Wirtschaftsstandort Graz 2013+ - Entwicklungs- und Handlungsfelder für den Wirtschaftsstandort Graz - WKO
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Wirtschaftskammer Steiermark Institut für Wirtschafts- und Standortentwicklung (IWS) Steirische Regionalpolitische Studien Nr. 08/2012 Wirtschaftsstandort Graz 2013+ Entwicklungs- und Handlungsfelder für den Wirtschaftsstandort Graz Mag. Ewald Verhounig Mag. Robert Steinegger STUDIE
Wirtschaftsstandort Graz 2013+ Inhaltsverzeichnis Vorwort ................................................................................................................ 3 1. Einleitung ........................................................................................................ 6 2. Wirtschaftsraum Stadt aus ökonomischer Perspektive ................................................ 7 2.1. Standortvorteile von Agglomerationen ............................................................. 7 2.2. Standortnachteile von Agglomerationen ........................................................... 8 2.3. Über die Ökonomie der Stadt ........................................................................9 2.4. Die Zukunft der Stadt ................................................................................ 11 3. Standort Graz: Grundsätze der Stadtplanung und .................................................... 12 Entwicklung - Das Stadtentwicklungskonzept Graz 2020 .................................................. 12 4. Zukunftstrends für Graz ..................................................................................... 14 4.1. Regionale und überregionale Trends .............................................................. 14 4.2. Internationale und globale Trends ................................................................ 15 5. Wirtschaftsstandort Graz: Status Quo-Analyse ......................................................... 17 5.1. Bevölkerungsentwicklung und Demographie ..................................................... 17 5.2. Migration ............................................................................................... 19 5.3. Entwicklung der Wertschöpfung und Wirtschaftsstruktur ..................................... 20 5.4. Wirtschafts- und Betriebsdynamik ................................................................. 24 5.5. Beschäftigung und Arbeitslosigkeit ................................................................ 26 5.6. Wirtschaftskraft und Einkommen .................................................................. 29 5.7. Bildung, Forschung und Entwicklung .............................................................. 31 5.8. Tourismus .............................................................................................. 32 5.9. Öffentliche Finanzen ................................................................................. 34 5.10. Behördenverfahren .................................................................................. 34 5.11. Grundstücks- und Mietpreise ....................................................................... 35 5.12. Betriebs- und Gewerbeflächen .................................................................... 36 5.13. Infrastruktur: Pendlerbewegungen ............................................................... 38 5.14. Energieversorgung (Stromtarife, Gas, Fernwärme etc.) ...................................... 39 6. Die österreichischen Landeshauptstädte im Vergleich -Ausgewählte Kennzahlen ............ 40 6.1. Demografie, Altersstruktur ......................................................................... 40 6.2. Einkommen - Jahresnettobezüge .................................................................. 41 6.3. Gemeindeabgaben plus Ertragsanteile pro Kopf per 31.12.2010 –Steuerkraftkopfquote 41 6.4. Schulden pro Kopf im BL-Vergleich - Landeshauptstädte ohne Wien ....................... 42 6.5. Arbeitsmarkt .......................................................................................... 43 Institut für Wirtschafts- und Standortentwicklung (IWS) 1|60
Wirtschaftsstandort Graz 2013+ 6.6. Bildungsbereich ....................................................................................... 45 6.7. Grundstücks- und Mietpreise ....................................................................... 46 7. SWOT-Analyse Graz .......................................................................................... 49 7.1. Stärken ................................................................................................. 49 7.2. Chancen ................................................................................................ 49 7.3. Schwächen ............................................................................................. 50 7.4. Risiken .................................................................................................. 50 8. Wirtschaftspolitische Grundsätze einer modernen Stadt(wirtschafts)politik ................... 51 9. Handlungsableitungen bzw. Vorschläge für den Standort Graz .................................... 53 10. Resümee ........................................................................................................ 56 Literatur- und Quellenverzeichnis .............................................................................. 58 Abbildungs- und Tabellenverzeichnis .......................................................................... 59 Institut für Wirtschafts- und Standortentwicklung (IWS) 2|60
Wirtschaftsstandort Graz 2013+ Vorwort Sehr geehrte Damen und Herren, geschätzte Leserinnen und Leser! Graz ist nicht nur das Verwaltungszentrum der Steiermark und die zweitgrößte Stadt Öster- reichs, sondern auch das wirtschaftliche und kulturelle Herz der Steiermark, das weit über die Stadtgrenzen hinaus schlägt und dessen Impulse von enormer Bedeutung für die Ent- wicklung des gesamten Bundeslandes sind. Das ist auch der Hauptgrund dafür, warum sich die WKO Steiermark entschlossen hat, einen genaueren Blick auf den Wirtschaftsstandort Graz zu werfen und eine Art „Standortbestimmung― vorzunehmen. Graz trägt entscheidend zur Wettbewerbsfähigkeit der gesamten Steiermark und den stei- rischen Unternehmen bei. Stadtpolitik ist Entwicklungs- und Standortpolitik. Das IWS (Institut für Wirtschafts- und Standortentwicklung) der Wirtschaftskammer Steier- mark hat es sich zum Ziel gesetzt, mittels der hier vorliegenden Studie die momentane Situation der steirischen Landeshauptstadt sowie zukünftige Entwicklungen zu beleuchten und mögliche Lösungsansätze aufzuzeigen. Mit der Grazer Gemeinderatswahl 2012 wurden die Weichen für die kommenden Jahre ge- stellt. Wir möchten mit dieser Studie daher erstens einen Beitrag dazu leisten, dass die aus Sicht der Wirtschaft notwendigen Handlungsempfehlungen an die Stadtpolitik nachhaltig weiterverfolgt werden und zweitens die erforderlichen Rahmenbedingungen für die Grazer Unternehmerinnen und Unternehmer außer Frage gestellt werden. Nur so kann der wach- sende Wirtschafts- und Lebensraum Graz weiterhin florieren. Eine starke steirische Wirtschaft braucht eine starke und vor allem wirtschaftsorientierte Landeshauptstadt – wir laden die Stadtregierung zum Dialog und zur gemeinsamen Entwick- lung ein! Ing. Josef Herk Mag. Thomas Spann Präsident Direktor Institut für Wirtschafts- und Standortentwicklung (IWS) 3|60
