Zeitfenster aufsperren - Offener Brief der GEW Betriebsgruppe der Grundschule Eenstock - GEW Hamburg

 
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Zeitfenster aufsperren - Offener Brief der GEW Betriebsgruppe der Grundschule Eenstock - GEW Hamburg
CORONA +++ Protest und Widerstand aus den GEW-Betriebsgruppen +++ Lernen pandemiekonform

    Zeitfenster aufsperren
    Offener Brief der GEW Betriebsgruppe der Grundschule Eenstock

       Wir, die GEW Betriebsgrup-       ken getragen werden, sind alle
    pe der Grundschule Eenstock,        im Raum gefährdet. Dieser Zu-
    schließen uns den zahlreichen       stand ist nicht tolerierbar, zumal
    offenen Briefen der GEW Be-         eine Infektion mit Covid19 in
    triebsgruppen Hamburger Schu-       der Schule nicht einmal als Be-
    len und deren Forderungen an.       rufserkrankung angesehen wird.
       Wir sorgen uns, wie alle Lehr-   Es ist unerträglich, dass unser
    kräfte, um unsere Schülerinnen      Dienstherr seit einem Jahr fahr-
    und Schüler. Es ist für viele Fa-   lässig mit unserer Gesundheit
    milien nicht leicht, den Spagat     umgeht. Das Öffnen der Fenster,      parent. Deren verständlicher
    zwischen Beruf, Distanzunter-       freiwillige (jetzt verpflichtende)   Unmut wird an uns Lehrkräfte
    richt und Familienleben zu be-      Selbsttests, CO2 Geräte und die      herangetragen.
    wältigen.                           AHA Regel sind die einzigen            Unser tägliches Arbeitsfeld,
       Aber auch unsere Gesundheit      Maßnahmen, die eine „sichere         mit dem wir uns konfrontiert se-
    steht für uns im Fokus. Wir Lehr-   Schule“ suggerieren sollen. Wir      hen, sieht folgendermaßen aus:
    kräfte gehören z.T. selbst einer    fühlen uns nicht geschützt! Der      Wechselunterricht, Kinder und
    Corona-Risikogruppe an oder         Gesundheitsschutz am Arbeits-        Lehrpersonal in Quarantäne,
    wohnen mit Menschen aus Risi-       platz Schule ist nicht gewähr-       Notbetreuung und Kinder, die
    kogruppen zusammen. Mit gro-        leistet, die Fürsorgepflicht wird    Gebrauch vom Aussetzen der
    ßer Sorge beobachten wir, dass      nicht umgesetzt.                     Schulpflicht machen sowie Vi-
    dieser Aspekt nur eine unterge-                                          deokonferenzen für diese. Diese
    ordnete Rolle bei der Wieder-                                            immensen zusätzlichen Heraus-
    aufnahme des Wechsel-/Präsenz-                 Bieten Sie                forderungen gehen zulasten un-
    unterrichts zu spielen scheint.        schnellstmögliche und             serer Lehrergesundheit, die auch
    Der Wechselunterricht begann,        ausreichende Impftermine            zu pandemiefreien Zeiten ge-
    ohne dass wir zuvor geimpft                                              fährdet ist. Dennoch versuchen
    wurden. Immerhin laufen die            für alle Lehrkräfte und           wir den Schulbetrieb gegen alle
    Erstimpfungen jetzt an. Die uns          wertschätzen Sie die            Widrigkeiten aufrechtzuerhalten.
    zur Verfügung gestellten FFP2       immensen Anstrengungen,              Unsere Schüler_innen liegen uns
    Masken wurden ausgerechnet zu           die Ihr Schulpersonal            am Herzen. Wir arbeiten gern
    Beginn der Selbsttestungen der           seit über einem Jahr            und mit hohem Engagement in
    Kinder für schadhaft befunden                                            unserem Beruf. Doch allmählich
    und mussten – bisher ersatzlos –        leistet, um schulische           wachsen uns die Belastungen
    entsorgt werden. Eine Entschul-      Bildung bestmöglich auch            über den Kopf.
    digung, die ein wertschätzendes       während der Pandemie                 Wir appellieren an unseren
    Zeichen gesetzt hätte, vermissen          aufrechtzuerhalten             Dienstherrn: Nehmen Sie un-
    wir bis heute. Leider werden                                             sere Gesundheit endlich ernst,
    Kinder mit viel zu großen oder                                           und versorgen Sie die Schulen
    schon vielfach getragenen Ein-         In den B-Briefen überschla-       umgehend mit effektiven Siche-
    malmasken oder gar mit Symp-        gen sich die Dienstanweisungen.      rungsmaßnahmen, wie z.B. mit
    tomen in die Schule geschickt.      Das Zeitfenster zur Umsetzung        Luftfiltern. Bieten Sie schnellst-
    Diesen Umständen sind wir ohne      ist derart eng, dass immenser        mögliche und ausreichende
    wirksamen Schutz ausgeliefert.      Stress für das Personal vorpro-      Impftermine für alle Lehrkräfte
       Wir unterweisen seit zwei Wo-    grammiert ist. Schulleitungen,       und wertschätzen Sie die im-
    chen die Kinder in der Durchfüh-    Lehrkräfte und pädagogisches         mensen Anstrengungen, die Ihr
    rung der Selbsttests, besonders     Personal müssen seit Beginn          Schulpersonal seit über einem
    die Erstklässler benötigen viel     der Pandemie ständig neue An-        Jahr leistet, um schulische Bil-
    Hilfe. Niesanfälle durch die Wat-   weisungen, Ideen, Regelungen         dung bestmöglich auch während
    testäbchen kommen vor. Da na-       adhoc umsetzen. Für die Eltern-      der Pandemie aufrechtzuerhal-
    türlich beim Testen keine Mas-      schaft sind diese wenig trans-       ten. Es hilft nicht, hohe Summen

