bis 30 Beutetiere von der Größe ei- oder stellt ihm mit sechs bis sie- nes Blauschafes. Schneeleoparden ben Meter langen Sprüngen nach. können Tiere erlegen, die dreimal Verfehlt er es, kann die Verfol- so schwer sind wie sie selbst. Im gungsjagd über 200 bis 300 Meter Tian-Shan-Gebirge in West-Kasach- andauern. Manchmal stürzen die stan haben zwei Schneeleoparden Tiere auf ihrer panischen Flucht sogar einen 18 Monate alten Braun- von einer Klippe und selbst Schnee- bären erjagt und größtenteils ge- leoparden können dann herunter fressen. Auf der Suche nach Nah- stürzen und tödlich verunglücken. rung legen sie durchschnittlich Die Gebirgskatzen töten ihre Beute 10 Kilometer am Tag zurück. mit einem Biss ins Genick oder die Kehle und schleppen sie zunächst an einen sicheren Platz, bevor sie Das große Bild zeigt zu fressen beginnen. Argali-Wildschafe. 14
Kamerafallenbilder helfen, das Leben der scheuen Groß- katzen zu erforschen. Diese beiden Aufnahmen stammen von NABU-Fotofallen im Norden Kirgisistans. Schneeleoparden forschung 2.0 Die verborgene Lebensweise der Schneeleoparden stellt ihre Erforschung vor besondere Herausforde- rungen: Wie soll man ein Tier studieren, das man nie zu Gesicht bekommt? Zudem macht auch das riesige, unwegsame Gelände, in dem sich die Katzen aufhalten, ihre Erforschung besonders schwierig. Das Wissen über ihre Lebens- und Verhaltensweisen ist jedoch die Grundlage für alle Schutzmaßnahmen: Je besser wir die Art verstehen, desto besser können wir auch entsprechende Aktionen planen und umsetzen. Nur mit Geduld und Ausdauer in Kombination mit neuesten Forschungsmethoden ist es möglich, ein genaueres Bild vom Leben wilder Schneeleoparden zu bekommen. So greifen Wissenschaftler auf neuste Auf dem Speiseplan Technologien zurück: Mit der Entwicklung der digi- talen Fotografie haben sich auch die Möglichkeiten Zu den Beutetieren von Schneeleoparden ge- zur Erforschung der scheuen Großkatzen erheblich hören kleine bis mittelgroße Huftiere, insbe- erweitert. So ist es inzwischen möglich, Serienauf- sondere Wildziegen und -schafe wie Blauschafe, nahmen und Videos von wildlebenden Tieren aufzu- Asiatische Steinböcke, Argali-Wildschafe und zeichnen und durch systematische Aufstellung im Schraubenziegen, aber auch kleine Säugetiere jeweiligen Revier individuelle Tiere und ihre Wan- wie Hasen, Murmeltiere und gelegentlich Vögel, derbewegungen wiederzuerkennen. Kombiniert mit zum Beispiel Schneehühner. Außerdem fressen einer Besenderung der Tiere und DNA-Analysen von sie immer mal wieder Pflanzen wie Gräser, Kräu- Kotproben kann dies auch Aufschluss über Bestands- ter oder Zweige. Die Zusammensetzung der Nah- größe und -zusammensetzung, Altersstrukturen und rung kann je nach Region stark variieren. In ver- Lebensraumnutzung geben. Außerdem arbeiten Wis- schiedenen Studien und regionalen Vergleichen senschaftler mit der lokalen Bevölkerung zusammen zeigt sich jedoch, dass Wildschafe und Ziegen und beziehen diese in die Sammlung von Informati- den Großteil der Nahrung ausmachen. onen zu den Großkatzen ein.
