Wirtschaft und Europa auf dem Weg zur Klimaneutralität - Gutachten im Rahmen der dena-LEITSTUDIE AUFBRUCH KLIMANEUTRALITÄT
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Gutachten im Rahmen der dena-LEITSTUDIE AUFBRUCH KLIMANEUTRALITÄT Wirtschaft und Europa auf dem Weg zur Klimaneutralität Der Green Deal der EU und seine Bedeutung für Deutschlands Energiewende – Begleitung des Querschnittsmoduls Wirtschaft und Europa
I GUTACHTEN IM RAHMEN DER DENA-LEITSTUDIE AUFBRUCH KLIMANEUTRALITÄT Wirtschaft und Europa auf dem Weg zur Klimaneutralität Der Green Deal der EU und seine Bedeutung für Deutschlands Energiewende Begleitung des Querschnittsmoduls „Wirtschaft und Europa“ 01.10.2021 erstellt von Dr. Hartmut Kahl, Dr. Markus Kahles, Johanna Kamm und Hannah Scheuing
II Wirtschaft und Europa Herausgeber: Deutsche Energie-Agentur GmbH (dena) Chausseestraße 128 a 10115 Berlin Tel: +49 (0)30 66 777-0 Fax: +49 (0)30 66 777-699 E-Mail: info@dena.de Internet: www.dena.de Autoren: Hartmut Kahl, Markus Kahles, Johanna Kamm, Hannah Scheuing Stand: 10/2021 Bitte zitieren als: Stiftung Umweltenergierecht (2021). Wirtschaft und Europa auf dem Weg zur Klimaneut- ralität - Der Green Deal der EU und seine Bedeutung für Deutschlands Energiewende. Herausgegeben von der Deutschen Energie-Agentur GmbH (dena). Alle Rechte sind vorbehalten. Die Nutzung steht un- ter dem Zustimmungsvorbehalt der dena. B Stiftung Umweltenergierecht Friedrich-Ebert-Ring 9 97072 Würzburg Telefon Vorstand +49 931 794077-0 Thorsten Müller und Fabian Pause, LL.M. Eur. Telefax Stiftungsrat +49 931 7940 77-29 Prof. Dr. Helmuth Schulze-Fielitz Prof. Dr. Franz Reimer E-Mail Prof. Dr. Monika Böhm kahl@stiftung-umweltenergierecht.de kahles@stiftung-umweltenergierecht.de Spendenkonto Sparkasse Mainfranken Würzburg Internet IBAN: DE16 7905 0000 0046 7431 83 www.stiftung-umweltenergierecht.de BIC: BYLADEM1SWU
III Inhaltsverzeichnis A. Einführung ___________________________________________________________________ 1 I. Gewachsene Verantwortung ____________________________________________________________ 1 II. Innovationsadressat Unternehmen _____________________________________________________ 1 III. Aufbruch Klimaneutralität _____________________________________________________________ 1 B. Zielarchitektur ______________________________________________________________ 3 I. Klimaziele der EU ________________________________________________________________________ 3 1. Emissionshandelsrichtlinie ___________________________________________________________ 4 2. Lastenteilungs-Verordnung _________________________________________________________ 4 a) Bisherige Lastenteilung ____________________________________________________________ 4 b) Künftige Lastenteilung samt ETS II _________________________________________________ 6 3. Erneuerbare Energien und Energieeffizienz _________________________________________ 7 II. Klimaziele Deutschlands ________________________________________________________________ 8 III. Anpassungsmechanismen und Progressionsgebot ____________________________________ 9 C. Green Deal __________________________________________________________________ 11 I. Exemplarische Rechtsakte des „Green Deal“ ____________________________________________ 11 II. Sonstige Elemente des „Green Deal“ __________________________________________________ 12 1. Vorschläge für die Stärkung der Energieeffizienz ___________________________________ 12 2. Vorschläge für den Verkehrssektor _________________________________________________ 13 3. Reformprozess der Beihilfeleitlinien ________________________________________________ 14 4. Taxonomie _________________________________________________________________________ 15 D. Fazit ________________________________________________________________________ 16 I. Spannungsfelder anerkennen __________________________________________________________ 16 II. Zeitnah handeln _______________________________________________________________________ 16 III. Abstimmung suchen __________________________________________________________________ 16 IV. Partnerschaften aufbauen ____________________________________________________________ 17 V. Kohärent bleiben ______________________________________________________________________ 17 VI. Mehrwert einbringen und Spielräume nutzen ________________________________________ 18 E. Anhang: Steckbriefe und Bewertungen _____________________________________ 19 I. Europäisches Klimagesetz ______________________________________________________________ 19 II. ETS-Richtlinie __________________________________________________________________________ 26
IV Wirtschaft und Europa III. CBAM-Verordnung ____________________________________________________________________ 33 IV. Energiesteuerrichtlinie _______________________________________________________________ 40 V. Erneuerbare-Energien-Richtlinie ______________________________________________________ 47
1 A. Einführung Die Europäische Union (EU) hat mit Antritt Binnenmarkt als größte Nachfragemacht der Kommission von der Leyen ein neues der Welt setzt Standards auch für Import- Kapitel in Sachen Klimaschutz aufgeschla- eure, die diese im Zweifel gleich komplett gen. Ihr „Green Deal“ beschreibt den An- übernehmen und so auch in andere Ziel- spruch, die EU zur ersten klimaneutralen märkte einbringen. Region der Welt zu machen. So setzt das neue Klimagesetz der EU das Ziel der Kli- maneutralität bis 2050 fest und schreibt bis II. Innovationsadressat Unternehmen 2030 eine Minderung von Treibhausgasen um 55% gegenüber 1990 fest. Erreicht wer- Zentraler Adressat der Maßnahmen des den soll dies durch ein – schon allein nach „Green Deal“ sind neben den Mitgliedstaa- seinem Umfang – gewaltiges Legislativpro- ten die Unternehmen, die ihre Produkte gramm, das verschiedene Rechtsakte zeit- und Produktionsprozesse an die neuen lich und inhaltlich bündelt, verschränkt und Ziele und Vorgaben anpassen müssen. Sie auf die Erreichung des gemeinsamen Ziels spüren primär den Innovationsdruck, auf hin zuschneidet. die neuen Anforderungen zu reagieren. Damit wird der Ordnungsrahmen auch für Trotz der immensen Herausforderungen, Deutschlands Energiewende künftig noch die diese Transformation mit sich bringt, ist stärker vom Europarecht beeinflusst: Ziele bei vielen Unternehmen auch ein neuer werden vermehrt europäisch gesetzt und Ehrgeiz zu beobachten, sich aktiv darauf sind durch die Mitgliedstaaten zu erfüllen, einzulassen und im Gegenzug klare Leitli- wobei sie dabei häufiger auf Instrumente nien und transformationsfördernde Rah- zurückgreifen können oder sogar müssen, menbedingungen vom Gesetzgeber einzu- die der europäische Rechtsrahmen gleich fordern. Auf dem Weg zur Klimaneutralität mit vorgibt. sind Wirtschaft und Europa aufeinander angewiesen. Nicht zufällig steht dieses Be- griffspaar im Mittelpunkt der folgenden Seiten. I. Gewachsene Verantwortung Mit diesem Bemühen um eine stärkere Ver- einheitlichung übernimmt die EU auch III. Aufbruch Klimaneutralität eine gewachsene Verantwortung für den Umgang mit den bekannten Herausforde- Im Rahmen der dena-Leitstudie „Aufbruch rungen: Wie verträgt sich ambitionierter Klimaneutralität“ hat die Stiftung Umwelte- Klimaschutz mit dem Erhalt der Wettbe- nergierecht das Querschnittsmodul „Wirt- werbsfähigkeit europäischer Unternehmen, schaft und Europa“ wissenschaftlich beglei- insbesondere bei unterschiedlichsten Aus- tet. Dabei wurde in insgesamt fünf Sitzun- gangslagen in den einzelnen Mitgliedstaa- gen die bisherige Entwicklung des „Green ten, und wie gelingt es, auch einkommens- Deal“ beobachtet, aufbereitet, ausgewertet, schwache Haushalte oder andere vul- diskutiert und anschließend von der Stif- nerable Gruppen mitzunehmen? Damit tung Umweltenergierecht methodisch be- stellt sich die Frage nach der Verbindlich- wertet. Neben einer Darstellung zur neuen keit der eigenen Ziele nach außen und der Zielarchitektur, die das Verhältnis der euro- Geschwindigkeit der Transformation nach päischen Klimaschutzziele zu den deut- innen. schen bestimmt, standen dabei vor allem die konkreten Gesetzgebungsvorhaben des Zugleich zeichnen sich Potenziale für tech- „Green Deal“ im Mittelpunkt. nische und gesellschaftliche Innovationen ab, die die Chance bieten, das Wohlstands- Im Ergebnis wurden aus der Fülle der Le- niveau der EU zu halten und auszubauen, gislativakte fünf ausgewählt, die auf neue Exportmärkte zu erschließen sowie Wunsch der Beteiligten in Steckbriefen eine Vorbildwirkung für Länder in anderen dargestellt und mithilfe einer eigens entwi- Weltregionen zu entfalten. Der europäische ckelten Bewertungsmatrix analysiert und in