   8                                                                     hlz – Zeitschrift der GEW Hamburg 3-4/2021
Zeitfenster aufsperren - Offener Brief der GEW Betriebsgruppe der Grundschule Eenstock - GEW Hamburg
m gestalten +++ Infektionsketten unterbrechen +++ Hybrid als Lösung +++ Gesundheit ernst nehmen

       an Nachhilfe für Schüler_innen            Trotz all der Widrigkeiten                                         fordern umgehend ein Konzept,
       bereitzustellen, während wir            sollen die Kinder am Ende des                                        das den Kindern einen bestmög-
       seit einem Jahr durch fehlende          Schuljahres ein Zeugnis bekom-                                       lichen Lernzuwachs im Präsenz-
       Sicherheitskonzepte daran ge-           men, als stünde das Schuljahr                                        unterricht/Wechselunterricht
       hindert werden, den hohen Qua-          nicht seit Beginn unter dem                                          ermöglicht, ohne dass die Ge-
       litätsstandard unseres täglichen        Zeichen der Pandemie. Wie sol-                                       sundheit von uns Lehrkräften
       Unterrichts zu halten. Die zu-          len wir guten Gewissens den                                          und auch von den Kindern weiter
       sätzliche zeitliche Komponente          Lernstand in das übliche Raster                                      grob fahrlässig aufs Spiel gesetzt
       durch zwei Testungen pro Kind           pressen?                                                             wird!
       durch das Lehrpersonal geht zu-           Die nächste bedrohliche Wel-                                             Gez.: GEW Betriebsgruppe der
       lasten des Unterrichts.                 le hat bereits begonnen. Wir                                                GRUNDSCHULE EENSTOCK

       „Präsenz? Nur geimpft!“
       Über Tausend Bildungsbeschäftigte bei Unterschriftenaktion dabei
          Die GEW Hamburg hat                                                       in ihrer Forderung bestärkt.    Impfangebote für alle Erziehe-
                                                Bild: Andreas Morlok / pixelio.de

       eine Unterschriftenaktion                                                       „Wir fordern weiterhin,      rinnen und Erzieher, die in Kitas
       „Präsenz? Nur geimpft!“                                                      Schulen und Kitas bei einer     oder Schulen arbeiten sowie für
       gestartet und innerhalb                                                      Inzidenz ab 100 zu schließen.   Lehrkräfte und Schulbeschäftig-
       weniger Tage über 1000                                                       Außerdem muss jetzt geimpft     te, die in Präsenz- und Wechsel-
       Unterschriften von Bil-                                                      werden! Bis heute sind ge-      unterricht arbeiten, gelten. Jetzt
       dungsbeschäftigten erhal-                                                    impfte Lehrkräfte, Erziehe-     alles auf die Karte Impfen zu
       ten, die diese Forderung                                                     rinnen und Erzieher aber die    setzen, ist die richtige Strategie,
       teilen. Bei dieser Aktion                                                    Ausnahme. Die Folge: Lehr-      da dies die beste und wirksams-
       ging es nicht um eine                                                        kräfte sowie Erzieherinnen      te Gesundheitsschutzmaßnahme
       Impfpflicht, sondern um                                                      und Erzieher gehören zu den     ist“, kommentiert Anja Ben-
       ein Anrecht darauf, ge-                                                      Berufsgruppen, die am stärks-   singer-Stolze, Vorsitzende der
       impft zu werden, wenn                                                        ten von Corona-Erkrankun-       GEW Hamburg.
       präsent unterrichtet wird.                                                   gen betroffen sind.                      Presseerklärung vom 1.4.21
       Die GEW sieht sich daher                                                        Wir erwarten, dass die

       Keine Sonderrolle
       Einen Gesundheitsschutz zweiter Klasse darf es für
       Vorschullehrkräfte nicht geben!
          Die Senatsbeschlüsse der zu-         1-4, im bisherigen Status ver-                                       und Maskenpflicht sehr beunru-
       sätzlichen Maßnahmen sehen              bleiben sollen. Das heißt, dass                                      higt und fühlen sich vom Arbeit-
       für Kitas die Rückkehr zur er-          davon auszugehen ist, dass in der                                    geber im Regen stehen gelassen.
       weiterten Notbetreuung vor und          Vorschule weiterhin Wechsel-                                         Das hat die GEW der Behörde
       für Schulen die Testpflicht der         unterricht erteilt wird und eine                                     gegenüber deutlich kommuni-
       Schülerinnen und Schüler bei            Masken- und Testpflicht derzeit                                      ziert. Wir fordern die Behörde
       Präsenzunterricht. Was das für          für die Kinder in der VSK nicht                                      auf, das schnell zu korrigieren.
       Vorschullehrkräfte an den Ham-          besteht.                                                             Einen Gesundheitsschutz zwei-
       burger Grundschulen bedeutet,              „Die GEW reagiert mit star-                                       ter Klasse darf es für Vorschul-
       konnte die GEW auf Nachfrage            kem Unverständnis darauf, dass                                       lehrkräfte nicht geben!“, kom-
       in der Schulbehörde klären: Die         die Vorschulklassen nach wie vor                                     mentiert Anja Bensinger-Stolze,
       BSB informierte darüber, dass           von der Testpflicht ausgenom-                                        Vorsitzende der GEW Hamburg.
       die Vorschulklassen bis auf Wei-        men werden. Viele Beschäftigte                                                Presseerklärung vom 6.4.21
       teres, so wie die Jahrgangsstufen       sind wegen der fehlenden Test-

       hlz – Zeitschrift der GEW Hamburg 3-4/2021                                                                                                     9
Zeitfenster aufsperren - Offener Brief der GEW Betriebsgruppe der Grundschule Eenstock - GEW Hamburg
CORONA +++ Protest und Widerstand aus den GEW-Betriebsgruppen +++ Lernen pandemiekonform

    Von Depression bis Schulangst
    Reaktionen von Kolleg_innen auf Fragen, die die hlz-Redaktion stellte

      hlz: Mit welchem Wert auf ei-            und Gesundheitsschutz laufen          ter Linie geht, ggf. eben auch
    ner Skala von 1-10 bewertest du            unter „kann man machen“. Es ist       gegen die Behördenvorgaben?
    deine Arbeitsbelastung in Ver-             schade, wenn sich SL sehr an der      Mit Partizipation z.B. in Sachen
    bindung mit der übrigen verän-             Behörde orientiert, denn dann         Ausstattung? Mit Fragen an die
    derten Lebenssituation?                    hat Gesundheitsschutz eben            Basis: Was kann klappen, was
                                               nicht die höchste Priorität. Wir      nicht? Mit Einbezug der schuli-
      Charlie1: Das ist meistens               wollen alle unterrichten, auch in     schen Gremien?
    eine 8, manchmal eine 11.                  Präsenz, aber wir wollen dabei
                                               nicht das Leben unserer Ange-            hlz: Inwieweit sind die Vor-
      hlz: Beschreib mal der Rei-              hörigen, unsere eigene Gesund-        gaben, Anweisungen und Richt-
    he nach, wie diese Belastungen             heit und die der Schüler_innen        linien der Behörde hilfreich und
    konkret aussehen?                          gefährden. Wenn es dann keinen        ausreichend?
                                               Konsens mit der SL zu diesem
       Charlie: Über die technischen           Thema gibt, führt das zu erheb-         Charlie: Besonders positiv
    Herausforderungen, die fehlende            lichen Konflikten.                    hervorzuheben ist sicher der
    Ausstattung, das völlig verscho-                                                 Newsletter, den man leider nicht
    bene Berufsbild (s.u.) ist sicher            hlz: Was sollte/könnte die SL       abbestellen kann. Jubelnachrich-
    genug gesagt. Vor allem aber ist           besser machen?                        ten, tendenziöse Fragen an den
    es extrem fordernd, die völlig                                                   Senator („Herr Rabe, warum
    entgrenzte Arbeitszeit mit der               Charlie: Naja, s. o.: Eine SL       läuft es eigentlich gerade so rund
    Zeit fürs eigene                                                                                 an      Hamburgs
    Kind bzw. für die                                                                                Schulen?“) und

