Wirtschaft und Europa auf dem Weg zur Klimaneutralität - Gutachten im Rahmen der dena-LEITSTUDIE AUFBRUCH KLIMANEUTRALITÄT

Die Seite wird erstellt Edith Dörr
 
WEITER LESEN
Gutachten im Rahmen der
dena-LEITSTUDIE AUFBRUCH KLIMANEUTRALITÄT

Wirtschaft und Europa auf dem
Weg zur Klimaneutralität
Der Green Deal der EU und seine Bedeutung für Deutschlands Energiewende –
Begleitung des Querschnittsmoduls Wirtschaft und Europa
I

GUTACHTEN IM RAHMEN DER
DENA-LEITSTUDIE AUFBRUCH
KLIMANEUTRALITÄT

Wirtschaft und Europa auf
dem Weg zur Klimaneutralität

Der Green Deal der EU und seine Bedeutung für
Deutschlands Energiewende

Begleitung des Querschnittsmoduls
„Wirtschaft und Europa“

01.10.2021

erstellt von
Dr. Hartmut Kahl, Dr. Markus Kahles, Johanna Kamm und
Hannah Scheuing
II Wirtschaft und Europa

Herausgeber:
Deutsche Energie-Agentur GmbH (dena)
Chausseestraße 128 a
10115 Berlin
Tel: +49 (0)30 66 777-0
Fax: +49 (0)30 66 777-699
E-Mail: info@dena.de
Internet: www.dena.de

Autoren: Hartmut Kahl, Markus Kahles, Johanna
Kamm, Hannah Scheuing

Stand: 10/2021

Bitte zitieren als: Stiftung Umweltenergierecht (2021).
Wirtschaft und Europa auf dem Weg zur Klimaneut-
ralität - Der Green Deal der EU und seine Bedeutung
für Deutschlands Energiewende. Herausgegeben von
der Deutschen Energie-Agentur GmbH (dena).

Alle Rechte sind vorbehalten. Die Nutzung steht un-
ter dem Zustimmungsvorbehalt der dena.

B

Stiftung Umweltenergierecht
Friedrich-Ebert-Ring 9
97072 Würzburg

Telefon                                                   Vorstand
+49 931 794077-0                                          Thorsten Müller und Fabian Pause, LL.M. Eur.

Telefax                                                   Stiftungsrat
+49 931 7940 77-29                                        Prof. Dr. Helmuth Schulze-Fielitz
                                                          Prof. Dr. Franz Reimer
E-Mail                                                    Prof. Dr. Monika Böhm
kahl@stiftung-umweltenergierecht.de
kahles@stiftung-umweltenergierecht.de                     Spendenkonto
                                                          Sparkasse Mainfranken Würzburg
Internet                                                  IBAN: DE16 7905 0000 0046 7431 83
www.stiftung-umweltenergierecht.de                        BIC: BYLADEM1SWU
III

Inhaltsverzeichnis

A. Einführung ___________________________________________________________________ 1
I. Gewachsene Verantwortung ____________________________________________________________ 1
II. Innovationsadressat Unternehmen _____________________________________________________ 1
III. Aufbruch Klimaneutralität _____________________________________________________________ 1

B. Zielarchitektur ______________________________________________________________ 3
I. Klimaziele der EU ________________________________________________________________________ 3
   1. Emissionshandelsrichtlinie ___________________________________________________________ 4
   2. Lastenteilungs-Verordnung _________________________________________________________ 4
     a) Bisherige Lastenteilung ____________________________________________________________ 4
     b) Künftige Lastenteilung samt ETS II _________________________________________________ 6
   3. Erneuerbare Energien und Energieeffizienz _________________________________________ 7
II. Klimaziele Deutschlands ________________________________________________________________ 8
III. Anpassungsmechanismen und Progressionsgebot ____________________________________ 9

C. Green Deal __________________________________________________________________ 11
I. Exemplarische Rechtsakte des „Green Deal“ ____________________________________________ 11
II. Sonstige Elemente des „Green Deal“ __________________________________________________ 12
   1. Vorschläge für die Stärkung der Energieeffizienz ___________________________________ 12
   2. Vorschläge für den Verkehrssektor _________________________________________________ 13
   3. Reformprozess der Beihilfeleitlinien ________________________________________________ 14
   4. Taxonomie _________________________________________________________________________ 15

D. Fazit ________________________________________________________________________ 16
I. Spannungsfelder anerkennen __________________________________________________________ 16
II. Zeitnah handeln _______________________________________________________________________ 16
III. Abstimmung suchen __________________________________________________________________ 16
IV. Partnerschaften aufbauen ____________________________________________________________ 17
V. Kohärent bleiben ______________________________________________________________________ 17
VI. Mehrwert einbringen und Spielräume nutzen ________________________________________ 18

E. Anhang: Steckbriefe und Bewertungen _____________________________________ 19
I. Europäisches Klimagesetz ______________________________________________________________ 19
II. ETS-Richtlinie __________________________________________________________________________ 26
IV Wirtschaft und Europa

III. CBAM-Verordnung ____________________________________________________________________ 33
IV. Energiesteuerrichtlinie _______________________________________________________________ 40
V. Erneuerbare-Energien-Richtlinie ______________________________________________________ 47
1

A. Einführung
Die Europäische Union (EU) hat mit Antritt     Binnenmarkt als größte Nachfragemacht
der Kommission von der Leyen ein neues         der Welt setzt Standards auch für Import-
Kapitel in Sachen Klimaschutz aufgeschla-      eure, die diese im Zweifel gleich komplett
gen. Ihr „Green Deal“ beschreibt den An-       übernehmen und so auch in andere Ziel-
spruch, die EU zur ersten klimaneutralen       märkte einbringen.
Region der Welt zu machen. So setzt das
neue Klimagesetz der EU das Ziel der Kli-
maneutralität bis 2050 fest und schreibt bis   II. Innovationsadressat Unternehmen
2030 eine Minderung von Treibhausgasen
um 55% gegenüber 1990 fest. Erreicht wer-
                                               Zentraler Adressat der Maßnahmen des
den soll dies durch ein – schon allein nach
                                               „Green Deal“ sind neben den Mitgliedstaa-
seinem Umfang – gewaltiges Legislativpro-
                                               ten die Unternehmen, die ihre Produkte
gramm, das verschiedene Rechtsakte zeit-
                                               und Produktionsprozesse an die neuen
lich und inhaltlich bündelt, verschränkt und
                                               Ziele und Vorgaben anpassen müssen. Sie
auf die Erreichung des gemeinsamen Ziels
                                               spüren primär den Innovationsdruck, auf
hin zuschneidet.
                                               die neuen Anforderungen zu reagieren.
Damit wird der Ordnungsrahmen auch für         Trotz der immensen Herausforderungen,
Deutschlands Energiewende künftig noch         die diese Transformation mit sich bringt, ist
stärker vom Europarecht beeinflusst: Ziele     bei vielen Unternehmen auch ein neuer
werden vermehrt europäisch gesetzt und         Ehrgeiz zu beobachten, sich aktiv darauf
sind durch die Mitgliedstaaten zu erfüllen,    einzulassen und im Gegenzug klare Leitli-
wobei sie dabei häufiger auf Instrumente       nien und transformationsfördernde Rah-
zurückgreifen können oder sogar müssen,        menbedingungen vom Gesetzgeber einzu-
die der europäische Rechtsrahmen gleich        fordern. Auf dem Weg zur Klimaneutralität
mit vorgibt.                                   sind Wirtschaft und Europa aufeinander
                                               angewiesen. Nicht zufällig steht dieses Be-
                                               griffspaar im Mittelpunkt der folgenden
                                               Seiten.
I. Gewachsene Verantwortung

Mit diesem Bemühen um eine stärkere Ver-
einheitlichung übernimmt die EU auch           III. Aufbruch Klimaneutralität
eine gewachsene Verantwortung für den
Umgang mit den bekannten Herausforde-          Im Rahmen der dena-Leitstudie „Aufbruch
rungen: Wie verträgt sich ambitionierter       Klimaneutralität“ hat die Stiftung Umwelte-
Klimaschutz mit dem Erhalt der Wettbe-         nergierecht das Querschnittsmodul „Wirt-
werbsfähigkeit europäischer Unternehmen,       schaft und Europa“ wissenschaftlich beglei-
insbesondere bei unterschiedlichsten Aus-      tet. Dabei wurde in insgesamt fünf Sitzun-
gangslagen in den einzelnen Mitgliedstaa-      gen die bisherige Entwicklung des „Green
ten, und wie gelingt es, auch einkommens-      Deal“ beobachtet, aufbereitet, ausgewertet,
schwache Haushalte oder andere vul-            diskutiert und anschließend von der Stif-
nerable Gruppen mitzunehmen? Damit             tung Umweltenergierecht methodisch be-
stellt sich die Frage nach der Verbindlich-    wertet. Neben einer Darstellung zur neuen
keit der eigenen Ziele nach außen und der      Zielarchitektur, die das Verhältnis der euro-
Geschwindigkeit der Transformation nach        päischen Klimaschutzziele zu den deut-
innen.                                         schen bestimmt, standen dabei vor allem
                                               die konkreten Gesetzgebungsvorhaben des
Zugleich zeichnen sich Potenziale für tech-
                                               „Green Deal“ im Mittelpunkt.
nische und gesellschaftliche Innovationen
ab, die die Chance bieten, das Wohlstands-     Im Ergebnis wurden aus der Fülle der Le-
niveau der EU zu halten und auszubauen,        gislativakte fünf ausgewählt, die auf
neue Exportmärkte zu erschließen sowie         Wunsch der Beteiligten in Steckbriefen
eine Vorbildwirkung für Länder in anderen      dargestellt und mithilfe einer eigens entwi-
Weltregionen zu entfalten. Der europäische     ckelten Bewertungsmatrix analysiert und in
2 Wirtschaft und Europa