Wirtschaftsstandort Graz 2013+ Executive Summary Der Standort Graz präsentiert sich gegenwärtig als Wirtschafts- und Verwaltungszentrum von überregionaler Bedeutung. Die steirische Landeshauptstadt zeichnete in den letzten Jahren, trotz der Wirtschaftskrise, eine hohe Wachstumsdynamik aus, die sowohl das Be- völkerungswachstum, als auch die Unternehmens- und Beschäftigtenentwicklung umfasste. Zudem verfügt Graz über einen breiten Branchenmix: Neben einem dynamischen und ständig wachsenden Dienstleistungsbereich hat Graz nach wie vor eine relativ bedeutende industrielle-gewerbliche Basis vorzuweisen, wenngleich diese in den letzten Jahrzehnten aufgrund des strukturellen Wandels etwas unter Druck geraten ist. Als besonderes — auch im nationalen und internationalen Kontext hervorzuhebendes — Asset gilt der starke Fokus auf Forschung, Entwicklung und Bildung: Die Fülle an Schulen, Fachhochschulen, Universitäten und sonstigen Ausbildungsstätten gemeinsam mit den Kompetenz- und Forschungszentren verleiht Graz im Vergleich zu vielen anderen Landes- hauptstädten Österreichs einen deutlichen Vorsprung, wenn nicht sogar ein Alleinstel- lungsmerkmal. Dazu kommen mit einer (im Steiermarkvergleich) hohen Kaufkraft sowie einer vorzeigbaren Lebensqualität noch weitere, positive Faktoren hinzu. Aufbauend auf dem breiten Stärkenfeldportfolio der Stadt Graz ergeben sich für den Standort Graz eine Vielzahl von Chancen und Zukunftspotentialen, die es, auf Basis einer klugen und vorausschauenden Wirtschaftspolitik, entsprechend zu nutzen gilt. Als Hauptan- satzpunkt in diesem Zusammenhang fungiert neben der F+E- und Wissensbasis der Stadt Graz die Aufrechterhaltung der guten Lebens- und Standortqualität, die als Anziehungs- punkt in vielerlei Hinsicht — nicht nur für Arbeitssuchende, sondern besonders auch für junge Leute (Schüler, StudentInnen) und MigrantInnen, welche das Arbeitskräftepotential der Zukunft sind — fungieren kann. Obwohl es standorttechnisch im übertragenen Sinne „viel Licht gibt― gibt es auch „Schat- tenseiten―, derer man sich wirtschaftspolitisch sehr wohl annehmen sollte. Hervorzuheben sind in diesem Zusammenhang etwa die Länge der Verwaltungsverfahren, die viele Unter- nehmerinnen und Unternehmer scharf bekritteln. Ein weiterer Punkt ist die ungelöste Ver- kehrs- und Feinstaubproblematik, gerade in einer im internationalen Vergleich eher „klei- nen― Stadt wie Graz müsste dieses Problem wohl intelligenter als bisher zu lösen sein. Die Infragestellung wichtiger Infrastrukturprojekte (wie etwa das Murkraftwerk) und die zunehmende Gefahr, dass Graz von einer weltoffenen Handelsstadt mit mediterranem Flair zu einer „Stadt der Verbote― wird — Umweltzone, Sperrstundenthematik, Parkstrafen, Radfahrverbote etc. — strapazieren jedoch das Image der Stadt. Dies gilt umso mehr, wenn Kultur, Design und Kreativität das Credo sind. Das Fehlen entsprechender gewerblicher Reserveflächen und die Gefährdung bestehender Betriebsstandorte durch heranrückende Wohnbauten sowie die generell fehlende Wirt- schaftsnähe sind weitere, für die Wirtschaft heikle, Punkte. Institut für Wirtschafts- und Standortentwicklung (IWS) 4|60
Wirtschaftsstandort Graz 2013+ Summa summarum verfügt der Standort Graz jedoch über genügend Kapazitäten, um sei- ner Funktion als überregionaler Wachstums- und vor allem Innovationsmotor nachzukom- men, dessen Wirkung in der gesamten Steiermark und darüber hinaus auch weiterhin spür- bar sein sollte. Auf dem Weg zu einer modernen, internationalen Stadt gilt es im Wesentlichen „nur― die richtigen wirtschafts- und gesellschaftspolitischen Weichen zu stellen. Die Handlungsfel- der, die der Stadt Graz zu einem Gutteil selbst offen stehen, erstrecken sich von einem besseren Standortmarketing bis hin zum regionalen Arbeitsmarkt oder der Wirt- schaftsförderung. Die Verbesserung der Infrastruktur (insbesondere auch in Bezug auf die Erreichbarkeit) sind neben einer aktiven Unterstützung des strukturellen Wandels (gemeinsam mit einer Neu- ausrichtung der öffentlichen Verwaltung) weitere wichtige Punkte, um Graz fit für die Zu- kunft zu machen. Die Nähe zu, nach wie vor potentiellen, Zukunftsmärkten im südost- europäischen Raum kann als zusätzliche Chance angesehen werden. Abb. 1: Hauptplatz von Graz mit Blick auf den Schloßberg ©GRAZTOURISMUS Institut für Wirtschafts- und Standortentwicklung (IWS) 5|60
Wirtschaftsstandort Graz 2013+ 1. Einleitung „Im Jahr 2009 lebten zum ersten Mal in der Geschichte mehr Menschen in der Stadt als auf dem Land. Mit dem Megatrend Urbanisierung erleben Städte eine Renaissance als Lebens- und Kul- turform — und ihren endgültigen globalen Siegeszug. Was in der alten Industriegesellschaft zum Moloch geworden war, wandelt sich jetzt zu einem Marktplatz der Ideen. Der Aufstieg der Wissensgesellschaft führt zu einer weiteren Verdichtung von urbanen Gebieten und gibt ihnen, entlang von Sozio-Techniken und neuen technologischen Möglichkeiten, eine neue Bedeutung. Städte werden mehr als jemals zuvor die kulturellen, ökonomischen und kreativen Zentren der Welt sein.