Wohnungsmarktbericht Deutschland | Gesamtjahr 2019 Erschienen im Mai 2020 - JLL

Die Seite wird erstellt Kerstin Brandt
 
WEITER LESEN
Wohnungsmarktbericht Deutschland | Gesamtjahr 2019 Erschienen im Mai 2020 - JLL
Wohnungsmarktbericht
Deutschland | Gesamtjahr 2019
Erschienen im Mai 2020
Wohnungsmarktbericht Deutschland | Gesamtjahr 2019 Erschienen im Mai 2020 - JLL
Inhaltsverzeichnis

Wirtschaft und Arbeitsmarkt
Konjunktur und Bruttoinlandsprodukt................................................................ 3
Arbeitslosigkeit und Erwerbstätige....................................................................... 4
Der deutsche Wohnungsmarkt und die Folgen durch Covid-19.................. 6

Geldpolitik, Inflation und Finanzierung
Leitzinsen und Inflation.......................................................................................... 7
Hypothekenzinsen und -kreditvolumen.............................................................. 8

Demografische Entwicklung
Bevölkerungsentwicklung.................................................................................... 12
Bevölkerungsstruktur............................................................................................ 13
Regionale Bevölkerungsentwicklung................................................................. 15
Haushaltsentwicklung.......................................................................................... 17

Wohnungsmarkt
Neubautätigkeit...................................................................................................... 19
Struktur des Wohnungsbestands........................................................................ 21
Wohneigentumsquote.......................................................................................... 23
Gewerbliche und öffentliche Wohnungsunternehmen................................ 25
Preise und Kosten.................................................................................................. 28
Gesetzliche Rahmenbedingungen...................................................................... 31
Wohninvestmentmarkt......................................................................................... 32

Quellen..................................................................................................................... 34

 Wohnungsmarktbericht 2020 | Inhaltsverzeichnis                                                                                   2
Wohnungsmarktbericht Deutschland | Gesamtjahr 2019 Erschienen im Mai 2020 - JLL
Wirtschaft und Arbeitsmarkt

Die deutsche Wirtschaft wuchs 2019 das zehnte Jahr in Folge und baut damit nicht nur
die längste Wachstumsphase im vereinten Deutschland weiter aus, sondern weist auch
ein neues Rekordhoch bei der Zahl der Beschäftigten auf. Mit der Covid-19 Pandemie
hat sich die ökonomische Situation im Frühjahr 2020 jedoch schlagartig verändert –
mit ungewissen Aussichten für die Zukunft.

Die wirtschaftliche Entwicklung ist sowohl für die Nachfra-   sind (im Jahr 2018 lag das Wachstum bei +1,3 %), konnten
ge- als auch Angebotsseite des Wohnungsmarktes rele-          die Konsumausgaben des Staates sogar um +2,5 % an-
vant. Die Entwicklung der Wirtschaftsleistung beeinflusst     steigen und lagen damit deutlich über der Vorjahresent-
das verfügbare Einkommen der privaten Haushalte und           wicklung von +1,4 %. Die Exporte der deutschen Wirt-
stellt damit einen wichtigen Faktor in der Nachfrage nach     schaft konnten zwar auch im Jahr 2019 mit einer
Wohnen sowohl als Konsum- als auch Investitionsgut dar.       Steigerung von +0,9 % gegenüber dem Vorjahreswert wei-
Die Situation am Arbeitsmarkt spiegelt diesen Zusam-          terwachsen, haben insgesamt aber im Wachstum an
menhang nicht nur, sondern zeigt zudem auch auf, wie          Schwung verloren (im Vergleich dazu sind die Importe in
groß der Anteil derjenigen ist, die ihre Wohnungsnachfra-     2019 um +1,9 % gestiegen).
ge ohne staatliche Unterstützung decken können. Des
Weiteren erhöhen angebotsseitig Investitionen in den          Diese Entwicklung zeigt sich auch bei einer näheren Betrach-
Wohnungsbestand das verfügbare Wohnungsangebot so-            tung der Entstehungsseite des Bruttoinlandsproduktes. In
wohl quantitativ als auch qualitativ und fragen dabei zu-     großen Teilen der deutschen Industrie gab es starke Rück-
sätzliche Arbeitskräfte am Arbeitsmarkt nach. Der Woh-        gänge in der Wirtschaftsleistung. Das anteilig besonders rele-
nungsmarkt ist daher wechselseitig mit Arbeitsmarkt und       vante „produzierende Gewerbe (ohne Bau)“ musste bei-
Realwirtschaft verknüpft.                                     spielsweise einen Rückgang von -3,6 % hinnehmen und
                                                              wurde dabei insbesondere von der schwachen Produktion in
Konjunktur und Bruttoinlandsprodukt                           der Automobilbranche geschwächt. In den Dienstleistungs-
Die deutsche Wirtschaft konnte auch im Jahr 2019 das          bereichen hat sich hingegen ein gegenteiliges Bild gezeich-
Wachstum der Vorjahre fortsetzen. Das preisbereinigte         net. Die Sektoren der „Information und Kommunikation“ so-
Bruttoinlandsprodukt lag im Jahr 2019 rund +0,6 % über        wie die „Finanz- und Versicherungsdienstleister“ konnten
dem Vorjahreswert. Damit konnte die laufende Wachs-           Zuwächse von jeweils rund +2,9 % verzeichnen. Mit einer
tumsphase auf zehn Jahre ausgebaut werden, obgleich           Steigerung der Wirtschaftsleistung von +4,0 % gegenüber
das Wachstum in den vorangegangenen Jahren noch               dem Vorjahreswert konnte das „Baugewerbe“ im Jahr 2019
deutlich stärker ausgefallen war (im Jahr 2017 war die        am stärksten wachsen.
Wirtschaft um +2,5 % und im Jahr 2018 um +1,5 % ge-
wachsen). Dabei kam der größte Wachstumsimpuls im             Die starken Steigerungen im Baugewerbe spiegelten sich
Jahr 2019 durch die privaten und staatlichen Konsumaus-       auch in der Entwicklung der Bruttoanlageinvestitionen in
gaben. Während die Konsumausgaben der privaten Haus-          der Baubranche wider, die mit einem Zuwachs von 3,8 %
halte im Vergleich zum Vorjahreswert um +1,6 % gestiegen      gegenüber dem Vorjahr deutlich angestiegen sind. Daran

Wohnungsmarktbericht 2020 | Wirtschaft und Arbeitsmarkt                                                                    3
Wohnungsmarktbericht Deutschland | Gesamtjahr 2019 Erschienen im Mai 2020 - JLL
hatte neben dem Anstieg im Tiefbau vor allem der Woh-         Arbeitslosigkeit und Erwerbstätige
nungsbau einen maßgeblichen Anteil. Und auch der              Im Jahresverlauf 2019 hatte sich der Arbeitsmarkt weitestge-
Wohninvestmentmarkt konnte das Jahr 2019 mit einem            hend robust gegenüber der leichten konjunkturellen Eintrü-
bemerkenswerten Ergebnis abschließen. Mit einem Trans-        bung erwiesen. Während sich die Quote der Arbeitslosen
aktionsvolumen für Wohnimmobilien und -portfolios von         nach Jahren des deutlichen Rückgangs auf einem konstan-
rund 20 Mrd. Euro konnten sowohl der Vorjahreswert (+7 %)     ten Niveau von rund 5 % einpendelte, konnte die Zahl der Er-
als auch der 5- und 10-Jahresdurchschnitt (um 16 % bzw.       werbstätigen weiter leicht steigen. Mit insgesamt 45,4 Mio.
56 %) übertroffen werden. Insgesamt konnte damit be-          Beschäftigten lag die Zahl der Erwerbstätigen im Dezember
reits das vierte Jahr in Folge ein Zuwachs am deutschen       2019 auf einem Rekordhoch. Dass die konjunkturelle Abküh-
Wohninvestmentmarkt registriert werden.                       lung und die anhaltenden Diskussionen um eine mögliche
                                                              Rezession nicht stärker auf den Arbeitsmarkt durchschlugen,
Auch wenn die Wirtschaftsleistung in Deutschland zuletzt      kann auf den hohen Fachkräftemangel am inländischen Ar-
etwas schwächer gewachsen war, lagen die Prognosen für        beitsmarkt zurückgeführt werden. Dieser wirkte die Jahre zu-
die Entwicklung des Bruttoinlandsprodukts im Jahr 2020        vor wachstumsbeschränkend und konnte in dieser Phase
im Mittel bei knapp über einem Prozent und damit wie-         der konjunkturellen Eintrübung dämpfend entgegenwirken.
der leicht über dem Vorjahreswert. In Folge der globalen
Covid-19 Pandemie und der damit verbundenen gesell-           Zum Jahresbeginn wies die Prognose der deutschen Wirt-
schaftlichen und wirtschaftlichen Maßnahmen gegen eine        schaftsinstitute¹ für die Entwicklung der Arbeitslosenquote
Ausbreitung hat sich die globale ökonomische Lage im          im Jahr 2020 eine leichte Anhebung der Arbeitslosigkeit auf
Frühjahr 2020 allerdings abrupt verändert und innerhalb       5,1 % aus. Allerdings haben die Covid-19 Pandemie sowie
kürzester Zeit die schwerste Rezession in der Nachkriegsge-   die Maßnahmen zur Eindämmung der Ausbreitung die Ar-
schichte Deutschlands ausgelöst. Vor diesem Hintergrund       beitsmarktsituation und damit alle Prognosen hinsichtlich
wird für 2020 mittlerweile ein Rückgang des Bruttoinlands-    der Entwicklung von Beschäftigungszahlen und Arbeitslo-
produktes in Deutschland von rund -5 bis -9 % (Stand Mai      senquoten schlagartig und grundlegend verändert. Wirt-
2020) erwartet. Die langfristigen ökonomischen Folgen         schaft und Arbeitsmarkt stehen durch die Folgen der Co-
sind allerdings schwer zu beziffern und Bewertungen der       vid-19 Krise vor großen Herausforderungen. Zur direkten
konjunkturellen Entwicklung müssen aufgrund der Dyna-         Unterstützung von Beschäftigten und Unternehmen hat der
mik der Geschehnisse, vor allem in Bezug auf unmittelbare     Bundestag im Eilverfahren verschiedene Hilfsmaßnahmen,
Folgen, laufend erneuert werden. So könnte beispielsweise     wie einen leichteren Zugang zu Kurzarbeitergeld, beschlos-
die europäische Uneinigkeit bei den Hilfsmaßnahmen zu         sen. Zum Ende April 2020 konnten Anzeigen zur Kurzarbeit
weiterer politischer Unruhe und einer Diskreditierung der     für rund 10 Millionen Beschäftigte verzeichnet werden, von
europäischen Gemeinschaft führen, die am Ende sogar           denen zu diesem Zeitpunkt bereits 4-5 Millionen in Kurzar-
in einer verschärften europäischen Währungskrise und          beit tätig waren. Die eigentliche Bewährungsprobe für den
weiteren ökonomischen Effizienzverlusten mündet.              Arbeitsmarkt steht mittelfristig allerdings noch aus. Das Ins-

