Wildbienen grenzübergreifend fördern - Bernhard Hoiẞ, Cathrine Maislinger, Maike Büsch und Wolfram Adelmann - Bayerische Akademie ...
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Artenschutz Abbildung 1 Die Zweifarbige Schnecken Bernhard Hoiẞ, Cathrine Maislinger, Maike Büsch und Wolfram Adelmann hausbiene (Osmia bicolor) ist eine Mauerbiene, die ihre Wildbienen grenzübergreifend fördern Nester in Schneckenhäuser baut. Diese Art wurde im Projekt auch auf einer struk turreichen Untersuchungs Grundlagen schaffen, um Wildbienen und weitere Bestäuber zu fördern, das war das Ziel fläche gefunden (Foto: Ingrid in einem bayerisch-österreichischen Interreg-Kleinprojekt in der EuRegio-Region „Salzburg Altmann/piclease). – Berchtesgadener Land – Traunstein“. In ausgewählten Kommunen analysierten wir von 2019 bis 2021 die Landschaftsstruktur und erhoben das dortige Wildbienenvorkommen stichprobenartig, um regionale, teils artspezifische Maßnahmen, empfehlen zu können. Sowohl Landwirtschaftspraxis als auch Kommunen und Lokalpolitik stehen diese fach lichen Grundlagen und Handreichungen nun zur Verfügung. Im Projekt „Regionen im Wandel – Mehr Raum Initiator des Euregio-Kleinprojektes ist der ös- für Bestäuber“ wurden fachliche Grundlagen terreichische Regionalverband Flachgau-Nord, zur Beratung von politischen Entscheidungs- in dem sich sieben Gemeinden organisieren. trägern und Landwirten geschaffen. Darüber Die Bayerische Akademie für Naturschutz und hinaus wurde der Handlungsbedarf in der Re- Landschaftspflege begleitete das Projekt fach- gion in einer Übersichtskarte zusammengefasst: lich. Dass sich ein Regionalverband um ein Sie zeigt, wo es besonders wichtig ist, (Klein-) Thema wie Wildbienen kümmern konnte, ist Strukturen für Bestäuber, als wichtigste Gruppe durchaus außergewöhnlich, stehen ansonsten hier die Wildbienen, und weitere landwirtschaft- eher raumplanerische Belange (wie zum Bei- lich wirkende Nützlinge (wie Schwebfliegen, spiel Entsorgung) im Vordergrund. Aber durch Grabwespen und weitere) zu erhalten oder neu die Unterstützung der lokalen Bürgermeister:in- anzulegen. Damit kann sie auch als Argumenta- nen konnte der Regionalverband Flachgau tionshilfe eingesetzt werden. Nord sogar den Leadpartner übernehmen. ANLIEGEN NATUR 44(1), 2022 89
Hoiẞ, Maislinger, Büsch & Adelmann: Artenschutz Wildbienen grenzübergreifend fördern Abbildung 2 Zwei Vergleichsbilder einer Projektgebiet waren sieben Gemeinden in gegebenheiten, gekennzeichnet sind. Als strukturarmen und struktur Österreich (Bürmoos, Dorfbeuern, Göming, strukturarm wurden Flächen bezeichnet, die reichen Landschaft (Foto: Ifbi). Lamprechtshausen, Nußdorf am Haunsberg, kaum eine bis gar keine dieser Strukturen vor- Oberndorf bei Salzburg, St. Georgen bei Salz- weisen konnten (vergleiche Abbildung 2). Eine burg) und vier Gemeinden in Bayern (Laufen, wichtige Frage war auch, ob sich diese grobe Tittmoning, Fridolfing, Kirchanschöring). Das Abschätzung „vom Schreibtisch aus“ auch in Institut für Biodiversitätsinformation (IfBi) aus der im Feld erhobenen Artenvielfalt wider dem bayerischen Ebern hat als Auftragnehmer spiegelt. die Kartierungen und Auswertungen über- nommen. In insgesamt 8 Untersuchungsgebieten (je 4 strukturreiche und je 4 strukturarme à 500 × Methode 500 m) wurden anschließend die vorkommen In der Region gab es bisher nur wenige Daten den Wildbienenarten in jeweils 6 Begängen zu Wildbienen, wie die Auswertungen der auf 6 Transekten pro Untersuchungsgebiet Artenschutzkartierung und der Datenbank erhoben. des „Haus der Natur“ in Salzburg ergaben. Bemerkenswert war die Kooperationsbereit- Um den regionalen Handlungsbedarf darzustel- schaft der Grundeigentümer. Sie