WO KEIN RICHTER Internationale Organisationen bieten oft heißbegehrte Jobs. Doch es häufen sich Fälle von Willkür und Mobbing, weil rechtliche ...
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Internationale Organisationen bieten oft WO KEIN heißbegehrte Jobs. Doch es häufen sich Fälle von Willkür und Mobbing, weil rechtliche Immunität Sanktionen verhindert RICHTER … Fotos D I R K B RU N I E C K I Von P E T R A S O RG E
Werden am EPA Betriebsräte weggemobbt? Das Bei Patrick Corcoran, so das Fazit der Spurenanalyse, EPA-Direktorium, dem mit Vizepräsident Raimund seien „mehrere Tausend“ Dateien gefunden worden. Lutz, Generaldirektor für Recht und Internationale Er habe zahlreiche E-Mails an Staatsoberhäupter, Re- Angelegenheiten, auch ein Deutscher angehört, ent- gierungschefs, Journalisten oder das Europäische Par- gegnet: Die IGEPA habe alle seriösen Dialogversuche lament verfasst und habe vor „Korruption auf hoher des Managements „immer abgelehnt“. Ebene“ und „Vetternwirtschaft“ gewarnt, von einer Nicht die Gewerkschaft, auch der frühere Bun- „Balkan-Affäre“ um Battistelli und Vize Topic. desverfassungsrichter Siegfried Broß hält vieles, was Corcoran räumte ein, Kopien dieser Mails beses- an den fünf Standorten des Europäischen Patentamts sen zu haben, bestritt aber, sie verfasst zu haben. Da- Petra Sorge in München, Berlin, Den Haag, Wien und Brüssel ge- gegen spreche allein schon die schiere Menge an Daten. ist freie Journalistin in Berlin. Ihre Arbeit schieht, für gesetzeswidrig. Er sagt: „Die Menschen- Präsident Battistelli ordnete dennoch die Suspendie- führte sie bereits in viele rechte werden häufig missachtet.“ Im Auftrag von rung des Iren an – wegen Verleumdung. Dabei unter- Länder, 2017 recherchierte US-Pharmakonzernen hat Broß ein dickes Gutachten stehen Richter des EPA nicht dem Präsidium, sondern sie mit Fördermitteln zur Rechtsstaatlichkeit des Europäischen Patentüber- nur dem Verwaltungsrat. Das soll die interne Unab- des European Journalism einkommens verfasst, jener Akte, die zur Gründung hängigkeit sichern. Der Verwaltungsrat stimmte der Centre im indischen des Amtes 1977 führte. Die damals definierte Aufgabe: Maßnahme nachträglich zu – auch das gegen die Vor- Bergbausektor. Wie wenig Das EPA soll Unternehmen einen Anreiz für Innova- schriften – und beantragte beim zuständigen Richter- sich Arbeitnehmer aber auf die Internationale tionen schaffen – und so Arbeitsplätze in Europa si- gremium, der Großen Beschwerdekammer, der auch Arbeitsorganisation ILO chern. In Zeiten, da Handelskriege zwischen den USA, Corcoran einst angehörte, dreimal dessen Amtsenthe- verlassen können, lernte China und Europa drohen, braucht es das mehr denn je. bung. Aber die Richter erklärten die Anträge für unzu- sie erst in München lässig, obwohl sie offenbar massiv von Battistelli unter D A S D R A M A S P I E LT auf einer Bühne ohne Schein- Druck gesetzt wurden. „Alle gegenwärtigen Mitglie- werfer – ein rechtsfreier Raum, weil die Immunität der der Großen Beschwerdekammer“ sähen sich „mit des supranationalen EPA jede juristische Kontrolle Disziplinarmaßnahmen bedroht“, heißt es in der Ent- ausknipst. Präsident Battistelli aber lehnt die Rolle scheidung vom Juni 2016. „Dies untergräbt das Grund- er Rechtsweg des Iren Patrick Corcoran, des Bösewichts ab. Er sieht sich in der Opferrolle. Die prinzip der gerichtlichen Unabhängigkeit.