Winzergenossenschaften im wettbewerbsintensiven Umfeld: Markenführung als Herausforderung
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Mitteilungen Klosterneuburg 71 (2021): 255-265 RICHTER et al. Winzergenossenschaften im wettbewerbsintensiven Umfeld: Markenführung als Herausforderung Barbara Richter, Linda Bitsch, Christine Neubecker und Jon H. Hanf Hochschule Geisenheim University D-65366 Geisenheim, Von-Lade-Straße 1 E-Mail: barbara.richter@hs-gm.de In Österreich und Deutschland ist die Zahl der Winzergenossenschaften seit vielen Jahren rückläufig. Um dem Zweck der Förderung der Mitgliedswirtschaften gerecht zu werden, müssen sich Winzergenos senschaften über Differenzierung von ihren Mitbewerbern absetzen. Aufgrund der technischen Mög lichkeiten im Weinbau und in der Kellerwirtschaft können sich Weinproduzenten nicht mehr allein durch die Weinqualität abheben. Dementsprechend müssen Unternehmen andere Formen der Differenzie rung nutzen. Die Marke ist eine der stärksten Formen zur Abgrenzung von Konkurrenten. Im Vergleich zu den Marken anderer Weinproduzenten sind die Marken (deutscher) Winzergenossenschaften im deutschen LEH nur schwach vertreten. Das lässt auf spezielle Herausforderungen der Winzergenossen schaften in der Markenführung schließen. Insbesondere die internen Strukturen in Genossenschaften stehen langfristigen Investitionen, die im Falle des Markenaufbaus notwendig sind, oft im Weg. In die sem Beitrag soll aufgezeigt werden, welche genossenschaftsspezifischen Charakteristika eine Heraus forderung in Bezug auf die Markenführung darstellen. Dazu werden Ergebnisse aus zwei explorativen Erhebungen miteinander kombiniert, welche in Ergänzung zueinander den notwendigen Erklärungsge halt liefern (Erhebung aus den Jahren 2013 sowie 2019). Schlagwörter: Markenführung, Markenverständnis, Handelsmarken, Herstellermarken, Winzergenos senschaften, Deutschland Wine cooperatives in a highly competitive market environment: Brand management as a challenge. In Austria and Germany, the number of wine cooperatives has been declining for many years. In order to fulfil the purpose of supporting member businesses, wine cooperatives have to differentiate from their competitors. Due to the technical possibilities in viticulture and winemaking, wine producers can no longer distinguish themselves from competitors through wine quality. Accordingly, firms must use other forms of differentiation. Branding is one of the strongest forms of differentiation from competi tors. Compared to the brands of other wine producers, the brands of (German) wine cooperatives are only represented to a limited extent in the German food retail. This suggests special challenges for wine cooperatives in brand management. In particular, the internal structures of cooperatives often hinder long-term investments, which are necessary for establishing a brand. This paper aims to show which cooperative-specific characteristics pose a challenge in terms of brand management. For this purpose, results from two explorative surveys are combined, which complement each other and provide the nec essary explanatory content (survey from 2013 and 2019). Keywords: brand management, brand perception, private labels, producer brands, wine cooperatives, Germany 255
Mitteilungen Klosterneuburg 71 (2021): 255-265 RICHTER et al. In Europa haben Genossenschaften eine lange kleine Betriebe wurden zur Betriebsaufgabe ge Tradition und sind in der Landwirtschaft weit ver zwungen. (Postmann und Rabong, 2019; Aiassa breitet. Im Weinsektor haben sie in einigen EU- et al., 2018) Ländern sogar einen Marktanteil von mehr als 50 In Deutschland sieht diese Entwicklung ähnlich % (Bijman et al., 2012; Bijman und Iliopoulos, aus, denn auch hier fand in den vergangenen Jah 2014). In Deutschland wurde die erste Winzerge ren ein Konzentrationsprozess aufgrund von Fu nossenschaft 1868 an der Ahr gegründet (Hanf sionen oder Liquidationen statt. Die Zahl der und Schweickert, 2014). Ähnlich wie in anderen deutschen Winzergenossenschaften ist bereits europäischen Ländern wie Frankreich (619 Win seit vielen Jahren rückläufig. Seit 1960/61 ging zergenossenschaften), Spanien (551), Italien die Zahl der Genossenschaften kontinuierlich von (493) und Portugal (95), spielen Winzergenossen 543 auf 146 im Jahr 2020 zurück. Neben dem schaften in Österreich (15) und in Deutschland Rückgang der Zahl der Genossenschaften ging (160 im Jahr 2018) eine wichtige Rolle in der auch die Zahl der Genossenschaftsmitglieder von Weinwirtschaft (Meininger's Wine Business In 56.000 auf 36.000 zurück. Diese Entwicklung ging ternational, 2018; Deutscher Raiffeisenverband mit einem Verlust an genossenschaftlich bewirt e.V., 2020). schafteten Flächen einher, die von rund 37.000 In Österreich wurde 1873 das erste Österreichi ha in 1990/91 auf etwa 25.100 ha in 2019 zurück sche Genossenschaftsgesetz beschlossen. Seit gingen. Auch in Deutschland liegt der gesetzlich dem stieg die Anzahl der Winzergenossenschaf manifestierte Geschäftszweck von Genossen ten kontinuierlich an. Ab 1893 entstanden die schaften darin, den Erwerb oder die Wirtschaft ersten Kellereigenossenschaften in Südtirol (da ihrer Mitglieder durch den gemeinschaftlichen mals Teil von Österreich). 