Was Erdgas wirklich kostet: Roadmap für den fossilen Gasausstieg im Wärmesektor - Forum Ökologisch-Soziale ...
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STUDIE 06/2021 HINTERGRUNDPAPIER / STU- DIE Was Erdgas wirklich kostet: Roadmap für den fossilen Gasausstieg im Wärmesektor von Isabel Schrems, Florian Zerzawy, Sunna Hügemann im Auftrag von und Peter Wieland Juni 2021
Was Erdgas wirklich kostet • Seite 2 von 35 Inhalt In dieser Studie werden die Klimakosten des im Ge- 2030 genügend erneuerbare Wärme erzeugt werden bäudesektor verbrauchten Erdgases quantifiziert – in- kann, um kurzfristig den Ausstieg aus der Nutzung von klusive der Methanleckagen in den Lieferketten. Es Erdgas einzuleiten. wird dargestellt, dass die Klimakosten von Erdgas bis- Wie der fossile Gasausstieg im Gebäudesektor konkret her nur unzureichend eingepreist sind. Im zweiten Teil gelingen kann, wird anhand einer Roadmap dargestellt. der Studie wird auf das technische Potenzial erneuer- Die Roadmap sieht einen Mix aus Preisinstrumenten barer Wärme im Gebäudesektor eingegangen. Dabei und Ordnungs- und Planungsrecht vor und kann bis werden die Vor- und Nachteile der Nutzung von Solar- spätestens 2026 umgesetzt werden. thermie, Biomasse, Geothermie und Umweltwärme und der Abwärme der Industrie diskutiert. Es soll auf- gezeigt werden, dass in Deutschland bereits im Jahr Herausgeber Forum Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft (FÖS) Schwedenstraße 15a 13357 Berlin Tel +49 (0) 30 76 23 991 – 30 Fax +49 (0) 30 76 23 991 – 59 www.foes.de - foes@foes.de im Auftrag der EWS Elektrizitätswerke Schönau eG Über das FÖS Das Forum Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft e.V. durchgeführt, konkrete Konzepte entwickelt und (FÖS) ist ein überparteilicher und unabhängiger politi- durch Konferenzen, Hintergrundgespräche und Bei- scher Think Tank. Wir setzen uns seit 1994 für eine Wei- träge in die Debatte um eine moderne Umweltpolitik terentwicklung der sozialen Marktwirtschaft zu einer eingebracht. Das FÖS setzt sich für eine kontinuierli- ökologisch-sozialen Marktwirtschaft ein und sind ge- che ökologische Finanzreform ein, die die ökologische genüber Entscheidungsträger*innen und Multiplika- Zukunftsfähigkeit ebenso nachhaltig verbessert wie tor*innen Anstoßgeber wie Konsensstifter. Zu diesem die Wirtschaftskraft. Zweck werden eigene Forschungsvorhaben Bildnachweise Foto Titelseite: Tolgart – iStock Forum Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft e.V. • Green Budget Germany
Was Erdgas wirklich kostet • Seite 3 von 35 Was Erdgas wirklich kostet Inhaltsverzeichnis 1 Hintergrund und Ziel der Studie ................................................................................................................................. 6 2 Klimakosten von Erdgas im Gebäudesektor............................................................................................................. 6 2.1 Klimakosten der Erdgasnutzung ............................................................................................................................................. 6 2.1.1 CO2-Emissionen ......................................................................................................................................................................... 7 2.1.2 Methanemissionen ................................................................................................................................................................... 8 2.1.3 Klimaschadenskosten .............................................................................................................................................................. 9 2.2 Internalisierte Kosten ................................................................................................................................................................. 10 2.3 Internalisierungslücke ................................................................................................................................................................ 10 3 Technisches Potenzial erneuerbarer Wärme ......................................................................................................... 12 3.1 Solarthermie .................................................................................................................................................................................... 12 3.2 Biomasse ........................................................................................................................................................................................... 14 3.3 Geothermie und Umweltwärme ............................................................................................................................................. 15 3.3.1 Oberflächennahe Geothermie ........................................................................................................................................... 15 3.3.2 Umweltwärme ............................................................................................................................................................................ 17 3.3.3 Tiefengeothermie ..................................................................................................................................................................... 17 3.4 Abwärme aus der Industrie ....................................................................................................................................................... 18 3.5 Zwischenfazit: Gesamtpotenzial von 1.228 bis 2.183 TWh jährlich ........................................................................... 18 4 Roadmap zum fossilen Gasausstieg im Gebäudesektor ..................................................................................... 20 4.1 Preisinstrumente ......................................................................................................................................................................... 20 4.1.1 Weiterentwicklung des Brennstoffemissionshandelsgesetzes (BEHG) ........................................................ 20 4.1.2 Bepreisung der Methanemissionen von Erdgas ......................................................................................................... 21 4.1.3 Novellierung der Förderungen für KWK-Anlagen.................................................................................................... 22 4.1.4 Einführung von Austauschprämien für Gasheizungen ........................................................................................... 23 4.1.5 Gezielte Förderungen für Sanierungen mit hohen Effizienz-Standards ......................................................... 23 4.1.6 Ausbau der Förderung für effiziente Wärmenetze ................................................................................................... 