Wohnungsmarktbericht Deutschland | Gesamtjahr 2019 Erschienen im Mai 2020 - JLL
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
Inhaltsverzeichnis Wirtschaft und Arbeitsmarkt Konjunktur und Bruttoinlandsprodukt................................................................ 3 Arbeitslosigkeit und Erwerbstätige....................................................................... 4 Der deutsche Wohnungsmarkt und die Folgen durch Covid-19.................. 6 Geldpolitik, Inflation und Finanzierung Leitzinsen und Inflation.......................................................................................... 7 Hypothekenzinsen und -kreditvolumen.............................................................. 8 Demografische Entwicklung Bevölkerungsentwicklung.................................................................................... 12 Bevölkerungsstruktur............................................................................................ 13 Regionale Bevölkerungsentwicklung................................................................. 15 Haushaltsentwicklung.......................................................................................... 17 Wohnungsmarkt Neubautätigkeit...................................................................................................... 19 Struktur des Wohnungsbestands........................................................................ 21 Wohneigentumsquote.......................................................................................... 23 Gewerbliche und öffentliche Wohnungsunternehmen................................ 25 Preise und Kosten.................................................................................................. 28 Gesetzliche Rahmenbedingungen...................................................................... 31 Wohninvestmentmarkt......................................................................................... 32 Quellen..................................................................................................................... 34 Wohnungsmarktbericht 2020 | Inhaltsverzeichnis 2
Wirtschaft und Arbeitsmarkt Die deutsche Wirtschaft wuchs 2019 das zehnte Jahr in Folge und baut damit nicht nur die längste Wachstumsphase im vereinten Deutschland weiter aus, sondern weist auch ein neues Rekordhoch bei der Zahl der Beschäftigten auf. Mit der Covid-19 Pandemie hat sich die ökonomische Situation im Frühjahr 2020 jedoch schlagartig verändert – mit ungewissen Aussichten für die Zukunft. Die wirtschaftliche Entwicklung ist sowohl für die Nachfra- sind (im Jahr 2018 lag das Wachstum bei +1,3 %), konnten ge- als auch Angebotsseite des Wohnungsmarktes rele- die Konsumausgaben des Staates sogar um +2,5 % an- vant. Die Entwicklung der Wirtschaftsleistung beeinflusst steigen und lagen damit deutlich über der Vorjahresent- das verfügbare Einkommen der privaten Haushalte und wicklung von +1,4 %. Die Exporte der deutschen Wirt- stellt damit einen wichtigen Faktor in der Nachfrage nach schaft konnten zwar auch im Jahr 2019 mit einer Wohnen sowohl als Konsum- als auch Investitionsgut dar. Steigerung von +0,9 % gegenüber dem Vorjahreswert wei- Die Situation am Arbeitsmarkt spiegelt diesen Zusam- terwachsen, haben insgesamt aber im Wachstum an menhang nicht nur, sondern zeigt zudem auch auf, wie Schwung verloren (im Vergleich dazu sind die Importe in groß der Anteil derjenigen ist, die ihre Wohnungsnachfra- 2019 um +1,9 % gestiegen). ge ohne staatliche Unterstützung decken können. Des Weiteren erhöhen angebotsseitig Investitionen in den Diese Entwicklung zeigt sich auch bei einer näheren Betrach- Wohnungsbestand das verfügbare Wohnungsangebot so- tung der Entstehungsseite des Bruttoinlandsproduktes. In wohl quantitativ als auch qualitativ und fragen dabei zu- großen Teilen der deutschen Industrie gab es starke Rück- sätzliche Arbeitskräfte am Arbeitsmarkt nach. Der Woh- gänge in der Wirtschaftsleistung. Das anteilig besonders rele- nungsmarkt ist daher wechselseitig mit Arbeitsmarkt und vante „produzierende Gewerbe (ohne Bau)“ musste bei- Realwirtschaft verknüpft. spielsweise einen Rückgang von -3,6 % hinnehmen und wurde dabei insbesondere von der schwachen Produktion in Konjunktur und Bruttoinlandsprodukt der Automobilbranche geschwächt. In den Dienstleistungs- Die deutsche Wirtschaft konnte auch im Jahr 2019 das bereichen hat sich hingegen ein gegenteiliges Bild gezeich- Wachstum der Vorjahre fortsetzen. Das preisbereinigte net. Die Sektoren der „Information und Kommunikation“ so- Bruttoinlandsprodukt lag im Jahr 2019 rund +0,6 % über wie die „Finanz- und Versicherungsdienstleister“ konnten dem Vorjahreswert. Damit konnte die laufende Wachs- Zuwächse von jeweils rund +2,9 % verzeichnen. Mit einer tumsphase auf zehn Jahre ausgebaut werden, obgleich Steigerung der Wirtschaftsleistung von +4,0 % gegenüber das Wachstum in den vorangegangenen Jahren noch dem Vorjahreswert konnte das „Baugewerbe“ im Jahr 2019 deutlich stärker ausgefallen war (im Jahr 2017 war die am stärksten wachsen. Wirtschaft um +2,5 % und im Jahr 2018 um +1,5 % ge- wachsen). Dabei kam der größte Wachstumsimpuls im Die starken Steigerungen im Baugewerbe spiegelten sich Jahr 2019 durch die privaten und staatlichen Konsumaus- auch in der Entwicklung der Bruttoanlageinvestitionen in gaben. Während die Konsumausgaben der privaten Haus- der Baubranche wider, die mit einem Zuwachs von 3,8 % halte im Vergleich zum Vorjahreswert um +1,6 % gestiegen gegenüber dem Vorjahr deutlich angestiegen sind. Daran Wohnungsmarktbericht 2020 | Wirtschaft und Arbeitsmarkt 3
hatte neben dem Anstieg im Tiefbau vor allem der Woh- Arbeitslosigkeit und Erwerbstätige nungsbau einen maßgeblichen Anteil. Und auch der Im Jahresverlauf 2019 hatte sich der Arbeitsmarkt weitestge- Wohninvestmentmarkt konnte das Jahr 2019 mit einem hend robust gegenüber der leichten konjunkturellen Eintrü- bemerkenswerten Ergebnis abschließen. Mit einem Trans- bung erwiesen. Während sich die Quote der Arbeitslosen aktionsvolumen für Wohnimmobilien und -portfolios von nach Jahren des deutlichen Rückgangs auf einem konstan- rund 20 Mrd. Euro konnten sowohl der Vorjahreswert (+7 %) ten Niveau von rund 5 % einpendelte, konnte die Zahl der Er- als auch der 5- und 10-Jahresdurchschnitt (um 16 % bzw. werbstätigen weiter leicht steigen. Mit insgesamt 45,4 Mio. 56 %) übertroffen werden. Insgesamt konnte damit be- Beschäftigten lag die Zahl der Erwerbstätigen im Dezember reits das vierte Jahr in Folge ein Zuwachs am deutschen 2019 auf einem Rekordhoch. Dass die konjunkturelle Abküh- Wohninvestmentmarkt registriert