Wohnungsmarktbericht 2020 | Wirtschaft und Arbeitsmarkt                                                                    4
Wohnungsmarktbericht Deutschland | Gesamtjahr 2019 Erschienen im Mai 2020 - JLL
titut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB), die For-                           Auswirkungen auf Arbeitsmarkteinsteiger abzufedern, um
schungseinrichtung der Bundesagentur für Arbeit, geht da-                             eine hohe Jugendarbeitslosigkeit und eine systematisch er-
von aus, dass die Zahl der Erwerbstätigen in der Spitze um                            höhte Arbeitslosigkeit dieser Jahrgänge zu verhindern. Op-
rund eine Million Personen zurückgehen und die Arbeitslo-                             timistisch stimmen zumindest die Erwartungen, dass de-
sigkeit auf über drei Millionen Personen ansteigen könnte.                            mographische Veränderungen den sprunghaften Anstieg
Vieles hängt aber davon ab, in welchem Ausmaß es zu einer                             der Arbeitslosigkeit und der Zahl in Kurzarbeit Beschäftigter
systemischen und globalen Wirtschaftskrise kommt – diese                              in Teilen abdämpfen können. Demographische Verände-
Entwicklungen sind gegenwärtig noch nicht vollumfänglich                              rungen sorgen dafür, dass in den kommenden Jahren mehr
abzuschätzen.                                                                         Arbeitnehmer den Arbeitsmarkt verlassen, als dass neue
                                                                                      hinzukommen. Bis zum Jahr 2030 wird die Alterskohorte
Allerdings hat sich mit dieser Krise gerade für Stellensu-                            der „Babyboomer-Generation“, die heute einen großen Teil
chende sowie junge Berufseinsteiger die Situation schlag-                             der Erwerbstätigen am Arbeitsmarkt ausmacht, in Rente
artig und gravierend verschlechtert. Die Zahl offener Stellen                         gegangen sein. Wurden diese demografischen Effekte, d.h.
und Neueinstellungen ist im März 2020 mit den Covid-                                  vor allem altersbedingtes Ausscheiden aus dem Arbeits-
19-Maßnahmen abrupt und flächendeckend eingebrochen.                                  markt, in den vergangenen Jahren durch höhere Erwerbs-
Je nach Branche lag die Zahl der neuen Stellenangebote                                beteiligung sowie durch Arbeitskräfte aus dem Ausland
bei nur noch rund 15–60 % der Zahl der offenen Stellen in                             überlagert, könnten diese nun eine langfristige Abkühlung
den Vormonaten. Aus diesem Grund sind gerade negative                                 am Arbeitsmarkt zumindest in Teilen abdämpfen.

Arbeitslosigkeit und Erwerbstätige

46    Erwerbstätige (in Mio.)                                                 Arbeitslosenquote (in %)    14,0

45

44
                                                                                                          12,0                  2019

                                                                                                                   45,4 Mio.
43                                                                                                        10,0

42
                                                                                                          8,0
41                                                                                                                        Erwerbstätige
                                                                                                          6,0
40

39

38
                                                                                                          4,0

                                                                                                          2,0
                                                                                                                               5%
                                                                                                                            Arbeitslose
37

36                                                                                                        0,0
  1992 1994 1996 1998 2000 2002 2004 2006 2008 2010 2012 2014 2016 2018 2019

     Erwerbstätige gemäß ESVG 2010 (kalender- und saisonbereinigt)                          Stand: Mai 2020
                                                                                            Quelle: Bundesagentur für Arbeit, Deutsche Bundesbank,
     Arbeitslosigkeit registriert nach § 16 SGB III (kalender- und saisonbereinigt)
                                                                                            Berechnung: JLL

Wohnungsmarktbericht 2020 | Wirtschaft und Arbeitsmarkt                                                                                              5
Wohnungsmarktbericht Deutschland | Gesamtjahr 2019 Erschienen im Mai 2020 - JLL
Der deutsche Wohnungsmarkt und die Folgen
durch Covid-19
Die Maßnahmen gegen die Ausbreitung von Covid-19 und
deren mittelbare ökonomische Folgen werden auch den
deutschen Wohnungsmarkt beeinflussen. Eine steigende
Zahlungsunfähigkeit auf Seiten der Mieter als Folge des
wirtschaftlichen Einbruchs könnte zu Mietausfällen und er-
höhten Leerständen führen. Da das Konsumgut „Wohnen“
aus wirtschaftspolitischer Sicht ein Grundbedürfnis dar-
stellt und in einer sozialen Marktwirtschaft dem Staat die
Verantwortung unterliegt, dieses Bedürfnis zu schützen,
sind von Seiten des Bundes und der Länder bereits ver-
schiedene Sofortmaßnahmen beschlossen worden. Dazu
zählt insbesondere der Kündigungsausschluss wegen Miet-
schulden für die Dauer von drei Monaten, welcher auch
Stundungen von Gas-, Strom- und Telefonrechnungen be-
inhaltet. Zusätzlich zeigen bereits viele der größeren insti-
tutionellen Vermieter die Bereitschaft, temporär auf
Zwangsräumungen und auf Mieterhöhungen zu verzichten.
Anders als ein staatlicher Fonds, der Mieter mit einem Zu-
schuss oder zinslosen Darlehen unterstützt, gehen die So-
fortmaßnahmen, wie der Kündigungsausschluss, kurzfristig
eher zu Lasten der Vermieter. Inwieweit weitere indirekte
Sofortmaßnahmen mögliche kurzfristige Mietausfälle, ins-
besondere für kleinere Vermieter, abdämpfen können und
damit stabilisierend auf den Mietwohnungsmarkt wirken,
ist gegenwärtig noch nicht absehbar. Bis zum Ende Mai
2020 waren die Mietausfälle am Wohnungsmarkt allerdings
nur sehr gering. Mittel- und langfristig wird die staatliche
Verantwortung dem Mieter gegenüber daher auch dem
Schutz der Vermieter dienen, auch wenn durch den erwart-
baren Rückgang der Einkommen auf mittlere Sicht der
Spielraum für Mietpreissteigerungen sehr begrenzt sein
dürfte. Insgesamt sind für das Risikoprofil der Assetklasse
Wohnen, das als sehr defensiv gilt, keine langfristigen Ver-
änderungen zu erwarten, denn „Wohnen“ stellt als Kon-
sumgut ein Grundbedürfnis dar und ist damit in seinen in-
härenten Eigenschaften sehr beständig.

Wohnungsmarktbericht | Deutschland 2019                         6
Wohnungsmarktbericht Deutschland | Gesamtjahr 2019 Erschienen im Mai 2020 - JLL
Geldpolitik, Inflation und Finanzierung

Die Effektivzinssätze für Hypothekenkredite wiesen im Jahr 2019 einen weiteren
Rückgang auf. Aufgrund konjunktureller Einbrüche und niedriger Kerninflation ist für
den Jahresverlauf eine weitere Ausweitung der expansiven Geldpolitik zu erwarten –
und damit eine Normalisierung der Zinspolitik im europäischen Währungsraum in
weite Ferne gerückt.