24 4.2 Ordnungsrechtliche Instrumente ......................................................................................................................................... 24 4.2.1 Anhebung der Energieeffizienzvorgaben für Gebäude ......................................................................................... 24 4.2.2 Mindestnutzungspflichten für erneuerbare Wärme – auch im Gebäudebestand ...................................... 25 4.2.3 Einbauverbot für Gasheizungen ....................................................................................................................................... 25 4.2.4 Nachschärfen der Austauschpflicht für Gasheizungen .......................................................................................... 26 4.3 Planerische Instrumente ........................................................................................................................................................... 26 4.3.1 Ausstieg aus dem weiteren Ausbau der Erdgas-Infrastruktur ............................................................................. 26 4.3.2 Entwicklung und Neubau von kalten Wärmenetzen ............................................................................................... 27 4.3.3 Verpflichtung zur Erstellung kommunaler Wärmepläne ....................................................................................... 27 4.4 Zusammenfassung und Fazit .................................................................................................................................................. 28 Literaturverzeichnis ........................................................................................................................................................... 29 Forum Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft e.V. • Green Budget Germany
Was Erdgas wirklich kostet • Seite 4 von 35 Zusammenfassung der Ergebnisse Um die Klimaziele im Einklang mit dem Pariser-Kli- Abbildung 1: Klimakosten durch die Nutzung von maabkommen zu erreichen, müssen fossile Energie- Erdgas im Gebäudesektor im Jahr träger in allen Sektoren durch erneuerbare Energie- 2021 in Mrd. Euro träger ersetzt werden. Die Notwendigkeit einer schnellstmöglichen Dekarbonisierung des Energie- systems ist angesichts der Klima-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts Ende April 2021 noch einmal deutlich gestiegen. Während es für die Kohle bereits einen konkreten Ausstiegspfad gibt, ist das Ende des Einsatzes von klimaschädlichem Erdgas bisher noch nicht abzusehen. 0 10 20 Klimakosten im Jahr 2021 in Mrd. Euro Der Gebäudesektor ist angesichts seiner bisherigen CO2 CH4-Minimum CH4-Spannbreite Zielverfehlung dabei eine der größten Herausforde- rungen. Er ist mit 16% für einen bedeutenden Teil der Quelle: eigene Berechnungen auf Grundlage von (UBA 2020a). deutschen Treibhausgas-Emissionen verantwort- lich. Über 60% der Treibhausgas-Emissionen im Ge- ▪ Mit dem Brennstoffemissionshandelsgesetz bäudesektor gehen auf die Erzeugung von Wärme (BEHG) ist zwar ein erster Schritt zur Internalisie- auf Basis von Erdgas zurück. rung der Klimakosten von Erdgas gemacht. Um In dieser Studie werden zunächst die gesamten Kli- die Klimaschäden vollständig einzupreisen, muss maschadenskosten des im Gebäudesektor ver- der Preis aber deutlich stärker steigen und bis brauchten Erdgases quantifiziert. Neben den CO2- 2030 einen Preis in Höhe von 215 Euro pro Emissionen, die in Deutschland bei der Verbrennung Tonne CO2 erreichen. von Erdgas entstehen, werden auch Methanemissio- ▪ Über das BEHG und die Energiesteuer sind bis- nen aus Förderung, Transport und Einsatz von Erd- her nur Klimakosten in Höhe von ca. 1,1 bis 1,3 gas berücksichtigt. Anschließend wird das Potenzial ct/kWh eingepreist. Knapp 75% der Klimascha- klimafreundlicher Wärmeoptionen zur Substitu- denskosten sind derzeit noch nicht berücksich- tion von Erdgas abgeschätzt und Maßnahmen dar- tigt. gestellt, mit denen der Ausstieg aus der fossilen Wärme bis 2030 gelingen kann. ▪ Der Preis von Erdgas inklusive nicht-internalisier- ter Klimakosten läge daher etwa 50% (bzw. 3 bis Die zentralen Ergebnisse: 3,5 ct/kWh) über dem aktuellen Gaspreis. ▪ Insgesamt entstehen durch die Verwendung von ▪ Die bisher nicht-internalisierten Klimakosten Erdgas im Wärmesektor in Deutschland jährliche durch die Nutzung von Erdgas im Gebäudesek- Treibhausgas (THG)-Emissionen in Höhe von tor betragen zwischen 13 und 15,2 Mrd. Euro für 91,5 bis 107,2 Mio. Tonnen CO2-Äquivalenten – das Jahr 2021 – knapp dreimal mehr als die Mittel, wovon 87,1 Tonnen verbrennungsbedingt aus die zur Förderung der Energieeffizienz und er- CO2-Emissionen stammen und rund 4,4 bis 20 neuerbaren Energien im Gebäudebereich im Mio. Tonnen aus Methanleckagen entweichen. Bundeshaushalt 2021 eingeplant sind. Zum Vergleich: die gesamten CO2-Emissionen ▪ Je nach verwendeten Szenarien wird das techni- des Landes Berlin betrugen im Jahr 2019 etwa 17 sche Potenzial für Wärme aus Solarthermie, Bi- Mio. t CO2. omasse, Geothermie, Umweltwärme und Ab- ▪ Im Jahr 2021 belaufen sich die durch die Nutzung wärme aus der Industrie1 im Jahr 2030 mit 1.403 von Erdgas im Gebäudesektor entstehenden Kli- bis 2.183 TWh beziffert. Es ist damit fast doppelt makosten auf rund 18 bis 21 Mrd. Euro. Zwischen so hoch wie der heutige Endenergieverbrauch im rund 0,9 und 4 Mrd. Euro der Klimakosten ent- Wärmesektor. stehen durch das besonders klimawirksame frei- werdende Methan (siehe Abbildung 1). 1 Grundsätzlich ist industrielle und gewerbliche Ab- Trotzdem kann ihre Nutzung einen wichtigen Bei- wärme keine Form der erneuerbaren Wärme. trag zur Dekarbonisierung des Gebäudesektors leisten. Forum Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft e.V. • Green Budget Germany