― (Matthias Horx, Zukunftsforscher) Die Stadt Graz als Herzstück des Ballungsraumes Graz ist aus wirtschaftlicher Sicht für die Steiermark seit jeher von immenser Bedeutung. Um als Wirtschaftsstandort sowohl regional als auch überregional erfolgreich zu sein, muss auch eine Landeshauptstadt wie Graz da- nach trachten, sich den rasch ändernden Ansprüchen anzupassen bzw. manche Entwicklun- gen und Trends zu antizipieren bzw. den gewerblichen Unternehmen der Stadt jene Rah- menbedingungen zu bieten, die ein guter Nährboden für die Entfaltung unternehmerischer Aktivitäten, die zu Innovationen, Wachstum, Arbeitsplätzen und letztlich Wohlstand füh- ren. In diesem Zusammenhang gilt festzuhalten, dass Graz als Wirtschaftsstandort nicht als eingegrenztes Stadtgebiet, sondern vielmehr als Großraum gesehen werden muss. Denn die Entwicklung in den Umgebungsbezirken, wenn nicht der gesamten Steiermark, hat maßgeb- lichen Einfluss auf die Entwicklung der Landeshauptstadt Graz. Umgekehrt hat aber auch die Entwicklung innerhalb der Stadtgrenzen einen beträchtlichen Einfluss auf die restliche Steiermark. Im Rahmen dieser Standortanalyse des Instituts für Wirtschafts- und Standort- entwicklung wird die Stadt Graz einem Standortcheck unterzogen, der sowohl Orientie- rungspunkt, als auch Richtschnur für die zukünftige Standort- und Unternehmenspolitik einer modernen „kleinen Großstadt― sein sollte. Im Detail gliedert sich die vorliegende Standortstudie wie folgt auf: In Kapitel zwei wird zunächst der „Wirtschaftsraum Stadt― auf Basis wirtschaftswissenschaftlicher Theorien, die sich unter dem Titel Stadtökonomik subsumieren lassen, analysiert und dargestellt. Kapitel drei beschäftigt sich mit den Grundsätzen der Stadtplanung und dabei speziell mit dem Stadtentwicklungskonzept Graz 2020, das als Leitlinie für die Entwicklungskorridore der steirischen Landeshauptstadt dient. Kapitel vier zeigt die wichtigsten Trends auf, mit denen Städte wie Graz heute konfron- tiert sind, und welche in Zukunft einen noch stärkeren Einfluss auf die Gestaltung der Stadtpolitik haben werden. Die statistische Status quo - Analyse in Kapitel fünf beinhaltet eine Menge demographischer und ökonomischer Kennzahlen zum Wirtschaftsstandort Graz. Kapitel sechs ergänzt diese Analyse im Rahmen eines ausgewählten Kennzahlenvergleichs mit anderen Landeshauptstädten und Wien. Die aus dem Datenmaterial gewonnen Fakten und Erkenntnisse sowie gewonnen Eindrücke aus Sicht der Wirtschaft werden dann in Kapitel sieben in Form einer Stärken-Schwächen- Chancen-Risiken-Analyse (kurz SWOT-Analyse) verdichtet. Abschließend werden allgemeine Grundsätze einer modernen Stadtwirtschaftspolitik (Kapi- tel acht) und konkrete Handlungsempfehlungen (Kapitel neun) dargestellt. Institut für Wirtschafts- und Standortentwicklung (IWS) 6|60
Wirtschaftsstandort Graz 2013+ 2. Wirtschaftsraum Stadt aus ökonomischer Perspektive 2.1. Standortvorteile von Agglomerationen „So great are the advantages which people following the same skilled trade get from near neighbourhood to one another. The mysteries of the trade become no mystery; but as it were, in the air, and children learn many of them unconsciously. Good work is rightly ap- preciated, inventions and improvements in machinery, in processes and the general organi- zation of the business have their merits promptly discussed: if one man starts a new idea, it is taken up by others and combined with suggestions of their own; and thus it becomes the source of further ideas.― (Marshall, [1890] 1925, S. 271) In der wissenschaftlichen Literatur werden große Städte gerne als „Agglomerationen― be- zeichnet, die sich im Wesentlichen als „Zusammenballung ökonomischer Aktivitäten― um- schreiben bzw. definieren lassen.1 Alte Philosophen sowie klassische und frühe neoklassi- sche Ökonomen befassten sich seit jeher mit der Erklärung der Existenz und der ökonomi- schen Vorteile großer Städte. Namen wie Plato, Richard Cantillon, Johann Heinrich von Thünen oder Alfred Marshall, um nur ein paar zu nennen, sind darunter zu finden. „Wo Tauben sind, fliegen Tauben zu―, dieses Phänomen haben insbesondere die klassi- schen Ökonomen auch theoretisch beleuchtet, positive (externe) Effekte der Arbeitsteilung in einer Firma auf andere Firmen und Sektoren bzw. die Vorteile von Spezialisierung und Arbeitsteilung an sich finden sich etwa bei William Petty, Adam Smith, A. Marshall, A. A. Young oder Nicholas Kaldor.2 Was sind nun konkret die ökonomischen Vorteile einer großen Stadt im wirtschaftlichen Alltag? Im Wesentlichen sind verringerte Transport- und Transaktionskosten als zentraler Treiber in der Gestaltung des urbanen Raumes ausschlaggebend sowie klarerweise das Vor- handensein eines großen Absatz- und Arbeitsmarktes. Drei wesentliche Vorteile, die nicht nur Unternehmen, sondern auch Haushalten offen ste- hen, lassen sich wie folgt überblicksmäßig zusammenfassen: 1. Großer Absatz- und Beschaffungsmarkt Städte sind naturgemäß ob ihrer hohen Einwohnerzahl als Absatzmarkt von immenser Bedeutung und damit naturgemäß für Gewerbe, Handel, Industrie oder Tourismus gleichermaßen von Bedeutung und Interesse und erfüllen gleichzeitig auch als Beschaf- fungsmarkt eine wichtige Funktion. (vgl. etwa Krugman 1991) 1 Das Schweizer Bundesamt für Statistik definiert Agglomerationen wie folgt: Diese sind demnach zusammen- hängende Gebiete mehrerer Gemeinden mit insgesamt mindestens 20.000 Einwohnern. Jede Agglomeration besitzt zudem eine Kernzone, die aus der Kernstadt und gegebenenfalls weiteren Gemeinden besteht, die jede mindestens 2.000 Arbeitsplätze und mindestens 85 Arbeitsplätze (in der Gemeinde arbeitende Personen) auf 100 wohnhafte Erwerbstätige aufweist. Diese Gemeinden müssen ferner entweder mindestens 1/6 ihrer Er- werbstätigen in die Kernstadt entsenden, mit dieser baulich verbunden sein oder an sie angrenzen. 2 vgl. dazu etwa Steinegger 2010 Institut für Wirtschafts- und Standortentwicklung (IWS) 7|60