Leitzinsen und Inflation                                                             wie Immobilien, geboten werden können. Bei diesem Wir-
Der Zinssatz für Hauptrefinanzierungsgeschäfte der euro-                            kungszusammenhang zwischen geldpolitischer Steuerung
päischen Zentralbank, der sogenannte Leitzins, stellt die                           und Vermögenspreisen handelt es sich um den direkten
wichtigste Steuerungsgröße für die Hypothekenzinssätze                              Transmissionskanal der Geldpolitik. Dieser ist besonders
dar: mit einer Leitzinssenkung wird die Geldaufnahme                                relevant, da Immobilien zumeist zu einem wesentlichen Teil
durch die Geschäftsbanken erleichtert, die diese Vorteile                           mit Fremdkapital finanziert werden. Neben diesem direkten
im Wettbewerb mit anderen Banken an ihre Bankkunden                                 Effekt wirken weitere indirekte Transmissionsmechanismen
weitergeben. Durch diese vergünstigte Finanzierung ent-                             der Geldpolitik auf die Entwicklung der Immobilienpreise.
stehen den Bankkunden geringere Fremdkapitalkosten, die                             Nennenswert ist dabei eine nachfrageinduzierte Preissteige-
dazu führen, dass höhere Preise für reale Vermögensgüter,                           rung, die durch Portfolio-Umschichtung verursacht wird: mit

Leitzinsen und Inflation

5,0 %                                                                                                                    Zinssatz der EZB*
                                                                                                                         Verbraucherpreisindex Deutschland**
4,0                                                                                                                      Verbraucherpreisindex EU**

3,0

2,0

1,0

0,0

-1,0
       1999

              2000

                     2001

                            2002

                                   2003

                                          2004

                                                 2005

                                                        2006

                                                               2007

                                                                      2008

                                                                             2009

                                                                                     2010

                                                                                            2011

                                                                                                   2012

                                                                                                          2013

                                                                                                                  2014

                                                                                                                          2015

                                                                                                                                 2016

                                                                                                                                        2017

                                                                                                                                               2018

                                                                                                                                                      2019

Stand: Mai 2020                                                                                                  * Zinssatz der Europäischen Zentralbank für
Quelle: Deutsche Bundesbank,                                                                                        Hauptrefinanzierungsgeschäfte
Berechnung: JLL                                                                                                     (Stand am Monatsende)
                                                                                                                 ** Inflation der Verbraucherpreise, Veränder-
                                                                                                                    ungen zum Vorjahresmonat

Wohnungsmarktbericht 2020 | Geldpolitik, Inflation und Finanzierung                                                                                          7
abnehmenden Leitzinsen werden Anleihen im Vergleich zu                     2019 wieder deutlich gefallen. Als primäre Steuerungsgröße
Aktien oder realen Vermögensgütern, wie etwa Immobilien,                   dient der europäischen Zentralbank die Kerninflation (d.h.
weniger attraktiv. In der Konsequenz führt das dazu, dass                  Preissteigerungen ohne Lebensmittel und Öl), die in den
letztere stärker nachgefragt werden und im Preis steigen.                  vergangenen Jahren unter der Zielgröße von 2 % rangierte.
Mit einer expansiven Geldpolitik kommt es insgesamt also
über verschiedene direkte und indirekte Transmissions-                     Hypothekenzinsen, -kreditvolumen und
kanäle zu einer Inflation der realen Vermögenswerte.                       Haushaltsverschuldung
                                                                           Der Zinssatz für Hauptrefinanzierungsgeschäfte der Euro-
Das vorrangige geldpolitische Ziel der Europäischen Zen-                   päischen Zentralbank stellt die wichtigste Leitgröße der
tralbank stellt die Gewährleistung der Preisstabilität im                  Hypothekenzinssätze dar. Aus diesem Grund sanken mit
europäischen Währungsraum dar.² Von einer Inflationsrate                   der sukzessiven Leitzinssenkung der letzten Dekaden auch
von bis zu 6 % Anfang der 1990er Jahre sank die Inflations-                die Hypothekenzinssätze in Deutschland deutlich von 9 %
rate seit Mitte der 1990er Jahre auf ein Niveau von rund                   im Jahr 1992 auf Werte um 2 % seit Anfang 2015. Nachdem
2 %. Verursacht durch die weltweite Finanzkrise sank diese                 die Hypothekenzinssätze im Jahr 2016 bis auf einen Wert
bis zur zweiten Jahreshälfte 2009 kurzfristig sogar in den                 von 1,6 % gesunken waren, haben sich die Hypotheken-
negativen Bereich (Deflation). Seit diesem Tiefstand stieg                 zinssätze im Jahr 2018 auf einen Wert von etwa 1,95 % ein-
die Teuerung der Verbraucherpreise im Zuge der wirt-                       gependelt und sind im Jahr 2019 noch einmal auf ein Ni-
schaftlichen Erholung 2010 und 2011 wieder auf rund                        veau von 1,2 % gefallen. Die weiterhin historisch niedrigen
2,0 %. Seitdem sank die Inflationsrate erneut und lag im                   Hypothekenzinssätze sind für die Finanzierungsseite von
April 2016 ein weiteres Mal im negativen Bereich. Nach Wer-                Wohnimmobilieninvestitionen sowohl für institutionelle als
ten von über 2 % im Jahr 2018 ist die Inflationsrate im Jahr               auch für private Investoren damit weiterhin sehr günstig.

Hypothekenzinsen und - kreditvolumen

25.000     Neugeschäftsvolumina (in Mio. €)                                                                       p.a. Effektivzinssatz (in %)   5,0

                                                                                                                                                4,5

20.000                                                                                                                                          4,0

                                                                                                                                                3,5

15.000                                                                                                                                          3,0

                                                                                                                                                2,5

10.000                                                                                                                                          2,0

                                                                                                                                                1,5

 5.000                                                                                                                                          1,0

                                                                                                                                                0,5

    0                                                                                                                                           0,0
         2011         2012           2013         2014           2015          2016          2017          2018            2019

                                                         Neugeschäftsvolumina Banken/Wohnungsbaukredite an private Haushalte insgesamt
                                                         Effektivzinssätze Banken/Neugeschäft/besicherte Wohnungsbaukredite an private Haushalte,
                                                         anfängliche Zinsbindung über 10 Jahre
Stand: Mai 2020
Quelle: Deutsche Bundesbank,
Berechnung: JLL

Wohnungsmarktbericht 2020 | Geldpolitik, Inflation und Finanzierung                                                                               8
Aufgrund des günstigen Finanzierungsniveaus hat in                              sich anhand des Bank lending Survey der europäischen
den vergangenen Jahren auch der Anteil von Hypo-                                Zentralbank, dass die Kreditstandards eher gelockert
thekenkrediten mit langfristiger Zinsbindung zuge-                              und sich Margen verengt haben.³ Allerdings sind diese
nommen. Lag der Anteil der Wohnungskredite mit                                  Veränderungen im historischen Vergleich (etwa zu den
einer Laufzeit von über zehn Jahren vor rund zwanzig                            Lockerungen in den Jahren 2004-2008) eher gering.
Jahren bei unter 20 % so machen diese Kredite mitt-
lerweile fast die Hälfte aller Hypothekenkredite aus.                           Mit einer Leitzinssenkung und einer Senkung der Kapi-
                                                                                talkosten geht nicht nur eine Vermögenspreisinflation,
Die Null-Zins-Politik der europäischen Zentralbank setzt                        sondern auch eine Expansion der Kreditmenge einher. Ein
viele Privat- und Genossenschaftsbanken und Sparkas-                            zunehmender kreditfinanzierter Konsum von Vermögens-
sen unter Druck. Denn durch das niedrige Zinsniveauist                          gütern kann über Einkommens- und Vermögenseffekte
auch die Rendite im Bankgeschäft geschrumpft, die                               den Konsum noch weiter ausweiten und damit starke
traditionell von der Zinsspanne zwischen Kredit- und                            Preissteigerungen bewirken. Eine Kreditmengenexpan-
Einlagezins leben. Dies wirkt sich auch auf die Zins-                           sion birgt durch einen derartigen sich selbst verstär-
margen und die Kreditstandards aus. Seit der neuen                              kenden Mechanismus stets die Gefahr der Entwicklung
EU-Richtlinie für Immobilienkredite im Jahr 2016 zeigt                          einer Immobilienpreisblase, wie es beispielsweise an

Zinsbindungsfristen für Wohnungsbaukredite an private Haushalte in Deutschland

100 %

90

80

70

60

50

40

30

20

10

 0
     2003    2004     2005     2006   2007     2008    2009    2010     2011      2012    2013    2014   2015   2016   2017   2018   2019

  variabel oder bis 1 Jahr   von über 1 bis 5 Jahre   von über 5 bis 10 Jahre     von über 10 Jahre

Stand: Mai 2020
Quelle: Deutsche Bundesbank,
Berechnung: JLL

Wohnungsmarktbericht 2020 | Geldpolitik, Inflation und Finanzierung                                                                         9
vielen europäischen und US-amerikanischen Immobilien-                                                                        Die günstigen Finanzierungsbedingungen und geringen
märkten vor der Finanzkrise 2007/08 zu beobachten war.                                                                       Kapitalkosten führen demnach zu keiner deutlichen
                                                                                                                             Verschlechterung der Erschwinglichkeit aufgrund des
Auch in Deutschland ist mit dem starken Rückgang der Hypo-                                                                   gestiegenen Preises für Wohnimmobilien. Allerdings
thekenzinsen das Kreditvolumen privater Haushalte angestie-                                                                  führen die gestiegenen Preise auch zu höheren Eigen-
gen. Im Jahr 2019 lag das mittlere monatliche Neugeschäfts-                                                                  kapitalanteilen und Kaufnebenkosten, die den Zu-
volumina bei rund 23 Mrd. Euro. Allerdings ist der Anstieg der                                                               gang zum Erwerb von Wohnimmobilien zunehmend
Wohnungsbaukredite zwischen 2011 und 2020, anders als                                                                        erschweren. Diese systematische Selektion überdeckt
im Vorweggang der US-Immobilienblase, eher moderat.                                                                          die betrachtete Darstellung der Erschwinglichkeit.

