Wissen für Führungskräfte - DGUV

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Wissen für Führungskräfte - DGUV
Das Magazin für Führungskräfte
Ausgabe 4/2018

                                                                                       Wissen für
                                                                                     Führungskräfte
                                                                                               Arbeitsschutz:
                                                                                       Aufgaben, Gesetze und Regeln,
                                                                                           die Sie kennen sollten

LEIHARBEIT                                 PRÄVENTION                            ARBEITSKULTUR
Gut zu wissen – Arbeitsschutz gilt auch    Warum Vertrauen zu mehr Eigenver-     So verbessern Transparenz und flache
für Beschäftigte auf Zeit             12   antwortung und Achtsamkeit führt 14   Hierarchien die Kommunikation      16
Wissen für Führungskräfte - DGUV
I N H A LT

                                                                                                                                       8
                                                                                       ZURÜCKKOMMEN
                                                                                        UND BLEIBEN
                                                                                       Nicht von null auf 100:
                                                                                       Maßvolle Eingliederung

                                                            4
                                                                                       beugt erneuter Arbeits-
                                                                                          unfähigkeit vor.

       – machen Sie Sicherheit und
Gesundheit zu Ihrem Tagesordnungspunkt
Nummer eins.
                                                                                                                           16
Kommen Sie sich beim Arbeitsschutz ge-                                                                                                         FÜR MEHR
legentlich vor wie in einer Quizshow? Etwa
wenn es darum geht, die richtige Antwort
                                                                                                                                            TRANSPARENZ IM
auf Fragen nach der Zuständigkeit und dem                                                                                                    KRANKENHAUS
Ablauf für betrieblichen Brandschutz oder                                                                                                 Eine klare Kommunikation
Gefährdungsbeurteilungen zu finden? Oder
hat Ihnen noch niemand gesagt, dass Sie in
                                                                                                                                          fördert das Betriebsklima
Ihrer (neuen) Rolle als Führungskraft für die                                                                                                 und die Effizienz.

                                                                                                                                                                                    Fotos: Thinkstock/kadmy, Shinyfamily, Pixel_away, Csaba Toth, Photodisc, RyanKing999, Wavebreakmedia, Tarzhanova, froxx; DGUV
Sicherheit und Gesundheit Ihrer Mitarbei-
terinnen und Mitarbeiter Verantwortung tra-
gen? Möglicherweise entrinnt Ihnen jetzt ein
Stoßseufzer, gerade weil Sie sich damit be-
fassen und Ihnen das Gesetz- und Regelwerk
arg komplex und umfangreich erscheint.

                                                                                                   L E X I KO N –                             E M P F O H L E N ZU M ...
Keine Sorge – der Arbeitsschutz ist kein
                                                                                       D I SA B I L I TY M A N AG E M E N T                           S eite 2 0
Buch mit sieben Siegeln. Es ist auch nicht
                                                                                                     S eite 10
erforderlich, sämtliche Gesetzestexte und
                                                                                                                                                       I M B L I CK
Regeln parat zu haben. Denn erstens gibt
                                                                                          R ECH T L I CH E U P DAT ES                                  S eite 2 1
es branchenspezifische Regelungen und
zweitens Beratung durch Berufsgenossen-                                                           S eite 11
schaften und Unfallkassen. Zudem gibt                                                                                                            D U FT N OT E N
es verschiedene betriebliche Akteure und                                                         Z E I TA R B E I T                        H AU SM E I ST E R I N CO N N Y
Institutionen, die Sie bei den zahlreichen                                           G L E I CH E R S CH U T Z F Ü R A L L E                    KO M M E N T I E RT
Aufgaben rund um Sicherheit und Gesund-                                                            S eite 1 2                                      S eite 2 2
heit bei der Arbeit unterstützen. Auch wenn
die Hauptverantwortung bei der Geschäfts-                                                 KO N T R O L L E I ST G U T,                          AU F D E N P U N K T
oder Behördenleitung liegt – Arbeitsschutz                                              V E RT R AU E N I ST B ESSE R                                G E B R ACH T:
ist Teamarbeit. Und Arbeitsschutz kann sehr                                                       S eite 14                                       I ST ESSE N A M
unterhaltsam und gewinnbringend sein.                                                                                                     A R B E I TSP L AT Z E R L AU BT ?
                                                                                    A R B E I TSS CH U T Z AU SS CH U SS :                             S eite 2 3
Das glauben Sie nicht? Überzeugen Sie sich                                                 P O RT R ÄT U N D T I P PS
selbst in unserer        -Titelgeschichte                                                          S eite 18
ab Seite 4.

IMPRESSUM
        , 1. Jahrgang, erscheint zweimonatlich, Entgelt für den Bezug der Zeitschrift im Mitgliedsbeitrag enthalten // Internetadresse: topeins.dguv.de //
Herausgegeben von: Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung e. V. (DGUV), Vorsitzende des Vorstandes: Manfred Wirsch, Volker Enkerts,
Hauptgeschäftsführung: Dr. Joachim Breuer, Glinkastraße 40, 10117 Berlin, Tel.: 030 13001-0 (Zentrale), Fax: 030 13001-6132, E-Mail: info@dguv.
de, Internet: www.dguv.de, Umsatzsteuer-Identifikationsnummer: DE123382489, Vereinsregister-Nr. VR 751 B beim Amtsgericht Charlottenburg //
Redaktionsbeirat: Jens Ackermann, Renate Bantz, Gregor Doepke, Dr. Frauke Jahn, Dirk Lauterbach, Ralf Michaelis, Ina Neitzner, Michael Quabach,
Rike Schmickler-Bouvet, Alexander Seeger, Manfred Sterzl, Dr. Ronald Unger, Dr. Martin Weber, Dr. Thorsten Wiethege, Christiane Witek, Dr. Moni-
ka Zaghow, Holger Zingsheim, Klaus Zweiling // Leserservice: redaktion@topeins.dguv.de. Bitte geben Sie bei Adressänderungen, Abbestellungen
o. Ä. wenn möglich Ihre Berufsgenossenschaft oder Unfallkasse an. // Verlag: CW Haarfeld GmbH, Robert-Bosch-Str. 6, 50354 Hürth, www.cwh.
de // Chefredaktion: Stefan Boltz (verantwortlich), Kathrin Baltscheit (Stellvertretung), DGUV // Redaktion: Kai Stiehl (Redaktionsleiter), Mar-
kus Fischer, Monika Geisler, Lena Markmann, Manuela Müller // Druck: Print- und Medienproduktion Hamburg GmbH, Moorfleeter Deich 312 a,
22113 Hamburg // Grafisches Konzept: CW Haarfeld GmbH // Titelbild dieser Ausgabe: Thomas Walloch, Thinkstock, Pixel_away, Shinyfamily,
kadmy, Csaba Toth, Photodisc // Stand dieser Ausgabe: 11.07.2018 // Die nächste Ausgabe erscheint am 09.10.2018
Wissen für Führungskräfte - DGUV
S
                                                                        eit März 2018 gibt es weltweit eine neue
                                                                        Norm für die Gewährleistung von Sicher-

N
        icht jeder Unfall bei                                           heit und Gesundheit bei der Arbeit: ISO
        einer teambildenden                                    45001. Nach zwei Jahrzehnten intensiver Dis-
        Maßnahme ist als Ar-                                   kussionen ist nun die neue Norm in Kraft getre-
beitsunfall zu werten. Eine                                    ten. Sie soll dabei helfen, weltweit Todesfälle,
Teamleiterin, die mit ihrem                                    Arbeitsunfälle und Krankheit bei Beschäftigten
Team beim Eislaufen war,                                       zu vermeiden. Nach Schätzungen der Interna-
brach sich dort bei einem Sturz                                tional Labor Organisation (ILO) sterben aktuell
das Handgelenk. Ein Zwang zur Teilnahme an                     jährlich 2,3 Millionen Menschen durch arbeits-
dieser teambildenden Maßnahme bestand nicht.                   bedingte Unfälle und Krankheiten. Das Arbeits-
Deshalb lehnte die Berufsgenossenschaft die An-                schutzmanagementsystem (AMS) der ISO 45001
erkennung als Arbeitsunfall ab. Das Eislaufen                  beruht auf einem iterativen Prozess, der eine
stellte auch keine Gemeinschaftsveranstaltung                  fortlaufende Verbesserung anstrebt und bei dem
wie beispielsweise eine Weihnachtsfeier dar. Da-               Führung, Verpflichtung und Beteiligung von Be-
für fehlte es an dem erforderlichen Einverneh-                 schäftigten aus allen Ebenen und Funktionsbe-
men der Unternehmensleitung. Die Teamleiterin                  reichen erforderlich sind. Gemäß ISO 45001 zer-
bezahlte das Eislaufen aus ihrer Tasche, weshalb               tifizierte Unternehmen belegen, dass Sicherheit
es sich um eine private Freizeitaktivität handelte.            und Gesundheit optimal organisiert sind, und
Selbst bei teambildendem Nutzen wäre kein Versi-               erhöhen damit auch ihre Attraktivität bei der
cherungsschutz begründet. Anders wäre es, wenn                                     Fachkräfteakquise.
die Beschäftigten, die an der Veranstaltung teilge-
                                                                                     dguv.de > Webcode
nommen haben, eine Zeitgutschrift dafür bekom-
                                                                                     „dp1312292“
men hätten.