Wirtschaftsstandort Graz 2013+ 2. Externe Skalenerträge und Konzentrationsvorteile – Marshallianische externe Skalenerträge Städte und Agglomerationen schaffen auf quasi natürlichem Wege Bedingungen für die Generierung zusätzlicher Unternehmenserträge nicht nur durch sinkenden Transport- kosten aufgrund der Nähe des potentiellen Absatzmarktes und Zuliefermarktes, son- dern weiters durch die Verfügbarkeit spezialisierter Arbeitskräfte aufgrund eines gro- ßen gemeinsamen Arbeitsmarktes oder durch die implizite Verbreitung von Ideen und Wissen auf geographisch engem Raum. Auch die lokale Infrastruktur ist in Städten in der Regel noch besser ausgebildet als in der Peripherie bzw. ländlichen Gebieten und Regionen. (vgl. Marshall [1890] 1925, S. 266 – 277) 3. Politische Funktion großer Städte Große Städte, vor allem Hauptstädte fungieren in der Regel als Verwaltungszentralen und damit auch als Firmensitz, ob als Headquarter oder zumindest als Leading Compe- tence Unit — kurz LCU — von strategischem Interesse. Sie üben damit implizit eine starke Anziehungskraft aus, da im wirtschaftlichen Alltag auch die Nähe zu politischen Verantwortungsträgern sowie zur öffentlichen Verwaltung von Bedeutung sind. (vgl. Martin, 1999, S. 80) 2.2. Standortnachteile von Agglomerationen „Heutzutage besteht absolut kein Anlass, eine Fabrik in einer großen Stadt oder in der Nä- he eines Arbeitsmarktes zu errichten, wohl aber gibt es zahlreiche zwingende Gründe, da- von Abstand zu nehmen.― (Henry Ford, 1926, S. 175) 3 Ökonomisch betrachtet generieren Agglomerationen nicht nur Vorteile, sondern können auch Nachteile für die Wirtschaft und Lebenswelt mit sich bringen. Zu nennen sind hier etwa mögliche Verkehrsüberlastungen und deren Folgen (Staus etc.) oder die Umweltver- schmutzung. Weitere negative Effekte können eine höhere Kriminalitätsrate, teurere Grundstückspreise und Mieten aufgrund der relativen Knappheit des Faktors Raum (vgl. von Thünen, [1875] 1966, S. 123 bzw. Reichelt, 2008, S. 74), oder das Fehlen von Reserveflä- chen für Betriebsansiedlungen oder Betriebserweiterungen sein. Auf einige dieser Faktoren hat einer der Mitbegründer der Standorttheorie, Johann Heinrich von Thünen bereits im 19. Jahrhundert hingewiesen: „Der Preis aller Lebensbedürfnisse, und namentlich der des Brennholzes ist in der großen Stadt viel höher. Auch kommt Miete für die Wohnungen viel höher zu stehen als in den kleinen Städten und zwar aus dem zwiefachen Grunde: 1) weil die Erbauungskosten der Ge- bäude, zu welchen das Material mit größeren Kosten aus der Ferne herbeigeschafft werden muss, hier sehr groß sind, und 2) weil der Bauplatz selbst, der in kleinen Städten für wenig Thaler zu haben ist, hier enorm hoch bezahlt wird. Da nun sowohl Lebensmittel als Feue- rung und Wohnung in der großen Stadt sehr viel teurer sind, so muss auch der Arbeitslohn 3 Hinsichtlich dieses Postulats des amerikanischen Automobilpioniers muss fairerweise die Ergänzung gemacht werden, dass er damit nicht nur auf die Nachteile von Agglomerationen aufmerksam machen wollte, sondern vielmehr auf Basis seiner Parole „Zurück zur Dorfindustrie― seinem Erzeugnis ein zusätzliches Verkaufsargument lieferte: „Um die Unkosten der Großstadt zu vermeiden, um das richtige Gleichgewicht zwischen Industrie und Landwirtschaft zu finden, um die Kaufkraft der Löhne, die wir zahlen, unter weitere Schichten zu verteilen, begannen wir zu dezentralisieren.― (Ford, 1926, S. 180) Institut für Wirtschafts- und Standortentwicklung (IWS) 8|60
Wirtschaftsstandort Graz 2013+ in Geld ausgesprochen – den in den kleinen Städten um sehr viel übersteigen, was zur Erhö- hung der Fabrikationskosten bedeutend beiträgt.― (von Thünen, [1875] 1966, S. 123) Empirisch untersucht wurden in der jüngeren Vergangenheit allerdings in erster Linie die Vorteile von Agglomerationen. Ein objektiver Maßstab bzw. eine Schwelle, ab wann die Nachteile die Vorteile überwiegen, konnte bisher nicht gefunden werden. Klar ist, dass die Vor- und Nachteile von Agglomerationen die Unternehmen und Haushalte in unterschiedlicher Ausprägung und Intensität beeinflussen. Im Hinblick auf die wirt- schaftspolitische Ausrichtung der Stadt Graz sind sie aber jedenfalls zu berücksichtigen. 2.3. Über die Ökonomie der Stadt „The city is dead. It vanished somewhere during the twentieth century.― (John Friedmann, 2002, xi) John Friedmann‗s Eingangszitat bringt etwas überspitzt zum Ausdruck, dass Städte im Lau- fe des zwanzigsten Jahrhunderts in funktional-wirtschaftlicher Hinsicht an Bedeutung ver- loren haben. Davor waren Städte, man nehme nur jene Mitteleuropas als Beispiel, über Dekaden, ja Jahrhunderte hinweg, Kulminationspunkt gesellschaftlicher und vor allem wirtschaftlicher Dynamik. Städte waren auch der Nährboden für die moderne Arbeitstei- lung und in weiterer Folge die Massenproduktion wie wir sie heute kennen. Ökonomie fand in erster Linie in der Stadt statt, wie schon Adam Smith bemerkte: „As it is the power of exchanging that gives occasion to the division of labour, so the ex- tent of this division must always be limited by the extent of that power, in other words, by the extent of the market. […] There are some sorts of industry, even of the lowest kind, which can be carried nowhere but in a great town.― (Smith, [1776] 2009, S. 23) Die ökonomische Grundfunktion einer Stadt als Transport- und Transaktionskosten senken- der Waren- und Handelsumschlagplatz wurde auch schon sehr früh volkswirtschaftlich er- kannt: „A market town being placed in the centre of the villages whose people come to market, it is more natural and easy that the villagers should bring their products thither for sale on market days and buy the articles they need, than that the merchants and factors should transport them to the villages in exchange for their products.― (Cantillon, 1931, S. 11) Die ökonomische Bedeutung einer Stadt geht freilich über diese Grundfunktion hinaus. In der stadtökonomischen Forschung wird sehr oft auf den Gegensatz zwischen der „Ökono- mie in der Stadt― und der „Ökonomie der Stadt“ verwiesen. Letzteres lässt sich als Wir- kungsgefüge „nicht-marktmäßig vermittelter Interdependenzen― interpretieren und fügt dem Wesen der Stadt eine zusätzliche wichtige Komponente hinzu (siehe auch Läpple, 2006): Städte basieren einerseits auf diesem Wirkungsgefüge und schaffen gleichzeitig eine Art eines eigenen Wirkungsgefüges, auf Grundlage dessen zwei wesentliche Eigenschaften der Ökonomie der Stadt hervortreten, die gerne vernachlässigt werden: Erstens eine Art von spezifischer Produktivität der Stadt bzw. die „Gratisproduktiv- kraft― des städtischen Wirkungsgefüges. Institut für Wirtschafts- und Standortentwicklung (IWS) 9|60