Zudem ist ebenfalls bei der Verschuldung der privaten Haus-                                                                  Bei den starken Preissteigerungen am deutschen
halte in Deutschlandein rückläufiger Trend zu beobachten.                                                                    Wohnimmobilienmarkt lässt sich aufgrund der Ent-
Neben der Verschuldung insgesamt (als prozentueller Anteil                                                                   wicklung der Kreditmenge und – standards sowie der
der Verschuldung am verfügbaren Einkommen) ist auch die                                                                      Verschuldung der privaten Haushalte nur bedingt von
Verschuldung durch Hypothekenkredite zurückgegangen.                                                                         einer kreditmengeninduzierten Preisblase sprechen.

Annuität/Einkommensverhältnis                                                                                                Verschuldung der privaten Haushalte in Deutschland

125 Index (2010=100)                                                                                                         80 in % des BIP                                       in % des verfügbaren Einkommens 120
120
115
                                                                                                                             60                                                                                                      100
110
105
100                                                                                                                          40                                                                                                       80
95
90
                                                                                                                             20                                                                                                       60
85
80
75                                                                                                                           0                                                                                                        40
       2004
              2005
                     2006
                            2007
                                   2008
                                          2009
                                                 2010
                                                        2011
                                                               2012
                                                                      2013
                                                                             2014
                                                                                    2015
                                                                                           2016
                                                                                                  2017
                                                                                                         2018
                                                                                                                2019 Q1-Q3

                                                                                                                                  1992
                                                                                                                                         1994
                                                                                                                                                1996
                                                                                                                                                       1998
                                                                                                                                                              2000
                                                                                                                                                                     2002
                                                                                                                                                                            2004
                                                                                                                                                                                    2006
                                                                                                                                                                                           2008
                                                                                                                                                                                                  2010
                                                                                                                                                                                                         2012
                                                                                                                                                                                                                2014
                                                                                                                                                                                                                       2016
                                                                                                                                                                                                                              2018
                                                                                                                                                                                                                              2019

     Annuität/Einkommensverhältnis*                                                                                              Verschuldung insgesamt in % des BIP
                                                                                                                                 davon Wohnungsbaukredite in % des BIP
                                                                                                                                 Verschuldung insgesamt in % des Verfügbaren Einkommens
                                                                                                                                 davon Wohnungsbaukredite in % des Verfügbaren Einkommens
Stand: Mai 2020
Quelle: Deutsche Bundesbank; *„Berechnungen auf Basis von Angaben des
Verbands deutscher Pfandbriefbanken (vdp). 1 Annuität eines Hypotheken-
kredits mit fester Zinsvereinbarung (zwischen fünf und zehn Jahren) bei
hypothetischer Gesamtlaufzeit von 30 Jahren. 2 Verfügbares Einkommen                                                         *Stand: Mai 2020
pro Haushalt in Deutschland, nominal.“ Deutsche Bundesbank, 2020.                                                            Quelle: Deutsche Bundesbank; Kredite an private Haushalte
                                                                                                                             und private Organisationen ohne Erwerbszweck

Wohnungsmarktbericht | Deutschland 2019                                                                                                                                                                                               10
Ausblick
Nachdem die US-amerikanische Notenbank (FED) in
den vergangenen Jahren sukzessiv die Leitzinsen erhöht
hat, ist es im europäischen Währungsraum hingegen
zu keiner Normalisierung der Zinspolitik gekommen.
Auch wenn indirekte geldpolitische Maßnahmen, wie
die Anleihenkäufe durch die europäische Zentralbank,
schrittweise zurückgefahren wurden, so verharrt die
europäische Zentralbank auf der Null-Zins-Politik.
In Folge der globalen Ausbreitung des Virus-Erregers       anleihen kaufen. Nach Jahren extrem expansiver Geld-
Covid-19 und des damit verbundenen abrupten konjunk-       politik kommt jetzt mit dieser Geldspritze noch eine
turellen Einbruchs im Frühjahr 2020 hat die US-amerika-    Verschärfung hinzu. Für den weiteren Jahresverlauf
nische Notenbank FED ihren Leitzins massiv um einen        können weitere geldpolitische Maßnahmen nicht aus-
halben Prozentpunkt gesenkt. Ausschlaggebend waren         geschlossen werden. So könnten aufgrund der konjunk-
dabei nicht nur die massiven Bewegungen an den inter-      turellen Lage der Wirtschaft Zinssenkungen erfolgen,
nationalen Finanzmärkten, sondern auch die deutliche       die den negativen Einlagezinssatz weiter erhöhen. Aber
Eintrübung des globalen wirtschaftlichen Ausblicks für     auch hier verbleibt angesichts aktueller wirtschaftli-
das Jahr 2020. Und auch die Europäische Zentralbank hat    cher Entwicklungen ein hohes Maß an Ungewissheit.
reagiert. Aufgrund der zunehmenden Liquiditätsengpäs-      Der zinspolitische Spielraum bleibt jedoch aufgrund
se und der deutlich eingetrübten Konjunkturaussichten      der Ausgangssituation gering. Vor diesem Hintergrund
hat sie ein Notkaufprogramm im Umfang von 750 Mrd.         ist mit einer anhaltend hohen Nachfrage nach realen
Euro erlassen. Damit wird die Zentralbank aber nicht nur   Vermögensgütern, wie Eigentumswohnungen, und ei-
Staatsanleihen, sondern erstmals auch Unternehmens-        nem sehr günstigen Finanzierungsumfeld zu rechnen.

Wohnungsmarktbericht | Deutschland 2019                                                                             11
Demografische Entwicklung

Demografische Veränderungen führen trotz
absoluter Bevölkerungsrückgänge zu einer
steigenden Zahl an Haushalten. Insgesamt nehmen
aber insbesondere die regionalen Unterschiede in der demografischen Struktur
deutlich zu. Dies ist für die Wohnungsnachfrage besonders relevant.

Bevölkerungsentwicklung                                     des Statistischen Bundesamtes rund 83,2 Mio. Einwohner.
Nach der Wiedervereinigung ist die Bevölkerungszahl in      Damit konnte zwar ein neuer Höchststand erzielt werden,
Deutschland bis zum Jahr 2002 auf ca. 82,5 Mio. angestie-   aber das Bevölkerungswachstum hat sich im Vergleich
gen. Der Zuwachs ist in den 1990er Jahren insbesondere      zu der Entwicklung der Vorjahre etwas verlangsamt.
auf die Zuwanderung von 2,8 Mio. Spätaussiedlern aus
Osteuropa zurückzuführen. Zwischen 2002 und 2010 sank       Trotz der positiven Bevölkerungsentwicklung der letz-
die Bevölkerungszahl kontinuierlich. Ausschlaggebend        ten Jahre wird für die lange Frist ein absoluter Bevölke-
dafür war vor allem der negative Saldo der natürlichen      rungsrückgang erwartet. Das tatsächliche Ausmaß des
Bevölkerungsentwicklung. Zwischen 2008 und 2009 war         Bevölkerungsrückgangs hängt im Wesentlichen von der
Deutschland sogar ein Auswandererland, das erst 2010        zukünftigen Entwicklung der Fertilitätsrate, der Lebenser-
wieder einen positiven Wanderungssaldo aufweisen            wartung und dem Wanderungssaldo ab. Maßgeblich für
konnte. Seitdem erhöhte sich dieser Saldo kontinuierlich    diese Erwartung ist die zunehmende Alterung, das heißt,
und erreichte im Jahr 2015 mit rund 1,139 Mio. seinen       dass die älteren Bevölkerungsgruppen relativ größer wer-
höchsten Stand seit der Wiedervereinigung. Einen gro-       den. In der Abbildung „Entwicklung der Bevölkerung“ sind
ßen Anteil an dieser Entwicklung haben die Einführung       verschiedene Szenarien des Statistischen Bundesamtes
der Arbeitnehmerfreizügigkeit mit den osteuropäischen       dargestellt, die deutlich machen, dass die Prognosen stark
EU-Ländern im Mai 2011 sowie die steigende Attraktivität    von den genannten Einflussgrößen bedingt werden.
des deutschen Arbeitsmarktes für Arbeitnehmer aus den
südlichen EU-Ländern, wo die Eurokrise den Arbeitsmarkt     Dabei zeigt sich, dass das Ausmaß der Bevölkerungsent-
stark belastete. Zudem kam es im Jahr 2015 zu einem         wicklung sowie die strukturellen demographischen Ver-
sprunghaften Anstieg in der Migration Geflüchteter. Die     änderungen in der Altersstruktur durch eine hohe stetige
hohe Zuwanderung der letzten Jahre hatte vor allem          Nettozuwanderung abgeschwächt werden können. Bei
den Effekt, dass es zu einem kurzfristigen Anstieg der      gleichbleibender Fertilitätsrate (1,4 Kinder/Frau) und Le-
Bevölkerungszahl gekommen ist. Des Weiteren stieg seit      benserwartung (84,8 m/88,8 w) wird die Einwohnerzahl
Ende 2012 die Zahl der Geburten in Deutschland wieder       im Jahr 2040 zwischen 82,28 Mio. (bei einem Wande-
stärker, auch wenn im gleichen Zeitraum aufgrund von        rungssaldo von 300.000) und 73,39 Mio. (bei einem Wan-
zunehmender Alterung die Zahl der Sterbefälle weiter        derungssaldo von Null) liegen. Die großen Unterschiede
angestiegen ist, sodass insgesamt der Überschuss der        zwischen den Szenarien verdeutlichen, dass die Prognosen
Gestorbenen gestiegen ist.⁴ Insgesamt lebten in Deutsch-    stark von den genannten Einflussgrößen abhängig sind
land zum Ende des Jahres 2019 nach den Berechnungen         und die erwartete Prognoseunsicherheit erheblich ist.