    kostenlose-urteile.de > „Eislaufen“

                                     B
                                         ewegung am Arbeitsplatz fördert Gesundheit. Nach einer Pra-
                                         xisstudie des Instituts für Arbeitsschutz (IFA) der Deutschen
                                         Gesetzlichen Unfallversicherung und der Deutschen Sport-
                                   hochschule Köln sitzen Beschäftigte mit Bürojobs etwa elf Stunden
                                   am Tag, denn auch ihre Freizeit verbringen viele Menschen gerne
                                   vor Fernseher oder Computer. Die Gefahr ist groß, auf Grund von
                                   Bewegungsmangel krank zu werden. Typische Krankheiten können
             unter anderem chronische Erkrankungen des Herz-Kreislauf-Systems, ein erhöhtes Risiko
             für Typ-II-Diabetes, Übergewicht oder Muskel-Skelett-Beschwerden sein. Abhilfe schaffen
             sollen speziell bewegungsfördernde Arbeitsstationen im Büro. Zum Beispiel sollen wäh-
             rend der Schreibtisch- und Computerarbeit unter dem Tisch leichte Radfahrbewegungen
             gemacht werden. Die Studienergebnisse zeigen, dass kontinuierliches Training dreimal
             pro Woche positive Auswirkungen auf die Gesundheit hat und sich darüber hinaus sowohl
             die Stimmung als auch die Arbeitsbereitschaft verbessert.
                 dguv > Webcode „dp1313667“

                                                                                           4/2018                  3
Wissen für Führungskräfte - DGUV
A R B E I TSS CH U T Z

                                                          Gut zu
                                                          wissen
                                      Arbeitsschutz ist Chefsache. Manche Führungskräfte
                                      wissen das überhaupt nicht, wieder andere rätseln,
                                      wofür genau und in welchem Umfang sie zuständig
                                      sind. topeins klärt auf, was wo und wie geregelt ist.

4                            4/2018
Wissen für Führungskräfte - DGUV
A
         uch das noch!“ Alex Singer merkt, wie          ein Beispiel: „Du weißt zwar nicht genau, wie die
         sein Blutdruck steigt. Eigentlich lag der      Maschinen zur Kanalreinigung bedient werden
         Bauhofleiter heute gut in der Zeit, wollte     müssen. Aber du weißt, wie du den Abwasserbe-
         endlich einmal pünktlich Feierabend            reich organisieren musst.“ Alex Singer atmet auf.
machen. Doch jetzt muss er sich mit Arbeitsschutz       Tatsächlich macht er ja schon eine ganze Menge für
befassen. In zwei Wochen kommt jemand von               die Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten in
der Unfallkasse, um sich ein Bild vom Stand des         seinem Verantwortungsbereich.
Arbeitsschutzes in der Gemeindeverwaltung zu ma-
chen – so steht es in einer Mitteilung seiner Chefin,   Verantwortung systematisch im Blick
der Bürgermeisterin. Dabei ist noch nie etwas auf       Noch in der Sitzung gehen sie durch, welche Auf-
seinem Bauhof passiert. Jedenfalls kein richtiger       gaben jede Führungskraft in puncto Arbeitsschutz
Unfall, nur einmal wäre es fast schiefgegangen,         hat. Klar ist: Die oberste Verantwortung liegt bei
und ansonsten ein paar Ausfälle wegen Rücken-           der Bürgermeisterin. Aber wer selbst Personal
schmerzen. „Das Übliche, da kann man eh nichts          führt, hat automatisch Pflichten für Sicherheit und
machen“, murmelt er mit Blick in den Kalender.          Gesundheit zu erfüllen. Und manche Aufgaben hat
                                                        die Bürgermeisterin explizit – also schriftlich – an
Arbeitsschutz ist Teamwork                              ausgewählte Personen übertragen. Die Fachkraft
Der große Tag ist da – mit einer Überraschung. Die      für Arbeitssicherheit und die Betriebsärztin zählen
Aufsichtsperson der Unfallkasse, Rainer Toledo,         nicht dazu, aber sie beraten die Gemeinde. Zu
blättert durch die Gefährdungsbeurteilung des           dieser betriebsärztlichen und sicherheitstechni-
städtischen Bauhofs und verblüfft Singer mit einer      schen Betreuung ist jeder Betrieb verpflichtet, der
Frage, die er so nicht bedacht hatte.                   jemanden beschäftigt.
                                                        So hatte die Betriebsärztin Singer darauf aufmerk-
Obwohl Singer die einzelnen Vorgaben und Zustän-        sam gemacht, dass Beschäftigte, die mit Gefahrstof-
digkeiten mit den anderen Führungskräften schon         fen in Berührung kommen – wie es beim Dekonta-
vor Wochen Punkt für Punkt besprochen hatte:            minieren der ehemaligen Industriebrache neulich
„Arbeitsschutz ist doch Sache der Fachkraft für         der Fall war –, zur arbeitsmedizinischen Vorsorge
Arbeitssicherheit und der Betriebsärztin – beide        müssen. An solche Untersuchungstermine muss
nehmen an den Sitzungen des Arbeitsschutzaus-           der Bauhofleiter glücklicherweise nicht alleine den-
schusses teil“, hatte Singer da argumentiert. Er        ken. Denn dabei unterstützt ihn der Arbeitsschutz-
selbst habe schließlich keine Zeit, sich alle Vor-      ausschuss (siehe Bericht auf Seite 18). Für Alex
schriften und Gesetze anzusehen: Arbeitsschutz-         Singer eine wichtige Entlastung. Schließlich hat er
gesetz, Arbeitssicherheitsgesetz, Arbeitsstättenver-    genug damit zu tun, alle Tätigkeiten zu organisie-
ordnung, Betriebssicherheitsverordnung und nicht        ren und zudem noch sicher und gesund zu planen.
zu vergessen die DGUV Vorschriften 1 und 2. Der
Kollege von der Amtsleitung beruhigt Singer. „Du        Schaden macht klug
musst die Gesetze nicht selbst von vorn bis hinten      Bei der Planung kann Alex Singer auf die ebenfalls
kennen. Du musst nur wissen, welche relevant sind       gesetzlich vorgeschriebene Gefährdungsbeurtei-
und wer wofür zuständig ist“, erklärt er und liefert    lung zurückgreifen, die es in seinem Betrieb seit      >

                                                                                       4/2018                      5
Wissen für Führungskräfte - DGUV
A R B E I TSS CH U T Z

                                                                     „Es geht um Sicherheit und
                                                                     Gesundheit in allen Lebens-
                                                                       bereichen – vor allem
     >       Jahren gibt. Dazu war er mit der Fachkraft unter an-
             derem die Sicherheitsregeln für das Bedienen von              bei der Arbeit.“
             Anlagen, Maschinen und Fahrzeugen durchgegan-
             gen – samt Prüffristen. Ganz genau hatte sich die
             Fachkraft zeigen lassen, wie gefährliche Arbeiten
             erledigt werden, etwa das Einsteigen in Kanal-
             schächte oder das Rangieren der Streuwagen. Dabei
             wäre es in der Gemeinde vor Jahren fast zum Unfall
             gekommen, als eines der Streufahrzeuge rückwärts
             vom Hof fuhr. Der einweisende Kollege stand in ei-
                                                                     Aufgabe gewinnen konnte, wird den eintägigen
             nem so ungünstigen Winkel zum Fahrzeug, dass er
                                                                     Pflichtkurs erst im nächsten Monat besuchen. Ob
             beinahe von diesem überrollt worden wäre. Seither
                                                                     das Ärger gibt? Ansonsten ist die Erste Hilfe auf dem
             gibt es regelmäßige Schulungen fürs Einweisen und
                                                                     Bauhof und für Außeneinsätze klar und entspre-
             seit kurzem zusätzlich Fahrassistenzsysteme an
                                                                     chend den Vorgaben organisiert. Den Termin für ein
             sämtlichen Großfahrzeugen des Bauhofs. Beides ist
                                                                     Update der Gefährdungsbeurteilung hat er mit der
             in der Gefährdungsbeurteilung festgelegt.
                                                                     Fachkraft für Arbeitssicherheit bereits vereinbart.

             „Ist eigentlich alles gut organisiert“, denkt sich
                                                                     Beratung inklusive
             Alex Singer. Dennoch hat er beim Gedanken an die
                                                                     Umso überraschter ist Singer am Tag der Betriebs-
             Betriebsbegehung Magendrücken. Bei der Grün-
                                                                     begehung, als Rainer Toledo ihn nicht nach dem
             pflege fehlt derzeit ein Ersthelfer, weil ein Kollege
                                                                     fehlenden Ersthelfer, sondern nach der „Gefähr-
             mit dieser zusätzlichen Qualifikation in Ruhestand
                                                                     dungsbeurteilung psychischer Belastung“, kurz
             gegangen ist. Ein junger Gärtner, den er für die
                                                                     „GB Psyche“, fragt. „Schon mal gehört“, murmelt
                                                                     Singer. „Damit haben wir allerdings noch nicht
                                                                     begonnen.“ Ob er denn nichts mit dem Thema
                                                                     Präventionskultur anfangen könne, will Toledo wis-
                                                                     sen. Da muss der Bauhofleiter passen. „Gibt es da-
                                                                     für ein Gesetz?“, fragt Singer. Die Aufsichtsperson
                                                                     hat eine weitere, angenehme Überraschung parat:
                                                                     Die „GB Psyche“ ist nicht nur gesetzlich verankert.
                                                                     Die Unfallkasse bietet dazu kompetente Beratung.
                                                                     Wie die Gemeindeverwaltung das angehen kann,
                                                                     wird Toledo mit der Bürgermeisterin besprechen.