Was Erdgas wirklich kostet • Seite 5 von 35 ▪ Damit ist es sehr wahrscheinlich, dass in Deutsch- land bis Ende des Jahrzehnts genügend erneu- erbare Wärme für den Gebäudebereich erzeugt werden kann, so dass ein Ausstieg aus der Nut- zung aller fossilen Energieträger, inklusive Erdgas, machbar ist. Abbildung 2: Roadmap zum fossilen Gasausstieg im Gebäudesektor Quelle: eigene Darstellung Abbildung 2 zeigt das Maßnahmenpaket, um den Förderungen von erneuerbarer Wärme in Erdgasausstieg im Gebäudesektor kurzfristig ein- KWK-Anlagen eingeführt werden. Bisher ist die zuleiten. Entscheidend dabei ist ein Mix aus Preisin- Förderung bei Umstellung von Kohle auf Gas strumenten, ordnungsrechtlichen und planerischen deutlich höher als bei Umstellung auf erneuer- Instrumenten: bare Wärme. ▪ Der Ausstieg aus der Nutzung von Erdgas zu ▪ Erdgasheizungen dürfen nicht mehr gefördert Wärmezwecken sollte sofort durch eine höhere werden, auch nicht in Kombination mit erneuer- CO2-Bepreisung, insbesondere über das BEHG, baren Energien. Die bestehenden Subventionen angereizt werden. Notwendig wäre ein anstei- führen zu einem weiteren Technologie-Lock-In gender Preispfad, der spätestens im Jahr 2030 für die nächsten 15 bis 20 Jahre. die Höhe der Klimaschadenkosten (215 Euro/t ▪ Stattdessen sind weitere gezielte Förderungen CO2) erreicht. wie Austauschprämien für Gasheizungen, Sa- ▪ Zudem sollte die Bepreisung der Methanemissi- nierungen mit hohen Effizienz-Standards so- onen von Erdgasgewinnung und -transport wie eine Förderung für effiziente Wärmenetze vorgenommen und die Erfassung von Metha- mit geringen Vorlauftemperaturen notwendig. nemissionen verbessert werden. In der Methan- ▪ Spätestens bei der Überprüfung des Gebäu- strategie der EU sind dafür bereits Rechtsvor- deenergiegesetz (GEG) im Jahr 2023 sollten au- schriften vorgesehen, die noch in die Praxis um- ßerdem die Effizienzvorgaben für alle Gebäude gesetzt werden müssen. deutlich verschärft und eine Austauschpflicht so- ▪ Für eine erfolgreiche Wärmewende muss zudem wie das Einbauverbot für Gasheizungen ab das bestehende Kraft-Wärme-Kopplungsgesetz 2026 festgelegt werden. (KWKG) reformiert werden und müssen direkte Forum Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft e.V. • Green Budget Germany
sensibilisieren. Zum anderen soll mit der Roadmap dar- gelegt werden, welche Instrumente für eine schnelle 1 Hintergrund und Ziel der Studie Umsetzung des fossilen Gasausstiegs in Deutschland Bis 2030 sollen die Treibhausgasemissionen gegen- besonders relevant sind. über 1990 in Deutschland um 65% gemindert werden, 2045 soll Klimaneutralität erreicht werden (Bundesre- gierung 2021). Um die Klimaziele zu erreichen, müssen 2 Klimakosten von Erdgas im fossile Energieträger in allen Sektoren schnell durch Gebäudesektor erneuerbare Energieträger ersetzt werden. Während Unter externen Kosten bzw. Externalitäten werden in es für die Kohle bereits einen konkreten Ausstiegspfad der Umweltpolitik Kosten verstanden, die nicht von gibt, wird die Energieerzeugung auf Basis von Erdgas den Verursachern selbst getragen werden, sondern bei momentan noch als „Brückentechnologie“ dargestellt. der Gesellschaft oder Dritten anfallen. Die externen Es ist jedoch klimapolitisch kurzsichtig, wegfallende Kosten der Erdgasnutzung sind einerseits die Folge- Kohlekraftwerke durch einen stärkeren Einsatz von kosten des Klimawandels, welcher durch die Nutzung Erdgas zu ersetzen. Der Ausstieg aus der Wärmever- fossiler Energieträger wie Erdgas verstärkt wird, da sorgung mit fossilem Gas wird ebenfalls nötig. Abge- dadurch klimaschädliche Emissionen wie CO2 oder sehen von vereinzelten politischen Diskussionen ist CH4 entstehen. Andererseits werden bei der Verbren- dieser bisher jedoch noch nicht abzusehen. Dabei wer- nung fossiler Energieträger auch weitere Luftschad- den mit der Novelle des Klimaschutzgesetzes auch die stoffe frei, welche Gesundheitsschäden hervorrufen Sektorziele für den Gebäudebereich verschärft. 2030 können. Im Folgenden werden die externen Kosten dürfen nur noch 67 Mio. t CO2äq ausgestoßen werden, durch Luftschadstoffe jedoch nicht näher betrachtet. d.h. die Emissionen müssen sich gegenüber heute fast Es wird ausschließlich auf die Klimakosten der Erdgas- halbieren. nutzung im Gebäudesektor eingegangen. In dieser Studie werden die Klimakosten des im Ge- Erdgas besteht zu einem Großteil aus dem Gas Methan bäudesektor verbrauchten Erdgases in Kapitel 2 (CH4), welches eine sehr hohe Klimawirkung aufweist. quantifiziert. Es wird dargestellt, dass diese Kosten von Um die Klimakosten von Erdgas zu bestimmen, müs- Erdgas bisher nur unzureichend eingepreist sind. Ne- sen neben den CO2-Emissionen, welche bei der Ver- ben den CO2-Emissionen, die in Deutschland bei der brennung von Erdgas entstehen, auch die CH4-Emissi- Verbrennung von Erdgas entstehen, rückt zunehmend onen berücksichtigt werden, die bei Förderung, Trans- auch die Frage von Methanemissionen bei Förderung, port und Lagerung freigesetzt werden. Transport und Einsatz von Erdgas in den Fokus. Neu- este Daten zeigen, dass die Klimaschädlichkeit von z.B. Fracking-Erdgas dadurch sogar höher ist als die der 2.1 Klimakosten der Erdgasnutzung Braunkohle (EnergyWatchGroup 2019). Diese soge- nannten Methanleckagen werden politisch bisher un- Das Umweltbundesamt (UBA) berechnet in seiner Me- zureichend adressiert. thodenkonvention zur Schätzung von Umweltkosten In Kapitel 3 der Studie wird auf das technische Poten- regelmäßig den Umfang der externen Kosten. Im Jahr 2012 ging das UBA noch von externen Klimakosten in zial klimafreundlicher Wärmeoptionen im Gebäude- Höhe von 80 Euro2010/tCO2äq aus (UBA 2012). Dieser sektor eingegangen. Dabei werden die Vor- und Nach- teile der Nutzung von Solarthermie, Biomasse, Ge- Wert wurde in der Zwischenzeit aufgrund neuerer For- othermie und Umweltwärme und der Abwärme der In- schungsergebnisse zum fortschreitenden Klimawan- del deutlich nach oben korrigiert. So rechnet das UBA dustrie diskutiert. Es wird gezeigt, dass in Deutschland in der Methodenkonvention 3.1 (UBA 2020a) mit Kli- genügend erneuerbare Wärme erzeugt werden kann, um aus der Nutzung von Erdgas zur Wärmeerzeugung makosten von 195 Euro2020/tCO2äq, die im Zeitverlauf auszusteigen. ansteigen (siehe Abbildung 3). Wie der fossile Gasausstieg im Gebäudesektor konkret gelingen kann, zeigt eine Roadmap in Kapitel 4. Sie sieht einen Mix aus Preisinstrumenten, ordnungs- rechtlichen und planungsrechtlichen Instrumenten vor, welche alle bis spätestens 2026 umgesetzt werden können. Das Ziel der Studie ist zum einen ein Verständnis für die tatsächlichen Klimakosten der Erdgasnutzung im Ge- bäudesektor – inklusive der bisher wenig beachteten Methanleckagen in den Vorketten - zu schaffen und dadurch für die hohe Klimabelastung von Erdgas zu Forum Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft e.V. • Green Budget Germany
