Wo Wohnen erschwinglich ist - #2 / 2019 - iwd.de

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17. Januar 2019

#2 / 2019
ISSN 0344-919X                      Informationen aus dem Institut der deutschen Wirtschaft                        G 4120

Wo Wohnen erschwinglich ist
Immobilien. Mietwohnungen werden immer teurer? Nein, in den meisten Regionen Deutschlands sind sie seit 2013
sogar günstiger geworden – wenn man die jeweilige Einkommensentwicklung berücksichtigt. Trotzdem gibt es einige
Städte, die sich nur noch wenige Menschen leisten können. Ob es hier staatlicher Eingriffe bedarf, ist umstritten – die
Immobilienexperten Michael Voigtländer und Andrej Holm legen das Pro und Kontra dar.
         Seiten 2–4

Lohnstückkosten                                                  Krankenstand
Die Industrie in Deutschland produziert seit Langem teu-         Die Arbeitgeber müssen immer mehr Geld für die Lohn-
rer als die ausländische Konkurrenz – der Kostennachteil         fortzahlung im Krankheitsfall aufwenden. Das liegt am
hat sich zuletzt auch nicht verringert.                          Beschäftigungsboom und an den steigenden Löhnen.
         Seite 5                                                         Seiten 8–9

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Immobilien                                                                                 17. Januar 2019 / #2 / Seite 2

Löhne steigen meist schneller
als Mieten
                               Immobilien. Mietwohnungen sind nicht teurer geworden, sondern in vielen Regionen
                               Deutschlands sogar günstiger – wenn man die allgemeine Lohnentwicklung vor Ort be-
                               rücksichtigt. Allerdings gibt es eine Stadt in Deutschland, in der selbst Gutverdienende mit
                               der Mietpreisentwicklung zu kämpfen haben.

    Sich über steigende Mieten zu echauffieren, gehört                                                 In den meisten Regionen ist das Wohnen zur Miete
mittlerweile selbst im Bayerischen Wald zum guten Ton.                                             zwischen 2013 und 2017 in Relation zum Einkommen
Und es scheint ja auch zu stimmen: Wo auch immer man                                               nicht teurer, sondern günstiger geworden.
sich in Deutschland auf Wohnungssuche begibt, stellt                                                   Das heißt allerdings nicht, dass einzelne Haushalte
sich das Gefühl ein, dass Immobilien in letzter Zeit                                               oder Gruppen auch in solchen Gegenden nicht höhere
unglaublich teuer geworden sind. Geradezu schwindel-                                               Mieten bezahlen mussten. Denn das IW hat für seine
erregend wirken manche Mieten besonders für jene, die                                              Analyse folgende Annahmen getroffen:
sie noch immer in D-Mark umrechnen.                                                                yy Betrachtet werden für die Erschwinglichkeit von
    Doch stimmt diese Wahrnehmung eigentlich? Eine                                                 Wohnraum ausschließlich allein lebende sozialversiche-
IW-Studie, die die jüngsten Entwicklungen der durch-                                               rungspflichtig Beschäftigte; Selbstständige, Rentner und
schnittlichen Immobilienpreise und der durchschnitt-                                               Studenten bleiben außen vor.
lichen Arbeitsentgelte vergleicht, kommt zu einem                                                  yy Für alle sozialversicherungspflichtig Beschäftigten wird
überraschenden Ergebnis:                                                                           – abhängig von den 401 Kreisen und kreisfreien Städten,

 Erschwinglicher Wohnraum: Die Entwicklung
 In diesen Kreisen und kreisfreien Städten ist die Mietwohnfläche, die sich ein sozialversicherungspflichtig Beschäftigter durchschnittlich für
 26 Prozent seines monatlichen Nettoeinkommens leisten kann, von 2013 bis 2017 am stärksten gestiegen bzw. gesunken

    Veränderung der
                                8,5                                             8,4                               8,1                               8,0                          8,0
    erschwinglichen
    Wohnfläche zwischen
    2013 und 2017 in
    Quadratmetern       1. Hildburghausen                              2. Brandenburg                          3. Gera                     4. Zweibrücken                     5. Leipzig
                            (Thüringen)                                  an der Havel                        (Thüringen)                  (Rheinland-Pfalz)                   (Sachsen)
                                                                        (Brandenburg)

                                    … 397. Ebersberg                   398. Kempten                  399. Straubing-Bogen                    400. Emden                    401. Dingolfing-
                                         (Bayern)                    im Allgäu (Bayern)                     (Bayern)                       (Niedersachsen)                 Landau (Bayern)

                                                 -7,2                          -7,6                               -9,1                             -9,1                         -9,3
 Mietwohnungen: Neuvermietung einer durchschnittlichen Wohnung in einem Mehrfamilienhaus aus dem Bestand
 Sozialversicherungspflichtig Beschäftigter: mit einem für seinen Kreis durchschnittlichen monatlichen Nettoeinkommen, von dem er 26 Prozent für die Kaltmiete aufwendet

 Quellen: Bundesagentur für Arbeit, F+B Forschung und Beratung für Wohnen, Immobilien und Umwelt, Institut der deutschen Wirtschaft
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17. Januar 2019 / #2 / Seite 3                                                                    Immobilien

                                                                                              te. Im bundesweiten Mittel konnte man sich damit eine
  Mietwohnungen: Großes Preisgefälle                                                          knapp 76 Quadratmeter große Wohnung leisten.
  So viele Quadratmeter Wohnfläche konnte sich ein sozialversiche-                                Doch wie sieht die Relation von Durchschnittseinkom-
  rungspflichtig Beschäftigter in den Kreisen und kreisfreien Städten                         men und Durchschnittsmieten in echten Städten aus?
  mit dem erschwinglichsten bzw. dem am wenigsten erschwingli-                                Sehr unterschiedlich, wie ein Vergleich der 401 deut-
  chen Wohnraum im Jahr 2017 im Mittel leisten
                                                                                              schen Kreise und kreisfreien Städte zeigt (Grafik):

              109
                                                                                                  Ein Durchschnittsverdiener in Salzgitter konnte
                                                                                              2017 für 26 Prozent seines Nettolohns eine 109 Qua-
                                               1. Salzgitter                                  dratmeter große Wohnung mieten. Sein Pendant in
                                               (Niedersachsen)

              108
                                                                                              München konnte sich nur 41 Quadratmeter leisten.
                                                                                                  Betrachtet man einen längeren Zeitraum, zeigt sich,
                                               2. Pirmasens
                                               (Rheinland-Pfalz)                              dass Arbeitnehmer bei konstantem Wohnkostenanteil