werden. lung und die anhaltenden Diskussionen um eine mögliche Rezession nicht stärker auf den Arbeitsmarkt durchschlugen, Auch wenn die Wirtschaftsleistung in Deutschland zuletzt kann auf den hohen Fachkräftemangel am inländischen Ar- etwas schwächer gewachsen war, lagen die Prognosen für beitsmarkt zurückgeführt werden. Dieser wirkte die Jahre zu- die Entwicklung des Bruttoinlandsprodukts im Jahr 2020 vor wachstumsbeschränkend und konnte in dieser Phase im Mittel bei knapp über einem Prozent und damit wie- der konjunkturellen Eintrübung dämpfend entgegenwirken. der leicht über dem Vorjahreswert. In Folge der globalen Covid-19 Pandemie und der damit verbundenen gesell- Zum Jahresbeginn wies die Prognose der deutschen Wirt- schaftlichen und wirtschaftlichen Maßnahmen gegen eine schaftsinstitute¹ für die Entwicklung der Arbeitslosenquote Ausbreitung hat sich die globale ökonomische Lage im im Jahr 2020 eine leichte Anhebung der Arbeitslosigkeit auf Frühjahr 2020 allerdings abrupt verändert und innerhalb 5,1 % aus. Allerdings haben die Covid-19 Pandemie sowie kürzester Zeit die schwerste Rezession in der Nachkriegsge- die Maßnahmen zur Eindämmung der Ausbreitung die Ar- schichte Deutschlands ausgelöst. Vor diesem Hintergrund beitsmarktsituation und damit alle Prognosen hinsichtlich wird für 2020 mittlerweile ein Rückgang des Bruttoinlands- der Entwicklung von Beschäftigungszahlen und Arbeitslo- produktes in Deutschland von rund -5 bis -9 % (Stand Mai senquoten schlagartig und grundlegend verändert. Wirt- 2020) erwartet. Die langfristigen ökonomischen Folgen schaft und Arbeitsmarkt stehen durch die Folgen der Co- sind allerdings schwer zu beziffern und Bewertungen der vid-19 Krise vor großen Herausforderungen. Zur direkten konjunkturellen Entwicklung müssen aufgrund der Dyna- Unterstützung von Beschäftigten und Unternehmen hat der mik der Geschehnisse, vor allem in Bezug auf unmittelbare Bundestag im Eilverfahren verschiedene Hilfsmaßnahmen, Folgen, laufend erneuert werden. So könnte beispielsweise wie einen leichteren Zugang zu Kurzarbeitergeld, beschlos- die europäische Uneinigkeit bei den Hilfsmaßnahmen zu sen. Zum Ende April 2020 konnten Anzeigen zur Kurzarbeit weiterer politischer Unruhe und einer Diskreditierung der für rund 10 Millionen Beschäftigte verzeichnet werden, von europäischen Gemeinschaft führen, die am Ende sogar denen zu diesem Zeitpunkt bereits 4-5 Millionen in Kurzar- in einer verschärften europäischen Währungskrise und beit tätig waren. Die eigentliche Bewährungsprobe für den weiteren ökonomischen Effizienzverlusten mündet. Arbeitsmarkt steht mittelfristig allerdings noch aus. Das Ins- Wohnungsmarktbericht 2020 | Wirtschaft und Arbeitsmarkt 4
titut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB), die For- Auswirkungen auf Arbeitsmarkteinsteiger abzufedern, um schungseinrichtung der Bundesagentur für Arbeit, geht da- eine hohe Jugendarbeitslosigkeit und eine systematisch er- von aus, dass die Zahl der Erwerbstätigen in der Spitze um höhte Arbeitslosigkeit dieser Jahrgänge zu verhindern. Op- rund eine Million Personen zurückgehen und die Arbeitslo- timistisch stimmen zumindest die Erwartungen, dass de- sigkeit auf über drei Millionen Personen ansteigen könnte. mographische Veränderungen den sprunghaften Anstieg Vieles hängt aber davon ab, in welchem Ausmaß es zu einer der Arbeitslosigkeit und der Zahl in Kurzarbeit Beschäftigter systemischen und globalen Wirtschaftskrise kommt – diese in Teilen abdämpfen können. Demographische Verände- Entwicklungen sind gegenwärtig noch nicht vollumfänglich rungen sorgen dafür, dass in den kommenden Jahren mehr abzuschätzen. Arbeitnehmer den Arbeitsmarkt verlassen, als dass neue hinzukommen. Bis zum Jahr 2030 wird die Alterskohorte Allerdings hat sich mit dieser Krise gerade für Stellensu- der „Babyboomer-Generation“, die heute einen großen Teil chende sowie junge Berufseinsteiger die Situation schlag- der Erwerbstätigen am Arbeitsmarkt ausmacht, in Rente artig und gravierend verschlechtert. Die Zahl offener Stellen gegangen sein. Wurden diese demografischen Effekte, d.h. und Neueinstellungen ist im März 2020 mit den Covid- vor allem altersbedingtes Ausscheiden aus dem Arbeits- 19-Maßnahmen abrupt und flächendeckend eingebrochen. markt, in den vergangenen Jahren durch höhere Erwerbs- Je nach Branche lag die Zahl der neuen Stellenangebote beteiligung sowie durch Arbeitskräfte aus dem Ausland bei nur noch rund 15–60 % der Zahl der offenen Stellen in überlagert, könnten diese nun eine langfristige Abkühlung den Vormonaten. Aus diesem Grund sind gerade negative am Arbeitsmarkt zumindest in Teilen abdämpfen. Arbeitslosigkeit und Erwerbstätige 46 Erwerbstätige (in Mio.) Arbeitslosenquote (in %) 14,0 45 44 12,0 2019 45,4 Mio. 43 10,0 42 8,0 41 Erwerbstätige 6,0 40 39 38 4,0 2,0 5% Arbeitslose 37 36 0,0 1992 1994 1996 1998 2000 2002 2004 2006 2008 2010 2012 2014 2016 2018 2019 Erwerbstätige gemäß ESVG 2010 (kalender- und saisonbereinigt) Stand: Mai 2020 Quelle: Bundesagentur für Arbeit, Deutsche Bundesbank, Arbeitslosigkeit registriert nach § 16 SGB III (kalender- und saisonbereinigt) Berechnung: JLL Wohnungsmarktbericht 2020 | Wirtschaft und Arbeitsmarkt 5
Der deutsche Wohnungsmarkt und die Folgen durch Covid-19 Die Maßnahmen gegen die Ausbreitung von Covid-19 und deren mittelbare ökonomische Folgen werden auch den deutschen Wohnungsmarkt beeinflussen. Eine steigende Zahlungsunfähigkeit auf Seiten der Mieter als Folge des wirtschaftlichen Einbruchs könnte zu Mietausfällen und er- höhten Leerständen führen. Da das Konsumgut „Wohnen“ aus wirtschaftspolitischer Sicht ein Grundbedürfnis dar- stellt und in einer sozialen Marktwirtschaft dem Staat die Verantwortung unterliegt, dieses Bedürfnis zu schützen, sind von Seiten des Bundes und der Länder bereits ver- schiedene Sofortmaßnahmen beschlossen worden. Dazu zählt insbesondere der Kündigungsausschluss wegen Miet- schulden für die Dauer von drei Monaten, welcher auch Stundungen von Gas-, Strom- und Telefonrechnungen be- inhaltet. Zusätzlich zeigen bereits viele der größeren insti- tutionellen Vermieter die Bereitschaft, temporär auf Zwangsräumungen und auf Mieterhöhungen zu verzichten. Anders als ein staatlicher Fonds, der Mieter mit einem Zu- schuss oder zinslosen Darlehen unterstützt, gehen die So- fortmaßnahmen, wie der Kündigungsausschluss, kurzfristig eher zu Lasten der Vermieter. Inwieweit weitere indirekte Sofortmaßnahmen mögliche kurzfristige Mietausfälle, ins- besondere für kleinere Vermieter, abdämpfen können und damit stabilisierend auf den Mietwohnungsmarkt wirken, ist gegenwärtig noch nicht absehbar. Bis zum Ende Mai 2020 waren die Mietausfälle am Wohnungsmarkt allerdings nur sehr gering. Mittel- und langfristig wird die staatliche Verantwortung dem Mieter gegenüber daher auch dem Schutz der Vermieter dienen, auch wenn durch den erwart- baren Rückgang der Einkommen auf mittlere Sicht der Spielraum für Mietpreissteigerungen sehr begrenzt sein dürfte. Insgesamt sind für das Risikoprofil der Assetklasse Wohnen, das als sehr defensiv gilt, keine langfristigen Ver- änderungen zu erwarten, denn „Wohnen“ stellt als Kon- sumgut ein Grundbedürfnis dar und ist damit in seinen in- härenten Eigenschaften sehr beständig. Wohnungsmarktbericht | Deutschland 2019 6