Wirtschaftsstandort Graz 2013+ Zweitens eine Art von Reflexivität der städtischen Ökonomie durch die Einbettung in den spezifischen institutionellen und kulturellen Kontext der Stadtgesellschaft, dessen Ausfluss unweigerlich ein Milieu ist, mitsamt einer Reihe von wirtschaftli- chen Implikationen und Wirkungszusammenhängen. Diese zwei Faktoren beeinflussen die wirtschaftliche Performance und Leistung von Städ- ten. Seit geraumer Zeit wird in diesem Zusammenhang vor allem das Vorhandensein und die Wirkungsweise eines kreativen und innovativen Milieus auf Städte und Regionen unter- sucht: Untersuchungsgegenstand der Forschung sind dabei die Innovationsleistung bzw. die Entstehung neuer Wirtschaftsbereiche wie etwa der Kreativwirtschaft. Kreative Milieus basieren gemäß Bathelt und Glückler (2012) auf folgenden Merkmalen: 1. lokalisiertes Produktionssystem: Dieser Begriff beschreibt, dass sich kreative Milieus aus einer räumlichen Anhäufung von Unternehmen, Zulieferern, Kunden und Dienstleistern zusammensetzen. Diese Akteure sind auf vielfältige Weise miteinander verflochten. Dabei sind sie verbun- den durch Güter-, Arbeitsmarkt-, Technologie- und Informationsverflechtungen. Es handelt sich hierbei also um die lokalisierte Form einer Wertschöpfungskette mit Transaktionskostenvorteilen (entstehen durch räumliche Nähe). 2. sozio-institutionelle Einbettung: Unternehmensübergreifende Netzwerke in kreativen Milieus bestehen nicht nur aus den in Punkt 1 erwähnten Verflechtungen, sondern sind auch auf andere Weise mit- einander verbunden. Sie sind eingebettet (Embeddedness) in formelle und informel- le Institutionen. Der Begriff Institution bezeichnet hierbei das Vorhandensein von formellen und informellen Regelwerken und Normen. Formelle Institutionen sind beispielsweise Ausbildungszentren und Forschungseinrichtungen. Informelle dage- gen beschreiben Dinge wie Vertrauen, Gewohnheiten und eine gemeinsame, lokal vorhandene, Kultur. 3. Innovations- und Lernprozesse Mit der Zeit entsteht in lokalisierten Produktionssystemen eine gemeinsame Wis- sensbasis. Diese ergibt sich aus den zahlreichen formellen und informellen Kommu- nikations- und Informationsflüssen innerhalb der entsprechenden Region (z.B. durch persönliche Treffen). Da dieses kollektive Wissen größtenteils nur lokal vorhanden ist, entstehen daraus Wettbewerbsvorteile. Darüber hinaus wird in der ökonomischen Theorie, vornehmlich im Bereich der Stadtöko- nomik, auch die Veränderung städtischer Strukturen im wirtschaftlichen Kontext über län- gere Zeiträume hin untersucht. Auf Basis eines Phasenmodells lassen dabei drei städtische Entwicklungsphasen unterscheiden (Urbanisierung, Suburbanisierung, De-Urbanisierung), mitsamt den damit einhergehenden Herausforderungen für die städtische Wirtschaftspoli- tik.4 4 Vgl. Mayer und Tödlting 2001, S. 167 ff. Institut für Wirtschafts- und Standortentwicklung (IWS) 10|60
Wirtschaftsstandort Graz 2013+ 2.4. Die Zukunft der Stadt „I think, a city becomes to be, because none of us is self-sufficient, but we all need many things.― (Plato, zitiert in Cooper und Hutchinson 1997, S. 1008) Städte haben nicht nur die Massenproduktion begünstigt, sondern auch dazu beigetragen, dass „neue Wirtschaftsbereiche―, etwa die Kreativwirtschaft, Entfaltung und Nährboden fanden, wenngleich im Verlaufe des vorigen Jahrhunderts die Stadt als Standort für die Fabrikation industriell-gewerblicher Waren, nicht zuletzt ob gesteigerter umwelt- und sozialgesetzlicher Auflagen zunehmend unattraktiver wurde. Die Weiterentwicklung der modernen Massen- aber auch Individualtransportmittel hat zudem die Transportkosten signifikant fallen lassen, wodurch im industriell-gewerblichen Sektor die Nähe zu großen Absatzmärkten nicht mehr von vordergründiger Bedeutung war (vgl. Läpple, 2006). Durch die in den letzten Jahrzehnten sich bemerkbar machende Transformation unserer Wirtschaft in eine Wissensgesellschaft, die wiederum durch räumliche Nähe begünstigt wird, erleben die Städte in ihrer Funktionalität und Attraktivität aber eine Art von Renaissance und eröffnen neue wirtschaftliche Perspektiven. Zusammenfassend sind die wesentlichen Vor- und Nachteile von Agglomerationen hier nochmals dargestellt: Abb. 2: Vor- und Nachteile von Agglomerationen Quelle: eigene Darstellung Die Stadt und ihre Zukunft im internationalen Kontext: Lebten 1950 nur 28,8 Prozent der Weltbevölkerung in Städten, sind es gegenwärtig schon über 50 Prozent. Bis 2050 wird sich der Anteil nach Schätzungen des UN/DESA auf knapp 69 Prozent weiter erhöhen. In den hoch entwickelten Ländern leben bereits heute 75 % der Bevölkerung in Städten, dieser Anteil steigt bis 2050 auf knapp 90 % (!). Institut für Wirtschafts- und Standortentwicklung (IWS) 11|60
Wirtschaftsstandort Graz 2013+ 3. Standort Graz: Grundsätze der Stadtplanung und Entwicklung - Das Stadtentwicklungskonzept Graz 2020 „Der Stadt gehört die Zukunft, und die Zukunft wird in den Städten entschieden. Auf diese kur- ze Formel könnte man die Diskurse über die erstaunliche Wiederkehr der Stadt bringen. In den Städten verdichten sich die aktuellen gesellschaftlichen Veränderungen wie in einem Brenn- glas, hier stellen sich die zentralen sozialen, ökonomischen, ökologischen, kulturellen und bau- lich-räumlichen Herausforderungen und Probleme des 21. Jahrhunderts.― (Läpple et al., 2006, S. 11) Im abgelaufenen Jahr wurde in der Stadt Graz ein neues Stadtentwicklungskonzept aufge- setzt, das auch als Basis für die wirtschaftliche Entwicklung angesehen werden sollte und deshalb am Anfang dieser Standortanalyse einen prominenten Platz einnimmt. Dieses Stadtentwicklungskonzept beinhaltet viele interessante und wichtige Ansätze und könnte auch wirtschaftlich einige Impulse in den kommenden Jahren liefern. Ein wichtiger Be- standteil fehlt diesem Konzept allerdings, ein klares Bekenntnis zum Wirtschaftsstandort Graz und damit ein Bekenntnis zur Bedeutung der gewerblichen Wirtschaft in der Stadt. Das Stadtentwicklungskonzept ist in verschiedene Kernkapitel unterteilt, die von der Ver- kehrsinfrastruktur über den Bereich Wohnen und Lebensqualität bis hin zur Umwelt und sozialen Infrastruktur reichen und damit die gesamte Palette des sozialen und wirtschaftli- chen Lebens in Graz abdecken. Graz als regionale und überregionale Drehscheibe Einen der Kernbereiche des Stadtentwicklungskonzeptes bildet der Ansatz, Graz zu einer Drehscheibe im regionalen und überregionalen Bereich weiter zu entwickeln und zu einer Art regionalen Wirtschafts- und Entwicklungsmotor zu machen. Aus volkswirtschaftlicher Sicht ist dieser Ansatz sehr positiv zu sehen, da damit hohe wirtschaftliche Impulse verbunden sein könnten. Die operative Umsetzung dieses Ansatzes dürfte wegen der mitunter konterkarierenden Wirkung anderer Teilberei- che und Ansätze des Konzeptes jedoch durchaus herausfordernd werden. Umwelt, Natur Ein Grund warum dieser ambitionierte Drehscheibenansatz nicht zur Gänze erfüllt werden kann ist, dass etwa dem Bereich Natur und Umwelt in einem nächsten Schritt — ungeachtet der Tatsache, dass Graz ein urbaner Raum ist — im Verhältnis zu anderen Bereichen aus unserer Sicht zu viel Platz eingeräumt wird. Eine Vielzahl der hier vorgeschlagenen Maßnahmen berühren die gewerbliche Wirtschaft in der Stadt auf negative Art und Weise. Bevölkerung und Wohnen Dieser Umstand setzt sich im Bereich Bevölkerung und Wohnen nahtlos fort: Vor- schläge wie die automatische Umwidmung stillgelegter Gewerbe- und Industriege- biete in Wohngebiete oder die Priorisierung neuer Siedlungsschwerpunkte vor an- Institut für Wirtschafts- und Standortentwicklung (IWS) 12|60