Was Erdgas wirklich kostet • Seite 7 von 35 Abbildung 3: Klimakosten in Euro2020/tCO2äq Deutschland jährlich verbrennungsbedingt etwa 76,2 Mio. t CO2.4 300 Rund 6,6% der Wohngebäude in Deutschland (ent- 250 spricht 1,2 Mio. Wohngebäude) werden zudem mit 200 Fernwärme versorgt (BDEW 2019). In den Jahren 2010 bis 2019 wurden jährlich durchschnittlich rund 212 PJ 150 an Erdgas für die Erzeugung von Fernwärme in Heiz- 100 kraftwerken und Fernheizwerken eingesetzt (BMWi 50 2021a). Insgesamt stammen rund 72% der Fernwärme aus biogen und fossil betriebenen Kraft-Wärme- 0 Kopplungsanlagen (KWK-Anlagen) (Prognos AG u. a. 2020 2030 2050 2019). Quelle : (UBA 2020a) Zur Bestimmung der Emissionsfaktoren bei KWK-An- lagen hat sich bisher kein Standardverfahren heraus- 2.1.1 CO2-Emissionen gebildet. Das UBA untersuchte in einer Studie beispiel- haft für die Jahre 2000 und 2005 die Emissionsfakto- 120 Mio. Tonnen, d.h. etwa 16% der deutschen Treib- ren der Bereitstellung von Fernwärme in Deutschland hausgasemissionen, stammten im Jahr 2020 aus dem anhand verschiedener Methoden (UBA 2008). Eine Gebäudesektor (BMU 2021). Davon gehen über 60% der verwendeten Methoden stellt die Wirkungsgrad- auf die Erzeugung von Wärme auf Basis von Erdgas zu- methode dar. Diese setzt die Einzel-Wirkungsgrade für rück 2 . Andere eingesetzte fossile Energieträger im Strom und Wärme (Verhältnis des Brennstoffeinsatzes Wärmebereich sind Heizöl und in geringem Umfang zur erzeugten Strom- und Wärmemenge) ins Verhält- Kohle. nis zur Summe beider Wirkungsgrade. Die Emissions- Im Gebäudebereich wird Erdgas hauptsächlich dazu anteile, welche der Wärmeerzeugung in KWK-Anla- genutzt, Räume zu heizen (Raumwärme). Ein geringe- gen zuzuordnen ist ergeben sich anhand der beiden rer Anteil wird zudem für Warmwasser genutzt. In den Quotienten (UBA 2008): Jahren 2010 bis 2019 wurden jährlich durchschnittlich rund 1.160 Petajoule (PJ) an fossilem Gas 3 für die KWK-EmissionsanteilWärme = WirkungsgradStrom / Raumwärme verwendet (BMWi 2021a). Für Warmwas- (WirkungsgradStrom + WirkungsgradWärme) ser wurden durchschnittlich jährlich zusätzlich rund 206 PJ aufgewendet (BMWi 2021a). Insgesamt wer- Setzt man diesen Emissionsanteil ins Verhältnis mit den in Deutschland damit jährlich rund 1.366 PJ (379 den durchschnittlichen Gesamtemissionen aus KWK- TWh) an Gas im Gebäudesektor verwendet. Das ent- Kraftwerken in den Jahren 2010 bis 2019, ergibt sich spricht etwa 45% des in Deutschland verbrauchten die Menge an CO2-Emissionen, die durchschnittlich Erdgases. Abhängig ist der jährliche Verbrauch von der Wärmeerzeugung zuzurechnen ist. Hieraus kann witterungsbedingten Schwankungen. 2010 – in einem anhand der durchschnittlich erzeugten Wärmemenge Jahr mit einem besonders kalten Winter – wurde daher aus KWK-Anlagen 5 der durchschnittliche Emissions- mit rund 1.324 PJ deutlich mehr Gas für die Raum- faktor von Wärme aus KWK-Anlagen abgeleitet wer- wärme genutzt als durchschnittlich im betrachteten den. Zeitraum (BMWi 2021a; UBA 2020b). Der Durch- Im Ergebnis ergibt sich über die Jahre 2010 bis 2019 ein schnitt über zehn Jahre stellt damit einen „mittleren“ durchschnittlicher Emissionsfaktor von 179,4 t Verbrauch dar. CO2/TWh bzw. 49,84 CO2/TJ für Wärmeerzeugung Laut UBA (2016) liegt der Emissionsfaktor von Erdgas aus KWK-Anlagen. bei durchschnittlich 55,8 t CO2 pro Terajoule (TJ). Dementsprechend entstehen durch die Verwendung Dementsprechend entstehen durch die Verwendung von Erdgas für die Erzeugung von Fernwärme jährlich von Erdgas für Raumwärme und Warmwasser in etwa 10,9 Mio. t CO2. 2 4 Ohne Emissionen aus der Fernwärme, die in der Emissions- Da hier der gesamte Gasverbrauch (nicht nur Erdgasver- bilanzierung der Bundesregierung dem Sektor Ener- brauch) berücksichtigt wird, handelt es sich hierbei giewirtschaft zugerechnet werden. um einen Maximalwert. 3 5 Neben Erdgas sind hier auch Flüssiggas, Raffineriegas, Ko- Wärmeerzeugung in KWK-Anlagen für die allgemeine Ver- kereigas und Gichtgas enthalten. sorgung, siehe Tabelle 5.3 in (AG Energiebilanzen e.V. 2020) Forum Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft e.V. • Green Budget Germany
Was Erdgas wirklich kostet • Seite 8 von 35 Durch die Nutzung von Erdgas für Raumwärme, Da die nächsten zehn bis 20 Jahre ausschlaggebend Warmwasser und Fernwärme entstehen damit insge- dafür sein werden, ob das Erreichen von Klimakipp- samt jährlich verbrennungsbedingt rund punkten noch verhindert werden kann, muss Methan 87,1 Mio. t CO2 in Deutschland (siehe Tabelle 1). hinsichtlich seiner kurzfristigen Klimawirksamkeit be- wertet werden (Deutsche Umwelthilfe 2020a; Tabelle 1: Verbrennungsbedingte CO2-Emissionen EnergyWatchGroup 2019). Den Berechnungen in die- für die Wärmeversorgung aus sem Kapitel liegt daher der Faktor 86 zugrunde. Erdgas im Gebäudesektor Verbrauch p.a. in CO2-Emissionen Aufgrund des hohen Treibhauspotentials von Methan PJ (Ø 2010- p.a. in Mio. tCO2 (Ø stellen Methanleckagen bzw. Methanschlupf ein gro- 2019) 2010-2019) ßes Problem für das Klima dar. Methanschlupf be- Raumwärme 1.160 64,7 zeichnet das Entweichen von Methan während des Warmwasser 206 11,5 Verbrennungsprozesses. Methanleckagen treten entlang der gesamten Lieferkette von Erdgas auf: bei Fernwärme 212 10,9 der Förderung, Produktion und Aufbereitung, beim Gesamt 1.578 87,1 Transport, der Verteilung und Speicherung sowie bei der Verwendung von Erdgas (Deutsche Umwelthilfe Quelle : eigene Darstellung 2020a). So tritt Methan beispielsweise aus Bohrlö- chern aus, entweicht während des Transports aus un- dichten Stellen in Pipelines und kann auch beim Pro- 2.1.2 Methanemissionen zess der Verbrennung in Form von nicht vollständig Erdgas besteht hauptsächlich aus Methan – einem verbranntem Gas in die Atmosphäre gelangen. Hinzu extrem klimaschädlichen Gas, dessen Treibhauspo- kommt das beabsichtige Ablassen von Erdgas in die tenzial das von Kohlendioxid um ein Vielfaches über- Atmosphäre, etwa bei Wartungen und Reparaturen trifft. Um die Klimaschädlichkeit von Methan realistisch der Ferngasleitungen (DVGW-Forschungsstelle am angeben zu können, ist der zugrunde gelegte Betrach- Engler-Bunte-Institut des KIT/Fraunhofer ISI 2018). tungszeitraum entscheidend. Betrachtet man einen Die Menge des Methans, das über diese Wege in die Zeitraum von 100 Jahren, wie etwa in der Methoden- Atmosphäre entweicht, ist entscheidend für die konvention des Umweltbundesamtes, so ist Methan Klimabilanz von Erdgas. Sie wird immer noch häufig 28-Mal so schädlich wie CO2 (UBA 2020a).6 Vergleicht unterschätzt – auch weil unabhängige Messungen und man die Klimawirkung der Gase jedoch innerhalb der Studien hierzu oft nicht vorhanden sind (DIW 2021). So ersten zwanzig Jahre nach Freilassung in die Atmo- korrigierten beispielsweise erste unabhängige Mes- sphäre, so ist die Klimaschädlichkeit von Methan 86- sungen an Gasinfrastruktur in den USA die Angaben Mal so hoch wie die von CO2 (IPCC 2013) (siehe Abbil- der US-Umweltbehörde um 60% nach oben (Alvarez dung 4). u. a. 2018; Howarth 2015). Vorhandene Studien zu Me- thanverlustraten gehen in vielen Fällen stark auseinan- Abbildung 4: Klimawirkung von Methan im der. Zum Beispiel weichen Angaben zu der Methanver- Zeitverlauf lustrate von aus Russland stammendem Erdgas für das Jahr 2012 teilweise um einen Faktor 10 ab: während DBI Gas- und Umwelttechnik GmbH (2016) diesen Wert mit 0,386% angibt, liegt der von NRI (2014) ange- gebene Wert bei 3,079% (BGR 2020) (siehe hierzu die Übersicht im Anhang). Für unsere Berechnungen geben wir daher eine Spannbreite an Methanemissionen an. Wie hoch die Methanemissionsraten sind, hängt zu- dem stark davon ab, aus welchem Land das Erdgas stammt. Deutschland bezieht sein Erdgas hauptsäch- Quelle: eigene Darstellung auf Grundlage von (IPCC 2013; UBA lich aus Russland, Norwegen und den Niederlanden. 2020a) Zudem wird ein Teil des Erdgasbedarfs aus Deutsch- land selbst gedeckt. 6 Laut dem Intergovernmental Panel on Climate Change Umweltbundesamtes können daher als konservativ (IPCC) ist Methan in den ersten 100 Jahren sogar bis angesehen werden (IPCC 2013) zu 34 mal so schädlich wie CO2. Die Annahmen des Forum Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft e.V. • Green Budget Germany