“ D 54, endet kurz hinter der A 99, Abfahrt München-Haar. Hier auf dem Gebiet des Europäischen Patentamts (EPA) hat das deutsche Grundgesetz keine Gültigkeit mehr. Jahrelang hatte Corcoran für die Beschwerde- kammer des EPA als Richter gearbeitet, entschied etwa, ob Patente korrekt vergeben wurden. Bis er im Dezem- Pressestelle erklärte: „Seit der Einführung des Reform- mierungskampagne ausgesetzt“, mit der das Amt und Fachleute des internationalen Rechtes kritisieren prozesses ist das EPA einer unvergleichlichen Diffa- schon lange, dass Richtergremien in vielen interna- tionalen Organisationen nicht wirklich unabhängig insbesondere sein Top-Management „schwer diskre- sind. Die Richter solcher Gerichtshöfe – wie bei der ditiert“ würden. Die Methoden: „eine persönliche Schmierenkampagne, Unterstellungen, persönliche Drohungen, Fehlinformationen“. Das Ziel: „den Ruf ber 2014 in Verdacht kam, interne Informationen wei- des Amtes schwer zu schädigen“. Interne Rundschrei- tergegeben und Spitzenpersonal verleumdet zu haben. ben belegen: Das Amt fürchtet eine Kampagne nicht Corcoran war plötzlich eine Art Staatsfeind Nummer Dass es um mehr als nur den Fall Corcoran geht, nur gegen Battistelli, sondern auch gegen dessen zwei- eins auf dem supranationalen Terrain. Der französi- zeigt auch die mittlerweile 42. Demo der Internationa- ten Vize, den Kroaten Željko Topic. sche EPA-Präsident Benoît Battistelli startete einen Ra- len Gewerkschaft am Europäischen Patentamt (IGEPA). Einer der Hauptverdächtigen des Amtes ist Patrick Foto: Stephan Elleringmann/Laif (Seiten 74 bis 75), Antje Berghäuser (Autorin) chefeldzug: Er schickte Spione gegen den Iren, erteilte Zuletzt versammelten sich im März etwa 300 Mitarbei- Corcoran. Er darf – wie alle anderen EPA-Mitarbei- Hausverbot, schaltete Gerichte ein. Corcoran ist heute ter. Auf dem Gelände der Münchner Hauptzentrale an ter – nicht mit Journalisten reden. Cicero aber liegen beruflich ruiniert und seelisch zerrüttet. der Isar durften sie nicht demonstrieren und wichen drei als „vertraulich“ eingestufte Berichte zu seinem Der Fall des Richters Corcoran zeigt drastisch, was auf die von der Polizei abgesperrte Straße vor dem Fall von April und Mai 2016 vor, zusammen mehr als nicht nur am Europäischen Patentamt, sondern bei vie- schwarzen Siebziger-Jahre-Klotz aus. Die IGEPA wirft 180 Seiten. Sie stützen sich auf forensische Analysen len supranationalen Organisationen, etwa den Verein- dem Patentamt vor, auf diese Weise auch die Meinungs- der Investigativen Unit, einer Ermittlungseinheit des ten Nationen oder der Welthandelsorganisation schie- und Versammlungsfreiheit einzuschränken, dem EPA- EPA, die fast schon nachrichtendienstliche Befugnisse flaufen kann. Weil sowohl die Organisationen selbst als Chef Battistelli unterstellt sie einen „autokratischen hat: Das Team überwachte den Akten zufolge heimlich auch das Spitzenpersonal und die Mitarbeiter oft Im- Führungsstil“ und „Zensur“. Mit ihrem Motto fordern Corcorans E-Mails und PCs, durchkämmte sein Büro, munität genießen, entstehen quasi rechtsfreie Räume, sie nicht weniger als: „Grundrechte jetzt!“ beschlagnahmte seinen privaten USB-Stick, nahm Fin- Links: Der ehemalige Richter in denen nur die selbst gegebenen Regeln der jewei- Zuletzt hatte die Gewerkschaft nach eigenen An- gerabdrücke. Die EPA-Dienstvorschriften sehen vor, am Bundesgerichtshof Siegfried ligen Organisation gelten – geht alles gut, sind das gaben fast ihr ganzes Spitzenpersonal verloren: Ihr Ge- dass die Einheit bei Vorwürfen von Beleidigung oder Broß erhebt schwere Vorwürfe traumhafte Jobbedingungen. Nur was, wenn in sol- neralsekretär in Den Haag wurde entlassen. In Mün- Belästigung eingeschaltet wird. Im Fall Corcoran wur- chen Behörden ein System von Willkür entsteht, in chen traf es den Präsidenten und den Vize. Auch der den auch Unbeteiligte überwacht: Die Ermittler prä- Oben: Am Europäischen Patentamt in München gilt kein dem sich keiner gegen Druck, Mobbing oder sogar ge- Schatzmeister wurde degradiert. Die IGEPA sagt, sie parierten einen öffentlich zugänglichen Rechner mit deutsches Arbeitnehmerrecht gen Menschenrechtsverstöße wehren kann? alle hätten nur ihre Arbeit als Betriebsräte ausgeübt. Keyloggern, die mitlasen, was die Nutzer dort taten.