Geldpolitik, Inflation und Finanzierung Die Effektivzinssätze für Hypothekenkredite wiesen im Jahr 2019 einen weiteren Rückgang auf. Aufgrund konjunktureller Einbrüche und niedriger Kerninflation ist für den Jahresverlauf eine weitere Ausweitung der expansiven Geldpolitik zu erwarten – und damit eine Normalisierung der Zinspolitik im europäischen Währungsraum in weite Ferne gerückt. Leitzinsen und Inflation wie Immobilien, geboten werden können. Bei diesem Wir- Der Zinssatz für Hauptrefinanzierungsgeschäfte der euro- kungszusammenhang zwischen geldpolitischer Steuerung päischen Zentralbank, der sogenannte Leitzins, stellt die und Vermögenspreisen handelt es sich um den direkten wichtigste Steuerungsgröße für die Hypothekenzinssätze Transmissionskanal der Geldpolitik. Dieser ist besonders dar: mit einer Leitzinssenkung wird die Geldaufnahme relevant, da Immobilien zumeist zu einem wesentlichen Teil durch die Geschäftsbanken erleichtert, die diese Vorteile mit Fremdkapital finanziert werden. Neben diesem direkten im Wettbewerb mit anderen Banken an ihre Bankkunden Effekt wirken weitere indirekte Transmissionsmechanismen weitergeben. Durch diese vergünstigte Finanzierung ent- der Geldpolitik auf die Entwicklung der Immobilienpreise. stehen den Bankkunden geringere Fremdkapitalkosten, die Nennenswert ist dabei eine nachfrageinduzierte Preissteige- dazu führen, dass höhere Preise für reale Vermögensgüter, rung, die durch Portfolio-Umschichtung verursacht wird: mit Leitzinsen und Inflation 5,0 % Zinssatz der EZB* Verbraucherpreisindex Deutschland** 4,0 Verbraucherpreisindex EU** 3,0 2,0 1,0 0,0 -1,0 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019 Stand: Mai 2020 * Zinssatz der Europäischen Zentralbank für Quelle: Deutsche Bundesbank, Hauptrefinanzierungsgeschäfte Berechnung: JLL (Stand am Monatsende) ** Inflation der Verbraucherpreise, Veränder- ungen zum Vorjahresmonat Wohnungsmarktbericht 2020 | Geldpolitik, Inflation und Finanzierung 7
abnehmenden Leitzinsen werden Anleihen im Vergleich zu 2019 wieder deutlich gefallen. Als primäre Steuerungsgröße Aktien oder realen Vermögensgütern, wie etwa Immobilien, dient der europäischen Zentralbank die Kerninflation (d.h. weniger attraktiv. In der Konsequenz führt das dazu, dass Preissteigerungen ohne Lebensmittel und Öl), die in den letztere stärker nachgefragt werden und im Preis steigen. vergangenen Jahren unter der Zielgröße von 2 % rangierte. Mit einer expansiven Geldpolitik kommt es insgesamt also über verschiedene direkte und indirekte Transmissions- Hypothekenzinsen, -kreditvolumen und kanäle zu einer Inflation der realen Vermögenswerte. Haushaltsverschuldung Der Zinssatz für Hauptrefinanzierungsgeschäfte der Euro- Das vorrangige geldpolitische Ziel der Europäischen Zen- päischen Zentralbank stellt die wichtigste Leitgröße der tralbank stellt die Gewährleistung der Preisstabilität im Hypothekenzinssätze dar. Aus diesem Grund sanken mit europäischen Währungsraum dar.² Von einer Inflationsrate der sukzessiven Leitzinssenkung der letzten Dekaden auch von bis zu 6 % Anfang der 1990er Jahre sank die Inflations- die Hypothekenzinssätze in Deutschland deutlich von 9 % rate seit Mitte der 1990er Jahre auf ein Niveau von rund im Jahr 1992 auf Werte um 2 % seit Anfang 2015. Nachdem 2 %. Verursacht durch die weltweite Finanzkrise sank diese die Hypothekenzinssätze im Jahr 2016 bis auf einen Wert bis zur zweiten Jahreshälfte 2009 kurzfristig sogar in den von 1,6 % gesunken waren, haben sich die Hypotheken- negativen Bereich (Deflation). Seit diesem Tiefstand stieg zinssätze im Jahr 2018 auf einen Wert von etwa 1,95 % ein- die Teuerung der Verbraucherpreise im Zuge der wirt- gependelt und sind im Jahr 2019 noch einmal auf ein Ni- schaftlichen Erholung 2010 und 2011 wieder auf rund veau von 1,2 % gefallen. Die weiterhin historisch niedrigen 2,0 %. Seitdem sank die Inflationsrate erneut und lag im Hypothekenzinssätze sind für die Finanzierungsseite von April 2016 ein weiteres Mal im negativen Bereich. Nach Wer- Wohnimmobilieninvestitionen sowohl für institutionelle als ten von über 2 % im Jahr 2018 ist die Inflationsrate im Jahr auch für private Investoren damit weiterhin sehr günstig. Hypothekenzinsen und - kreditvolumen 25.000 Neugeschäftsvolumina (in Mio. €) p.a. Effektivzinssatz (in %) 5,0 4,5 20.000 4,0 3,5 15.000 3,0 2,5 10.000 2,0 1,5 5.000 1,0 0,5 0 0,0 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019 Neugeschäftsvolumina Banken/Wohnungsbaukredite an private Haushalte insgesamt Effektivzinssätze Banken/Neugeschäft/besicherte Wohnungsbaukredite an private Haushalte, anfängliche Zinsbindung über 10 Jahre Stand: Mai 2020 Quelle: Deutsche Bundesbank, Berechnung: JLL Wohnungsmarktbericht 2020 | Geldpolitik, Inflation und Finanzierung 8
Aufgrund des günstigen Finanzierungsniveaus hat in sich anhand des Bank lending Survey der europäischen den vergangenen Jahren auch der Anteil von Hypo- Zentralbank, dass die Kreditstandards eher gelockert thekenkrediten mit langfristiger Zinsbindung zuge- und sich Margen verengt haben.³ Allerdings sind diese nommen. Lag der Anteil der Wohnungskredite mit Veränderungen im historischen Vergleich (etwa zu den einer Laufzeit von über zehn Jahren vor rund zwanzig Lockerungen in den Jahren 2004-2008) eher gering. Jahren bei unter 20 % so machen diese Kredite mitt- lerweile fast die Hälfte aller Hypothekenkredite aus. Mit einer Leitzinssenkung und einer Senkung der Kapi- talkosten geht nicht nur eine Vermögenspreisinflation, Die Null-Zins-Politik der europäischen Zentralbank setzt sondern auch eine Expansion der Kreditmenge einher. Ein viele Privat- und Genossenschaftsbanken und Sparkas- zunehmender kreditfinanzierter Konsum von Vermögens- sen unter Druck. Denn durch das niedrige Zinsniveauist gütern kann über Einkommens- und Vermögenseffekte auch die Rendite im Bankgeschäft geschrumpft, die den Konsum noch weiter ausweiten und damit starke traditionell von der Zinsspanne zwischen Kredit- und Preissteigerungen bewirken. Eine Kreditmengenexpan- Einlagezins leben. Dies wirkt sich auch auf die Zins- sion birgt durch einen derartigen sich selbst verstär- margen und die Kreditstandards aus. Seit der neuen kenden Mechanismus stets die Gefahr der Entwicklung EU-Richtlinie für Immobilienkredite im Jahr 2016 zeigt einer Immobilienpreisblase, wie es beispielsweise an Zinsbindungsfristen für Wohnungsbaukredite an private Haushalte in Deutschland 100 % 90 80 70 60 50 40 30 20 10 0 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019 variabel oder bis 1 Jahr von über 1 bis 5 Jahre von über 5 bis 10 Jahre von über 10 Jahre Stand: Mai 2020 Quelle: Deutsche Bundesbank, Berechnung: JLL Wohnungsmarktbericht 2020 | Geldpolitik, Inflation und Finanzierung 9