              107
                                                                                              am Einkommen in 269 der 401 Kreise und kreisfreien
                                                                                              Städte im Jahr 2017 mehr Wohnfläche mieten konnten
                                               3. Holzminden
                                               (Niedersachsen)                                als 2013. Ursache dafür ist, dass in diesen Regionen die

              104
                                                                                              Medianlöhne innerhalb dieses Zeitraums stärker gestie-
                                               4. Wesermarsch                                 gen sind als die durchschnittlichen Quadratmeterpreise
                                               (Niedersachsen)                                für Mietwohnungen. Besonders groß ist diese Asymme-

                102
                                                                                              trie in einigen Regionen Ostdeutschlands (Grafik Seite 2):
                                               5. Zweibrücken                                     In Hildburghausen, Brandenburg an der Havel und
                                               (Rheinland-Pfalz)
                                                                                              in Gera konnten sich Arbeitnehmer mit einem mittle-
                                                                                              ren Einkommen im Jahr 2017 im Schnitt eine um acht
                                           ....

                                                                                              Quadratmeter größere Wohnung leisten als 2013.
                               47              397. Starnberg
                                               (Bayern)                                           Bemerkenswert ist, dass dieses Phänomen sogar in
                                                                                              vier der sieben größten Städte gilt. In Düsseldorf, Köln,
                               46              398. Fürstenfeldbruck
                                               (Bayern)
                                                                                              Frankfurt am Main und Hamburg war es Durchschnitts-
                                                                                              verdienern 2017 möglich, bei konstantem Wohnkos-
                               46              399. Dachau
                                               (Bayern)
                                                                                              tenanteil mehr Fläche anzumieten als vier Jahre zuvor. In
                                                                                              Berlin und Stuttgart konnten sich Arbeitnehmer mit
                               44              400. Ebersberg
                                               (Bayern)
                                                                                              mittleren Löhnen nahezu gleich große Wohnungen
                                                                                              leisten wie 2013. Nur in München sind Mietwohnungen
                               41              401. München
                                               (Bayern)                                       weniger erschwinglich geworden:
                                                                                                  In München sind die Mieten für eine Wohnung in
  Mietwohnungen: Neuvermietung einer durchschnittlichen Wohnung in einem Mehrfamilien-
  haus aus dem Bestand                                                                        einem Mehrfamilienhaus allein von 2016 bis 2017 um
  Sozialversicherungspflichtig Beschäftigter: mit einem für seinen Kreis durchschnittlichen
  monatlichen Nettoeinkommen, von dem er 26 Prozent für die Kaltmiete aufwendet
                                                                                              9 Prozent gestiegen.
  Quellen: Bundesagentur für Arbeit, F+B Forschung und Beratung für Wohnen, Immobilien            Weil die Mietpreissteigerungen nicht durch das Lohn­-
  und Umwelt, Institut der deutschen Wirtschaft
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                                                                                              wachstum kompensiert wurden, konnten sich sozialver-
                                                                                              sicherungspflichtig Beschäftigte mit einem Median-
                                                                                              einkommen in München 2017 fast drei Quadratmeter
in denen sie leben – das jeweilige Median-Nettoeinkom-                                        weniger leisten als 2013. Selbst Besserverdienende
men ermittelt.                                                                                haben es auf dem dortigen Wohnungsmarkt schwer:
yy Es wird unterstellt, dass alle Arbeitnehmer einen                                          Auch die Lohnsteigerungen von Beamten im höheren
konstanten Anteil ihres Nettolohns für die Kaltmiete                                          Dienst und anderen Uni-Absolventen konnten die
aufwenden: 26 Prozent. Dies entsprach zuletzt der mittle-                                     Mietpreissteigerungen der vergangenen Jahre in Mün-
ren Mietkostenbelastung eines Single-Haushalts.                                               chen nicht ausgleichen.
yy Es wird eine Wohnung mit mittlerer Ausstattung in
einem Bestands-Mehrfamilienhaus neu angemietet.
    Ein solcher Durchschnittsverdiener wäre in Deutsch-                                        IW-Gutachten
                                                                                               Pekka Sagner, Michael Voigtländer: Die Erschwinglichkeit von
land 2017 auf ein monatliches Nettoeinkommen von
                                                                                               Wohnraum
2.013 Euro gekommen, wovon er 523 Euro für Miete                                               iwkoeln.de/wohnraum
(ohne Umlagen für Heizung und Warmwasser) aufbrach-
Immobilien: Pro und Kontra                                                                         17. Januar 2019 / #2 / Seite 4

Sind die Mieten zu hoch?
                      Immobilien. In vielen deutschen Städten gab es in den vergangenen Jahren massive
                      Mietpreissteigerungen. Ob diese eingedämmt werden sollen oder nicht, erläutern zwei
                      Immobilienexperten.

                                                                                        Foto
                                                                                            :M
                               „Nein“,                                                        att
                                                                                                 h
                                                                                                                                   „Ja“,

                                                                                                      ias
                                                                                                          He
Foto: IW Medien

                                                                                                             yde,
                                                                                                                  Humboldt
                               sagt Michael Voigtländer,                                                                           sagt Andrej Holm,
                               Immobilienexperte                                                                                   wissenschaftlicher Mitarbeiter am

                                                                                                                          -Un
                                                                                                                                   Institut für Sozialwissenschaften

                                                                                                                             ive
                               im Institut der deutschen                                      rsi
                                                                                                 tät
                                                                                                     zu
                               Wirtschaft                                                                                          der Humboldt-Universität Berlin
                                                                                     Berlin