1898 folgte die Grün Geschäftsbetrieb zu fördern (GenoG §1). (Deut dung der ersten Winzergenossenschaft auf heute scher Raiffeisenverband e.V., 2017, 2019, 2020) österreichischem Gebiet in Traismauer. Zur Grün Diese Entwicklung unterstreicht die Notwendig dung der Kellereigenossenschaft Kaltern in Südti keit für Genossenschaften, kundenorientiert zu rol im Jahr 1900 wurde der Zweck der Genossen arbeiten und sich auf die Marktentwicklungen zu schaft gemäß dem Förderzweck festgehalten: konzentrieren. Dies bleibt jedoch eine sehr an "Zweck der Genossenschaft ist es, den Mitglie spruchsvolle Aufgabe für die Winzergenossen dern derselben durch gemeinsame Verarbeitung schaften. Aufgrund ihrer Prinzipien und Charak ihres im Genossenschaftsgebiet erzielten Trau teristika sowie der starken Heterogenität unter benerträgnisses und durch den gemeinsamen re den Mitgliedern arbeiten die meisten Genossen ellen Verkauf sonstigen Weines, Branntweines schaften nach wie vor mitgliederorientiert, d. h. und sonstiger Nebenprodukte, sowie auch im sie verfolgen anstelle der Marktorientierung eine Falle der Zweckmäßigkeit, von Trauben eine starke Erzeugerorientierung (Hanf und möglichst hohe Verwertung ihres Produkts zu si Schweickert, 2014). chern." Die Entwicklung in der Anzahl der Genos Liegt es an der Qualität der Weine von Genossen senschaften und Mitglieder nahm ihren Lauf. Im schaften, dass die Zahl der Genossenschaften Jahr 1934 gab es 15 Winzergenossenschaften, rückläufig ist? Empirische Erhebungen aus Öster 1939 bereits 54. In den 1950er und 1960er Jahren reich (Pennerstorfer und Weiss, 2013) und lag die Zahl etwa stabil bei 50 Genossenschaften. Deutschland (Frick, 2017; Dilger, 2005; Frick, Der Konzentrationsprozess begann Ende der 2004) zeigen, dass die Qualität von Genossen 1980er Jahre, ausgelöst durch den Glykolwein- schaftsweinen durchschnittlich niedriger ist, da Skandal im Jahr 1985, der schwerwiegende Fol Winzergenossenschaften häufig größere Mengen gen für die Reputation österreichischer Weine anbieten und niedrigere Preise setzen (müssen). hatte und so auch Genossenschaften und den Ein Blick in die Fachzeitschriften zeigt jedoch, Weinexport stark beeinflusste. 1987 gab es noch dass es immer wieder Genossenschaften aus Ös circa 45.400 (Nebenerwerbs-)Betriebe, welche terreich und Deutschland gibt, die zu den Top- 58.200 Hektar der Rebfläche bewirtschafteten (∅ Weinproduzenten zählen und Qualitätsweine 1,28 ha/Betrieb). Im Jahr 2015 dagegen gab es vermarkten, die gleich oder besser bewertet wer nur noch 14.100 Betriebe, welche etwa 45.400 den als Weine von renommierten Weingütern. Hektar der österreichischen Rebfläche bewirt Grundsätzlich werden Weinqualitäten, welche im schafteten (∅ 3,22 ha/Betrieb). Insbesondere Lebensmitteleinzelhandel vermarktet werden, aufgrund der technischen Möglichkeiten im 256
Mitteilungen Klosterneuburg 71 (2021): 255-265 RICHTER et al. Weinbau und in der Kellerwirtschaft immer ho nander kombiniert, da sie in Ergänzung zueinan mogener, was dazu beiträgt, dass die Qualität im der den notwendigen Erklärungsgehalt liefern mer weniger als Differenzierungsmerkmal ver (Erhebung aus den Jahren 2013 sowie 2019). wendet werden kann. Dementsprechend versuchen Unternehmen an Hintergrund: Genossenschaftsspezifische dere Formen der Differenzierung zu nutzen, um Herausforderungen in der Markenführung sich von ihren Wettbewerbern abzusetzen. Eine Möglichkeit für Produzenten, im wettbewerbsin Die allgemeinen Herausforderungen für das Mar tensiven Markt einen größeren preispolitischen kenmanagement sind vielfältig. Dazu zählen, der Spielraum zu erlangen oder die Absatzmenge zu Austauschbarkeit der Marke entgegenzuwirken, steigern, ist die Markenführung. Die Marke ist das Vordringen von Eigenmarken, die Digitalisie eine der stärksten Formen zur Abgrenzung von rung und dadurch erhöhte Transparenz sowie die Konkurrenten. Marken sind "Vorstellungsbilder notwendige Dauer für eine erfolgreiche Umset in den Köpfen […] [der Konsumenten], die eine zung (Burmann et al., 2018: 4). Veloutsou und Identifikations- und Differenzierungsfunktion Delgado-Ballester (2018) zeigen in ihrem Beitrag übernehmen und das Wahlverhalten prägen" die aktuellen Herausforderungen im Markenma (Esch, 2018: 21). Obwohl die Markenführung nagement auf. grundsätzlich an Bedeutung gewinnt, liegt in der Neben den allgemeinen gibt es genossenschafts Weinbranche kein eindeutiges Markenverständ spezifische Herausforderungen in der Marken nis vor. Es sind zahlreiche markierte Produkte führung, die durch die Verteilung der Verfü auffindbar, die ein marken- und schutzfähiges gungsrechte, die Anzahl der Inhaber der Verfü Zeichen tragen (beispielsweise ein Logo), aber gungsrechte, das Horizont-Problem, das Tritt keine echten Marken sind. Im deutschen Wein brettfahrer-Problem und die Heterogenität der markt beanspruchen insbesondere Handelsei Mitglieder entstehen (Proschwitz und Hanf, genmarken, aber auch Herstellermarken großer 2015). Kellereien sowie internationale Weinmarken Genossenschaften lassen sich durch ihre Gover große Marktanteile für sich (Euromonitor, 2020). nance von anderen