lesefreundlicher grafischer Auflösung dar-        menten vorsieht; darunter auch gänz-
gestellt werden. Es handelt sich dabei um         lich neue, wie einen separaten Emissi-
das bereits in Kraft getretene Europäische        onshandel für die Bereiche Gebäude
Klimagesetz als übergreifender Rahmen so-         und Verkehr sowie einen Carbon Bor-
wie auf instrumenteller Ebene um die Ent-         der Adjustment Mechanism, der die
würfe von vier Rechtsakten, die dem Paket         CO2-Bepreisung auf bestimmte Import-
„Fit for 55“ entstammen, das die Kommis-          güter erstreckt.
sion am 14. Juli 2021 veröffentlicht hat:
                                                ▶ Die EU zielt mit dem Paket „Fit for 55“
▶ Die Emissionshandelsrichtlinie als zentra-      vor allem auf ihren Binnenmarkt, weil
  les Instrument der Mengensteuerung              sie zunächst ihre eigenen Hausaufga-
  und CO 2-Bepreisung u.a. mit ihrer erwei-       ben erledigen muss. Flankierend muss
  terten Anwendung auf den Schiffsver-            die EU – entsprechend ihres wirtschaft-
  kehr und der Etablierung eines neuen            lichen Gewichts und Knowhows – ih-
  Zertifikatehandels für den Gebäude- und         ren „Green Deal“ aber auch mit einer
  Verkehrssektor,                                 außen- und entwicklungspolitischen
▶ die Verordnung zur Schaffung eines Car-         Offensive verbinden, die andere Staa-
  bon Border Adjustment Mechanism                 ten außerhalb des Binnenmarktes aktiv
  (CBAM), mit dem für bestimmte impor-            und nachhaltig bei ihrer Transforma-
  tierte Produktgruppen eine CO 2-Beprei-         tion unterstützt. Dies umfasst auch
  sung als Carbon Leakage-Schutz einge-           eine aktive Rolle bei der Suche nach
  führt werden soll,                              Kooperationen für eine internationale
                                                  Standardisierung von Parametern, die
▶ die Energiesteuerrichtlinie, die u.a. neue,     Klimaschutzambitionen vergleichbar
  nämlich nach der Emissionsintensität der        und Instrumente kompatibel machen.
  Energieträger gestaffelte Mindeststeuer-
  sätze vorsieht und                            ▶ Zwar wird das EU-Recht immer maß-
                                                  geblicher dafür, die Instrumente auf
▶ die Erneuerbare-Energien-Richtlinie, die        dem Weg zur Klimaneutralität vorzu-
  vielfach neue Ziele definiert und die Sek-      geben. Dies bedeutet aber nicht, dass
  toren Wärme/Kälte, Verkehr und Indust-          Deutschland keine Gestaltungsmacht
  rie stärker in den Blick nimmt.                 mehr hätte. Denn zur Umsetzung des
Die übrigen Neuerungen des Pakets „Fit for        Gesetzespakets ist die EU größtenteils
55“, insbesondere für den Energieeffizienz-       auf die Mitgliedstaaten angewiesen.
und Verkehrsbereich, werden ebenfalls vor-        Deutschland sollte hier die bestehen-
gestellt, wenn auch nicht in derselben ana-       den Spielräume ambitioniert ausfüllen,
lytischen Tiefe. Nicht zuletzt wird auf die       um die eigenen Klimaziele zu erreichen
nicht minder wichtigen anstehenden Neu-           und eine führende Rolle innerhalb der
erungen im Beihilferecht und auf die Ver-         EU-Mitgliedstaaten einzunehmen.
schränkung der Gesetzgebung mit der sog.          Nicht zuletzt muss sich Deutschland
Taxonomie eingegangen.                            mit seinen langjährigen Energiewen-
                                                  deerfahrung konstruktiv in den laufen-
                                                  den Gesetzgebungsprozess einbringen.
                                                  Dabei sollte – wie für alle anderen Ver-
Kernergebnisse                                    handler auch – die Maxime gelten, ei-
                                                  nen Vorschlag nur dann zur Diskussion
▶ Mit dem europäischen „Green Deal“               zu stellen, wenn zeitgleich ein adäqua-
  soll die EU bis zur Jahrhundertmitte            ter instrumenteller Ersatz vorgeschla-
  klimaneutral werden. Als Zwischen-              gen wird.
  schritt sollen bis 2030 die Treibhaus-
  gasemissionen um 55% gegenüber
  1990 vermindert werden. Um dies zu
  erreichen, hat die Europäische Kom-
  mission im Sommer 2021 mit der Initia-
  tive "Fit for 55" ein umfangreiches Le-
  gislativpaket vorgelegt, das eine Fülle
  an aufeinander abgestimmten Instru-
3

B. Zielarchitektur
Sich Ziele zu setzen ist wichtig – vor allem,                 von 1990 erreicht werden (Art. 4 Abs. 1
wenn man sie wirklich erreichen und sein                      UAbs. 1 KG-VO). Dabei wurde der Beitrag
Handeln ernsthaft daran ausrichten will. Im                   des Nettoabbaus von Treibhausgasen auf
Folgenden wird daher die jüngste Entwick-                     225 Mio. Tonnen CO 2-Äquivalent begrenzt
lung der Klima-Ziele der EU und Deutsch-                      (Art. 4 Abs. 1 UAbs. 3 KG-VO).
lands beschrieben und erklärt, wie diese zu-
                                                         ▶ Zusätzlich wurden im Europäischen Kli-
stande kamen, wie sie überprüft und ggf.
                                                           magesetz Vorgaben zur Festlegung eines
angepasst werden sollen und wie sie sich
                                                           weiteren Zwischenziels für das Jahr 2040
zueinander verhalten.
                                                           verankert. Demnach wird die Kommis-
                                                           sion spätestens sechs Monate nach der
                                                           ersten weltweiten Bestandsaufnahme
I. Klimaziele der EU                                       nach dem Übereinkommen von Paris im
                                                           Jahr 2023 einen Legislativvorschlag vorle-
Am 29. Juli 2021 ist als erster legislativer               gen, für den sie verschiedene Daten und
Baustein des „Green Deal“ das neue Euro-                   Berichte berücksichtigt, unter anderem
päische Klimagesetz (KG-VO) 1 in Kraft ge-                 ein indikatives Treibhausgasbudget für
treten, nachdem schon im Mai das Gesetz-                   die Zeit 2030 bis 2050 (Art. 4 Abs. 3, 4 und
gebungsverfahren abgeschlossen werden                      5 KG-VO).
konnte 2. Hierdurch werden verschiedene
                                                         Das bisherige EU-weite Ziel einer Reduk-
Treibhausgas-Reduktionsvorgaben für die
                                                         tion um 40 Prozent gegenüber 1990 bis
Europäische Union neu festgelegt:
                                                         2030 sollte durch verschiedene Regelungen
▶ Zum einen will die Europäische Union Kli-              und Maßnahmen erreicht werden. Auf-
  maneutralität erreichen, das heißt die                 grund der Anhebung dieses Ziels hat die
  EU-weiten im Unionsrecht geregelten                    Kommission den bestehenden Rechtsrah-
  Treibhausgasemissionen und deren Ab-                   men dahingehend überprüft, ob und inwie-
  bau durch natürliche oder technische                   weit er noch mit der neuen Zielsetzung ver-
  Senken 3 müssen bis spätestens 2050 aus-               einbar ist (Art. 4 Abs. 2 KG-VO). Basierend
  geglichen sein (Art. 2 Abs. 1 KG-VO). Da-              auf umfangreichen Folgenabschätzungen
  nach werden negative Treibhaus-                        hat sie daraufhin am 14. Juli 2021 ein um-
  gasemissionen angestrebt (Art. 2 Abs. 1                fangreiches Paket mit Gesetzgebungsvor-
  a.E. KG-VO).                                           schlägen sowie Strategien und Einzelmaß-
                                                         nahmen vorgelegt („Fit for 55“-Paket) 5.
▶ Zum anderen wurde das Ziel für 2030,
                                                         Durch die vorgeschlagene Veränderung
  das bislang eine Reduktion der Treib-
                                                         des Rechtsrahmens soll die höhere Zielset-
  hausgasemissionen um mindestens 40
                                                         zung erreicht werden können.
  Prozent im Vergleich zu 1990 vorsah 4, an-
  geschärft. Nunmehr soll bis zum Jahr                   Die Vorschläge werden nun in den kom-
  2030 eine Senkung der Nettotreibhaus-                  menden Jahren zwischen den europäi-
  gasemissionen (Emissionen nach Abzug                   schen Gesetzgebungsorganen – Rat der Eu-
  des Abbaus) innerhalb der Union um                     ropäischen Union und Europäisches Parla-
  mindestens 55 % gegenüber dem Stand