Wohnungsmarktbericht 2020 | Demografische Entwicklung                                                                12
Gerade die Abschätzung der Wanderungssalden erweist                                                           Bevölkerungsstruktur
sich als besonders schwierig, da diese stark von wirt-                                                        Der sukzessive Rückgang der Fertilitätsrate und der sich
schaftlichen und politischen Rahmenbedingungen im                                                             daraus ergebende negative Saldo in der natürlichen
In- und Ausland beeinflusst wird. Während Deutschland                                                         Bevölkerungszahl spiegelt sich in der Altersstruktur der
zwischen 2010 und 2015 eine durchschnittliche Netto-                                                          Bevölkerung wider. Mit einer konstant niedrigen Gebur-
zuwanderung von rund einer halben Million Menschen                                                            tenrate und einer steigenden Lebenserwartung in den
pro Jahr aufweisen konnte, wurden in den Jahren davor                                                         vergangenen Jahrzehnten hat der relative Anteil älterer
noch teilweise sogar Wanderungsverluste verzeichnet.                                                          Bevölkerungsgruppen stetig zugenommen. Mit Hilfe
Dadurch wird deutlich, dass bei der hohen aktuellen inter-                                                    bestehender Bevölkerungszahlen und aktueller Gebur-
nationalen Zuwanderung nicht ohne weiteres von einem                                                          tenraten lässt sich auch die zukünftige Entwicklung der
langfristig anhaltenden Trend ausgegangen werden kann.                                                        Altersstruktur vorausrechnen, wie etwa regelmäßig durch
                                                                                                              die Berechnungen des Statistische Bundesamtes erfolgt.

Bevölkerungsprognose 2060                                                                                     Lag der Anteil der unter 20-Jährigen im Jahr 1980 bei
                                                                                                              über einem Viertel der Bevölkerung, so sank dieser bis
90 Einwohner in Mio.                                                                                          zum Jahr 2010 auf unter ein Fünftel. Es wird davon aus-
                                                                                                              gegangen, dass ab dem Jahr 2040 der Anteil der unter
85
                                                                                                              40-Jährigen bei rund 39 % der Gesamtbevölkerung liegen
80                                                                                                            wird. Umgekehrt stieg der Anteil der über 65-Jährigen von
75                                                                                                            15 % im Jahr 1980 auf 20 % im Jahr 2010. Im Jahr 2040
                                                                                                              könnte sich dieser Anteil auf rund 28 % erhöht haben.
70

65                                                                                                            Durch die zunehmende Alterung der Bevölkerung kommt
                                                                                                              es zu einem steigenden Altersquotienten, dem prozentu-
60
                                                                                                              alen Verhältnis der Bevölkerung in Rentenalter (Zahl der
55                                                                                                            65-Jährigen und Älteren) zur Alterskohorte der Erwerbs-
                                                                              2019-2059 Prognose
50                                                                                                            tätigen (20 bis unter 65 Jahren). Mit einem steigenden
                                                                                                              Altersquotienten kommt es nicht nur zu einer sukzessiven
                          2013
                                 2017
                                        2021
                                               2025
                                                      2029
                                                             2033
                                                                    2037
                                                                           2041
                                                                                  2045
                                                                                         2049
                                                                                                2053
                                                                                                       2057
                                                                                                       2059
     2001
            2005
                   2009

                                                                                                              Verringerung des Arbeitskräftepotentials, sondern auch
                                                                                                              zu einer steigenden Belastung der Sozialsysteme. Im Jahr
                                                                                                              1980 lag der Altersquotient noch bei knapp 23, d.h. für eine
            2,1 Kinder/Frau,
                                                                                                              Person im Rentenalter kamen damals vier Personen zwi-
            Lebenserwartung (2060) 84,8/88,8 Jahre,
            langfristiger Wanderungssaldo 100.000                                                             schen 20 und 65 Jahren auf, so liegt der Quotient im Jahr
            1,4 Kinder/Frau,                                                                                  2018 schon bei rund 31. Es wird erwartet, dass der Quotient
            Lebenserwartung (2060) 84,8/88,8 Jahre,                                                           bis 2040 auf einen Wert von fast 48 ansteigen wird. Damit
            Wanderungssaldo 300.000                                                                           fallen statistisch nur noch etwa zwei erwerbstätige Perso-
            1,6 Kinder/Frau,                                                                                  nen auf eine Person im Rentenalter. Allerdings nimmt in
            Lebenserwartung (2060) 84,8/88,8 Jahre,
                                                                                                              Folge der Alterung der Gesellschaft auch der Jugendquo-
            langfristiger Wanderungssaldo 200.000
                                                                                                              tient (der Anteil junger Menschen unter 20 Jahren) ab, wo-
            1,4 Kinder/Frau,
            Lebenserwartung (2060) 84,8/88,8 Jahre,                                                           durch der Anstieg des Anteils, der von den Erwerbstätigen
            langfristiger Wanderungssaldo 100.000                                                             zu versorgenden Bevölkerungsgruppen, ein Stück weit
            1,4 Kinder/Frau,                                                                                  abgebremst werden kann. Während heute rund 62 % der
            Lebenserwartung (2060) 84,8/88,8 Jahre,                                                           Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter zwischen 20 und 65
            Wanderungssaldo Null
                                                                                                              Jahren sind, werden es im Jahr 2040 noch rund 55 % sein.
Stand: Mai 2020
Quelle: destatis, JLL

Wohnungsmarktbericht 2020 | Demografische Entwicklung                                                                                                                    13
Die zunehmende Alterung der Bevölkerung hat auch                                                                                                                                                                                    chen lassen sich dabei vor allem zwei Effekte heranzie-
einen erheblichen Einfluss auf die Entwicklung der Woh-                                                                                                                                                                             hen: die längere Lebenserwartung im Rentenalter, die im
nungsmärkte. Da die einzelnen Altersgruppen verschie-                                                                                                                                                                               Berufsleben zu einer höheren Sparquote zwingt, sowie
dene Nutzergruppen darstellen, die sich durch spezielle                                                                                                                                                                             die gesunkene Geburtenrate, durch die das Kapital im
Lebensstilkonzepte und -vorstellungen sowie Einkom-                                                                                                                                                                                 Vergleich zur Arbeit reichlicher und damit günstiger ge-
menssituationen und Wohnpräferenzen kennzeichnen,                                                                                                                                                                                   worden ist. Die Verringerung des Zinsniveaus führt dazu,
weisen diese auch eine sehr differenzierte Wohnungs-                                                                                                                                                                                dass die Nachfrage nach unkonventionellen Assetklassen,
nachfrage auf. Eine strukturelle demografische Verände-                                                                                                                                                                             wie etwa realen Vermögensgütern, steigt und damit auch
rung hat insbesondere dann einen großen Einfluss auf                                                                                                                                                                                Immobilien als Investment attraktiver werden. Hinzu
den Wohnungsmarkt, wenn die Diskrepanz zwischen der                                                                                                                                                                                 kommt, dass auf institutioneller Ebene die gesetzliche
gegenwärtigen Wohnungsnachfrage und dem bestehen-                                                                                                                                                                                   Rentenversicherung in Deutschland seit Anfang der 2000
den Wohnungsangebot stark zunimmt. Diese Diskrepanz                                                                                                                                                                                 sukzessiv reformiert wurde, um einen starken Anstieg der
betrifft im Speziellen die Wohnfläche der nachgefragten                                                                                                                                                                             Beitragssätze im Zuge des steigenden Altersquotienten
und der angebotenen Wohnungen, kann aber auch nach-                                                                                                                                                                                 zu verhindern. Im Rahmen dieser Reformen hat man der
gelagerte Charakteristika wie die Ausstattung betreffen.                                                                                                                                                                            privaten Altersvorsorge eine deutlich gewichtigere Rolle
Darüber hinaus wirken sich die demografischen Verände-                                                                                                                                                                              zugewiesen und damit die Nachfrage nach vermeintlich
rungen indirekt über das Zinsniveau auf die Wohnungs-                                                                                                                                                                               sicheren Assetklassen, wie Wohneigentum, von Seiten
nachfrage aus. Der deutliche Rückgang des Zinsniveaus                                                                                                                                                                               der Privathaushalte noch zusätzlich erhöht. Dies hat in
in den westlichen Industrienationen, der seit mehreren                                                                                                                                                                              Kombination mit der Null-Zins-Politik der Europäischen
Jahrzehnten beobachtet werden kann, ist zum Teil auf                                                                                                                                                                                Zentralbank erhebliche Auswirkungen auf die Nachfrage
die Alterung der Bevölkerung zurückzuführen. Als Ursa-                                                                                                                                                                              nach realen Vermögensgütern, wie etwa Immobilien.