                                                                     Nützlich und unterhaltsam
                                                                     Zum Stichwort Prävention hat Toledo dann noch
                                                                     einen Tipp: Die Kampagne kommmitmensch, mit
                                                                     der Berufsgenossenschaften und Unfallkassen
                                                                     für Präventionskultur werben. „Dabei geht es um
                                                                     Sicherheit und Gesundheit in allen Lebensberei-
                                                                     chen – vor allem bei der Arbeit“, erklärt Toledo
                                                                     und präsentiert dem Bauhofleiter am Computer den
                                                                     Internetauftritt zur Kampagne: „Im Internet finden
                                                                     Sie neben schriftlichen Infos und Praxishilfen auch
                                                                     unterhaltsame Kurzfilme. Zum Beispiel darü-
                                                                     ber, was Sie als Führungskraft bei all dem Stress
                                                                     für Ihre Gesundheit tun können.“ Kann ja nicht
                                                                     schaden, denkt sich Singer, klingt auf jeden Fall
                                                                     verlockender, als trockene Gesetzestexte zu lesen.

                                                                     AUTORIN: Miriam Becker

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Wissen für Führungskräfte - DGUV
Wichtige
                                                                                                                                   Gesetze &
                                                                                                                                   Verordnungen
                                                                                                                                   im
                                                                                                                                   Arbeitsschutz

                                                                                                                              1   Das Arbeitsschutzgesetz regelt: Wer ein
                                                                                                                                  Unternehmen oder eine Verwaltung führt, ist
                                                                                                                                  zur Gefährdungsbeurteilung verpflichtet. Es
                                                                                                                                  regelt zudem Unterweisungen und die arbeits-
                                                                                                                                  medizinische Vorsorge.

                                                                             Was Führungskräfte wissen müssen
                                                                                                                              2   Das Arbeitssicherheitsgesetz verpflichtet zur
                                                                                                                                  betriebsärztlichen und sicherheitstechnischen
                                                                                                                                  Betreuung, die in der DGUV Vorschrift 2 kon-
                                                                          In Unternehmen/öffentlichen Einrichtungen               kretisiert wird.
                                                                          muss es geben:

                                                                            Gefährdungsbeurteilung                            3   Die DGUV Vorschrift 1 regelt unter anderem
                                                                                                                                  die Bestellung von Sicherheitsbeauftragten
                                                                                                                                  sowie die Pflicht, Beschäftigte als Ersthelferin-
                                                                            Erste Hilfe
                                                                                                                                  nen und Ersthelfer ausbilden zu lassen.
                                                                            Sicherheitsbeauftragte

                                                                            Sicherheitstechnische und betriebsärztliche
                                                                            Betreuung                                         4   Die Arbeitsstättenverordnung macht Vorgaben
                                                                                                                                  zur Gestaltung von Arbeitsplätzen und deren
                                                                                                                                  Umgebung.
                                                                            Unterweisungen

                                                                            Arbeitsschutzausschuss mit Beteiligung
                                                                            des Betriebs-/Personalrats                        5   Die Betriebssicherheitsverordnung trifft Re-
                                                                                                                                  geln zur sicheren und gesunden Verwendung
                                                                                                                                  von Arbeitsmitteln.
                                                                          Empfehlenswert ist ein Arbeitsschutzmanage-
Fotos: Thinkstock/kadmy, Shinyfamily, Pixel_away, Csaba Toth, Photodisc

                                                                          mentsystem (AMS). Es hilft Führungskräften,
                                                                          alle wichtigen Themen im Blick zu haben und
                                                                          Prozesse ständig zu verbessern. Arbeitsschutz-
                                                                                                                              6   Über branchen- und tätigkeitsspezifische
                                                                                                                                  Regelungen bieten die zuständigen Berufsge-
                                                                                                                                  nossenschaften und Unfallkassen wertvolle
                                                                          ziele und wirtschaftliche Ziele werden so besser        Informationen.
                                                                          erreicht. Seit kurzem gibt es für AMS eine inter-
                                                                          nationale Normung: Insbesondere für export-
                                                                          orientierte oder global agierende Unternehmen

                                                                                                                              »
                                                                          ist AMS nach DIN ISO 45001 interessant.
                                                                                                                                  Mehr erfahren zur Kampagne
                                                                          Die begleitende Website zum Führungskräf-
                                                                          temagazin topeins bietet Hyperlinks zu den
                                                                          genannten Gesetzen und Regelungen:
                                                                                                                                                      Sicher. Gesund. Miteinander.
                                                                             topeins.dguv.de
                                                                                                                                     kommmitmensch.de

                                                                                                                                                          4/2018                      7
Wissen für Führungskräfte - DGUV
BEM

                                                                Zurückkommen
                                                                       und
             Sechs Wochen ausfallen und dann voll durchstarten? Das
             geht selten gut. Mit einem Eingliederungsmanagement
             fahren Betriebe deutlich besser.
                                                                       bleiben

          N
                   ach längerer Abwesenheit kommt Petra               men den Betroffenen kein BEM an, setzt es sich dem
                   Gruber (Name von der Redaktion geändert)           Risiko aus, einen nachfolgenden Kündigungsschutz-
                   an den Arbeitsplatz zurück. Alle Beteiligten       prozess zu verlieren. Darauf weist das Bundesministe-
                   sind erleichtert, dass sie wieder einsatzfähig     rium für Arbeit und Soziales in seinen Publikationen
          ist. Zunächst hatte sich die Altenpflegerin an einzel-      zum BEM explizit hin.
          nen Tagen wegen Rückenschmerzen krankgemeldet.
          Schließlich sorgte ein Bandscheibenvorfall dafür, dass      Die Idee hinter dem BEM: die Arbeitsfähigkeit nach
          die Mittvierzigerin ins Krankenhaus und zu Reha-Maß-        längerer Erkrankung oder Verletzung wiederherstellen
          nahmen musste. Für das Team des Pflegedienstes hieß         und erhalten. „Es liegt im Interesse des Betriebes, ge-
          das: Grubers Aufgaben wurden verteilt, die Kollegin-        gebenenfalls die Arbeitsbedingungen an die gesund-
          nen und Kollegen mussten in die Bresche springen,           heitliche Konstitution anzupassen, wenn Beschäftigte
          auch der Chef hatte einiges mehr zu tun.                    nicht mehr so einsatzfähig sind wie zuvor“, erklärt
                                                                      Tobias Belz, Leiter des Sachgebietes „Beschäftigungs-
          Wiedereinstieg – gut vorbereitet                            fähigkeit“ bei der Deutschen Gesetzlichen Unfallversi-
          Die Gesetzeslage ist eindeutig: Fehlen Beschäftigte         cherung (DGUV).
          mehr als 42 Tage innerhalb von zwölf Monaten, sind
          Unternehmen verpflichtet, den Rückkehrenden ein             Neue Ausfallzeiten vermeiden
          Betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM) anzu-          Für Petra Grubers Chef ist klar, dass eine mögliche
          bieten. Dies ergibt sich aus § 167 Absatz 2 Sozialgesetz-   weitere Krankschreibung das Team an die Belas-
          buch IX. Kommen Betriebe dieser Pflicht nicht nach,         tungsgrenze brächte – und ihn gleich mit. „Wenn
          kann das durchaus Folgen haben – etwa bei einer             die Rückkehr nicht gut läuft, kann es zu erneuten
          krankheitsbedingten Kündigung. Bietet das Unterneh-         Ausfallzeiten, zu Konflikten untereinander oder gar zu

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Wissen für Führungskräfte - DGUV
„Wenn die Rückkehr nicht
                                                                gut läuft, kann es zu erneuten
                                                                   Ausfallzeiten kommen.“

                                                                   den Drei-Schicht-Betrieb entwickeln – solche Maßnah-
                                                                   men können aus einem BEM entstehen. Grundsätzlich
                                                                   sind folgende Aspekte zu berücksichtigen beziehungs-
                                                                   weise hilfreich für die Wiedereingliederung:
                                                                     Arbeitszeit und/oder -pensum erst nach und
                                                                     nach steigern
                                                                     Arbeitsplatz und/oder -umfeld ergonomischer
                                                                     gestalten
                                 Foto: Thinkstock/RyanKing999

                                                                     Arbeitsorganisation verändern
                                                                     Tätigkeit verändern, gegebenenfalls qualifizieren
                                                                     oder umschulen
                                                                     Im Umgang mit chronischen Erkrankungen schulen
                                                                     Arbeitsmedizinische Beratung, beispielsweise zu
                                                                     Sucht- oder Mobbingaspekten

                                                                   Welche Maßnahmen im jeweiligen Fall die richtigen
                                                                   sind, finden die Beteiligten in den Rückkehrgesprä-
                                                                   chen heraus.