 1
  Verordnung (EU) 2021/1119 des Europäischen Parla-       und zur Änderung der Verordnung (EU) 2018/1999 (Eu-
 ments und des Rates vom 30.06.2021 zur Schaffung des     ropäisches Klimagesetz),.
 Rahmens für die Verwirklichung der Klimaneutralität      3
                                                              Vgl. Erwägungsgrund (20) KG-VO.
 und zur Änderung der Verordnungen (EG) Nr. 401/2009      4
 und (EU) 2018/1999 („Europäisches Klimagesetz“), ABl.     Dieses Ziel wurde in keinem formellen Rechtsakt ver-
 EU Nr. L 243 v. 09.07.2021, S. 1.                        ankert, sondern wurde vom Europäischen Rat auf seiner
 2
                                                          Tagung im Oktober 2014 beschlossen, vgl. Schlussfolge-
  Die Europäische Kommission hatte im März 2020 den       rungen - Tagung des Europäischen Rates (23./24. Okto-
 Vorschlag vorgelegt. Vgl. COM(2020) 80 final vom         ber 2014), EUCO 169/14, Ziff. I.2.
 4.3.2020, Vorschlag für eine Verordnung des Europäi-     5
 schen Parlaments und des Rates zur Schaffung des          Alle Dokumente abrufbar unter https://ec.eu-
 Rahmens für die Verwirklichung der Klimaneutralität      ropa.eu/info/strategy/priorities-2019-2024/european-
                                                          green-deal/delivering-european-green-deal_en..
4 Wirtschaft und Europa

ment – verhandelt und müssen im An-                            erfassten Emissionen sollen nun mittels ei-
schluss teilweise noch in deutsches Recht                      nes ambitionierteren Reduktionspfads um
umgesetzt werden. Bis zum endgültigen                          61 Prozent im Vergleich zu 2005 reduziert
Inkrafttreten des Pakets bleiben die derzei-                   werden. Erreicht werden soll dies durch
tigen Regelungen in Kraft.                                     eine jährliche Verringerung der Zertifikate
                                                               um 4,2 Prozent statt um die bisherigen 2,2
Schon das bisherige Ziel für 2030 sollte im
                                                               Prozent.
Wesentlichen durch den Emissionshandel
(ETS) 6 und die Lastenteilungs-Verordnung 7                    Der ETS gilt für Unternehmen bzw. Anla-
(Lastenteilungs-VO) erreicht werden 8. Da-                     genbetreiber in bestimmten Sektoren im
bei bleibt es nach dem Willen der Kommis-                      gesamten EU-Raum 12. Eine Aufteilung in
sion auch künftig, es gibt aber in beiden                      nationale Ziele erfolgt nicht.
Segmenten wichtige Neuerungen. Dane-
ben wurden (unter anderem) auch wichtige
Änderungen in den ergänzenden Berei-                           2. Lastenteilungs-Verordnung
chen Energieeffizienz und erneuerbare
Energien vorgeschlagen. Dazu im Einzel-                        Dies ist ein wesentlicher Unterschied zur
nen:                                                           Lastenteilungs-VO, die einer anderen Logik
                                                               folgt. Hier gibt es nationale Minderungs-
                                                               ziele für die einzelnen Mitgliedstaaten. Da-
1. Emissionshandelsrichtlinie                                  bei soll es auch künftig bleiben. Dennoch
                                                               lohnt sich ein genauer Blick auf die Neue-
Nach der bisher geltenden Rechtslage soll-                     rungen im bisherigen sog. non-ETS-Be-
ten durch den ETS die Treibhausgasemissi-                      reich, die die Kommission vorgeschlagen
onen innerhalb von dessen Anwendungs-                          hat.
bereich 9, also in Energiewirtschaft und In-
dustrie, EU-weit im Jahr 2030 um 43 Pro-                       a) Bisherige Lastenteilung
zent gegenüber 2005 reduziert werden 10.
                                                               Die Lastenteilungs-VO strebt bisher eine
Nach den Vorstellungen der Kommission
                                                               Reduktion um 30 Prozent 13 gegenüber dem
soll der bestehende Emissionshandel 11 künf-
                                                               Stand von 2005 bis 2030 in den von ihr er-
tig auch auf den Schiffsverkehr erweitert
                                                               fassten (Non-ETS-)Sektoren 14 an (Art. 1 Las-
werden. Die von dem ursprünglichen ETS
                                                               tenteilungs-VO). Dieses EU-Reduktionsziel

 6
   Eingeführt durch die Richtlinie 2003/87/EG des Euro-         Blick auf die Erfüllung der Verpflichtungen der Gemein-
 päischen Parlaments und des Rates vom 13. Oktober              schaft zur Reduktion der Treibhausgasemissionen bis
 2003 über ein System für den Handel mit Treibhaus-             2020, ABl. EU Nr. L 140 v. 5.6.2009 S. 136.
 gasemissionszertifikaten in der Gemeinschaft und zur           9
                                                                  Energieerzeugungsanlagen ab 20 MW, energieinten-
 Änderung der Richtlinie 96/61/EG des Rates, ABl. EU Nr.        sive Industrie und innereuropäischer Flugverkehr, vgl.
 L 275 v. 25.10.2003, S. 32, zuletzt geändert durch Dele-       Anhang I zur ETS-Richtlinie.
 gierter Beschluss (EU) 2020/1071 der Kommission vom            10
 18. Mai 2020 zur Änderung der Richtlinie 2003/87/EG des          Vgl. Erwägungsgrund (2), Richtlinie (EU) 2018/410 des
 Europäischen Parlaments und des Rates in Bezug auf             Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. März
 den Ausschluss von aus der Schweiz ankommenden                 2018 zur Änderung der Richtlinie 2003/87/EG zwecks
 Flügen aus dem Emissionshandelssystem der EU, ABl.             Unterstützung kosteneffizienter Emissionsreduktionen
 EU Nr. L 234 v. 21.7.2020, S. 16.. Umgesetzt in Deutschland    und zur Förderung von Investitionen mit geringem
 durch     das      Treibhausgas-Emissionshandelsgesetz         CO2-Ausstoß und des Beschlusses (EU) 2015/1814, ABl.
 (TEHG) vom 08.07.2004 (BGBl. I S. 1578).                       EU Nr. L 76 v. 19.3.2018, S. 3.
                                                                11
 7
     Effort-Sharing-Regulation. Teilweise auch Klima-             Vgl. COM(2021) 551 final vom 14.7.2021, Proposal for a
 schutz-Verordnung genannt: Verordnung (EU) 2018/842            Directive of the European Parliament and of the Coun-
 des EP und des Rates v. 30.5.2018 zur Festlegung ver-          cil amending Directive 2003/87/EC establishing a sys-
 bindlicher nationaler Jahresziele für die Reduzierung          tem for greenhouse gas emission allowance trading
 der Treibhausgasemissionen im Zeitraum 2021-2030 als           within the Union, Decision (EU) 2015/1814 concerning
 Beitrag zu Klimaschutzmaßnahmen zwecks Erfüllung               the establishment and operation of a market stability
 der Verpflichtungen aus dem Übereinkommen von Pa-              reserve for the Union greenhouse gas emission trading
 ris sowie zur Änderung der VO (EU) Nr. 525/2013, ABl. EU       scheme and Regulation (EU) 2015/757.
                                                                12
 Nr. L 156 v. 19.6.2018, S.26.                                    Alle EU-Mitgliedstaaten sowie Norwegen, Island und
 8
   Bis Ende 2020 galt noch die Effort-Sharing-Decision:         Liechtenstein.
                                                                13
 Entscheidung Nr. 406/2009/EG des EP und des Rates                29 % für EU 27 nach dem Ausscheiden des Vereinig-
 vom 23.04.2009 über die Anstrengungen der Mitglied-            ten Königreiches aus der EU.
 staaten zur Reduktion der Treibhausgasemissionen mit           14
                                                                 Die Lastenteilungs-VO umfasst alle Treibhaus-
                                                                gasemissionen, die nicht vom ETS oder der LULUCF-
5