Welthandelsorganisation oder den Vereinten Natio- Vergütung einführte und die Zielvorgaben immer wei- nen – würden meist nur befristet angestellt, schreibt ter nach oben schraubte. Dieses Jahr sollen sich die der Genfer Anwalt Matthew Parish. Ernannt aber Mitarbeiter nach Gewerkschaftsangaben nochmals zu würden sie oft vom Chef der Organisation, „gegen einer Produktivitätssteigerung verpflichten: plus 10 bis den die Beschwerden eingehen“. Am EPA ignorierte 20 Prozent gegenüber 2017. Auch rühmt sich Battistelli, Benoît Battistelli sodann das Corcoran-Urteil. Er hielt die Krankentage um 40 Prozent gedrückt zu haben. Er am Hausverbot fest und reichte mit Željko Topic beim schuf medizinische Schnüffel- und Kontrolleinheiten: Landgericht München sogar Privatklagen wegen Belei- Eine Vorschrift – Rundschreiben 367 – besagt, dass digung ein. Vergeblich: Es fehle der Beweis, dass Cor- sich Kranke täglich von 10 bis 12 Uhr und von 14 bis coran der Urheber der Mails war, steht im Beschluss 16 Uhr in ihrer Wohnung aufhalten sollen, falls der des Gerichts vom November 2017. Amtsarzt klingelt. Wer nicht daheim ist, dem drohen Aber wenn Corcoran die Mails nicht verfasst Sanktionen, auch Depressiven oder Burnout-Patienten. hatte – warum suchten dann offenbar andere, unzu- Der Münchner Rechtsanwalt Alexander Holtz friedene Mitarbeiter ein Ventil nach außen? Die Kon- zählt auf, wie viele Grundrechte diese Regelung ver- ditionen im Europäischen Patentamt klingen eigent- letzt: „erstens das allgemeine Persönlichkeitsrecht, lich wie ein Traumjob: Ungefähr 11 000 Euro verdient zweitens das Recht auf Unversehrtheit der Wohnung, ein Patentprüfer monatlich, steuerfrei. Seit 2011 seien und drittens werden auch Belange und die Rechte der die Gehälter um 15 Prozent gestiegen, sagt das EPA. Angehörigen betroffen“. Die Pressestelle erklärt: „Die Hinzu kommen Sonderleistungen, Schulgeld für die Reformen werden die Zukunft des Amtes sichern und Kinder, der Status der Immunität. Nur kann jeder, machen das EPA zu einer europäischen Erfolgsstory.“ der das verliert, ins Bodenlose fallen: Versicherun- Zur „Erfolgsstory“ gehört auch die Tatsache, gen, Renten, Leistungen bei Berufsunfähigkeit – alles dass in den vergangenen sechs Jahren fünf Mitarbei- hängt von einer Institution ab. ter Selbstmord begangen haben. Manche im direkten Arbeitsumfeld: Laut IGEPA ist einer in Den Haag aus A L S B AT T I S T E L L I B E G A N N , das Amt auf maximale dem Bürofenster gesprungen. Ein anderer hat sich am Effizienz zu trimmen, ging es mit der Stimmung am letzten Ferientag erhängt. Die Gewerkschaft sieht ei- EPA abwärts. Seit seinem Amtsantritt 2010 hat er die nen Zusammenhang mit den Battistelli-Reformen. Das Zahl der bewilligten Patente um 82 Prozent erhöht – EPA erklärte, es sei „zutiefst besorgt“ über die Sui- auf 106 000 im Jahr 2017, ein neuer Rekord. Und das zide. Doch „entgegen allen Prinzipien der Kollegiali- nach eigenen Angaben bei sinkenden Betriebskosten. tät“ hätten einzelne Individuen die Vorfälle „für po- Das schaffte er, indem er eine neue leistungsbezogene litische Zwecke“ genutzt. Warum dieser unbedingte Wachstumskurs des Pa- tentamts? Alles für die Wirtschaft und den Ideenstand- ort Europa? Selbst die Industrie sieht das zunehmend D I E O RG A N I S AT I O N skeptisch. Ende 2016 befragte das Wirtschaftsanwalts- D E S E U RO PÄ I S C H E N PAT E N TA M T S magazin Juve 168 Technologieunternehmen, wie sie die Qualität der Patenterteilungsverfahren am EPA einschätzten. 