WILDWARNREFLEKTOREN IN BADEN-WÜRTTEMBERG - Erhebung der Straßenabschnitte mit Wildwarnreflektoren und Untersuchung der Wirkung auf Wildtiere
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WILDWARNREFLEKTOREN IN BADEN-WÜRTTEMBERG Erhebung der Straßenabschnitte mit Wildwarnreflektoren und Untersuchung der Wirkung auf Wildtiere Projektbericht
Wildwarnreflektoren in Baden-Württemberg Projektbericht zur Erhebung der Straßenabschnitte mit Wildwarnreflektoren und Untersuchung der Wirkung auf Wildtiere (2017-2020) Wildlife warning reflectors in Baden-Württemberg Inventory of road sections equipped with wildlife warning reflectors and their effects on wildlife behaviour (2017-2020) Project report Falko Brieger, Jim-Lino Kämmerle, Florian Frosch, Tim Voigt, Rieke Vorderbrügge, Zeno Bader, Martin Strein, Rudi Suchant Projektzeitraum: 2017 – 2020 Das Projekt wurde aus Mitteln der Landesjagdabgabe ermöglicht. FORSTLICHE VERSUCHS- UND FORSCHUNGSANSTALT BADEN-WÜRTTEMBERG FVA-WILDTIERINSTITUT | ARBEITSBEREICH LEBENSRAUMVERBUND & WILDUNFÄLLE 2021
Zitiervorschlag Brieger, F., Kämmerle, J.-L., Forsch, F., Voigt, T., Vorderbrügge, R., Bader, Z., Strein, M., Suchant, R. (2021): Wildwarnreflektoren in Baden-Württemberg - Projektbericht zur Erhebung der Straßenab- schnitte mit Wildwarnreflektoren und Untersuchung der Wirkung auf Wildtiere (2017-2020). Forstli- che Versuchs- und Forschungsanstalt Baden-Württemberg, Freiburg. 65 Seiten. pdf- Version 1.4 Impressum Titelbild: FVA Herausgeberin: Forstliche Versuchs- und Forschungsanstalt Baden-Württemberg FVA-Wildtierinstitut, Arbeitsbereich Lebensraumverbund & Wildunfälle Wonnhaldestraße 4 79100 Freiburg Alle Rechte, insbesondere das Recht zur Vervielfältigung und Verbreitung sowie der Übersetzung vorbehalten.
Danksagung Unser herzlicher Dank gilt zum einen den Jägerinnen und Jägern sowie den Revier- leitenden im Untersuchungsgebiet, die das Projekt mit ihrer Ortskenntnis und Hilfe sowie ihren Erfahrungen unterstützt haben. Zum anderen den Straßenmeistereien und Straßenbauämtern Baden-Württembergs für ihre Unterstützung und die Be- reitschaft, an der Kartierung der Wildwarnreflektoren teilzunehmen. Ein großes Dankeschön geht an die Praktikantinnen und Praktikanten, die uns bei der Durch- sicht der Videos unterstützt haben. Wir danken für die finanzielle Unterstützung aus Mitteln der Landesjagdabgabe Baden-Württemberg. Dank an das Verkehrsministerium Baden-Württemberg für die Bereitstellung der Netzknoten- und Bauwerkskarten.
Zusammenfassung 1 Inhaltsverzeichnis 1 Zusammenfassung……………………………………………………………………………………………………………………………… 1 2 Summary…………………………………………………………………………………………………………………………………………... 2 3 Einleitung…………………………………………………………………………………………………………………………………………… 3 3.1 Wildwarnreflektoren…………………………………………………………………………………………………………………… 3 3.2 Wirkungsweise von Wildwarnreflektoren……………………………………………………………………………………. 4 4 Projektaufgaben……………………………………………………………………………………………………………………………..…. 5 4.1 Ziel Bestandserhebung Wildwarnreflektoren………………………………………………………………………………. 5 4.2 Ziel Wirkung von Wildwarnreflektoren………………………………………………………………..……………….…..… 5 4.3 Ziel Arbeitskreis „Verkehrssicherheit & Wildtiere“ ……………………………………………………………………… 6 5 Bestandserhebung Wildwarnreflektoren………………………………………………………………………………………….… 6 5.1 Untersuchungsrahmen………………………………………………………………………………………………………………… 6 5.2 Methodik…………………………………………………………………………………………………………………………………….. 6 5.2.1 Geografische Erfassung der Straßenabschnitte……………………………………………………………..…. 6 5.3 Auswertung…………………………………………………………………………………………………………………………………. 7 5.3.1 Verteilung in Baden-Württemberg………………………………………………………………………………..…. 7 5.3.2 Verteilung nach Dichte……………………………………………………………………………………………………… 7 5.3.3 Angrenzende Landnutzung…………………………………………………………………………………………….... 7 5.4 Ergebnisse………………………………………………………………………………………………………………………………..... 9 5.4.1 Verteilung in Baden-Württemberg…………………………………………………………………………………… 9 5.4.2 Verteilung nach Dichte…………………………………………………………………………………………………… 15 5.4.3 Verteilung nach Landnutzung……………………………………………………………………………………….… 16 5.5 Bewertung und Fazit……………………………………………………………………………………………………………..….. 16 6 Wirkung von Wildwarnreflektoren auf Wildtiere am Straßenrand………………………………………………….… 18 6.1 Untersuchungsrahmen………………………………………………………………………………………………………..….… 18 6.1.1 Ziele……………………………………………………………………………………………………………………………….. 18 6.2 Methodik………………………………………………………………………………………………………………………………..… 18 6.2.1 Auswahl Straßenabschnitte……………………………………………………………………………………..…..… 18 6.2.2 Auswahl Wildwarnreflektormodelle………………………………………………………………………..…..… 19 6.2.3 Technik Wärmebildkamera…………………………………………………………………………………………..… 19 6.2.4 Untersuchungsdesign…………………………………………………………………………………………………..… 21 6.2.5 Datenvorbereitung für Verhaltensklassifikation……………………………………………………………… 22 6.2.6 Klassifikation des Wildtierverhaltens…………………………………………………………………………..…. 22 6.2.7 Prädiktoren für Auswertung…………………………………………………………………………………………… 25 6.3 Statistische Auswertung………………………………………………………………………………………………………….... 