2 Wirtschaft und Europa lesefreundlicher grafischer Auflösung dar- menten vorsieht; darunter auch gänz- gestellt werden. Es handelt sich dabei um lich neue, wie einen separaten Emissi- das bereits in Kraft getretene Europäische onshandel für die Bereiche Gebäude Klimagesetz als übergreifender Rahmen so- und Verkehr sowie einen Carbon Bor- wie auf instrumenteller Ebene um die Ent- der Adjustment Mechanism, der die würfe von vier Rechtsakten, die dem Paket CO2-Bepreisung auf bestimmte Import- „Fit for 55“ entstammen, das die Kommis- güter erstreckt. sion am 14. Juli 2021 veröffentlicht hat: ▶ Die EU zielt mit dem Paket „Fit for 55“ ▶ Die Emissionshandelsrichtlinie als zentra- vor allem auf ihren Binnenmarkt, weil les Instrument der Mengensteuerung sie zunächst ihre eigenen Hausaufga- und CO 2-Bepreisung u.a. mit ihrer erwei- ben erledigen muss. Flankierend muss terten Anwendung auf den Schiffsver- die EU – entsprechend ihres wirtschaft- kehr und der Etablierung eines neuen lichen Gewichts und Knowhows – ih- Zertifikatehandels für den Gebäude- und ren „Green Deal“ aber auch mit einer Verkehrssektor, außen- und entwicklungspolitischen ▶ die Verordnung zur Schaffung eines Car- Offensive verbinden, die andere Staa- bon Border Adjustment Mechanism ten außerhalb des Binnenmarktes aktiv (CBAM), mit dem für bestimmte impor- und nachhaltig bei ihrer Transforma- tierte Produktgruppen eine CO 2-Beprei- tion unterstützt. Dies umfasst auch sung als Carbon Leakage-Schutz einge- eine aktive Rolle bei der Suche nach führt werden soll, Kooperationen für eine internationale Standardisierung von Parametern, die ▶ die Energiesteuerrichtlinie, die u.a. neue, Klimaschutzambitionen vergleichbar nämlich nach der Emissionsintensität der und Instrumente kompatibel machen. Energieträger gestaffelte Mindeststeuer- sätze vorsieht und ▶ Zwar wird das EU-Recht immer maß- geblicher dafür, die Instrumente auf ▶ die Erneuerbare-Energien-Richtlinie, die dem Weg zur Klimaneutralität vorzu- vielfach neue Ziele definiert und die Sek- geben. Dies bedeutet aber nicht, dass toren Wärme/Kälte, Verkehr und Indust- Deutschland keine Gestaltungsmacht rie stärker in den Blick nimmt. mehr hätte. Denn zur Umsetzung des Die übrigen Neuerungen des Pakets „Fit for Gesetzespakets ist die EU größtenteils 55“, insbesondere für den Energieeffizienz- auf die Mitgliedstaaten angewiesen. und Verkehrsbereich, werden ebenfalls vor- Deutschland sollte hier die bestehen- gestellt, wenn auch nicht in derselben ana- den Spielräume ambitioniert ausfüllen, lytischen Tiefe. Nicht zuletzt wird auf die um die eigenen Klimaziele zu erreichen nicht minder wichtigen anstehenden Neu- und eine führende Rolle innerhalb der erungen im Beihilferecht und auf die Ver- EU-Mitgliedstaaten einzunehmen. schränkung der Gesetzgebung mit der sog. Nicht zuletzt muss sich Deutschland Taxonomie eingegangen. mit seinen langjährigen Energiewen- deerfahrung konstruktiv in den laufen- den Gesetzgebungsprozess einbringen. Dabei sollte – wie für alle anderen Ver- Kernergebnisse handler auch – die Maxime gelten, ei- nen Vorschlag nur dann zur Diskussion ▶ Mit dem europäischen „Green Deal“ zu stellen, wenn zeitgleich ein adäqua- soll die EU bis zur Jahrhundertmitte ter instrumenteller Ersatz vorgeschla- klimaneutral werden. Als Zwischen- gen wird. schritt sollen bis 2030 die Treibhaus- gasemissionen um 55% gegenüber 1990 vermindert werden. Um dies zu erreichen, hat die Europäische Kom- mission im Sommer 2021 mit der Initia- tive "Fit for 55" ein umfangreiches Le- gislativpaket vorgelegt, das eine Fülle an aufeinander abgestimmten Instru-
3 B. Zielarchitektur Sich Ziele zu setzen ist wichtig – vor allem, von 1990 erreicht werden (Art. 4 Abs. 1 wenn man sie wirklich erreichen und sein UAbs. 1 KG-VO). Dabei wurde der Beitrag Handeln ernsthaft daran ausrichten will. Im des Nettoabbaus von Treibhausgasen auf Folgenden wird daher die jüngste Entwick- 225 Mio. Tonnen CO 2-Äquivalent begrenzt lung der Klima-Ziele der EU und Deutsch- (Art. 4 Abs. 1 UAbs. 3 KG-VO). lands beschrieben und erklärt, wie diese zu- ▶ Zusätzlich wurden im Europäischen Kli- stande kamen, wie sie überprüft und ggf. magesetz Vorgaben zur Festlegung eines angepasst werden sollen und wie sie sich weiteren Zwischenziels für das Jahr 2040 zueinander verhalten. verankert. Demnach wird die Kommis- sion spätestens sechs Monate nach der ersten weltweiten Bestandsaufnahme I. Klimaziele der EU nach dem Übereinkommen von Paris im Jahr 2023 einen Legislativvorschlag vorle- Am 29. Juli 2021 ist als erster legislativer gen, für den sie verschiedene Daten und Baustein des „Green Deal“ das neue Euro- Berichte berücksichtigt, unter anderem päische Klimagesetz (KG-VO) 1 in Kraft ge- ein indikatives Treibhausgasbudget für treten, nachdem schon im Mai das Gesetz- die Zeit 2030 bis 2050 (Art. 4 Abs. 3, 4 und gebungsverfahren abgeschlossen werden 5 KG-VO). konnte 2. Hierdurch werden verschiedene Das bisherige EU-weite Ziel einer Reduk- Treibhausgas-Reduktionsvorgaben für die tion um 40 Prozent gegenüber 1990 bis Europäische Union neu festgelegt: 2030 sollte durch verschiedene Regelungen ▶ Zum einen will die Europäische Union Kli- und Maßnahmen erreicht werden. Auf- maneutralität erreichen, das heißt die grund der Anhebung dieses Ziels hat die EU-weiten im Unionsrecht geregelten Kommission den bestehenden Rechtsrah- Treibhausgasemissionen und deren Ab- men dahingehend überprüft, ob und inwie- bau durch natürliche oder technische weit er noch mit der neuen Zielsetzung ver- Senken 3 müssen bis spätestens 2050 aus- einbar ist (Art. 4 Abs. 2 KG-VO). Basierend geglichen sein (Art. 2 Abs. 1 KG-VO). Da- auf umfangreichen Folgenabschätzungen nach werden negative Treibhaus- hat sie daraufhin am 14. Juli 2021 ein um- gasemissionen angestrebt (Art. 2 Abs. 1 fangreiches Paket mit Gesetzgebungsvor- a.E. KG-VO). schlägen sowie Strategien und Einzelmaß- nahmen vorgelegt („Fit for 55“-Paket) 5. ▶ Zum anderen wurde das Ziel für 2030, Durch die vorgeschlagene Veränderung das bislang eine Reduktion der Treib- des Rechtsrahmens soll die höhere Zielset- hausgasemissionen um mindestens 40 zung erreicht werden können. Prozent im Vergleich zu 1990 vorsah 4, an- geschärft. Nunmehr soll bis zum Jahr Die Vorschläge werden nun in den kom- 2030 eine Senkung der Nettotreibhaus- menden Jahren zwischen den europäi- gasemissionen (Emissionen nach Abzug schen Gesetzgebungsorganen – Rat der Eu- des Abbaus) innerhalb der Union um ropäischen Union und Europäisches Parla- mindestens 55 % gegenüber dem Stand 1 Verordnung (EU) 2021/1119 des Europäischen Parla- und zur Änderung der Verordnung (EU) 2018/1999 (Eu- ments und des Rates vom 30.06.2021 zur Schaffung des ropäisches Klimagesetz),. Rahmens für die Verwirklichung der Klimaneutralität 3 Vgl. Erwägungsgrund (20) KG-VO. und zur Änderung der Verordnungen (EG) Nr. 401/2009 4 und (EU) 2018/1999 („Europäisches Klimagesetz“), ABl. Dieses Ziel wurde in keinem formellen Rechtsakt ver- EU Nr. L 243 v. 09.07.2021, S. 1. ankert, sondern wurde vom Europäischen Rat auf seiner 2 Tagung im Oktober 2014 beschlossen, vgl. Schlussfolge- Die Europäische Kommission hatte im März 2020 den rungen - Tagung des Europäischen Rates (23./24. Okto- Vorschlag vorgelegt. Vgl. COM(2020) 80 final vom ber 2014), EUCO 169/14, Ziff. I.2. 4.3.2020, Vorschlag für eine Verordnung des Europäi- 5 schen Parlaments und des Rates zur Schaffung des Alle Dokumente abrufbar unter https://ec.eu- Rahmens für die Verwirklichung der Klimaneutralität ropa.eu/info/strategy/priorities-2019-2024/european- green-deal/delivering-european-green-deal_en..