Unternehmensformen ab Die Marken von Winzergenossenschaften sind grenzen. Hierdurch können unterschiedliche Her vergleichsweise schwach vertreten. Im Hinblick ausforderungen entstehen, die Auswirkungen auf die Bewirtschaftung von etwa einem Viertel auf die Markenführung haben. Dazu zählen Prob der gesamtdeutschen Rebfläche (Deutscher Raif leme, die durch die Verteilung der Verfügungs feisenverband e.V., 2020) wird deutlich, dass die rechte entstehen (Dilger, 2005; Fulton, 1995). Bedeutung von Genossenschaften im deutschen Verfügungsrechte im Allgemeinen umfassen ne Weinmarkt nicht im Handel widergespiegelt ben dem Verwendungs- und Koordinationsrecht wird. Das lässt auf spezielle Herausforderungen auch das Aneignungsrecht des Überschusses so der Winzergenossenschaften in der Markenfüh wie das Veräußerungsrecht. Je schwächer das rung schließen. Beispielsweise sind für die Mar Bündel dieser Rechte ist, das jemandem zusteht, kenführung langfristig angelegte strategische In desto eher wird er bei seinem Handeln Aspekte vestitionen notwendig, die in einer Genossen berücksichtigen, die seinen eigenen Nutzenvor schaft durch die Mitglieder getragen werden stellungen entsprechen (Picot, 1984). Daher ist es müssen. Jedoch scheuen viele Mitgliedswirt wichtig, zwischen der Zuordnung der Verfü schaften der Winzergenossenschaften langfris gungsrechte und der Anzahl der Inhaber der Ver tige Investitionen, die die Wertschöpfung stei fügungsrechte zu unterscheiden. gern könnten (Schramm und Taube, 2004). Insbe Insbesondere ergeben sich bei Genossenschaften sondere die internen Organisationsstrukturen in durch die Verteilung der Verfügungsrechte Prob Genossenschaften, die durch die Rechtsform vor leme, da zunächst über mehrere Jahre umfang gegeben sind, stehen den Investitionen in lang reiche Investitionen erfolgen müssen (Fulton, fristige Strategien, wie z. B. der Markenführung, 1995). Warum sollten sich die Mitglieder einer dabei oft im Weg. Ziel dieses Beitrags ist es, ge Winzergenossenschaft für die Steigerung des Un nossenschaftsspezifische Herausforderungen an ternehmenswertes durch strategische Investitio die Markenführung herauszuarbeiten und diese nen engagieren, wenn sie nicht davon profitieren empirisch zu überprüfen. Dazu werden Ergeb (Frick, 2004)? In Winzergenossenschaften wer nisse aus zwei explorativen Erhebungen mitei den Genossenschaftsanteile nicht verzinst, d. h., 257
Mitteilungen Klosterneuburg 71 (2021): 255-265 RICHTER et al. beim Ausstieg aus der Genossenschaft können Mitgliedschaft sind daher kaum Impulse für stra die Mitglieder ihre Anteile nicht verkaufen, da tegische Investitionen zu erwarten (Schramm hierfür kein Markt vorhanden ist, sondern ledig und Taube, 2004). lich zum Nennwert zurückgeben. Eine unzu In diesem Kontext kann das Trittbrettfahrer- reichende Spezifizierung der Verfügungsrechte Problem bei Genossenschaften auftreten (Cook, führt folglich zu einer Fokussierung der Trauben 1995). Das Trittbrettfahrer-Problem (Free Rider produzenten auf einen kurzfristigen Auszah Problem) bezeichnet die Situation, in der eine lungspreis sowie zu einer ungenügenden Anreiz Person den Nutzen eines Gutes erhält, jedoch gestaltung für strategische Investitionen, so dass nicht dafür bezahlt. Da das Genossenschaftsge diese nicht von den genossenschaftlichen An setz vorschreibt, dass alle Mitglieder unabhängig teilseignern mitgetragen werden (Dilger, 2005). von der Dauer ihrer Mitgliedschaft in der Genos Neben der Zuordnung der Verfügungsrechte senschaft gleich behandelt werden, kann im Kon spielt auch die Anzahl der Inhaber der Verfü text der Markenbildung davon ausgegangen wer gungsrechte eine Rolle. Je größer die Zahl der den, dass beispielsweise neu eintretende Mitglie Kontrollberechtigten, desto "verdünnter" sind der von einer Investition in die Markenbildung die Verfügungsrechte selbst (Picot, 1984; Frick, profitieren, auch wenn sie sich nicht finanziell an 2004). In einem inhabergeführten Weingut gibt der Investition beteiligt haben. Sie erhalten dem es nur eine Person (oder wenige Personen), die entsprechend den gleichen Auszahlungspreis für die Verantwortung trägt (tragen) und von einem ihre Trauben wie langjährige Mitglieder. Das Unternehmenswertzuwachs profitieren Problem hierbei ist, dass langjährige Mitglieder würde(n). Eine Genossenschaft allerdings hat im Zuge einer Markeninvestition auf Rendite ver viele stimmberechtigte Mitglieder, welche zichtet haben und ihnen so ein höherer Auszah gleichzeitig Anteilseigner sind. Die Verfügungs lungspreis gewährt werden sollte (Frick, 2004). rechtestruktur der Winzergenossenschaftsmit Da dies in Genossenschaften nicht möglich ist, glieder kann daher als sehr verdünnt bezeichnet führt dies ebenfalls zu einer Orientierung an der werden (Fulton, 1995). kurzfristigen Maximierung der Auszahlungs Das Horizont-Problem entsteht aus der Nicht preise, da sie die einzige Möglichkeit zur Amorti handelbarkeit der Genossenschaftsanteile und sierung der getätigten Investitionen darstellt. Die führt zu einem Interesse an kurzfristigen Zielen grundsätzlich im Genossenschaftsgesetz vorge (Cook, 1995). Das Horizont-Problem tritt auf, sehene anteilige Auszahlung