GEFÄHRDUNG Gejagt und verdrängt Oben: Nicht selten verenden Schneeleoparden in solchen Eisenfallen. Unten: Dieses Foto tauchte im März 2015 auf verschiedenen Social Auf der Roten Liste der bedrohten Tierarten der Media Kanälen auf, einschließlich Twitter und Facebook. Auf Druck internationaler Natur- Weltnaturschutzorganisation IUCN (International schützer haben die russischen und kirgisischen Union for Conservation of Nature) werden Schnee Behörden begonnen, die Hintergründe leoparden seit 2008 als „stark gefährdet“ geführt, ihr seiner Entstehung zu untersuchen. IUCN-Status für den Zeitraum 2016-2020 wird derzeit neu evaluiert. Vor allem die direkte Verfolgung durch Wilderei und illegalen Handel, Konflikte mit Vieh- züchtern, der Rückgang der Beutetiere sowie die Ver- änderungen des Lebensraums durch den Menschen Warum werden gefährden die Großkatze. Je nach Verbreitungsland sind die Bedrohungen unterschiedlich stark. So macht Schneeleoparden dem Schneeleopard in dicht besiedelten Ländern wie Indien, Pakistan, Usbekistan, aber auch Afghanistan getötet? neben der illegalen Verfolgung auch die Zerstörung und Zerschneidung seines Lebensraums zu schaffen. In Ländern wie Bhutan, Tadschikistan und Russland ist dies bisher ein weniger drängendes Problem. Eisenfallen und Giftköder Obwohl das Töten von Schneeleoparden und der Han- del mit ihren Körperteilen in den meisten Verbrei- Bedrohungen im Überblick tungsländern bereits seit den 1970er Jahren streng verboten sind, bedrohen Wilderei und illegaler Han- Die Ursachen für die Gefährdung der Tiere sind sowohl vielfältig del noch immer ernsthaft ihren Bestand. Gefangen und komplex als auch lokal unterschiedlich ausgeprägt. Sie las- werden die Tiere mit Eisenfallen sowie vergifteten sen sich jedoch grob in zwei Kategorien einordnen: Ködern, die an bestimmten Stellen ausgelegt wer- 1. Schneeleoparden werden getötet den. Die Tiere treten in das mit Erde und Zweigen • wegen ihres Fells und anderer Körperteile, verborgene Treteisen und die Falle schnappt zu. Das mit denen illegaler Handel getrieben wird dann meist gebrochene Bein des Tiers steckt fest in • als Vergeltung für Angriffe auf Viehherden der Eisenvorrichtung, oft tagelang – bis der Wilderer 2. Schneeleoparden verlieren ihren Lebensraum zurückkehrt. Viele Schneeleoparden sterben auch in und finden immer weniger Beutetiere durch Fallen oder an vergifteten Ködern, die für Wölfe oder menschliche Aktivitäten in ihrem Territorium. Bären ausgelegt werden. 16
Illegaler Handel mit Schneeleoparden-Produkten in den Jahren 2003 bis 2012 200200200 200200 200 200 200 150150150 150150 150 150 150 100100100 100100 100 100 100 50 50 50 50 505050 50 0 0 00 0 0 00 AAffg an stan Afghaniisstan AAfghanistann aBnhis an Bhiiusstttaann BBhutan Russslla d Russlanndd ssland la d nd an huu n BBh ttaan Bhhuuttan BhCutann Chtinanna CChina Chhiinnnaa ICCnhiina Inhiinnena IIndie a Innddien di n Ki Indieenn Ki iIs d n KKi giissiidsttiaeenn ir s an Kirggiissi tann Kirgisissttaan KMirgi ist n Mginnsiiggsotal n on sot leni Mo goaeni MR nnggo ei Muosnsgolleei RMuon laon i Ruosnsgglaoledi RRusslanledii oe Afghhaanista uh a us n Russ an rg In ie ro s a o l l gh n t rg nis i Chi d gh ni n Af ha M g Af Die meisten Produkte von Schneeleoparden wurden nach Hochgerechnete Zahl getöteter Schneeleoparden 