4 Wirtschaft und Europa ment – verhandelt und müssen im An- erfassten Emissionen sollen nun mittels ei- schluss teilweise noch in deutsches Recht nes ambitionierteren Reduktionspfads um umgesetzt werden. Bis zum endgültigen 61 Prozent im Vergleich zu 2005 reduziert Inkrafttreten des Pakets bleiben die derzei- werden. Erreicht werden soll dies durch tigen Regelungen in Kraft. eine jährliche Verringerung der Zertifikate um 4,2 Prozent statt um die bisherigen 2,2 Schon das bisherige Ziel für 2030 sollte im Prozent. Wesentlichen durch den Emissionshandel (ETS) 6 und die Lastenteilungs-Verordnung 7 Der ETS gilt für Unternehmen bzw. Anla- (Lastenteilungs-VO) erreicht werden 8. Da- genbetreiber in bestimmten Sektoren im bei bleibt es nach dem Willen der Kommis- gesamten EU-Raum 12. Eine Aufteilung in sion auch künftig, es gibt aber in beiden nationale Ziele erfolgt nicht. Segmenten wichtige Neuerungen. Dane- ben wurden (unter anderem) auch wichtige Änderungen in den ergänzenden Berei- 2. Lastenteilungs-Verordnung chen Energieeffizienz und erneuerbare Energien vorgeschlagen. Dazu im Einzel- Dies ist ein wesentlicher Unterschied zur nen: Lastenteilungs-VO, die einer anderen Logik folgt. Hier gibt es nationale Minderungs- ziele für die einzelnen Mitgliedstaaten. Da- 1. Emissionshandelsrichtlinie bei soll es auch künftig bleiben. Dennoch lohnt sich ein genauer Blick auf die Neue- Nach der bisher geltenden Rechtslage soll- rungen im bisherigen sog. non-ETS-Be- ten durch den ETS die Treibhausgasemissi- reich, die die Kommission vorgeschlagen onen innerhalb von dessen Anwendungs- hat. bereich 9, also in Energiewirtschaft und In- dustrie, EU-weit im Jahr 2030 um 43 Pro- a) Bisherige Lastenteilung zent gegenüber 2005 reduziert werden 10. Die Lastenteilungs-VO strebt bisher eine Nach den Vorstellungen der Kommission Reduktion um 30 Prozent 13 gegenüber dem soll der bestehende Emissionshandel 11 künf- Stand von 2005 bis 2030 in den von ihr er- tig auch auf den Schiffsverkehr erweitert fassten (Non-ETS-)Sektoren 14 an (Art. 1 Las- werden. Die von dem ursprünglichen ETS tenteilungs-VO). Dieses EU-Reduktionsziel 6 Eingeführt durch die Richtlinie 2003/87/EG des Euro- Blick auf die Erfüllung der Verpflichtungen der Gemein- päischen Parlaments und des Rates vom 13. Oktober schaft zur Reduktion der Treibhausgasemissionen bis 2003 über ein System für den Handel mit Treibhaus- 2020, ABl. EU Nr. L 140 v. 5.6.2009 S. 136. gasemissionszertifikaten in der Gemeinschaft und zur 9 Energieerzeugungsanlagen ab 20 MW, energieinten- Änderung der Richtlinie 96/61/EG des Rates, ABl. EU Nr. sive Industrie und innereuropäischer Flugverkehr, vgl. L 275 v. 25.10.2003, S. 32, zuletzt geändert durch Dele- Anhang I zur ETS-Richtlinie. gierter Beschluss (EU) 2020/1071 der Kommission vom 10 18. Mai 2020 zur Änderung der Richtlinie 2003/87/EG des Vgl. Erwägungsgrund (2), Richtlinie (EU) 2018/410 des Europäischen Parlaments und des Rates in Bezug auf Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. März den Ausschluss von aus der Schweiz ankommenden 2018 zur Änderung der Richtlinie 2003/87/EG zwecks Flügen aus dem Emissionshandelssystem der EU, ABl. Unterstützung kosteneffizienter Emissionsreduktionen EU Nr. L 234 v. 21.7.2020, S. 16.. Umgesetzt in Deutschland und zur Förderung von Investitionen mit geringem durch das Treibhausgas-Emissionshandelsgesetz CO2-Ausstoß und des Beschlusses (EU) 2015/1814, ABl. (TEHG) vom 08.07.2004 (BGBl. I S. 1578). EU Nr. L 76 v. 19.3.2018, S. 3. 11 7 Effort-Sharing-Regulation. Teilweise auch Klima- Vgl. COM(2021) 551 final vom 14.7.2021, Proposal for a schutz-Verordnung genannt: Verordnung (EU) 2018/842 Directive of the European Parliament and of the Coun- des EP und des Rates v. 30.5.2018 zur Festlegung ver- cil amending Directive 2003/87/EC establishing a sys- bindlicher nationaler Jahresziele für die Reduzierung tem for greenhouse gas emission allowance trading der Treibhausgasemissionen im Zeitraum 2021-2030 als within the Union, Decision (EU) 2015/1814 concerning Beitrag zu Klimaschutzmaßnahmen zwecks Erfüllung the establishment and operation of a market stability der Verpflichtungen aus dem Übereinkommen von Pa- reserve for the Union greenhouse gas emission trading ris sowie zur Änderung der VO (EU) Nr. 525/2013, ABl. EU scheme and Regulation (EU) 2015/757. 12 Nr. L 156 v. 19.6.2018, S.26. Alle EU-Mitgliedstaaten sowie Norwegen, Island und 8 Bis Ende 2020 galt noch die Effort-Sharing-Decision: Liechtenstein. 13 Entscheidung Nr. 406/2009/EG des EP und des Rates 29 % für EU 27 nach dem Ausscheiden des Vereinig- vom 23.04.2009 über die Anstrengungen der Mitglied- ten Königreiches aus der EU. staaten zur Reduktion der Treibhausgasemissionen mit 14 Die Lastenteilungs-VO umfasst alle Treibhaus- gasemissionen, die nicht vom ETS oder der LULUCF-
5 wird allerdings verbindlich auf die einzel- ten die überschüssige Menge zurückhal- nen Mitgliedstaaten aufgeteilt. So gilt für ten und in späteren Jahren aufbrauchen Deutschland etwa eine Minderungspflicht können 17. von 38 Prozent bis 2030 (Art. 4 Abs. 1 Las- ▶ In Jahren, in denen die Emissionen das tenteilungs-VO i.V.m. Anhang I). Dieses Ziel zugewiesene Budget hingegen über- gilt, da es in einer EU-Verordnung festge- schreiten, kann zum anderen eine be- setzt wurde, unmittelbar in und für grenzte Zahl an Zuweisungen aus dem Deutschland und bedarf keiner weiteren folgenden Jahr genommen werden Verankerung in der nationalen Gesetzge- (Art. 5 Abs. 1 und 2 Lastenteilungs-VO) 18. bung (Art. 288 AEUV). Allerdings müssen die Maßnahmen, um das Ziel zu erreichen, ▶ Daneben können Mitgliedstaaten auch selbsttätig durch den Mitgliedstaat ergrif- Zuweisungen anderer Mitgliedstaaten fen werden. kaufen 19 oder an diese verkaufen 20 (Art. 5 Abs. 4 und 5 Lastenteilungs-VO). Die Kommission hat basierend auf dem na- tionalen Ziel für 2030 für jeden Mitglied- ▶ Darüber hinaus passt die Kommission die staat einen verbindlichen linearen Redukti- jährlichen Emissionszuweisungen an, onspfad vorgeschrieben, der ein jährliches wenn sich aus dem ETS Änderungsbedarf Emissionsbudget für die Jahre 2021-2030 ergibt (Art. 10 Lastenteilungs-VO) 21. vorsieht (Art. 4 Abs. 2 und 3 Lastenteilungs- Zur Sicherstellung der Einhaltung des Ziel- VO i.V.m. Art. 2 sowie Anhang II Durchfüh- pfades sieht die Lastenteilungs-VO einen rungsbeschluss (EU) 2020/2126). Berichts- und Compliance-Rahmen vor: Die Bezüglich der jährlichen Emissionszuwei- Mitgliedstaaten müssen jedes Jahr im Eu- sungen sieht die Lastenteilungs-VO ver- ropäischen Register die entsprechenden schiedene Flexibilitätsmöglichkeiten vor: Emissionsrechte abgeben sowie über ihre Treibhausgasemissionen berichten. Die ▶ So ist es möglich bei Überschreiten der Kommission bewertet jährlich die Fort- jährlichen Zuweisungen, Emissionsabbau schritte, welche die Mitgliedstaaten ma- aus dem Landnutzungsbereich 15 anzu- chen. Reichen diese nicht aus, ist der Mit- rechnen (Art. 7 Lastenteilungs-VO). gliedstaat verpflichtet, binnen drei Mona- Zudem werden die aus der früheren Las- ten einen Plan mit Abhilfemaßnahmen vor- tenteilungs-Entscheidung 16 bekannten zulegen (Art. 8 Lastenteilungs-VO). Möglichkeiten fortgeführt: Wird in einem Jahr das Emissionsbudget ▶ Dazu gehört zum einen die Möglichkeit überschritten, auch unter Beachtung der des Bankings, die vorsieht, dass in Jah- Flexibilitäts-Optionen, so wird die Überzie- ren, in denen die zugewiesene Emissions- hung mit dem Faktor 1,08 multipliziert und menge unterschritten wird, Mitgliedstaa- den anzurechnenden Treibhausgasemissio- nen des folgenden Jahres zugeschlagen VO (siehe Fn. 16) umfasst sind, d.h. insbesondere Ver- werden, in den Jahren 2026 bis 2029 nur noch eine kehr, Gebäude, Anlagen unter 20 MW, Abfallwirtschaft. Menge von bis zu 5 %. 