Es ist schön, weniger zu bezahlen, das ist selbstredend. Aller-          Mieten sind immer zu hoch und die meisten Mieterinnen und
dings stellt sich gesellschaftlich die Frage, ob die Preisentwick-       Mieter hätten nichts dagegen, wenn sie für dieselbe Leistung
lung am Wohnungsmarkt gerechtfertigt werden kann oder ob                 – also eine gute Wohnung – weniger zahlen müssten. Eigentü-
es etwa eines staatlichen Eingriffs bedarf.                              merinnen und Eigentümer hingegen hätten in der Regel nichts
Die Mieten folgen im Wesentlichen den starken Lohnzuwäch-                dagegen, wenn sie mit demselben Angebot einen höheren Er-
sen aufgrund des Arbeitsmarktbooms – viele Arbeitnehmer                  trag erzielen könnten. Dieser Grundwiderspruch der Interessen
sind heute nicht stärker belastet als vor einigen Jahren. Dort,          lässt sich objektiv kaum auflösen.
wo die Mieten schneller steigen, ist typischerweise die geringe          Mit den Ansätzen der Kostenmiete und der Leistbarkeit gibt es
Bautätigkeit in Kombination mit starker Zuwanderung haupt-               zwei Konzepte, um die Mindest- beziehungsweise die Maxi-
verantwortlich dafür. Dies gilt etwa in München oder auch in             malhöhe von Mieten festzustellen. In einer wirtschaftlichen
Berlin. Den Haushalten, deren Einkommen unter dem Durch-                 Betrachtung werden dabei die Mieteinnahmen als Kostenmiete
schnitt liegen und die an der allgemeinen Lohnentwicklung                bezeichnet, die eine auskömmliche Bewirtschaftung des Miets­
nicht teilhaben, muss der Staat selbstverständlich helfen.               hauses ermöglichen. Dabei wird davon ausgegangen, dass
Angesichts der Preisentwicklung auf dem Wohnungsmarkt                    durch die Mieten alle tatsächlichen Aufwendungen und eine
die Mieten in den Großstädten jedoch beispielsweise gänzlich             angemessene Eigenkapitalverzinsung gedeckt werden können.
einzufrieren, wäre ein großer Fehler. Mieten sind ein wichtiges          Das Konzept der Leistbarkeit hingegen setzt die Miethöhe ins
Steuerungsinstrument. Hohe Mieten sorgen zum einen für                   Verhältnis zu den Einkommen und soll sicherstellen, dass sich
einen sparsamen Wohnungskonsum, zum anderen sind sie                     ein Haushalt mit einem spezifischen Einkommen die Miete
ein wichtiger interregionaler Wettbewerbsparameter.                      auch leisten kann.
Die Mieten in Berlin und München sind unter anderem deshalb              In den meisten sozialpolitischen Diskussionen wird davon
so hoch, weil gerade junge Menschen aufgrund der Bildungs-               ausgegangen, dass die Leistbarkeit gewährleistet ist, wenn die
chancen, des städtischen Flairs und der Infrastruktur dorthin            Gesamtwohnkosten (brutto, warm) 30 Prozent des Haushalts-
ziehen. Durch diese Wanderungsbewegungen fehlen aber                     nettoeinkommens nicht überschreiten.
mittlerweile Arbeitskräfte in vielen Regionen Deutschlands,              Allein in den 77 Großstädten in Deutschland hat fast die
wie etwa in Südwestfalen, Nordbayern oder weiten Teilen                  Hälfte aller Miethaushalte eine Mietkostenbelastung von über
Thüringens. Können die Unternehmen die Stellen nicht beset-              30 Prozent zu tragen. Besonders hohe Mietbelastungen haben
zen, werden sie über kurz oder lang ihren Standort auch in die           die 6,5 Millionen Haushalte mit geringen Einkommen – sie sind
Metropolen (oder ins Ausland) verlegen müssen.                           auf Wohnungen für rund 5 Euro je Quadratmeter angewiesen.
Erschwinglicher Wohnraum ist für viele Kreise ein wichtiger              Schon jetzt fehlen in den Großstädten knapp zwei Millionen
Wettbewerbsfaktor, um nicht noch mehr junge Menschen                     leistbare Wohnungen. Da leistbare Mieten in den meisten
durch Abwanderung in die Großstädte zu verlieren. Ziel sollte            Städten unter den Durchschnittsmieten liegen und auch in frei
es daher sein, Umlandgemeinden, Kleinstädte und ländliche                finanzierten Neubauprojekten nicht realisiert werden können,
Regionen wieder attraktiver zu machen – dann wird automa-                ist hier eine öffentliche Verantwortung gefragt. Wer leistbares
tisch auch der Druck auf die Großstädte abnehmen. Massive                Wohnen auf Dauer sichern will, kommt um Förderprogramme
Eingriffe in den Mietwohnungsmarkt werden den Konzentra­                 und den Aufbau eines gemeinnützigen Wohnungssektors nicht
tionsprozess dagegen weiter befördern.                                   herum.
17. Januar 2019 / #2 / Seite 5                               Lohnstückkosten

Die Bürde bleibt
Lohnstückkosten. Das Verarbeitende Gewerbe in               preisliche Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands unter
Deutschland produziert teurer als die ausländische          anderem gegenüber Frankreich, Spanien und Belgien
Konkurrenz – an diesem Standortnachteil hat sich            seit 2011 verschlechtert hat.
in den vergangenen Jahren kaum etwas geändert.
                                                             Aus IW-Trends 4/2018
Forderungen nach stärkeren Lohnsteigerungen sind             Christoph Schröder: Lohnstückkosten im internationalen Vergleich
deshalb nicht zu rechtfertigen.                              iwkoeln.de/lohnstueckkosten