54 Prozent sagten, sie seien unzufrie- Mitgliedstaaten Europäisches den. Eine knappe Mehrheit von 50,2 Prozent sah auch Patentübereinkommen Mängel bei den Beschwerdeverfahren. Die Frage, wie unabhängig diese sind, beschäftigt derzeit auch das kontrolliert Bundesverfassungsgericht: Vier Klagen seien anhängig Verwaltungsrat wegen unzureichendem Rechtsschutz gegen Entschei- Europäisches dungen der Beschwerdekammern, teilte Karlsruhe mit. Patentamt Der Münchner Patentanwalt Gero Maatz-Jan- sen von der Kanzlei Grünecker sagt, das EPA dürfe Beschwerde- kein Profit-Center sein. Er erwartet, dass sich Patent- kammern prüfer Zeit nehmen, wirkliche Innovationen zu prü- fen. Seine Kanzlei meldet jährlich rund 3000 Patente beim EPA an. Früher sei davon etwa die Hälfte be- willigt worden, im vergangenen Jahr plötzlich mehr Links: Bereits 42 Mal als 2500. Maatz-Jansen sieht das skeptisch: „Wenn demonstrierten die das Monopolrecht, das der Anmelder da kriegt, zu Beschäftigten – ohne Wirkung nachlässig geprüft und daher nicht durchsetzbar ist,
ist es wertlos für ihn.“ Das lege die Axt an das ganze Hätte sich ein deutscher Betrieb so verhalten, hät- er ein weiteres wertvolles Urteil: vor dem Genfer Tri- Patentsystem. ten Justiz und Antidiskriminierungsstellen wohl re- bunal der Internationalen Arbeitsorganisation ILO, Verdient wirklich jedes der Patente seinen Namen? agiert. Nicht beim Europäischen Patentamt. Klause- dem einzigen Gerichtshof, der geeignet sein könnte, Viele EPA-Patentprüfer warnen inzwischen selbst, sie cker klagte. Er war überzeugt, diskriminiert worden die Rechtslücken im Supranationalen zu schließen. Er könnten die Qualität ihrer Arbeit nicht mehr sicher- zu sein und hielt sich für äußerst fit: 2010 bestieg er ist für 58 000 Mitarbeiter in 62 internationalen Orga- stellen. 924 von ihnen schrieben Mitte März einen of- den Island Peak, einen Sechstausender im Himalaya. nisationen zuständig. Der Haken: Es orientiert sich nur fenen, aber anonymen, von einem Notar beglaubigten Das Bundesverfassungsgericht erklärte dann 2006, es an dem Rechtsrahmen, den sich die betreffende inter- Brief an den Verwaltungsrat: Sie würden „viel zu oft sei für diese Frage nicht zuständig – das EPA genieße nationale Organisation selbst gibt. Der britische Star- in das Dilemma getrieben“, entweder auf hohe Quali- Immunität. Ähnlich argumentierte der Europäische anwalt Geoffrey Robertson, der auch den Schriftsteller tät zu achten oder sich dem Befehl ihrer Vorgesetzten Gerichtshof für Menschenrechte 2015: Die Klage sei Salman Rushdie verteidigt, ist überzeugt: Das ILO-Ge- zu unterwerfen. Die Angst vor Sanktionen ist groß. nicht zulässig, da das EPA eine „legale Person“ und richt erfülle nicht die Menschenrechtsstandards. Nicht Einer der wenigen, die über die Vorgänge am EPA „kein Beteiligter“ der Europäischen