vielen europäischen und US-amerikanischen Immobilien- Die günstigen Finanzierungsbedingungen und geringen märkten vor der Finanzkrise 2007/08 zu beobachten war. Kapitalkosten führen demnach zu keiner deutlichen Verschlechterung der Erschwinglichkeit aufgrund des Auch in Deutschland ist mit dem starken Rückgang der Hypo- gestiegenen Preises für Wohnimmobilien. Allerdings thekenzinsen das Kreditvolumen privater Haushalte angestie- führen die gestiegenen Preise auch zu höheren Eigen- gen. Im Jahr 2019 lag das mittlere monatliche Neugeschäfts- kapitalanteilen und Kaufnebenkosten, die den Zu- volumina bei rund 23 Mrd. Euro. Allerdings ist der Anstieg der gang zum Erwerb von Wohnimmobilien zunehmend Wohnungsbaukredite zwischen 2011 und 2020, anders als erschweren. Diese systematische Selektion überdeckt im Vorweggang der US-Immobilienblase, eher moderat. die betrachtete Darstellung der Erschwinglichkeit. Zudem ist ebenfalls bei der Verschuldung der privaten Haus- Bei den starken Preissteigerungen am deutschen halte in Deutschlandein rückläufiger Trend zu beobachten. Wohnimmobilienmarkt lässt sich aufgrund der Ent- Neben der Verschuldung insgesamt (als prozentueller Anteil wicklung der Kreditmenge und – standards sowie der der Verschuldung am verfügbaren Einkommen) ist auch die Verschuldung der privaten Haushalte nur bedingt von Verschuldung durch Hypothekenkredite zurückgegangen. einer kreditmengeninduzierten Preisblase sprechen. Annuität/Einkommensverhältnis Verschuldung der privaten Haushalte in Deutschland 125 Index (2010=100) 80 in % des BIP in % des verfügbaren Einkommens 120 120 115 60 100 110 105 100 40 80 95 90 20 60 85 80 75 0 40 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019 Q1-Q3 1992 1994 1996 1998 2000 2002 2004 2006 2008 2010 2012 2014 2016 2018 2019 Annuität/Einkommensverhältnis* Verschuldung insgesamt in % des BIP davon Wohnungsbaukredite in % des BIP Verschuldung insgesamt in % des Verfügbaren Einkommens davon Wohnungsbaukredite in % des Verfügbaren Einkommens Stand: Mai 2020 Quelle: Deutsche Bundesbank; *„Berechnungen auf Basis von Angaben des Verbands deutscher Pfandbriefbanken (vdp). 1 Annuität eines Hypotheken- kredits mit fester Zinsvereinbarung (zwischen fünf und zehn Jahren) bei hypothetischer Gesamtlaufzeit von 30 Jahren. 2 Verfügbares Einkommen *Stand: Mai 2020 pro Haushalt in Deutschland, nominal.“ Deutsche Bundesbank, 2020. Quelle: Deutsche Bundesbank; Kredite an private Haushalte und private Organisationen ohne Erwerbszweck Wohnungsmarktbericht | Deutschland 2019 10
Ausblick Nachdem die US-amerikanische Notenbank (FED) in den vergangenen Jahren sukzessiv die Leitzinsen erhöht hat, ist es im europäischen Währungsraum hingegen zu keiner Normalisierung der Zinspolitik gekommen. Auch wenn indirekte geldpolitische Maßnahmen, wie die Anleihenkäufe durch die europäische Zentralbank, schrittweise zurückgefahren wurden, so verharrt die europäische Zentralbank auf der Null-Zins-Politik. In Folge der globalen Ausbreitung des Virus-Erregers anleihen kaufen. Nach Jahren extrem expansiver Geld- Covid-19 und des damit verbundenen abrupten konjunk- politik kommt jetzt mit dieser Geldspritze noch eine turellen Einbruchs im Frühjahr 2020 hat die US-amerika- Verschärfung hinzu. Für den weiteren Jahresverlauf nische Notenbank FED ihren Leitzins massiv um einen können weitere geldpolitische Maßnahmen nicht aus- halben Prozentpunkt gesenkt. Ausschlaggebend waren geschlossen werden. So könnten aufgrund der konjunk- dabei nicht nur die massiven Bewegungen an den inter- turellen Lage der Wirtschaft Zinssenkungen erfolgen, nationalen Finanzmärkten, sondern auch die deutliche die den negativen Einlagezinssatz weiter erhöhen. Aber Eintrübung des globalen wirtschaftlichen Ausblicks für auch hier verbleibt angesichts aktueller wirtschaftli- das Jahr 2020. Und auch die Europäische Zentralbank hat cher Entwicklungen ein hohes Maß an Ungewissheit. reagiert. Aufgrund der zunehmenden Liquiditätsengpäs- Der zinspolitische Spielraum bleibt jedoch aufgrund se und der deutlich eingetrübten Konjunkturaussichten der Ausgangssituation gering. Vor diesem Hintergrund hat sie ein Notkaufprogramm im Umfang von 750 Mrd. ist mit einer anhaltend hohen Nachfrage nach realen Euro erlassen. Damit wird die Zentralbank aber nicht nur Vermögensgütern, wie Eigentumswohnungen, und ei- Staatsanleihen, sondern erstmals auch Unternehmens- nem sehr günstigen Finanzierungsumfeld zu rechnen. Wohnungsmarktbericht | Deutschland 2019 11
Demografische Entwicklung Demografische Veränderungen führen trotz absoluter Bevölkerungsrückgänge zu einer steigenden Zahl an Haushalten. Insgesamt nehmen aber insbesondere die regionalen Unterschiede in der demografischen Struktur deutlich zu. Dies ist für die Wohnungsnachfrage besonders relevant. Bevölkerungsentwicklung des Statistischen Bundesamtes rund 83,2 Mio. Einwohner. Nach der Wiedervereinigung ist die Bevölkerungszahl in Damit konnte zwar ein neuer Höchststand erzielt werden, Deutschland bis zum Jahr 2002 auf ca. 82,5 Mio. angestie- aber das Bevölkerungswachstum hat sich im Vergleich gen. Der Zuwachs ist in den 1990er Jahren insbesondere zu der Entwicklung der Vorjahre etwas verlangsamt. auf die Zuwanderung von 2,8 Mio. Spätaussiedlern aus Osteuropa zurückzuführen. Zwischen 2002 und 2010 sank Trotz der positiven Bevölkerungsentwicklung der letz- die Bevölkerungszahl kontinuierlich. Ausschlaggebend ten Jahre wird für die lange Frist ein absoluter Bevölke- dafür war vor allem der negative Saldo der natürlichen rungsrückgang erwartet. Das tatsächliche Ausmaß des Bevölkerungsentwicklung. Zwischen 2008 und 2009 war Bevölkerungsrückgangs hängt im Wesentlichen von der Deutschland sogar ein Auswandererland, das erst 2010 zukünftigen Entwicklung der Fertilitätsrate, der Lebenser- wieder einen positiven Wanderungssaldo aufweisen wartung und dem Wanderungssaldo ab. Maßgeblich