zeigte sich len, wurden an Luftbildern (Maßstab 1:10.000) insbesondere darin, dass beinahe alle die Unter- strukturreiche beziehungsweise strukturarme suchungen auf ihren Flächen zuließen oder sie Landschaftsausschnitte identifiziert. Als struk- sogar willkommen hießen. Im Gegenzug er- turreich gelten Flächen, welche durch Hecken, hielten alle Grundeigentümer am Ende des Waldränder, sandige Flächen, Brachflächen, Projektes eine spezifisch für ihre Flächen ab- Bäume, Säume, Böschungen, Siedlungs- und gestimmte Empfehlung zur Förderung von Uferränder sowie allgemeine Strukturen, mit Wildbienen sowie kurze Informationen über hoher Variabilität an Aufwuchs oder Boden die dort gef undenen Arten. 90 ANLIEGEN NATUR 44(1), 2022
Hoiẞ, Maislinger, Büsch & Adelmann: Wildbienen grenzübergreifend fördern Artenschutz Ergebnisse (Hylaeus pfankuchi). Neben dem „lecker“ klin- Insgesamt konnten 96 Wildbienenarten nach- genden Namen (benannt nach dem Systemati- gewiesen werden: 63 Arten in Salzburg, 70 ker Karl Pfankuch) zeichnet die Art aus, dass Arten in Bayern. Dies entspricht in etwa 21 % sie eine der wenigen Bienenarten ist, die vor beziehungsweise 13 % aller registrierten Arten allem in feuchten Lebensräumen vorkommt: Sie in den jeweiligen Bundesländern. Im Vergleich besiedelt lückige Schilfröhrichte und legt ihre dazu fanden sich in einer anderen Studie in Nester dort vermutlich in alten Schilfgallen an. einzelnen Magerrasen etwa zwischen 40 bis 65 Arten, über alle 23 dort untersuchten Flä- Für die untersuchten Flächen werden verschie- chen waren es 189 Arten (Hopfenmüller et al. dene strukturfördernde Maßnahmen empfoh- 2014). Auf einem Golfplatz in Thalhausen wur- len. Wichtig war uns dabei, Empfehlungen zu den 58 Arten nachgewiesen (Schuberth 2020). geben, die möglichst einfach umsetzbar sind: Ein wichtiges Ergebnis: Die am Schreibtisch Insbesondere Straßen- und Wegränder, Gräben, vorgenommene, relativ grobe Einteilung in struk- Säume, Brachflächen, offene und sonnige Bo- turreiche und strukturarme Gebiete spiegelt sich denstellen sowie Totholz können relativ einfach eindeutig in den Artenzahlen wider: in den struk- aufgewertet oder geschaffen werden. Weniger turreichen Gebieten fanden sich im Schnitt etwa Dünger und eine extensive Mahd sind dabei doppelt so viele Arten (43, 43, 36, 33) wie in den wichtige Mittel. strukturarmen Gebieten (26, 19, 18, 16 Arten). Im Projekt haben wir Informationen über Struk- Im gesamten Projektgebiet wurden 24 Arten turen, die für Wildbienen in der landwirtschaft- Abbildung 3 aus der Bayerischen Roten Liste gefunden. 20 lichen Flur besonders förderlich sind, zusam Eine Übersicht über ver dieser Arten kamen auf den strukturreichen Flä- mengetragen. Sie können in ausführlicher Form schiedene Maßnahmen, um Wildbienen und an chen vor, immerhin noch 8 Arten fanden aber im Projektbericht (Nübold et al. 2021) einge dere Bestäuber zu fördern, auch auf den strukturarmen Flächen ein Aus- sehen werden: www.anl.bayern.de/projekte/ finden sie übersichtlich kommen. Unter den fünf nachgewiesenen vom regionen_im_wandel/index.htm. Hier finden auf der Homepage der Aussterben bedrohten oder stark gefährdeten sich Hinweise zur Anlage und Pflege sowie zu ANL (www.anl.bayern.de/ Arten befindet sich auch eine Maskenbiene ökologischen Mindeststandards und sinnvollen fachinformationen/wild bienen/index.htm). ANLIEGEN NATUR 44(1), 2022 91