                                                                                                  Foto: iStock
    eigene Familie                                                                                   ganz sicher ir-
    zu koordinieren.                                                                                 gendwo auch was
    Wenn dann noch                                                                                   zur Pandemie.
    eine Kita schließt                                                                                  Ansonsten ist
    oder es dort noch                                                                                es immer schön,
    weniger ein Hy-                                                                                  auf den Freitag-
    gienekonzept gibt                                                                                abend zu warten,
    als an der Schu-                                                                                 damit man sich
    le und man das                                                                                   das ganze Wo-
    Kind eine gewis-                                                                                 chenende über die
    se Zeit zu Hause                                                                                 Vorgaben aufre-
    betreuen muss,                                                                                   gen kann, die sich
    während parallel                                                                                 dann montags als
    Fern- oder Hybri-                                                                                nicht umsetzbar
    dunterricht (oder                                                                                erweisen.
    beides) laufen,                                                                                     Und letztlich
    kommt man an                                                                                    haben uns die Ide-
    seine Grenzen.                             muss m.E. eine Entscheidung           en der Behörde ja in die erste
                                               treffen, wem sie sich hauptsäch-      größere Schulschließung im letz-
      hlz: Wie nimmst du die Rolle             lich verpflichtet fühlt. Ist es (A)   ten Herbst geführt, da kann man
    der Schulleitung wahr?                     die BSB? Öffnung der Schu-            noch mal „Danke“ sagen.
                                               len um jeden Preis bzw. zum
       Charlie: Konfus, unvorberei-            möglichst niedrigsten Preis?           hlz: Was könnte besser ge-
    tet. Zum Teil zynisch: Hygiene             Gesundheitsschutz nur als Op-         macht werden?
                                               tion? Wilder Aktionismus am
        1
                                               Freitagabend? Oder ist es (B)           Charlie: Ganz ehrlich? BSB
        Der geschlechtsneutrale Name ist ein
    Pseudonym; der richtige Name ist der Re-   das Kollegium und sind es die         abreißen, neu bauen.
    daktion bekannt                            Schüler_innen, um die es in ers-

   10                                                                            hlz – Zeitschrift der GEW Hamburg 3-4/2021
Zeitfenster aufsperren - Offener Brief der GEW Betriebsgruppe der Grundschule Eenstock - GEW Hamburg
m gestalten +++ Infektionsketten unterbrechen +++ Hybrid als Lösung +++ Gesundheit ernst nehmen

         hlz: Wie kommen die Kolleg_           sind, macht KuK zu schaffen.        darf in der Debatte nicht verges-
       innen deinem Eindruck nach mit          Aus eigener Erfahrung kann ich      sen, dass neben der Schule auch
       der Situation klar?                     von Schlafstörungen, Wut, aber      die meisten anderen sozialen In-
                                               eben auch Resignation berichten.    teraktionsmöglichkeiten aktuell
          Charlie: Das geht von... bis:        Wir können nicht die einzigen       gestrichen sind.
       Ich kenne Kolleg_innen, die re-         sein, die die Pandemie und den         Wichtig ist aber, als Lehrkraft
       signiert haben – denen geht es          Gesundheitsschutz ernst neh-        den Kontakt zu halten, sich zu
       erstmal ganz gut, sie nehmen            men, also zieht man sich emoti-     kümmern, auch um ggf. an die
       alles nicht mehr allzu ernst und        onal raus.                          richtigen Fachstellen zu verwei-
       gucken auf sich und ihre Klas-                                              sen. Man ist viel weniger als
       sen. Es gibt aber auch KuK mit            hlz: Wie kommen die Schüler_      Fachlehrkraft, dafür viel mehr
       erheblichen Gesundheitsproble-          innen deinem Eindruck nach mit      als Bezugsperson und Pädagog_
       men, Leute, die sich das Ganze          der Situation klar?                 in gefragt.
       sehr zu Herzen nehmen und die
       echte psychische Probleme ent-            Charlie:      Unterschiedlich,      hlz: Wie erlebst du die Eltern?
       wickeln. Das geht von Depressi-         klar. Einzelne Fälle von psychi-
       onen bis hin zu Schulangst – das        schen Problemen sind aufgetre-        Charlie: Weitgehend unauf-
       Wissen, dass Hygienekonzepte,           ten bzw. haben sich verschärft,     geregt.
       wenn überhaupt vorhanden und            aber das muss nicht zwingend
       kommuniziert, schon aus bauli-          an Schulschließungen oder der         hlz: Wir danken für die Ant-
       chen Gründen nicht umsetzbar            Situation vor Ort liegen. Man       worten.