für konnte. Seitdem erhöhte sich dieser Saldo kontinuierlich diese Erwartung ist die zunehmende Alterung, das heißt, und erreichte im Jahr 2015 mit rund 1,139 Mio. seinen dass die älteren Bevölkerungsgruppen relativ größer wer- höchsten Stand seit der Wiedervereinigung. Einen gro- den. In der Abbildung „Entwicklung der Bevölkerung“ sind ßen Anteil an dieser Entwicklung haben die Einführung verschiedene Szenarien des Statistischen Bundesamtes der Arbeitnehmerfreizügigkeit mit den osteuropäischen dargestellt, die deutlich machen, dass die Prognosen stark EU-Ländern im Mai 2011 sowie die steigende Attraktivität von den genannten Einflussgrößen bedingt werden. des deutschen Arbeitsmarktes für Arbeitnehmer aus den südlichen EU-Ländern, wo die Eurokrise den Arbeitsmarkt Dabei zeigt sich, dass das Ausmaß der Bevölkerungsent- stark belastete. Zudem kam es im Jahr 2015 zu einem wicklung sowie die strukturellen demographischen Ver- sprunghaften Anstieg in der Migration Geflüchteter. Die änderungen in der Altersstruktur durch eine hohe stetige hohe Zuwanderung der letzten Jahre hatte vor allem Nettozuwanderung abgeschwächt werden können. Bei den Effekt, dass es zu einem kurzfristigen Anstieg der gleichbleibender Fertilitätsrate (1,4 Kinder/Frau) und Le- Bevölkerungszahl gekommen ist. Des Weiteren stieg seit benserwartung (84,8 m/88,8 w) wird die Einwohnerzahl Ende 2012 die Zahl der Geburten in Deutschland wieder im Jahr 2040 zwischen 82,28 Mio. (bei einem Wande- stärker, auch wenn im gleichen Zeitraum aufgrund von rungssaldo von 300.000) und 73,39 Mio. (bei einem Wan- zunehmender Alterung die Zahl der Sterbefälle weiter derungssaldo von Null) liegen. Die großen Unterschiede angestiegen ist, sodass insgesamt der Überschuss der zwischen den Szenarien verdeutlichen, dass die Prognosen Gestorbenen gestiegen ist.⁴ Insgesamt lebten in Deutsch- stark von den genannten Einflussgrößen abhängig sind land zum Ende des Jahres 2019 nach den Berechnungen und die erwartete Prognoseunsicherheit erheblich ist. Wohnungsmarktbericht 2020 | Demografische Entwicklung 12
Gerade die Abschätzung der Wanderungssalden erweist Bevölkerungsstruktur sich als besonders schwierig, da diese stark von wirt- Der sukzessive Rückgang der Fertilitätsrate und der sich schaftlichen und politischen Rahmenbedingungen im daraus ergebende negative Saldo in der natürlichen In- und Ausland beeinflusst wird. Während Deutschland Bevölkerungszahl spiegelt sich in der Altersstruktur der zwischen 2010 und 2015 eine durchschnittliche Netto- Bevölkerung wider. Mit einer konstant niedrigen Gebur- zuwanderung von rund einer halben Million Menschen tenrate und einer steigenden Lebenserwartung in den pro Jahr aufweisen konnte, wurden in den Jahren davor vergangenen Jahrzehnten hat der relative Anteil älterer noch teilweise sogar Wanderungsverluste verzeichnet. Bevölkerungsgruppen stetig zugenommen. Mit Hilfe Dadurch wird deutlich, dass bei der hohen aktuellen inter- bestehender Bevölkerungszahlen und aktueller Gebur- nationalen Zuwanderung nicht ohne weiteres von einem tenraten lässt sich auch die zukünftige Entwicklung der langfristig anhaltenden Trend ausgegangen werden kann. Altersstruktur vorausrechnen, wie etwa regelmäßig durch die Berechnungen des Statistische Bundesamtes erfolgt. Bevölkerungsprognose 2060 Lag der Anteil der unter 20-Jährigen im Jahr 1980 bei über einem Viertel der Bevölkerung, so sank dieser bis 90 Einwohner in Mio. zum Jahr 2010 auf unter ein Fünftel. Es wird davon aus- gegangen, dass ab dem Jahr 2040 der Anteil der unter 85 40-Jährigen bei rund 39 % der Gesamtbevölkerung liegen 80 wird. Umgekehrt stieg der Anteil der über 65-Jährigen von 75 15 % im Jahr 1980 auf 20 % im Jahr 2010. Im Jahr 2040 könnte sich dieser Anteil auf rund 28 % erhöht haben. 70 65 Durch die zunehmende Alterung der Bevölkerung kommt es zu einem steigenden Altersquotienten, dem prozentu- 60 alen Verhältnis der Bevölkerung in Rentenalter (Zahl der 55 65-Jährigen und Älteren) zur Alterskohorte der Erwerbs- 2019-2059 Prognose 50 tätigen (20 bis unter 65 Jahren). Mit einem steigenden Altersquotienten kommt es nicht nur zu einer sukzessiven 2013 2017 2021 2025 2029 2033 2037 2041 2045 2049 2053 2057 2059 2001 2005 2009 Verringerung des Arbeitskräftepotentials, sondern auch zu einer steigenden Belastung der Sozialsysteme. Im Jahr 1980 lag der Altersquotient noch bei knapp 23, d.h. für eine 2,1 Kinder/Frau, Person im Rentenalter kamen damals vier Personen zwi- Lebenserwartung (2060) 84,8/88,8 Jahre, langfristiger Wanderungssaldo 100.000 schen 20 und 65 Jahren auf, so liegt der Quotient im Jahr 1,4 Kinder/Frau, 2018 schon bei rund 31. Es wird erwartet, dass der Quotient Lebenserwartung (2060) 84,8/88,8 Jahre, bis 2040 auf einen Wert von fast 48 ansteigen wird. Damit Wanderungssaldo 300.000 fallen statistisch nur noch etwa zwei erwerbstätige Perso- 1,6 Kinder/Frau, nen auf eine Person im Rentenalter. Allerdings nimmt in Lebenserwartung (2060) 84,8/88,8 Jahre, Folge der Alterung der Gesellschaft auch der Jugendquo- langfristiger Wanderungssaldo 200.000 tient (der Anteil junger Menschen unter 20 Jahren) ab, wo- 1,4 Kinder/Frau, Lebenserwartung (2060) 84,8/88,8 Jahre, durch der Anstieg des Anteils, der von den Erwerbstätigen langfristiger Wanderungssaldo 100.000 zu versorgenden Bevölkerungsgruppen, ein Stück weit 1,4 Kinder/Frau, abgebremst werden kann. Während heute rund 62 % der Lebenserwartung (2060) 84,8/88,8 Jahre, Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter zwischen 20 und 65 Wanderungssaldo Null Jahren sind, werden es im Jahr 2040 noch rund 55 % sein. Stand: Mai 2020 Quelle: destatis, JLL Wohnungsmarktbericht 2020 | Demografische Entwicklung 13