Hoiẞ, Maislinger, Büsch & Adelmann: Artenschutz Wildbienen grenzübergreifend fördern Extensiv genutztes Grünland Vegetationsarme Flächen Ackerwildkrautstreifen Blühstreifen/-flächen Hecke/Feldgehölze Wege/Böschungen Feuchte Standorte STRUK TUREN Trockenmauern Kleinstrukturen Brachstreifen Waldsäume STRUK TUREN v. R. Na Na Na/Np Np Na/Np Np Na/Np Na/Np Na/Np Na/Np Np Ackerwildkrautstreifen Na V + + ++ + + ++ + + + Blühstreifen/-flächen Na V V + V + V V V V ++ Extensiv genutztes Grünland Na/Np + V ++ ++ + ++ ++ + + ++ Vegetationsarme Flächen Np + + ++ + + ++ ++ + + ++ Wege/Böschungen Na/Np ++ V ++ + + + ++ + + + Trockenmauern Np + + + + + + + + + + Waldsäume Na/Np + V ++ ++ + + ++ ++ + ++ Hecke/Feldgehölze Na/Np ++ V ++ ++ ++ + ++ ++ ++ ++ Brachstreifen Na/Np + V + + + + ++ ++ + + Feuchte Standorte Na/Np + V + + + + + ++ + ++ Kleinstrukturen Np + ++ ++ ++ + + ++ ++ + ++ Tabelle 1 Welche Maßnahmen lassen sich besonders sinnvoll mitei Kombinationen (hierzu siehe Tabelle 1). In kür- • Den Landwirten, die unsere Untersuchungs- nander kombinieren, um zerer Form sind die Informationen auch über flächen bewirtschaften, haben wir die er- Wildbienen zu fördern – die Tabelle gibt eine einfache die Website abrufbar: www.anl.bayern.de/ arbeiteten, flächenscharfen Maßnahmen Übersicht (Quelle: IFBI 2022). fachinformationen/wildbienen/index.htm vorschläge zukommen lassen. (vergleiche Abbildung 3). Es sind die Ressourcen an gegeben, die von einer • Interessierte Kommunen konnten an einer Struktur primär zur Verfü Exkursion zu unseren Untersuchungsflächen gung gestellt werden: Kooperation sowie an einer Exkursion zu Kommunal Nahrung (Na), Nistplatz In mehreren Vernetzungstreffen haben wir flächen der Gemeinde Göming teilnehmen (Np). Fast alle Strukturen sind auch mit dem Projekt „Natur in der Gemeinde“ und erhielten dort Informationen speziell miteinander kombinierbar des Landes Salzburg, der Biosphärenregion für politische Entscheidungsträger. (+), einige sind besonders gut kombinierbar (++). Berchtesgadener Land und dem Landschafts- Wichtig ist, Nahrungs- und pflegeverband BGL unsere Ergebnisse diskutiert • Es gab einige Zeitungsartikel und einen Nistplatzressourcen zu kom und Anknüpfungspunkte für weitere (Umset- Kurzbeitrag des ORF zum Projekt. binieren (hell- und dunkel zungs-)Projekte besprochen. Die gewonnenen grün hinterlegt). Vorsicht ist Erkenntnisse werden auf verschiedenen Wegen • Aufbauend auf den Projektergebnissen haben geboten bei der Ansaat von Blühstreifen, die den Genpool verbreitet: wir zwei Broschüren erstellt: „Wildbienen der freilebenden Arten ver- schützen und fördern – Feldwege aufwerten“ fälschen können (V). • Wir haben allen EuRegio-Kommunen unsere sowie „Wildbienen schützen und fördern – Ergebnisse direkt zur Verfügung gestellt. Spielplätze aufwerten“ 92 ANLIEGEN NATUR 44(1), 2022
Hoiẞ, Maislinger, Büsch & Adelmann: Wildbienen grenzübergreifend fördern Artenschutz Kleinprojekt im Kleinprojekt: Stieglgut Wildshut Abbildung 4 Aktives Schaffen von Kleinstrukturen für Be stäuber, aber auch für andere Arten, wie die Zauneidechse: Totholz, Feinkies, Sand und Offenbodenflächen (Foto: Konrad Steiner) Bemerkenswert ist das Engagement des biologisch wirtschaftenden Biergutes der Stieglbrau erei in Wildshut in Oberösterreich. Der Betrieb war äußerst interessiert an einer Teilnahme am Projekt, lag aber leider außerhalb der möglichen Zuständigkeit des Regionalverbandes. Da- raufhin finanzierte die ANL die Geländeerhebung zu Wildbienen aus eigenen Mitteln. Das ökologisch bewirtschaftete Gut möchte seine landwirtschaftlichen Flächen strukturreicher und biodiversitätsfreundlicher gestalten. Die nun durchgeführte Wildbienenerhebung (in gleicher Weise wie im Kleinprojekt) lieferte hier wertvolle Hinweise, welche lokalen Maßnahmen sinn- voll sind. Damit die Empfehlungen nicht nur Theorie bleiben, wurde gleich angepackt und es wurden mit der Landwirtschaftsschule HBLA Ursprung Kleinstrukturen, wie Totholz am Ackerrand, geschaffen sowie