wird allerdings verbindlich auf die einzel-                   ten die überschüssige Menge zurückhal-
nen Mitgliedstaaten aufgeteilt. So gilt für                   ten und in späteren Jahren aufbrauchen
Deutschland etwa eine Minderungspflicht                       können 17.
von 38 Prozent bis 2030 (Art. 4 Abs. 1 Las-
                                                            ▶ In Jahren, in denen die Emissionen das
tenteilungs-VO i.V.m. Anhang I). Dieses Ziel
                                                              zugewiesene Budget hingegen über-
gilt, da es in einer EU-Verordnung festge-
                                                              schreiten, kann zum anderen eine be-
setzt wurde, unmittelbar in und für
                                                              grenzte Zahl an Zuweisungen aus dem
Deutschland und bedarf keiner weiteren
                                                              folgenden Jahr genommen werden
Verankerung in der nationalen Gesetzge-
                                                              (Art. 5 Abs. 1 und 2 Lastenteilungs-VO) 18.
bung (Art. 288 AEUV). Allerdings müssen
die Maßnahmen, um das Ziel zu erreichen,                    ▶ Daneben können Mitgliedstaaten auch
selbsttätig durch den Mitgliedstaat ergrif-                   Zuweisungen anderer Mitgliedstaaten
fen werden.                                                   kaufen 19 oder an diese verkaufen 20 (Art. 5
                                                              Abs. 4 und 5 Lastenteilungs-VO).
Die Kommission hat basierend auf dem na-
tionalen Ziel für 2030 für jeden Mitglied-                  ▶ Darüber hinaus passt die Kommission die
staat einen verbindlichen linearen Redukti-                   jährlichen Emissionszuweisungen an,
onspfad vorgeschrieben, der ein jährliches                    wenn sich aus dem ETS Änderungsbedarf
Emissionsbudget für die Jahre 2021-2030                       ergibt (Art. 10 Lastenteilungs-VO) 21.
vorsieht (Art. 4 Abs. 2 und 3 Lastenteilungs-
                                                            Zur Sicherstellung der Einhaltung des Ziel-
VO i.V.m. Art. 2 sowie Anhang II Durchfüh-
                                                            pfades sieht die Lastenteilungs-VO einen
rungsbeschluss (EU) 2020/2126).
                                                            Berichts- und Compliance-Rahmen vor: Die
Bezüglich der jährlichen Emissionszuwei-                    Mitgliedstaaten müssen jedes Jahr im Eu-
sungen sieht die Lastenteilungs-VO ver-                     ropäischen Register die entsprechenden
schiedene Flexibilitätsmöglichkeiten vor:                   Emissionsrechte abgeben sowie über ihre
                                                            Treibhausgasemissionen berichten. Die
▶ So ist es möglich bei Überschreiten der
                                                            Kommission bewertet jährlich die Fort-
  jährlichen Zuweisungen, Emissionsabbau
                                                            schritte, welche die Mitgliedstaaten ma-
  aus dem Landnutzungsbereich 15 anzu-
                                                            chen. Reichen diese nicht aus, ist der Mit-
  rechnen (Art. 7 Lastenteilungs-VO).
                                                            gliedstaat verpflichtet, binnen drei Mona-
Zudem werden die aus der früheren Las-                      ten einen Plan mit Abhilfemaßnahmen vor-
tenteilungs-Entscheidung 16 bekannten                       zulegen (Art. 8 Lastenteilungs-VO).
Möglichkeiten fortgeführt:
                                                            Wird in einem Jahr das Emissionsbudget
▶ Dazu gehört zum einen die Möglichkeit                     überschritten, auch unter Beachtung der
  des Bankings, die vorsieht, dass in Jah-                  Flexibilitäts-Optionen, so wird die Überzie-
  ren, in denen die zugewiesene Emissions-                  hung mit dem Faktor 1,08 multipliziert und
  menge unterschritten wird, Mitgliedstaa-                  den anzurechnenden Treibhausgasemissio-
                                                            nen des folgenden Jahres zugeschlagen

 VO (siehe Fn. 16) umfasst sind, d.h. insbesondere Ver-      werden, in den Jahren 2026 bis 2029 nur noch eine
 kehr, Gebäude, Anlagen unter 20 MW, Abfallwirtschaft.       Menge von bis zu 5 %.
 15                                                          19
    Für diesen Bereich ist die LULUCF-Verordnung (land         Diese Möglichkeit wird insbesondere für Deutschland
 use, land-use change and forestry) einschlägig: Verord-     häufig diskutiert. Berechnungen zu den möglicher-
 nung (EU) 2018/841 des Europäischen Parlaments und          weise anfallenden Kosten hat u.a. Agora Energiewende
 des Rates vom 30. Mai 2018 über die Einbeziehung der        angefertigt, vgl. Agora Energiewende/Agora Verkehrs-
 Emissionen und des Abbaus von Treibhausgasen aus            wende, Die Kosten von unterlassenem Klimaschutz für
 Landnutzung, Landnutzungsänderungen und Forst-              den Bundeshaushalt. Die Klimaschutzverpflichtungen
 wirtschaft in den Rahmen für die Klima- und Energiepo-      Deutschlands bei Verkehr, Gebäuden und Landwirt-
 litik bis 2030 und zur Änderung der Verordnung (EU) Nr.     schaft nach der EU-Effort-Sharing-Entscheidung und
 525/2013 und des Beschlusses Nr. 529/2013/EU, ABl. EU       der EU-Climate-Action-Verordnung, September 2018.
 Nr. L 156 v. 19.6.2018, S. 1.                               20
                                                               Die Einnahmen können die Mitgliedstaaten für Klima-
 16
      Siehe Fn. 7.                                           schutzmaßnahmen verwenden; eine Pflicht besteht in-
 17
   Allerdings sind dem Banking Grenzen gesetzt: Für das      soweit nicht, Art. 5 Abs. 6 Lastenteilungs-VO.
                                                             21
 Jahr 2021 können unbegrenzt Zuweisungen übertragen            Hierzu gehört u.a. die Einbeziehung weiterer Sektoren
 werden; in den nachfolgenden Jahren maximal bis zu          in das ETS oder Gutschriften aufgrund zusätzlicher er-
 30% der jährlichen Zuweisungen, Art. 5 Abs. 3 lit a) und    griffener Emissionsreduzierungsmaßnahmen (Art. 24
 b) Lastenteilungs-VO.                                       und 24a ETS-RL).
 18
   Sogenanntes Borrowing. Im Zeitraum 2021 bis 2025
 kann eine Menge von bis zu 10 % der jährlichen Emissi-
 onszuweisung für das folgende Jahr vorweggenommen
6 Wirtschaft und Europa

(Art. 9 Abs. 1 lit a) Lastenteilungs-VO). Die               vorgesehen. Dabei ist auch hierfür ein Cap
Regelung führt dazu, dass noch größere                      and Trade System vorgesehen, so dass es
Emissionsminderungen nötig werden. Ob                       eine festgelegte Menge an jährlich auszu-
die Abgabe der Emissionsrechte im Euro-                     gebenden Zertifikaten gibt sowie einen li-
päischen Register der Erfüllung der Ver-                    nearen Reduktionsfaktor von -5,15 (ab 2026)
pflichtung aus der Lastenverteilungs-VO                     bzw. -5,43 Prozent (ab 2028) pro Jahr. Ab
tatsächlich entspricht und diese Maß-                       dem 1. Januar 2027 müssen die regulierten
nahme ergriffen wird, wird im Abstand von                   Einheiten die entsprechende Zahl an Zerti-
fünf Jahren überprüft: Im Jahr 2027 für den                 fikaten dann abgeben.
Zeitraum 2021 bis 2025 sowie im Jahr 2032
                                                            Dabei unterfallen diese durch den ETS II er-
für den Zeitraum 2026 bis 2030 (Art. 9 Abs. 1
                                                            fassten Bereiche auch weiterhin der Las-
Lastenteilungs-VO).
                                                            tenteilungs-Verordnung, durch die insge-
Die jährlichen Emissionszuweisungen sind                    samt nunmehr eine Reduktion um 40 Pro-
nicht näher auf einzelne Sektoren im Be-                    zent im Vergleich zu 2005 erfolgen soll 24.
reich der Lastenteilungs-VO aufgeteilt. Da-                 Die Bereiche Gebäude und Verkehr ma-
her obliegt es grundsätzlich jedem Mit-                     chen dabei etwa die Hälfte der Emissionen
gliedstaat, festzulegen, wie, das heißt. mit                im Anwendungsbereich der Lastentei-
welchen Maßnahmen, und in welchen Be-                       lungs-Verordnung aus 25. Auch die Auftei-
reichen die Einsparungen erzielt werden                     lung auf nationale Ziele bleibt bestehen, für
sollen. Dabei sind vereinzelt verbindliche                  Deutschland sieht der Vorschlag eine Re-
Ziele aus sektoralen Regelungen zu berück-                  duktion um 50 Prozent im Vergleich zu
sichtigen, wie z.B. die Vorgabe aus der Er-                 2005 vor. Auch sollen den Mitgliedstaaten
neuerbare-Energien-Richtlinie 22, einen An-                 ab den Jahren 2023 neue jährliche Emissi-
teil erneuerbarer Energien von mindestens                   onsmengen vorgegeben werden.
14 Prozent am Endenergieverbrauch des
                                                            Das heißt zusammengefasst, dass die Mit-
Verkehrssektors bis 2030 zu erreichen
                                                            gliedstaaten über die Lastenteilungs-VO
(Art. 25 Abs. 1 EE-RL).
                                                            weiterhin ihre (nunmehr verschärften) nati-
                                                            onalen Minderungsziele zu erfüllen haben;
b) Künftige Lastenteilung samt ETS II
                                                            für die Bereiche Gebäude und Verkehr will
Auch künftig bleibt es bei dieser Architek-                 ihnen die Kommission aber das Instrument
tur der Lastenteilung. Allerdings soll es                   eines EU-weiten Zertifikatehandels an die
neue Ziele geben und ein neues Instru-                      Hand geben. Da der Handel aber nicht nati-
ment, nämlich einen eigenen Emissions-                      onal, sondern EU-weit erfolgt, kann es sein,
handel für den Gebäude- und Verkehrssek-                    dass die nationalen Minderungsziele der
tor. Dazu im Einzelnen:                                     Lastenteilungs-Verordnung in den Mit-
                                                            gliedstaaten allein durch den neuen ETS II
Der neue Emissionshandel für die Bereiche
                                                            gegebenenfalls nicht erreicht werden. Ent-
Verkehr und Gebäude (ETS II) soll als neues
                                                            sprechend müssten die betroffenen Mit-
Instrument parallel zum bisherigen Emissi-
                                                            gliedstaaten dann zu ergänzenden (etwa
onshandel für Energiewirtschaft und In-
                                                            steuerlichen, ordnungsrechtlichen oder för-
dustrie (ETS I) eingeführt werden 23. Hier-                 dernden) Maßnahmen greifen, die allein in
durch sollen die Emissionen um 43 Prozent                   ihrer Verantwortung liegen.
im Vergleich zu 2005 gesenkt werden. Ab
dem Jahr 2025 sind die Inverkehrbringer
von Kraft- und Heizstoffen verpflichtet, eine               Änderungen bei den EU-Zielen auf einen
Treibhausgasemissionserlaubnis zu haben                     Blick
und ihre Emissionen für 2024 und 2025 zu
                                                            THG-Reduktions-Ziele
berichten. Ab 2026 werden die Zertifikate
versteigert, eine freie Zuteilung ist nicht                                     Bisher              Künftig