15 19 Für diesen Bereich ist die LULUCF-Verordnung (land Diese Möglichkeit wird insbesondere für Deutschland use, land-use change and forestry) einschlägig: Verord- häufig diskutiert. Berechnungen zu den möglicher- nung (EU) 2018/841 des Europäischen Parlaments und weise anfallenden Kosten hat u.a. Agora Energiewende des Rates vom 30. Mai 2018 über die Einbeziehung der angefertigt, vgl. Agora Energiewende/Agora Verkehrs- Emissionen und des Abbaus von Treibhausgasen aus wende, Die Kosten von unterlassenem Klimaschutz für Landnutzung, Landnutzungsänderungen und Forst- den Bundeshaushalt. Die Klimaschutzverpflichtungen wirtschaft in den Rahmen für die Klima- und Energiepo- Deutschlands bei Verkehr, Gebäuden und Landwirt- litik bis 2030 und zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. schaft nach der EU-Effort-Sharing-Entscheidung und 525/2013 und des Beschlusses Nr. 529/2013/EU, ABl. EU der EU-Climate-Action-Verordnung, September 2018. Nr. L 156 v. 19.6.2018, S. 1. 20 Die Einnahmen können die Mitgliedstaaten für Klima- 16 Siehe Fn. 7. schutzmaßnahmen verwenden; eine Pflicht besteht in- 17 Allerdings sind dem Banking Grenzen gesetzt: Für das soweit nicht, Art. 5 Abs. 6 Lastenteilungs-VO. 21 Jahr 2021 können unbegrenzt Zuweisungen übertragen Hierzu gehört u.a. die Einbeziehung weiterer Sektoren werden; in den nachfolgenden Jahren maximal bis zu in das ETS oder Gutschriften aufgrund zusätzlicher er- 30% der jährlichen Zuweisungen, Art. 5 Abs. 3 lit a) und griffener Emissionsreduzierungsmaßnahmen (Art. 24 b) Lastenteilungs-VO. und 24a ETS-RL). 18 Sogenanntes Borrowing. Im Zeitraum 2021 bis 2025 kann eine Menge von bis zu 10 % der jährlichen Emissi- onszuweisung für das folgende Jahr vorweggenommen
6 Wirtschaft und Europa (Art. 9 Abs. 1 lit a) Lastenteilungs-VO). Die vorgesehen. Dabei ist auch hierfür ein Cap Regelung führt dazu, dass noch größere and Trade System vorgesehen, so dass es Emissionsminderungen nötig werden. Ob eine festgelegte Menge an jährlich auszu- die Abgabe der Emissionsrechte im Euro- gebenden Zertifikaten gibt sowie einen li- päischen Register der Erfüllung der Ver- nearen Reduktionsfaktor von -5,15 (ab 2026) pflichtung aus der Lastenverteilungs-VO bzw. -5,43 Prozent (ab 2028) pro Jahr. Ab tatsächlich entspricht und diese Maß- dem 1. Januar 2027 müssen die regulierten nahme ergriffen wird, wird im Abstand von Einheiten die entsprechende Zahl an Zerti- fünf Jahren überprüft: Im Jahr 2027 für den fikaten dann abgeben. Zeitraum 2021 bis 2025 sowie im Jahr 2032 Dabei unterfallen diese durch den ETS II er- für den Zeitraum 2026 bis 2030 (Art. 9 Abs. 1 fassten Bereiche auch weiterhin der Las- Lastenteilungs-VO). tenteilungs-Verordnung, durch die insge- Die jährlichen Emissionszuweisungen sind samt nunmehr eine Reduktion um 40 Pro- nicht näher auf einzelne Sektoren im Be- zent im Vergleich zu 2005 erfolgen soll 24. reich der Lastenteilungs-VO aufgeteilt. Da- Die Bereiche Gebäude und Verkehr ma- her obliegt es grundsätzlich jedem Mit- chen dabei etwa die Hälfte der Emissionen gliedstaat, festzulegen, wie, das heißt. mit im Anwendungsbereich der Lastentei- welchen Maßnahmen, und in welchen Be- lungs-Verordnung aus 25. Auch die Auftei- reichen die Einsparungen erzielt werden lung auf nationale Ziele bleibt bestehen, für sollen. Dabei sind vereinzelt verbindliche Deutschland sieht der Vorschlag eine Re- Ziele aus sektoralen Regelungen zu berück- duktion um 50 Prozent im Vergleich zu sichtigen, wie z.B. die Vorgabe aus der Er- 2005 vor. Auch sollen den Mitgliedstaaten neuerbare-Energien-Richtlinie 22, einen An- ab den Jahren 2023 neue jährliche Emissi- teil erneuerbarer Energien von mindestens onsmengen vorgegeben werden. 14 Prozent am Endenergieverbrauch des Das heißt zusammengefasst, dass die Mit- Verkehrssektors bis 2030 zu erreichen gliedstaaten über die Lastenteilungs-VO (Art. 25 Abs. 1 EE-RL). weiterhin ihre (nunmehr verschärften) nati- onalen Minderungsziele zu erfüllen haben; b) Künftige Lastenteilung samt ETS II für die Bereiche Gebäude und Verkehr will Auch künftig bleibt es bei dieser Architek- ihnen die Kommission aber das Instrument tur der Lastenteilung. Allerdings soll es eines EU-weiten Zertifikatehandels an die neue Ziele geben und ein neues Instru- Hand geben. Da der Handel aber nicht nati- ment, nämlich einen eigenen Emissions- onal, sondern EU-weit erfolgt, kann es sein, handel für den Gebäude- und Verkehrssek- dass die nationalen Minderungsziele der tor. Dazu im Einzelnen: Lastenteilungs-Verordnung in den Mit- gliedstaaten allein durch den neuen ETS II Der neue Emissionshandel für die Bereiche gegebenenfalls nicht erreicht werden. Ent- Verkehr und Gebäude (ETS II) soll als neues sprechend müssten die betroffenen Mit- Instrument parallel zum bisherigen Emissi- gliedstaaten dann zu ergänzenden (etwa onshandel für Energiewirtschaft und In- steuerlichen, ordnungsrechtlichen oder för- dustrie (ETS I) eingeführt werden 23. Hier- dernden) Maßnahmen greifen, die allein in durch sollen die Emissionen um 43 Prozent ihrer Verantwortung liegen. im Vergleich zu 2005 gesenkt werden. Ab dem Jahr 2025 sind die Inverkehrbringer von Kraft- und Heizstoffen verpflichtet, eine Änderungen bei den EU-Zielen auf einen Treibhausgasemissionserlaubnis zu haben Blick und ihre Emissionen für 2024 und 2025 zu THG-Reduktions-Ziele berichten. Ab 2026 werden die Zertifikate versteigert, eine freie Zuteilung ist nicht Bisher Künftig 22 Richtlinie (EU) 2018/2001 des EP und des Rates v. amending Regulation (EU) 2018/842 on binding annual 11.12.2018 zur Förderung der Nutzung von Energie aus greenhouse gas emission reductions by Member erneuerbaren Quellen (Neufassung), ABl. EU Nr. L 328 v. States from 2021 to 2030 contributing to climate action 21.12.2018, S. 81. to meet commitments under the Paris Agreement.. 23 25 Anhang III Proposal ETS). Vgl. COM(2021) 555 final, S. 8. 24 COM(2021) 555 final vom 14.7.2021, Proposal for a Reg- ulation of the European Parliament and of the Council