26 6.4 Ergebnisse Wildtierverhalten an Straßen im Beisein von Wildwarnreflektoren…………………………. 27 6.4.1 Allgemeine Ergebnisse……………………………………………………………………………………………………. 27 6.4.2 Statistische Ergebnisse………………………………………………………………………………………………..…. 28 6.5 Diskussion und Bewertung………………………………………………………………………………………………………… 30 7 Arbeitskreis „Verkehrssicherheit & Wildtiere“ ………………………………………………………………………………… 31 8 Literatur…………………………………………………………………………………………………………………………………………… 32 9 Anhang…………………………………………………………………………………………………………………………………………….. 35 9.1 Erhebung Wildwarnreflektoren…………………………………………………………………………………………………. 35 9.2 Wildtierverhalten an Straßenabschnitten…………………………………………………………………………….……. 37 9.2.1 Fragebogen Wildtierverhalten……………………………………………………………………………………….. 37 9.2.2 Charakteristika der Straßenabschnitte zur Erfassung der Wildtierverhaltens…………………. 39 9.2.3 Ablauf Untersuchungsphasen Wildtierverhalten………………………………………………………….… 53 9.2.4 Beurteilung Wildunfallgefährdendes Verhalten……………………………………………………………... 58
Zusammenfassung 1 ligen Land- und Stadtkreise Baden-Württem- 1 Zusammenfassung bergs. Alle 44 Land- und Stadtkreise Baden- Württembergs beteiligten sich an der Erfas- Jährlich werden in Deutschland rund 300.000 sung. Die Gesamtlänge der Straßenabschnitte, Wildtiere durch Verkehrsunfälle getötet. Al- die Stand 2019 mit Wildwarnreflektoren aus- lein in Baden-Württemberg kam es im Jagd- gestattet sind, betrug demnach 2.631 km. Da- jahr 2019/2020 zu rund 26.000 dokumentier- raus ergeben sich für Baden-Württemberg ten Wildunfällen. Generell ist davon auszuge- rund 100.000 montierte Wildwarnreflektoren hen, dass die Dunkelziffer deutlich höher ist, für alle Bundes- Land- und Kreisstraßen. Ge- da viele Unfälle nicht gemeldet werden. So- meindestraßen konnten nicht erfasst werden, wohl die Anzahl an Wildunfällen als auch die da diese nicht vom Straßenbetrieb unterhal- Summe der Kfz-Sachschäden durch Wildunfäl- ten werden. le erreichten im Jahr 2019 wieder ein neues Die Wirkung von Wildwarnreflektoren auf das Rekordhoch. Verhalten von Wildtieren wurde an 14 reprä- Wildwarnreflektoren werden seit rund sechs sentativ über Baden-Württemberg verteilten Jahrzehnten eingesetzt, um Wildunfälle zu Straßenabschnitten untersucht. Hierfür wur- verhindern und kommen als Präventionsmaß- den sieben Wärmebildkameras der Firma Axis nahme am häufigsten zur Anwendung. Ziel ist GmbH genutzt, um das Verhalten von Wildtie- nicht die Verhinderung von Straßenquerungen ren am Straßenrand zu dokumentieren. Jeder von Wildtieren (vor allem Rehen), sondern die Straßenabschnitt wurde sechs Monate über- Beeinflussung des Verhaltens der Tiere, so wacht und aus diesem Zeitraum alle Ereignisse dass Wildunfälle vermieden werden. Beson- mit Rehen, Füchsen und Wildschweinen mit ders blaue Reflektoren sollen aufgrund ihrer einem maximalen Abstand von 5 m zur Straße „Warn“-Farbe Wildunfälle wirksam vermei- analysiert. Der Fokus lag auf dem Verhalten den. Während wissenschaftliche Studien die der Tiere vor Eintreffen eines Fahrzeugs und Wirksamkeit von Wildwarnreflektoren über- ihrer Reaktion auf das passierende Fahrzeug wiegend anzweifeln, ist ein Großteil der Jäger- unter Berücksichtigung einer Beeinflussung schaft von deren Wirkung nach wie vor über- des Wildtierverhaltens durch die Wildwarnre- zeugt. Um dem Widerspruch nachzugehen, flektoren. wurden drei Untersuchungsschwerpunkte im Insgesamt konnten 2.841 Tier-Fahrzeug-Ereig- vorliegenden Projekt bearbeitet: nisse analysiert werden. Davon entfielen 1. Erfassung aller Straßenabschnitte im 1.960 Ereignisse auf Rehe, 696 auf Füchse und übergeordneten überregionalen Stre- 185 auf Wildschweine. Bei Letzteren war die Anzahl an Daten zu gering, um die Wirkung ckennetz (d.h. alle Bundes- Land- und von Wildwarnreflektoren valide zu analysie- Kreisstraßen) mit Wildwarnreflektoren in ren. Weder bei Rehen noch bei Füchsen konn- Baden-Württemberg. te ein signifikanter Einfluss der Wildwarnre- 2. Bewertung der Wirksamkeit von Wild- flektoren auf das Verhalten von Wildtieren warnreflektoren bezüglich der Verhal- festgestellt werden. Mit Blick auf ein wildun- tensreaktionen der Wildtierarten Reh, fallgefährdendes Verhalten zeigte sich, dass Fuchs und Wildschwein im Straßenum- Rehe im Vergleich zu Füchsen eher ein vor- feld. sichtigeres Verhalten zeigen, dass das Risiko 3. Initiierung eines Arbeitskreises „Ver- eines Wildunfalls minimiert. Wildwarnreflek- kehrssicherheit & Wildtiere“ zur Erarbei- toren trugen jedoch nicht dazu bei, dass sich tung von Strategien für eine nachhaltige das Risiko verringert. Die Untersuchungser- Reduzierung von Wildunfällen. gebnisse bestätigen, dass Wildwarnreflek- toren keine geeignete Präventionsmaßnahme Die Erfassung der Straßenabschnitte, die mit sind, um das Verhalten von Wildtieren gezielt Wildwarnreflektoren ausgestattet sind, erfolg- zu beeinflussen und Wildunfälle zu reduzie- te mithilfe der Straßenmeistereien der jewei- ren.