    Außenwirtschaftliche Risiken wie der Brexit und der      Lohnstückkosten und
protektionistische Kurs der USA sowie die Digitalisierung
                                                             Produktivität international
und der Fachkräftemangel fordern die deutsche Wirt-
                                                             im Verarbeitenden Gewerbe im Jahr 2017, Deutschland = 100
schaft und vor allem die exportorientierte Industrie
gehörig heraus – die Wachstumsaussichten sind beschei-
                                                                Lohnstückkosten                     Produktivität
den (siehe iwd 25/2018). Dennoch fordern die Gewerk-
                                                                                                                              100
schaften stärkere Lohnerhöhungen mit dem Argument,
                                                              Norwegen                                                            115             102
Deutschland habe einen preislichen Wettbewerbsvorteil
                                                              Estland                                                             113              22
gegenüber dem Ausland.
                                                              Vereinigtes Königreich                                              112              71
    Der Blick auf die Industrie – also den hiesigen Wirt-     Kroatien                                                           109               19
schaftssektor mit den weitaus stärksten außenwirtschaft-      Italien                                                            106               60
lichen Verflechtungen – zeigt jedoch, dass von einem          Slowenien                                                         102                43
Kostenvorteil Deutschlands nicht die Rede sein kann           Frankreich                                                        102                92
(Grafik):                                                     Deutschland                                                      100                100
    Im Jahr 2017 hatte das Verarbeitende Gewerbe in           Belgien                                                          99                 113
Deutschland im Vergleich von 28 wichtigen Industrie-          Kanada                                                           97                  71
ländern die achthöchsten Lohnstückkosten.                     Lettland                                                        95                   28
                                                              Österreich                                                      94                   95
    Zwar sind die Arbeitskosten je Wertschöpfungseinheit
                                                              Spanien                                                         93                   60
in anderen großen europäischen Volkswirtschaften
                                                              Slowakei                                                        93                   30
– Großbritannien, Italien und Frankreich – noch etwas         Portugal                                                       92                    28
höher als hierzulande. Doch die Konkurrenz außerhalb          Tschechien                                                     90                    30
Europas produziert meist deutlich billiger. So hat die        Bulgarien                                                      90                    12
japanische Industrie gegenüber Deutschland einen              Niederlande                                                    90                   102
Lohnstückkostenvorteil von 14 Prozent, die USA kommen         Finnland                                                      87                    103
sogar auf 20 Prozent.                                         Dänemark                                                      86                    129
    Im Schnitt liegen die Lohnstückkosten im Ausland um       Japan                                                         86                     66
8 Prozent unter dem deutschen Niveau. Den Arbeitskos-         Polen                                                         84                     19
                                                              Ungarn                                                       82                      27
tennachteil macht die deutsche Industrie also nicht
                                                              USA                                                          80                     121
durch ihre hohe Produktivität wett.
                                                              Schweden                                                    75                      106
    An diesem Wettbewerbshandicap hat sich zudem in           Litauen                                                     74                       29
den vergangenen Jahren kaum etwas geändert:                   Griechenland                                               72                        39
    Von 2011 bis 2017 stiegen die industriellen Lohn-         Rumänien                                                 61                          20
stückkosten in Deutschland jahresdurchschnittlich
um 0,9 Prozent – die Konkurrenzländer insgesamt              Lohnstückkosten: Verhältnis von Arbeitskosten je Beschäftigtenstunde in Euro zur Produktivität;
                                                             Produktivität: Bruttowertschöpfung je geleistete Stunde in Euro
verzeichneten ein Plus von lediglich 0,8 Prozent.            Quellen: Deutsche Bundesbank, Eurostat, nationale Quellen, OECD,
    In den anderen Euroländern blieben die Lohnstück-        Statistisches Bundesamt, Institut der deutschen Wirtschaft
                                                             © 2019 IW Medien / iwd
kosten im Schnitt sogar nahezu konstant, sodass sich die
Kinderbetreuung                                                                                  17. Januar 2019 / #2 / Seite 6

Lieber besser als billiger
                                  Kinderbetreuung. Für einen Platz in der Kita oder im Kindergarten müssen Eltern in
                                  den größeren deutschen Städten ganz unterschiedlich hohe Beiträge zahlen. Will die Politik
                                  dies ändern, ohne viele Familien schlechterzustellen, müsste sie die Gebühren fast zwangs-
                                  läufig komplett abschaffen. Die dafür erforderlichen Mittel sollte der Staat jedoch lieber in
                                  die Verbesserung der Betreuungsqualität investieren.

Kinderbetreuung: Das Gebühren-Gefälle

Bruttojahreseinkommen der Eltern insgesamt                                50.000 Euro             90.000 Euro

         Kind im Alter von 1 Jahr                                                                                                                      Kind im Alter von 3 Jahren
          und 6 Monaten (Kita)                                                                                                                        und 6 Monaten (Kindergarten)
                                                                                    Das Institut der
                                                                            deutschen Wirtschaft hat die
       305                           504                                    Elternbeiträge für die Kinder-
                                                                         betreuung in Krippen, Kindertages-
                                                                                                                                                         217                           335
     Mannheim                       Duisburg                                                                                                                Kiel                       Bremen
                                                                       stätten (Kitas) und Kindergärten in den
       298                           479                                 26 deutschen Städten mit mehr als
                                                                     250.000 Einwohnern sowie sechs kleineren
                                                                                                                                                         146                           267
         Köln                           Köln                                                                                                             Bremen                          Erfurt
                                                                          Landeshauptstädten verglichen.
       280                           431                                  So viel Euro mussten Eltern in den                                             135                           252
          Kiel                       Münster                           teuersten beziehungsweise günstigsten                                            Nürnberg                       Duisburg
                                                                          Städten im zweiten Halbjahr 2018
       275                           400                                   monatlich zahlen, wenn sie ihr
                                                                             Kind 35 Stunden pro Woche
                                                                                                                                                         132                           247
      Bielefeld                        Erfurt                                                                                                              Essen                       Bielefeld
                                                                                    betreuen ließen
       270                           383                                                                                                                 131                           240
      Nürnberg                      Bielefeld                                                                                                          Mannheim                          Bonn
           …

                                         …

                                                                                                                                                                             …

       135                           169                                                                                                                               Berlin,
      Potsdam                      Magdeburg
                                                                                                                                                                     Düsseldorf,
       125                           168                                                                                                                          Frankfurt (Main),
                                                                                                                                                                     Hannover,
     Düsseldorf                      Dresden
                                                                                                                                                                       Mainz
       124                           164
    Wiesbaden                         Leipzig

       123                           158                                                                                                                                    0
      Hamburg                  Frankfurt (Main)

           0                             0
        Berlin                        Berlin

Elternbeiträge: In einigen Städten bieten die Einrichtungen keine Betreuung im Umfang von 35 Stunden an. Dort sind die Beiträge für die nächsthöhere oder -niedrigere verfügbare Betreuungszeit angegeben.
Zudem gelten die Beiträge in einigen Städten nur für städtische Einrichtungen und nicht für jene von freien Trägern.

Quellen: Gebührenordnungen der Kommunen, Institut der deutschen Wirtschaft
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17. Januar 2019 / #2 / Seite 7                                Kinderbetreuung