Menschenrechts- nur, weil auch hier die Richter wegen der kurzen Amts- sprechen, ist Roland Klausecker, 44, ein Typ mit Drei- konvention sei. Das Münchner Amt ist also nicht an das zeiten – immer nur drei Jahre – befangen sein könnten. tagebart und Poloshirt. Er ruft per Skype aus Südkorea Papier gebunden, das alle 47 Mitgliedstaaten des Eu- Es gebe auch kein „faires und öffentliches rechtliches an. Dort arbeitet er für den Autozulieferer Schaeffler roparats mit ihren 820 Millionen Bürgern unterzeich- Gehör“, da die Richter allein nach Aktenlage entschei- als Asien-Regionalmanager, Direktor für Werkzeuge net haben. Zehn Jahre klagte Klausecker, das Ergebnis: den. Fehlentscheidungen seien nicht überprüfbar. Eine und Prototypen. Klausecker ist nach einem Unfall mit nichts. Sein Instanzen-Feldzug verdeutlicht, warum es Berufungsinstanz gibt es nicht. 18 zu 100 Prozent schwerbehindert: Links fehlen ihm für Mitarbeiter, Bewerber, Unternehmen und auch ein- Corcoran gewann vor dem ILO-Tribunal nur, weil die Hand, das Augenlicht, auch das Ohr ist schwer ver- fache Bürger fast unmöglich ist, gegen eine internatio- das EPA seine eigenen Regeln missachtet und die in- letzt. Rechts hat er Teile seiner Finger verloren. Seine nale Organisation ihr Recht durchzusetzen. nere Gewaltenteilung verletzt hatte. Die Richter Leistung hat das nie beeinträchtigt. Klausecker stu- Der Ex-Verfassungsrichter Siegfried Broß fasst die dierte Fertigungstechnik an der Uni Erlangen, wurde rechtliche Lage beim Europäischen Patentamt so zu- wissenschaftlicher Mitarbeiter und bewarb sich dann sammen: „Mit einer solchen Organisationsstruktur ei- am Europäischen Patentamt. Er bestand alle Einstel- ner internationalen Organisation könnte man mitten lungstests, die Fachleute waren hochzufrieden. Der in München legal ein Guantánamo betreiben.“ Der Ire Amtsarzt hatte Bedenken: Klausecker sei arbeitsfä- Patrick Corcoran jedenfalls sieht sich als Opfer von hig, es sei aber nicht ausgeschlossen, dass seine rechte Rufmord. Ein Leak soll daran schuld gewesen sein. Im Hand irgendwann von der PC-Arbeit überlastet sein Oktober 2015 vermeldete die Süddeutsche Zeitung: könne. Klausecker wurde aussortiert. In seinem Büro sei „Unglaubliches“ gefunden worden: „zwei Schlagstöcke – und nationalsozialistisches Pro- pagandamaterial“, darunter völkisches Liedgut und „verbotene Embleme“. Das Blatt berief sich auf die Er- kenntnisse der internen Ermittlungseinheit des EPA. Oben: Internationalität und Immunität gelten nicht nur am EPA in München W O H E R K A M D I E S E R B E R I C H T ? Hat Battistelli die Presse für sein persönliches Spiel benutzt? Ist Corco- ran ein Rechtsextremer? Seine Anwältin, die Arbeits- Links: Der Rechtsanwalt rechtlerin Senay Okyay, verdreht bei der Frage die Alexander Holtz spricht von Augen. „Ich würde nie jemanden mit rechtsextremem Grundrechtsverletzungen BENOÎT BATTISTELLI Gedankengut verteidigen!“ Die junge Anwältin sitzt President in ihrem schlichten Büro am Münchner Stachus. Die Wände sind leer, der Schreibtisch umso voller. Akten von Mitarbeitern des EPA, auch von Patrick Corcoran. Sie sagt: „Ja, mein Mandant ist ein Geschichtsfreak, er hat historisches Material über Deutschland gesam- melt. Aber bin ich dann auch Nazi, weil ich zu Hause „ So könnte man ein Buch über Hitler habe?