eventuell erwirt wenn der Restanspruch eines Mitglieds auf das schafteter Unternehmensgewinne an die Mitglie Nettoeinkommen aus einem Vermögenswert der wird zum Ende eines jeden Geschäftsjahres kürzer ist als die produktive Lebensdauer dieses vorgenommen (Pennerstorfer und Weiss, 2013). Vermögenswertes (Ebd.). Das Horizont-Problem Das Trittbrettfahrer-Problem verursacht dement wird hauptsächlich durch bestehende Altersun sprechend insbesondere in Genossenschaften terschiede der einzelnen Mitglieder verursacht die Orientierung am kurzfristigen Unterneh (Hanf und Schweickert, 2014; Capitello und Ag menserfolg und hemmt Bestrebungen, langfris noli, 2009). Übertragen auf das Setting in Winzer tige Investitionsstrategien zum Markenaufbau zu genossenschaften bedeutet dies, dass es zu Prob verfolgen. Wenn kurzfristig zu realisierende Er lemen in der Markenführung kommen kann, folge im Mittelpunkt des Management- oder Mit wenn die Traubenproduzenten (Mitglieder der gliederinteresses stehen, verkommt Markenfüh Genossenschaft) keine Nachfolger haben, da hier rung schnell zur "Markierung" und die Wirkung eher keine langfristigen Investitionen (etwa in der Marke verpufft (Burmann et al., 2005). den Markenaufbau) mehr getätigt werden. Die In Genossenschaften der Agrarwirtschaft liegt in Wahrscheinlichkeit ist groß, dass insbesondere vielen Fällen eine Heterogenität der Mitglieder ältere Mitglieder im Rahmen ihrer verbleibenden vor, die häufig mit negativen Auswirkungen auf Mitgliedszeit nicht mehr an den Erfolgen der In die Performance von Genossenschaften in Ver vestitionsentscheidungen partizipieren (Dilger, bindung gebracht wird . Die Heterogenität der 2005). Das kann dazu führen, dass für diese Mit Mitglieder lässt sich in drei verschiedene Dimen glieder eine Maximierung der kurzfristigen Aus sionen unterteilen (Höhler und Kühl, 2018): (1) zahlungspreise im Vordergrund steht. Insbeson Heterogenität in den Mitgliedswirtschaften (z. B. dere von Winzergenossenschaften mit einem ho Größe, Entfernung), (2) mitgliedsspezifische He hen Anteil an Mitgliedern in der Endphase der terogenität (in Bezug auf soziodemographische Daten, aber auch Unterschiede in der zeitlichen 258
Mitteilungen Klosterneuburg 71 (2021): 255-265 RICHTER et al. Mitgliedschaft, Risikobereitschaft, dem Vertrag des Leitfadeninterviews darstellt. Für diesen Bei mit der Genossenschaft, dem Grad der aktiven trag wurden die Ergebnisse zweier Erhebungen Teilnahme und Mitgestaltung in der Genossen miteinander kombiniert, welche beide in schaft sowie der zugrundeliegenden Motivation, Deutschland stattfanden. Im Rahmen der ersten Genossenschaftsmitglied zu werden/sein), und Erhebung aus dem Jahr 2013 (April bis Juni) wur (3) produktspezifische Heterogenität (z. B. Unter den Geschäftsführer und geschäftsführende Vor schiede im Produkttyp oder der gelieferten Pro stände von neun Winzergenossenschaften unter duktqualität). Es wird davon ausgegangen, dass schiedlicher Größe und aus unterschiedlichen die verschiedenen Dimensionen der Heterogeni Weinbaugebieten interviewt. Ausschlaggebend tät Auswirkungen auf die Präferenzen und Inte für die Wahl dieser Interviewpartner war deren ressen der Mitglieder haben, die sich aufgrund ih Funktion im Management der Genossenschaft. res Einflusses in der Gesamtorganisation der Ge Die Themenschwerpunkte waren hier der Begriff nossenschaft und Verteilung der Einkommens- Marke, die Markenführung und Investitionsfra und Verfügungsrechte negativ auf die Perfor gen. Die Ergebnisse aus dem Jahr 2013 wurden mance von Genossenschaften auswirken können teilweise, jedoch in anderer Form, bereits veröf (Höhler und Kühl, 2018). fentlicht (Proschwitz und Hanf, 2015; Krieger et Gerade in Winzergenossenschaften gibt es neben al., 2014). In der ergänzenden Follow-up-Studie den oben genannten Dimensionen noch zusätz aus dem Jahr 2019 (Juli bis September) wurden lich Unterschiede in den einzelnen Mitgliedswirt 15 Experteninterviews mit Geschäftsführern und schaften, je nachdem ob der Weinbau im Haupt- Vorstandsvorsitzenden von Winzergenossen oder Nebenerwerb betrieben wird. In deutschen schaften verschiedener deutscher Weinanbauge Winzergenossenschaften gibt es eine große An biete geführt. Diese Interviews legten den Fokus zahl an Nebenerwerbswinzern, insbesondere in auf das Wettbewerbsumfeld deutscher Winzer bestimmten Weinanbaugebieten wie Baden und genossenschaften, Markenführung, Entschei Württemberg (Hanf und Schweickert, 2014). Ins dungsstrukturen in Genossenschaften und Her gesamt gesehen lag die durchschnittliche Hektar ausforderungen in Bezug auf Investitionen. Zur zahl pro Betrieb im Jahr 2015 bei 2,4 Hektar, was Auswertung der Interviews wurde eine qualita die Kleinstrukturierung im Weinbau aufzeigt tive Inhaltsanalyse nach Mayring (2010) durchge (BMEL, 2018). Je nach Erwerbsform werden mit führt. Die Analyse basierte auf der induktiven Ka dem Weinbau unterschiedliche Ziele verfolgt. tegoriebildung. Traubenproduzenten im Nebenerwerb haben ne Die Interviewpartner aus dem Jahr 2013 werden ben dem Weinbau für gewöhnlich weitere Ein in der Ergebnisdarstellung mit I1 bis I9 gekenn kommensquellen. Daher kann davon ausgegan zeichnet, wohingegen die Interviewpartner aus gen werden, dass Traubenproduzenten im Ne dem Jahr 2019 mit P01 bis P15 bezeichnet wer benerwerb nicht dazu bereit sind, die angebau den. ten Rebsorten oder bestehende Produktionspro zesse zu verändern oder kostenintensive Investi Ergebnisse tionen zu unterstützen, die dem langfristigen Markenaufbau dienen. Das Interesse an den Eine Wettbewerbsintensität und einen hohen kurzfristig höheren Auszahlungspreisen über Preisdruck auf dem deutschen Weinmarkt bestä wiegt bei den Traubenproduzenten im Nebener tigten 12 von 15 Geschäftsführern (Erhebung werb (Hanf und Schweickert, 2007). 