arbeitsrechtlichen Auseinandersetzungen kommen“,                   „Wir lernen jetzt Rückengesundheit“, sagt Petra
weiß er aus einem vorherigen Fall.                                 Gruber nach dem Gespräch mit ihrem Chef. Das
                                                                   Maßnahmenpaket: Am Anfang ein paar Stunden mehr
Egal, ob körperliche oder psychische Beschwerden für               organisatorische Aufgaben im Büro, danach die Ein-
die Ausfallzeiten gesorgt haben: Das BEM leistet einen             satzzeiten im ambulanten Dienst steigern. Außerdem
wichtigen Beitrag zum Erhalt der Beschäftigungsfä-                 wird eine Hebehilfe angeschafft, mit der Personen
higkeit – das gilt vor allem angesichts älter werdender            rückenschonender umgebettet werden können – das
Belegschaften. „Der Betrieb sollte über die Ziele und              kommt allen Teammitgliedern zugute. Ebenso wie
das Vorgehen aufklären“, rät Tobias Belz. Er weiß                  eine Beratung zum Thema Rückengesundheit, die der
jedoch, dass viele Unternehmen auch fast 15 Jahre nach             Chef des Pflegedienstes bei der Berufsgenossenschaft
Einführung der gesetzlichen Verpflichtung nicht über               anfragen will.
geeignete Prozesse und Kompetenzen zum BEM ver-
fügen. Ein strukturiertes Vorgehen und die Unterstüt-              Führungskräfte brauchen Handlungssicherheit
zung von Führungskräften seien allerdings wichtig,                 „Manchmal werden durch BEM Veränderungen
um mit den betroffenen Personen konstruktiv und fair               angestoßen, von denen das ganze Team gesundheit-
umgehen zu können und sie wieder einsatzfähig und                  lich profitiert“, weiß auch Sascha Goldbeck, Reha-
mobil zu machen.                                                   und BEM-Berater bei der Berufsgenossenschaft für
                                                                   Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege (BGW). Er
Wie das BEM mobil macht                                            empfiehlt Führungskräften, das Gespräch mit zurück-
Die Werkbank für einen hoch gewachsenen Mitarbei-                  gekehrten Beschäftigten möglichst früh und aktiv zu
ter erhöhen. Einen gefederten Sitz in einen Gabelstap-             suchen. „Das gibt – am besten in einer Betriebsverein-
ler einbauen. Oder einen individuellen Einsatzplan für             barung festgeschrieben – den Führungskräften Hand-

                                                                                                     4/2018                 9
Wissen für Führungskräfte - DGUV
BEM

           lungssicherheit“, so Goldbeck. Unterstützung finden          nehmen will, sollte das Vertrauen von Belegschaft und
           sie bei der Personalabteilung, bei Betriebsärzten und        Führungskräften genießen, Empathie und Durch-
           -ärztinnen und bei Fachkräften für Arbeitssicherheit.        setzungsvermögen mitbringen und die Aufgabe mit
           In der Regel ist es hilfreich, die betriebliche Interes-     Herzblut angehen.“
           senvertretung einzubeziehen. Ausnahme: Die Person,
           um deren Wiedereinstieg es geht, möchte dies nicht.          Petra Gruber geht ihrem Job wieder mit vollem Einsatz
                                                                        nach – nur rückenschonender. Sie trainiert regelmä-
           Selbstverständlich unterliegen beim BEM alle Beteilig-       ßig in einem Fitnessstudio und hat von ihrem Chef
           ten der Schweigepflicht. Auch der Datenschutz muss           gezeigt bekommen, wie sie Belastungen beim Heben
           sehr ernst genommen werden. „Gerade diese Aspekte            und Tragen vermeidet oder besser damit umgeht.
           sollten gegenüber Beschäftigten hervorgehoben wer-           Projekt BEM geglückt.
           den – und zwar von Beginn an“, empfiehlt Goldbeck.
           „Ansonsten lässt sich eine betroffene Person kaum            AUTORIN: Miriam Becker
           darauf ein.“ Verpflichtet werden kann sie zum BEM
           nämlich nicht. Entscheidet sie sich dafür, ist sie zur
           Mitwirkung verpflichtet, kann ihr Einverständnis
           jedoch widerrufen.
                                                                                         Praxishilfe
           Aufwand gering halten                                                    Weitere Informationen und Leitfäden der
           Um den Aufwand gering zu halten, nutzen Betriebe                         verschiedenen Unfallversicherungsträger zum
           für ein BEM möglichst bestehende Strukturen der                          Betrieblichen Eingliederungsmanagement
           Prävention und Rehabilitation. Berufsgenossen-                           bietet die DGUV unter:
           schaften und Unfallkassen bieten auf Anfrage
                                                                                         dguv.de > Webcode „d1085784“
           Beratung zum Thema BEM an. Eventuell
           lohnt es sich für Betriebe, eigene BEM-Be-
           auftragte qualifizieren zu lassen. „Es gelten
           keine formalen Zugangsvorraussetzungen“,
           erklärt Goldbeck. „Wer die Aufgabe über-

     LEXIKON                  Disability Management                           und Reha-Einrichtungen. Der Arbeitgeber ist
                              Das Disability Management sorgt für die         seit 2004 nach Sozialgesetzbuch IX zu einem
                              Wiedereingliederung von Beschäftigten ins       Betrieblichen Eingliederungsmanagement
                              Berufsleben, wenn diese aus gesundheitli-            Praxishilfe
                                                                              verpflichtet  – einem Teilaspekt des Disability
                              chen Gründen von längerer Arbeitsunfähig-       Managements.      Letzteresund
                                                                              Weitere Informationen      ist international
                                                                                                               Leitfä-      ver-
                              keit bedroht sind. Es tritt bereits präventiv   breitet.
                                                                              den derInverschiedenen
                                                                                          Europa nimmt Unfallversi-
                                                                                                         Deutschland beim
                              in Aktion, um solche Entwicklungen früh         Disability Management     eine Vorreiterrolle
                                                                                                                                   Illustration: DGUV Icons: flaticon.com

                                                                              cherungsträger     zum betrieblichen
                              zu erkennen und zu verhindern. Einerseits       ein. Hier ist die Gesetzliche Unfallversiche-
                                                                              Eingliederungsmanagement          bietet
                              gehört die Beratung der Betroffenen zum         rung  wegweisend.
                                                                              die DGUV     unter: Die DGUV hilft Unterneh-
                              Leistungsspektrum, andererseits die Koordi-     men, ein professionelles Disability Manage-
                                                                                   dguv.de > webcode d1085784
                              nation zwischen betroffenen Beschäftigten,      ment zu etablieren, und sie bildet Disability
                              deren Vorgesetzten, der Personalvertretung,     Manager nach international festgelegten
                              Sozialversicherungen, behördlichen Stellen      Regeln aus.

10                       4/2018
R EC H T L I C H E U P D AT ES

         Regeln, Vorschriften,                         >

         Informationen & Grundsätze
Gesetze und Regelwerk der Unfallversicherungen sind einem be-
ständigen Wandel unterworfen. topeins informiert Sie über rele-
vante Änderungen. Die vollständigen Texte des DGUV Regelwerks
finden Sie im Internet zum Herunterladen: dguv.de/publikationen.

                    NEU                                      AKTUALISIERT

Das Bundesministerium für Arbeit und Sozi-         DGUV Information 203-021; bisher BGI 775
ales bietet eine kostenlose Broschüre an, die      „Zahntechnische Laboratorien – Schutz vor
in einfacher Sprache erklärt, wie die Arbeit       Infektionsgefahren“. Sachgebiet Elektrotechnik
für Menschen in Werkstätten nach dem neuen         und Feinmechanik im Fachbereich Energie Tex-
Bundesteilhabegesetz geregelt wird. Das Heft ist   til Elektro Medienerzeugnisse (ETEM) der DGUV.
gedruckt oder digital als PDF-Datei verfügbar.
Artikelnummer: A769, Stand: März 2017.             DGUV Regel 115-002 DGUV, Vorschriften 17 und
                                                   18; bisher BGV C1 und GUV-V C1 „Veranstal-
Der DGUV Grundsatz 314-002 „Kontrolle von          tungs- und Produktionsstätten für szenische
Fahrzeugen durch Fahrpersonal“ enthält eine        Darstellung“.
Zusammenstellung von Hinweisen beziehungs-                                            Keatet deliquatum
weise Pflichten für Fahrpersonal. So muss sich     DGUV Information 209-049; bisher Bestia
                                                                                       BGI 746.
                                                                                             id et ilia do-
das Fahrpersonal von am öffentlichen Verkehr                                           lorecto et vero dem es-
teilnehmenden Kraftfahrzeugen (KFZ) vor jeder                                           ereped quossunt fugit
Arbeitsschicht vom vorschriftsmäßigen und                                                 elestem aut fuga.
betriebssicheren Zustand der KFZ überzeugen.
Bestellbar ist der DGUV Grundsatz voraussicht-
lich ab Anfang August 2018.

Vollständig überarbeitet und neu aufgelegt
wurde die „Technische Regel für Biologische
Arbeitsstoffe“. Die Neuauflage geht auf die Be-
dürfnisse der Unternehmen ein und bietet pra-
xisorientierte Unterstützung bei der Erstellung            ZURÜCKGEZOGEN
der Gefährdungsbeurteilung. Erstmals werden
genaue Beurteilungswerte festgelegt, mit deren     DIN EN 301549 (2015-11) „Anforderungen an
Hilfe der Unternehmer beurteilen kann, ob und      die Barrierefreiheit für öffentliche Beschaffung
in welchem Maße seine Beschäftigten durch          von IKT-Produkten und -Dienstleistungen in
Biostoffe gefährdet sind.                          Europa“ wurde zurückgezogen. Das Dokument
                                                   wurde ersetzt durch DIN EN 301549 (2018-05).