 22
     Richtlinie (EU) 2018/2001 des EP und des Rates v.       amending Regulation (EU) 2018/842 on binding annual
 11.12.2018 zur Förderung der Nutzung von Energie aus        greenhouse gas emission reductions by Member
 erneuerbaren Quellen (Neufassung), ABl. EU Nr. L 328 v.     States from 2021 to 2030 contributing to climate action
 21.12.2018, S. 81.                                          to meet commitments under the Paris Agreement..
 23                                                          25
      Anhang III Proposal ETS).                                   Vgl. COM(2021) 555 final, S. 8.
 24
   COM(2021) 555 final vom 14.7.2021, Proposal for a Reg-
 ulation of the European Parliament and of the Council
7

                                                           sieht der Vorschlag noch mehrere, teilweise
Insgesamt      40 % ggb. 1990       55 % ggb. 1990
                                                           nur indikative, Ziele für verschiedene Ein-
ETS I          43 % ggb. 2005       61 % ggb. 2005         zelsektoren vor. Das oben bereits erwähnte
ETS II                              43 % ggb. 2005         Ziel von mindestens 14 Prozent am End-
Lasten-        EU: 30 % ggb.        EU: 40 % ggb.          energieverbrauch des Verkehrssektors soll
teilungs -     2005 (29 % EU        2005                   nun beispielsweise geändert werden in das
VO             27)                  DE: 50 % ggb.          Ziel, die Reduktion der THG-Intensität im
               DE: 38 % ggb.        2005                   Verkehrssektor um mindestens 13 Prozent
               2005
                                                           bis 2030 zu erreichen 29.
                                                           Für die Energieeffizienz war bisher ein EU-
                                                           weites Effizienz-Ziel von 32,5 Prozent fest-
                                                           gelegt. Dieses Ziel sollte im Vergleich zu
3. Erneuerbare Energien und                                Prognosen aus dem Jahr 2007 erreicht wer-
Energieeffizienz                                           den, die einen Primärenergieverbrauch im
                                                           Jahr 2030 von 1 887 Mio. t Rohöläquivalent
Bereits im bisherigen – und derzeit noch                   (RÖE) und einen Energieendverbrauch von
gültigen – energie- und klimapolitischen                   1 416 Mio. t RÖE für das Jahr 2030 berech-
Rahmen gab es neben den THG-Redukti-                       neten. Eine Reduzierung von 32,5 Prozent
ons-Zielen für ETS und Lastenteilungs-VO                   ergibt jeweils 1 273 Mio. t RÖE und 956
verschiedene sektorale Ziele, Vorgaben und                 Mio. t RÖE in 2030. Die Mitgliedstaaten soll-
Regelungen. Im Rahmen des Fit for 55-Pa-                   ten hierfür jeweils nationale Beiträge er-
kets wurde nun erstmalig in einer umfang-                  bringen, die allerdings nur indikativ waren.
reichen Folgenabschätzung eine Gesamt-                     Nach den Vorschlägen der Kommission sol-
betrachtung der Wechselwirkungen der                       len die Mitgliedstaaten nunmehr gemein-
verschiedenen Rechtsakte vorgenommen 26.                   sam und verbindlich sicherstellen, dass der
Dabei hat sich die Kommission aus ver-                     Energieverbrauch bis 2030 gegenüber dem
schiedenen Gründen dafür entschieden 27,                   Referenzszenario von 2020 um mindestens
auch weiterhin auf einen Policy-Mix zu set-                9 Prozent gesenkt wird. Dies entspricht ei-
zen. Dementsprechend hat die Kommission                    nem maximalen Primärenergieverbrauch
in weiteren Legislativvorschlägen vorgese-                 von 1023 Mio. t Rohöläquivalent und einem
hen, verschiedene Regelungen hinsichtlich                  Endenergieverbrauch von 787 Mio. t RÖE
ihrer Zielstellung zu erhöhen oder die Vor-                bis 2030. Hierfür muss jeder Mitgliedstaat
gaben zu verschärfen. Im Bereich der Ener-                 einen nationalen Beitrag für die Zielerrei-
giewirtschaft sind hier vor allem die Erneu-               chung angeben.
erbare-Energien-Richtlinie und die Energie-
effizienz-Richtlinie 28 von großer Bedeutung.              Änderungen bei den weiteren EU-Zielen
Im Bereich des Ausbaus von erneuerbaren
                                                           auf einen Blick
Energien sah die Richtlinie bisher vor, dass
                                                           Effizienz- und Erneuerbaren-Ziele
bis 2030 EU-weit erneuerbare Energien ei-
nen Anteil von 32 Prozent am Bruttoener-                                   Bisher                Künftig
gieverbrauch ausmachen. Dieses Ziel soll                   Energieeffi- EU : 32,5 % ggb.         EU: 9 % ggb.
nach der Vorstellung der Kommission nun                    zienz-RL     2007                     2020
auf 40 Prozent erhöht werden. Daneben

 26
   Der sogenannte Climate Target Plan. Vgl. COM(2020)       für 55“: auf dem Weg zur Klimaneutralität – Umsetzung
 562 final vom 17.9.2020, Mitteilung der Kommission an      des EU-Klimaziels für 2030, S. 2 ff.
 das Europäische Parlament, den Rat, den Europäi-           28
                                                              Richtlinie 2012/27/EU des Europäischen Parlaments
 schen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Aus-        und des Rates vom 25. Oktober 2012 zur Energieeffizi-
 schuss der Regionen -Mehr Ehrgeiz für das Klimaziel        enz, zur Änderung der Richtlinien 2009/125/EG und
 Europas bis 2030 - In eine klimaneutrale Zukunft zum       2010/30/EU und zur Aufhebung der Richtlinien
 Wohl der Menschen investieren sowie die Folgenab-          2004/8/EG und 2006/32/EG, ABl. EU Nr. L 315 v.
 schätzung hierzu: SWD(2020) 176 final vom 17.9.2020,       14.11.2012, S. 1, zuletzt geändert durch Richtlinie (EU)
 Commission Staff Working Document - Impact Assess-         2019/944 des Europäischen Parlaments und des Rates
 ment (nur auf Englisch verfügbar).                         vom 5. Juni 2019, ABl. EU Nr. L 158 v. 14.6.2019, S. 125.
 27
   Siehe im Einzelnen COM(2021) 550 final vom 14.7.2021,    29
                                                             Die weiteren Ziele sind im Steckbrief zur EE-RL im
 Mitteilung der Kommission an das Europäische Parla-        Anhang dargestellt.
 ment, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und So-
 zialausschuss und den Ausschuss der Regionen – „Fit
8 Wirtschaft und Europa

                                                          Diese Regelung hielt das BVerfG für verfas-
Erneuer-       EU : 32 % bis        EU: 40 % bis
bare-Ener-     2030                 2030                  sungswidrig. Erforderlich sei vielmehr fol-
gien-RL                                                   gendes:

                                                          „Grundlegend […] für eine vorausschauende
II. Klimaziele Deutschlands                               Schonung künftiger Freiheit ist allerdings,
                                                          dass der Gesetzgeber einer möglichst früh-
Auch in Deutschland kam es 2021 zu einer                  zeitigen Einleitung der erforderlichen Ent-
Änderung des Rechtsrahmens für die Treib-                 wicklungs- und Umsetzungsprozesse auch
hausgas-Reduktionsvorgaben. Das ein-                      für die Zeit nach 2030 Orientierung bietet
schlägige Bundes-Klimaschutzgesetz                        und diesen damit zugleich ein hinreichen-
(KSG) 30 wurde Ende Juni 2021 novelliert.                 des Maß an Entwicklungsdruck und Pla-
Auslöser für die Überarbeitung war ein Be-                nungssicherheit vermittelt“34.
schluss des Bundesverfassungsgerichts
(BVerfG), in dem dieses das KSG insoweit                  Die Novellierung führte zu einigen Erweite-
für mit dem Grundgesetz unvereinbar er-                   rungen in der Zielarchitektur des Geset-
klärt hatte, als die Regelungen im ur-                    zes 35:
sprünglichen KSG zur „Fortschreibung der
Minderungsziele für Zeiträume ab dem                      Neu eingeführt wurde das Fernziel, Netto-
Jahr 2031“ nicht den verfassungsrechtlichen               Treibhausgasneutralität 36 bis zum Jahr 2045
Anforderungen genügten 31.                                zu erreichen (§ 3 Abs. 2 S. 1 KSG). Nach 2050
                                                          sollen negative Treibhausgasemissionen er-
Das KSG hatte bis dahin lediglich als Ziel                reicht werden (§ 3 Abs. 2 S. 2 KSG).
vorgesehen, eine Reduktion der Treibhaus-
gasemissionen bis 2030 um 55 Prozent zu                   Das Ziel für 2030 wurde erhöht, so dass
erreichen (§ 3 Abs. 1 S. 2 KSG a.F.) 32. Dieses           nunmehr eine Treibhausgasreduktion um
Ziel wurde, wie bereits im Klimaschutzplan                mindestens 65 Prozent im Vergleich zum
2050, für sechs Sektoren 33 in verbindliche               Jahr 1990 erreicht werden soll (§ 3 Abs. 1 Nr.
Jahresemissionsmengen für den Zeitraum                    2 KSG). Das Ziel dient auch der Erreichung
2020 bis 2030 aufgeteilt (§ 4 Abs. 1 i.V.m.               der verschiedenen Vorgaben der Europäi-
Anlage 1 und Anlage 2 KSG a.F.). Im Jahr                  schen Union (§ 1 S. 1 KSG).
2025 sollte die Bundesregierung dann per                  Die Aufteilung des Ziels auf die sechs Sek-
Rechtsverordnung „für weitere Zeiträume                   toren wurde beibehalten. Die jeweils zuläs-
nach dem Jahr 2030 jährlich absinkende                    sigen Jahresemissionsmengen für den Zeit-
Emissionsmengen durch Rechtsverord-                       raum 2020 bis 2030 wurden ab dem Jahr
nung“ festlegen (§ 4 Abs. 6 S. 1 KSG a.F.).

 30
   Bundes-Klimaschutzgesetz vom 12. Dezember 2019          und seit dem 31.08.2021 gelten. Bezüglich der Ände-
 (BGBl. I S. 2513).                                        rungen im Detail siehe auch Müller/Fietze/Scheuing,
 31
  BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 24. März         Rechtliche Stellungnahme zur Anhörung des Aus-
 2021, 1 BvR 2656/18, 1 BvR 78/20, 1 BvR 96/20,1 BvR       schusses für Umwelt, Naturschutz und nukleare Si-
 288/20.                                                   cherheit des deutschen Bundestages am 21. Juni 2021
 32
                                                           zum Entwurf eines Ersten Gesetzes zur Änderung des
   Dieses Ziel entstammte dabei bereits dem Energie-       Bundes-Klimaschutzgesetzes (Drs. 19/30230), abrufbar
 konzept 2010 und dem Klimaschutzplan 2050, vgl.           unter https://www.bundestag.de/ausschuesse/a16_um-
 Deutscher Bundestag, Drucksache 19/14337, S. 27 zu § 3    welt/oeffentliche_anhoerungen#url=L2F1c3NjaH-
 Absatz 1.                                                 Vlc3NlL2ExNl91bXdlbHQvb2VmZmVudGxpY2hlX2FuaG
 33
    Der Klimaschutzplan 2050 entspricht der deutschen      9lcn-
 Langfriststrategie nach dem Übereinkommen von Pa-         VuZ2VuLzg0Mzk1Mi04NDM5NTI=&mod=mod544426..
 ris und nach Artikel 15 der Europäischen Governance-      36
                                                             Netto-Treibhausgasneutralität ist gemäß § 2 Nr. 9
 Verordnung, § 2 Nr. 7 KSG. Abrufbar unter:                KSG „das Gleichgewicht zwischen den anthropogenen
 https://www.bmu.de/themen/klima-energie/klima-            Emissionen von Treibhausgasen aus Quellen und dem
 schutz/nationale-klimapolitik/klimaschutzplan-2050/       Abbau solcher Gase durch Senken“, wobei der Präfix
 34
   BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 24. März        „Netto“ keine eigenständige Bedeutung hat und daher
 2021, 1 BvR 2656/18, 1 BvR 78/20, 1 BvR 96/20,1 BvR       ohne Änderung in der Sache entfallen könnte. Diese
 288/20, Rn. 249.                                          Definition war auch bereits in der Ursprungsfassung
 35
   Die angegebenen Paragraphen beziehen sich schon         des KSG enthalten, ohne dass der Begriff ansonsten
 auf die Neuregelungen des KSG, die durch Gesetz vom       verwendet wurde.
 18.08.2021, BGBl. I S. 3905 (Nr. 59) umgesetzt wurden
9

2023 angepasst (vgl. § 4 Abs. 1 iVm. Anlage 2             und diese zur Einhaltung und gegebenen-
KSG).                                                     falls zur Ergreifung der erforderlichen Maß-
                                                          nahmen verpflichten (§ 4 Abs. 4 KSG).
Die Sektoren entsprechen nicht der Diffe-
renzierung zwischen ETS und Lastentei-                    Bei Abweichungen von den zulässigen jähr-
lungs-Verordnung auf europäischer Ebene,                  lichen Emissionsmengen müssen Sofort-
sondern umfassen Bereiche aus beiden Re-                  programme aufgelegt werden (§ 4 Abs. 4
gelungssystemen. Die den Sektoren vor der                 iVm. §§ 8 und 9 KSG). Die Bundesregierung
Novelle zugewiesenen Jahresemissions-                     muss darüber schnellstmöglich beraten
mengen entsprachen den damals gelten-                     und beschließen. Sie kann aber auch die
den Vorgaben der europäischen Lastentei-                  zulässigen Jahresemissionsmengen mit
lungs-VO 37.                                              Wirkung zum nächsten Kalenderjahr än-
                                                          dern (d.h. auch verringern oder zwischen
Daneben wurde durch die Novellierung ein
                                                          Sektoren verschieben), insofern das die Las-
weiteres Zwischenziel eingeführt: Bis zum
                                                          tenteilungs-VO zulässt (§ 4 Abs. 5 KSG).
Jahr 2040 gilt eine Minderungsquote von
mindestens 88 Prozent. Zusätzlich wurde                   Der Gesetzgeber selbst wird hierdurch
eine neue Anlage 3 eingeführt. Diese ent-                 nicht gebunden; er kann das KSG ohnehin
hält jährliche Minderungsziele für die Jahre              innerhalb der EU-Vorgaben ändern. Die EU
2031 bis 2040. Spätestens im Jahr 2032 hat                ist also die letztlich maßgebliche Ebene.
die Bundesregierung einen Gesetzge-                       Entscheidend ist, dass das Gesamtziel und
bungsvorschlag zur Festlegung der jährli-                 die jährlichen Emissionszuweisungen, die
chen Minderungsziele für die Jahre 2041 bis               durch die Lastenteilungs-VO (s.o.) vorgege-
2045 vorzulegen (§ 4 Abs. 1 S. 7 KSG).                    ben werden, erreicht werden.
Auch aus diesen Minderungszielen sollen
zukünftig Jahresemissionsmengen für die
einzelnen Sektoren abgeleitet werden. Die                 III. Anpassungsmechanismen und
Aufteilung erfolgt im Jahr 2024 für die                   Progressionsgebot
Jahre 2031 bis 2040 und im Jahr 2034 für
die Jahre 2041 bis 2045 38 durch Rechtsver-
                                                          Deutschland hat sein übergreifendes Treib-
ordnung der Bundesregierung mit Zustim-
                                                          hausgasreduktionsziel für 2030 bereits er-
mung des Deutschen Bundestages (§ 4
                                                          höht und die Jahresemissionsmengen, die
Abs. 1 S. 8 i. V. m. Abs. 6 S. 1-5 KSG). Die Jah-
                                                          insbesondere der Umsetzung der Lasten-
resemissionsmengen müssen dabei grund-
                                                          teilungs-VO dienen, hieran angepasst. Um
sätzlich gleichmäßig absinken sowie mit
                                                          auch weiterhin sicherzustellen, dass die
der Erreichung der nationalen Klimaschutz-
                                                          Jahresemissionsmengen etwaigen neuen,
ziele, den jährlichen Minderungszielen und
                                                          europäischen Vorgaben entsprechen, sieht
den unionsrechtlichen Anforderungen im
                                                          § 4 Abs. 1 S. 5 KSG vor, dass die Bundesre-
Einklang stehen. Zusätzlich ist sicherzustel-
                                                          gierung die festgelegten zulässigen Jahres-
len, dass in jedem Sektor deutliche Redu-
                                                          emissionsmengen im Lichte möglicher Än-
zierungen der Treibhausgase erreicht wer-
                                                          derungen der Lastenteilungs-VO und der
den. Vor der Änderung oder Festlegung
                                                          Emissionshandelsrichtlinie überprüft und,
von Jahresemissionsmengen nach dem
                                                          soweit dies erforderlich erscheint, spätes-
KSG ist der Expertenrat für Klimafragen zu
                                                          tens sechs Monate nach deren Inkrafttre-
hören (§ 12 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 KSG).                       ten einen Gesetzgebungsvorschlag zur An-
Unverändert bleiben die Mechanismen, die                  passung der Jahresemissionsmengen vor-
die Zielerreichung betreffen. Die im KSG                  legt.
festgelegten Sektorenziele sind regierungs-
                                                          Allein aufgrund des Europäischen Klimage-
intern verbindlich, da sie sich an die jeweils
                                                          setzes ist es nicht erforderlich, das Ziel für
zuständigen Bundesministerien richten
                                                          2030 anzupassen, da es sich hierbei um ein