Was Erdgas wirklich kostet • Seite 9 von 35 Abbildung 5: Herkunft des in Deutschland Norwegen 376 0,02 0,1 verbrauchten Erdgases Niederlande 317 0,1 0,2 Übriges Europa Deutschland 2% 6% Sonstiges Eu- 39 0,01 0,02 Niederlande 20% ropa* * entspricht gemitteltem Wert von Norwegen und den Niederlanden Quelle: eigene Berechnungen auf Grundlage von (BGR 2020; IASS 2016) Diese Berechnungen sind als konservativ anzusehen, Russland da hier nur die Methanemissionen aus der Vorkette be- 48% rücksichtigt sind. Methan, das bei der Verwendung von Norwegen 24% Erdgas entweicht, ist in diesen Berechnungen nicht enthalten, da es hierzu an belastbaren Daten mangelt. So ist etwa der Methanschlupf in Blockheizkraftwerken Quelle: eigene Darstellung auf Grundlage von (BDEW 2020; BDEW und Gasthermen laut Bundesregierung noch nicht hin- 2021; Bundesministerium für Wirtschaft und Energie 2021; Statista), reichend erforscht (Deutscher Bundestag 2020). Untersuchungen zu den Methanemissionen von Für die Berechnungen der daraus resultierenden Me- Blockheizkraftwerken aus den Niederlanden (de Zwart thanemissionen wurden für Russland, Norwegen und u. a. 2012) sowie zu Wassererhitzern aus den USA (Le- die Niederlande aus den in der Literaturstudie der BGR bel u. a. 2020) legen allerdings nahe, dass hier ein sig- (2020) analysierten Studien jeweils die jüngsten Be- nifikanter Anteil des Methans entweicht. Es ist darum zugsjahre gewählt. Denn grundsätzlich ist davon aus- dringend notwendig, auch in Deutschland entspre- zugehen, dass sich Kontrollstandards und Technik mit chende Messungen durchzuführen. den Jahren verbessern und die Methanleckagen daher Ein weiterer Grund, weshalb die Berechnungen als in der Tendenz abnehmen. Für die etwa 2% des Erdga- konservativ anzusehen sind, sind die laut Satellitenda- ses, das Deutschland aus anderen europäischen Län- ten im Jahr 2020 um 40% gestiegenen Methanlecka- dern bezieht, wurden die Werte für Norwegen und die gen aus russischen Pipelines (European Space Agency Niederlande gemittelt. Als Grundlage für die Berech- 2021). Grund hierfür könnte unter anderem sein, dass nungen der Methanemissionen des deutschen Erdga- an Inspektionen und Reparaturen gespart wurde, ses wurden die Methanverlustraten aus IASS (2016) nachdem der Erdgaspreis aufgrund der COVID-19 gewählt. Pandemie gesunken ist (Climate Home News 2021). Die so berechneten Methanemissionen im Wärmesek- Um die Höhe der Methanverlustraten in Zukunft bes- tor sind in Tabelle 2 dargestellt. 7 Insgesamt ergeben ser beurteilen zu können ist eine Verbesserung der Er- sich Methanemission in Höhe von rund 4,4 bis 20 Mio. fassung von Methanemissionen entscheidend. In der t CO2äq. Der größte Teil der Methanemissionen stammt Methanstrategie der EU sind dafür Rechtvorschriften aus den Importen aus Russland: rund 3,4 bis 18,9 Mio. t für die obligatorische Messung, Berichterstattung und CO2äq. Rund 0,9 Mio. t CO2äq stammen aus Deutsch- Überprüfung von energiebezogenen Methanemissio- land. nen vorgesehen (Europäische Kommission 2020). Tabelle 2: Spannbreite der Methanemissionen Laut eines aktuellen Reports des United Nations durch den Erdgasverbrauch im Environment Programme und der Climate & Clean Air Wärmesektor Coalition (2021) stellt die Reduktion von Methanemis- Erdgasverbrauch im sionen eine der kosteneffektivsten Strategien dar, um Wärmesektor die Klimaerwärmung zu begrenzten und die Pariser Kli- PJ Methanemissionen in Mio. t maziele einhalten zu können. CO2-Äquiv. Min Max Insgesamt 1.578 4,4 20,1 2.1.3 Klimaschadenskosten davon aus... Insgesamt entstehen durch die Verwendung von Erd- Deutschland 96 0,9 0,9 gas im Wärmesektor jährliche THG-Emissionen in Höhe von 91,5 bis 107,2 Mio. Tonnen CO2-Äquiva- Russland 751 3,4 18,9 lenten (Summe von CO2- und CH4-Emissionen) (siehe 7 Dabei wurde der durchschnittliche jährliche Erdgasver- brauch im Wärmesektor in den Jahren 2010 bis 2019 zugrunde gelegt. Forum Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft e.V. • Green Budget Germany
Was Erdgas wirklich kostet • Seite 10 von 35 Abbildung 6). Das ist wesentlich mehr, als der Sektor 2.2 Internalisierte Kosten nach Klimaschutzgesetz im Jahr 2030 noch emittieren darf (67 Mio. t CO2äq). Zum Vergleich: Die CO2-Emis- Ein Teil der Klimakosten wird bereits über das Brenn- sionen von Berlin betrugen im Jahr 2019 etwa 17 Mio. t stoffemissionshandelsgesetz (BEHG) bzw. bei der CO2 (Tagesspiegel 2020). Fernwärme teilweise über den EU-ETS internalisiert. Der CO2-Preis pro Emissionszertifikat im BEHG be- Abbildung 6: Treibhausgasemissionen durch trägt 2021 25 Euro/ t CO2 und steigt bis 2025 schritt- Nutzung von Erdgas im weise bis auf 55 Euro/ t CO2 an. Im Jahr 2026 existiert Gebäudesektor ein Preiskorridor mit einem Mindestpreis von 55 Euro und einem Höchstpreis von 65 Euro/ t CO2. Ab 2027 ist bisher eine freie Preisbildung über den Markt geplant (DEHSt 2020a; FÖS 2020a). Auch die Energiesteuer kann als eine anteilige Inter- nalisierung von Klimakosten angesehen werden. Pri- mär ist ihre Zielsetzung jedoch die Einsparung von 0 50 100 Energie, unabhängig von der CO2-Intensität der Er- Mio. t CO2-Äquiv. zeugung. Außerdem wird die Energiesteuer nicht auf die Energieerzeugung direkt erhoben, sondern auf den CO2 CH4 Minimum CH4 Spannbreite Energieverbrauch. Die Energiesteuer für Gas beträgt 0,55 ct/kWh (BMWi 2021c), bezogen auf den oberen Quelle: eigene Berechnungen auf Grundlage von (BGR 2020; IASS Heizwert, und damit umgerechnet etwa 30 Euro/tCO2. 2016) Durch die freie Zuteilung im EU-ETS und die Kompen- sation von Unternehmen bestimmter Branchen im Unter der Annahme, dass der Erdgasverbrauch im Ge- BEHG sowie durch Entlastungen bei der Energie- bäudesektor im Jahr 2021 dem durchschnittlichen steuer für Unternehmen des produzierenden Gewer- Erdgasverbrauch in den Jahren 2010 bis 2019 ent- bes und der Land- und Forstwirtschaft ist jedoch nicht spricht, ergeben sich damit im Jahr 2021 Klimakosten der gesamte Einsatz von Erdgas für Raumwärme und in Höhe von rund 18 bis 21 Mrd. Euro. Wie in Abbildung Warmwasser mit CO2-Preis und Energiesteuer belas- 7 dargestellt wird, entstehen durch die Nutzung von tet. Erdgas im Gebäudesektor verbrennungsbedingt Kli- makosten in Höhe von rund 17,2 Mrd. Euro (durch CO2). Ohne Berücksichtigung dieser Subventionen und wei- Durch freiwerdendes Methan entstehen im Jahr 2021 terer Förderungen wie z.B. für KWK-Anlagen (siehe zusätzliche Klimakosten zwischen rund 0,9 und 4 Mrd. dazu Kapitel 4.1.3) ergibt sich für das Jahr 2021 eine Euro. Summe an internalisierten Kosten in Höhe von ca. 55 Euro/t CO2.9 Bezogen auf die durch die Nutzung von Abbildung 7: Klimakosten durch die Nutzung von Erdgas im Gebäudesektor freiwerdenden CO2- und Erdgas im Gebäudesektor im Jahr Methanemissionen ergeben sich bereits internalisierte 2021 in Mrd. Euro Kosten zwischen rund 5 Mrd. und 5,9 Mrd. Euro für das Jahr 2021. 