2019). So sagte beispielsweise Person P07 "Insge samt drängen natürlich viele Produzenten aus Material und Methoden der ganzen Welt auf den deutschen Markt, das macht es natürlich nicht einfach. D. h., der Wett Um die genossenschaftsspezifischen Herausfor bewerb ist sehr hart, und der Druck auf den Preis derungen an die Markenführung empirisch zu natürlich auch." Person P01 stellte fest: "Der überprüfen, wurde ein explorativer und somit Weinmarkt stagniert leicht und ist sehr wettbe qualitativer Forschungsansatz gewählt. Als Me werbsintensiv." Diese Aussagen verdeutlichen thode wurde in beiden explorativen Erhebungen die Marktsättigung und Wettbewerbsintensität das Experteninterview als Methode verwendet, sowie die Notwendigkeit, Markenführung als In welches nach Mayer (2012) eine besondere Form strument der Produktdifferenzierung einzuset zen. 259
Mitteilungen Klosterneuburg 71 (2021): 255-265 RICHTER et al. der Marke prägen. In Bezug auf die Markeniden Markenverständnis und -identität bei tität konnten in den Befragungen von 2013 und Winzergenossenschaften 2019 ähnliche Aussagen der Befragten festge stellt werden. So wurden die Merkmale Authen Der Begriff Marke wird von den Interviewpart tizität, Tradition, Innovation, Produkt- und Liefer nern unterschiedlich dargestellt. Grundsätzlich qualität, Stetigkeit und Verlässlichkeit genannt, werden Marken in dem Sinne verstanden, dass die zur Zufriedenheit der Kunden beitragen (I1, sie den Konsumenten als Orientierungshilfe die I2, I3, I9). Auch bei Herkunftsmarken wird die nen und Markenverbundenheit bei der Kaufent Identität der Marke mit dem Weinanbaugebiet scheidung eine Rolle spielt (P09). Hierbei sind und den Begriffen Heimat und Tradition charak "das Image und die Strahlkraft der Marke" wich terisiert (I4, I5). Die Identität der Weinmarken tige Elemente (P02). Wie die Ergebnisse aus dem wird außerdem durch die Weinstilistik und Pro Jahr 2019 zeigen, werden Marken in regionale duktgestaltung verkörpert (I7). Um verschiedene und nationale Marken unterteilt. Dabei wird eine Marken einer Genossenschaft voneinander zu Marke mit einer hohen Distributionsreichweite, trennen, werden auch unterschiedliche Marken Liquidität, einem hohen Kommunikationsdruck für die einzelne Vertriebskanäle und teilweise so und Werbeaufwand in Verbindung gebracht. P01 gar für einzelne Handelshäuser entwickelt, wie z. sagt ganz klar: "Das trifft für den Weinmarkt ja B. für bestimmte Lebensmitteleinzelhändler meist gar nicht zu." In der (deutschen) Weinwirt (P07) oder auch für den Fachhandel und die Gast schaft gibt es eher Herkunftsmarken sowie Kon ronomie (P08). Die Wahrnehmung der Mar zeptmarken. Genossenschaften verwenden da kenidentität überschneidet sich bei den befrag bei häufig sogenannte Herkunftsmarken. Als Bei ten Winzergenossenschaften. Ein wesentlicher spiele für Konzeptmarken werden Marken großer Bestandteil vieler Markenidentitäten spiegelt Kellereien genannt, die ihre Produkte deutsch sich in den Begrifflichkeiten Qualität und Tradi landweit über den LEH vermarkten können. Kon tion wider. zeptmarken werden über eine bestimmte Reich weite in den Markt eingeführt, was dazu führt, Herausforderungen der Markenführung bei dass der Verbraucher das Produkt wiederer Winzergenossenschaften kennt, wenn er das Produkt im Regal sieht. Starke Marken der Konkurrenten zeigen auch Trends auf Ein tendenziell hohes Durchschnittsalter und und können Orientierung bei der Markenent Unklarheiten in der Nachfolge können die Mar wicklung geben (P07). Hierbei müsse man aller kenführung beeinflussen. Mehr als zwei Drittel dings abwägen, welchen Trend man "mitgehen" der Interviewpartner aus dem Jahr 2019 bestätig möchte. Ein Befragter nannte auch die Verwen ten, dass das Durchschnittsalter der Genossen dung unterschiedlicher Markenkonzepte zur Ver schaftsmitglieder tendenziell hoch ist (z. B. "60 ist marktung der Weine in unterschiedlichen Distri noch schön geredet."; P13). Außerdem stellt die butionskanälen (P07). Eine Genossenschaft ver Generationsnachfolge für viele Genossenschaf fügt pro Marke über eine eigene Homepage ten eine Herausforderung dar (P02, P06, P10, (P14). P11, P12). Als Grund dafür wurde genannt, dass Diese Ergebnisse ergänzen die aus dem Jahr die Ausübung anderer Tätigkeiten für die junge 2013: Auch hier wurden die Wiedererkennbar Generation häufig attraktiver ist als die Arbeit im keit der Marke (I5) als auch die notwendigen Pro Weinberg (P10, P11). Laut Person P11 ist die duktionsvolumina für Markenprodukte (I2) ge Nachfolge u. a. von der Erwerbsform abhängig. nannt. Vereinzelt