7 sieht der Vorschlag noch mehrere, teilweise Insgesamt 40 % ggb. 1990 55 % ggb. 1990 nur indikative, Ziele für verschiedene Ein- ETS I 43 % ggb. 2005 61 % ggb. 2005 zelsektoren vor. Das oben bereits erwähnte ETS II 43 % ggb. 2005 Ziel von mindestens 14 Prozent am End- Lasten- EU: 30 % ggb. EU: 40 % ggb. energieverbrauch des Verkehrssektors soll teilungs - 2005 (29 % EU 2005 nun beispielsweise geändert werden in das VO 27) DE: 50 % ggb. Ziel, die Reduktion der THG-Intensität im DE: 38 % ggb. 2005 Verkehrssektor um mindestens 13 Prozent 2005 bis 2030 zu erreichen 29. Für die Energieeffizienz war bisher ein EU- weites Effizienz-Ziel von 32,5 Prozent fest- gelegt. Dieses Ziel sollte im Vergleich zu 3. Erneuerbare Energien und Prognosen aus dem Jahr 2007 erreicht wer- Energieeffizienz den, die einen Primärenergieverbrauch im Jahr 2030 von 1 887 Mio. t Rohöläquivalent Bereits im bisherigen – und derzeit noch (RÖE) und einen Energieendverbrauch von gültigen – energie- und klimapolitischen 1 416 Mio. t RÖE für das Jahr 2030 berech- Rahmen gab es neben den THG-Redukti- neten. Eine Reduzierung von 32,5 Prozent ons-Zielen für ETS und Lastenteilungs-VO ergibt jeweils 1 273 Mio. t RÖE und 956 verschiedene sektorale Ziele, Vorgaben und Mio. t RÖE in 2030. Die Mitgliedstaaten soll- Regelungen. Im Rahmen des Fit for 55-Pa- ten hierfür jeweils nationale Beiträge er- kets wurde nun erstmalig in einer umfang- bringen, die allerdings nur indikativ waren. reichen Folgenabschätzung eine Gesamt- Nach den Vorschlägen der Kommission sol- betrachtung der Wechselwirkungen der len die Mitgliedstaaten nunmehr gemein- verschiedenen Rechtsakte vorgenommen 26. sam und verbindlich sicherstellen, dass der Dabei hat sich die Kommission aus ver- Energieverbrauch bis 2030 gegenüber dem schiedenen Gründen dafür entschieden 27, Referenzszenario von 2020 um mindestens auch weiterhin auf einen Policy-Mix zu set- 9 Prozent gesenkt wird. Dies entspricht ei- zen. Dementsprechend hat die Kommission nem maximalen Primärenergieverbrauch in weiteren Legislativvorschlägen vorgese- von 1023 Mio. t Rohöläquivalent und einem hen, verschiedene Regelungen hinsichtlich Endenergieverbrauch von 787 Mio. t RÖE ihrer Zielstellung zu erhöhen oder die Vor- bis 2030. Hierfür muss jeder Mitgliedstaat gaben zu verschärfen. Im Bereich der Ener- einen nationalen Beitrag für die Zielerrei- giewirtschaft sind hier vor allem die Erneu- chung angeben. erbare-Energien-Richtlinie und die Energie- effizienz-Richtlinie 28 von großer Bedeutung. Änderungen bei den weiteren EU-Zielen Im Bereich des Ausbaus von erneuerbaren auf einen Blick Energien sah die Richtlinie bisher vor, dass Effizienz- und Erneuerbaren-Ziele bis 2030 EU-weit erneuerbare Energien ei- nen Anteil von 32 Prozent am Bruttoener- Bisher Künftig gieverbrauch ausmachen. Dieses Ziel soll Energieeffi- EU : 32,5 % ggb. EU: 9 % ggb. nach der Vorstellung der Kommission nun zienz-RL 2007 2020 auf 40 Prozent erhöht werden. Daneben 26 Der sogenannte Climate Target Plan. Vgl. COM(2020) für 55“: auf dem Weg zur Klimaneutralität – Umsetzung 562 final vom 17.9.2020, Mitteilung der Kommission an des EU-Klimaziels für 2030, S. 2 ff. das Europäische Parlament, den Rat, den Europäi- 28 Richtlinie 2012/27/EU des Europäischen Parlaments schen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Aus- und des Rates vom 25. Oktober 2012 zur Energieeffizi- schuss der Regionen -Mehr Ehrgeiz für das Klimaziel enz, zur Änderung der Richtlinien 2009/125/EG und Europas bis 2030 - In eine klimaneutrale Zukunft zum 2010/30/EU und zur Aufhebung der Richtlinien Wohl der Menschen investieren sowie die Folgenab- 2004/8/EG und 2006/32/EG, ABl. EU Nr. L 315 v. schätzung hierzu: SWD(2020) 176 final vom 17.9.2020, 14.11.2012, S. 1, zuletzt geändert durch Richtlinie (EU) Commission Staff Working Document - Impact Assess- 2019/944 des Europäischen Parlaments und des Rates ment (nur auf Englisch verfügbar). vom 5. Juni 2019, ABl. EU Nr. L 158 v. 14.6.2019, S. 125. 27 Siehe im Einzelnen COM(2021) 550 final vom 14.7.2021, 29 Die weiteren Ziele sind im Steckbrief zur EE-RL im Mitteilung der Kommission an das Europäische Parla- Anhang dargestellt. ment, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und So- zialausschuss und den Ausschuss der Regionen – „Fit
8 Wirtschaft und Europa Diese Regelung hielt das BVerfG für verfas- Erneuer- EU : 32 % bis EU: 40 % bis bare-Ener- 2030 2030 sungswidrig. Erforderlich sei vielmehr fol- gien-RL gendes: „Grundlegend […] für eine vorausschauende II. Klimaziele Deutschlands Schonung künftiger Freiheit ist allerdings, dass der Gesetzgeber einer möglichst früh- Auch in Deutschland kam es 2021 zu einer zeitigen Einleitung der erforderlichen Ent- Änderung des Rechtsrahmens für die Treib- wicklungs- und Umsetzungsprozesse auch hausgas-Reduktionsvorgaben. Das ein- für die Zeit nach 2030 Orientierung bietet schlägige Bundes-Klimaschutzgesetz und diesen damit zugleich ein hinreichen- (KSG) 30 wurde Ende Juni 2021 novelliert. des Maß an Entwicklungsdruck und Pla- Auslöser für die Überarbeitung war ein Be- nungssicherheit vermittelt“34. schluss des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG), in dem dieses das KSG insoweit Die Novellierung führte zu einigen Erweite- für mit dem Grundgesetz unvereinbar er- rungen in der Zielarchitektur des Geset- klärt hatte, als die Regelungen im ur- zes 35: sprünglichen KSG zur „Fortschreibung der Minderungsziele für Zeiträume ab dem Neu eingeführt wurde das Fernziel, Netto- Jahr 2031“ nicht den verfassungsrechtlichen Treibhausgasneutralität 36 bis zum Jahr 2045 Anforderungen genügten 31. zu erreichen (§ 3 Abs. 2 S. 1 KSG). Nach 2050 sollen negative Treibhausgasemissionen er- Das KSG hatte bis dahin lediglich als Ziel reicht werden (§ 3 Abs. 2 S. 2 KSG). vorgesehen, eine Reduktion der Treibhaus- gasemissionen bis 2030 um 55 Prozent zu Das Ziel für 2030 wurde erhöht, so dass erreichen (§ 3 Abs. 1 S. 2 KSG a.F.) 32. Dieses nunmehr eine Treibhausgasreduktion um Ziel wurde, wie bereits im Klimaschutzplan mindestens 65 Prozent im Vergleich zum 2050, für sechs Sektoren 33 in verbindliche Jahr 1990 erreicht werden soll (§ 3 Abs. 1 Nr. Jahresemissionsmengen für den Zeitraum 2 KSG). Das Ziel dient auch der Erreichung 2020 bis 2030 aufgeteilt (§ 4 Abs. 1 i.V.m. der verschiedenen Vorgaben der Europäi- Anlage 1 und Anlage 2 KSG a.F.). Im Jahr schen Union (§ 1 S. 1 KSG). 2025 sollte die Bundesregierung dann per Die Aufteilung des Ziels auf die sechs Sek- Rechtsverordnung „für weitere Zeiträume toren wurde beibehalten. Die jeweils zuläs- nach dem Jahr 2030 jährlich absinkende sigen Jahresemissionsmengen für den Zeit- Emissionsmengen durch Rechtsverord- raum 2020 bis 2030 wurden ab dem Jahr nung“ festlegen (§ 4 Abs. 6 S. 1 KSG a.F.). 