    Am 1. Januar 2019 ist das Gute-Kita-Gesetz in Kraft         Um dies zu verhindern, liegt es auf den ersten Blick
getreten: Rund 5,5 Milliarden Euro stellt der Bund den      nahe, dass der Staat die Kita-Gebühren einheitlich
Ländern bis 2022 zur Verfügung, um die Qualität der         festsetzt. Ein solcher Eingriff dürfte allerdings auf wenig
Betreuung in Kitas und bei Tageseltern zu verbessern.       Gegenliebe stoßen, wenn eine substanzielle Zahl von
Das Geld darf auch dazu genutzt werden, Eltern bei den      Familien schlechtergestellt würde als bisher. Da Berlin
Kita-Gebühren zu entlasten. Ob und inwieweit die Länder     bereits heute bis zum Schuleintritt vollständig auf
und letztlich die Kommunen dies tun, ist offen – fest       Elternbeiträge für die Betreuungseinrichtungen verzich-
steht bislang nur, dass Eltern, die wegen ihres niedrigen   tet, müsste demnach die bundesweit einheitliche Betreu-
Einkommens einen Kinderzuschlag oder Wohngeld               ungsgebühr fast zwangsläufig bei 0 Euro liegen.
bekommen, künftig nichts mehr für die Betreuung ihrer           Die Abschaffung aller Beiträge für Kitas und Kinder-
Kleinen zahlen müssen.                                      gärten wäre für viele Städte und Gemeinden aber nur
    Um über Sinn und Unsinn weiterer Gebührenbefrei-        schwer zu finanzieren, sodass der Bund und/oder die
ungen oder gar die Abschaffung der Kita-Beiträge urtei-     Länder in die Bresche springen müssten. Dann wäre
len zu können, ist zunächst deren Höhe zu klären. Und       jedoch das komplizierte Problem zu lösen, nach welchen
das ist schwierig, denn in den Kommunen gelten unter-       Kriterien und in welcher Höhe die Zuweisungen an die
schiedliche Gebührenordnungen – unter anderem               einzelnen Kommunen erfolgen sollten.
hängen die Beiträge mehr oder weniger stark vom                 Vor allem aber spricht ein grundsätzliches Argument
Elterneinkommen und der Kinderzahl einer Familie ab.        derzeit dagegen, die Elternbeiträge komplett abzuschaf-
    Das IW hat dennoch versucht, anhand einiger Kriteri-    fen: Wenn der Staat schon Geld in die Hand nimmt, sollte
en die Elternbeiträge in den 26 deutschen Städten mit       er es vorrangig nutzen, um die Betreuungsinfrastruktur
mehr als 250.000 Einwohnern sowie sechs kleineren           und -qualität zu verbessern. Denn noch immer gibt es zu
Landeshauptstädten zu vergleichen. Bei allen Datenpro-      wenige Betreuungsplätze für die unter Dreijährigen.
blemen ist am generellen Ergebnis nicht zu rütteln: Das     Zudem müssen sich die Betreuerinnen und Betreuer in
Gebühren-Gefälle ist groß. Einige Beispiele (Grafik):       vielen Kitas und Kindergärten um sehr große Gruppen
    Ein Elternpaar mit einem Jahreseinkommen von            von Kindern kümmern. Und nicht zuletzt sind mit der
90.000 Euro brutto, das sein 18 Monate altes Kind           starken Zuwanderung der vergangenen Jahre die
35 Stunden pro Woche in einer Kita betreuen lässt,          Anforderungen an die Sprachförderung der Kleinen
zahlt in Berlin gar nichts, in Duisburg dagegen monat-      gestiegen. Selbst das komplette Budget des Gute-Kita-
lich mehr als 500 Euro.                                     Gesetzes wird nicht ausreichen, um all diese Defizite zu
    Für Eltern, die zusammen 50.000 Euro im Jahr            beheben.
verdienen, ist dieselbe Betreuungsleistung in Mannheim,         Sofern überhaupt eine Gebührenbefreiung erwogen
Köln, Kiel, Bielefeld und Nürnberg am teuersten – ein       wird, könnte man diese auf eine Grundbetreuung
entsprechender Platz in den (städtischen) Kitas kostet      beschränken. Hamburg zum Beispiel bietet eine kosten-
dort bis zu 305 Euro je Monat.                              freie Betreuung in Kitas und Kindergärten im Umfang von
    Die Betreuung im Kindergarten fällt insgesamt zwar      fünf Stunden pro Tag – inklusive Mittagessen.
günstiger aus als in der Kita, doch die Spanne ist auch         Zwar sind lange Betreuungszeiten und vor allem die
hier breit: Für eine 35-Stunden-Betreuung müssen Eltern     Betreuung am frühen Morgen und am späten Nachmittag
mit 90.000 Euro Jahresbruttoeinkommen in Berlin,            für berufstätige Eltern besonders wichtig – aber eben
Düsseldorf, Frankfurt am Main, Hannover und Mainz           auch sehr teuer. Die Städte und Gemeinden können diese
keinen Cent bezahlen, in Bremen dagegen jeden Monat         Zeiten daher oft nur anbieten, wenn sie die Kosten auf
335 Euro – wobei der Bremer Senat beschlossen hat,          die Eltern abwälzen – zumal diese aufgrund ihrer Berufs-
diese Beiträge ab dem 1. August 2019 abzuschaffen. In       tätigkeit in der Regel ja auch ein ausreichendes Einkom-
Erfurt, Duisburg, Bielefeld und Bonn kostet ein Kinder-     men erzielen, um eine Zuzahlung für die Betreuung ihres
gartenplatz die Eltern monatlich etwa 250 Euro.             Nachwuchses leisten zu können.
    Generell fallen die Betreuungsgebühren in einigen
Städten so hoch aus, dass sie für eine Reihe von Eltern
deutlich mehr als ein Zehntel des Nettoeinkommens             IW-Report 50/2018
                                                              Wido Geis-Thöne: Familien müssen für die gleiche Betreuung
ausmachen.
                                                              in der Kita unterschiedlich viel zahlen – Ein Vergleich der
    Dies kann durchaus dazu führen, dass Eltern ihre          Gebührenordnungen der größten Städte in Deutschland
Kinder später betreuen lassen, als es unter Förder- und       iwkoeln.de/kitagebuehren
Bildungsgesichtspunkten sinnvoll wäre.
Krankenstand                                                                  17. Januar 2019 / #2 / Seite 8

Teure Leiden

                                                                                                                                            48,1
Krankenstand. Im Jahr 2017 sind die krankheits-
bedingten Fehlzeiten in den Betrieben nicht weiter
gestiegen. Dass die Arbeitgeber trotzdem immer                                                                                             Prozent
mehr Geld für die Entgeltfortzahlung aufwenden                                                                                             der BKK-Mitglieder
                                                                                                                                           waren im Jahr 2017
müssen, liegt an der höheren Beschäftigung und den                                                                                         nicht einmal
höheren Löhnen. Die häufigsten Krankheitsursachen                                                                                          krankgeschrieben

sind orthopädische und psychische Probleme, wie die                                 BKK-Mitglieder: Pflicht- und freiwillig versicherte Mitglieder der Betriebskrankenkassen
                                                                                    einschließlich Empfängern von Arbeitslosengeld I und II, ohne Rentner;
jährliche Auswertung des Dachverbands der Be-                                       krankgeschrieben: mit ärztlichem Attest

                                                                                    Quelle: Dachverband der Betriebskrankenkassen
triebskrankenkassen zeigt.                                                          © 2019 IW Medien / iwd