Die zunehmende Alterung der Bevölkerung hat auch chen lassen sich dabei vor allem zwei Effekte heranzie- einen erheblichen Einfluss auf die Entwicklung der Woh- hen: die längere Lebenserwartung im Rentenalter, die im nungsmärkte. Da die einzelnen Altersgruppen verschie- Berufsleben zu einer höheren Sparquote zwingt, sowie dene Nutzergruppen darstellen, die sich durch spezielle die gesunkene Geburtenrate, durch die das Kapital im Lebensstilkonzepte und -vorstellungen sowie Einkom- Vergleich zur Arbeit reichlicher und damit günstiger ge- menssituationen und Wohnpräferenzen kennzeichnen, worden ist. Die Verringerung des Zinsniveaus führt dazu, weisen diese auch eine sehr differenzierte Wohnungs- dass die Nachfrage nach unkonventionellen Assetklassen, nachfrage auf. Eine strukturelle demografische Verände- wie etwa realen Vermögensgütern, steigt und damit auch rung hat insbesondere dann einen großen Einfluss auf Immobilien als Investment attraktiver werden. Hinzu den Wohnungsmarkt, wenn die Diskrepanz zwischen der kommt, dass auf institutioneller Ebene die gesetzliche gegenwärtigen Wohnungsnachfrage und dem bestehen- Rentenversicherung in Deutschland seit Anfang der 2000 den Wohnungsangebot stark zunimmt. Diese Diskrepanz sukzessiv reformiert wurde, um einen starken Anstieg der betrifft im Speziellen die Wohnfläche der nachgefragten Beitragssätze im Zuge des steigenden Altersquotienten und der angebotenen Wohnungen, kann aber auch nach- zu verhindern. Im Rahmen dieser Reformen hat man der gelagerte Charakteristika wie die Ausstattung betreffen. privaten Altersvorsorge eine deutlich gewichtigere Rolle Darüber hinaus wirken sich die demografischen Verände- zugewiesen und damit die Nachfrage nach vermeintlich rungen indirekt über das Zinsniveau auf die Wohnungs- sicheren Assetklassen, wie Wohneigentum, von Seiten nachfrage aus. Der deutliche Rückgang des Zinsniveaus der Privathaushalte noch zusätzlich erhöht. Dies hat in in den westlichen Industrienationen, der seit mehreren Kombination mit der Null-Zins-Politik der Europäischen Jahrzehnten beobachtet werden kann, ist zum Teil auf Zentralbank erhebliche Auswirkungen auf die Nachfrage die Alterung der Bevölkerung zurückzuführen. Als Ursa- nach realen Vermögensgütern, wie etwa Immobilien. Altersstruktur der Bevölkerung Einwohner in Mio. 2019 1.500 1.000 500 0 1.500 Einwohner in Mio. 2060 (Hochrechnungen) 1.000 500 0 100 Jahre und mehr 3-Jährige 6-Jährige 9-Jährige 12-Jährige 15-Jährige 18-Jährige 21-Jährige 24-Jährige 27-Jährige 30-Jährige 33-Jährige 36-Jährige 39-Jährige 42-Jährige 45-Jährige 48-Jährige 51-Jährige 54-Jährige 57-Jährige 60-Jährige 63-Jährige 66-Jährige 69-Jährige 72-Jährige 75-Jährige 78-Jährige 81-Jährige 84-Jährige 87-Jährige 90-Jährige 93-Jährige 96-Jährige 99-Jährige unter 1 Jahr weiblich männlich Stand: Mai 2020 Quelle: Destatis, BBSR, JLL Wohnungsmarktbericht 2020 | Demografische Entwicklung 14
Regionale Bevölkerungsentwicklung Die Auswirkungen des demografischen Wandels sind regio- Anbindung, die einen Verlust der jungen Bevölkerung nal sehr unterschiedlich und müssen daher auch räumlich zugunsten der Ballungszentren hinnehmen müssen. differenziert betrachtet werden. Die regionalen Unterschie- Nach Untersuchungen des Bundesinstituts für Bau-, de in der Bevölkerungszahl und -struktur lassen sich zu Stadt- und Raumforschung (BBSR) werden bis 2025 ins- einem großen Teil auf systematische Binnenwanderung besondere folgende Regionen vom Bevölkerungswachs- zurückführen. Für die Binnenwanderung sind wiederum tum profitieren: das südliche Bayern mit München, die die lokalen Lebensverhältnisse sowie der Arbeitsmarkt die Region Stuttgart, die Regionen entlang des Rheins mit wichtigsten Einflussgrößen. Der am Arbeitsmarkt beson- Freiburg, Mannheim/Ludwigshafen, dem Rhein-Main ders beschäftigungsrelevante tertiäre Sektor ist vor allem in Gebiet und der Region Köln/Bonn, Teile von Nordwest- Metropolregionen und regionalen Oberzentren zu finden, deutschland, die Region Hamburg und Berlin mit ihren denn dort profitieren die Unternehmen nicht nur von not- angrenzenden Landkreisen. Auf der übergeordneten wendigen Agglomerationsvorteilen, sondern es bietet sich Ebene der Bundesländer werden bis 2020 die Stadtstaa- ihnen auch geeigneter Pool an spezialisierten Arbeitskräf- ten, die südlichen Bundesländer Bayern und Baden- ten. Gleiches gilt für Arbeitssuchende. Hinzukommt, dass Württemberg sowie Schleswig-Holstein Bevölkerungs- der wachsende Dienstleistungssektor durch eine geringe steigerungen verzeichnen können. Ein Trend, der sich Flächennachfrage gekennzeichnet ist und sich daher auch bis 2040 in diesen Ländern, außer in Schleswig-Holstein, an strategisch günstigen Standorten mit hoher Bodenin- fortsetzen soll. Damit findet insbesondere in den groß- tensivität niederlassen kann. Des Weiteren weisen gerade räumigen Ballungszentren ein erheblicher Anstieg der die jüngeren Alterskohorten hinsichtlich der regionalen Wohnungsnachfrage statt, wo bereits heute ein deutlicher Wohnstandortwahl eine gestiegene Mobilität und höhere Überhang in der Wohnungsnachfrage anzufinden ist. Flexibilität auf, die mit der gestiegenen Akademisierung und Digitalisierung einhergeht. Da die regionale Differenzie- rung der Entwicklung am Arbeitsmarkt die Binnenwande- rung maßgeblich determiniert, stellt sie auch einen wichti- gen Treiber der regionalen Nachfrage nach Wohnraum dar. Von dieser Entwicklung profitieren damit vor allem Bal- lungszentren und deren Umland, die sich durch eine hohe Arbeitskräftenachfrage und eine hohe Vielfalt urba- ner Freizeitmöglichkeiten kennzeichnen. Verlierer sind hingegen die peripheren ländlichen Räume sowie struk- turschwache Regionen mit schlechter infrastruktureller Wohnungsmarktbericht 2020 | Demografische Entwicklung 15
gionaleRegionale Bevölkerungsprognose Bevölkerungsprognose (2015-2025) (2012-2035) e: BBSR, Berechnung: JLL Quelle: BBSR, Berechnung: JLL Wohnungsmarktbericht 2020 | Demografische Entwicklung 16
Haushaltsentwicklung Die Zahl der Haushalte ist zentrale Größe der Wohnungs- Während die Bevölkerungszahl ab 2021 voraussichtlich nachfrage und deshalb für regionale Untersuchungen wieder leicht sinken wird, soll die Zahl der Haushalte der Nachfrageentwicklungen besonders relevant. Die gemäß den Vorausberechnungen des Statistischen Bun- Entwicklung der Zahl der Haushalte wird nicht nur von desamtes bis mindestens zum Jahr 2035 auf rund 43,2 der Bevölkerungsentwicklung, sondern auch maßgeblich Mio. (+5,9 % zu 2015) ansteigen. Damit kann in Deutsch- von strukturellen demographischen Veränderungen be- land bis mindestens 2035 mit einer stetig steigenden einflusst. So lassen sich insbesondere zwei wesentliche Nachfrage nach Wohnraum aufgrund von höheren Tendenzen in der Entwicklung der Zahl der Haushalte Haushaltszahlen gerechnet werden. Allerdings sind auch beobachten: Zum einen ist ein kontinuierlicher Rückgang hier die räumlichen Unterschiede sehr groß, wie eine der Haushaltsgröße, das heißt der Personenzahl je Haus- getrennte Betrachtung nach neuen und alten Bundes- halt, zu beobachten. Dies lässt sich mit der Veränderung ländern verdeutlicht. Während zwischen 2015 und 2035 der Altersstruktur der Bevölkerung erklären. Die älteren die Haushaltszahlen im Osten um 7 % sinken, sollen Alterskohorten, deren relativer Anteil an der Gesamtbe- diese in den alten Flächenländern um 3 % anwachsen. völkerung stetig wächst, weisen kleinere Haushaltsgrößen auf. Aber auch mehr Menschen der übrigen Altersgrup- pen leben zunehmend alleine. Verantwortlich für diesen Haushaltswachstum Prozess der Singularisierung ist eine sich verändernde Lebensweise der Menschen, die sich durch eine erhöhte 43.500 Zahl der Haus- Zahl von Geschiedenen und Alleinerziehenden, sinkenden halte (in Tsd.) Hochrechnungen ab 2019 Haushaltsgrößen der jüngeren Altersgruppen sowie einer 43.000 Verschiebung des Familiengründungsalters kennzeichnet. 