 37
  Deutscher Bundestag, Drucksache 19/14337, S. 41 f. zu    innerhalb der Europäischen Union] auf die Zuweisung
 Anlage 2.                                                 von zulässigen Jahresemissionsmengen für einzelne
 38
   Die Aufteilung in Jahresemissionsmengen wird ggf.       Sektoren verzichtet werden kann“, um ggf. einen „ent-
 aber auch entfallen: Nach § 4 Abs. 7 S. 2 und 3 KSG       sprechenden Gesetzgebungsvorschlag“ vorzulegen.
 muss die Bundesregierung im Jahr 2028 untersuchen,
 „ob in der Zeit ab dem Jahr 2031 im Lichte dieser Ent-
 wicklungen [Anm.: Entwicklung der CO2-Bepreisung
10 Wirtschaft und Europa

EU-weites Ziel handelt. Es ist somit wegen
europäischer Prozesse nicht damit zu rech-
nen, dass das übergreifende deutsche Ziel
für 2030 von 65 Prozent erneut angepasst
werden muss. Eine freiwillige Neufestle-
gung durch den Gesetzgeber aufgrund po-
litischer Erwägungen ist daneben aber na-
türlich stets möglich. Dabei ist zu beachten,
dass einmal verankerte Klimaschutzziele
zwar erhöht, aber nicht wieder abgesenkt
werden können (sog. Progressionsgebot
des § 3 Abs. 4 S. 2 KSG).
11

C. Green Deal
Nach Klärung der Zielsetzung(en) widmet         Sonnendiagramm lediglich der Zusam-
sich das nun folgende Kapitel der Ausbuch-      menfassung dient, soll die Bewertungs-
stabierung des „Green Deal“ im Einzelnen.       matrix kurz vorgestellt werden.
Der erste „fertige“ Baustein, das Europäi-
                                                Dafür wurden insgesamt drei thematische
sche Klimagesetz, und vier weitere exemp-
                                                Gruppen geschaffen, die in jeweils fünf Kri-
larische Legislativvorschläge aus dem Pa-
                                                terien die Ausrichtung und Ausgestaltung
ket „Fit for 55“ der Kommission werden
                                                der Rechtsakte analysieren:
dazu im Anhang analysiert und in grafisch
gehaltenen Übersichten dargestellt. Des         ▶ Gruppe 1: „Treibhausgasminderung“, die
Weiteren werden die sonstigen Vorschläge          die CO 2-Vermeidung, die Verbindlichkeit,
der Kommission vorgestellt und kurz einge-        die Langfristigkeit/Nachhaltigkeit, den
ordnet sowie der derzeit ebenfalls laufende       Umsetzungsaufwand und die Anschluss-
Reformprozess der Beihilfeleitlinien für den      fähigkeit/Kohärenz bewertet,
Klima-, Umweltschutz- und Energiebereich
                                                ▶ Gruppe 2: „Erhalt der sozialen Marktwirt-
und die Verschränkung der Gesetzgebung
                                                  schaft“, die die Wettbewerbsfähigkeit, die
mit der sog. Taxonomie skizziert.
                                                  soziale Ausgewogenheit, das Entstehen
                                                  eines Marktes für grüne Produkte, die kli-
                                                  mafreundliche Investitionslenkung sowie
I. Exemplarische Rechtsakte des                   die Stärkung des Binnenmarktes bewer-
„Green Deal“                                      tet, sowie
                                                ▶ Gruppe 3: „Internationale Strahlkraft und
Gesetze werden immer in (meist langen             Hebelwirkung“, die die globale Wirkung,
und teils schwer lesbaren) Fließtexten ab-        die Wirkungsspanne, die Vorbildwirkung,
gebildet. Daher haben sich die Beteiligten        die Kompatibilität mit Freihandelsprinzi-
des Querschnittmoduls „Wirtschaft und Eu-         pien und entwicklungspolitische Ziele
ropa“ der dena-Leitstudie in diesem Kapitel       adressiert.
für eine Darstellungsform entschieden, die
                                                Alle fünfzehn Merkmale werden mit dem
fünf exemplarische Rechtsakte nicht als
                                                Inhalt ihrer Bewertungsthese in jedem Mat-
neuerlichen Fließtext, sondern in einer
                                                rixdurchlauf als Benchmark aufgeführt, so-
Form aufbereitet und darstellt, die trotz al-
                                                dass ein Abgleich mit der gleich daneben
ler Detailtiefe eine gute Übersichtlichkeit
                                                liegenden Begründungsspalte wechseln-
und schnelle Erfassbarkeit gewährleisten
                                                den Inhalts direkt möglich ist. Darunter fin-
soll. Für das Europäische Klimagesetz, die
                                                det sich eine Skala mit fünf Stufen von
Emissionshandelsrichtlinie, den sog. CBAM,
                                                „trifft nicht zu“ bis „trifft zu“, auf der die ei-
die Energiesteuerrichtlinie sowie die Erneu-
                                                gentliche Bewertung verortet wird.
erbare-Energien-Richtlinie finden sich des-
halb jeweils folgende Grafiken im Anhang:       Wichtig für das inhaltliche Verständnis die-
                                                ser Bewertung ist, dass es sich dabei nicht
▶ Ein Steckbrief, der den jeweiligen Rechts-
                                                um Schulnoten oder ähnliche normative
  akt gesetzgebungstechnisch und inhalt-
                                                Aussagen im engeren Sinne handelt, son-
  lich kurz beschreibt,
                                                dern um eine leicht lesbare und plausibili-
▶ eine Bewertungsmatrix, in der in drei         sierte Verortung von Zielrichtung und Um-
  thematischen Gruppen jeweils fünf Krite-      setzung der jeweiligen Rechtsakte. Natür-
  rien geprüft, begründet und bewertet          lich haben diese jeweils unterschiedliche
  werden sowie                                  Ausrichtungen, auf die die Kriterien jeweils
                                                stärker oder schwächer zugeschnitten sind.
▶ ein (im Uhrzeigersinn) zu lesendes Son-
                                                Dennoch können aus der Summe der Be-
  nendiagramm, das die Bewertung aus
                                                wertungen Beobachtungen und Empfeh-
  dem Durchlauf der Matrix jeweils auf ei-
                                                lungen abgeleitet werden, die dann ent-
  nen Blick zusammenfasst.
                                                sprechend auch Eingang in das Fazit ge-
Während die Kategorien des Steckbriefes         funden haben.
weitgehend selbsterklärend sind und das
12 Wirtschaft und Europa

II. Sonstige Elemente des „Green                           werden (Art. 5 Abs. 1). Dies soll unter ande-
                                                           rem über eine verpflichtende jährliche Re-
Deal“                                                      novierungsquote der Gesamtfläche öffentli-
                                                           cher Gebäude von mindestens 3 Prozent
Neben den im Anhang in den Grafiken ana-                   erreicht werden (Art. 6 Abs. 1). Der Gel-
lysierten Rechtsakten enthält das Paket „Fit               tungsbereich der Renovierungsverpflich-
for 55“ weitere Vorschläge, insbesondere                   tung wird erweitert und gilt für alle öffentli-
aus dem Bereich Energieeffizienz und für                   chen Einrichtungen und alle Verwaltungs-
den Verkehrssektor. Diese werden im Fol-                   ebenen in allen öffentlichen Tätigkeitsbe-
genden ebenfalls vorgestellt. Des Weiteren                 reichen (einschließlich Gesundheitswesen,
wird eingegangen auf die in ihren prakti-                  Bildung und öffentlicher Wohnungsbau).
schen Auswirkungen kaum zu überschät-                      Die Alternativen, die es den Mitgliedstaaten
zende Reform der für Klimaschutzmaßnah-                    ermöglichten, ähnliche Energieeinsparun-
men einschlägigen Beihilfeleitlinien sowie                 gen durch andere Maßnahmen als Renovie-
auf die Taxonomie-Verordnung und ihre                      rungen zu erreichen, sollen gestrichen wer-
Verschränkung mit den Gesetzgebungsvor-                    den.
schlägen der Kommission.
                                                           Die Bestimmungen für die öffentliche Auf-
                                                           tragsvergabe sollen gestärkt werden, in-
                                                           dem die Verpflichtung zur Berücksichti-
1. Vorschläge für die Stärkung der
                                                           gung der Energieeffizienzanforderungen
Energieeffizienz
                                                           auf alle Ebenen der öffentlichen Verwal-
                                                           tung ausgedehnt und Konditionalitäten in
Mit dem Reformvorschlag zur Energieeffi-
                                                           Bezug auf die Kosteneffizienz sowie die
zienzrichtlinie 39 wird ein neues verbindli-
                                                           technische und wirtschaftliche Durchführ-
ches 2030-Ziel auf EU-Ebene eingeführt: Bis
                                                           barkeit gestrichen werden (Art. 7). Die Mit-
2030 soll der Energieverbrauch im Ver-
                                                           gliedstaaten können von öffentlichen Stel-
gleich zu 2020 um mindestens 9 Prozent
                                                           len verlangen, dass sie bei der Vergabe öf-
gesenkt werden 40 (Art. 4 Abs. 1). Die natio-
                                                           fentlicher Aufträge gegebenenfalls Aspekte
nalen Beiträge sind indikativ. Jeder Mit-
                                                           der Kreislaufwirtschaft und Kriterien für
gliedstaat muss seinen nationalen Beitrag
                                                           eine umweltfreundliche öffentliche Be-
für die Zielerreichung sowie einen indikati-
                                                           schaffung berücksichtigen (Art. 7 Abs. 5).
ven Zielpfad festlegen. Bei Feststellung un-
                                                           Öffentliche Auftraggeber können verlan-
zureichender Fortschritte bei der Erfüllung
                                                           gen, dass in den Angeboten das auf den Le-
der nationalen Beiträge greifen nun neue
                                                           benszyklus bezogene Treibhauspotenzial
Mechanismen, nach denen die Mitglied-
                                                           neuer Gebäude angegeben wird, insbeson-
staaten zusätzliche Maßnahmen ergreifen
                                                           dere bei neuen Gebäuden mit einer Fläche
müssen, bspw. die Erhöhung der Energie-
                                                           von über 2.000 Quadratmetern.
einsparverpflichtung oder die Anpassung
der Verpflichtungen für den öffentlichen                   Für verschiedene Energiedienstleister,
Sektor (Art. 4 Abs. 3).                                    Energieauditoren, Energiemanager und In-
                                                           stallateure werden neue und unterschiedli-
In dem Vorschlag sind auch neue Ansätze
                                                           che Qualifikations-, Akkreditierungs- und
zur Operationalisierung des Efficiency first-
                                                           Zertifizierungssysteme festgelegt (Art. 11).
Grundsatzes enthalten (Art. 3). Mitglied-
staaten müssen sicherstellen, dass Effi-                   Die Mitgliedstaaten sind verpflichtet, diese
zienzlösungen bei wirtschaftlichen und po-                 Systeme ab Dezember 2024 alle vier Jahre
litischen Maßnahmen sowohl im Energie-                     zu aktualisieren (Art. 26 Abs. 4).
als auch im Nicht-Energiebereich berück-                   Die Überarbeitung der Richtlinie über die
sichtigt werden.                                           Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden
Im öffentlichen Sektor soll der Energiever-
brauch um 1,7 Prozent pro Jahr gesenkt