wurde der Begriff Marke auch Bei Traubenproduzenten im Haupterwerb sei mit Emotionen und Produktwelten in Verbindung teilweise Nachfolge vorhanden, bei Nebener gebracht (I4) und als Orientierungshilfe für Ver werbsbetrieben gäbe es hier nicht so eine hohe braucher genannt, die Verlässlichkeit bietet und Stabilität, da andere Jobs attraktiver sind. Es sei Vertrauen schafft (I6). Die dargestellten Dimensi die Aufgabe von Genossenschaftsmitgliedern, onen des Markenverständnisses zeigen, dass den eigenen Berufsstand für den Nachwuchs at keine einheitlichen, sondern vielmehr individu traktiv zu machen (P02). Die Ergebnisse der Erhe elle Betrachtungen bestehen, die sich teilweise bung aus dem Jahr 2019 zeigen, dass das hohe überschneiden. Durchschnittsalter sowie die ungeregelte Nach Die Markenidentität umfasst die Merkmale, die folge zum Horizont-Problem beitragen, da die äl aus Sicht der Kunden langfristig den Charakter teren Mitglieder vermutlich nicht mehr an den 260
Mitteilungen Klosterneuburg 71 (2021): 255-265 RICHTER et al. Erfolgen der Investitionsentscheidungen teilha nissen aus 2019 deutlich, dass es hierbei Unter ben können. Durch diese Themen wird die zeitli schiede unter den einzelnen Mitgliedern in der che Dimension, die für die Markenführung not Einstellung zu immateriellen Investitionen je wendig ist, sichtbar. nach sonstigen beruflich ausgeübten Tätigkeiten, Größtenteils übereinstimmend waren die Ergeb der Größe der Mitgliedswirtschaft und dem Ver nisse aus den Jahren 2013 und 2019 im Hinblick ständnis der Bedeutung vermarktungsrelevanter auf die Entscheidungsfindung. Innerhalb einer Aspekte gibt (P13). Es ist wesentlich, den Mitglie Genossenschaft läuft diese in den befragten Ge dern begreiflich zu machen, "dass sich die Inves nossenschaften ähnlich ab: Abgestuft je nach In titionen auf Dauer immer auszahlen werden" vestitionssumme und/oder Bedeutung der Ent (P05). Das Verständnis der Mitglieder für Investi scheidung für die strategische Ausrichtung der tionen in immaterielle Güter erleichtert Investiti Genossenschaft findet die Entscheidung in den onsentscheidungen und -prozesse. Zusammen unterschiedlichen Gremien statt. Allerdings un fassend ist zu sagen, dass aufgrund der Einstel terscheidet sich die Kompetenzverteilung zwi lung der Mitglieder und deren Verständnis für schen Geschäftsführung, Vorstand, Aufsichtsrat materielle Investitionen die Tendenz zu Sachin und Generalversammlung in den Genossenschaf vestitionen besteht. ten. Teilweise ist eine starke Zuständigkeit des Die Kontinuität der Markenführung wurde aus geschäftsführenden Vorstands/Geschäftsführers schließlich in der Studie aus dem Jahr 2013 unter in Bezug auf Markenaufbau und -führung gege sucht. Sie ist von den bereits beschriebenen Ent ben, und der Vorstand und/oder Aufsichtsrat scheidungsprozessen in einer Winzergenossen werden nur in Budgetfragen miteinbezogen (I5, schaft abhängig. Die Ergebnisse aus der Erhebung I6). Ferner gibt es auch Genossenschaften, in de aus dem Jahr 2013 zeigen, dass die Beständigkeit nen auch der Aufsichtsrat stärker in die Entschei des Markenauftrittes durch einen Amtswechsel dungsprozesse mit eingebunden ist (I3, I7, I8). Die in Geschäftsführung und Vorstand gefährdet Generalversammlung verfügt ab bestimmten In werden kann (I4, I8). Dies liegt insbesondere da vestitionshöhen (diese sind in der Satzung festge ran, dass unterschiedliche Amtsinhaber auch un legt) oder bei Grundsatzentscheidungen (z. B. terschiedliche Ideen mitbringen und diese um Neubau, Abriss oder Verkauf von Gebäuden) setzen möchten. Eine Gefährdung durch den über ein Mitspracherecht. Die Ergebnisse beider Amtswechsel schließt auch ein Vorstandswechsel Erhebungszeitpunkte zeigen, dass sich die einzel mit ein, wenn der Vorstand maßgeblich an der nen Budgetgrenzen von Genossenschaft zu Ge Markenführung beteiligt ist (I4). Der Vorstand nossenschaft unterscheiden, häufig in Abhängig sollte demnach länger als drei Jahre bestehen keit von deren Größe. Generell kann festgestellt (I3). Um Kontinuität zu gewährleisten, wird teil werden, dass die operativen markenpolitischen weise auch eine rotierende Wahl der Vorstände Entscheidungen vom geschäftsführenden Vor angewandt, d. h., nur ein Teil des Vorstands wird stand, beziehungsweise Geschäftsführer in teil bei anstehenden Wahlen neu gewählt (I7). So ist weiser Absprache mit dem Vorstand, getroffen in Genossenschaften die Stetigkeit der Marken werden. Jedoch sind größtenteils Budgetgrenzen führung durch den Vorstand und dessen Amtszei festgelegt, die festsetzen, inwiefern die einzel ten beeinflussbar, wobei zu erwähnen ist, dass nen Gremien in den Entscheidungsprozess inte eine Wiederwahl grundsätzlich möglich ist. Da griert werden. die Gremien mit Mitgliedern besetzt sind, kann Entscheidungen zur Investition in immaterielle es auch zu Fehlentscheidungen in Bezug auf die Güter werden in den Winzergenossenschaften je Markenführung kommen, wenn das grundle nach Budgetgrenzen und Entscheidungskompe gende markenpolitische Verständnis fehlt (I7, I9). tenzen der einzelnen Organe unterschiedlich ge Um dieser Problematik zu entgehen, besteht handhabt. Grundsätzlich erklärten die Befragten auch die Möglichkeit, die Prozesse des Marken aus den Jahren 2013 und 2019, dass Sachinvesti aufbaus und der Markenführung weitestgehend tionen im Vergleich zu Investitionen in immateri auszugliedern (z. B. Marketingagentur) (I5). elle Güter häufig leichter umzusetzen sind (I2, I7, Abschließend lässt sich feststellen, dass sich das I8, I9, P04, P06-P13, P15). Den Mitgliedern (Trau Verständnis von Marken und Markenidentität benproduzenten) fällt es häufig leichter, Investi unter den Befragten zu den unterschiedlichen Er tionen in Gegenstände nachzuvollziehen, die hebungszeitpunkten nicht stark weiterentwickelt man sehen kann. Allerdings wurde in den Ergeb hat. Die folgenden Herausforderungen in der 261