2000 in Afghanistan, China und der Mongolei beschlagnahmt. anhand der beschlagnahmten Man geht davon aus, dass die tatsächliche Anzahl illegal 200200200 200200 200 200 200 Schneeleoparden-Produkte Quelle: Nowell, K. / Pervus- gehandelter Schneeleoparden-Produkte sehr viel höher ist. hina, N. (2015): Review of Implementation of Resolution 150150150 150150 150 150 150 Conf. 12.5 (Rev. COP16) on Conservation of and Trade in Tigers and Other Appendix-I Statussymbol und Luxusartikel 100100100 100100 100 100 100 Asian Big Cat Species. Der wunderschöne dichte Pelz der Die Preise für das Fell der Tiere va- an den kirgisischen Händler über Schneeleoparden wird seit Jahr- riieren. 201350wurde 50 50 beispielsweise 50 5050 5050 geben werden sollte, wenig später hunderten als Schmuck, Kleidung ein Hirte in Tadschikistan gestellt, jedoch starb. oder Wandbehang geschätzt und der versuchte, ein Schneeleopar- 0 0 00 0 0 00 verwendet. Vor allem asiatische denfell für 740 Euro zu verkaufen. Der Trend scheint dahin zu ge- fggh is n Afghaniisstan AAffgh ni tann aBnhist n Bhiiussttaann an BBhutan huu n BBhhutaann BhhCuttaann Chtinanna CChina Chinnaaa ICCnhiina Inhiinnena IIndiea Inddien di n Ki Indieenn Ki giIIsndien KKi iissiidsttiaeenn ir s an Kirggiissi tann Kirgisissttaan KMirgi ist n Mginnsiiggsotal n on sot leni Mo goaeni Ruo ggool i Ruosnsglaonleii Ruosnsgglaoledi RRusslaonledii Russslla d Russlanndd ssland la d nd onn le n e e Chhiin AAf hanista Af haan ta ghan sta uh a ro s a us n Russ an l t ut rg nis i d Staatsoberhäupter haben sich noch Er hatte das Tier erlegt, nachdem hen, die Produkte von Schnee- n g n B Af ha M M M M r g bis Ende der 1990er Jahre gern bei es sein Vieh getötet hatte. Nur leoparden vor allem im Luxus- Af ihren gegenseitigen Besuchen mit wenige Wochen zuvor konnte ein artikelbereich zu verkaufen, als den seltenen und daher wertvollen Fell in einem Geschäft in der tad- schöne Accessoires, Wandbehänge Schneeleopardenfellen beschenkt. schikischen Hauptstadt Duschan- oder Pelzkleidung. Auch werden Auch heute werden die Produkte be sichergestellt werden, das für Schneeleoparden immer noch als von Schneeleoparden auf interna- 14.000 Euro zum Kauf angeboten persönliche Trophäe gejagt. Diese tionaler Ebene nachgefragt, der wurde. In Kirgisistan werden Felle illegalen Jagden in Zentralasien Schwarzmarkt gedeiht immer auf dem Schwarzmarkt für etwa werden angeblich auf dem russi- noch. Das tatsächliche Volumen 7.400 Euro gehandelt. Die Organi- schen Schwarzmarkt für ca. 65.000 des illegalen Handels ist naturge- sation Panthera berichtet von der Euro angeboten. Hierfür werden mäß schwer zu erfassen. Es wird Konfiszierung zweier Felle im Jahr die Schneeleoparden zunächst mit aber geschätzt, dass Beschlagnah- 2015, die von Tadschikistan nach Fallen gefangen und dann – wohl mungen nur etwa zehn Prozent des Kirgisistan transportiert und für oft unter Drogen gesetzt – dem tatsächlichen Handels betreffen. jeweils 4.600 Euro an einen kirgi- „Jäger“ vor die Flinte geführt. Hochgerechnet würde dies bedeu- sischen Zwischenhändler verkauft ten, dass allein in den Jahren von werden sollten. Im selben Jahr 2000 bis 2012 Produkte von mehr wurde ein Schneeleopardenjun- als 1.000 Schneeleoparden illegal ges auf derselben Route beschlag- gehandelt wurden! nahmt, welches für 23.000 Euro 17