42.500 Eng verbunden mit dieser Entwicklung ist die zweite 42.000 Beobachtung, eine stetig wachsende absolute Zahl der Haushalte. Während die Bevölkerung in Deutschland zwi- 41.500 schen 2011 und 2018 im Schnitt um rund 0,85 % pro Jahr zunahm, erhöhte sich die Zahl der Haushalte im selben 41.000 Zeitraum um rund 0,95 % pro Jahr auf 41,38 Mio. (39,50 Mio. in 2011). Durch den Rückgang der durchschnittlichen 40.500 Haushaltsgröße kann die Zahl der Haushalte wachsen, 40.000 selbst wenn die Bevölkerungszahl insgesamt rückläufig ist. Dadurch ist selbst in den neuen Bundesländern, wo 39.500 die Bevölkerung deutlich zurückging, ein Anstieg der Zahl 2015 2020 2025 2030 2035 2016 2017 2018 2019 2021 2022 2023 2024 2026 2027 2028 2029 2031 2032 2033 2034 der Haushalte seit der Wiedervereinigung zu beobachten. Stand: Mai 2020 Quelle: destatis, BBSR, JLL Wohnungsmarktbericht 2020 | Demografische Entwicklung 17
Der anhaltende Prozess der Verringerung der Haus- 22 % abnehmen. Die durchschnittliche Haushaltsgröße haltsgrößen wird sich auch in Zukunft weiter fortsetzen. wird dementsprechend von 1,93 Personen pro Haushalt Konnten die Einpersonenhaushalte im Jahr 2018 einen im Jahr 2018 auf rund 1,9 Personen im Jahr 2030 sinken. Anteil gegenüber allen anderen Haushaltsgrößen von etwa 40,8 % (rund 16,9 Mio.) ausmachen, so wird ihr Anteil Insgesamt kann die demografische Entwicklung der nächs- bis zum Jahr 2030 auf rund 43 % ansteigen. Besonders ten Jahrzehnte in Deutschland wie folgt zusammengefasst hoch ist dabei der Anteil der Einpersonenhaushalte mit werden: Es wird ein absoluter Bevölkerungsrückgang bei älteren Menschen. Von den 16,9 Mio. Einpersonenhaus- einer gleichzeitigen Alterung der Bevölkerung erwartet. halten bestehen rund 35 % aus Menschen von 65 Jahren Diese Veränderung der demographischen Struktur führt in oder älter. Ähnliche Entwicklungen lassen sich auch für der Kombination mit sich verändernden Lebensweisen zu die Zweipersonenhaushalte beobachten, deren relati- einer stetigen Verringerung der Haushaltsgrößen. Aufgrund ver Anteil an allen Haushalten zukünftig ebenfalls noch einer starken divergierenden Binnenwanderung ergeben ansteigen wird. Demgegenüber steht eine sinkende Zahl sich zudem regionale Unterschiede in den demografischen von Haushalten mit drei und mehr Personen. Deren Anteil Entwicklungen. Dadurch wird, trotz eines erwarteten Be- wird nach Angaben des Statistischen Bundesamtes vor- völkerungsrückgangs, bis zum Jahr 2030 ein Anstieg der aussichtlich zwischen 2018 und 2030 von 24,4 % auf rund Zahl der Haushalte erwartet. Der sich fortsetzende kon- junkturelle Einbruch im Frühjahr 2020 könnte mittelfristig zu Veränderungen in den Lebensweisen führen, die dem Entwicklung der Haushaltsgrößen indexiert Trend sich stetig verkleinernder Haushalte entgegenstehen. Hier ist zum Beispiel eine leichte Zunahme in der Subur- 115 Index (2015=100) banisierung aufgrund erhöhter Flexibilität im Arbeitsalltag und eine Zunahme von Wohngemeinschaften zu erwarten. 110 105 Diese demografischen Veränderungen wirken sich auch auf die Wohnungsnachfrage und damit auf den Wohnim- 100 mobilienmarkt und die Neubautätigkeit aus. Es lassen sich 95 die folgenden wesentlichen Tendenzen in der Wohnungs- nachfrage ausmachen: Aufgrund der Singularisierung und 90 Alterung ist der Neubaubedarf nach kleineren, zentralen und altersgerechten Wohnungen besonders hoch. Wäh- 85 rend der Wohnungsbedarf nach kleineren Wohneinheiten 80 für jüngere Haushalte in den Metropolregionen von den wirtschaftlichen Rahmenbedingungen und dem lokalen 75 Arbeitsmarkt abhängt, handelt es sich bei den demogra- 2015 2016 2017 2018 2019 2020 2021 2022 2023 2024 2025 2026 2027 2028 2029 2030 2031 2032 2033 2034 2035 phischen Veränderungen um sehr stabile Trends in der Ent- wicklung der Nachfrage. Aber nicht nur der Bedarf an klei- Einpersonenhaushalt neren Wohneinheiten bleibt hoch, sondern auch der Bedarf 2-Personenhaushalt nach größeren Wohneinheiten. Dieser wird insbesondere in den Metropolregionen in den kommenden Jahren noch 3-Personenhaushalt einmal steigen. Ursächlich dafür ist die Tatsache, dass die- 4-Personenhaushalt se Regionen im vergangenen Jahrzehnt einen hohen Zuzug Stand: Mai 2020 5+-Personenhaushalt jüngerer Haushalte und hohe Geburtenquoten aufwiesen, Quelle: destatis, BBSR, JLL die in den kommenden Jahren dazu führen werden, dass wieder vermehrt größere Wohnungen gebraucht werden. Wohnungsmarktbericht 2020 | Demografische Entwicklung 18
Wohnungsmarkt Wohnungsneubau wird durch gestiegene Bau- und Bodenpreise, wohnungspolitische Interventionen und Flächenknappheit in den Ballungsgebieten erschwert. Damit bleibt an den nachgefragten Wohnungsmärkten das Angebot hinter der Nachfrage zurück, auch wenn die Zahl fertiggestellter Wohnungen insgesamt erhöht werden konnte. Neubautätigkeit Die Neubautätigkeit auf den regionalen Wohnungsmärkten nachfrage und -angebot: demografisch- und technologisch wird im Wesentlichen von dem Neubaubedarf getrieben, bedingte Veränderungen am Arbeitsmarkt prägen in der sich aus der Übereinstimmung zwischen der Woh- Deutschland die regionalen Unterschiede in der Woh- nungsnachfrage und dem bestehenden Wohnungsangebot nungsnachfrage. Diese Entwicklung verursacht zunehmend ergibt. Damit stellt der Neubaubedarf nicht nur eine Abbil- eine regionale Polarisierung der Wohnungsmärkte, die sich dung der Entwicklung der Haushaltszahlen dar, sondern er- in erhöhtem Wohnungsleerstand in strukturell schwachen gibt sich auch aus dem Ersatzbedarf, d.h. der qualitativen Regionen sowie Nachfrageüberhängen in wirtschaftlich Übereinstimmung zwischen Angebot und Nachfrage. Hinzu starken Regionen niederschlägt. Diese Entwicklungen spie- kommen die regionalen Unterschiede zwischen Wohnungs- geln sich gerade in der Neubautätigkeit wider. Angebot und Nachfrage: Fertigstellungen*, Baugenehmigungen und prognostizierter Bedarf 600 Wohnungen in Tsd. Wohnungsfertigstellungen gesamt Wohnungsfertigstellungen (MFH) 500 Wohnungsbaugenehmigungen gesamt Wohnungsbaugenehmigungen (MFH) 400 Prognostizierter Bedarf gesamt Prognostizierter Bedarf (MFH) 300 200 * Errichtung und Genehmigungen von Wohnungen in neu errichteten Gebäuden 100 0 Stand: Mai 2020 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019 2020 2021 2022 2023 2024 2025 2026 2027 2028 2029 2030 Quelle: destatis, BBSR, JLL Wohnungsmarktbericht 2020 | Wohnungsmarkt 19