 Die Krankheitskosten der Arbeitgeber                                               Die Krankheitstage
 Ausgaben der Unternehmen für die Entgeltfortzahlung                                Durchschnittliche Krankheitstage je Pflichtmitglied
 im Krankheitsfall in Milliarden Euro

                                                                                    18                                                                                17,2
 Insgesamt
 davon Sozialversicherungsbeiträge der Arbeitgeber
         Bruttoentgelte                                                             16
                                                   59,8
                                                                           9,9      14
 50                                                                                          11,5
                                                                                    12
 40
                                                                                    10
 30                                                                                          2006 07 08 09 2010 11 12 13 14 15 16 2017
          22,6
                                                                           49,9
 20                                                                                 Krankheitstage: Kalendertage mit ärztlichem Attest von pflichtversicherten Mitgliedern
                                                                                    der Betriebskrankenkassen einschließlich Empfängern von Arbeitslosengeld I und II,
          4,0                                                                       ohne Rentner, ab 2016 wegen neuer Methodik nur bedingt mit früheren Werten vergleichbar
 10
          18,6                                                                      Quelle: Dachverband der Betriebskrankenkassen
                                                                                    © 2019 IW Medien / iwd
  0
          2006 07 08 09 2010 11 12 13 14 15 16 2017
 Sozialversicherungsbeiträge der Arbeitgeber einschließlich der
 gesetzlichen Unfallversicherung; 2016: vorläufig, 2017: geschätzt

 Quellen: Bundesministerium für Arbeit und Soziales,
 Deutsche Rentenversicherung, Institut der deutschen Wirtschaft
 © 2019 IW Medien / iwd

 Wer sich krankmeldet, erhält sechs Wochen lang sein                                Mit einem schlechteren Gesundheitszustand der
 volles Gehalt vom Arbeitgeber. Danach springt zu                                   Beschäftigten haben die höheren Krankheitskosten
 70 Prozent die Krankenkasse ein. Im Jahr 2017                                      kaum etwas zu tun. Der Anstieg um zwei Krankheits-
 zahlten die Unternehmen in Deutschland insgesamt                                   tage im Jahr 2016 beruht allein darauf, dass seitdem
 fast 60 Milliarden Euro für die Entgeltfortzahlung.                                auch Atteste während der Reha sowie aufgrund von
 Dass diese Summe seit Jahren wächst, liegt auch an                                 Arbeitsunfällen erfasst werden. Im Jahr 2017 haben
 der steigenden Zahl sozialversicherungspflichtig                                   sich die Arbeitnehmer mit 17,2 Tagen im Schnitt
 Beschäftigter und den steigenden Löhnen.                                           sogar etwas seltener krankgemeldet als 2016.
17. Januar 2019 / #2 / Seite 9                                                                          Krankenstand

                                                                                                                    16,6
Die Krankheiten
So viel Prozent der Krankheitstage entfielen 2017 auf …
                                                                                                              Psychische Störungen
                                                                                                                                                 Ein knappes Viertel aller
   Krankheitstage je Fall
                                                                                                                         38,9                    Arbeitsunfähigkeitstage
          4,4                                                                                                                                    entfiel 2017 auf Erkran-
     Infektionen
                                                                                                                     14,8                        kungen des Bewegungs-
                                                                                                                                                 apparats. Betroffen sind
                                                                                                                 Krankheiten des
          5,8                                                                                                    Atmungssystems                  davon allerdings nicht
                                                                                                                                                 nur körperlich schwer
          4,7                                                                                                             6,7                    arbeitende Menschen,
  Krankheiten des
Verdauungssystems                                                                                                                                sondern auch viele
                                                                                                                          4,2                    Büroangestellte. Der
                                                                                                              Krankheiten des Herz-
          6,4                                                                                                   Kreislauf-Systems
                                                                                                                                                 zweithäufigste Krank-
                                                                                                                                                 schreibungsgrund sind
          4,1                                                                                                            21,7                    psychische Probleme –
Krebserkrankungen
                                                                                                    11,3                                         und sie verursachen mit

                         24,7                                                                 Verletzungen und                                   rund 39 Kalendertagen
         31,5                                                                                   Vergiftungen                                     die weitaus längsten Fehl-
                         Muskel- und                                                                                                             zeiten je Fall. Wer eine
                     Skeletterkrankungen                                                                20,4                                     Infektion auskuriert, fällt
                                                                                                                                                 dagegen im Durchschnitt
                                                Krankheitstage: Kalendertage mit ärztlichem Attest von pflicht- und freiwillig versicherten
                                 19,9           Mitgliedern der Betriebskrankenkassen einschließlich Empfängern von Arbeitslosengeld I und II,   lediglich knapp sechs
                                                ohne Rentner; Rest zu 100: sonstige Ursachen

                                                Quelle: Dachverband der Betriebskrankenkassen
                                                                                                                                                 Tage aus.
                                                © 2019 IW Medien / iwd

  Die Branchen
  Krankheitstage je beschäftigtes Mitglied der Betriebskrankenkassen im Jahr 2017

   Wasserversorgung, Abwasser- und Abfallentsorgung                                                          24,3                darunter:
   Gesundheits- und Sozialwesen                                                                         19,3                     Metallerzeugung und -bearbeitung     22,2
   Baugewerbe                                                                                           18,8                     Papier, Pappe und Waren daraus       20,9
                                                                                                                                 Gummi- und Kunststoffwaren           20,4
   Verarbeitendes Gewerbe                                                                              18,2                      Textilien                            20,2
   Bergbau und Gewinnung von Steinen und Erden                                                         17,9                      Glas und Glaswaren, Keramik          19,8
   Handel, Instandhaltung und Reparatur von Kfz                                                       17,1                       Chemische Erzeugnisse                19,6
   Gastgewerbe                                                                                       16,4                        Metallerzeugnisse                    18,9
   Energieversorgung                                                                                15,5                         Sonstiger Fahrzeugbau                18,6
                                                                                                                                 Elektrische Ausrüstungen             18,5
   Land- und Forstwirtschaft, Fischerei                                                            14,9                          Kraftwagen und -teile                18,2
   Finanz- und Versicherungsdienstleistungen                                                      13,7                           Pharmazeutische Erzeugnisse          17,3
   Information und Kommunikation                                                                10,6                             Maschinenbau                         16,4
                                                                                                                                 Datenverarbeitungsgeräte             14,3
  Branchenauswahl; Krankheitstage: Kalendertage mit ärztlichem Attest; Textilien: ohne Bekleidung und Leder