                                                                                    4/2018                             11
LEIHARBEIT

                                                                    Gleicher Schutz
                                                                            für alle

          D
                   ie Auftragslage ist hervorragend, die Pro-       bei jeder Einstellung sind die entsprechenden Stellen
                   duktion brummt, doch es sind einfach             im Einsatzbetrieb zu informieren. Dazu gehören neben
                   nicht genug Beschäftigte im Unternehmen,         dem Betriebsrat unter anderem Betriebsärztinnen und
                   um die Arbeit zu stemmen. Dann können            -ärzte, die Fachkräfte für Arbeitssicherheit und die
          Zeitarbeitskräfte die Stammbelegschaft für eine Weile     Sicherheitsbeauftragten.“
          unterstützen. So wie Stefan Meyer – er springt bei der
          Post ein, wenn es eng wird. Für seine Sicherheit und      Ein Tipp vom Experten: Eine Patin oder ein Pate aus
          Gesundheit sind sowohl das Zeitarbeitsunternehmen         der Stammbelegschaft kann die Integration von Zeitar-
          verantwortlich, bei dem er angestellt ist, als auch der   beitskräften in den Arbeitsschutz erleichtern. Stefan
          Einsatzbetrieb, in dem er arbeitet. So schreibt es das    Meyer hat so einen direkten Ansprechpartner, wenn er
          Arbeitnehmerüberlassungsgesetz vor.                       Fragen hat.

          Vorgehen wie bei jeder Neueinstellung                     Gleiches Recht für alle
          „Für die Zeitarbeitsbeschäftigten gelten die gleichen     Ergibt sich aus der Gefährdungsbeurteilung, dass eine
          Regeln des Arbeitsschutzes wie für alle anderen           arbeitsmedizinische Pflicht- oder Angebotsvorsorge
          Beschäftigten auch“, erklärt Carsten Zölck, Leiter des    notwendig ist, muss diese natürlich auch bei Stefan
          DGUV Sachgebiets Zeitarbeit und Präventionsexperte        Meyer vor Aufnahme der Tätigkeit erfolgen. Zudem
          der Verwaltungs-Berufsgenossenschaft (VBG). „Wie          sollte Zeitarbeitskräften auch die Teilnahme an Maß-

12                      4/2018
Experten-Tipp
                                                                                                                                                              Eine Patin oder
                                                                                                                                                              ein Pate aus der
                                               Zeitarbeitskräfte gehören genauso zur Belegschaft wie                                                        Stammbelegschaft
                                                                                                                                                           kann die Integration
                                               Festangestellte – der Arbeitsschutz gilt auch für sie. Dennoch
                                                                                                                                                          von Zeitarbeitskräften
                                               ist manches mehr zu beachten.                                                                               in den Arbeitsschutz
                                                                                                                                                                erleichtern.

                                               nahmen der betrieblichen Gesundheitsförderung, wie          Unfallgefährdung hängt vom Arbeitsplatz ab
                                               einem Rückenkurs oder einer Ernährungsberatung,             „Es gibt keine Untersuchungen, die nachweisen, dass
                                               möglich sein.                                               Zeitarbeitskräfte grundsätzlich stärker unfallgefährdet
                                                                                                           sind als andere Arbeitnehmende, weil sie als Zeit-
                                               Unterweisungen wenn nötig anpassen                          arbeitskräfte arbeiten“, erklärt der Experte Carsten
                                               Einsatzbetriebe müssen alle ihre Beschäftigen               Zölck. „Allerdings arbeiten in der Zeitarbeitsbranche
                                               arbeitsplatzbezogen unterweisen – Zeitarbeitskräfte         im Vergleich zur Gesamtheit der Beschäftigten über-
                                               ebenso wie alle anderen Arbeitnehmerinnen und               proportional mehr Menschen mit dem Anforderungs-
Foto: Thinkstock/Rawpixel Icon: flaticon.com

                                               Arbeitnehmer. „Es ist dabei zu berücksichtigen, dass        niveau ‚Helfer‘. Sie üben häufig manuelle Tätigkeiten
                                               die Zeitarbeitskräfte oft das erste Mal in der jeweiligen   aus, etwa in der Produktion und der Logistik.“ Dort sei
                                               Branche tätig sind“, ergänzt Zölck. Führungskräfte          die Unfallgefahr generell höher als zum Beispiel bei
                                               sollten darum darauf achten, ob spezifische Fachbe-         Büroarbeit – ganz unabhängig von der Zeitarbeit.
                                               griffe bekannt sind, und diese wenn nötig erläutern.
                                               „Ihr Einsatz im Betrieb muss sorgfältig vorbereitet und     AUTORIN: Yvonne Millar
                                               die Zeitarbeitskräfte müssen entsprechend unterwie-
                                               sen und eingearbeitet werden – wie bei jedem neuen
                                               Beschäftigten“, betont der Experte.

                                                                                                                                       Weitere Informationen,
                                                                                                                                    Tipps und Hinweise zum
                                                                                                                                    Einsatz von Zeitarbeitskräften
                                                                                                                                     DGUV-Regel 115-801 auf
                                                                                                                                       dguv.de

                                                                                                                                     Kampagne „Sicherheit bei Zeitarbeit“
                                                                                                                                        sicherheit-bei-zeitarbeit.de

                                                                                                                                                          4/2018                   13
P R ÄV E N T I O N

                Kontrolle ist gut,
                 Vertrauen ist besser
                           Motivation für Prävention – Professor Dr. Rüdiger Trimpop, Inhaber
                           des Lehrstuhls für Arbeits-, Betriebs- und Organisationspsychologie
                           an der Friedrich-Schiller-Universität Jena, im Interview mit Natascha
                           Plankermann von der Bundesarbeitsgemeinschaft für Sicherheit und
                           Gesundheit bei der Arbeit.

Die meisten Unfälle am Arbeitsplatz pas-     Verhalten desjenigen zu verändern, der        Geben Sie bitte ein Beispiel hierfür.
sieren, weil sich jemand falsch verhält –    den letzten Fehler in der Kette begeht. So    Ich sage den Sicherheitsfachkräften immer,
ist das richtig?                             wäre es zum Beispiel wichtig, nicht nur ein   sie sollten den Nutzen eines Fehlverhaltens
Es stimmt, dass 80 Prozent der Arbeitsun-    günstiges, sondern auch ein sicheres Gerät    erfassen. Sie haben gewonnen, wenn sie es
fälle als verhaltensbedingt eingestuft und   zu kaufen, wenn ein neuer Arbeitsplatz        schaffen, die Menschen von einem anderen
nur rund zwei bis fünf Prozent durch die     eingerichtet wird. Das bedeutet schon im      Verhalten zu überzeugen, bei dem die Idee,
Technik verursacht werden. Schaut man        Einkauf eine Änderung des Denkens und         oder der Nutzen, die hinter dem falschen
jedoch genau hin, dann spielt die organi-    Verhaltens.                                   Verhalten stecken (etwa Zeitersparnis),
satorische Komponente dabei auch eine                                                      erhalten bleiben. Ein bestimmtes Verhalten
große Rolle. So gerät etwa jemand mit der    Wie können Sicherheit und Gesundheit          einfach zu verbieten, klappt in den seltens-
Hand in eine Presse, weil er unter Zeit-     auch im betrieblichen Alltag einen anderen    ten Fällen.
druck gesetzt wird. Oder eine Lichtschran-   Stellenwert bekommen?
ke wird umgangen, weil sich auf diese        Wichtig wäre es, dazu Fragen bei Einstel-     Aber es gibt doch Gesetze ...
Weise die Arbeit am schnellsten erledigen    lungsgesprächen zu stellen sowie Jahres-      Richtig. Unternehmer sind allerdings in
lässt.                                       gespräche zum Arbeitsschutz einzuführen.      der Regel nicht daran interessiert, alle
                                                                                           Gesetze einzuhalten – deshalb ist Regel-
Steckt dahinter nicht auch menschliches      Müssen dazu Anreize gegeben werden?           treue nur für wenige ein passender Köder.
                                                                                                                                          Fotos: Uni Jena; Markus Breig

Fehlverhalten?                               Ich halte es für weltfremd, von Menschen      Man möchte indes nicht mit dem Gesetz in
Ja. Aber bei 99 Prozent der rein verhal-     zu verlangen, alle Gefahren zu vermeiden.     Konflikt kommen. Deshalb ist es wichtig,
tensbedingten Unfälle finden wir auch        Stattdessen sollte man ihnen beibringen,      bei bestimmten Maßnahmen eine Kosten-
Organisationsfehler von Führungskräften      wie sie ihre Kompetenzen nutzen können,       und Nutzenabwägung oder vielmehr eine
oder Fehlplanungen von Mitarbeitern.         um Gefahren richtig einzuschätzen.            Abwägung von Chancen und Gefahren zu
Das heißt, es geht nicht nur darum, das                                                    machen.

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Wichtig: nicht nur günstiges,
                                                                                                           sondern sicheres Gerät zu kaufen.