2 Summary 2.631 km length were equipped with wildlife 2 Summary warning reflectors. This results in approxi- mately 100.000 mounted wildlife warning re- Every year, approximately 300.000 wild ani- flectors on federal, county and district roads mals are killed in animal-vehicle accidents in in Baden-Württemberg. Their distribution is Germany. In Baden-Württemberg, around not homogeneous across Baden-Württem- 26.000 wildlife-vehicle collisions occurred be- berg. tween April 2019 and March 2020. The actual The effect of wildlife warning reflectors was number is assumedly significantly higher, due investigated at 14 road sections, which were to the number of unreported accidents. Both representatively distributed over Baden- the number of wildlife-vehicle collisions and Württemberg. Thermal network cameras were the total sum of vehicle damage reached a used to document wildlife behavior at road- record high in 2019. sides. Each road section was recorded for six For about six decades, wildlife warning reflec- months. All events with roe deer, red fox or tors have been used to prevent wildlife- wild boar, which were located within a five- vehicle collisions and are currently the most meter distance to the road, were analyzed. used mitigation measure. Instead of prevent- Key aspect was animal behavior prior to the ing animals (primarily roe deer) from crossing arrival of a vehicle and its reaction to the on- the road (as for example wildlife fences do), coming vehicle, taking an effect of wildlife wildlife warning reflectors aim to influence warning reflectors on animal behavior into ac- wildlife behavior to the extent that wildlife- count. vehicle accidents are avoided. Owing to their In total 2.841 animal-vehicle events could be color, blue reflectors are assumed to be espe- analyzed. Of those, roe deer accounted for cially effective. While scientific studies cast 1,960 events, red foxes for 696, and wild boar doubt on the effectiveness of wildlife warning for 185. Owing to the limited sample size for reflectors, a large part of the hunting commu- wild boar, reflector effectiveness was tested nity is convinced of their effectiveness. In or- for roe deer and fox. Neither roe deer nor red der to investigate this contradiction, the re- fox behavior was significantly influenced by search project focused on three main points: wildlife warning reflectors. When focusing on 1. The documentation of road sections in Ba- behavior influencing wildlife-vehicle collision, den-Württemberg within the national street roe deer generally show behavior, which min- network (all federal, county and district imizes the risk of a collision. However, wildlife roads), which are equipped with wildlife warn- warning reflectors did not alter this risk. ing reflectors. Municipal roads have not been The study results show that wildlife warning included. reflectors are not a suitable prevention meas- 2. The evaluation of the effectiveness of wild- ure. They neither alter wildlife behavior nor life warning reflectors for altering the behav- do they reduce wildlife-vehicle collision risk. ior of roe deer, fox and boar on the roadside. 3. The initiation of a "Traffic Safety & Wildlife" working group to develop strategies for long- term reduction of wildlife-vehicle collisions. The road sections equipped with wildlife warning reflectors were documented with the assistance of the road maintenance depart- ments of the respective rural and urban dis- tricts in Baden-Württemberg. All 44 rural and urban districts in Baden-Württemberg partici- pated in the survey. In total road sections of
Einleitung 3 Trennwirkung von Wildschutzzäunen auf die 3 Einleitung Tierpopulationen. Dieser Einfluss kann dann allenfalls an besonderen Konfliktstellen durch In Baden-Württemberg ereigneten sich im Tierquerungshilfen wie z.B. Grünbrücken, Jagdjahr 2019/20 rund 26.000 dokumentierte Wilddurchlässe oder Wildwarnanlagen punk- Wildunfälle (Deutscher Jagdverband, 2021). tuell entschärft werden. Die zweite Kategorie Mit einer Gesamtlänge von 27.418 km an der Präventionsmaßnahmen ermöglicht es Bundes-, Land- und Kreisstraßen verfügt Ba- Wildtieren, weiterhin Straßen zu überqueren. den-Württemberg über ein im Vergleich zu Hierzu zählen vor allem flächig und häufig an- vielen anderen Bundesländern sehr dicht aus- gewandte Maßnahmen wie Wildwarnreflek- gebautes Straßennetz (Statistisches Landes- toren oder Duftzäune. Besonders Wildwarnre- amt Baden-Württemberg, 2020a). 