GEFÄHRDUNG Schutz der Schneeleoparden unter dem Washingtoner Artenschutzabkommen (CITES) Das Washingtoner Artenschutzabkommen (CITES) regelt den internationalen Handel mit bedrohten Tier- und Pflanzenarten. Schnee leoparden sind seit 1975 auf Anhang 1 des Ab- kommens gelistet: Der internationale Handel mit Schneeleoparden und ihren Produkten ist damit streng verboten und oft mit hohen Strafen belegt. Von den Verbreitungsländern ist bisher nur Tadschikistan diesem Abkom- men nicht beigetreten. Schneeleoparden sind außerdem auf Anhang 1 des UN-Abkommens zur Erhaltung wan- dernder wildlebender Tierarten (kurz „Bonner Konvention“) gelistet und damit streng ge- schützt. Von den Verbreitungsländern sind Bhutan, China, Nepal und Russland der Kon- vention bisher noch nicht beigetreten. Auch lebende Tiere werden illegal gehandelt, in Privatzoos gehalten oder an Zirkusse verkauft. Oft werden von Wilderern zu Waisen gemachte Jungtiere dafür gefangen. Ein Tier kann dabei einen Traditionelle Chinesische Medizin Preis von 23.000 Euro erzielen. Rheumatismus, Sehnenscheiden- Die Schädel von Schneeleoparden entzündung und Knochenbrüche – wurden und werden auch heute die Knochen von Schneeleoparden noch in rituellen Zeremonien in werden seit Jahrhunderten in der Teilen Chinas und Nepals ver- Traditionellen Chinesischen Medi- wendet. Andere Körperteile, ein- zin verwendet, um Beschwerden schließlich der Geschlechtsteile, zu lindern. Ihnen werden wärmen- Zähne, Klauen und des Fleisches, de Eigenschaften nachgesagt sowie werden für medizinische und scha- eine entzündungshemmende und manistische Praktiken genutzt. schmerzlindernde Wirkung. In der Chinesischen Materica Medi- Die medizinische Wirksamkeit von ca werden sie als Bao Gu oder Os Wildtierprodukten wie Knochen leopardi bezeichnet und ihre Ei- oder Hörnern ist umstritten. Zwar genschaften von denen der Tiger haben Tigerknochen in Laborex- unterschieden, obwohl sie als Er- perimenten Entzündungen leicht satz verwendet werden können. In gehemmt, aber den Hörnern von den letzten Jahren gab es Hinweise Nashörnern beispielsweise konn- darauf, dass die Nachfrage nach ten keinerlei medizinische Wir- Schneeleopardenknochen steigt. kungen auf den menschlichen Körper nachgewiesen werden. In Dies hat vermutlich damit zu tun, der Traditionellen Chinesischen dass der Handel mit Tigerproduk- Medizin spielt der medizinische ten in einigen Arealstaaten seit Effekt allerdings mitunter eine Mitte der 90er Jahre strenger kon- Nebenrolle. Viel wichtiger ist der trolliert wird: Aufgrund der im- „Jinbou“, also der Glaube, dass mer rarer und teurer werdenden sich die Eigenschaften eines Lebe- Tigerknochen ist man auf andere wesens auf seinen Konsumenten Großkatzen ausgewichen. übertragen. 18
Wenn die Pferche und Ställe nur unzureichend geschützt sind, es genug Vegetation in der Nähe gibt, hinter der sich die Katzen verstecken können und es nur wenig wildlebende Beutetiere gibt, ist das Risiko für den Viehverlust am größten. Mit gezielten Maßnahmen ist es aber relativ einfach, Angriffe von Beutegreifern wie Schneeleoparden einzudämmen. Konflikte mit Viehhaltern Schneeleoparden töten Nutztiere zu Tode kommen können, sind die wie Schafe und Ziegen, wenn sie Hauptursache für den Zorn der die Gelegenheit dazu haben. Sie