Wirtschaftsstandort Graz 2013+ derweitiger Nutzung bringen substanzielle Probleme für die wirtschaftliche Ent- wicklung mit sich, womit die angepeilte Funktion der steirischen Landeshauptstadt als Entwicklungsmotor fraglich erscheint. Sozialwesen und soziale Infrastruktur Die Bereiche Integration und Beteiligung sowie soziale Infrastruktur beinhalten strittige Punkte, die für die gewerbliche Wirtschaft ebenfalls Probleme mit sich bringen dürften. Vor allem der Ansatz einer stärkeren BürgerInnenbeteiligung könn- te im Hinblick auf die Abwicklung von Verfahren und notwendigen Infrastrukturpro- jekten zu einem erhöhten Aufwand führen. Letztlich könnten damit viele positive Investitionsimpulse gehemmt werden. Wirtschaftsstandort Graz Das Wirtschaftskapitel, das für die gewerbliche Wirtschaft naturgemäß von beson- derem Interesse ist, basiert mehrheitlich auf guten Ansätzen, die allerdings in wei- ten Teilen zu wenig Tiefgang aufweisen und letztlich — wie bereits erwähnt — et- was im Widerspruch zu anderen Schwerpunkten des Konzeptes stehen. Zudem blei- ben aus Sicht der Wirtschaft wesentliche Bereiche, wie die Reformierung der öf- fentlichen Verwaltung und Effizienzsteigerung, unerwähnt. Infrastruktur und Verkehr In punkto technischer Infrastruktur drohen mit dem Ansatz einer Deckelung des Ver- siegelungsgrades in der Bebauungsplanung, der Re-Kommunalisierung der Abfall- wirtschaft und der Einführung von Umweltzonen grobe Belastungen auf die Wirt- schaft zuzukommen, die keinesfalls mit den Anforderungen an einen modernen Standort konform gehen. Im Verkehrsbereich werden im Wesentlichen die Ansätze der verkehrspolitischen Leitlinien für Graz und damit Grundsätze wie „Nachhaltigkeit―, die „Abkehr vom Individualverkehr― oder der Grundsatz der „sanften Mobilität― fortgeschrieben. Diese Schlagwörter lassen nach wie vor ein durchdachtes Gesamtkonzept vermissen. Wirtschafts- und standortpolitisches Fazit Aus wirtschafts- und standortpolitischer Sicht sollte ein Stadtentwicklungskonzept schon in den Grundsätzen neben der Lebensqualität und dem sozialen Gefüge auch eines beinhalten, nämlich ein klares Bekenntnis zum Industrie- und Wirtschafts- standort. Dieses Bekenntnis geht im Stadtentwicklungskonzept 2020 der Stadt Graz leider ab. Trotz einiger guter Detailansätze ist das Konzept in weiten Teilen unko- ordiniert und lässt wichtige Weichenstellungen für die Wirtschaft offen. Aufgrund einer fehlenden inhaltlichen Verzahnung der einzelnen Teilkapitel untereinander läuft es in wichtigen Kernbereichen den Anforderungen an einen modernen Wirt- schaftsstandort gar zuwider. Institut für Wirtschafts- und Standortentwicklung (IWS) 13|60
Wirtschaftsstandort Graz 2013+ 4. Zukunftstrends für Graz Die Entwicklung der Stadt Graz als Wirtschaftsstandort wird nicht nur von Entwicklungen auf Landes- und Bundesebene abhängen, sondern vielmehr noch von internationalen und globalen Trends beeinflusst werden. Im folgenden Abschnitt finden sich die, für die wirtschaftliche Entwicklung der Stadt Graz wichtigsten regionalen, überregionalen, internationalen bzw. globalen Trends.5 4.1. Regionale und überregionale Trends Jene Trends und Entwicklungen, die sich auf regionaler und überregionaler Ebene unmit- telbar auswirken, lassen sich unter demographischem sowie wirtschaftlichem bzw. techno- logischem Wandel subsumieren. Demographischer Wandel: Alterung und Migration Wachstum von Ballungsräumen Wirtschaftlicher und technologischer Wandel: Fachkräftemangel aufgrund des Missverhältnisses („Mismatch―) der eingeschlagenen Bildungs- und Ausbildungswege mit den erforderlichen Fachkräften Strukturwandel in der gewerblichen Wirtschaft Im regionalen und überregionalen Bereich verspricht der demographische Wandel überwie- gend positive Impulse für die wirtschaftliche Entwicklung der Stadt. Denn die Bevölke- rungszunahme und die Migration sollten sich vergleichsweise positiv auf den Wirtschafs- standort Graz auswirken (mehr Studenten, mehr Arbeitskräfte etc.). Das Wachstum des Ballungsraumes bringt zudem neue Ansprüche an die Infrastruktur und das Gesundheitswe- sen mit sich, die sowohl Chancen als auch Risiken in sich bergen. In Anbetracht des stei- genden Wohnraumbedarfs, nicht nur aufgrund des Bevölkerungswachstums sondern auf- grund sich ändernder Haushaltsgrößen, sind sowohl im Immobiliensektor als auch Bau- haupt- und Baunebengewerbe die Aussichten gut. Ungeachtet des Bevölkerungswachstums werden aber auch Städte bzw. Ballungsräume die Überalterung der Bevölkerung — und die damit verbundenen Auswirkungen auf die Sozialsysteme — in den kommenden Jahren wohl stärker zu spüren bekommen. Der Fachkräftemangel, gewissermaßen als einer der Nebeneffekte des rasanten Struktur- wandels, dürfte allerdings für die Grazer Unternehmen und die Bevölkerung immer mehr zu einem Problem werden. Denn bereits jetzt ist auf dem Grazer Arbeitsmarkt ein Ausei- nanderklaffen zwischen Arbeitsangebot und Arbeitsnachfrage zu beobachten, das vor allem auf ein „Mismatch― am Bildungs- und Ausbildungsmarkt zurückzuführen ist. Vor allem im Bereich der dualen Ausbildung wird es zusehends schwieriger, geeignete BewerberInnen für Lehrstellen zu finden. Zudem wird es für Personen ohne eine formale Berufsausbil- 5 Siehe hierzu auch: Wirtschaftsstandort Wien 2015, Joanneum Research 2011. Institut für Wirtschafts- und Standortentwicklung (IWS) 14|60