 39
    COM(2021) 558 final, Proposal for a Directive of the    Endenergieverbrauch. Maximaler Primärenergiever-
 European Parliament and of the Council On Energy Ef-       brauch von 1023 Mio. t RÖE (bisher: 1 128 Mio. t RÖE);
 ficiency (Re-Cast).                                        Maximaler Endenergieverbrauch von 787 Mio. t RÖE
 40
    Bisher wurde auf 2007 referenziert. Das Ziel ent-       (bisher: 846 Mio. t RÖE ).
 spricht den im Klimazielplan enthaltenen Energieeffi-
 zienzzielen von 39% bzw. 36% für den Primär- bzw. den
13

(EPBD) 41 soll im vierten Quartal 2021 erfol-              und enthält verbindliche Ziele für be-
gen.                                                       stimmte nachhaltige Flugkraftstoffe
                                                           (Sustainable Aviation Fuels (SAF)). Die Flug-
                                                           gesellschaften werden verpflichtet, bei Ab-
2. Vorschläge für den Verkehrssektor                       flügen von EU-Flughäfen SAF-beigemisch-
                                                           ten Flugkraftstoff zu tanken (Art. 5).
Neben der Bepreisung von Kraftstoffen                      ReFuelEU Aviation verpflichtet auch die
über den neuen ETS II setzt die Kommis-                    Treibstofflieferanten, von 2030 bis 2050
sion auch auf andere, teils ordnungsrechtli-               mehr SAF in Flugzeugtreibstoff zu verwen-
che Vorgaben für den Verkehrssektor.                       den (Art. 4). Biokraftstoffe auf Pflanzenba-
                                                           sis, Wasserstoff und Elektrizität sind in dem
Eine Änderung der VO (EU) 2019/631 42 zur
                                                           Verordnungsvorschlag nicht enthalten.
Festsetzung von CO 2-Emissionsnormen be-
trifft neue Pkw und neue leichte Nutzfahr-                 Im Bereich des Seeverkehrs soll der neue
zeuge. Hier wird eine Verschärfung der EU-                 Verordnungsvorschlag über die Verwen-
weiten Flottenziele ab 2030 vorgeschlagen.                 dung von erneuerbaren und kohlenstoffar-
Die Flotte der neu zugelassenen Pkw muss                   men Kraftstoffen im Seeverkehr (ReFuelEU
ihre Emissionen bis 2030 statt um bislang                  Maritime) 45 die Einführung nachhaltiger
37,5 Prozent nun um 55 Prozent und bis                     Schiffskraftstoffe und emissionsfreier
2035 um 100 Prozent gegenüber 2021 43 re-                  Schiffsantriebstechnologien fördern. Hier-
duzieren. Für neue leichte Nutzfahrzeuge                   für wird eine Obergrenze für den Treib-
(Kleintransporter) soll das Flottenredukti-                hausgasgehalt der von Schiffen verwende-
onsziel für 2030 von -31 Prozent auf 50 Pro-               ten Energie festgelegt (Art. 4, 5). Der An-
zent erhöht werden. Ab 2035 sollen die EU-                 wendungsbereich erstreckt sich grundsätz-
weiten Flottenziele für beide Fahrzeugklas-                lich auf alle Schiffe mit einer Bruttoraum-
sen 100 Prozent betragen (Art. 1). Ab 2030                 zahl von mehr als 5000, die europäische
soll dann der regulatorische Anreizmecha-                  Häfen anlaufen (Art. 2).
nismus für emissionsfreie und emissions-
                                                           Weiterhin soll eine neue Verordnung 46 ver-
arme Fahrzeuge (Zero and Low Emission
                                                           bindliche nationale Ziele für den Aufbau ei-
Vehicles (ZLEV)) sowie die Ausnahmerege-
                                                           ner ausreichenden Infrastruktur für alterna-
lung für Kleinserienhersteller entfallen (An-
                                                           tive Kraftstoffe für Straßenfahrzeuge,
hang I, Teil A).
                                                           Schiffe und stationäre Flugzeuge festlegen.
Im Luftverkehr soll der neue Verordnungs-                  Im Bereich E-Mobilität sollen für Pkw und
vorschlag zur Sicherstellung gleicher Wett-                leichte Nutzfahrzeuge bis 2025 alle 60 Kilo-
bewerbsbedingungen für nachhaltigen                        meter mindestens 300 kW Leistung durch
Luftverkehr (ReFuelEU Aviation) 44 den                     Schnellladepunkte, bis 2030 600 kW Leis-
Übergang von fossilen Kraftstoffen zu                      tung auf dem Kernnetz des transeuropäi-
nachhaltigen Kraftstoffen im Luftverkehr                   schen Verkehrsnetzes (Trans-European net-
unterstützen. Der Vorschlag konzentriert                   work for transport (TEN-T) 47) installiert wer-
sich auf einen kurzfristigen Markthochlauf                 den. Auf dem TEN-T Gesamtnetz gelten die

 41                                                         44
   Richtlinie 2010/31/EU des Europäischen Parlaments          COM(2021) 561 final, Proposal for a Regulation of the
 und des Rates vom 19. Mai 2010 über die Gesamtener-        European Parliament and of the Council on ensuring a
 gieeffizienz von Gebäuden (Neufassung), ABl. L 153 vom     level playing field for sustainable air transport.
 18.6.2010, S. 13.                                          45
                                                              COM(2021) 562 final, Proposal for a Regulation of the
 42
   COM(2021) 556 final, Proposal for a Regulation of the    European Parliament and of the Council on the use of
 European Parliament and of the Council amending            renewable and low-carbon fuels in maritime transport
 Regulation (EU) 2019/631 as regards strengthening the      and amending Directive 2009/16/EC.
 CO2 emission performance standards for new passen-         46
                                                              COM(2021) 559 final, Proposal for a Regulation of the
 ger cars and new light commercial vehicles in line with    European Parliament and of the Council on the deploy-
 the Union’s increased climate ambition.                    ment of alternative fuels infrastructure, and repealing
 43
   Hintergrund des neuen Referenzzeitpunktes ist die        Directive 2014/94/EU of the European Parliament and
 Änderung der Messverfahren: Der spezifische CO2-           of the Council.
 Wert wird im Rahmen der Typgenehmigung auf dem             47
                                                               Begriffsbestimmung gemäß Art. 9 und 38 der Ver-
 Rollenprüfstand noch bis zum Jahr 2021 gegenüber           ordnung (EU) Nr. 1315/2013 des Europäischen Parla-
 dem Zielwert im Neuen Europäischen Fahrzyklus              ments und des Rates vom 11. Dezember 2013 über Leit-
 (NEFZ) geprüft. Ab dem Jahr 2022 basiert der Wert auf      linien der Union für den Aufbau eines transeuropäi-
 dem weltweit harmonisierten Prüfverfahren WLTP.            schen Verkehrsnetzes und zur Aufhebung des Be-
                                                            schlusses Nr. 661/2010/EU, zuletzt geändert durch Dele-
                                                            gierte Verordnung (EU) 2019/254 der Kommission vom
Sie können auch lesen