Bauern und ihre Vergeltungsak- stellen somit eine reale Gefahr für tionen gegen die Großkatzen. Der den Lebensunterhalt von lokalen jährliche wirtschaftliche Verlust Bauern und Viehhirten dar, die im kann bis zu 600 Euro pro Haushalt Schneeleoparden-Lebensraum ihr betragen und entspricht oft bis zu Vieh weiden lassen. In Ländern mit 56 Prozent des Pro-Kopf-Einkom- geringer Bevölkerungsdichte und mens pro Jahr. Eine staatliche weitläufiger nomadischer Weide- Entschädigung gibt es in der Regel tierhaltung wie der Mongolei oder nicht. Jedoch haben verschiedene China geschieht dies seltener als Schutzorganisationen wie Panthera etwa im dichter besiedelten In- und Snow Leopard Conservancy Pro- dien und Nepal. Ernsthafte Kon- gramme für Ausgleichszahlungen flikte mit lokalen Viehhirten ent- und Präventionsmaßnahmen wie stehen vor allem dann, wenn die den Bau sicherer Zaunanlagen ins Großkatzen in Pferche oder Ställe Leben gerufen. gelangen und dort große Verwüs- tungen anrichten: Schafe und Um Schneeleoparden langfristig Ziegen ohne Fluchtmöglichkeit vor solchen Vergeltungsaktionen stellen für den Schneeleoparden zu schützen, ist es der erste Schritt, ein unnatürliches Überangebot die Situation der betroffenen lo- an Beute dar und der Jagdtrieb kalen Bauern und Hirten zu ver- des Schneeleoparden – der soge- stehen. Ohne ihre Unterstützung nannte Beuteschlagreflex – wird und Akzeptanz der Raubtiere ist immer wieder ausgelöst. Dieses eine friedliche Ko-Existenz kaum Phänomen hat man auch bei an- möglich. deren Beutegreifern beobachtet. Vorfälle dieser Art, bei denen 80 und mehr Schafe in einer Nacht 19
GEFÄHRDUNG Nachhaltige Jagd als Chance für alle Eine nachhaltige Nutzung der Berghuftiere kann wichtige Anreize für den Schutz der Beutetiere von Schneeleoparden bieten: Wenn nur wenige alte männliche Tiere als kostbare Trophäen erlegt werden dürfen, schadet diese Bejagung – wenn sie gut reguliert wird – nicht den Beständen. Die erzielten Jagdeinnahmen und das Wildbret sollten den Dorfgemeinschaften zugutekommen und mo- tivieren diese, auf Wilderei zu verzichten. Zusätzli- che Anreize werden durch Naturtourismus und be- grenzte Jagd zur Eigenversorgung geschaffen. In Pakistan, Tadschikistan und seit neuestem auch in Kirgisistan haben diese Ansätze lokal bemerkens- werte Erfolge gezeigt. Zum Beispiel hat sich der Status der Schraubenziege auf der Roten Liste der bedrohten Tierarten der Weltnaturschutzorgani- sation IUCN von „stark gefährdet“ zu „potenziell bedroht“ verbessert und in Tadschikistan werden in gemeindebasierten Wildschutzgebieten nicht nur mehr Berghuftiere, sondern auch zunehmend In den Verbreitungsländern der Schneeleoparden Schneeleoparden beobachtet. werden etwa 65 bis 82 Prozent, und damit ein Großteil der Flächen, als Weideland genutzt. Weil immer mehr Hirten sesshaft werden, hat sich das Problem der Überweidung vielerorts stark verschärft. Schwindender Lebensraum und immer weniger Beutetiere Schneeleoparden sind darauf angewiesen, sich frei in großen, Zum anderen wirkt sich der Weidedruck auch negativ zusammenhängenden Ökosystemen bewegen zu können. auf die wichtigsten Beutetiere der Schneeleoparden Ihr Lebensraum ist zwar nicht sehr dicht besiedelt, dennoch aus. Domestizierte Schafe und Ziegen der Viehhirten wird er stark genutzt, hauptsächlich