Wirtschaftsstandort Graz 2013+ dung/Abschluss zusehends härter, am Arbeitsmarkt Fuß zu fassen, weil die Qualifikations- anforderungen am Grazer Arbeitsmarkt immer weiter steigen. Letztlich stellt sich die Fra- ge, ob a) genügend Jobs für die Massen vorhanden sein werden, und b), ob die Qualität der Zuwanderer (egal ob Inländer, Studenten oder Ausländer) langfristig den Erfordernissen am Arbeitsmarkt entspricht. Damit kommen gerade auf den Ballungsraum Graz, im Zusammen- hang mit dem rasanten Bevölkerungswachstum, vermutlich auch neue soziale Herausforde- rungen zu. 4.2. Internationale und globale Trends Beim demographischen Wandel sind die international Trends ähnlich wie die regionalen bzw. überregionalen, während es beim wirtschaftlichen und technologischen Wandel dar- über hinaus auch noch weitere wirksame Entwicklungen, denen sich der Standort nicht verschließen kann, gibt. Demographischer Wandel: Urbanisierung Alterung Das Wachstum von Ballungsräumen ist nicht nur auf die Steiermark oder Österreich be- schränkt, sondern ein internationales bzw. sogar globales Phänomen (siehe S. 14 oben). Ebenso ist die Überalterung der Bevölkerung in weiten Teilen der westlichen Welt, aber auch in China, eine große Herausforderung. Wirtschaftlicher, technologischer und ökologischer Wandel: Powershift im Welthandel Globalisierung und Regionalisierung Technologische Konvergenz Klimawandel, Umweltprobleme und Energiewende Die neuesten technologischen Trends und Entwicklungen (beispielsweise im Energie- und Umwelttechnikbereich oder der Medizintechnik bzw. den Life-Sciences) könnten der Stadt Graz aufgrund ihrer starken Wissenskompetenz zugutekommen, denn hier existieren ein- deutige Stärkefelder. Der Powershift im Welthandel bedeutet, dass es neue Wachstumszentren auf dem globalen Level gibt, vornehmlich sind dies die BRIC-Staaten6. Das heißt, dass sich die heimischen Betriebe in punkto Exporte zu einem gewissen Grad werden neu orientieren müssen. Gleichzeitig öffnen sich für die Tourismuswirtschaft neue Märkte. Neben der weiter zunehmenden Globalisierung tritt mit der sich zunehmend wieder entwi- ckelnden Regionalisierung parallel ein neuer (alter) Aspekt im Wirtschaftsalltag zutage, 6 Brasilien, Russland, Indien und China Institut für Wirtschafts- und Standortentwicklung (IWS) 15|60
Wirtschaftsstandort Graz 2013+ dessen Auswirkung auf Standorte wie Graz derzeit noch nicht vollends eingeschätzt werden können. Fest steht, dass die Arbeitsteilungsmuster sich zwar ständig ändern, die Wieder- entdeckung der regionalen Arbeitsteilung jedoch zum Trugschluss verleiten könnte, dass die Produktion in westlichen Ländern zukünftig ohne entsprechende F+E-Kompetenz bzw. F+E- und Humankapitalbasis möglich sein wird. Insofern basiert der Gegentrend zur Globa- lisierung im Grunde auf einem Ausbau des Know-How-Vorsprungs und dessen Ausbau. Gerade die Motivation der Mitarbeiter und deren herausragende Ausbildung sind in einem internationalen Umfeld sinkender Lohnsstückkosten ein wesentlicher, regionaler Standort- faktor. Die Rolle der Spezialisierung und ein Ausbau der Nischenplayerkompetenz in wis- sens-, forschungs- und technologieintensiven Bereichen stehen dabei im Vordergrund. Ein Standortmarketingkonzept zur gezielten Ansiedelung von Leitbetrieben, welche diese Kompetenzen schätzen, ist für einen F+E – orientierten Standort wie Graz unumgänglich. Abb. 3: Kunsthaus Graz ©GRAZTOURISMUS Institut für Wirtschafts- und Standortentwicklung (IWS) 16|60
Wirtschaftsstandort Graz 2013+ 5. Wirtschaftsstandort Graz: Status Quo-Analyse Im folgenden Abschnitt wird der Standort Graz auf empirische Art und Weise detailliert unter die Lupe genommen und auf Basis wichtiger ökonomischer, demographischen und sozio-kultureller Parameter analysiert. Mittels einer Zeitreihenuntersuchung wird die Ent- wicklung der Stadt in der jüngeren Vergangenheit bis in die Gegenwart aufgezeigt. Die Er- gebnisse dieser Analyse bilden die Grundlage für einen Landeshauptstädtevergleich, der in Kapitel sechs folgt. 5.1. Bevölkerungsentwicklung und Demographie Die Stadt Graz und auch das Grazer Umland entwickelten sich in den letzten Jahren und Jahrzehnten zu einer sehr dynamischen und rasch wachsenden Agglomeration. Die demo- graphische Entwicklung in Richtung Bevölkerungsstagnation bzw. Abnahme, die sich in vie- len Regionen der Steiermark bereits deutlich bemerkbar macht, ist in der Stadt Graz und im gesamten Großraum Graz keineswegs spürbar. Insgesamt wuchs die Stadt Graz einwoh- nermäßig alleine im Zeitraum von 2006 bis 2010 um 5,6 %, während das Land Steiermark an sich nur um rund 0,7 % gewachsen ist.7 Ein Großteil dieses städtischen Wachstums ist aller- dings auf die sehr hohe Wanderungsrate von 14,2 %8 und nur unmerklich auf die im Ver- gleich zum steirischen Durchschnitt doch höhere Geburtenrate zurückzuführen. Im Jahr 2010 lebten 21,6 % aller Steirer in Graz bzw. ein Drittel (!) aller Steirer im Groß- raum Graz (G, GU). Bis zum Jahr 2030 werden über 23 % aller Steirer (bzw. 24 % aller Er- werbspersonen) in der Stadt Graz und 36 % aller Steirer (bzw. 38 % aller Erwerbspersonen) im Großraum Graz leben. Derzeit beträgt die Wohnbevölkerung in Graz rund 270.000 (01.01.2012 betrug die Wohn- bevölkerung exakt 266.965 Personen, davon rund 129.000 Männer und 138.000 Frauen; Quelle Graz in Zahlen 2012). Die Stadt Graz wird in den kommenden Jahren auch weiter wachsen. Bis 2030 dürfte sich die Bevölkerungsanzahl, gemäß den jüngsten Prognosen der ÖROK um 10 % erhöhen. Noch wesentlich stärker wird die Zunahme der Bevölkerung im Umgebungsbezirk mit einem prognostizierten Wachstum bis 2030 von 18 % ausfallen. Zum Vergleich: Die Steiermark wird im selben Zeitraum lediglich um 3,4 % wachsen, viele obersteirische Regionen werden an Bevölkerung verlieren, andere stagnieren.9 7 Quelle: WIBIS Steiermark, Bezirksprofil Graz Stadt (601), 11.1.2012 8 Quelle: WIBIS Steiermark, Bezirksprofil Graz Stadt (601), 11.1.2012 9 Quelle: ÖROK Institut für Wirtschafts- und Standortentwicklung (IWS) 17|60
Wirtschaftsstandort Graz 2013+ Abb. 4: Demographische Entwicklung Großraum Graz und Steiermark bis 2030 (2009 = 100) Quelle: ÖROK, Statistik Austria Schlimmer als bei der Gesamtbevölkerung sieht es bei den Erwerbspersonen aus: Diese werden den Prognosen von ÖROK zu Folge in der Steiermark bis zum Jahr 2030 absolut ge- sehen um 28.000 bzw. um 5 % abnehmen. Der Großraum Graz stellt auch hier eine Aus- nahme dar: In Graz und Graz-Umgebung wird die Zahl der Erwerbspersonen um 20.000 bzw. knapp 11 % zunehmen. Für das Jahr 2030 prognostiziert die Österreichische Raumord- nungskonferenz (ÖROK) gemeinsam mit Statistik Austria in ihrer Regionalprognose rund 548.000 Erwerbspersonen für die Steiermark und rund 207.500 Erwerbspersonen für den Großraum Graz, davon entfallen in etwa 131.300 auf Graz und 76.000 auf Graz-Umgebung. Diese positive Erwerbspersonenprognose unterstreicht auch das seitens der Wirtschafts- kammer Steiermark prognostizierte überdurchschnittliche Wirtschaftswachstum für den Großraum Graz im Vergleich zu den anderen steirischen Regionen. Die Disparitäten