Altersstruktur der Bevölkerung
                 Einwohner in Mio.                                                                                                                                                                           2019
1.500

1.000

 500

    0

1.500            Einwohner in Mio.                                                                                                                                                 2060 (Hochrechnungen)

1.000

 500

    0
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                    100 Jahre und mehr
                       3-Jährige
                                   6-Jährige
                                               9-Jährige
                                                           12-Jährige
                                                                        15-Jährige
                                                                                     18-Jährige
                                                                                                  21-Jährige
                                                                                                               24-Jährige
                                                                                                                            27-Jährige
                                                                                                                                         30-Jährige
                                                                                                                                                      33-Jährige
                                                                                                                                                                   36-Jährige
                                                                                                                                                                                39-Jährige
                                                                                                                                                                                             42-Jährige
                                                                                                                                                                                                          45-Jährige
                                                                                                                                                                                                                       48-Jährige
                                                                                                                                                                                                                                    51-Jährige
                                                                                                                                                                                                                                                 54-Jährige
                                                                                                                                                                                                                                                              57-Jährige
                                                                                                                                                                                                                                                                           60-Jährige
                                                                                                                                                                                                                                                                                        63-Jährige
                                                                                                                                                                                                                                                                                                     66-Jährige
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                  69-Jährige
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                               72-Jährige
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                            75-Jährige
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                         78-Jährige
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                      81-Jährige
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                   84-Jährige
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                87-Jährige
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                             90-Jährige
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                          93-Jährige
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                       96-Jährige
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                             99-Jährige
        unter 1 Jahr

  weiblich
  männlich

Stand: Mai 2020
Quelle: Destatis, BBSR, JLL

Wohnungsmarktbericht 2020 | Demografische Entwicklung                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                       14
Regionale Bevölkerungsentwicklung
Die Auswirkungen des demografischen Wandels sind regio-         Anbindung, die einen Verlust der jungen Bevölkerung
nal sehr unterschiedlich und müssen daher auch räumlich         zugunsten der Ballungszentren hinnehmen müssen.
differenziert betrachtet werden. Die regionalen Unterschie-     Nach Untersuchungen des Bundesinstituts für Bau-,
de in der Bevölkerungszahl und -struktur lassen sich zu         Stadt- und Raumforschung (BBSR) werden bis 2025 ins-
einem großen Teil auf systematische Binnenwanderung             besondere folgende Regionen vom Bevölkerungswachs-
zurückführen. Für die Binnenwanderung sind wiederum             tum profitieren: das südliche Bayern mit München, die
die lokalen Lebensverhältnisse sowie der Arbeitsmarkt die       Region Stuttgart, die Regionen entlang des Rheins mit
wichtigsten Einflussgrößen. Der am Arbeitsmarkt beson-          Freiburg, Mannheim/Ludwigshafen, dem Rhein-Main
ders beschäftigungsrelevante tertiäre Sektor ist vor allem in   Gebiet und der Region Köln/Bonn, Teile von Nordwest-
Metropolregionen und regionalen Oberzentren zu finden,          deutschland, die Region Hamburg und Berlin mit ihren
denn dort profitieren die Unternehmen nicht nur von not-        angrenzenden Landkreisen. Auf der übergeordneten
wendigen Agglomerationsvorteilen, sondern es bietet sich        Ebene der Bundesländer werden bis 2020 die Stadtstaa-
ihnen auch geeigneter Pool an spezialisierten Arbeitskräf-      ten, die südlichen Bundesländer Bayern und Baden-
ten. Gleiches gilt für Arbeitssuchende. Hinzukommt, dass        Württemberg sowie Schleswig-Holstein Bevölkerungs-
der wachsende Dienstleistungssektor durch eine geringe          steigerungen verzeichnen können. Ein Trend, der sich
Flächennachfrage gekennzeichnet ist und sich daher auch         bis 2040 in diesen Ländern, außer in Schleswig-Holstein,
an strategisch günstigen Standorten mit hoher Bodenin-          fortsetzen soll. Damit findet insbesondere in den groß-
tensivität niederlassen kann. Des Weiteren weisen gerade        räumigen Ballungszentren ein erheblicher Anstieg der
die jüngeren Alterskohorten hinsichtlich der regionalen         Wohnungsnachfrage statt, wo bereits heute ein deutlicher
Wohnstandortwahl eine gestiegene Mobilität und höhere           Überhang in der Wohnungsnachfrage anzufinden ist.
Flexibilität auf, die mit der gestiegenen Akademisierung
und Digitalisierung einhergeht. Da die regionale Differenzie-
rung der Entwicklung am Arbeitsmarkt die Binnenwande-
rung maßgeblich determiniert, stellt sie auch einen wichti-
gen Treiber der regionalen Nachfrage nach Wohnraum dar.
Von dieser Entwicklung profitieren damit vor allem Bal-
lungszentren und deren Umland, die sich durch eine
hohe Arbeitskräftenachfrage und eine hohe Vielfalt urba-
ner Freizeitmöglichkeiten kennzeichnen. Verlierer sind
hingegen die peripheren ländlichen Räume sowie struk-
turschwache Regionen mit schlechter infrastruktureller

Wohnungsmarktbericht 2020 | Demografische Entwicklung                                                                  15
gionaleRegionale
         Bevölkerungsprognose
                 Bevölkerungsprognose (2015-2025)
                                                  (2012-2035)

 e: BBSR, Berechnung: JLL
         Quelle: BBSR, Berechnung: JLL

         Wohnungsmarktbericht 2020 | Demografische Entwicklung   16
Haushaltsentwicklung
Die Zahl der Haushalte ist zentrale Größe der Wohnungs-     Während die Bevölkerungszahl ab 2021 voraussichtlich
nachfrage und deshalb für regionale Untersuchungen          wieder leicht sinken wird, soll die Zahl der Haushalte
der Nachfrageentwicklungen besonders relevant. Die          gemäß den Vorausberechnungen des Statistischen Bun-
Entwicklung der Zahl der Haushalte wird nicht nur von       desamtes bis mindestens zum Jahr 2035 auf rund 43,2
der Bevölkerungsentwicklung, sondern auch maßgeblich        Mio. (+5,9 % zu 2015) ansteigen. Damit kann in Deutsch-
von strukturellen demographischen Veränderungen be-         land bis mindestens 2035 mit einer stetig steigenden
einflusst. So lassen sich insbesondere zwei wesentliche     Nachfrage nach Wohnraum aufgrund von höheren
Tendenzen in der Entwicklung der Zahl der Haushalte         Haushaltszahlen gerechnet werden. Allerdings sind auch
beobachten: Zum einen ist ein kontinuierlicher Rückgang     hier die räumlichen Unterschiede sehr groß, wie eine
der Haushaltsgröße, das heißt der Personenzahl je Haus-     getrennte Betrachtung nach neuen und alten Bundes-
halt, zu beobachten. Dies lässt sich mit der Veränderung    ländern verdeutlicht. Während zwischen 2015 und 2035
der Altersstruktur der Bevölkerung erklären. Die älteren    die Haushaltszahlen im Osten um 7 % sinken, sollen
Alterskohorten, deren relativer Anteil an der Gesamtbe-     diese in den alten Flächenländern um 3 % anwachsen.
völkerung stetig wächst, weisen kleinere Haushaltsgrößen
auf. Aber auch mehr Menschen der übrigen Altersgrup-
pen leben zunehmend alleine. Verantwortlich für diesen      Haushaltswachstum
Prozess der Singularisierung ist eine sich verändernde
Lebensweise der Menschen, die sich durch eine erhöhte       43.500 Zahl der Haus-
Zahl von Geschiedenen und Alleinerziehenden, sinkenden             halte (in Tsd.)        Hochrechnungen ab 2019
Haushaltsgrößen der jüngeren Altersgruppen sowie einer      43.000
Verschiebung des Familiengründungsalters kennzeichnet.
                                                            42.500