       PARTIZIPATION

       Verantwortung übernehmen
       Die Behörde schiebt es auf die Schulleitungen, die handeln
       dann nur im Auftrag – und wer trägt die Verantwortung?
          Es geht bei der Gestaltung des       Sündenbock gibt, während sich       unterschiedlich viel Geld ausge-
       Arbeitsplatzes Schule auch um           aber tatsächlich keine Verbesse-    geben. Aber es ist eben nicht so,
       Haltung. Auftrag und Grundver-          rungen ergeben. Die mit Zeit und    dass alles mit einer guten oder
       ständnis von Pädagog_innen ist          Fachwissen völlig unzureichend      schlechten Schulleitung stehen
       es, zur Entwicklung der Mündig-         ausgestatteten     Schulleitungen   und fallen muss.
       keit von Schüler_innen beizutra-        können der Verantwortung nicht         Vielleicht müssen wir uns
       gen. Man sollte also zumindest          gerecht werden, die BSB kann        einer Grundlage neu bewusst
       aus diesem Grund erwarten kön-          aber weiterhin die Hände in den     werden: Wir führen die Tätig-
       nen, dass auch wir uns im Ar-           Schoß legen. Fürsorge, Arbeits-     keit aus, für die die Schulen da
       beitskontext mündig verhalten.          schutz, letztendlich auch Moral?    sind, während es die Aufgabe
       Mündige Beschäftigte, Kollegi-          Dank strukturalisierter Verant-     der Schulleitungen und Behörde
       en mit Rückgrat, sind in der BSB        wortungsdiffusion kein Thema        ist, uns dazu in die Lage zu ver-
       vor allem deswegen so wichtig,          für die BSB.                        setzen. Die Schulleitungen sind
       weil es an anderer Stelle daran            Aber auch die Beschäftigten      vor Ort die Dienstleistenden, die
       offensichtlich fehlt. Fordert eure      an den Schulen machen es sich       u.a. unseren Arbeitstag struktu-
       Rechte ein. Sorgt z.B. für Ar-          zu leicht, wenn sie auf eine Er-    rieren und für unsere Sicherheit
       beits- und Gesundheitsschutz.           rettung durch die Schulleitungen    bei der Arbeit zu sorgen haben.
          Vielleicht ist es zu verlockend,     hoffen. Zwar wird die LehrArb-      Die Schulleitungen dürfen den
       sich auf die Schulleitungen zu          VO beispielsweise an den Schu-      Kolleg_innen zwar vorgeben, ob
       verlassen. Für die Verantwort-          len unterschiedlich mit Leben       diese in der 9c oder 9d eingesetzt
       lichen in der BSB ist die Über-         gefüllt, gibt es mal angemessene,   sind, haben aber auch dafür zu
       tragung der Verantwortung in            mal unangemessene Reaktionen        sorgen, dass genug Kopierpapier
       Fragen des Arbeits-und Gesund-          auf Krankmeldungen und haben        an den Schulen ist, die Konfe-
       heitsschutzes an Schulleitungen         Schulen auch ganz praktisch         renzzeiten eingehalten werden
       dankbar, weil es immer einen            für die Coronaprävention sehr       und der Arbeitsschutz gewähr-

       hlz – Zeitschrift der GEW Hamburg 3-4/2021                                                                  11
CORONA +++ Protest und Widerstand aus den GEW-Betriebsgruppen +++ Lernen pandemiekonform

    leistet ist. Sie müssen den Rah-     Fragen des Arbeits- und Ge-          schäftigten muss klar sein, dass
    men schaffen.                        sundheitsschutzes von der BSB        die BSB dafür da ist, die Schü-
       Es gibt keinen Anlass für Ob-     offensichtlich als Sündenböcke       ler_innen von der Tätigkeit der
    rigkeitshörigkeit und Hoffnung       installiert sind und die Erfahrung   Pädagog_inn und Therapeut_in-
    auf den rettenden Reiter. Kolle-     zeigt, dass aus der Behörde keine    nen an den Schulen profitieren
    gien, die mündig und rechtskun-      Hilfe zu erwarten ist, müssen die    zu lassen. Die Schulleitungen
    dig agieren, können gute Schul-      Kollegien für sich sorgen. Perso-    übernehmen dabei dienstleistend
    leitungen in ihrem Ringen mit                                             Tätigkeiten von den Pädagog_
    der verantwortungslosen BSB                                               innen wie Materialbeschaffung
    kritisch-konstruktiv     begleiten     Kollegien müssen z.B.              und Zeitplanung im Gesamtsys-
    und schlechte Schulleitungen            die Paragraphen zur               tem. Sie haben aber auch für Ar-
    durch die Nutzung von Gremien           Lehrerkonferenz des               beits- und Gesundheitsschutz zu
    und deren Geschäftsordnungen                                              sorgen.
                                         Schulgesetzes kennen, um
    sowie unter Rückgriff auf die                                                Aus der Behörde kommen zu
    gesetzlichen Vorgaben führen.         die Gesamtkonferenz zu              diesem Thema wahlweise heiße
    Fordert       Verantwortungsüber-     ihrem Gremium machen                Luft, dröhnende Stille oder Ne-
    nahme ein! Die Weisungsrech-                                              belkerzen. Derzeit scheint man
    te der Schulleitungen bewegen                                             dort unwillig oder unfähig zum
    sich ebenso wie deren Pflichten      nalräte müssen sich die notwen-      Gesundheitsschutz. Seid daher
    im geregelten Rechtsrahmen.          dige Arbeitszeit auch gegenüber      selbstbewusst, fordert an den
    Während die Schulleitung zur         Schulleitungen sichern, die we-      Schulen eure Rechte ein, lasst
    Organisation der Lehrtätigkeit       der die entsprechenden Vorgaben      euch nicht abspeisen und beglei-
    letztendlich marginale Entschei-     des PersVG kennen wollen noch        tet rechtskundig die Schulleitun-
    dungen treffen darf (trifft mich     Personalratsarbeit     schätzen.     gen. Es geht um Haltung, liebe
    die Hofaufsicht oder der Pizza-      Kollegien müssen z.B. die Pa-        Kolleg_innen. Und es geht um
    pausenwahnsinn?), muss sie im-       ragraphen zur Lehrerkonferenz        eure Gesundheit.
    mer den gesetzlichen Rahmen,         des Schulgesetzes kennen, um                             OLE WALDMANN
    z.B. beim Arbeitsschutz, achten.     die Gesamtkonferenz zu ihrem                       Gretel-Bergmann-Schule
       Da die Schulleitungen in          Gremium zu machen. Allen Be-

    E-LEARNING

    Zu Risiken und Nebenwirkungen
    fragen Sie...?!?
    Eine Studie zeigt: Schüler_innen leiden stark unter dem Homeschooling
       Die letzte Schulschließung        Schüler_innen schon zum zwei-        ler_innen ein noch desolateres
    im Zuge der Bekämpfung der           ten Mal ausgesetzt sind, auf den     Bild zeichnen, als wir es vorab
    SARSCoViD- 2-Pandemie, die           Grund gehen. Denn daran war          für möglich oder gar für wahr-
    jetzt schon drei Monate andau-       bislang in der deutschen Öffent-     scheinlich gehalten haben. Und,
    ert, war für uns Anlass, eine        lichkeit eher wenig Interesse zu     um möglichen Fehlinterpretati-
    Studie über das E-Learning wäh-      bemerken und auch die Medien         onen gleich vorzubeugen: Dies
    rend des Schul-Lockdowns zu          beginnen erst langsam, sich die-     hat ursächlich nur wenig damit
    initiieren. Wir wollten, inmitten    ses Themas anzunehmen.               zu tun, dass die Digitalisierung
    „der größten Bildungskrise der          Viele Antworten übertrafen        als Technik immer noch nicht
    Neuzeit“ (UNICEF), anhand            unsere schlimmsten Erwartun-         gut funktioniert. Über 90 Prozent
    von zwölf Fragen an insgesamt        gen. Insgesamt kommen wir            der Schülerinnen und Schüler
    drei Klassen des 11. Jahrgangs       nicht umhin festzustellen, dass      nehmen die ELearning-Situati-
    den besonderen Lebens- und           die Auswirkungen des digitalen       on auch unabhängig davon als
    Lernbedingungen, denen unsere        Fernunterrichts auf unsere Schü-     „belastend“ oder „sehr belas-