Im Jahr 2018 wurden insgesamt rund 286.000 neue Wohnun- führen. So werden beispielsweise die Bemühungen durch gen fertig gestellt. Damit lag man ungefähr auf dem Niveau die städtische Wohnungspolitik bei Nachverdichtungen im- des Vorjahres. Von den im Jahr 2018 fertig gestellten Woh- mer häufiger durch die Konfrontation zwischen den Einzelin- nungen waren 250.000 Neubauwohnungen in Wohngebäu- teressen der Anwohner und dem Gemeinwohl verschleppt den (das ist ein Zuwachs von 8,0 % gegenüber 2017). Dieser oder gar gestoppt. Insgesamt ergibt sich damit in den Woh- Anstieg resultierte im Wesentlichen aus dem Anstieg der Fer- nungsmärkten, die unter einem anhaltenden Nachfrage- tigstellungen von Wohnungen in Mehrfamilien- (+ 9,2 %). Die druck leiden, eine Situation, in der sich die Ziele der Marktak- Zahl der Ein- und Zweifamilienhäuser ging insgesamt leicht teure zunehmend gegenüberstehen: hohe Wohnkosten zurück oder stagnierte (-3,7 % bzw. 1,5 %). Stärker fiel hinge- erfordern zum einen preisgünstigen Mietwohnungsbau, der gen der Rückgang bei den Wohnheimen aus, deren Zahl fer- bei steigenden Bau- und Bodenpreisen am frei finanzierten tiggestellter Gebäude um -21,2 % zurückging. Markt immer schwerer umzusetzen ist, und zum anderen mehr Neubau, der die Intensität der Flächennutzung erhöht, Damit blieb man auf der Bundesebene hinter dem gesteck- was die Wohnqualität der Anwohner verschlechtert. ten Ziel zurück, die Neubauaktivität noch einmal deutlich zu intensivieren. Als Ursache für die nur moderat steigende Bau- Zum anderen haben die knappen Neubaukapazitäten in aktivität lassen sich neben einem Rückgang bestehender der Bauwirtschaft die Neubautätigkeit in den vergangenen Flächenpotenziale auch wohnungspolitische Konflikte an- Jahren maßgeblich gehemmt. Mit einem Wert von knapp 700.000 Wohnungen im Jahr 2018 liegt der Bauüberhang (genehmigte, aber noch nicht fertiggestellte Wohnungen) Fertig gestellte Wohnungen nach Wohngebäuden - auf einem Rekordniveau. Ursächlich dafür, dass in den ver- 2018, mit Veränderung ggü. Vorjahr gangenen Jahren immer mehr Bauprojekte genehmigt als tatsächlich realisiert werden konnten, lag auch an dem 13.021 Mangel an Arbeitskräften in der Bauwirtschaft. Wohnheime 83.200 Aufgrund des hohen Bauüberhangs ist daher in den kom- Einfamilien- -21,2 % häuser menden Jahren mit einem weiteren Anstieg der Zahl der Wohnfertigstellungen zu rechnen. Denn auch die Zahl der -3,7 % genehmigten Wohnungen blieb im Jahr 2018 mit einem Wert von rund 347.000 neuen Wohnungen auf dem Niveau des Vorjahres und hat damit den Bauüberhang noch einmal er- höht. Aber insbesondere in den Ballungsräumen und wichti- gen Oberzentren ist damit zu rechnen, dass die Neubautätig- keit insgesamt hinter dem Bedarf zurückbleibt. Denn durch 9,2 % 1,5 % prosperierende Arbeitsmärkte in den deutschen Metropolen bleibt die Arbeitskraftnachfrage und infolgedessen auch die Wohnungsnachfrage in den Ballungsgebieten und in den re- 134.084 19.810 Mehrfamilien- Zweifamilien- gionalen Oberzentren anhaltend hoch. häuser häuser Stand: Mai 2020 Quelle: destatis, JLL Wohnungsmarktbericht 2020 | Wohnungsmarkt 20
Struktur des Wohnungsbestands Wohnungsbestand Im Jahr 2018 lag der Wohnungsbestand in Deutschland bei insgesamt rund 42,26 Mio. Einheiten. Mit einem Anteil von 50 Wohnungen in Mio. 50,1 % fällt davon etwa die Hälfte auf freistehende Häuser. 45 41,0 41,2 41,4 41,7 42,0 42,2 40 Doppelhaushälften machen etwa 12 % des Gesamtbestan- 35 des aus und der Anteil gereihter Häuser beträgt etwa 31,7 %. 30 Allerdings lassen sich regional große Unterschiede in der 25 Struktur der Wohnbebauung beobachten. So ist grundsätz- 20 15 lich mit einer zunehmenden Bevölkerungsdichte auch eine 10 bodenintensivere Wohnbebauung vorzufinden. Düsseldorf 5 weist beispielsweise als Teil der Metropolregion Rhein-Ruhr 0 2013 2014 2015 2016 2017 2018 eine sehr verdichtete urbane Struktur auf, was sich in der Westdeutschland Ostdeutschland lokalen Gebäudestruktur widerspiegelt. Der Anteil gereihter Häuser liegt hier bei 74,1 %, während freistehende Häuser Stand: Mai 2020 nur einen Anteil von 11,7 % ausmachen. In ländlichen Regi- Quelle: destatis, Mikrozensus, JLL onen hingegen liegt der Anteil freistehender Wohngebäude üblicherweise deutlich über 90 %. gorie. Aufgrund von erheblichen Kriegsschäden, Kriegs- Der Wohnungsbestand lässt sich darüber hinaus deutlich flüchtlingen und einer hohen Geburtenrate nach dem nach Baualtersklassen differenzieren. Diese Klassifizierung zweiten Weltkrieg herrschte in Deutschland eine massive ergibt sich durch markante historische Einschnitte, die sich Wohnungsknappheit und in der Folge eine rege Bautätig- grob in folgende drei Kategorien einteilen lassen: den Zeit- keit. Durch diesen Umstand stellen die Nachkriegsbauten raum vor 1949, zwischen 1949 bis 1990 und die Neubauten (1949-1978) mit rund 46 % den mit Abstand größten Woh- seit 1991. Aufgrund der hohen gegenwärtigen Bautätigkeit nungsbestand in Deutschland dar. Im früheren Bundesge- kann die Phase ab 2014 bereits als vierte markante Phase biet können sogar nahezu 51 % aller Wohnungen des heuti- erhöhter Bautätigkeit identifiziert werden. gen Wohnungsbestands diesem Zeitraum zugeordnet werden. Zum Vergleich, der Anteil der Wohnungen, die zwi- Die erste Gruppe der „Vorkriegsbauten“ macht rund 27 % schen 1979 und 1990 fertig gestellt wurden, macht lediglich des gesamten Wohnungsbestandes im deutschen Bundes- einen Anteil von 12,5 % aus. In Ostdeutschland liegen die durchschnitt aus. Der Anteil, der vor 1949 fertig gestellten Anteile dieser beiden Zeiträume bei 31 % und 13,2 %. Wohnungen liegt in den fünf ostdeutschen Bundesländern bei rund 43 %, während der Anteil dieser Baualtersklasse Aufgrund unterschiedlicher Wohnungsbaupolitiken in der im den westdeutschen Bundesländern nur ca. 22 % er- sozialistischen DDR und der marktwirtschaftlich orientier- reicht. Damit ist der Anteil der Vorkriegsbauten in Ost- ten Bundesrepublik unterscheidet sich der Wohnungsbe- deutschland etwa noch doppelt so groß wie der Anteil die- stand auch erheblich in der qualitativen baulichen Beschaf- ser Baualtersklasse in Westdeutschland. fung. In der DDR wurden private Bauaktivitäten für den Vermietungsmarkt nach dem Zweiten Weltkrieg nahezu Der Wohnungsbestand aus der Zeit von 1949 bis zur deut- eingestellt. Öffentliche Investitionen in den Vorkriegsbe- schen Wiedervereinigung 1990 bildet die zweite Alterskate- stand waren politisch bis in die 1980er Jahre unerwünscht Wohnungsmarktbericht 2020 | Wohnungsmarkt 21
Sie können auch lesen