2019 sind flektoren haben in der Wildunfallprävention landesweit mehr als 8 Mio. Fahrzeuge zuge- vor allem in der Jägerschaft einen großen Stel- lassen (Kraftfahrtbundesamt, 2020) und es lenwert erlangt. wurden rund 95 Mrd. Fahrzeugkilometer al- lein auf dem Straßennetz von Baden- 3.1 Wildwarnreflektoren Württemberg zurückgelegt (Statistisches Lan- desamt Baden-Württemberg, 2020b). Die Ge- Wildwarnreflektoren gibt es seit fast 60 Jah- samtfahrleistung als auch der Gesamtbestand ren (Nettles, 1965; Ueckermann, 1984; Brieger an Fahrzeugen nimmt in den letzten Jahrzehn- et al., 2016). Seitdem werden sie in unter- ten weiter kontinuierlich zu. Bundesweit wur- schiedlichsten Bauformen und Farben angebo- de im Jahr 2019 nach Angaben des Gesamt- ten. Das zugrundeliegende Prinzip verändert verbands der Deutschen Versicherungswirt- sich jedoch nicht: Licht des herannahenden schaft mit 295.000 Pkw-Wildunfällen ein neu- Fahrzeuges soll durch die Reflektoren reflek- es Rekordhoch erreicht. Gleichzeitig stieg die tiert und von Wildtieren im Straßenumfeld Summe für Sachschäden auf einen ebenfalls bemerkt werden. Die so von den Reflektoren neuen Höchststand auf 885 Mio. Euro (Ge- erzeugten Lichtreize sollen durch Verhaltens- samtverband der deutschen Versicherungs- beeinflussung zu einer Reduktion von Wildun- wirtschaft, 2020). fällen führen, wobei die angestrebte Verhal- Seit Beginn der 1960er Jahre wird versucht, tensreaktion meist nicht näher beschrieben mit unterschiedlichsten Wildunfallpräventi- wird. Einige Hersteller geben an, dass die onsmaßnahmen auf das Verhalten von Wild- Wildtiere (v.a. Rehe) im Straßenrandbereich tieren im Straßenrandbereich einzuwirken, durch die Lichtreize stärker auf die näher um Wildunfälle zu reduzieren (Ueckermann, kommenden Fahrzeuge „sensibilisiert“ wer- 1984). Die Maßnahmen können in zwei Kate- den sollen. Der Wildunfall soll dadurch ver- gorien eingeteilt werden: Zum einen in Maß- mieden werden, dass die Tiere das sich annä- nahmen, die Tierquerungen über die Straße hernde Fahrzeug „bewusster“ wahrnehmen verhindern, zum anderen in Präventionsmaß- und erst dann die Straße queren, nachdem nahmen, die weiterhin Querung zulassen, das das Auto das Tier passiert hat (z.B. D'Angelo Tierverhalten jedoch in einer wildunfallredu- und van der Ree, 2015). zierenden Weise beeinflussen sollen. Zur ers- Hinsichtlich der physikalischen Eigenschaften ten Kategorie zählen Wildschutzzäune. Diese lassen sich die Wildwarnreflektoren zwei sind bei geeigneter Bauweise sehr effektiv in Grundtypen zuordnen (Brieger et al., 2016; der Verhinderung von Wildunfällen. Ihr Bau Benten, Annighöfer und Vor, 2018). wird aufgrund des starken Eingriffs auf die Wildtierpopulationen und in das Landschafts- 1. Bei Wildwarnreflektoren mit Spiegelele- bild sowie der relativ hohen Bau- und Unter- menten (Abb. 1) fällt das Scheinwerferlicht haltungskosten im Wesentlichen auf mehr- eines herannahenden Fahrzeuges auf die streifig ausgebaute Bundesfernstraßen be- Reflektoren und wird rechts und links in schränkt. Zu beachten ist immer die starke den Straßenrandbereich gestreut (Zack,
4 Einleitung 1986; Sivic und Sielecki, 2001; Langbein, 3.2 Wirkungsweise von Wildwarnre- Putman und Pokorny, 2011). flektoren Konkrete Informationen, welches theoretische Wirkungsprinzip Wildwarnreflektoren zu Grunde liegt, sind nicht vorhanden. Es gibt zwei Thesen, wie Wildwarnreflektoren zu ei- ner Senkung des Unfallrisikos beitragen könn- ten: I. Einerseits können Wildtiere kurzfristig und unmittelbar durch Reflektoren beeinflusst werden. Halten sich Wildtiere direkt am Stra- ßenrand auf und ein Fahrzeug nähert sich gleichzeitig, dann können die Tiere durch die Wirkung der Reflektoren intensivere/stärkere Abb. 1: Wirkungsprinzip Wildwarnreflektoren mit Spie- Verhaltensreaktionen zeigen, die zu einer gelelementen. Das Licht des Fahrzeugs wird fä- Vermeidung eines Wildunfalls führen. Die Tie- cherförmig in den Straßenrandbereich gestreut. re können z.B. häufiger mit Sicherungsverhal- ten reagieren oder durch die Reflektoren vom 2. Wildwarnreflektoren mit retroreflektieren- Betreten bzw. Queren der Straße abgehalten der Folie reflektieren das Licht in einem werden. Eine Straßenquerung soll erst dann wesentlich geringeren Abstrahlwinkel (ca. erfolgen, sobald sich das Fahrzeug entfernt 1,5° Grad) zurück zur Lichtquelle (Abb. 2). hat. Zu diesem Typus zählt z.B. der blaue Halb- II. Andererseits besteht die Möglichkeit, dass kreisreflektor der Firma Schilderwerk Reflektoren langfristig auf das Verhalten von Beutha, der ungefähr seit dem Jahr 2000 Wildtieren einwirken. Insbesondere Rehe, die angeboten wird. Mit der Einführung von als Art am häufigsten von Wildunfällen betrof- blauen Wildwarnreflektoren erfolgte eine fen sind, können so starke Verhaltensände- deutliche Zunahme der Anbringung durch rungen aufzeigen, dass sie z.B. weniger häufig die Jägerschaft, da der Farbe Blau eine be- Straßen queren und dadurch Straßenquerun- sondere Bedeutung zur Verhinderung von gen unterbunden werden oder es zu tageszeit- Wildunfällen beigemessen wird. lichen Verschiebungen kommt, wann Stra- ßenquerungen