2.3 Internalisierungslücke Im Jahr 2021 betragen die Klimakosten laut UBA Me- thodenkonvention 197 Euro/t CO2. Rund 55 Euro/t 0 10 20 CO2 dieser Kosten werden über BEHG und die Ener- Klimakosten im Jahr 2021 in Mrd. Euro giesteuer bereits internalisiert. Daraus ergeben sich CO2 CH4-Minimum CH4-Spannbreite nicht-internalisierte Kosten in Höhe von 142 Euro/t CO2. Diese sind als gesellschaftliche Klimakosten zu sehen, die von der Allgemeinheit getragen werden Quelle: eigene Berechnungen auf Grundlage von (UBA 2020a).8 müssen, da sie nicht von den Verursachern getragen werden. Bezogen auf die Erdgasnutzung im Gebäude- 8 9 Allerdings wurde für die Berechnung der Klimakosten von Die teilweise stattfindende Internalisierung der Klimakos- Methan der GWP-Faktor von 86 zugrunde gelegt. ten der Fernwärme durch den EU-ETS wird hierbei nicht berücksichtigt. Forum Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft e.V. • Green Budget Germany
Was Erdgas wirklich kostet • Seite 11 von 35 sektor ergeben sich in Summe nicht-internalisierte Kli- makosten zwischen 13 und 15,2 Mrd. Euro für das Jahr 2021. Knapp 75% der durch die Nutzung von Erdgas im Ge- bäudesektor entstehenden Klimakosten sind damit bisher noch nicht eingepreist. Die nicht-internalisierten Klimakosten der Erdgasnut- zung im Wärmesektor entsprechen 2021 rund 3 bis 3,5 ct/kWh.10 Diese Kosten sind im Preis für Erdgas nicht enthalten. Die internalisierten Klimakosten betragen dagegen nur rund 1,1 bis 1,3 ct/kWh. Würden die bisher nicht eingepreisten Kosten mit angerechnet, würde der durchschnittliche Gaspreis für Haushaltskunden (Ein-Familienhaus) von etwa 6,1 ct/kWh (BDEW 2021b) auf 9,1 bis 9,6 ct/kWh ansteigen. Der „echte“ Preis für Erdgas fällt daher um rund 50% höher aus als der Gaspreis, der heute durchschnittlich gezahlt wird (siehe Abbildung 8). Abbildung 8: "Echte" Gaspreise inkl. nicht- internalisierter Klimakosten 10 9 nicht-internalisierte 8 Klimakosten 7 6 internalisierte in ct/kWh Klimakosten 5 4 3 durchschnittlicher Gaspreis (ohne 2 bereits 1 internalisierte Klimakosten) 0 Min Max Quelle: eigene Berechnungen Durch bestehende Subventionen für die Erdgasförde- rung und -nutzung (vgl. vorhergehendes Kapitel) steigt die Internalisierungslücke noch weiter an, so dass die hier ermittelten, nicht-internalisierten Klima- kosten eine konservative Schätzung darstellen. 10 Unter der Annahme, dass 2021 so viel Erdgas im Gebäude- sektor genutzt wird wie durchschnittlich in den Jah- ren 2010 bis 2019. Forum Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft e.V. • Green Budget Germany
Was Erdgas wirklich kostet • Seite 12 von 35 3 Technisches Potenzial in 2050. Dies geht darauf zurück, dass bei einem bis 2050 stark reduzierten Nutzwärmeverbrauch auch die erneuerbarer Wärme absoluten technischen Potenziale sinken. Die De- Erneuerbare Wärme hat das Potenzial, Erdgas im Ge- ckungsanteile der erneuerbaren Technologien am ge- bäudesektor künftig zu ersetzen. Entscheidend dafür samten, kleiner werdenden Endenergieverbrauch für ist aber, neben der Hebung der Potenziale erneuerba- Wärme steigen aber noch immer an (Institut für Ener- rer Wärmetechnologien, die Senkung des künftigen gie- und Umweltforschung Heidelberg gGmbH/Ham- Wärmebedarfs (und damit der Erfolg von Effizienz- burg Institut Research gGmbH 2020). maßnahmen im Gebäudebereich). Die Agentur für Er- Die Nutzung der unterschiedlichen Technologien neuerbare Energien e.V. (2016) geht davon aus, dass bringt verschiedene Vor- und Nachteile mit sich, wel- das Einsparpotenzial im Bereich Raumwärme und che im Folgenden diskutiert werden. Dabei wird auch Warmwasser langfristig bei 51% gegenüber dem Status auf die Wirtschaftlichkeit der betrachteten Technolo- Quo (bezogen auf das Jahr 2015) liegt. Bis zum Jahr gien unter den derzeitigen Rahmenbedingungen ein- 2050 könnte der Endenergiebedarf für Raumwärme gegangen. und Warmwasser daher bis auf 390 TWh pro Jahr ge- senkt werden (Agentur für Erneuerbare Energien e.V. 2016). 2018 lag der Endenergieverbrauch für Raum- 3.1 Solarthermie wärme und Warmwasser bei ca. 757 TWh (BMWi Solarthermische Anlagen wandeln die Sonnenenergie 2020a). Prognos (2020) prognostizieren einen End- mittels Solarabsorbern oder -kollektoren in nutzbare energieverbrauch für Raumwärme von 636 TWh in Wärme um. Auf den meisten Gebäudedächern lassen 2025 und 582 TWh in 2030. Der Endenergieverbrauch sich solarthermische Anlagen installieren. Eine Installa- für Warmwasser bleibt auf einem stetig niedrigen Ni- tion ist jedoch nur sinnvoll, wenn die Dächer über aus- veau. reichend Fläche verfügen und nicht im Schatten liegen Dieses Kapitel zeigt die technischen Potenziale von (BUND 2013). Solarthermie, Biomasse und Geothermie sowie von Bislang deckt Solarthermie nur rund 0,7% des End- Umweltwärme (inklusive der industriellen Abwärme- energieverbrauch für Wärme11 in Deutschland ab. Wie nutzung) auf. Dabei werden die im Gebäudebereich Abbildung 9 zeigt waren im Jahr 2019 rund 19,3 Mio. m2 relevanten strombasierten Anwendungen (insbeson- an solarthermischen Anlagen installiert. Die Installation dere Wärmepumpen) miteinbezogen. Das technische neuer Anlagen ist jedoch seit einigen Jahren rückläufig Potenzial stellt den Anteil des theoretisch nutzbaren und betrug zuletzt jährlich rund 0,5 Mio. m2 (BMWi Potenzials dar, der durch bereits bekannte Technolo- 2020b). Insgesamt lag die kumulierte Leistung solar- gien erschlossen werden kann. Energiewirtschaftliche thermischer Anlagen in Deutschland im Jahr 2019 bei und -politische Rahmenbedingungen werden in der rund 13,5 GW. Damit konnten im Jahr 2019 rund 8,5 Bestimmung des technischen Potenzials nicht berück- TWh an Solarwärme gewonnen werden (BMWi sichtigt (Institut für Energie- und Umweltforschung 2020b). Die meisten Solarthermie-Anlagen findet man Heidelberg gGmbH/Hamburg Institut Research dabei auf Wohndächern, wo sie überwiegend zur Er- gGmbH 2020). Es wird außerdem davon ausgegan- wärmung von Warmwasser genutzt werden gen, dass einige der Potenziale in 2030 größer sind als (Greenpeace 2015). 11 Neben Raumwärme und Warmwasser ist hier auch der En- denergieverbrauch für Prozesswärme, Klimakälte und Prozesskälte berücksichtigt. Forum Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft e.V. • Green Budget Germany