   12                                                                     hlz – Zeitschrift der GEW Hamburg 3-4/2021
m gestalten +++ Infektionsketten unterbrechen +++ Hybrid als Lösung +++ Gesundheit ernst nehmen

                     tend“ wahr. Die Situation wird

                                                                                                                                       Foto: iStock
                     als Entgrenzung erfahren, der
                     Tag-Nacht-Rhythmus ist gestört,
                     viele erwähnen Schlafstörungen,
                     es kommt zu einer Orts- und
                     Zeitdiffusion und starken Moti-
                     vations- wie auch Konzentrati-
                     onsproblemen. Darüber hinaus
                     kämpfen die Schüler_innen ge-
                     gen große Monotonie. Viele Auf-
                     gaben und schulische Pflichten
                     werden aufgeschoben, türmen
                     sich auf und werden schließlich
                     verdrängt, weil die Schüler_in-
                     nen in ihr häusliches Leben und
                     Lernen keine Ordnung hinein-
                     zubringen vermögen. Zusätzlich
                     wird die Lernweise als defizitär         Früher hat sie um Computerzeiten gebettelt
                     empfunden, da man sich iso-
                     liert und auf sich selbst zurück-       on und Frustrationserfahrungen        Zunahme von Angststörungen,
                     geworfen findet. Das Problem            – bis hin zur Depression. Wobei       Depressionen, Schlafstörungen,
                     einer als nicht-natürlich wahr-         wichtig zu betonen ist, dass ein      Essstörungen bis hin zu akuter
                     genommenen Kommunikation                Großteil der Ängste ursächlich        Suizidalität.
                     mit Mitschüler_innen und Leh-           in Verbindung mit den Maßnah-            Aus den Auskünften unserer
                     rer_innen verschärft die oftmals        men, die zur Eindämmung der           Schüler_innen muss der Ein-
                     hoffnungslos beschriebene Lage.         Infektionen getroffen wurden,         druck gewonnen werden, dass
                        Insgesamt bündeln sich die           genauer: den Schulschließungen        das Leben dieser jungen Men-
                     im Homeschooling auftretenden           stehen und nicht aus einer ent-       schen tatsächlich seit über drei
                     Probleme der Rhythmisierung,            sprechenden Einstellung gegen-        Monaten weitgehend nur noch
                     Orts- und Zeitdiffusion, Moti-          über SARS-CoViD-2 entstanden          mit schlafen (bzw. einem Zu-
                     vation, Isolation, Monotonie,           sind. Dabei beschäftigt die Frage,    stand fast vollständiger Passivi-
                     Konzentration und Kommu-                wie lange die Schulschließun-         tät, ja Apathie) und dem Sitzen
                     nikation und führen zu einem            gen noch andauern werden, die         oder Liegen vor elektronischen
                     General-Angriff auf die Gesund-         Schüler_innen am meisten. Dies        Geräten (teils zu schulischen,
                     heit unserer Schüler_innen. Die         korrespondiert mit dem, was           teils zu tendenziell entgegenge-
                     Symptome sind Strukturanomie,           Kinderärzt_innen und Jugend-          setzten Zwecken) zusammen-
                     Entgrenzung, Verlust von Halt           therapeut_innen diagnostizieren.      gezurrt ist. Was dies für das
                     und Orientierung, Desozialisati-        Eine dramatisch zu nennende           persönliche Wohl und die Ge-
                                                                                                   sundheit unserer Schüler_innen
      Foto: iStock

                                                                                                   bedeutet, lässt sich schon anhand
                                                                                                   der Zahlen der durchschnittli-
                                                                                                   chen Dauer der Mediennutzung
                                                                                                   erkennen, die in unserer Stich-
                                                                                                   probe bei zehn Stunden täglich
                                                                                                   liegt (gegenüber sieben bis acht
                                                                                                   Stunden im ersten Lockdown).
                                                                                                   Angesichts dieses dramatischen
                                                                                                   Bildes und der psychisch extrem
                                                                                                   angespannten Lage sowie dem
                                                                                                   Leiden unserer Schüler_innen
                                                                                                   daran sind wir enttäuscht darü-
                                                                                                   ber, dass offenbar noch immer
                                                                                                   viel zu wenige Pädagog_innen
                                                                                                   sich der Dimension dieser Ge-
                                                                                                   fährdung unserer Kinder und Ju-
                     Nach 10 Stunden E-Learning                                                    gendlichen gewahr werden, denn

                     hlz – Zeitschrift der GEW Hamburg 3-4/2021                                                                   13
CORONA +++ Protest und Widerstand aus den GEW-Betriebsgruppen +++ Lernen pandemiekonform