stattfinden. Parallel zur Herstellung von Wildwarnreflek- toren in immer neuen Bauweisen wurden auch Forschungsprojekte durchgeführt, die versuchten, eine Wirkungsweise der Reflek- toren nachzuweisen. Der größte Teil der Un- Abb. 2: Wirkungsprinzip von Retroreflektoren. Straßen- leitpfosten mit blauen Halbkreisreflektoren sind tersuchungen verglich lediglich die Wildunfall- schematisch als kleine graue Halbkreise darge- zahlen vor und nach Ausbringung von Wild- stellt. Retroreflektoren reflektieren das Licht des warnreflektoren (z.B. Schafer und Penland, nähernden Fahrzeuges aufgrund ihrer physikali- schen Eigenschaften zurück zur Lichtquelle (dem 1985; Woodham, 1991; Armstrong, 1992; Fahrzeug) und sollen laut Hersteller einen blauen Reeve und Anderson, 1993; Gulen et al., Lichtzaun parallel zur Straße erzeugen (s. abge- 2006), die aber aufgrund zahlreicher Unter- stufte blaue Flächen). Der Reflexionswinkel be- trägt maximal 1,5 Grad. schiede zwischen den Studien wenig ver- gleichbar sind. Des Weiteren zogen diese Stu- dien nicht das Tierverhalten mit in die Be- trachtung ein, wie z.B. Ujvári, Baagøe und Madsen (1998), D’Angelo et al. (2006) sowie
Projektaufgaben 5 Ramp und Croft (2006). Aufgrund der Schwie- 4.1 Ziel Bestandserhebung Wildwarn- rigkeit, statistisch belastbare Aussagen zu den reflektoren Reflektoren zu erhalten, wurden stetig die Un- tersuchungsanordnungen geändert, um neue Ziel des Projektmoduls 1 ist, die Straßenab- Erkenntnisse zu gewinnen. schnitte der Bundes- Land- und Kreisstraßen in Baden-Württemberg mit Wildwarnreflek- Einen umfassenden Blick auf die Wirkung von toren erstmalig geografisch zu erfassen und aktuellen Wildwarnreflektoren lieferten die darzustellen. Die Erhebung erfolgt mit Unter- Forschungsprojekte der Forstlichen Versuchs- stützung der Straßenmeistereien, die im Rah- und Forschungsanstalt Baden-Württemberg men ihrer regelmäßigen Kontrollen des Stre- (Brieger et al., 2019) und dem Gesamtverband ckennetzes die Straßenabschnitte mit Wild- der Deutschen Versicherungswirtschaft (Ben- warnreflektoren dokumentieren. Die erhobe- ten, Ammer und Bakaba, 2019). In diesen nen Daten werden im Rahmen des Projektes wurde die Wirkung u.a. von blauen Wildwarn- mit GIS-Programmen digitalisiert und analy- reflektoren sowohl auf das unmittelbare als siert. Sie bilden die Grundlage für zukünftige auch langfristige Verhalten bei Rehen intensiv Strategien in der Reduktion von Wildunfällen untersucht bzw. Wildunfallzahlen systema- zur Verbesserung der Verkehrssicherheit. tisch in Kombination mit Kontrollstrecken ana- lysiert (BACI-Ansatz). 4.2 Ziel Wirkung von Wildwarnreflek- toren 4 Projektaufgaben Die Ergebnisse des ersten FVA-Wildunfall- präventionsprojektes 2010-2014 mit Blick auf Das Projekt umfasst die drei Themen Bestand- die Wirkung von Wildwarnreflektoren (Brieger serhebung Wildwarnreflektoren (Kap. 5), Wir- et al., 2019) blieben, u.a. beim Denzlinger kung von Wildwarnreflektoren auf das Wild- Wildtierforum 2015, umstritten. Die kontro- tierverhalten am Straßenrand (Kap. 6), und versen Diskussionen offenbarten, dass Wild- Arbeitskreis „Verkehrssicherheit & Wildtiere“ warnreflektoren nach Meinung von Teilen der (Kap. 7). Jägerschaft entgegen der Projektergebnisse doch zur Wildunfallvermeidung beitragen. Aus Zu den ersten beiden Themen werden Grund- diesem Grund findet in Projektmodul 2 die lagen mit dem übergeordneten Ziel erarbeitet, Überprüfung des Widerspruchs zwischen Wis- die Wildunfallprävention, insbesondere die senschaft und Praxis statt. Hierzu erfolgt die Verkehrssicherheit als auch den Schutz der Überprüfung der unmittelbaren Wirkung von Wildtiere, nachhaltig zu verbessern. Darüber Wildwarnreflektoren auf das Wildtierverhal- hinaus stehen die Daten Fachbehörden, wie ten im Nahbereich von Straßen. Die Überprü- Straßenbauverwaltungen etc. zur Verfügung fung findet mit Hilfe von Wärmebildkameras oder die Daten sind für die Bearbeitung weite- an Wildunfallschwerpunkten mit hohen Wild- rer Fragestellungen nutzbar, z.B. welche Stra- unfallzahlen statt. Hauptaugenmerk liegt da- tegien in der Wildunfallprävention verfolgt bei erstens auf der Auswahl der Straßenab- werden müssen, um die kontinuierlich stei- schnitte, die repräsentativ über die Fläche Ba- genden Wildunfallzahlen zu senken. Diese den-Württembergs verteilt wurden, um die Frage wird wiederum vom Arbeitskreis „Ver- geographischen Unterschiede des Landes kehrssicherheit & Wildtiere“ aufgegriffen, der gleichmäßig abzudecken, und zweitens auf der auf interministerieller Ebene Lösungsansätze Betrachtung der von Wildunfällen am häufigs- und Strategien erarbeiten soll, damit Wildun- ten betroffenen Wildarten Reh, Wildschwein fälle langfristig reduziert werden können. und Fuchs unter Berücksichtigung verschiede- ner Wildwarnreflektormodelle.