Was Erdgas wirklich kostet • Seite 13 von 35 Abbildung 9: Zubau und Bestand von solarthermischen Anlagen Quelle: (BMWi 2020b) Wärmespeicher arbeiten. In Dänemark ist dieses Kon- Sehr ertragreich – jedoch abhängig von Sonnenein- zept bereits sehr erfolgreich (Greenpeace 2015). strahlung Verglichen mit anderen Formen der Sonnenenergie ist Potenzial: 151 bis 198 TWh jährlich der Ertrag der Solarwärme besonders hoch. 40 bis 60% Eine umfassende Analyse des technischen solarther- der Sonnenenergie kann in nutzbare Wärme umge- mischen Potenzials für Gebäude mit einer Wohnein- wandelt werden (BUND 2013). Damit kann mit Solar- heit ergab, dass Solarthermie bereits ohne weitere thermie pro Quadratmeter etwa 60 mal so viel Wärme Maßnahmen 15 bis 25% des fossilen Endenergieeinsat- erzeugt werden als durch den Anbau von Biomasse zes für Wärme ersetzen kann (Wüstenrot Stiftung (Greenpeace 2015). 2014). Werden zusätzlich Maßnahmen zur Optimie- Eine Kilowattstunde Solarwärme kostet je nach Anla- rung der Gebäudehülle (Fenster, Fassade, Dach) oder gentyp zwischen 10 und 15 ct. In großflächigen Solar- Belüftung getroffen, liegen die Potenziale noch höher thermie-Anlagen, wie sie derzeit bereits in Dänemark (Forschungsstelle für Energiewirtschaft e.V. 2018). betrieben werden, liegen die Gestehungskosten mit 5 In einer Metaanalyse untersuchen das Institut für Ener- bis 8 ct/kWh noch deutlich niedriger (BUND 2013; SO- gie- und Umweltforschung Heidelberg sowie das LID u. a. 2018). Hamburg Institut Research für die Bundesregierung Solarthermische Anlagen produzieren im Sommer bei das technische Potenzial von Solarthermie in den Jah- hoher Sonneneinstrahlung deutlich mehr Solarwärme ren 2030 und 2050 auf Basis verschiedener Studien als bei niedriger Solarstrahlung im Winter. 50% des (Institut für Energie- und Umweltforschung Heidel- jährlichen Heizbedarfes fallen jedoch in den Winter- berg gGmbH/Hamburg Institut Research gGmbH monaten Dezember bis Februar an. Daher reicht die 2020). Die Potenziale werden dabei getrennt für Solarthermie als alleinige Wärmequelle nicht aus Wärme- und Kälteerzeugung aus der dezentralen (Deutsche Umwelthilfe 2020b). Nutzung im Gebäudebestand 12 sowie aus Großflä- Um eine ausreichende Wärmeversorgung sicherzu- chensolarthermie-Anlagen aufgeführt. Die Meta-Ana- stellen ist zusätzlich ein großer Wärmespeicher oder lyse kommt zu dem Ergebnis, dass das technische Po- eine zusätzliche Heizquelle notwendig. Dezentral ist tenzial der dezentralen Solarthermie-Anlagen im Jahr dies durch eine Kombination mit großen Warmwasser- 2030 bei jährlich rund 98-120 TWh bzw. im Jahr 2050 tanks oder effizienten Wärmepumpen möglich. Aller- (aufgrund eines geringeren Wärmeverbrauchs) bei dings könnte die durch Solarthermie gewonnene jährlich rund 73-108 TWh liegen wird. Das technische Wärme auch in Wärmenetze eingespeist werden, die Potenzial für die Fernwärme-Versorgung aus zentraler mit niedrigen Temperaturen und einem saisonalen Solarthermie liegt dagegen voraussichtlich bei jährlich 78 TWh sowohl im Jahr 2030 als auch im Jahr 2050 12 Neben Solarthermie wird hier auch Photovoltaik berück- sichtigt, die zur Wärmeerzeugung eingesetzt wird. Forum Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft e.V. • Green Budget Germany
Was Erdgas wirklich kostet • Seite 14 von 35 (siehe Abbildung 10). In der Summe ergibt sich daraus riesektor spielt zudem die Verwendung von Klär- ein Potenzial von 176 bis 198 TWh im Jahr 2030 und schlamm eine relevante Rolle. Zusätzlich konnten im von 151 bis 186 TWh im Jahr 2050. Jahr 2019 rund 21,3 TWh des Energieverbrauchs durch Im Vergleich zur heute genutzten Wärmeenergie aus Energie aus flüssiger und gasförmiger Biomasse ge- Solarthermie zeigt sich ein deutliches Potenzial für deckt werden (BMWi 2020b). eine stärkere Nutzung. Die Wärmegestehungskosten aus Biomasse unter- scheiden sich stark – je nach Konversionstechnologie. Abbildung 10: Technisches Potenzial von Einer Analyse von Deutsches Biomasseforschungs- Solarthermie in den Jahren 2030 zentrum gemeinnützige GmbH/Helmoltz-Zentrum für und 2050 im Vergleich zum Status Umweltforschung GmbH (2019) zufolge liegen diese Quo zwischen 11,6 und 32,6 ct/kWh (im Jahr 2020). 140 Flexibel nutzbar – aber nur begrenzt verfügbar und 120 mit hohem Flächenverbrauch verbunden 100 Biomasse hat gegenüber anderen Technologien wie der Solarthermie den Vorteil, dass die Energie bereits 80 in TWh in speicherbarer Form zur Verfügung steht. Daher ist 60 Biomasse ganzjährlich – auch im Winter – nutzbar und nicht auf externe Speicher angewiesen (Deutsche 40 Umwelthilfe 2020b). 20 Allerdings ist die Nutzung von Biomasse mit einem ver- gleichsweise hohem Flächenverbrauch und teilweise 0 negativen Auswirkungen auf die Umwelt verbunden Großflächensolarthermie Großflächensolarthermie dezentrale Solarthermie dezentrale Solarthermie (Stiftung Umweltenergierecht 2015). Die Menge an Bi- omasse, welche nachhaltig verwendet werden kann, ist zudem begrenzt. Gleichzeitig konkurriert die Nutzung von Biomasse zur Wärmeerzeugung auch mit anderen Verwendungs- möglichkeiten. Die Landflächen, auf denen Biomasse angebaut wird, können alternativ zur Nahrungs- und Status 2030 2030 2050 2050 Futtermittelproduktion verwendet werden. Zudem Quo wird Biomasse in Deutschland auch stofflich vielseitig 2019 (u.a. in der Säge- und Holzwerkstoffindustrie, Papier- Mindestpotenzial zusätzliches Potenzial und Zellstoffindustrie und chemischen Industrie), als Kraftstoff genutzt (UBA 2013). Das zur energetischen Quelle: eigene Darstellung auf Grundlage von (BMWi 2020b; Institut für Energie- und Umweltforschung Heidelberg gGmbH/Hamburg Nutzung verfügbare Biomassenpotenzial ist daher be- Institut Research gGmbH 2020) grenzt und muss möglichst effizient eingesetzt werden. 3.2 Biomasse Potenzial: 16 bis 187 TWh jährlich Biomasse liefert bisher den größten Teil der Wärme- Aufgrund der Nutzungskonkurrenz der Biomasse ist versorgung aus erneuerbaren Energien. 12,8% des En- die Bestimmung des technischen Potenzials für den denergieverbrauchs für Wärme13 (d.h. 155,1 TWh) wur- Wärmesektor nur unter Verwendung bestimmter Kri- den im Jahr 2019 durch Biomasse abgedeckt (BMWi terien möglich. Das Institut für Energie- und Umwelt- 2020b). forschung Heidelberg und das Hamburg Institut Rese- arch weisen daher in ihrer Metaanalyse lediglich das Rund 133,8 TWh wurden dabei allein aus biogenen wirtschaftliche Potenzial für Wärme aus Biomasse aus. Festbrennstoffen gewonnen.14 Bei der Nutzung in pri- Importierte Biomasse ist dabei nicht berücksichtigt, da vaten Haushalten wird insbesondere Holz, einschließ- Biomasseimporte aus Nachhaltigkeitsgründen sehr lich Holzpellets und Holzkohle, verwendet. Im Indust- 13 14 Neben Raumwärme und Warmwasser ist hier auch der En- Inkl. des biogenen Anteils des Abfalls, Klärschlamm und denergieverbrauch für Prozesswärme, Klimakälte Holzkohle. und Prozesskälte berücksichtigt. Forum Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft e.V. • Green Budget Germany