Mitteilungen Klosterneuburg 71 (2021): 255-265 RICHTER et al. Markenführung konnten herausgearbeitet wer Dies spiegelt sich in den Ergebnissen der empiri den: ein tendenziell hohes Durchschnittalter der schen Untersuchungen aus den Jahren 2013 und Mitglieder und die häufig ungeregelte Nachfolge, 2019 wider. Hierbei wurde deutlich, dass Genos die abgestufte Entscheidungsfindung unter der senschaften Herausforderungen in der Marken Beteiligung verschiedener Gremien, die Tendenz führung gegenüberstehen, die insbesondere zu Sachinvestitionen und die Gefährdung der durch die Prinzipien und Strukturen von Genos Kontinuität der Markenführung. Diese Herausfor senschaften hervorgerufen und/oder verstärkt derungen können dazu führen, dass langfristige werden. So wurden diese Herausforderungen Investitionen, insbesondere in immaterielle Gü identifiziert: tendenziell hohes Durchschnittalter ter, ausbleiben oder hinausgezögert werden. und ungeregelte Nachfolge (Horizont-Problem), abgestufte Entscheidungsfindung unter der Be Diskussion und Ausblick teiligung verschiedener Gremien (Verfügungs rechte, Heterogenität der Mitglieder), Tendenz In Österreich und Deutschland ist die Zahl der zu Sachinvestitionen (Verfügungsrechte, Hetero Winzergenossenschaften seit vielen Jahren rück genität der Mitglieder) und Gefährdung der Kon läufig. Um dem Zweck der Förderung der Mit tinuität der Markenführung (Verfügungsrechte). gliedswirtschaften gerecht zu werden, müssen Es ist also notwendig, dass Winzergenossenschaf sich Winzergenossenschaften über Differenzie ten Möglichkeiten identifizieren, um die Nach rung von ihren Mitbewerbern absetzen. Auf folge zu regeln und die junge Generation von der grund der technischen Möglichkeiten im Wein Tätigkeit als Traubenproduzent im Haupt- oder bau und in der Kellerwirtschaft können sich Nebenerwerb als auch zur Mitarbeit in den Gre Weinproduzenten nicht mehr allein durch die mien zu überzeugen. Zum Flächenerhalt besteht Weinqualität von den Mitbewerbern abheben. beispielsweise die Möglichkeit, dass Flächen in Dementsprechend müssen Unternehmen andere nerhalb der Genossenschaft an Mitglieder wei Formen der Differenzierung nutzen. Die Marke terverkauft oder verpachtet werden. Einige der ist eine der stärksten Formen zur Abgrenzung von Genossenschaften übernehmen hier ganz konk Konkurrenten. Im deutschen Weinmarkt bean ret die Vermittlung von Rebflächen unter Genos spruchen insbesondere Handelseigenmarken, senschaftsmitgliedern. Insgesamt muss daran ge aber auch Herstellermarken großer Kellereien so arbeitet werden, dass das Markenverständnis wie internationale Weinmarken große Marktan der Genossenschaftsmitglieder sowie das Ver teile für sich. Die Marken von Winzergenossen ständnis für die Notwendigkeit von Investitionen schaften sind vergleichsweise schwach vertreten. in immaterielle Güter erhöht wird. Dies kann Im Hinblick auf die Bewirtschaftung von etwa ei durch Diskussionsrunden in Mitgliedertreffen o nem Viertel der gesamtdeutschen Rebfläche wird der Jungwinzerprojekte gefördert werden. Die deutlich, dass die Bedeutung von Genossenschaf genossenschaftsspezifischen Probleme können ten im deutschen Weinmarkt nicht im Handel wi nicht komplett verhindert, aber durch bestimmte dergespiegelt wird. Ein kleiner Teil der Genossen Maßnahmen eingeschränkt werden. Die klare Zu schaften setzt die Markenführung erfolgreich weisung von Entscheidungskompetenzen und die um. Die Mehrheit der Genossenschaften hat Vermeidung von Geschäftsführerwechsel oder Schwierigkeiten in der Markenführung. Das lässt Vorstandswechsel (z. B. Kontinuität durch rotie auf spezielle Herausforderungen der Winzerge rende Wahl des Vorstands), die starke Umbrüche nossenschaften in der Markenführung schließen. in der Markenführung hervorrufen können, kön Für eine erfolgreiche Markenführung sind grund nen zur erfolgreichen Markenführung beitragen. sätzlich die Marktorientierung und zielgruppen Genossenschaften, die Probleme in der Marken spezifische Markenentwicklung, ein ausreichen führung haben, können außerdem Allianzen mit des Budget für Investitionen in die Markenfüh Abnehmern eingehen, um Premium-Handels rung, ein langfristiger Zeithorizont und Kontinui marken zu etablieren. Bereits bestehende Bei tät notwendig. Basierend auf der Theorie wurden spiele von Premium-Handelsmarken (Klein, 2020; fünf genossenschaftsspezifische Problemfelder Pilz, 2020) zeigen, dass Kooperationen zwischen identifiziert: die Verteilung der Verfügungs Weinproduzenten und Handelsunternehmen rechte, die Anzahl der Inhaber der Verfügungs eine weitere Möglichkeit bieten, um Wein exklu rechte, das Horizont-Problem, das Trittbrettfah siv zu vertreiben. Hier haben Winzergenossen rer-Problem und die Heterogenität der Mitglie schaften den klaren Vorteil gegenüber anderen der. 262