6 Erhebung Wildwarnreflektoren 4.3 Ziel Arbeitskreis „Verkehrssicher- 5.2 Methodik heit & Wildtiere“ 5.2.1 Geografische Erfassung der Straßen- Ziel des Projektmoduls 3 ist einen Arbeitskreis abschnitte zum Thema Verkehrssicherheit und Wildtiere in Baden-Württemberg zu etablieren. Mit die- Die Erfassung der Straßenabschnitte, die mit sem soll die Verkehrssicherheit bei gleichzeiti- Wildwarnreflektoren ausgestattet sind, erfolg- ger Berücksichtigung tierethischer und natur- te durch die Straßenmeistereien der jeweili- schutzrechtlicher Aspekte verbessert werden, gen Land- und Stadtkreise Baden-Württem- indem Wildunfälle nachhaltig reduziert wer- bergs. Da das übergeordnete überregionale den. Der Arbeitskreis soll auf interministeriel- Streckennetz (Bundes- Land- und Kreisstra- ler Ebene angesiedelt sein und die vom Thema ßen) regelmäßig durch die Straßenmeistereien hauptsächlich berührten Ministerien und Ver- kontrolliert wird, wurde die Erfassung an die bände Baden-Württembergs zusammenfüh- Kontrollfahrten angedockt. Um den Mehrauf- ren. Gemeinsam sollen langfristig funktionie- wand auf ein Möglichstes zu reduzieren, wur- rende Maßnahmen/Lösungsstrategien auf de die Erhebung einfach und leicht umsetzbar administrativer/behördlicher Ebene im Kon- aufgebaut. Ziel war, dass bei den Kontrollfahr- text der Wildunfallprävention entwickelt bzw. ten aus dem Fahrzeug heraus die Straßenab- etabliert werden. schnitte mit Wildwarnreflektoren beim Vor- beifahren in das Kartenmaterial eingezeichnet (Unterscheidung in beidseitige oder einseitige Installation) und das Wildwarnreflektormodell 5 Bestandserhebung Wildwarnre- mit der Farbe notiert wurden. Gemeindestra- flektoren ßen können durch diese Erhebung nicht abge- deckt werden, weshalb ein erheblicher Anteil 5.1 Untersuchungsrahmen von montierten Wildwarnreflektormodellen nicht erfasst werden kann. Kern des Projektteils ist die Erfassung der Für jede Straßenmeisterei wurde das jeweilige Straßenabschnitte in Baden-Württemberg, die Streckennetz des Zuständigkeitsbereichs in bereits mit Wildwarnreflektoren ausgestattet Form von Karten ausgedruckt und eine Kar- sind. Bisher gibt es keine Daten und somit er- tierhilfe sowie ein Stift beigelegt (Abb. 3; ver- hebliche Unklarheiten, in welcher Verbreitung größert in Abb. 26 im Anhang 9.1). Die Kar- Wildwarnreflektoren im Streckennetz mon- tierhilfe listet die gängigsten Wildwarnreflek- tiert sind. Mit der Erfassung der Straßenab- tormodelle auf und zeigt zwei Kartierbeispiele. schnitte wird im ersten Schritt die Grundlage Reflektormodelle, die bei der Kartierung nicht für zukünftige Maßnahmen und Strategien in auf der Kartierhilfe abgebildet sind, wurden der Wildunfallprävention geschaffen, mit dem von den Straßenmeistereien/Landkreisen mit primären Ziel der Verbesserung der Verkehrs- Fotos der FVA gemeldet. In manchen Land- sicherheit durch eine Reduktion von Wildun- kreisen lagen die Straßenabschnitte bereits in fällen und einer zukünftig unfallfreieren Ver- Exceltabellen mit Angaben zur Stationierung netzung von Wildtier-Lebensräumen. Schon und Netzknoten vor, so dass die Abschnitte di- Voss (2007) beschreibt, dass es bisher erhebli- rekt in ArcGIS digitalisiert werden konnten. che Unklarheiten darüber gibt, ob sich bei Wildunfällen typische Ursachen finden lassen und ob diese sich ggf. mindern lassen.
Erhebung Wildwarnreflektoren 7 5.3 Auswertung Nach Abschluss der Digitalisierung (Beispiel Landkreis Calw, Abb. 5) wurden die Daten nach verschiedenen Gesichtspunkten ausge- wertet. 5.3.1 Verteilung in Baden-Württemberg Verteilung nach Länge und Straßenkate- gorie Verteilung nach Wildwarnreflektormodel- Abb. 3: Kartierhilfe mit den gängigsten Wildwarnreflek- len tormodellen sowie zwei Beispielen zur Durch- führung der Erfassung, Die Auflistung ist nicht Verteilung nach Landkreisen vollständig. Verteilung nach Farbe Im Ortenaukreis erfolgte im April 2018 die 5.3.2 Verteilung nach Dichte testweise Anwendung der Erfassung, die im Anschluss auf das Land Baden-Württemberg Mit der Berechnung der Dichte können Regio- übertragen und im März 2020 abgeschlossen nen/„Hotspots“ dargestellt werden, in denen wurde. besonders viele Wildwarnreflektoren montiert Nach dem Rücklauf der jeweiligen Kartiersets sind. Dies erfolgt in einer sogenannten „He- (Ausschnitt in Abb.4) wurden die eingezeich- atmap“. neten Straßenabschnitte aus den Erhebungs- Für die Darstellung der Dichteverteilung wur- bögen bzw. den Exceltabellen in ArcGIS fort- de von jedem Straßenabschnitt der zentrale laufend digitalisiert. geographische Mittelpunkt berechnet. An- schließend wurde die Heatmap-Erweiterung des Programms QGis 3.2.0 verwendet, die mit Hilfe einer Kernel Density Estimation ein Dich- teraster (= Heatmap) erstellt. Die Dichte wird auf Grundlage der Anzahl von Punkten an ei- nem Ort berechnet, wobei eine größere An- zahl von geclusterten Punkten höhere Werte zum Ergebnis haben. Das Ergebnis ist eine Kar- te mit der Dichteverteilung (s. Abb. 17). Die Parameter für die Funktion waren ein Suchradius von 14.000 Metern und eine Pixel- breite und Höhe von 100 Metern im Ausga- belayer. Als Kernel Shape wurde der Default (bi-quadratisch) gewählt. 5.3.3 Angrenzende Landnutzung Mit Blick auf die Landnutzung wurde der Frage nachgegangen, welche Landnutzung im Um- Abb.4: Kartenausschnitt mit eingezeichneten Straßenab- feld der Straßenabschnitte mit Wildwarnre- schnitten, die mit Wildwarnreflektoren ausgestat- flektoren vorrangig anzutreffen ist. Für die Be- tet sind am Beispiel des Landkreises Schwäbisch- rechnung der Landnutzung wurden folgende Hall. Schritte durchgeführt:
8 Erhebung Wildwarnreflektoren 1. Berechnung eines 100 m breiten Puffers um Gewässer (fließende und stehende Ge- jeden Straßenabschnitt. wässer), 2. Verschneidung der Puffer mit Landnut- Siedlung (Ortschaften) zungsdaten. Als Grundlage wurden das digita- Verkehr (Verkehrsachsen, Flugplätze etc). le Landschaftsmodell aus der ATKIS Datenbank 3. Prozentuale Berechnung der angrenzenden verwendet. Die Gruppierung der Landnut- Landnutzungsform an den Straßenabschnitten zungsdaten erfolgte in fünf Klassen: mit Wildwarnreflektoren als Zwischenprodukt Wald (alle Vegetationsflächen wie Wald, für die Gesamtübersicht sowie Berechnung Hecken), der Anteile pro Straßenkategorie (Bundes-, Offenland (alle Offenlandflächen wie Land- und Kreisstraßen). Acker, Grünland), Abb. 5: Beispiel eines Landkreises (Calw) sowie benachbarter Landkreise nach der Digitalisierung der Straßenabschnit- te mit Wildwarnreflektoren (gelbe Linien). Landkreisgrenzen sind pink dargestellt.