sandige Nistflächen, aber auch eine 400 m lange Hecke aus verschiedensten Wild-Mirabellen („Kriecherl“) – eine über Jahre gesammelte Vorzucht ver- schiedenster Sorten dieser Wildpflaume machte dies möglich. Fazit und Dank Johann Neumayr, Martin Schlager und Katha Das Projekt hat gezeigt, dass bereits einige ein- rina Thierolf, die uns bei den Erhebungen fache Strukturen in der landwirtschaftlichen unterstützt haben; Katharina Söldner, Luis Struktur die Wildbienenvielfalt deutlich steigern Schmidt und Fabian Royer während ihrer Zeit können (im Projekt: Sogar verdoppelt!). Auch im Freiwilligen Ökologischen Jahr für die Aus- kleine und kleinstflächige Beiträge können be- arbeitung der Informationsbroschüren. reits einen positiven Effekt haben, sodass auch in ansonsten ausgeräumten Landschaften einige Arten überleben können. Kurz: Jeder kann auch mit einfachen Mitteln etwas für Bestäuber tun. Das Projekt „Regionen im Wandel – Mehr Raum für Bestäuber“ (SBG 165) wurde dankenswerter- weise durch das EU-Programm Interreg Bayern – Abbildung 5 Österreich 2014–2020 gefördert und mit 31. Titelbild einer Broschüre zur August 2021 abgeschlossen. Einen besonderen sinnvollen Unterstützung von Wildbienen. Die Bro Dank an Frau Sarah Reiter von der EuRegio für schüren können kostenfrei die tatkräftige und positive Begleitung des bestellt werden unter: Projektes. Besonderer Dank gilt Marion Müller, www.bestellen.bayern.de/ Mareen Geyer und Josephina Nübold vom IfBi; shoplink/anl_mkb_0001.htm ANLIEGEN NATUR 44(1), 2022 93
Hoiẞ, Maislinger, Büsch & Adelmann: Artenschutz Wildbienen grenzübergreifend fördern Mehr Weitere Informationen zum Projekt und den Autor:innen Projektbericht gibt es hier: www.anl.bayern.de/projekte/regionen_im_ Dr. Bernhard Hoiß, wandel/index.htm Jahrgang 1981. Katalog mit wichtigen Strukturen für Wild Studium der Biologie in Regensburg. Nach bienen in der landwirtschaftlichen Flur: kurzer Zeit in einem Planungsbüro Promo- www.anl.bayern.de/fachinformationen/ tion und wissenschaftlicher Mitarbeiter an wildbienen/index.htm den Universitäten Bayreuth und Würzburg zu Pflanzen-Bestäuber-Interaktionen. An- Die zwei Broschüren „Feldwege aufwerten“ schließend Biodiversitätsbeauftragter an der und „Spielplätze aufwerten“ gibt es hier: Regierung von Schwaben. Seit 2016 an der www.anl.bayern.de/publikationen/weitere_ ANL mit den Schwerpunkten Biodiversität publikationen/index.htm#wildbienen und Öffentlichkeitsarbeit. Bayerische Akademie für Naturschutz und Landschaftspflege (ANL) Literatur +49 8682 8963-53 Hopfenmüller, S., Steffan-Dewenter, I. & Holzschuh, A. bernhard.hoiss@anl.bayern.de (2014): Trait-Specific Responses of Wild Bee Com- munities to Landscape Composition, Configuration and Local Factors. – PLoS ONE 9(8): e104439. Cathrine Maislinger, Nübold, J., Geyer, M. & Mandery, D. K. (2021): INTERREG Jahrgang 1984. Österreich – Bayern Kleinprojekt „Regionen im Wandel – Mehr Raum für Bestäuber“ – In: – p. 95, Regionalverband Flachgau-Nord Ebern. +43 6272 41217 Schuberth, J. (2020): Wildbienen- und Wespenfauna maislinger@flachgau-nord.at „Golfplatz Thalkirchen“. – In: Abschlussbericht 2019 der Deutschen Wildtierstiftung, München: 13 S. Maike Büsch, Jahrgang 1988. Regionalverband Flachgau-Nord +43 6272 41217 buesch@flachgau-nord.at Dr. Wolfram Adelmann, Jahrgang 1974. Bayerische Akademie für Naturschutz Zitiervorschlag und Landschaftspflege (ANL) Hoiẞ, B., Maislinger, C., Büsch, M. & Adelmann, W. +49 8682 8963-55 (2022): Wildbienen grenzübergreifend fördern. – wolfram.adelmann@anl.bayern.de ANLiegen Natur 44(1): 89–94, Laufen; www.anl.bayern.de/publikationen. 94 ANLIEGEN NATUR 44(1), 2022
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