von traditionellen Vieh- treten in immer größer werdende Konkurrenz mit hirten. Mit steigenden Bevölkerungszahlen steigt auch der Beutetieren wie Schraubenziegen, Steinböcken, Arga- Druck auf das Land: Vielerorts sind die Bergwiesen über- li- und Blauschafen. Die zunehmende Übernutzung weidet und die Böden ausgetrocknet. der Weiden zwingt auch diese Wildtiere in ungeeig- netere Gebiete, wo sie kaum noch ausreichend Nah- Zerstörung, Austrocknung und die Zerschneidung rung finden. Hinzu kommt, dass sie verstärkt illegal des Lebensraums wirken sich in vielerlei Hinsicht gejagt werden und so die Bestände der wichtigsten negativ auf den Fortbestand der Schneeleoparden Beutetiere des Schneeleoparden vielerorts zusätzlich aus. Zum einen verdrängen zunehmende menschli- abnehmen. Staatliche Programme zum Vergiften che Aktivitäten wie Landwirtschaft, Viehwirtschaft, von Pfeifhasen und Murmeltieren in China und der aber auch der Ausbau von Industrie und Infrastruktur Mongolei beschleunigen zusätzlich den Rückgang der die Tiere aus ihrem Lebensraum. Sie sind gezwungen, Beutetiere. Auch aus diesen Gründen wenden sich sich in immer höhere, weniger geeignete Gegenden Schneeleoparden häufig den Herden der Viehhirten zurückzuziehen. Gleichzeitig kommen sie so stärker zu, anstatt auf die Jagd nach ihren selten gewordenen in Kontakt mit lokalen Bauern und Hirten, die ihre natürlichen Beutetieren zu gehen. Gibt es jedoch ge- Nutztiere ebenfalls immer häufiger in höheren Regi- nug Wildtiere, sind diese auch die bevorzugte Beute onen weiden lassen. Dadurch bietet sich ihnen immer von Schneeleoparden. öfter die Gelegenheit, domestizierte Tiere zu töten. Das wiederum verschärft den Konflikt und vermin- dert die Akzeptanz mit der lokalen Bevölkerung. 20
Warum schrumpft der Lebensraum? 1. Überweidung – am Beispiel der mongolischen Wüstenbildung Grasland, so weit das Auge reicht: der mobilen Viehhaltung und der 83 Prozent der 1,29 Millionen traditionellen, saisonalen und ro- Quadratkilometer großen Mongo- tierenden Weidenutzung, hat dazu lei sind baumlose Steppen. Dieser geführt, dass Weideland vor allem Lebensraum gerät durch zuneh- rund um die Ortschaften stark mende Beweidung massiv unter übernutzt wurde. In der Summe Druck. Während der letzten Jahr- werden dadurch die ohnehin sehr zehnte sind die Viehherden auf empfindlichen und kargen Gras- 36 Millionen Tiere angewachsen. land- und Gebirgsökosysteme zer- Allein die Zahl der Schafe und Zie- stört und die Böden nährstoffarm. gen hat sich durch die weltweite Austrocknung, Erosion und letzt- Nachfrage nach Kaschmir verdop- endlich Wüstenbildung sind die pelt. Hausschafe und -ziegen al- Folgen. Hier können die Beutetiere lerdings konkurrieren direkt mit des Schneeleoparden nicht über- ihren wildlebenden Verwandten leben. In der Folge wird auch der um Nahrung, was zum Rückgang Schneeleopard verdrängt. Das Bei- von Beutetieren für Schneeleopar- spiel der Mongolei lässt sich auf vie- den führt. Insbesondere das Sess- le Verbreitungsländer übertragen. haft werden, also der Rückgang 2. Ressourcennutzung – am Beispiel Cordyceps sinensis Cordyceps sinensis, auch chinesi- land entwickelt. Das massenhaf- scher Raupenpilz oder Jartsu Gun- te Graben nach dem Pilz zerstört bu genannt, ist ein im tibetischen die Bergweiden und vermindert