    sonst hätten sie und ihre Ver-        zu dauerhaften Verletzungen der       und deutlich zu Gehör? Wenn es
    bände doch schon längst Alarm         Gesundheit der Schüler_innen          noch eines solchen Negativbe-
    schlagen müssen.                      zu führen.                            weises bedurft hätte: die Kinder
       Dabei fällt auf, dass mit dem         Wann also werden neben             und Jugendlichen haben in der
    Lockdown ganz offensichtlich          Virolog_innen und Epidemio-           „Lobbyrepublik Deutschland“
    der Leistungsdruck für die meis-      log_innen wirklich Gesund-            keine Lobby!
    ten Schüler_innen keinesfalls         heitssachverständige      anderer        In unserer Untersuchung ha-
    nachgelassen hat, sondern sich        Fachrichtungen und Disziplinen        ben 56 Prozent der Befragten
    auf äußerst problematische Wei-       von den Politiker_innen vor ih-       den expliziten Wunsch geäußert,
    se in ihre psychischen Systeme        ren Beschlussfassungen und vor        dass der Lockdown so schnell
    als eine nicht adäquat bearbeitba-    neuen Verordnungen gehört?            wie möglich beendet werden
    re Anforderung zwischen Selbst-       Wann bringen Pädagog_innen,           soll, 24 Prozent können sich vor-
    und Fremdsteuerung (bzw. dem          die doch eigentlich Anwälte der       stellen, sofern sie Wahlmöglich-
    mangelnden Ausgleich beider           Kinder und Jugendlichen sind          keiten haben, auch teils weiter
    Anforderungen) verschoben und         (oder zumindest sein sollten) und     Online – Unterricht zu haben und
    umso tiefer eingeschrieben hat.       primär das Kinder- und Jugend-        20 Prozent machen die Entschei-
    Statt dass Schule dafür Sorge         wohl vor Augen haben (oder ha-        dung abhängig von der Höhe der
    trägt, dass Leistungsdruck in         ben sollten), die Bedürfnisse und     Inzidenz bzw. allgemein von der
    dieser größten Bildungskrise          Perspektiven der im Lockdown          Entscheidung durch die Politik.
    der Neuzeit von den Kindern,          fast immer isoliert und still vor        Das „große Experiment“ des
    genommen wird, übt ein selbst         sich hin leidenden, im Hamster-       E-Learnings, das pandemiebe-
    offenbar hochgradig fremdge-          rad digitalen Lernstresses hilflos    dingt vor einem Jahr begann, ha-
    steuertes, nur auf Leistung und       gefangenen und einer allgemei-        ben wir nun monatelang an den
    Leistungserfüllung getrimmtes         nen psychosozialen Überfor-           Schüler_innen im „verschärften“
    Schulsystem noch zusätzlichen         derungssituation ausgelieferten       Realitätstest ausprobiert. Auch
    Druck aus. Dieser Druck droht         Schülerinnen und Schülern laut        wenn dieses Experiment vom

        Ausgewählte Ergebnisse der Stichprobe zum „E-Lernen“
        während des Schul-Lockdowns
        • 90 Prozent aller Schülerinnen und Schüler nehmen die derzeitige Situation des Schul-Lockdown als
          „belastend“, jede_r zweite Befragte sogar als „sehr belastend“ wahr.
        • Die Motivation schätzen die Schüler_innen zu über 50 Prozent als mittelmäßig, zu 30 Prozent als
          schwach und nur zu 17 Prozent als gut ein.
        • Fast jede_r zweite geht davon aus, dass sich die Noten durch die Lockdowns verschlechtern werden.
        • Über 60 Prozent vermissen ihre Freund_innen, 35 Prozent die gemeinsamen Aktivitäten mit anderen
          Menschen. Ein Drittel vermisst Sport und die normale Freizeit.
        • 60 Prozent der Schülerinnen und Schüler geben an, Ängste infolge der durch die Politik getroffenen
          Maßnahmen gegen die SARS-CoVid-2-Pandemie entwickelt zu haben.
        • 58 Prozent bekommen zu Hause wenig oder gar keine Unterstützung
        • 69 Prozent der Schüler_innen sagen: Die Schule nimmt nur teilweise Rücksicht auf die besondere
          Situation, 24 Prozent sagt: sie nimmt keine oder nur wenig und nur 6.9 Prozent sagt: sie nimmt viel
          Rücksicht.
        • 90 Prozent der Schüler_innen sprechen sich dafür aus, möglichst schnell wieder in den Präsenz-
          unterricht zurückkehren zu können, 24 Prozent können sich in der derzeitigen Situation am besten
          Hybridunterricht (Mischung aus Präsenz- und digitalem Fernunterricht) vorstellen, wenn sie eine
          Wahlmöglichkeit bekommen.

        Die Studie im Internet_
        • https_//www.gew-ansbach.de/2021/03/e-learning-risiken-und-nebenwirkungen/
        • https_//bildung-wissen.eu/fachbeitraege/e-learning-zu-risiken-und-nebenwirkungenfragen-sie.html
        • http_//www.aufwach-s-en.de/2021/03/e-learning-zu-risiken-und-nebenwirkungenfragen-sie/
        • https_//www.nachdenkseiten.de/?p=71033
                                                                               FINN JAGOW UND BERND SCHOEPE

   14                                                                      hlz – Zeitschrift der GEW Hamburg 3-4/2021
m gestalten +++ Infektionsketten unterbrechen +++ Hybrid als Lösung +++ Gesundheit ernst nehmen

       Gesichtspunkt der Versorgung            Digitaler Fernunterricht kann       loge Schule machen“ sein.
       mit digitalen Geräten und Tech-         kein adäquater Ersatz fürs „ana-    FINN JAGOW und BERND SCHOEPE
       nik aus betrachtet für unsere
       Schulen als Erfolg angesehen             Über die Autoren
       werden kann, können uns die                 Finn Jagow (geb.1966) und Bernd Schoepe (geb. 1965), freie
       Ergebnisse der Studie sowohl             Autoren, die zu bildungspolitischen und bildungssoziologischen
       vom Pädagogischen, von den               Themen schreiben. Bernd Schoepe ist auch langjähriges aktives
       Lernergebnisse als auch der              GEW-Betriebsgruppenmitglied, ehem. Vertrauensmann und Mit-
       Bildungswirksamkeit für unse-            glied der Hamburger Lehrerkammer. Hauptberuflich unterrichten
       re Schüler_innen nicht zufrie-           beide Autoren Politik, Deutsch und Philosophie an Hamburger
       denstellen. Stattdessen zeigt der        Stadtteilschulen. Weiter Informationen können angefragt werden
       Schul-Lockdown überdeutlich:             bei: berndschoepe@gmx.de

       China verbietet Handys an Schulen
       Regierung in Sorge wegen hohem Anteil kurzsichtiger Kinder
          In China besteht seit Februar        Minuten am Stück und nur ma-        Hanyang, sein früherer Lehrer
       ein generelles Verbot von Smart-        ximal eine Stunde am Tag benut-     habe einen Hammer mit in die
       phones an Grundschulen und              zen.                                Klasse gebracht. Zu sehen, wie
       weiterführenden Schulen.