Erhebung Wildwarnreflektoren 9 5.4 Ergebnisse Tabelle 1: Kennzahlen der Straßenabschnitte mit Wild- warnreflektoren. 5.4.1 Verteilung in Baden-Württemberg Minimum Länge 50 m Maximum Länge 9.342 m An der geografischen Erfassung der Straßen- abschnitte mit Wildwarnreflektoren beteilig- Durchschnittliche Länge 1.132 m ten sich alle 44 Land- und Stadtkreise Baden- Standardabweichung 910 m Württembergs. Im Gegensatz zu den Stadt- kreisen Baden-Baden, Heilbronn, Stuttgart und Ulm sind in den Stadtkreisen Freiburg, Heidelberg, Karlsruhe, Mannheim und Pforz- Tabelle 2: Verteilung der Straßenabschnitte auf das Stre- heim sowie allen Landkreisen Wildwarnreflek- ckennetz. toren montiert (s. Abb. 27 im Anhang 9.1). Kreisstraße 1.118 Insgesamt konnten 2.322 Straßenabschnitte in Baden-Württemberg mit Wildwarnreflektoren Landstraße 964 dokumentiert werden. Die Gesamtlänge be- Bundesstraße 240 trägt 2.631 Straßenkilometer. Wird die übliche Distanz von 50 m zwischen den Straßenleit- pfosten angenommen (in Kurvenradien kann die Distanz zwischen den Leitpfosten deutlich Tabelle 3: Häufigkeit nach Straßenseite. geringer ausfallen, s. Schulze und Polster, 2017), sind in Baden-Württemberg mindes- Einseitig 303 tens 110.000 Wildwarnreflektoren im überge- Beidseitig 2.019 ordneten überregionalen Streckennetz, d.h. Bundes- Land- und Kreisstraßen (Gemein- destraßen wurden nicht kartiert) montiert. Tabelle 4: Anzahl Straßenabschnitte verteilt nach Wildwarnreflektormodellen. * Die Summe beinhaltet Varianten des Re- flektormodells. Beutha Beilharz CaVo WEGU Motze- Swarov- Svenska Wildhü- Sonstige Reflek- Wild- Wild- Wild- Wild- ner ski Wild- Wild- ter24 toren (3 Modelle warnre- warnre- warnre- warnre- Multi- warner spiegel Wild- sowie Eigenbau- flektor flektor flektor flektor schutz- warnre- ten) warner flektor 1465 420* 102 87* 52 121* 13 7 55 Unter anderem: Variante Variante Variante weiß oder rot oder weiß, rot blau Integriert (neu Integriert und alt) in in Leit- Leitpfosten pfosten (blau, weiß, (weiß, rot) rot)
10 Erhebung Wildwarnreflektoren Abb. 6: Lage der Straßenabschnitte mit Wildwarnreflektoren in Baden-Württemberg. Die folgenden Abbildungen 7-13 zeigen die Er- Land- und Stadtkreis, die prozentualen Anteile gebnisse der Kartierung, u.a. die Verteilung am Streckennetz der jeweiligen Land- und der Straßenabschnitte mit Wildwarnreflek- Stadtkreise oder die Verteilung nach den Stra- toren nach deren Länge, die Gesamtlänge pro ßentypen.
Erhebung Wildwarnreflektoren 11 Abb. 7: Verteilung der Straßenabschnitte mit Wildwarnreflektoren nach ihrer jeweiligen Länge. Der Mittelwert be- trägt: 1.133 m, der Median 876 m. Abb. 8: Anzahl der Straßenabschnitte pro Land- und Stadtkreis.
12 Erhebung Wildwarnreflektoren Abb. 9: Land- und Stadtkreise geordnet nach Gesamtlänge der Straßenabschnitte mit Wildwarnreflektoren. Abb. 10: Prozentualer Anteil der Straßenabschnitte mit Wildwarnreflektoren im Streckennetz des jeweiligen Land- und Stadtkreise.
Erhebung Wildwarnreflektoren 13 Abb. 11: Anzahl der Straßenabschnitte mit Wildwarnreflektoren pro Straßentyp pro Land- und Stadtkreise. Abb. 12: Prozentualer Anteil des Straßentyps je Land-und Stadtkreisfläche.