Muss zum Beispiel ein Gerüst aufgebaut            „Es geht darum,                            Eine Vereinheitlichung der Kontrolle führt
werden, um auf einer Baustelle etwas in                                                      häufig zu psychischen Belastungen und
großer Höhe zu reparieren, so besagt die         Menschen klug zu                            nachlässigem Umgang mit Geräten – da-
Regel: Die Baustelle soll stillgelegt werden,                                                durch entstehen Unfälle.
bis das Gerüst steht. Was macht aber ein         machen, damit sie
Mensch, der Kosten und Nutzen optimiert?                                                     Sie sehen den Kontrollansatz also kritisch?
Er wählt eine andere Absturzsicherung und       vernünftige Entschei-                        Ja, denn wenn jeder Schritt genau vorge-
so kann jemand hochklettern, um die Re-                                                      geben und dokumentiert wird, reduziert
paratur zu erledigen. Auf diese Weise wird        dungen treffen.“                           dies die Eigenverantwortung sowie die
eine realistische und sichere Ersatzleistung                                                 Motivation und erzeugt im Gegenzug sogar
gefunden, um auf anderen Wegen das Ziel                                                      erhöhten Stress. Das zeigen viele Unter-
zu erreichen.                                                                                suchungen und arbeitspsychologische
                                                                                             Modelle.
Was die Mitarbeiter betrifft, so werden
diese andere Wege gehen, wenn sie               schieht. Allerdings wissen die Menschen      Die Bedeutung der Eigenverantwortung
bequem sind. Das geschieht jedoch               auch, dass sie sicher und gesund bei der     gilt natürlich ebenso im Arbeits- und
nicht, wenn man sie verhaltensorientiert        Arbeit bleiben, und bekommen dazu die        Gesundheitsschutz und erst recht in der
zwingt, einen umständlicheren Weg zu            passende Ausrüstung. Dennoch steht bei       Verkehrssicherheit. Denn da sitzt niemand
gehen. Es geht darum, Menschen klug             Dupont wie auch bei vielen amerikani-        daneben, sondern wir selbst bestimmen
zu machen, damit sie eine vernünftige           schen Firmen ein entgegengesetzter Weg       über unsere Sicherheit und Gesundheit.
Entscheidung treffen.                           dahinter wie derjenige, den ich favori-      Förderliche Rahmenbedingungen und
                                                siere: Dort erhalten die Mitarbeiter keine   risikokompetente Mitarbeiter sorgen auch
Klappt das in jedem Fall?                       Handlungs- und Entscheidungsfreiheit,        dann für Unfallprävention, wenn niemand
Ein besonderer Fall ist das Chemieunter-        es gibt einheitliche Standards, an die sie   sie überwacht oder eine unerwartete Ge-
nehmen Dupont: Dort wird streng kontrol-        sich halten müssen. In der deutschen         fahr auftritt. Alle gewinnen!
liert, ob Mitarbeiter die Regeln einhalten.     Großindustrie wird diese Art der Vorgaben
Sie erhalten eine Abmahnung oder gleich         häufig übernommen, mit fatalen Folgen:       INTERVIEW: Natascha Plankermann
die Kündigung, wenn dies nicht ge-              Der Stress steigt, die Motivation sinkt.

                                                                                                         4/2018                           15
KO M M U N I K AT I O N

                                  Für mehr Transparenz
                                        im Krankenhaus

            E
                      ine gute Ausbildung, klare Spielregeln und
                      feste Standards in der Kommunikation zwi-
                      schen Ärztinnen, Ärzten und Pflegekräften–
                      das macht für Adelheid Kuhlmey die interpro-
              fessionelle Zusammenarbeit in einem Krankenhaus
              aus. Doch noch ist das in Deutschland nicht der Fall,
              kritisiert die Direktorin des Instituts für Medizini-
              sche Soziologie und Rehabilitationswissenschaft der
              Charité Universitätsmedizin in Berlin. In vielen deut-
              schen Krankenhäusern gibt es keine funktionierende
              Kultur des Miteinanders zwischen den verschiedenen
              Berufsgruppen. Ärztinnen, Ärzte und Pflegepersonal
              kommunizieren wenig und arbeiten nicht auf Augen-
              höhe miteinander. Jeder bleibt in seinem Fachgebiet
              und oft fehlt es an gegenseitiger Wertschätzung. Das
              ist problematisch für das Betriebsklima und erschwert
              Arbeitsabläufe.

              Um Kompetenzen wissen – gegenseitig entlasten
              „Gerade in Krankenhäusern, wo die Arbeits- und
              Stressbelastung sowieso schon groß ist, ist interpro-
              fessionelle Zusammenarbeit heute wichtiger denn je“,
              sagt Adelheid Kuhlmey. „Es ist wichtig, die Kompeten-
              zen der anderen Gesundheitsberufe zu kennen, sie in
              Entscheidungen einzubinden und Verantwortung zu
              teilen, um sich gegenseitig zu entlasten.“ Für Kuhl-
              mey ist klar: Für interprofessionelle Zusammenarbeit
              zwischen medizinischen Führungskräften und Pflege-
              kräften brauchen Krankenhäuser in Deutschland eine
              neue Arbeitskultur. Sie ist aber optimistisch: „Wo die
              Voraussetzungen im Krankenhaus stimmen, kann die
              Kommunikation Welten bewegen.“

              Flache Hierarchien helfen heilen
              Flache Hierarchien sind eine der wichtigsten Grundvo-
              raussetzungen, um etwas zu ändern. Ärzteteams und
              die Teams der Pflegekräfte blieben oft unter sich und
              hätten kaum Berührungspunkte. „So kommt es viel
              schneller zu Missverständnissen und Fehlern in den
              Abläufen.“ Außerdem fehle oft die Wertschätzung für
              die Arbeit der anderen, was erfolgreicher Kommunika-
              tion im Wege steht.

              Interdisziplinäres Denken gehört in die Ausbildung
              Kuhlmey fordert, dass die interprofessionelle Zusam-
              menarbeit stärker in die Ausbildung integriert werden
              soll. Dazu seien zum Beispiel interprofessionelle Aus-

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Eine gut funktionierende interne Unternehmenskommunikation trägt
wesentlich zum Erfolg des Unternehmens bei. Das ist nicht neu. Dennoch
tun sich viele Vorgesetzte immer noch schwer, offen zu kommunizieren,
Transparenz zu fördern und Hierarchien abzubauen. Deshalb ist es sinnvoll,
in regelmäßigen Abständen zu prüfen, wie gut die Kommunikation im Team
eigentlich funktioniert. Das gilt auch für Krankenhausteams.

                                                                                       bildungsmodule für Medizinstudentinnen, -studenten
                                                                                       und Pflegeauszubildende sinnvoll. Denn: Unzurei-
                                                                                       chende Kenntnisse über das Fachwissen der späteren
                                                                                       Kooperationspartner erschweren die Zusammenarbeit
                                                                                       enorm.

                                                                                       Teamarbeit ist Pflicht, nicht Kür
                                                                                       „Teamarbeit darf nicht bloß Goodwill sein. Notwendig
                                                                                       sind angemessene Standards in der Kommunikati-
                                                                                       on und in der Informationsübermittlung“, fordert
                                                                                       Kuhlmey. Klare Rahmenbedingungen und gute
                                                                                       Arbeitsteilung, die sich an der besten Versorgung der
                                                                                       Patientinnen und Patienten orientieren, sind für sie              Neue Arbeitskultur
                                                                                       unumgänglich.                                                      Flache Hierarchien,
                                                                                                                                                         Zusammenarbeit auf
                                                                                       In Skandinavien ist die berufsgruppenübergreifende                      Augenhöhe
                                                                                       Zusammenarbeit bereits weit verbreitet, in Deutsch-               zwischen den Berufs-
                                                                                       land sieht die Lage noch anders aus. Allerdings                   gruppen und verbes-
                                                                                       konzentrieren sich auch hierzulande immer mehr                    serte Kommunikation
                                                                                       Krankenhäuser darauf, die interprofessionelle Zusam-              erhöhen die Behand-
                                                                                       menarbeit zu verbessern.                                              lungsqualität.

                                                                                       Interprofessionalität – davon profitieren alle
                                                                                       Interprofessionelle Zusammenarbeit hat viele Vor-
                                                                                       teile. Einer davon: Ein besseres Miteinander hilft,
                                                                                       Nachwuchs zu finden. In der Medizin gibt es zwar
                                                                                       noch ausreichend Nachwuchs, in der Pflege ist die
                                                                                       Situation aber bereits angespannt. Eine stimmige
                                                                                       Kooperationsatmosphäre wirkt sich auf Pflegekräfte
                                                                                       aber auch dahingehend aus, dass sie zufriedener
                                                                                       arbeiten und sich mehr an die Einrichtung binden.
                                                                                       Patientinnen und Patienten profitieren von interpro-
                                                                                       fessionellen Teams ebenfalls. „Unsere Forschungslage
                                                                                       dazu ist mager. Aber die vorliegenden Studien zeigen,
                                                                                       dass interprofessionelle Versorgung – verbunden mit
                                                                                       standardisierten Absprachen und Übergaben – die
                                                                                       Behandlungsqualität im
                                                                                       Krankenhaus erhöht. Sie

                                                                                                                     »
                                  Foto: Thinkstock/Wavebreakmedia Icon: flaticon.com

                                                                                       sorgt für qualitativ besse-
                                                                                       re Versorgungsleistungen,             Ein Beitrag im Rahmen der Kampagne
                                                                                       Drehtüreffekte nehmen
                                                                                       ab, die Liegedauern ver-
                                                                                       kürzen sich.“                                         Sicher. Gesund. Miteinander.

                                                                                       AUTOR: Olaf Wittrock                      kommmitmensch.de

                                                                                                                                            4/2018                          17
A SA

                        Letʼs
                                                                     talk!