                                                                                                                      Foto: PD-zhang kaiyv/Pexels
       Wie das Bildungsminis-
       terium mitteilte, dürfen
       künftig keine Handys mehr
       zur Schule mitgebracht
       werden. Sollten Eltern die
       Mitnahme dennoch für
       notwendig halten, müsse
       dies schriftlich erklärt wer-
       den. Die Geräte könnten
       dann beim Betreten der
       Schule bis zum Ende des
       Unterrichts verwahrt wer-
       den. In den Klassenräumen
       würden keine Smartpho-
       nes toleriert.
          Mit den Maßnahmen
       will das Bildungsminis-
       terium das Sehvermögen
       junger Menschen schüt-                  Schüler in Beijing
       zen, ihre Konzentration aufs
       Lernen fördern sowie gegen                 Die Lehrkräfte werden vom        er damit das beschlagnahmte
       Internet- und Spielsucht vorbeu-        Ministerium aufgefordert, keine     Handy eines Mitschülers zer-
       gen. Nach Angaben der Weltge-           Hausaufgaben aufzugeben, bei        trümmerte, habe klar gemacht,
       sundheitsorganisation (WHO)             denen ein Smartphone benutzt        dass das Handyverbot ernst
       ist der Anteil der kurzsichtigen        werden muss. Den Schulen wird       gemeint sei. Dai, inzwischen
       Grundschüler_innen in Chi-              empfohlen, öffentliche Telefone     17 Jahre alt und an einer High
       na mit 40 Prozent weltweit am           für den Kontakt zwischen Schü-      School, ergänzt: An seiner neuen
       höchsten.                               ler_innen und Eltern bereitzu-      Schule würden die bei einem Re-
          In einem Aktionsplan der Re-         stellen.                            gelverstoß beschlagnahmten Ge-
       gierung wird empfohlen, dass               Laut China Daily werden die      räte erst am Ende des Semesters
       Kinder einen elektronischen             neuen Regeln entschieden um-        zurückgegeben.
       Bildschirm nicht länger als 15          gesetzt. So berichtet Schüler Dai                     MANNI HEEDE

       hlz – Zeitschrift der GEW Hamburg 3-4/2021                                                                15
CORONA +++ Protest und Widerstand aus den GEW-Betriebsgruppen +++ Lernen pandemiekonform

    Download statt Upload
    Eine von der GEW initiierte online-Konferenz mit den bildungs- bzw.
    schulpolitischen Sprecher_innen der in der Bürgerschaft vertretenen
    Parteien zur Situation an den Schulen in Zeiten der Pandemie offenbarte die
    zugespitzte Belastungssituation bei Schüler_innen und Lehrer_innen
       Acht mal acht konnte ich am      der Gefahrenlage und der Not-                                        erlebe wie diese, so die bildungs-
    Ende zählen! Es waren somit 64,     wendigkeit, die Pandemie ein-                                        politische Sprecherin der Grünen
    in der Spitze 75 Kacheln auf dem    zudämmen, eher strengere Maß-                                        weiter, sehe sie trotzdem die un-
    Bildschirm, hinter denen sich je-   nahmen notwendig seien. Nur                                          gemeine Mehrbelastung. In die
    weils ein_e Kolleg_in verbarg,      so könne man den bekannten                                           Notbetreuung, in der sie aktuell
    der/die sich nach zwei Stunden      Yo-Yo-Effekt ausbremsen. Um                                          freiwillig mitarbeite, sollte die
    intensiven digitalen Austauschs     dem vielleicht größten Problem                                       Behörde ab sofort Student_innen
    über die aktuelle Situation an      der Schüler_innen, der Verein-                                       mit einbinden.
    den Schulen voneinander ver-        samung, Herr zu werden, müsse                                           Nils Springborn beschrieb vor
    abschiedeten. Eingeladen hatten     man Bildung an andere Lernorte                                       dem Hintergrund seiner Arbeit
    die Vorsitzenden der GEW zu         verlegen, an denen das Einhalten                                     an einer Schule in herausfor-
    dieser Online-Konferenz, um         der Abstandsregeln kein Prob-                                        dernder Lage, dass vor allem
    sich mit den schulpolitischen       lem sei.                                                             der Hybridunterricht noch eine
    Sprecher_innen der in der Bür-        Ivy May Müller widersprach                                         große Baustelle sei. Allein die
    gerschaft vertretenen Parteien      nicht der Forderung nach einem                                       Tatsache, dass die Schüler_in-
    – außer der AfD – hierüber zu       härteren Lockdown, machte aber                                       nen nunmehr digitale Endge-
    unterhalten.                        deutlich, dass es aktuell um ei-                                     räte in den Händen hielten,
       Sabine Boeddinghaus von der      nen schärferen Infektionsschutz                                      sei noch nicht die Lösung der
    Partei DIE LINKE und Birgit         am Arbeitsplatz, vor allem in                                        Probleme. Das Vorhandensein
    Stöver von der CDU waren den        den Büros gehen müsse. Wenn                                          dieser Gerätschaften offenbare
    Teilnehmenden bereits bekannt.      dies einschließe, dass mehr Men-                                     erst die wahren Gründe, warum
    Neu dagegen sind die Spreche-       schen von zu Hause aus arbeiten                                      Schüler_innen ins Abseits gera-
    rin der GRÜNEN und der Spre-                                                                             ten. Wenn die Mitglieder einer
                                                                             Fotos: Hamburger Bürgerschaft

    cher der SPD. Für die GRÜNEN                                                                             fünfköpfigen Familie in einer 2
    stellte sich Ivy May Müller, noch                                                                        1/2-Zimmer-Wohnung parallel
    im Referendariat, den Fragen,                                                                            an Endgeräten hingen, sei diese
    für die SPD war es Nils Spring-                                                                          Situation weit entfernt davon,
    born. Er ist Lehrer an der STS                                                                           was man als gedeihliche Lernat-
    Horn und hat sich bereits auf                                                                            mosphäre bezeichnen könne, so
    kommunaler Ebene politische                                                                              der schulpolitische Sprecher der
    Meriten erworben.                                                                                        SPD.
       Die Diskussion sollte um die                                                                             Birgit Stöver, bereits langjäh-
    Fragen Mehrbelastung sowie                                                                               rige bildungspolitische Spreche-
    Arbeits- und Gesundheitsschutz                                                                           rin der CDU, betonte, dass sie
    kreisen; mit diesem Ziel struk-                                                                          die Situation nicht nur als Poli-
    turierte unsere Vorsitzende Anja                                                                         tikerin, sondern auch als Mutter
    Bensinger-Stolze und einer ihrer                                                                         von drei Kindern wahrnehme.
    Stellvertreter, Sven Quiring, die                                                                        Ohne den bisherigen Ausführun-
    Debatte.                            Sabine Boeddinghaus
                                                                                                             gen ihrer Parlamentskolleg_in-
       Die ersten Statements zeigten                                                                         nen zu widersprechen, betonte
    starke Übereinstimmungen bei        könnten, sei dies zugleich in Hin-                                   sie, dass man schneller auf die
    allen vier Vertreter_innen. Da-     blick auf die Kinderbetreuung                                        Entwicklungen der dritten Welle
    her betonen die nachfolgenden       zu Hause besser und würde das                                        hätte reagieren müssen. Konkret
    Ausführungen nur die unter-         System der staatlichen Obhut der                                     benannte sie für dieses Versäum-
    schiedlichen Akzentsetzungen.       Kinder entlasten. Obwohl sie als                                     nis die Einführung der Pilotpha-
    Sabine Boeddinghaus unterstrich     Referendarin die Not der Kol-                                        se der Schnelltests, die erst eine
    in ihrem Beitrag, dass aufgrund     leg_innen nicht ganz so hautnah                                      Woche nach (!) den Frühjahrs-