“ mitten Fotos: Europäisches Patentamt (4) ALBERTO CA SADO ŽEL JKO R AIMUND Auffällig jedenfalls ist: Einen Monat, bevor der LUTZ CERVIÑO Vice-President TOPIC Vice-President Vice-President SZ-Artikel erschien, hatte die Große Beschwerdekam- in München Directorate-General Directorate-General Directorate- mer Corcorans Amtsenthebung widersprochen. Weder Patent Granting Administration General Legal/ International Affairs diese noch die weiteren ihn entlastenden Urteile hat legal ein Process das Amt – entgegen den Statuten – je veröffentlicht. Guantánamo Stattdessen aber erreichte das Leak die Öffentlichkeit. DA S E PA- M A N AG E M E N T Obwohl Corcoran öffentlich am Pranger stand, errang betreiben “
entschieden, dass der Ire „sofort“ wieder eingestellt und ihm 35 000 Euro Schadensersatz gezahlt werden müssen. Bis heute verwehrt ihm das EPA den alten Job. Im Februar sei ihm nun ein völlig fachfremder Arbeits- platz in Den Haag angeboten worden, 850 Kilometer von seinem Haus entfernt – „pures Mobbing“, sagt An- Auch die wältin Okyay. Inzwischen ist Corcoran krank, leidet, wie viele im EPA, an schweren Depressionen. Okyay Vereinten Nationen sagt: „Mein Verdienst ist, dass er wenigstens noch lebt.“ Das ILO-Tribunal ist in Wahrheit ohnmächtig; we- fühlen sich der hat es Sanktionsgewalt noch Vollzugsmacht. Auch nicht zuständig die Selbstmorde am EPA hinterfragte das Genfer Tri- bunal nicht. Mehr noch: Es entschied Ende Januar, dass das Amt korrekt gehandelt habe, als es die besorgte Personalvertreterin Elizabeth Hardon feuerte. Dieser Fall lässt die Anwältin Senay Okyay bis heute nicht stehen vor einer ungewissen Zukunft. Ihr los. Es geht dabei ursprünglich um ihren Mandanten, Aufenthalt ist an das Visum der Ex-Ehe- den Franzosen Jean-Pierre Bardelot, der eigentlich an- männer gekoppelt. ders heißt. Sie hat ihn als humorvollen Lebemann in Das Europaratspapier fordert nun, Erinnerung. Im Frühjahr 2012 erhängte er sich in ei- das Konzept der Immunität einzudäm- nem Münchner Vorort. Okyay ist überzeugt: Das EPA men, auch in der EU. Schennach nennt hätte es verhindern können. Bardelot habe an Depres- es „aberwitzig“, dass sich EU-Niederlas- sionen gelitten. Dennoch hätten die Vorgesetzten ge- sungen in den Mitgliedsländern auf dip- gen ihn disziplinarrechtliche Schritte eingeleitet. Sie lomatische Unantastbarkeit berufen, ob- erinnert sich an einen Anruf. Bardelot habe ihr gesagt: wohl sie nur „ausgelagerte Behörden der „Das Amt wird nicht aufhören, bis sie einen Grund ge- Kommission“ sind. „Genießt die bayeri- funden haben, mich zu entlassen.“ Vor zwei Kollegin- sche Vertretung in Berlin auch Immuni- nen habe er den geplanten Selbstmord sogar erwähnt. tät?