Hochland vorkommender, para- nicht nur die Qualität der Wiesen sitärer Pilz: Als Keimling befällt für Viehherden und wildlebende er die Larven eines im Himalaya Huftiere. Die Anwesenheit so vie- endemischen Nachtfalters. Die infi- ler Menschen in den Bergen ver- zierten Raupen werden in der tradi- scheucht auch die Wildtiere und tionellen asiatischen Medizin hoch kann sich entsprechend negativ geschätzt. Die Nachfrage hat sich auf Schneeleoparden auswirken. zwischen 1998 und 2008 veracht- Der Raupenpilz steht beispielhaft facht – ein Kilogramm wird heute dafür, wie sehr der Mensch mit für 7.500 Euro verkauft, kann bei seiner immer stärkeren Nachfrage höchster Qualität aber auch Preise nach natürlichen Ressourcen in die von rund 50.000 Euro erzielen. Das sensiblen Ökosysteme Zentralasi- Sammeln und Verkaufen des Pilzes ens eindringt und die Tier- und hat sich damit zu der wichtigsten Pflanzenwelt – und damit auch den Einkommensquelle der ländlichen Schneeleoparden – stört. Bevölkerung im tibetischen Hoch- 21
GEFÄHRDUNG 3. Verstärkter Infrastrukturausbau – ein Wegabschneider Straßen, Bahnstrecken, Bergbau und Minen, Staudämme, Grenz- zäune, Pipelines – der großflä- chige Ausbau von industrieller und linearer Infrastruktur wird in vielen Ländern vorangetrieben und zerschneidet und zerstört die sensiblen Lebensräume. Der Aus- bau von Infrastruktur in bislang unberührten, miteinander ver- netzten Ökosystemen ist ein gro- ßes Problem, weil er verhindert, dass Tiere wandern können und gleichzeitig Wilderern den Zugang zu vormals unberührten Gebieten ermöglicht. Auch wird während der Bauarbeiten selbst oft verstärkt illegal gejagt, wodurch Wildtiere wie Schneeleoparden gestört und verscheucht werden. 22
„Der langfristige und nachhaltige Schutz der Schneeleoparden hängt auch von der politischen, rechtlichen und gesellschaftlichen Lage in den Verbreitungsländern ab.“ Christiane Röttger, Schneeleoparden-Expertin des NABU 4. Klimawandel – ein zusätzlicher 5. Politik und Risikofaktor Gesellschaft Nach Einschätzung des Weltklima- Im Verbreitungsgebiet haben so- rates gehören die asiatischen Gebir- wohl die Politiker als auch die ge zu den am stärksten vom Klima- Bevölkerung meist wenig Be- wandel betroffenen Regionen der wusstsein und Verständnis für die Erde. Die wahrscheinlichen Folgen Situation der Schneeleoparden. des Klimawandels auf die Region Zudem fehlen den Ländern die sind Gletscherschmelze, Verände- nötigen finanziellen, personellen rungen des Wasserhaushaltes und und administrativen Ressourcen, der saisonalen Regenfälle, Zunah- um geltendes Recht und die nöti- me von extremen Wetterereig- gen Schutzmaßnahmen effektiv nissen, Erosion, Degradation und umzusetzen und die Großkatzen Wüstenbildung von ohnehin kar- systematisch zu erforschen. Ver- gen und trockenen Böden. Vieler- sehentliches Fangen (und damit orts finden solche Prozesse bereits einhergehendes Verletzen und statt: Die Gletscher in Zentralasien oftmals Töten) in Fallen, die für an- verlieren bereits erheblich an Mas- dere Tiere bestimmt sind, und die se und Fläche, was sich zukünftig Übertragung von Krankheiten und auf die Wasserverfügbarkeit und Attacken von streunenden Hunden Nahrungsmittelsicherheit einer verursachen vielerorts zusätzliche riesigen Region auswirken wird. Probleme. Auch