14 Erhebung Wildwarnreflektoren Abb. 13: Häufigkeit der Wildwarnre- flektoren nach ihren Farben. Besonderheiten Die Kartierung zeigte, dass zum Teil mehrere Reflektormodelle an einem Straßenabschnitt verwendet werden. An 95 Straßenabschnitten kamen zwei Reflektormodelle zum Einsatz, an sieben Abschnitten drei Modelle und an zwei Abschnitten wurden vier verschiedene Wild- warnreflektormodelle an einem Abschnitt mon- tiert. In Ausnahmefällen wurden sogar zwei ver- schiedene Reflektormodelle an einem Straßen- leitpfosten gleichzeitig montiert (s. Abb. 15, li.). Weitere Besonderheiten waren selbstgebaute Reflektoren oder Reflektormodelle, die verän- dert, optimiert oder angepasst wurden. Abb. 15: Eigenbau im Landkreis Konstanz, L194 (li.) sowie zwei übereinander montierte Reflektoren (WE- GU-Wildwarnreflektor und Motzener Mul- tischutzwarner) im Kreis Ludwigsburg, K1643 (re.). Abb. 14: Veränderter weißer WEGU-Wildwarnreflektor sowie veränderter roter Swarovski Wildwarn- reflektor im Landkreis Balingen, L415. Abb. 16: Eigenbau im Landkreis Sigmaringen, K8222 (Quel- le: Straßenmeisterei Messkirch).
Erhebung Wildwarnreflektoren 15 5.4.2 Verteilung nach Dichte Abbildung 17 liefert das Ergebnis für die Be- höchsten Dichten im Allgäu (u.a. Landkreis rechnung der Dichteverteilung der Wildwarn- Ravensburg und im nördlichen Baden- reflektoren in Baden-Württemberg und zeigt Württemberg auf der Höhe und Umfeld von eindeutige Schwerpunktregionen mit den Stuttgart. Abb. 17: Heatmaps ermöglichen die einfache Identifikation von “Hotspots” und Punktclustern: Darstellung der Regionen mit besonders hohen Dichten an Wildwarnreflektoren. Je intensiver der Rotton, desto höher die Dichte. Kenn- zeichnung der Straßenabschnitte mit Wildwarnreflektoren als schwarze sowie Landkreisgrenzen als hellgraue Li- nien.
16 Erhebung Wildwarnreflektoren Daten mit anderen Datenquellen wie Wildun- 5.4.3 Verteilung nach Landnutzung falldaten, Verkehrsdichten, Vorkommen von Deckungsstrukturen im Straßenumfeld etc. Bei der Berechnung der angrenzenden Land- verschnitten werden und detaillierte Analysen nutzung im Umfeld der Straßenabschnitte durchgeführt werden. (Abb. 18) zeigt sich, dass Offenland mit 54 % prozentual am häufigsten an die Straßenab- Auch wenn es sich einerseits nur um eine schnitte mit Wildwarnreflektoren grenzt, ge- einmalige Erhebung handelt, die den Status folgt von Wald mit 38 %. Dass auch Wildwarn- Quo für den Zeitraum 2018-2020 betrachtet, reflektoren im Siedlungs- oder Verkehrsbe- und andererseits die Gemeindestraßen in der reich montiert sind, ist u.a. auf die Methodik Kartierung keine Berücksichtigung finden zurück zu führen, dass z.B. eine Straße mit konnten, lassen sich wichtige Rückschlüsse Wildwarnreflektoren an einem offenen Flug- aus den Daten ziehen. Generell zeigt sich, dass platz vorbeiführt und durch die Verschneidung blaue Wildwarnreflektoren den Hauptanteil der verschiedenen Datensätze die ursprüngli- bilden. Hier hat seit der Einführung des blauen che Klassifizierung der Fläche als Verkehrsflä- Halbkreisreflektors Anfang 2000 ein Wechsel che übernommen wurde. zur Farbe Blau vollzogen, so dass nahezu alle Hersteller Wildwarnreflektoren in blauer Far- Die prozentuale Verteilung der Landnutzung be anbieten. Andere Farben wie Rot oder mit Blick auf die Bundes- Land- und Kreisstra- Weiß spielen nur noch eine untergeordnete ßen ist vergleichbar mit der Gesamtübersicht Rolle und werden bei den Reflektoren selten und weicht nur minimal von den Werten der verwendet. Der hohe Stellenwert, der mit der Gesamtübersicht ab. Daher wurde auf eine Farbe Blau assoziiert wird, zeigt sich neben Darstellung verzichtet. dem hohen Anteil an verwendeten blauen Re- flektoren auch daran, dass bestehende Wild- warnreflektoren in weiß oder rot mit blauer Retroreflektierender Folie überklebt werden, weil mit dieser eine bessere Wirkung assozi- iert wird. Bei der Verteilung der Wildwarnreflektoren in den einzelnen Land- und Stadtkreisen zeigen sich deutliche Unterschiede. In manchen Landkreisen sind sehr viele Straßenabschnitte mit Wildwarnreflektoren ausgestattet (z.B. Ravensburg), in anderen Landkreisen befinden Abb. 18: Prozentualer Anteil an Landnutzung im Umfeld sich proportional sehr viele Wildwarnreflek- der Straßenabschnitte mit Wildwarnreflektoren für alle Straßenkategorien zusammengefasst. toren im Straßennetz (z.B. Pforzheim). Die re- gionalen Unterschiede in Baden-Württemberg treten mit Blick auf die Heatmap deutlich her- vor. Dabei sticht vor allem der Landkreis 5.5 Bewertung und Fazit Ravensburg und Teile des Bodenseekreises und des Landkreises Biberachs hervor. Aber Mit Hilfe der Kartierung wurde erstmals in ei- auch im nördlichen Baden-Württemberg sind nem Bundesland der vollständige Umfang an mehrere Regionen mit kleineren Schwerpunk- Straßenkilometern im übergeordneten über- ten zu erkennen. Im Gegensatz dazu ist auffäl- örtlichen Straßennetz erfasst, an denen Wild- lig, dass in mehreren Regionen, wie z.B. der warnreflektoren montiert sind. Die Erhebung Schwarzwald oder die Baar, kaum Wildwarn- der Straßenabschnitte mit Wildwarnreflek- reflektoren montiert sind. Die Schwerpunkte toren liefert wichtige Grundlagendaten für das können darauf hinweisen, dass sich lokal übergeordnete Ziel, langfristig Wildunfälle zu Wildunfälle erhöht ereignen, da in der Folge reduzieren. Im nächsten Schritt können die Wildwarnreflektoren erst dann montiert wer-
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