Eng verbunden mit dieser Entwicklung ist die zweite
                                                            42.000
Beobachtung, eine stetig wachsende absolute Zahl der
Haushalte. Während die Bevölkerung in Deutschland zwi-      41.500
schen 2011 und 2018 im Schnitt um rund 0,85 % pro Jahr
zunahm, erhöhte sich die Zahl der Haushalte im selben       41.000
Zeitraum um rund 0,95 % pro Jahr auf 41,38 Mio. (39,50
Mio. in 2011). Durch den Rückgang der durchschnittlichen    40.500

Haushaltsgröße kann die Zahl der Haushalte wachsen,
                                                            40.000
selbst wenn die Bevölkerungszahl insgesamt rückläufig
ist. Dadurch ist selbst in den neuen Bundesländern, wo      39.500
die Bevölkerung deutlich zurückging, ein Anstieg der Zahl
                                                                      2015

                                                                      2020

                                                                      2025

                                                                      2030

                                                                      2035
                                                                      2016
                                                                      2017
                                                                      2018
                                                                      2019

                                                                      2021
                                                                      2022
                                                                      2023
                                                                      2024

                                                                      2026
                                                                      2027
                                                                      2028
                                                                      2029

                                                                      2031
                                                                      2032
                                                                      2033
                                                                      2034

der Haushalte seit der Wiedervereinigung zu beobachten.

                                                            Stand: Mai 2020
                                                            Quelle: destatis, BBSR, JLL

Wohnungsmarktbericht 2020 | Demografische Entwicklung                                                                 17
Der anhaltende Prozess der Verringerung der Haus-                    22 % abnehmen. Die durchschnittliche Haushaltsgröße
haltsgrößen wird sich auch in Zukunft weiter fortsetzen.             wird dementsprechend von 1,93 Personen pro Haushalt
Konnten die Einpersonenhaushalte im Jahr 2018 einen                  im Jahr 2018 auf rund 1,9 Personen im Jahr 2030 sinken.
Anteil gegenüber allen anderen Haushaltsgrößen von
etwa 40,8 % (rund 16,9 Mio.) ausmachen, so wird ihr Anteil           Insgesamt kann die demografische Entwicklung der nächs-
bis zum Jahr 2030 auf rund 43 % ansteigen. Besonders                 ten Jahrzehnte in Deutschland wie folgt zusammengefasst
hoch ist dabei der Anteil der Einpersonenhaushalte mit               werden: Es wird ein absoluter Bevölkerungsrückgang bei
älteren Menschen. Von den 16,9 Mio. Einpersonenhaus-                 einer gleichzeitigen Alterung der Bevölkerung erwartet.
halten bestehen rund 35 % aus Menschen von 65 Jahren                 Diese Veränderung der demographischen Struktur führt in
oder älter. Ähnliche Entwicklungen lassen sich auch für              der Kombination mit sich verändernden Lebensweisen zu
die Zweipersonenhaushalte beobachten, deren relati-                  einer stetigen Verringerung der Haushaltsgrößen. Aufgrund
ver Anteil an allen Haushalten zukünftig ebenfalls noch              einer starken divergierenden Binnenwanderung ergeben
ansteigen wird. Demgegenüber steht eine sinkende Zahl                sich zudem regionale Unterschiede in den demografischen
von Haushalten mit drei und mehr Personen. Deren Anteil              Entwicklungen. Dadurch wird, trotz eines erwarteten Be-
wird nach Angaben des Statistischen Bundesamtes vor-                 völkerungsrückgangs, bis zum Jahr 2030 ein Anstieg der
aussichtlich zwischen 2018 und 2030 von 24,4 % auf rund              Zahl der Haushalte erwartet. Der sich fortsetzende kon-
                                                                     junkturelle Einbruch im Frühjahr 2020 könnte mittelfristig
                                                                     zu Veränderungen in den Lebensweisen führen, die dem
Entwicklung der Haushaltsgrößen indexiert                            Trend sich stetig verkleinernder Haushalte entgegenstehen.
                                                                     Hier ist zum Beispiel eine leichte Zunahme in der Subur-
115 Index (2015=100)                                                 banisierung aufgrund erhöhter Flexibilität im Arbeitsalltag
                                                                     und eine Zunahme von Wohngemeinschaften zu erwarten.
110

105                                                                  Diese demografischen Veränderungen wirken sich auch
                                                                     auf die Wohnungsnachfrage und damit auf den Wohnim-
100                                                                  mobilienmarkt und die Neubautätigkeit aus. Es lassen sich
 95
                                                                     die folgenden wesentlichen Tendenzen in der Wohnungs-
                                                                     nachfrage ausmachen: Aufgrund der Singularisierung und
 90                                                                  Alterung ist der Neubaubedarf nach kleineren, zentralen
                                                                     und altersgerechten Wohnungen besonders hoch. Wäh-
 85
                                                                     rend der Wohnungsbedarf nach kleineren Wohneinheiten
 80                                                                  für jüngere Haushalte in den Metropolregionen von den
                                                                     wirtschaftlichen Rahmenbedingungen und dem lokalen
 75
                                                                     Arbeitsmarkt abhängt, handelt es sich bei den demogra-
      2015
      2016
      2017
      2018
      2019
      2020
      2021
      2022
      2023
      2024
      2025
      2026
      2027
      2028
      2029
      2030
      2031
      2032
      2033
      2034
      2035

                                                                     phischen Veränderungen um sehr stabile Trends in der Ent-
                                                                     wicklung der Nachfrage. Aber nicht nur der Bedarf an klei-
                                               Einpersonenhaushalt   neren Wohneinheiten bleibt hoch, sondern auch der Bedarf
                                                2-Personenhaushalt   nach größeren Wohneinheiten. Dieser wird insbesondere
                                                                     in den Metropolregionen in den kommenden Jahren noch
                                                3-Personenhaushalt
                                                                     einmal steigen. Ursächlich dafür ist die Tatsache, dass die-
                                                4-Personenhaushalt   se Regionen im vergangenen Jahrzehnt einen hohen Zuzug
Stand: Mai 2020                               5+-Personenhaushalt    jüngerer Haushalte und hohe Geburtenquoten aufwiesen,
Quelle: destatis, BBSR, JLL                                          die in den kommenden Jahren dazu führen werden, dass
                                                                     wieder vermehrt größere Wohnungen gebraucht werden.

 Wohnungsmarktbericht 2020 | Demografische Entwicklung                                                                         18
Wohnungsmarkt

Wohnungsneubau wird durch gestiegene Bau- und
Bodenpreise, wohnungspolitische Interventionen und
Flächenknappheit in den Ballungsgebieten erschwert.
Damit bleibt an den nachgefragten Wohnungsmärkten das
Angebot hinter der Nachfrage zurück, auch wenn die Zahl
fertiggestellter Wohnungen insgesamt erhöht werden konnte.

Neubautätigkeit
Die Neubautätigkeit auf den regionalen Wohnungsmärkten        nachfrage und -angebot: demografisch- und technologisch
wird im Wesentlichen von dem Neubaubedarf getrieben,          bedingte Veränderungen am Arbeitsmarkt prägen in
der sich aus der Übereinstimmung zwischen der Woh-            Deutschland die regionalen Unterschiede in der Woh-
nungsnachfrage und dem bestehenden Wohnungsangebot            nungsnachfrage. Diese Entwicklung verursacht zunehmend
ergibt. Damit stellt der Neubaubedarf nicht nur eine Abbil-   eine regionale Polarisierung der Wohnungsmärkte, die sich
dung der Entwicklung der Haushaltszahlen dar, sondern er-     in erhöhtem Wohnungsleerstand in strukturell schwachen
gibt sich auch aus dem Ersatzbedarf, d.h. der qualitativen    Regionen sowie Nachfrageüberhängen in wirtschaftlich
Übereinstimmung zwischen Angebot und Nachfrage. Hinzu         starken Regionen niederschlägt. Diese Entwicklungen spie-
kommen die regionalen Unterschiede zwischen Wohnungs-         geln sich gerade in der Neubautätigkeit wider.