gemes- sen an der Kaufkraft oder Wertschöpfung pro Kopf werden in Zukunft wohl weiter zuneh- men. Der Trend in die die Stadt(nähe) zu ziehen und in der Stadt(nähe) zu arbeiten wird sich auch unserer Einschätzung folgend weiter verstärken. Der Anteil der Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter von 20 bis unter 65 ist in Graz derzeit noch am Höchsten von ganz Österreich, 65 % aller Leute zählen in Graz zu dieser Bevölke- rungsgruppe10. Langfristig gesehen wird die Demographiekeule jedoch auch Graz treffen, wenn immer mehr Leute in den Klub 65+ aufrücken werden. Das Problem einer überaltern- den Bevölkerung wird, ungeachtet der Bevölkerungszunahme, also auch Graz treffen. Die derzeitige Wohnbevölkerung beträgt rund 270.000 Graz-Stadt hatte innerhalb der letzten 10,5 Jahre das höchste Bevölkerungs- wachstum aller Landeshauptstädte (siehe Vergleich der Landeshauptstädte später) 10 Quelle: Statistik Austria, Stand: 01.01.2011 Institut für Wirtschafts- und Standortentwicklung (IWS) 18|60
Wirtschaftsstandort Graz 2013+ 5.2. Migration Die Immigration ist seit geraumer Zeit einer jener Faktoren, der die Bevölkerungsentwick- lung in der Steiermark begünstigt. Die Landeshauptstadt Graz bildet in diesem Zusammen- hang den Hauptanziehungspunkt, da fast 50 % der in der Steiermark lebenden Wohnbevöl- kerung mit nicht-österreichischer Staatsbürgerschaft in Graz wohnhaft ist. Das Hauptgewicht an ausländischen StaatsbürgerInnen bilden dabei Menschen aus Deutsch- land und den Nachfolgestaaten des ehemaligen Jugoslawien. Tab. 1: Ausländische Wohnbevölkerung in Graz und der Steiermark - 01.01.2011 Graz Steiermark Bevölkerung gesamt 261.540 1.210.614 Bevölkerung ausl. Herkunft 60.321 129.702 in % 23,1% 10,7% ausländische Staatsangehörige 40.138 82.959 in % 15,3% 6,9% Quelle: Statistik Austria Tab. 2: Ausländische Staatsangehörige in Graz – 01.01.2011 Ausländische Staatsangehörige in Graz 40.138 aus EU Staaten, EWR und der Schweiz 14.424 aus Drittstaaten 25.714 in % ………….aus ehem. Jugoslawien 12.932 50,3% ………….aus der Türkei 4.164 16,2% …..……..davon aus dem übrigen Europa 1.885 7,3% ………….davon aus Afrika 2.373 9,2% ………….davon aus Nordamerika 392 1,5% ………….davon aus Lateinamerika 612 2,4% ………….davon aus Asien (ohne Türkei und Zypern) 2.997 11,7% ………….davon aus Ozanien 60 0,2% ………….davon Herkunft unbekannt 299 1,2% Quelle: Statistik Austria Bei den ausländischen Staatsangehörigen in Graz sind vor allem Leute aus Drittstaaten überproportional repräsentiert. Institut für Wirtschafts- und Standortentwicklung (IWS) 19|60
Wirtschaftsstandort Graz 2013+ Tab. 3: Ausländische Staatsangehörige in der Steiermark - 01.01.2011 Ausländische Staatsangehörige in der Steiermark 82.959 aus EU Staaten, EWR und der Schweiz 36.865 aus Drittstaaten 46.094 in % ………….aus ehem. Jugoslawien 25.284 54,9% ………….aus der Türkei 6.034 13,1% …..……..davon aus dem übrigen Europa 4.244 9,2% ………….davon aus Afrika 2.985 6,5% ………….davon aus Nordamerika 698 1,5% ………….davon aus Lateinamerika 995 2,2% ………….davon aus Asien (ohne Türkei und Zypern) 5.101 11,1% ………….davon aus Ozanien 107 0,2% ………….davon Herkunft unbekannt 646 1,4% Quelle: Statistik Austria 5.3. Entwicklung der Wertschöpfung und Wirtschaftsstruktur Wirtschaftlich hat sich die Stadt in den vergangenen Jahren sehr gut entwickelt, wobei vor allem der Dienstleistungssektor an Bedeutung zugenommen hat. Ein Blick auf die absolute Wertschöpfung, naturgemäß beeinträchtigt durch die Wirtschaftskrise 2009, belegt auch statistisch die ungemeine wirtschaftliche Bedeutung von Graz bzw. des Großraumes Graz. 2007 2008 2009 Graz 13.616 13.983 13.589 Liezen 1.956 2.041 1.992 Östliche Oberstmk. 4.555 4.528 4.320 Oststeiermark 5.387 5.535 5.408 West- und Südstmk. 3.759 3.847 3.588 Westliche Oberstmk. 2.288 2.354 2.164 Steierm ark 31.561 32.288 31.061 Anteil Graz an Steierm ark 43,1% 43,3% 43,7% Abb. 5: Bruttowertschöpfung in der Steiermark nach Regionen 2007 – 2009 Quelle: Statistik Austria, WIBIS Steiermark Der Anteil der Bruttowertschöpfung des Großraums Graz an der Steiermark ist mit 43,7 % (aktuellster Wert aus dem Jahr 2009; Durchschnitt 2007 bis 2009 = 43,4 %) etwa gleich hoch als im Jahre 1988 (!). Dies ist ein weiterer Beweis für die zunehmend dienstleistungs- orientierte, wissensintensive Wirtschaft der letzten Jahre. Denn trotz des starken Bevölke- rungswachstums ist der Wertschöpfungsanteil beinahe konstant geblieben. Der Anstieg auf 43,7 % im Jahr 2009 ist auf die verhältnismäßig breite Wirtschaftsstruktur zurückzuführen, denn industriell orientierte Wirtschaftsregionen mit einem geringer aus- geprägten Dienstleistungssektor verzeichneten größere, relative Einbrüche bei der Wirt- schaftsleistung. Ein weiterer Grund für den konstanten Bruttowertschöpfungsanteil ist auch beim mangelnden Erfolg, was die Ansiedelung von Leitbetrieben betrifft, zu finden. In punkto Wirtschaftsstruktur fällt auf, dass der Dienstleistungssektor gegenüber dem Stei- ermarkdurchschnitt klarerweise stärker ausgeprägt ist. Im Vergleich zu anderen Städten, die eine ähnliche Größe wie Graz haben, fällt allerdings auf, dass der Anteil des industriell- Institut für Wirtschafts- und Standortentwicklung (IWS) 20|60
Wirtschaftsstandort Graz 2013+ gewerblichen Sektors in den vergangenen 20 Jahren sehr deutlich zurückgegangen ist. Lag der Anteil 1991 noch bei über 30 %, so sind es 2010 nur mehr rund 20 %.11 In der oberöster- reichischen Landeshauptstadt Linz liegt der industriell-gewerbliche Anteil an der Brutto- wertschöpfung bei rund 33 %. Diese Entwicklung schlägt sich auch in der Verteilung der unselbständig Beschäftigten nie- der. Hauptarbeitgeber in Graz ist demnach der sehr dynamisch wachsende Dienstleistungs- sektor. Vier von fünf in Graz arbeitenden Menschen sind bereits in diversen Branchen die- ses Sektors tätig. Zum Vergleich: 1991 lag der Beschäftigungsanteil bei den Dienstleistun- gen in Graz bei 65,5 % und in der Steiermark bei 53,5 %. Abb. 6: Unselbständig Beschäftigte 2010 nach Sektoren und Regionen ohne Landwirtschaft Quelle: Statistik Austria, WIBIS Steiermark 11 Außerhalb des Kernbereiches der Stadt Graz, sprich dem politischen Bezirk Graz-Umgebung, ist der Anteil fast doppelt so hoch. Im gesamten Großraum Graz liegt der Anteil des industriell-gewerblichen Bereiches bei über 28 %. Der Dienstleistungssektor kommt auf einen Wert von über 70 %. Institut für Wirtschafts- und Standortentwicklung (IWS) 21|60
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