Mitteilungen Klosterneuburg 71 (2021): 255-265 RICHTER et al. Produzenten, dass sie homogene Weine in unter lassen sich grundsätzlich mit dem Genossen schiedlichen Mengen für die Kooperation mit den schaftsgedanken und den genossenschaftlichen nachgelagerten Unternehmen produzieren kön Prinzipien gut vereinen. Für Genossenschaften nen. besteht Potenzial, sich über diese Werte zu diffe Die Kostenführerschaft ist für Winzergenossen renzieren (Breuning und Doluschitz, 2019). Dazu schaften (bis auf Sekundärgenossenschaften) in müssen diese Werte aber auf der internen und Anbetracht der aktuellen Marktsituation und der der externen Ebene der Genossenschaften revi gegebenen Strukturen nicht darstellbar, da die talisiert werden. Dies bedeutet ganz konkret, die Genossenschaften beispielsweise gegenüber Mitgliederbindung und die interne Kommunika klassischen Weinkellereien Größennachteile ha tion zwischen den Mitgliedern, der Geschäftsfüh ben. Darüber hinaus können Genossenschaften rung und den Gremien zu stärken. Die Werte kön meist nicht so schnell auf Veränderungen am nen darüber hinaus extern für die stabile Positio Markt reagieren wie Kellereien, die Wein am nierung der Genossenschaft als Gemeinschafts Markt flexibel zukaufen können und so beispiels unternehmen und in der Kommunikation nach weise im Falle eines neuen Rebsortentrends außen zur Erzielung von Wettbewerbsvorteilen schnell reagieren können. Eine regionale Kosten am Markt eingesetzt werden (Ringle, 2013). Um führerschaft ist für einige Genossenschaften dies im Rahmen der Markenführung zu nutzen, durchaus möglich. Generell streben Genossen können die entsprechenden Werte, durch die schaften in den verschiedenen Bereichen der sich auch die Mitglieder in der Genossenschaft Weiterverarbeitung, des Marketings und Ver vertreten fühlen, gesammelt und priorisiert wer triebs die Prozess- und Kostenoptimierung an, den. Anschließend können diese gemeinsamen um wettbewerbsfähig zu bleiben (Gerke, 2020). Werte in den Vordergrund gestellt und in die So entstehen beispielsweise Fusionen, häufig von Markenidentität integriert werden. Durch die Genossenschaften in derselben Region, die auch Vielzahl der Mitglieder können Genossenschaf in der Vergangenheit bereits eng zusammengear ten ihre Mitglieder als sogenannte Wertebot beitet haben (Gerke, 2020). Auch durch Ver schafter ("Brand ambassadors") einsetzen. Dies triebskooperationen versuchen Genossenschaf bietet eine Möglichkeit, die gesellschaftlichen ten sowie andere Weinproduzenten ihre Kosten Werte, die in den Winzergenossenschaften auf zu senken. Bekannte Beispiele in der Weinwirt findbar sind und gelebt werden, nach außen zu schaft sind Weinland Baden GmbH, eine Ver tragen und die Konsumenten stärker emotional triebskooperation von sechs badischen Winzer an die Genossenschaft zu binden. genossenschaften für den nationalen Markt, so Als Limitation der Studie kann der qualitative For wie die WeinAllianz GmbH, die ein Zusammen schungsansatz verstanden werden. Da bisher nur schluss von 14 Mitgliedsbetrieben aus verschie ein begrenztes Wissen zu dem untersuchten denen Weinbauregionen und unterschiedlicher Thema vorhanden war, wurde bewusst ein explo Art (Genossenschaften und Weingüter) ist, mit rativer Ansatz gewählt und dementsprechend dem Ziel, durch einen gemeinsamen Außendienst zwei qualitative, nicht-repräsentative Studien im die Kosten zu senken. Ein weiteres Beispiel ist die Jahr 2013 und 2019 durchgeführt, deren Ergeb Kooperation zwischen zwei Winzergenossen nisse sich ergänzen. Um ein breites Spektrum an schaften von der Ahr (DAGERNOVA Weinmanu Perspektiven abzudecken, wurden Geschäftsfüh faktur Ahr Winzer eG und der Winzergenossen rer und geschäftsführende Vorstände von Win schaft Mayschoß-Altenahr e.G.) und der REWE zergenossenschaften unterschiedlicher Größe West-Gruppe, die exklusiv den Wein der Marke und Regionen ausgewählt. Im Rahmen weiterer "Ahr²" vertreibt (Weinwirtschaft, 2019). Forschung kann ein quantitativer Ansatz zur Neben den bisher genannten Möglichkeiten kön Überprüfung der erarbeiteten Ergebnisse ver nen Genossenschaften auch die genossenschaft wendet werden. Ein sektorübergreifender Bei lichen Werte stärker mit den Marken ihrer Pro trag, welcher die Herausforderungen an die Mar dukte und Produktwelten in Verbindung bringen, kenführung von Genossenschaften in anderen um die Konsumenten auf emotionaler Ebene an Sektoren untersucht und mit den Ergebnissen zusprechen. Breuning und Doluschitz (2019) ha dieses Beitrags vergleicht, kann aufzeigen, inwie ben gezeigt, dass sich die gesellschaftlichen fern die erarbeiteten Ergebnisse auf andere Sek Werte wie Demokratie, Solidarität, Transparenz toren übertragbar sind. oder Nachhaltigkeit (Zukunftsinstitut, 2020) in Genossenschaften wiederfinden. Diese Werte 263
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