            Arbeitsschutzausschuss
                                                                           ASA vernetzt verschiedene Akteurinnen und Akteure
                                                                           An den Treffen nehmen Personen teil, die für Sicher-
„Wirklich? Ist es wieder soweit?“ Ja genau. Drei Monate
                                                                           heit und Gesundheit im Betrieb zuständig sind. Das
sind rum, der nächste Termin für den Arbeitsschutzaus-                     Ziel der Sitzungen ist, diese beiden Bereiche bei der
schuss steht an. Zeit, um sich mit den Beteiligten über Si-                Arbeit zu verbessern. In § 11 des Arbeitssicherheitsge-
                                                                           setztes (ASiG) ist die gesetzliche Regelung zur Bildung
cherheit, Unfallverhütung, Gesundheit und Prävention im
                                                                           eines ASA festgelegt. Dieser Ausschuss setzt sich
Betrieb auszutauschen. Ein kleiner Zeitaufwand mit großer                  zusammen aus:
Wirkung, denn hier wird unter anderem festgelegt, was                        Arbeitgeberin oder Arbeitgeber/eine beauftragte
                                                                             Person
beim Arbeitsschutz verbessert werden kann und in wel-
                                                                             zwei vom Betriebsrat bestimmten Betriebsrats-
chem zeitlichen Rahmen das geschehen soll.                                   mitgliedern
                                                                             Betriebsärztinnen und -ärzten
                                                                             Fachkräften für Arbeitssicherheit
                                                                             Sicherheitsbeauftragten nach § 22 des Sozialgesetz-

                 D
                          er Kalender ist voll, Deadlines rücken näher       buches VII
                          und dann soll auch noch Zeit für den Arbeits-
                          schutzausschuss (ASA) gefunden werden.           Gemeinsam etwas bewegen
                          Zumindest die Vorgesetzten können schwer         Der ASA ist in erster Linie ein Kommunikationsforum.
                  etwas gegen den Zeitaufwand haben, denn: Hat ein         Hier können die Teilnehmerinnen und Teilnehmer
                                                                                                                                     Illustration: Thinkstock/Rawpixel

                  Betrieb mehr als 20 Beschäftigte, sind Arbeitgeberin-    Probleme offen ansprechen und gemeinsam nach
                  nen und Arbeitgeber gesetzlich verpflichtet, einen ASA   Lösungen suchen. Die verschiedenen Arbeitsbereiche
                  zu bilden. Die Mitglieder kommen mindestens einmal       der Beteiligten ermöglichen unterschiedliche Sicht-
                  im Quartal zusammen und sprechen über den betrieb-       weisen, sodass Schwachstellen ganzheitlich angegan-
                  lichen Arbeitsschutz sowie die Unfallverhütung.          gen werden können.

                                                                           AUTORIN: Katharina Münster

18                  4/2018
5
      Tipps für erfolgreiche
      ASA-Sitzungen

    Offene Atmosphäre schaffen                        Vertretungsregelungen
1   Im ASA gibt es keine Hierarchien. In den
    Köpfen der Mitarbeiterinnen und Mitar-
                                                  4   „Viele Köche verderben den Brei“, heißt eine
                                                      bekannte Redewendung. Das kann auch
    beiter sind und bleiben Sie jedoch die            auf ASA-Sitzungen zutreffen, denn große
    Führungskraft. Das kann dazu führen,              Gruppen erschweren die Kommunikati-
    dass sie nicht offen Kritik üben möchten.         on. Gibt es in einem Betrieb zum Beispiel
    Fordern Sie diese daher ein und denken            mehrere Sicherheitsbeauftragte, dann gibt
    Sie auch daran: Die Sicherheitsbeauftrag-         es verschiedene Möglichkeiten, sie an den
    ten, Fachkräfte für Arbeitssicherheit sowie       ASA-Sitzungen zu beteiligen, zum Beispiel
    Betriebsärztinnen und -ärzte sind hier die        über Rotation und Information.
    Experten, denen Sie zuhören sollten.
                                                      Protokoll führen
    Externe Unterstützung einholen                5   „Nein, das haben wir nie vereinbart.“ Um
2   Die erste ASA-Sitzung steht an? Dann kön-
    nen Expertinnen und Experten der zustän-
                                                      Missverständnisse zu vermeiden und sicher-
                                                      zugehen, dass Abmachungen eingehalten
    digen Berufsgenossenschaft oder Unfall-           werden, gilt: Führen Sie Protokoll. Dieses
    kassen gegebenenfalls bei der Vorbereitung        sollte auch eine „Wer macht was wann“-
    und Durchführung des ASA unterstützen.            Liste enthalten. Bei der nächsten Sitzung
                                                      können Sie dann gemeinsam überprüfen,
    Passende Themen finden                            ob alle ihre Aufgaben erledigt haben –
3   Klassische Themen einer Sitzung sind
    zum Beispiel das Unfallgeschehen und die
                                                      und wenn nicht, woran die Umsetzung
                                                      gescheitert ist.
    arbeitsmedizinische Vorsorge im Betrieb.
    Sie möchten aktiv an der Themenfindung
    mitwirken?
      Machen Sie eine Betriebsbegehung mit
      den Teilnehmenden. So können Sie die                  Benötigen Sie Unterstützung
      Arbeitsbedingungen gemeinsam beurtei-              bei Ihren ASA-Sitzungen?
      len und bewerten.
                                                         Fragen Sie Ihren Unfallversicherungs-
      Nutzen Sie die ASA-Checks als Ideenbör-
                                                         träger. Kontakt über:
      se. Wählen Sie gemeinsam Schwerpunkt-
      themen aus, die Sie bei der nächsten                   dguv.de > Webcode „d80“
      Sitzung besprechen möchten, zum
      Beispiel „Ergonomie beim Transport“.
      Die Teilnehmenden haben dann Zeit,
      sich gezielt auf das jeweilige Thema
      vorzubereiten. Die ASA-Checks können
      so für ein strukturiertes Vorgehen bei
      den Sitzungen sorgen. Die ASA-Checks
      finden Sie unter:
          dguv.de – Webcode „d125363“

                                                                             4/2018                  19
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                                                                   Eine Box, sechs Handlungsfelder – die kommmit-
                                                                   mensch-Dialoge sind ein neu entwickeltes Instrument
                                                                   der gleichnamigen Präventionskampagne der DGUV.
                                                                   Es soll dabei helfen, Arbeitsabläufe in Betrieben und
                                                                   öffentlichen Einrichtungen zu verbessern und sicherer
                                                                   zu gestalten. Inhaltlich reichen die Handlungsfelder von
       ... Lesen:                                                  Führung und Kommunikation über Beteiligung und Feh-
                                                                   lerkultur bis zu Betriebsklima sowie Sicherheit und Ge-
                                                                   sundheit. Die Dialogbox zielt darauf ab, Führungskräfte
                                                                   und Beschäftige spielerisch und in offener Atmosphäre
                                                                   miteinander ins Gespräch zu bringen. Das Team verstän-
     Gründe für psychische                                         digt sich mit Hilfe der Dialogkarten auf ein Thema und
     Belastung erkennen                                            diskutiert Beispiele aus dem eigenen Arbeitsalltag. Eine
                                                                   Moderatorin oder ein Moderator strukturiert die Gesprä-
     Die neue Broschüre „Psychische Arbeitsbelastung und
                                                                   che und achtet darauf, dass jeder Beitrag gehört wird.
     Gesundheit“ richtet sich an Führungskräfte und Perso-
                                                                   Die kommmitmensch-Dialogbox kann kostenlos bei der
     nalverantwortliche. Es werden sowohl problematische,
                                                                   DGUV bestellt werden.
     krankmachende Alltagssituationen als auch Lösungsan-
     sätze gezeigt. Neu ist die Benennung von fünf Schlüs-             kommmitmensch.de > Toolbox
     selfaktoren psychischer Belastung, die branchen- und
     tätigkeitsübergreifend krankmachen: Arbeitsintensität,
     Arbeitszeit, Handlungsspielraum, soziale Beziehungen,
     insbesondere zu Vorgesetzten, und Arbeitsumgebungs-
     bedingungen, insbesondere die Belastung durch Lärm.
     Sie müssen in der Gefährdungsbeurteilung immer be-
     rücksichtigt werden. Die Broschüre gibt einen Überblick
                                                                 ... Mitmachen:
     über den Zusammenhang von Arbeit und psychischer
     Gesundheit und präsentiert zentrale wissenschaftliche
     Erkenntnisse über psychische Belastungsfaktoren am
     Arbeitsplatz. Grundlage dafür waren die Ergebnisse des    Altersgemischt arbeiten
     Projekts „Psychische Gesundheit in der Arbeitswelt“ der
                                                               Vielen Betrieben macht das steigende Durchschnitts-
     Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin,
                                                               alter ihrer Belegschaft Sorgen. Ein Angebot des Instituts
     in dem neue Erkenntnisse zur psychischen Belastung
                                                               für Arbeit und Gesundheit der DGUV in Dresden kann
     der Arbeit systematisch aufbereitet und ausgewertet
                                                               weiterhelfen. Das Seminar „Gestaltung von Arbeit und
     wurden. Die Broschüre kann kostenlos heruntergeladen
                                                               Arbeitszeit für Belegschaften im demografischen Wan-
     werden unter:
                                                               del“ soll die Teilnehmenden unterstützen, den unter-
        gda-psyche.de > Downloads > Publikationen              schiedlichen Bedürfnissen ihrer Beschäftigten gerecht
                                                               zu werden. Im Kurs sollen Instrumente an die Hand ge-
                                                               geben werden, um Lebensarbeitskonzepte flexibler zu
                                                               gestalten. Darüber hinaus gibt es praktische Übungen,
                                                               zum Beispiel Konzepte für das eigene Unternehmen
                                                               zu entwickeln. Der Fokus wird auf die Gestaltung von
                                                                                                                              Icons: flaticon.com; Wirtschaft inklusiv