Spannungen und Allein entlang des Tian Shan hat mangelnde Kooperation zwischen sich das Volumen der Eismassen vielen Ländern erschweren Schutz- in den letzten 50 Jahren um rund maßnahmen der Tiere über inter- 27 Prozent verringert. Die vom Eis nationale Grenzen hinweg. Die teil- bedeckte Fläche reduzierte sich um weise schwierige Sicherheitslage in 18 Prozent. einigen Verbreitungsländern be- günstigt zudem oftmals Wilderei. Ihr geringer Bestand macht Schnee- Kapazitäten zu schaffen, das nötige leoparden potenziell verwundbar Bewusstsein zu fördern und poli- für die Folgen des Klimawandels, tischen Willen zu forcieren, sind vor allem durch indirekte Folgen daher auch wichtige Bestandteile wie Veränderungen der menschli- der Arbeit des NABU vor Ort. chen Siedlungen und Viehhaltung: Wenn Viehhirten zum Beispiel größere Herden und mehr Weiden benötigen oder sich die Weidesai- son wegen des Klimawandels ver- längert und in höhere Berglagen verschiebt, kann das wiederum Auswirkungen auf die Beutetiere des Schneeleoparden und damit auf ihn selbst haben. 23
NABU VOR ORT „Die einheimische Bevölkerung ist der Schlüssel zum Erfolg. Um Schneeleoparden und ihren kostbaren Lebensraum zu retten, Christiane Röttger betreut die müssen wir die Menschen vor Ort, NABU-Schutzaktivitäten zum Schneeleopard und seinem vor allem ihre Bedürfnisse und Lebensraum fachlich. Sie möchte in ihre Arbeit vor allem Gewohnheiten, in unsere die dort lebenden Menschen einbeziehen, denn nur mit ihnen lässt sich das Überleben Aktivitäten einbinden.“ der Großkatzen sichern. NABU vor Ort – Aktiv für den Schutz des Schneeleoparden Sein Engagement zum Schutz 1988 475 Schneeleoparden an das Mit seinem Engagement leistet der Schneeleoparden startete der Zookombinat in Bischkek, die der NABU heute einen wichtigen NABU Ende der 1990er Jahre in an interessierte Zoos weiter ver- Beitrag zur Rettung der bedrohten Kirgisistan, wo er auch heute noch kauft wurden. Mit dem Zerfall Großkatze. hauptsächlich aktiv ist. 2001 wur- der Sowjetunion wurden viele der de ein Vertrag mit der kirgisischen staatlich ausgebildeten Fänger ar- Regierung abgeschlossen, im Jahr beitslos. Gleichzeitig brachen fast Die NABU-Aktivitäten 2010 eröffnete eine NABU-Filiale in alle wichtigen Wirtschaftszweige im Überblick: Bischkek mit derzeit insgesamt 21 zusammen. Einige Kirgisen ver- Mitarbeitern. suchten, sich durch Wilderei und • Anti-Wilderer-Einheit Gruppa Bars (S. 25) den Verkauf von Schneeleoparden • Umweltbildungsangebote (S. 26) In Kirgisistan nahmen die Schnee- und deren Fellen ein Einkommen leoparden-Bestände in den 1990er zu sichern, denn allein ein Fell er- • Maßnahmen zum Lebensraumschutz (S. 28) Jahren aufgrund massiver Wilde- zielte einen Gewinn in Höhe von • Monitoring und Forschung (S. 29) rei rapide ab: Vor dem Zusammen- mehreren Jahreseinkommen. So bruch der Sowjetunion wurden schrumpfte die Anzahl der Schnee- • Politische Arbeit vor Ort (S. 30) Fang und Export von Wildtieren leoparden in Kirgisistan von einst offiziell durch das sowjetische etwa 1.400 Tieren auf ca. 150 bis staatliche Zookombinat organi- 200 Tiere um die Jahrtausendwen- siert. Kirgisistan und Tadschikis- de. Heute schätzt man den Bestand tan lieferten zwischen 1947 und auf etwa 300 Tiere. 24
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