“ Zudem sollen sich alle internationa- len Organisationen einer unabhängigen D I E B E TR I E B S R ÄTI N E LIZ A B E TH H A R D O N schrieb da- Die Anwältin Senay Okyay Rechtsprechung unterwerfen – etwa der mals über einen Gewerkschaftsverteiler eine E-Mail, kämpft für die Rechte des Europarats oder noch zu schaffender in der sie Bardelots Vorgesetzten hinterfragte: „Viele mehrerer Mitarbeiter des EPA Gerichtshöfe. Dem Resolutionsentwurf von uns glauben, dass das Verhalten des Managers so- müsste aber der Ministerrat des Europa- wie die grundlosen Attacken durch den Personalchef rats zustimmen. Nur wie könnte die Re- signifikant zum Tod des Kollegen beigetragen haben. form dann konkret umgesetzt werden? Formell wird das Amt natürlich jegliche Schuld be- österreichische Sozialdemokrat hat sich intensiv mit Immerhin hat der EPA-Verwaltungs- streiten.“ Jemand aus dem Verteiler leitete die ver- den Vorgängen am EPA befasst. Was ihm vertraulich rat offenbar erkannt, dass es einen sozial trauliche Mail weiter. So erfuhr Präsident Battistelli von dort berichtet wurde, auch aus der Niederlassung kompetenteren Präsidenten als Battistelli davon. Er schaltete das Disziplinarkomitee ein. Das in Den Haag, hält er für „schwere Willkür“. Er schrieb braucht. Ihm nachfolgen soll ab Juli der konnte bei Hardon kein grobes Fehlverhalten feststel- am Entwurf für eine Resolution mit, mit der die Parla- Portugiese António Campinos, bislang len, Battistelli aber ignorierte den Rat der Experten – mentarische Versammlung des Europarats mehr Trans- Direktor des EU-Amtes für Geistiges Ei- und degradierte Hardon. Die Richter des Genfer ILO parenz, Rechtsstaatlichkeit und höhere Sozialstan- gentum in Alicante. Nur gilt auch er als folgten seiner Begründung, Hardon habe einen Kolle- dards in internationalen Organisationen einfordert. In dessen Vasall. Deutschland hat seit Ok- gen „diffamiert“, ihr Verhalten sei „ernst“ und „falsch“ der Empfehlung ist von „Machtmissbrauch“ die Rede. tober einen strategisch wichtigen Posten gewesen. Ob an Hardons Vorwürfen hingegen etwas Diese richtet sich nicht nur ans EPA, sondern an inne: den Vorsitz des EPA-Verwaltungs- dran sein könnte, untersuchte das Gericht nie. Statt- alle internationalen Organisationen. Schennach be- rats – mit Christoph Ernst sogar ein Mi- dessen bekam Battistelli einen Blankoscheck: Dieser schreibt den Fall zweier Ehefrauen von UN-Mitar- nisterialrat aus dem Justizministerium. dürfe auch Entscheidungen der internen Disziplinar- beitern in Österreich, die ihn um Hilfe bitten: Deren Das BMJV aber lässt ausrichten, Deutsch- und Beschwerdekammern überstimmen, solange der Männer ließen sich scheiden, verweigerten aber ein land habe als Einzelstaat „keine Eingriffs- Einspruch „inhaltlich gut begründet“ sei. Trennungsgeld und Unterhaltszahlungen für die eheli- oder Aufsichtsbefugnisse“ und sei so ge- Ein „schreckliches Urteil“, sagt Stefan Schennach, chen Kinder. Die Frauen können wegen der Immunität genüber dem EPA nicht weisungsbefugt. der dem Sozialausschuss im Europarat vorsitzt. „Wozu für UN-Mitarbeiter weder in Österreich klagen noch in Es „muss den Weg über die Gremien der eine Clearing-Instanz, wenn der oberste Dienstherr ihrer ursprünglichen Heimat. Auch die Vereinten Na- Organisation gehen und ist hierbei nur nicht an interne Entscheidungen gebunden ist?“ Der tionen fühlen sich nicht zuständig. Beide Geschiedene einer von 38 Vertragsstaaten.“
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