  Quelle: Dachverband der Betriebskrankenkassen
  © 2019 IW Medien / iwd

  Für 2017 haben die Statistiker des Dachverbands der                                              Grundaussage aber ist geblieben: Die Arbeit in Indus-
  Betriebskrankenkassen (BKK) die Auswertung des                                                   trie und Bergbau hat die Bezeichnung Knochenjob
  Krankenstands in den Branchen erstmals nach der                                                  nicht mehr verdient. Die BKK-versicherten Beschäftig-
  amtlichen Gliederung vorgenommen. Deshalb sind die                                               ten im Maschinenbau beispielsweise sind seltener
  Werte nicht mit denen der Vorjahre vergleichbar. Die                                             krank als jene im Handel und in der Kfz-Reparatur.
EU-Hauptstädte                                                                            17. Januar 2019 / #2 / Seite 10

Wirtschaftsstark und
attraktiv
EU-Hauptstädte. In fast allen          Vor allem die Hauptstädte wachsen
Mitgliedsstaaten der Europäischen      Veränderung der Einwohnerzahl von 2011 bis 2016 in Prozent
Union wächst die Einwohnerzahl
der Hauptstädte rasant. Zwar              Hauptstadt              Insgesamt ohne Hauptstadt
legt auch die Wirtschaftskraft
dieser Metropolen zu, doch in                                                                                                                         8,6
                                                  Stockholm (Schweden)
                                                                                                                  3,5
der Pro-Kopf-Betrachtung des
                                                                                                                                                  8,1
Wirtschaftswachstums fallen die                            Wien (Österreich)
                                                                                                            2,8
Hauptstädte oftmals gegenüber                                    London                                                                         7,8
dem Rest des Landes zurück. Dies                 (Vereinigtes Königreich)                                       3,2
gilt auch für Berlin.                                                                                                                        7,4
                                                                Rom (Italien)
                                                                                                    1,7
                                                                                                                                             7,4
   Ob Schweden, Tschechien oder                       Berlin (Deutschland)
                                                                                                        2,2
Deutschland: In vielen europäischen
                                                                                                                                 5,7
Staaten besitzen die Hauptstädte                        Helsinki (Finnland)
                                                                                            0,6
eine besondere Anziehungskraft –
                                                                                                                                 5,7
das spiegelt sich auch in der Bevöl-                       Brüssel (Belgien)
                                                                                                          2,5
kerungsentwicklung wider (Grafik):
                                                                                                                              5,3
   Fast alle europäischen Haupt-                Kopenhagen (Dänemark)
                                                                                                   1,5
städte wuchsen von 2011 bis 2016
                                                                                                                  3,5
stärker als das jeweilige übrige               Amsterdam (Niederlande)
                                                                                                    1,7
Land.
                                                                                                            2,7
   In Portugal und Bulgarien – in                         Prag (Tschechien)
                                                                                           0,4
beiden Ländern ist die Einwohner-
                                                                                                          2,4
zahl geschrumpft – war der Rück-                          Paris (Frankreich)
                                                                                                                  3,6
gang in der Hauptstadt zumindest
                                                                                                    1,6
schwächer als im nationalen Durch-             Warschau (Polen)
                                                                           -0,5
schnitt. Einzig die griechische
                                                                                            0,5
Hauptstadt Athen hat deutlich mehr             Madrid (Spanien)
                                                                         -0,6
Einwohner verloren als das Land –
                                                                          -0,4
binnen fünf Jahren über 5 Prozent.                                                        Lissabon (Portugal)
                                                         -2,9
   Insgesamt zeigt der Blick auf die
                                                                          -0,6
Bevölkerung, dass vor allem die                                                           Sofia (Bulgarien)
                                                  -3,9
Länder im Süden und ihre Haupt-
                                        -5,3
städte kein hohes Wachstum ver-                                                           Athen (Griechenland)
                                                                 -1,8
zeichneten. Ausnahme: Italien und
Rom. Betrachtet man dagegen die        Vergleich der EU-Staaten mit mindestens fünf Verwaltungsregionen auf der sogenannten NUTS-2-Ebene

Entwicklung des Bruttoinlandspro-      Quelle: Eurostat
                                       © 2019 IW Medien / iwd
dukts (BIP), rangieren sämtliche
17. Januar 2019 / #2 / Seite 11                                                                       EU-Hauptstädte

südeuropäische Staaten am unteren                              als im übrigen Land. Das gilt auch für                      der Hauptstadt, weshalb das Umland
Ende des Rankings:                                             die Bundesrepublik:                                         viel leichter hohe Wachstumsraten
    Mit 3 Prozent Wirtschaftswachs-                                Das nominale BIP Berlins ist von                        erreicht. Und: Noch immer fiele das
tum von 2011 bis 2016 kommt                                    2011 bis 2016 um mehr als 20 Pro-                           BIP pro Kopf in Bulgarien ohne Sofia
Italien im EU-Vergleich auf den                                zent gewachsen. Doch da auch die                            um 26 Prozent niedriger aus. In
vorletzten Platz. Nur Griechenland                             Einwohnerzahl überdurchschnitt-                             dieser länderspezifischen Betrach-
hat sich deutlich schlechter                                   lich gestiegen ist, legte das BIP pro                       tung kann sich die bulgarische
entwickelt.                                                    Kopf weniger stark zu als im Rest                           Kapitale sogar zur gewichtigsten
    In den meisten Hauptstädten der                            Deutschlands.                                               europäischen Hauptstadt krönen.
EU-Staaten ist das BIP zwar deutlich                               In Bulgarien verhält es sich der-                           Doch längst nicht in allen
dynamischer gewachsen als im                                   weil anders: Die Wirtschaftsleistung                        EU-Staaten gibt es ähnliche wirt-
Landesdurchschnitt (Grafik). Aller-                            je Einwohner wuchs in Sofia von                             schaftliche Konvergenzprozesse wie
dings sollte man sich von diesen                               2011 bis 2016 um gut 13 Prozent-                            in Bulgarien. Vielmehr laufen einige
Zahlen nicht blenden lassen: Weil                              punkte schwächer als im übrigen                             reiche Hauptstadtregionen dem
viele Hauptstädte mehr Einwohner                               Land. Aber auch mit Blick auf das                           übrigen Land mit einem überpropor-
hinzugewonnen oder zumindest                                   absolute BIP-Wachstum lag die                               tional hohen Wachstum davon –
weniger verloren haben als das                                 Metropole zurück. Allerdings ist die                        auch das zuletzt von Protesten
Umland, fällt das Wirtschaftswachs-                            Wirtschaftskraft im übrigen Bulgarien                       überzogene Paris und das Brexit-ge-
tum je Einwohner oft schwächer aus                             noch immer deutlich geringer als in                         plagte London.