Was Erdgas wirklich kostet • Seite 15 von 35 umstritten sind und sich zudem auf das nationale Po- nach Tiefe unterscheidet sich die Temperatur der ge- tenzial konzentriert wird (Institut für Energie- und Um- wonnenen Wärme. Die Umweltwärme wird dagegen weltforschung Heidelberg gGmbH/Hamburg Institut direkt aus der Umgebungsluft bzw. aus Oberflächen- Research gGmbH 2020). gewässern gewonnen. Wie Abbildung 11 zeigt, unterscheiden sich die Progno- sen über das wirtschaftliche Potenzial von Wärme aus 3.3.1 Oberflächennahe Geothermie Biomasse teilweise stark. Die Bandbreite für das Jahr 2030 reicht von 60 bis 185 TWh. Im Jahr 2050 sinkt das Oberflächennahe Geothermie reicht bis 400 m Tiefe Potenzial auf 16 TWh bis 187 TWh (Institut für Energie- und ist fast überall möglich. Häufig wird die oberflä- und Umweltforschung Heidelberg gGmbH/Hamburg chennahe Geothermie der Umweltwärme zugerech- Institut Research gGmbH 2020)15. net. Diese beschreibt allgemein die Gewinnung von Wärme aus Außenluft und Oberflächenwasser Im Ergebnis zeigt sich, dass das Potenzial der Bio- (Deutsche Umwelthilfe 2020b). Hauptsächlich wer- masse zur Wärmeversorgung schon weitgehend aus- den hierbei sogenannte Sole-Wasser-Wärmepumpen geschöpft ist und im Vergleich zum Status Quo daher genutzt. Andere Formen der Wärmenutzung wie etwa mit keiner weiteren relevanten Steigerung des Poten- Wasser-Wasser-Wärmepumpen, Wärmepfähle oder zials zu rechnen ist. Erdwämekollektoren werden weniger genutzt (Institut Es muss darüber hinaus beachtet werden, dass einige für Energie- und Umweltforschung Heidelberg Formen der Biomasse wie Klärschlamm und Biogas gGmbH/Hamburg Institut Research gGmbH 2020). In ebenfalls Methan enthalten und daher Methanemissi- der Regel werden die Wärmepumpen mit Strom be- onen verursachen können. trieben. Inwiefern die Wärme aus Wärmepumpen tat- Abbildung 11: Wirtschaftliches Potenzial von sächlich aus erneuerbaren Energien stammt, ist daher Biomasse in den Jahren 2030 und vom Strommix abhängig. 2050 im Vergleich zum Status Quo Rund 14,7 TWh des Endenergieverbrauchs für Wärme stammte im Jahr 2019 aus oberflächennaher Geother- mie bzw. Umweltwärme. Dies machte einen Anteil von 200 rund 1,2% des Endenergieverbrauchs für Wärme16 aus 150 (BMWi 2020b). In den letzten Jahren ist die Bereitstel- in TWh 100 lung von Wärme aus Geothermie deutlich angestiegen. 50 Dies geht insbesondere auf die zunehmende Installa- 0 tion von elektrischen Heizungswärmepumpen zurück. Biomasse Biomasse Im Jahr 2019 waren insgesamt 1,2 Mio. Wärmepumpen Status Quo 2030 2050 in Deutschland mit einer thermischen Leistung von 11,2 2019 GW installiert (BMWi 2020b). Mindestpotenzial zusätliches Potenzial In fast 20% der Neubauten in Deutschland werden Quelle: eigene Darstellung auf Grundlage von (BMWi 2020b; Institut Erdwärme-Heizsysteme installiert. Technisch und wirt- für Energie- und Umweltforschung Heidelberg gGmbH/Hamburg schaftlich ist die oberflächennahe Geothermie vor al- Institut Research gGmbH 2020) lem zum Heizen und Kühlen von Niedrig- und Passiv- hausbauten geeignet. Ein großes Erweiterungspoten- 3.3 Geothermie und Umweltwärme zial der Nutzung oberflächennaher Geothermie liegt derzeit noch bei Bestandsbauten (Bundesverband Bei der Geothermie wird zwischen oberflächennaher Geothermie 2020). Geothermie und Tiefengeothermie unterschieden. Je 15 In diesen Szenarien sind auch Deponie-, Klärgas- und Bio- 65 TWh angegeben (Institut für Energie- und Um- gaspotenziale enthalten. In wenigen Studien wird das weltforschung Heidelberg gGmbH/Hamburg Institut Potenzial für Wärme aus gasförmiger Biomasse se- Research gGmbH 2020). parat ausgewiesen. In der Analyse wird ein geringes 16 Neben Raumwärme und Warmwasser ist hier auch der En- wirtschaftliches Potenzial von Klärgas in Höhe von 3 denergieverbrauch für Prozesswärme, Klimakälte TWh im Jahr 2030 und für Biogas in Höhe von 0 bis und Prozesskälte berücksichtigt. Forum Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft e.V. • Green Budget Germany
Abbildung 12: Entwicklung des Wärmepumpenbestands Quelle: (BMWi 2020b) Wärmeverbrauchs mit einem Potenzial von 233 bis Die Wärmegestehungskosten durch Wärmepumpen 594 TWh zu rechnen. sind aufgrund höherer Investitionskosten relativ hoch. Die Spannbreite fällt bei der Prognose des technischen Zudem wird Strom in Deutschland mit höheren Steu- Potenzials von dezentralen Wärmepumpen (Sole- ern und Abgaben belastet als Erdgas (und auch Heizöl). Wasser-Wärmepumpen) deutlich geringer aus (207- Je nach Art, Größe und Standort der Pumpe liegen die 244 TWh in 2030) als dies bei zentralen Wärmepum- Wärmegestehungskosten bei 15 bis 20 Ct/kWh pen der Fall ist (82-408 TWh in 2030). Der Grund dafür (Bundesverband der Deutschen Gießerei-Indust- ist, dass bei der Ermittlung des Potenzials zentraler rie/IfG 2014; Centrales Agrar-Rohstoff Marketing- und Wärmepumpen u.a. das zukünftige Potenzial von Nah- Energie-Netzwerk 2019). Derzeit liegen die Mehrkos- wärmenetzen sowie die Flächenverfügbarkeit ent- ten der Wärmegestehungskosten durch Wärmepum- scheidend sein werden (Institut für Energie- und Um- pen bei knapp 4 Ct/kWh (Gasheizung mit Brennwert- weltforschung Heidelberg gGmbH/Hamburg Institut technik) (FÖS/Energy Brainpool 2019). Bei Fraunhofer Research gGmbH 2020). ISI et al. (2020) liegt die Kostendifferenz im Vergleich zur Brennwerttechnik sogar bei 5,3 Ct/kWh. Berück- Abbildung 13: Technisches Potenzial von sichtigt man die Effizienz der Wärmepumpen, liegen Oberflächennaher Geothermie in die effektiven Energiekosten von Wärmepumpen je- 2030/2050 im Vergleich zu 201917 doch auf oder unter dem Niveau von Erdgas und Heizöl. 700 Bei einem relativ geringen Wärmebedarf benötigen 600 elektrische Wärmepumpen nur ca. ein Fünftel bis ein 500 Drittel der Strommenge, die eine Stromheizung benö- in TWh 400 tigt. Sie ermöglichen dadurch eine sehr effiziente 300 Stromnutzung (Agentur für Erneuerbare Energien e.V. 200 2016). 100 0 Potenzial: 233 bis 652 TWh jährlich Status Quo 2030 2050 2019 Das technische Potenzial für oberflächennahe Ge- othermie wird in verschiedenen Studien für das Jahr Mindestpotenzial zusätzliches Potenzial 2030 auf 289 bis 652 TWh jährlich prognostiziert. Im Quelle: eigene Darstellung auf Grundlage von (BMWi 2020b; Institut Jahr 2050 ist dagegen aufgrund der Reduktion des für Energie- und Umweltforschung Heidelberg gGmbH/Hamburg Institut Research gGmbH 2020) 17 Im Status Quo wird hier die Summe der Wärmeerzeugung aus Oberflächen-Geothermie und Umweltwärme dargestellt. Forum Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft e.V. • Green Budget Germany
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