30 Bundes-Klimaschutzgesetz vom 12. Dezember 2019 und seit dem 31.08.2021 gelten. Bezüglich der Ände- (BGBl. I S. 2513). rungen im Detail siehe auch Müller/Fietze/Scheuing, 31 BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 24. März Rechtliche Stellungnahme zur Anhörung des Aus- 2021, 1 BvR 2656/18, 1 BvR 78/20, 1 BvR 96/20,1 BvR schusses für Umwelt, Naturschutz und nukleare Si- 288/20. cherheit des deutschen Bundestages am 21. Juni 2021 32 zum Entwurf eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Dieses Ziel entstammte dabei bereits dem Energie- Bundes-Klimaschutzgesetzes (Drs. 19/30230), abrufbar konzept 2010 und dem Klimaschutzplan 2050, vgl. unter https://www.bundestag.de/ausschuesse/a16_um- Deutscher Bundestag, Drucksache 19/14337, S. 27 zu § 3 welt/oeffentliche_anhoerungen#url=L2F1c3NjaH- Absatz 1. Vlc3NlL2ExNl91bXdlbHQvb2VmZmVudGxpY2hlX2FuaG 33 Der Klimaschutzplan 2050 entspricht der deutschen 9lcn- Langfriststrategie nach dem Übereinkommen von Pa- VuZ2VuLzg0Mzk1Mi04NDM5NTI=&mod=mod544426.. ris und nach Artikel 15 der Europäischen Governance- 36 Netto-Treibhausgasneutralität ist gemäß § 2 Nr. 9 Verordnung, § 2 Nr. 7 KSG. Abrufbar unter: KSG „das Gleichgewicht zwischen den anthropogenen https://www.bmu.de/themen/klima-energie/klima- Emissionen von Treibhausgasen aus Quellen und dem schutz/nationale-klimapolitik/klimaschutzplan-2050/ Abbau solcher Gase durch Senken“, wobei der Präfix 34 BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 24. März „Netto“ keine eigenständige Bedeutung hat und daher 2021, 1 BvR 2656/18, 1 BvR 78/20, 1 BvR 96/20,1 BvR ohne Änderung in der Sache entfallen könnte. Diese 288/20, Rn. 249. Definition war auch bereits in der Ursprungsfassung 35 Die angegebenen Paragraphen beziehen sich schon des KSG enthalten, ohne dass der Begriff ansonsten auf die Neuregelungen des KSG, die durch Gesetz vom verwendet wurde. 18.08.2021, BGBl. I S. 3905 (Nr. 59) umgesetzt wurden
9 2023 angepasst (vgl. § 4 Abs. 1 iVm. Anlage 2 und diese zur Einhaltung und gegebenen- KSG). falls zur Ergreifung der erforderlichen Maß- nahmen verpflichten (§ 4 Abs. 4 KSG). Die Sektoren entsprechen nicht der Diffe- renzierung zwischen ETS und Lastentei- Bei Abweichungen von den zulässigen jähr- lungs-Verordnung auf europäischer Ebene, lichen Emissionsmengen müssen Sofort- sondern umfassen Bereiche aus beiden Re- programme aufgelegt werden (§ 4 Abs. 4 gelungssystemen. Die den Sektoren vor der iVm. §§ 8 und 9 KSG). Die Bundesregierung Novelle zugewiesenen Jahresemissions- muss darüber schnellstmöglich beraten mengen entsprachen den damals gelten- und beschließen. Sie kann aber auch die den Vorgaben der europäischen Lastentei- zulässigen Jahresemissionsmengen mit lungs-VO 37. Wirkung zum nächsten Kalenderjahr än- dern (d.h. auch verringern oder zwischen Daneben wurde durch die Novellierung ein Sektoren verschieben), insofern das die Las- weiteres Zwischenziel eingeführt: Bis zum tenteilungs-VO zulässt (§ 4 Abs. 5 KSG). Jahr 2040 gilt eine Minderungsquote von mindestens 88 Prozent. Zusätzlich wurde Der Gesetzgeber selbst wird hierdurch eine neue Anlage 3 eingeführt. Diese ent- nicht gebunden; er kann das KSG ohnehin hält jährliche Minderungsziele für die Jahre innerhalb der EU-Vorgaben ändern. Die EU 2031 bis 2040. Spätestens im Jahr 2032 hat ist also die letztlich maßgebliche Ebene. die Bundesregierung einen Gesetzge- Entscheidend ist, dass das Gesamtziel und bungsvorschlag zur Festlegung der jährli- die jährlichen Emissionszuweisungen, die chen Minderungsziele für die Jahre 2041 bis durch die Lastenteilungs-VO (s.o.) vorgege- 2045 vorzulegen (§ 4 Abs. 1 S. 7 KSG). ben werden, erreicht werden. Auch aus diesen Minderungszielen sollen zukünftig Jahresemissionsmengen für die einzelnen Sektoren abgeleitet werden. Die III. Anpassungsmechanismen und Aufteilung erfolgt im Jahr 2024 für die Progressionsgebot Jahre 2031 bis 2040 und im Jahr 2034 für die Jahre 2041 bis 2045 38 durch Rechtsver- Deutschland hat sein übergreifendes Treib- ordnung der Bundesregierung mit Zustim- hausgasreduktionsziel für 2030 bereits er- mung des Deutschen Bundestages (§ 4 höht und die Jahresemissionsmengen, die Abs. 1 S. 8 i. V. m. Abs. 6 S. 1-5 KSG). Die Jah- insbesondere der Umsetzung der Lasten- resemissionsmengen müssen dabei grund- teilungs-VO dienen, hieran angepasst. Um sätzlich gleichmäßig absinken sowie mit auch weiterhin sicherzustellen, dass die der Erreichung der nationalen Klimaschutz- Jahresemissionsmengen etwaigen neuen, ziele, den jährlichen Minderungszielen und europäischen Vorgaben entsprechen, sieht den unionsrechtlichen Anforderungen im § 4 Abs. 1 S. 5 KSG vor, dass die Bundesre- Einklang stehen. Zusätzlich ist sicherzustel- gierung die festgelegten zulässigen Jahres- len, dass in jedem Sektor deutliche Redu- emissionsmengen im Lichte möglicher Än- zierungen der Treibhausgase erreicht wer- derungen der Lastenteilungs-VO und der den. Vor der Änderung oder Festlegung Emissionshandelsrichtlinie überprüft und, von Jahresemissionsmengen nach dem soweit dies erforderlich erscheint, spätes- KSG ist der Expertenrat für Klimafragen zu tens sechs Monate nach deren Inkrafttre- hören (§ 12 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 KSG). ten einen Gesetzgebungsvorschlag zur An- Unverändert bleiben die Mechanismen, die passung der Jahresemissionsmengen vor- die Zielerreichung betreffen. Die im KSG legt. festgelegten Sektorenziele sind regierungs- Allein aufgrund des Europäischen Klimage- intern verbindlich, da sie sich an die jeweils setzes ist es nicht erforderlich, das Ziel für zuständigen Bundesministerien richten 2030 anzupassen, da es sich hierbei um ein 37 Deutscher Bundestag, Drucksache 19/14337, S. 41 f. zu innerhalb der Europäischen Union] auf die Zuweisung Anlage 2. von zulässigen Jahresemissionsmengen für einzelne 38 Die Aufteilung in Jahresemissionsmengen wird ggf. Sektoren verzichtet werden kann“, um ggf. einen „ent- aber auch entfallen: Nach § 4 Abs. 7 S. 2 und 3 KSG sprechenden Gesetzgebungsvorschlag“ vorzulegen. muss die Bundesregierung im Jahr 2028 untersuchen, „ob in der Zeit ab dem Jahr 2031 im Lichte dieser Ent- wicklungen [Anm.: Entwicklung der CO2-Bepreisung
10 Wirtschaft und Europa EU-weites Ziel handelt. Es ist somit wegen europäischer Prozesse nicht damit zu rech- nen, dass das übergreifende deutsche Ziel für 2030 von 65 Prozent erneut angepasst werden muss. Eine freiwillige Neufestle- gung durch den Gesetzgeber aufgrund po- litischer Erwägungen ist daneben aber na- türlich stets möglich. Dabei ist zu beachten, dass einmal verankerte Klimaschutzziele zwar erhöht, aber nicht wieder abgesenkt werden können (sog. Progressionsgebot des § 3 Abs. 4 S. 2 KSG).