         35,4                Häufig liegt die Hauptstadt vorn
                              Veränderung des Bruttoinlandsprodukts von 2011 bis 2016 in Prozent

                                  Landesdurchschnitt ohne Hauptstadt
         26,3
                                  20,1                 19,9
                                                                               18,8
                                                                                                        17,2             17,7
                                                                                                                                       14,5
                                  16,2                                                                                   15,4                         12,9
                                                                               13,2
                                                       11,2                                                                            11,4
                                                                                                        8,0                                            7,5

      London                   Berlin             Kopenhagen               Stockholm             Amsterdam                Sofia      Warschau        Helsinki
    (Vereinigtes           (Deutschland)          (Dänemark)              (Schweden)            (Niederlande)          (Bulgarien)    (Polen)       (Finnland)
     Königreich)

         14,8
                                                                               12,6
                                  10,6
         11,6                                            8,1                                                              7,8
                                                                                                        6,4
                                  7,2                    7,5                    7,2
                                                                                                                                        3,1            Athen
                                                                                                        4,1               0,7                     (Griechenland)

        Wien                   Paris                  Prag                   Brüssel                   Madrid           Lissabon       -0,9           -14,5
     (Österreich)          (Frankreich)           (Tschechien)              (Belgien)                 (Spanien)        (Portugal)       Rom
                                                                                                                                      (Italien)

  Vergleich der EU-Staaten mit mindestens fünf Verwaltungsregionen auf der sogenannten NUTS-2-Ebene

  Quelle: Eurostat
  © 2019 IW Medien / iwd
                                                                                                                                                      -17,3
17. Januar 2019 / #2 / Seite 12

                                                                                           Impressum                                             Abo-Service: Therese Hartmann,
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                                                                                           Herausgeber:                                          hartmann@iwkoeln.de
                                                                                           Institut der deutschen Wirtschaft Köln e.V.
                                                                                           Präsident: Arndt Günter Kirchhoff                     Verlag:
                                                                                           Direktor: Prof. Dr. Michael Hüther                    Institut der deutschen Wirtschaft
                                                                                           Mitglieder: Verbände und Unternehmen in Deutschland   Köln Medien GmbH,
                                                                                                                                                 Postfach 10 18 63, 50458 Köln,
                                                                                           Redaktionsleiter: Jork Herrmann (verantwortlich)      Konrad-Adenauer-Ufer 21, 50668 Köln
                                                                                           Redaktion: Andreas Wodok (Textchef),                  Telefon: 0221 4981-0, Fax: 0221 4981-445
                                                                                           Irina Berenfeld, Carsten Ruge,
                                                                                           Berit Schmiedendorf,                                  Druck: Henke GmbH, Brühl
                                                                                           Kerstin Schraff,
                                                                                           Alexander Weber                                       Rechte für den Nach­druck oder die
                                                                                           Redaktionsassistenz: Anja Hüpper                      elektro­nische Verwertung über:
                                                                                           Grafik: IW Medien GmbH                                lizenzen@iwkoeln.de
                                                                                           Telefon: 0221 4981-255
                                                                                           Fax: 0221 4981-99255
                                                                                           E-Mail: iwd@iwkoeln.de

                                                                                           Bezugspreis:
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                                                                                           wertsteuer, Erscheinungsweise 14-täglich

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    In keinem anderen europäischen Land jobben so viele Studenten wie in

                                                                                                                                                 11,6
Deutschland: Zuletzt gingen 54 Prozent der hiesigen Hochschüler einer
regelmäßigen, bezahlten Tätigkeit während des Zeitraums nach, in dem
Vorlesungen und Seminare stattfinden. Im Schnitt arbeiteten die Studenten
elf Stunden in der Woche, ein Drittel jobbte sogar mehr als 21 Stunden. Kein
Wunder: Denn ein Studium muss man sich auch leisten können. Laut Deut-
schem Studentenwerk benötigt der akademische Nachwuchs etwa 850 bis                                                                              Millionen
925 Euro monatlich, um unter vernünftigen Umständen studieren und
wohnen zu können. Der Bafög-Höchstsatz ist mit 649 Euro (ohne Kranken-
und Pflegeversicherungszuschlag) im Monat weit davon entfernt, auch die
geplante Erhöhung auf 744 Euro hilft nur marginal.

                                                                                                                                  Bundesbürger ab 14 Jahren gaben
  Studieren und arbeiten                                                                                                          im Jahr 2017 an, mehrmals wöchent-
  So viel Prozent der Studenten in Europa gehen einer geregelten, bezahlten Tätigkeit                                             lich Sport zu treiben – immerhin
  während der Vorlesungszeit nach                                                                                                 1,2 Millionen mehr als im Jahr zuvor.
                                                                                                                                  Laut Arbeitsgemeinschaft Ver-
                                 1.                         2.                       3.                                           brauchs- und Medienanalyse gingen
                              54                           53                       49                                            allein 4,3 Millionen über 14-Jährige
                                                                                                                                  mindestens zweimal pro Woche ins
                         Deutschland                    Estland                   Tschechien                                      Fitnessstudio, um Kraft und Kondi-
                   4.                         5.                          6.                     7.                               tion zu steigern oder ihr Gewicht zu
                49                          49                           48                    47                                 reduzieren – rund ein Viertel mehr
                                                                                                                                  als 2016. Doch trotz dieses positiven
                Island                    Lettland                      Schweiz            Österreich                             Trends bleibt der innere Schweine-
                                8.                          9.                       10.
                                                                                                                                  hund allzu oft Sieger, wenn es um
                              45                           44                       42                                            den guten Vorsatz geht, sich mehr zu
                                                                                                                                  bewegen: Die Zahl derjenigen
                          Niederlande                      Polen                  Norwegen                                        Deutschen, die sich weniger als
                                                            ...                                                                   einmal im Monat sportlich betätigen,
                                              27.                         28.                                                     war 2017 mit 10,4 Millionen fast
                                                                                                                                  ebenso hoch wie die der Sportbe-
                                              11                          11
                                                                                                                                  geisterten. Und mehr als 29 Millionen
                                           Italien                      Serbien                                                   über 14-jährige Bundesbürger haben
  Befragung von 330.000 Studenten zwischen 2016 und 2018                                                                          zuletzt überhaupt keinen Sport
  Quelle: Deutsches Zentrum für Hochschul- und Wissenschaftsforschung                                                             getrieben – oder wollten sich zu
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                                                                                                                                  diesem Thema gar nicht erst äußern.
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