Angebot und Nachfrage: Fertigstellungen*, Baugenehmigungen und prognostizierter Bedarf

600 Wohnungen in Tsd.                                                                    Wohnungsfertigstellungen gesamt
                                                                                         Wohnungsfertigstellungen (MFH)
500                                                                                      Wohnungsbaugenehmigungen gesamt
                                                                                         Wohnungsbaugenehmigungen (MFH)
400
                                                                                         Prognostizierter Bedarf gesamt
                                                                                         Prognostizierter Bedarf (MFH)
300

200                                                                                  * Errichtung und Genehmigungen von
                                                                                       Wohnungen in neu errichteten Gebäuden
100

  0
                                                                                     Stand: Mai 2020
       1997
       1998
       1999
       2000
       2001
       2002
       2003
       2004
       2005
       2006
       2007
       2008
       2009
       2010
       2011
       2012
       2013
       2014
       2015
       2016
       2017
       2018
       2019
       2020
       2021
       2022
       2023
       2024
       2025
       2026
       2027
       2028
       2029
       2030

                                                                                     Quelle: destatis, BBSR, JLL

Wohnungsmarktbericht 2020 | Wohnungsmarkt                                                                                  19
Im Jahr 2018 wurden insgesamt rund 286.000 neue Wohnun-            führen. So werden beispielsweise die Bemühungen durch
gen fertig gestellt. Damit lag man ungefähr auf dem Niveau         die städtische Wohnungspolitik bei Nachverdichtungen im-
des Vorjahres. Von den im Jahr 2018 fertig gestellten Woh-         mer häufiger durch die Konfrontation zwischen den Einzelin-
nungen waren 250.000 Neubauwohnungen in Wohngebäu-                 teressen der Anwohner und dem Gemeinwohl verschleppt
den (das ist ein Zuwachs von 8,0 % gegenüber 2017). Dieser         oder gar gestoppt. Insgesamt ergibt sich damit in den Woh-
Anstieg resultierte im Wesentlichen aus dem Anstieg der Fer-       nungsmärkten, die unter einem anhaltenden Nachfrage-
tigstellungen von Wohnungen in Mehrfamilien- (+ 9,2 %). Die        druck leiden, eine Situation, in der sich die Ziele der Marktak-
Zahl der Ein- und Zweifamilienhäuser ging insgesamt leicht         teure zunehmend gegenüberstehen: hohe Wohnkosten
zurück oder stagnierte (-3,7 % bzw. 1,5 %). Stärker fiel hinge-    erfordern zum einen preisgünstigen Mietwohnungsbau, der
gen der Rückgang bei den Wohnheimen aus, deren Zahl fer-           bei steigenden Bau- und Bodenpreisen am frei finanzierten
tiggestellter Gebäude um -21,2 % zurückging.                       Markt immer schwerer umzusetzen ist, und zum anderen
                                                                   mehr Neubau, der die Intensität der Flächennutzung erhöht,
Damit blieb man auf der Bundesebene hinter dem gesteck-            was die Wohnqualität der Anwohner verschlechtert.
ten Ziel zurück, die Neubauaktivität noch einmal deutlich zu
intensivieren. Als Ursache für die nur moderat steigende Bau-      Zum anderen haben die knappen Neubaukapazitäten in
aktivität lassen sich neben einem Rückgang bestehender             der Bauwirtschaft die Neubautätigkeit in den vergangenen
Flächenpotenziale auch wohnungspolitische Konflikte an-            Jahren maßgeblich gehemmt. Mit einem Wert von knapp
                                                                   700.000 Wohnungen im Jahr 2018 liegt der Bauüberhang
                                                                   (genehmigte, aber noch nicht fertiggestellte Wohnungen)
Fertig gestellte Wohnungen nach Wohngebäuden -                     auf einem Rekordniveau. Ursächlich dafür, dass in den ver-
2018, mit Veränderung ggü. Vorjahr                                 gangenen Jahren immer mehr Bauprojekte genehmigt als
                                                                   tatsächlich realisiert werden konnten, lag auch an dem
                     13.021                                        Mangel an Arbeitskräften in der Bauwirtschaft.
                    Wohnheime

                                                       83.200      Aufgrund des hohen Bauüberhangs ist daher in den kom-
                                                    Einfamilien-
                           -21,2 %                     häuser      menden Jahren mit einem weiteren Anstieg der Zahl der
                                                                   Wohnfertigstellungen zu rechnen. Denn auch die Zahl der
                                       -3,7 %                      genehmigten Wohnungen blieb im Jahr 2018 mit einem Wert
                                                                   von rund 347.000 neuen Wohnungen auf dem Niveau des
                                                                   Vorjahres und hat damit den Bauüberhang noch einmal er-
                                                                   höht. Aber insbesondere in den Ballungsräumen und wichti-
                                                                   gen Oberzentren ist damit zu rechnen, dass die Neubautätig-
                                                                   keit insgesamt hinter dem Bedarf zurückbleibt. Denn durch
                        9,2 %
                                       1,5 %                       prosperierende Arbeitsmärkte in den deutschen Metropolen
                                                                   bleibt die Arbeitskraftnachfrage und infolgedessen auch die
                                                                   Wohnungsnachfrage in den Ballungsgebieten und in den re-
    134.084                                       19.810
  Mehrfamilien-                                 Zweifamilien-
                                                                   gionalen Oberzentren anhaltend hoch.
    häuser                                        häuser

Stand: Mai 2020
Quelle: destatis, JLL

Wohnungsmarktbericht 2020 | Wohnungsmarkt                                                                                        20
Struktur des Wohnungsbestands                                  Wohnungsbestand
Im Jahr 2018 lag der Wohnungsbestand in Deutschland bei
insgesamt rund 42,26 Mio. Einheiten. Mit einem Anteil von      50 Wohnungen in Mio.
50,1 % fällt davon etwa die Hälfte auf freistehende Häuser.    45    41,0      41,2          41,4     41,7   42,0   42,2
                                                               40
Doppelhaushälften machen etwa 12 % des Gesamtbestan-
                                                               35
des aus und der Anteil gereihter Häuser beträgt etwa 31,7 %.   30
Allerdings lassen sich regional große Unterschiede in der      25
Struktur der Wohnbebauung beobachten. So ist grundsätz-        20
                                                               15
lich mit einer zunehmenden Bevölkerungsdichte auch eine        10
bodenintensivere Wohnbebauung vorzufinden. Düsseldorf           5
weist beispielsweise als Teil der Metropolregion Rhein-Ruhr     0
                                                                     2013      2014          2015     2016   2017   2018
eine sehr verdichtete urbane Struktur auf, was sich in der
                                                                 Westdeutschland         Ostdeutschland
lokalen Gebäudestruktur widerspiegelt. Der Anteil gereihter
Häuser liegt hier bei 74,1 %, während freistehende Häuser
                                                               Stand: Mai 2020
nur einen Anteil von 11,7 % ausmachen. In ländlichen Regi-
                                                               Quelle: destatis, Mikrozensus, JLL
onen hingegen liegt der Anteil freistehender Wohngebäude
üblicherweise deutlich über 90 %.
                                                               gorie. Aufgrund von erheblichen Kriegsschäden, Kriegs-
Der Wohnungsbestand lässt sich darüber hinaus deutlich         flüchtlingen und einer hohen Geburtenrate nach dem
nach Baualtersklassen differenzieren. Diese Klassifizierung    zweiten Weltkrieg herrschte in Deutschland eine massive
ergibt sich durch markante historische Einschnitte, die sich   Wohnungsknappheit und in der Folge eine rege Bautätig-
grob in folgende drei Kategorien einteilen lassen: den Zeit-   keit. Durch diesen Umstand stellen die Nachkriegsbauten
raum vor 1949, zwischen 1949 bis 1990 und die Neubauten        (1949-1978) mit rund 46 % den mit Abstand größten Woh-
seit 1991. Aufgrund der hohen gegenwärtigen Bautätigkeit       nungsbestand in Deutschland dar. Im früheren Bundesge-
kann die Phase ab 2014 bereits als vierte markante Phase       biet können sogar nahezu 51 % aller Wohnungen des heuti-
erhöhter Bautätigkeit identifiziert werden.                    gen Wohnungsbestands diesem Zeitraum zugeordnet
                                                               werden. Zum Vergleich, der Anteil der Wohnungen, die zwi-
Die erste Gruppe der „Vorkriegsbauten“ macht rund 27 %         schen 1979 und 1990 fertig gestellt wurden, macht lediglich
des gesamten Wohnungsbestandes im deutschen Bundes-            einen Anteil von 12,5 % aus. In Ostdeutschland liegen die
durchschnitt aus. Der Anteil, der vor 1949 fertig gestellten   Anteile dieser beiden Zeiträume bei 31 % und 13,2 %.
Wohnungen liegt in den fünf ostdeutschen Bundesländern
bei rund 43 %, während der Anteil dieser Baualtersklasse       Aufgrund unterschiedlicher Wohnungsbaupolitiken in der
im den westdeutschen Bundesländern nur ca. 22 % er-            sozialistischen DDR und der marktwirtschaftlich orientier-
reicht. Damit ist der Anteil der Vorkriegsbauten in Ost-       ten Bundesrepublik unterscheidet sich der Wohnungsbe-
deutschland etwa noch doppelt so groß wie der Anteil die-      stand auch erheblich in der qualitativen baulichen Beschaf-
ser Baualtersklasse in Westdeutschland.                        fung. In der DDR wurden private Bauaktivitäten für den
                                                               Vermietungsmarkt nach dem Zweiten Weltkrieg nahezu
Der Wohnungsbestand aus der Zeit von 1949 bis zur deut-        eingestellt. Öffentliche Investitionen in den Vorkriegsbe-
schen Wiedervereinigung 1990 bildet die zweite Alterskate-     stand waren politisch bis in die 1980er Jahre unerwünscht

Wohnungsmarktbericht 2020 | Wohnungsmarkt                                                                                  21
Sie können auch lesen