11 C. Green Deal Nach Klärung der Zielsetzung(en) widmet Sonnendiagramm lediglich der Zusam- sich das nun folgende Kapitel der Ausbuch- menfassung dient, soll die Bewertungs- stabierung des „Green Deal“ im Einzelnen. matrix kurz vorgestellt werden. Der erste „fertige“ Baustein, das Europäi- Dafür wurden insgesamt drei thematische sche Klimagesetz, und vier weitere exemp- Gruppen geschaffen, die in jeweils fünf Kri- larische Legislativvorschläge aus dem Pa- terien die Ausrichtung und Ausgestaltung ket „Fit for 55“ der Kommission werden der Rechtsakte analysieren: dazu im Anhang analysiert und in grafisch gehaltenen Übersichten dargestellt. Des ▶ Gruppe 1: „Treibhausgasminderung“, die Weiteren werden die sonstigen Vorschläge die CO 2-Vermeidung, die Verbindlichkeit, der Kommission vorgestellt und kurz einge- die Langfristigkeit/Nachhaltigkeit, den ordnet sowie der derzeit ebenfalls laufende Umsetzungsaufwand und die Anschluss- Reformprozess der Beihilfeleitlinien für den fähigkeit/Kohärenz bewertet, Klima-, Umweltschutz- und Energiebereich ▶ Gruppe 2: „Erhalt der sozialen Marktwirt- und die Verschränkung der Gesetzgebung schaft“, die die Wettbewerbsfähigkeit, die mit der sog. Taxonomie skizziert. soziale Ausgewogenheit, das Entstehen eines Marktes für grüne Produkte, die kli- mafreundliche Investitionslenkung sowie I. Exemplarische Rechtsakte des die Stärkung des Binnenmarktes bewer- „Green Deal“ tet, sowie ▶ Gruppe 3: „Internationale Strahlkraft und Gesetze werden immer in (meist langen Hebelwirkung“, die die globale Wirkung, und teils schwer lesbaren) Fließtexten ab- die Wirkungsspanne, die Vorbildwirkung, gebildet. Daher haben sich die Beteiligten die Kompatibilität mit Freihandelsprinzi- des Querschnittmoduls „Wirtschaft und Eu- pien und entwicklungspolitische Ziele ropa“ der dena-Leitstudie in diesem Kapitel adressiert. für eine Darstellungsform entschieden, die Alle fünfzehn Merkmale werden mit dem fünf exemplarische Rechtsakte nicht als Inhalt ihrer Bewertungsthese in jedem Mat- neuerlichen Fließtext, sondern in einer rixdurchlauf als Benchmark aufgeführt, so- Form aufbereitet und darstellt, die trotz al- dass ein Abgleich mit der gleich daneben ler Detailtiefe eine gute Übersichtlichkeit liegenden Begründungsspalte wechseln- und schnelle Erfassbarkeit gewährleisten den Inhalts direkt möglich ist. Darunter fin- soll. Für das Europäische Klimagesetz, die det sich eine Skala mit fünf Stufen von Emissionshandelsrichtlinie, den sog. CBAM, „trifft nicht zu“ bis „trifft zu“, auf der die ei- die Energiesteuerrichtlinie sowie die Erneu- gentliche Bewertung verortet wird. erbare-Energien-Richtlinie finden sich des- halb jeweils folgende Grafiken im Anhang: Wichtig für das inhaltliche Verständnis die- ser Bewertung ist, dass es sich dabei nicht ▶ Ein Steckbrief, der den jeweiligen Rechts- um Schulnoten oder ähnliche normative akt gesetzgebungstechnisch und inhalt- Aussagen im engeren Sinne handelt, son- lich kurz beschreibt, dern um eine leicht lesbare und plausibili- ▶ eine Bewertungsmatrix, in der in drei sierte Verortung von Zielrichtung und Um- thematischen Gruppen jeweils fünf Krite- setzung der jeweiligen Rechtsakte. Natür- rien geprüft, begründet und bewertet lich haben diese jeweils unterschiedliche werden sowie Ausrichtungen, auf die die Kriterien jeweils stärker oder schwächer zugeschnitten sind. ▶ ein (im Uhrzeigersinn) zu lesendes Son- Dennoch können aus der Summe der Be- nendiagramm, das die Bewertung aus wertungen Beobachtungen und Empfeh- dem Durchlauf der Matrix jeweils auf ei- lungen abgeleitet werden, die dann ent- nen Blick zusammenfasst. sprechend auch Eingang in das Fazit ge- Während die Kategorien des Steckbriefes funden haben. weitgehend selbsterklärend sind und das
12 Wirtschaft und Europa II. Sonstige Elemente des „Green werden (Art. 5 Abs. 1). Dies soll unter ande- rem über eine verpflichtende jährliche Re- Deal“ novierungsquote der Gesamtfläche öffentli- cher Gebäude von mindestens 3 Prozent Neben den im Anhang in den Grafiken ana- erreicht werden (Art. 6 Abs. 1). Der Gel- lysierten Rechtsakten enthält das Paket „Fit tungsbereich der Renovierungsverpflich- for 55“ weitere Vorschläge, insbesondere tung wird erweitert und gilt für alle öffentli- aus dem Bereich Energieeffizienz und für chen Einrichtungen und alle Verwaltungs- den Verkehrssektor. Diese werden im Fol- ebenen in allen öffentlichen Tätigkeitsbe- genden ebenfalls vorgestellt. Des Weiteren reichen (einschließlich Gesundheitswesen, wird eingegangen auf die in ihren prakti- Bildung und öffentlicher Wohnungsbau). schen Auswirkungen kaum zu überschät- Die Alternativen, die es den Mitgliedstaaten zende Reform der für Klimaschutzmaßnah- ermöglichten, ähnliche Energieeinsparun- men einschlägigen Beihilfeleitlinien sowie gen durch andere Maßnahmen als Renovie- auf die Taxonomie-Verordnung und ihre rungen zu erreichen, sollen gestrichen wer- Verschränkung mit den Gesetzgebungsvor- den. schlägen der Kommission. Die Bestimmungen für die öffentliche Auf- tragsvergabe sollen gestärkt werden, in- dem die Verpflichtung zur Berücksichti- 1. Vorschläge für die Stärkung der gung der Energieeffizienzanforderungen Energieeffizienz auf alle Ebenen der öffentlichen Verwal- tung ausgedehnt und Konditionalitäten in Mit dem Reformvorschlag zur Energieeffi- Bezug auf die Kosteneffizienz sowie die zienzrichtlinie 39 wird ein neues verbindli- technische und wirtschaftliche Durchführ- ches 2030-Ziel auf EU-Ebene eingeführt: Bis barkeit gestrichen werden (Art. 7). Die Mit- 2030 soll der Energieverbrauch im Ver- gliedstaaten können von öffentlichen Stel- gleich zu 2020 um mindestens 9 Prozent len verlangen, dass sie bei der Vergabe öf- gesenkt werden 40 (Art. 4 Abs. 1). Die natio- fentlicher Aufträge gegebenenfalls Aspekte nalen Beiträge sind indikativ. Jeder Mit- der Kreislaufwirtschaft und Kriterien für gliedstaat muss seinen nationalen Beitrag eine umweltfreundliche öffentliche Be- für die Zielerreichung sowie einen indikati- schaffung berücksichtigen (Art. 7 Abs. 5). ven Zielpfad festlegen. Bei Feststellung un- Öffentliche Auftraggeber können verlan- zureichender Fortschritte bei der Erfüllung gen, dass in den Angeboten das auf den Le- der nationalen Beiträge greifen nun neue benszyklus bezogene Treibhauspotenzial Mechanismen, nach denen die Mitglied- neuer Gebäude angegeben wird, insbeson- staaten zusätzliche Maßnahmen ergreifen dere bei neuen Gebäuden mit einer Fläche müssen, bspw. die Erhöhung der Energie- von über 2.000 Quadratmetern. einsparverpflichtung oder die Anpassung der Verpflichtungen für den öffentlichen Für verschiedene Energiedienstleister, Sektor (Art. 4 Abs. 3). Energieauditoren, Energiemanager und In- stallateure werden neue und unterschiedli- In dem Vorschlag sind auch neue Ansätze che Qualifikations-, Akkreditierungs- und zur Operationalisierung des Efficiency first- Zertifizierungssysteme festgelegt (Art. 11). Grundsatzes enthalten (Art. 3). Mitglied- staaten müssen sicherstellen, dass Effi- Die Mitgliedstaaten sind verpflichtet, diese zienzlösungen bei wirtschaftlichen und po- Systeme ab Dezember 2024 alle vier Jahre litischen Maßnahmen sowohl im Energie- zu aktualisieren (Art. 26 Abs. 4). als auch im Nicht-Energiebereich berück- Die Überarbeitung der Richtlinie über die sichtigt werden. Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden Im öffentlichen Sektor soll der Energiever- brauch um 1,7 Prozent pro Jahr gesenkt 39 COM(2021) 558 final, Proposal for a Directive of the Endenergieverbrauch. Maximaler Primärenergiever- European Parliament and of the Council On Energy Ef- brauch von 1023 Mio. t RÖE (bisher: 1 128 Mio. t RÖE); ficiency (Re-Cast). Maximaler Endenergieverbrauch von 787 Mio. t RÖE 40 Bisher wurde auf 2007 referenziert. Das Ziel ent- (bisher: 846 Mio. t RÖE ). spricht den im Klimazielplan enthaltenen Energieeffi- zienzzielen von 39% bzw. 36% für den Primär- bzw. den
13 (EPBD) 41 soll im vierten Quartal 2021 erfol- und enthält verbindliche Ziele für be- gen. stimmte nachhaltige Flugkraftstoffe (Sustainable Aviation Fuels (SAF)). Die Flug- gesellschaften werden verpflichtet, bei Ab- 2. Vorschläge für den Verkehrssektor flügen von EU-Flughäfen SAF-beigemisch- ten Flugkraftstoff zu tanken (Art. 5). Neben der Bepreisung von Kraftstoffen ReFuelEU Aviation verpflichtet auch die über den neuen ETS II setzt die Kommis- Treibstofflieferanten, von 2030 bis 2050 sion auch auf andere, teils ordnungsrechtli- mehr SAF in Flugzeugtreibstoff zu verwen- che Vorgaben für den Verkehrssektor. den (Art. 4). Biokraftstoffe auf Pflanzenba- sis, Wasserstoff und Elektrizität sind in dem Eine Änderung der VO (EU) 2019/631 42 zur Verordnungsvorschlag nicht enthalten. Festsetzung von CO 2-Emissionsnormen be- trifft neue Pkw und neue leichte Nutzfahr- Im Bereich des Seeverkehrs soll der neue zeuge. Hier wird eine Verschärfung der EU- Verordnungsvorschlag über die Verwen- weiten Flottenziele ab 2030 vorgeschlagen. dung von erneuerbaren und kohlenstoffar- Die Flotte der neu zugelassenen Pkw muss men Kraftstoffen im Seeverkehr (ReFuelEU ihre Emissionen bis 2030 statt um bislang Maritime) 45 die Einführung nachhaltiger 37,5 Prozent nun um 55 Prozent und bis Schiffskraftstoffe und emissionsfreier 2035 um 100 Prozent gegenüber 2021 43 re- Schiffsantriebstechnologien fördern. Hier- duzieren. Für neue leichte Nutzfahrzeuge für wird eine Obergrenze für den Treib- (Kleintransporter) soll das Flottenredukti- hausgasgehalt der von Schiffen verwende- onsziel für 2030 von -31 Prozent auf 50 Pro- ten Energie festgelegt (Art. 4, 5). Der An- zent erhöht werden. Ab 2035 sollen die EU- wendungsbereich erstreckt sich grundsätz- weiten Flottenziele für beide Fahrzeugklas- lich auf alle Schiffe mit einer Bruttoraum- sen 100 Prozent betragen (Art. 1). Ab 2030 zahl von mehr als 5000, die europäische soll dann der regulatorische Anreizmecha- Häfen anlaufen (Art. 2). nismus für emissionsfreie und emissions- Weiterhin soll eine neue Verordnung 46 ver- arme Fahrzeuge (Zero and Low Emission bindliche nationale Ziele für den Aufbau ei- Vehicles (ZLEV)) sowie die Ausnahmerege- ner ausreichenden Infrastruktur für alterna- lung für Kleinserienhersteller entfallen (An- tive Kraftstoffe für Straßenfahrzeuge, hang I, Teil A). Schiffe und stationäre Flugzeuge festlegen. Im Luftverkehr soll der neue Verordnungs- Im Bereich E-Mobilität sollen für Pkw und vorschlag zur Sicherstellung gleicher Wett- leichte Nutzfahrzeuge bis 2025 alle 60 Kilo- bewerbsbedingungen für nachhaltigen meter mindestens 300 kW Leistung durch Luftverkehr (ReFuelEU Aviation) 44 den Schnellladepunkte, bis 2030 600 kW Leis- Übergang von fossilen Kraftstoffen zu tung auf dem Kernnetz des transeuropäi- nachhaltigen Kraftstoffen im Luftverkehr schen Verkehrsnetzes (Trans-European net- unterstützen. Der Vorschlag konzentriert work for transport (TEN-T) 47) installiert wer- sich auf einen kurzfristigen Markthochlauf den. Auf dem TEN-T Gesamtnetz gelten die 41 44 Richtlinie 2010/31/EU des Europäischen Parlaments COM(2021) 561 final, Proposal for a Regulation of the und des Rates vom 19. Mai 2010 über die Gesamtener- European Parliament and of the Council on ensuring a gieeffizienz von Gebäuden (Neufassung), ABl. L 153 vom level playing field for sustainable air transport. 18.6.2010, S. 13. 45 COM(2021) 562 final, Proposal for a Regulation of the 42 COM(2021) 556 final, Proposal for a Regulation of the European Parliament and of the Council on the use of European Parliament and of the Council amending renewable and low-carbon fuels in maritime transport Regulation (EU) 2019/631 as regards strengthening the and amending Directive 2009/16/EC. CO2 emission performance standards for new passen- 46 COM(2021) 559 final, Proposal for a Regulation of the ger cars and new light commercial vehicles in line with European Parliament and of the Council on the deploy- the Union’s increased climate ambition. ment of alternative fuels infrastructure, and repealing 43 Hintergrund des neuen Referenzzeitpunktes ist die Directive 2014/94/EU of the European Parliament and Änderung der Messverfahren: Der spezifische CO2- of the Council. Wert wird im Rahmen der Typgenehmigung auf dem 47 Begriffsbestimmung gemäß Art. 9 und 38 der Ver- Rollenprüfstand noch bis zum Jahr 2021 gegenüber ordnung (EU) Nr. 1315/2013 des Europäischen Parla- dem Zielwert im Neuen Europäischen Fahrzyklus ments und des Rates vom 11. Dezember 2013 über Leit- (NEFZ) geprüft. Ab dem Jahr 2022 basiert der Wert auf linien der Union für den Aufbau eines transeuropäi- dem weltweit harmonisierten Prüfverfahren WLTP. schen Verkehrsnetzes und zur Aufhebung des Be- schlusses Nr. 661/2010/EU, zuletzt geändert durch Dele- gierte Verordnung (EU) 2019/254 der Kommission vom
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