                                                               Arbeitszeit und altersgerechten Schichtarbeitssystemen
                                                               gelegt. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer sollen im
                                                               Anschluss an das Seminar in der Lage sein, den Ar-
                                                               beitsalltag ihrer Beschäftigten besser altersgerecht zu
                                                               gestalten. Das Seminar findet vom 17.10. bis 19.10.2018
                                                               in Dresden statt.
                                                                   dguv.de > iag-seminare

20                    4/2018
Infos rund um Inklusion
Was spricht dafür, junge Menschen mit
Schwerbehinderung auszubilden? Wo finde ich
geeignete Bewerber? Kann ein Arbeitgeber einen
Menschen mit Schwerbehinderung als Prakti-
kanten beschäftigen? Gibt es Zuschüsse, wenn
ein Betrieb junge Menschen mit Behinderung
ausbildet? Das sind nur einige der vielen Fragen,
                                                                  Unnötige Unfälle
die auf der neuen Homepage des Beratungskom-                      Sich sichtbar machen macht sicher. Neun von zehn
passes Inklusion beantwortet werden. Gegliedert                   Unfällen sind vermeidbar laut einer Studie der
wird die Seite nach den Themen Eingliederung,                     Bundesanstalt für Straßenwesen. Neun von zehn
Einstellung, Ausbildung, Förderung, BEM und                       Pkw-Fahrerinnen und -fahrer geben nach einem Unfall
Beschäftigung. Die Seite bietet zudem Auskünfte                   an, die Verkehrsteilnehmenden, die zu Fuß unterwegs
zu individuellen Fragen, nennt Ansprechpartne-                    waren, nicht gesehen zu haben. Dunkel gekleidete
rinnen und Ansprechpartner des Netzwerks in                       Menschen sind in der Dämmerung und nachts im
den Projektregionen und enthält eine Sammlung                     Straßenverkehr sehr schlecht zu sehen. So liegt die
relevanter Links rund um die Themen Beruf und                     Sehleistung des menschlichen Auges nachts nur noch
Inklusion. Auf der Seite finden die Leserin und der               bei fünf Prozent. Pkw-Fahrerinnen und -fahrer sehen
Leser auch Links zu wichtigen Gesetzestexten wie                  Verkehrsteilnehmende, die mit dem Rad oder zu Fuß
zum Beispiel zum Sozialgesetzbuch IX (SGB IX).                    unterwegs sind, grundsätzlich frühestens in einem
Darüber hinaus bietet die Seite auch Informatio-                  Abstand von 25 Metern. Bei einer Geschwindigkeit
nen zu UN-Behindertenrechtskonventionen und                       von 50 km/h beträgt der Bremsweg circa 28 Meter –
Gerichtsurteilen.                                                 deutlich zu viel, um selbst bei einer Vollbremsung
                                                                  noch rechtzeitig zum Stehen zu kommen. Die Berufs-
   beratungskompass-inklusion.de
                                                                  genossenschaft Energie Textil Elektro Medienerzeug-
                                                                  nisse weist aktuell auf Gefahren hin und empfiehlt
                                                                  eine Ausrüstung für Berufsgruppen, die oft im Dunkeln
                                                                  unterwegs sind. Reflektierende und helle Kleidung
                                                                  wird empfohlen und soll für bessere Sichtbarkeit im
                                                                  Straßenverkehr sorgen und kann vor lebensgefährli-
                                                                  chen Unfällen schützen.

                                                                         bgetem.de > presse

                       DGUV Unfallstatistik
                       Laut der vorläufigen Unfallstatistik der DGUV für 2017 bleibt die Zahl
                       der Arbeitsunfälle weiter auf niedrigem Niveau. So gab es 0,4 Prozent
                       weniger meldepflichtige Arbeitsunfälle als im Vorjahr. Auch die Zahl der
                       neuen Unfallrenten ist gesunken. Allerdings endeten 454 Arbeitsunfälle
                       tödlich, das sind 30 mehr als im Jahr davor. Dabei sank die Zahl in eini-
                       gen Branchen wie der chemischen Industrie oder dem Transport. Die Zahl
                       der meldepflichtigen Wegeunfälle stieg dagegen um 2,2 Prozent an. 2017
                       verunglückten 29 Personen weniger als im Vorjahr tödlich auf dem Weg zur
                       Arbeit. Weniger Unfälle ereigneten sich in Schulen (4,6 Prozent weniger)
                       und auf dem Weg zur Schule (5,3 Prozent).
                           dguv.de > zahlen-fakten > vorläufige zahlen

                                                                                              4/2018                      21
G LOSSE

       Bestseller-Autorin Constanze Kleis schlüpft für       in die Rolle von
       Hausmeisterin Conny. Sie betrachtet alltägliche Dinge der Arbeitswelt
       aus einem ganz speziellen Blickwinkel ...

        SHALIMAR,
        DIE LEBERWURST
        UND ICH

        A
                  ls Hausmeisterin komme ich ganz                                                    einem Zitrusduftbäumchen-
                  schön rum. Und nicht nur ich.                                                     wald gezeltet. Und wenn die
                  Auch meine Nase. Schließ-                                                         neue Abteilungsleiterin so ein
                  lich arbeite ich nicht                                                             herber Duft von Männlichkeit
       bloß mit Herrn Müller aus                                                                     begleitet, so von Boss oder La-
       der Buchhaltung und Frau                                                                     gerfeld, soll der sie besonders
       Schulze von der IT zu-                                                                     kompetent wirken lassen, weil sie
       sammen, sondern auch mit                                                               dann so ein bisschen der Hauch von
       Shalimar, Fichtennadel, Cool                                                       Leitwolf umweht. Außerdem könnte man
       Water und Maiglöckchen. Düfte, an                                                  so eine Bürobelegschaft bloß mit ein
       denen ich manche Kollegen auch bei totalem                                         wenig Eukalyptus-Geruch in ein ganzes
       Stromausfall erkennen würde. Bisweilen                                             Rudel hochmotivierter Duracell-Häschen
       wünscht man sich da schon diese kleinen                                            verwandeln, die laufen und laufen und
       Nasenklammern, die die immer beim Syn-                                             laufen. Um zu verstehen, was Maria, die
       chronschwimmen tragen, um wenigstens so                                            Sekretärin, mit Shalimar erreichen will,
       lange die Luft anhalten zu können, wie es                                          braucht man allerdings nicht die Wis-
       braucht, um bei Herrn Schmidt im Büro die                                          senschaftsseite der Zeitung bemühen. Es
       Glühbirne zu wechseln. Weil der offenbar                                           genügt, sie dabei zu beobachten, wie sie
       ausschließlich von Leberwurst mit Zwiebeln                                         in der Kantine den Neuen anschmachtet.
       lebt. Aber man kann halt nicht nicht atmen.                                        Was aber bezweckt Herr Schmidt mit der
       Außerdem soll das Riechen die direkteste                                           Leberwurst-Zwiebel-Zumutung? „Ach,

                                                                                                                                       Illustrationen: Thomas Walloch; Thinkstock/Tamiris6 Fotos: DGUV
       Sinneswahrnehmung sein, habe ich gelesen.                                          der wollte doch schon lange ein eigenes
       Und dass das, was wir über unsere Nase                                             Büro“, raunt mir Emil, der Praktikant,
       empfangen, sofort in jene Hirnregionen                                             zu. „Der hat vorher total unauffällige
       gelangt, die für unsere Gefühle und Triebe                                         Schinkenbrote gegessen.“ Ah ja! In so
       zuständig sind. Deshalb entscheiden Düfte                                          einer Firma wird eben nicht nur gearbei-
       nicht nur darüber, ob wir jemand „riechen“                                         tet. Da wehen einem immer auch Sehn-
       können. Sie können auch motivieren, die                                            süchte, Leidenschaften und Wünsche
       Kreativität fördern und - das war meine                                            um die Nase. Und nicht nur dort. „Mhm.
       Lieblingsstelle in dem Artikel – schlank                                           Das riecht aber gut! Habe ich dir schon
       machen. Also, jedenfalls würde Orangen-                                            gesagt, dass du die beste Frau von allen
       duft den Eindruck erwecken, man wäre sehr                                          bist?“, sagt mein Mann, als ich abends
       dünn, auch wenn man allenfalls so mittel-                                          mit einem Pappkarton nach Hause kom-
       gewichtig ist. Das erklärt vielleicht, weshalb                                     me. Mein Duft-Geheimnis? Der Geruch
       Frau Schulze immer duftet, als hätte sie in                                        einer frischen Salami-Pizza.

                              Was sagen            Nehmen Sie an der           -Onlineumfrage
              E-
        ONLIN E               Sie dazu?            zu „Duftnoten“ am Arbeitsplatz teil und ge-
             AG                                    winnen Sie eines von fünf Powerpaketen,
        UMFR                                       bestehend aus Powerbank und Gigaset.

                                                        topeins.dguv.de/umfrage

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