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m gestalten +++ Infektionsketten unterbrechen +++ Hybrid als Lösung +++ Gesundheit ernst nehmen

       ferien stattgefunden habe. Hier         Tests“, könnten nicht ernsthaft       die Kernfächer zu konzentrieren,
       sei wertvolle Zeit verschenkt           in Erwägung gezogen werden,           um die nicht zu übersehenden
       worden. Im Übrigen habe für sie         solange sie vom RKI als nicht si-     Lernrückstände aufzuholen. Da-
       aktuell das Testen absolute Prio-       cher genug eingestuft würden, so      neben müsse man natürlich In-
       rität.                                  die Antwort des SPD-Vertreters        halte streichen – zur Disposition
                                               auf eine Frage aus dem Auditori-      stünden dann wie üblich die mu-
       Testen als Ultima Ratio                 um. Er betonte zudem, dass man        sischen Fächer.
          Was das Testen angeht, so wa-        allen Verweigernden klar ma-             Sabine Boeddinghaus hielt ve-
       ren sich alle Sprecher_innen ei-        chen müsse, dass das Testen die       hement dagegen: es gehe darum,
       nig, dass dies zu beschleunigen         zurzeit einzige Möglichkeit sei,      sich grundsätzlich Gedanken
       sei. Das wöchentlich zweimal            um die Chance auf einen weite-        über das Lernen zu machen. Das
       verpflichtende Testen sei zu we-        ren Schulbetrieb aufrechtzuer-        heiße in der Konsequenz, dass
       nig, wobei der SPD-Vertreter da-        halten. Man könne folglich trotz      man zu einem anderen Bildungs-
       rauf verwies, dass dieser Rhyth-        der Widerstände an der gegen-         begriff kommen müsse. Weg
       mus bei einem halbwöchigen                                                    vom ‚Trichterlernen‘, Lehrpläne
       Unterricht bereits zweimal an                                                 konsequent entschlacken und
       drei Tagen faktisch einer hohen                                               hin zu dem, was mittlerweile
       Testfrequenz entspreche.                                                      im bildungspolitischen Diskurs
          In der späteren Diskussion                                                 unter inklusivem Lernen ver-
       stellte sich heraus, dass das Tes-                                            standen werde. „Nichts drauf-
       ten unabhängig von der Bereit-                                                packen durch Nachmittags- und
       stellung des Materials die Kol-                                               Ferienunterricht“, so der Appell
       leg_innen vor große Probleme                                                  der Bildungspolitikerin der LIN-
       stellt. Neben der Tatsache, dass                                              KEN.
       die aktuelle Testquote von 84                                                    Luise Günther, Kollegin an
       Prozent schon auf Widerstand                                                  der Heinrich-Hertz-Schule, er-
       hinweise, sei es nämlich keines-                                              teilte allen Befürworter_innen
       falls so, dass die Schüler_innen                                              der Klassenwiederholung aus
       begeistert auf das Testen reagier-                                            der Sicht der Klassenlehrerin
       ten. Die Kolleg_innen berichte-                                               einer achten Klasse eine Absa-
       ten von einer ernstzunehmenden          Nils Springborn
                                                                                     ge. Die Bindungswirkung des
       Zahl von Kindern, die sich wei-                                               sozialen Gefüges einer Klassen-
       gerten, ein zweites Mal eine sol-       wärtigen Teststrategie festhalten     gemeinschaft dürfe nicht aufs
       che Prozedur über sich ergehen          bzw., wenn diese sich nicht als       Spiel gesetzt werden. Sie sei
       zu lassen, weil sie den Abstrich        gründlich genug herausstelle, als     vor dem Hintergrund der psy-
       als sehr unangenehm wahrge-             letzte Konsequenz auch einen          chischen Verunsicherungen, die
       nommen hätten. Außerdem seien           Testzwang nicht ausschließen,         die Pandemie angerichtet hätte,
       den Berichten der Kolleg_innen          so die bildungs-bzw.schulpoliti-      wichtiger denn je, gerade für die
       zufolge manche SuS überfordert:         schen Sprecher_innen unisono.         Schüler_innen, die, aus welchen
       sie brächen die Teststäbchen                                                  Gründen auch immer, an der Si-
       ab oder führten den Test nicht          Reparaturbetrieb                      tuation besonders litten und da-
       gründlich genug durch. Dies                Einig war man sich in Hin-         durch leistungsmäßig ins Abseits
       wiederum veranlasste Sven Qui-          blick auf die psychisch-sozialen      geraten seien.
       ring zu der Einlassung, dass man        Folgen der Pandemie bei vielen
       darüber nachdenken müsse, me-           Schüler_innen. Diese im Blick         Runterfahren statt
       dizinisches Personal an Schulen         zu behalten, sei das dringends-       Draufsatteln
       – auch über die Pandemie hinaus         te Problem. Auch gegenüber               Es war Birgit Stöver von der
       – einzustellen. Einig war man           Lernrückständen habe die Arbeit       CDU, die sich vehement für eine
       sich auf jeden Fall, dass trotz         hieran Vorrang. Diese klare Po-       Arbeitsentlastung der Kolleg_in-
       aller Vorbehalte eine Testung in        sitionierung, der auch die CDU-       nen aussprach. Das Arbeitszeit-
       der Schule vorgenommen wer-             Vertreterin nicht widersprach,        modell müsse allerdings auch
       den müsse, da man nicht davon           wurde sichtbar, als aus dem Au-       unabhängig von der Pandemie
       ausgehen könne, dass das Testen         ditorium mit Verweis auf einen        überarbeitet werden. Die Pan-
       zu Hause zu Ergebnissen führe,          aktuellen SPIEGEL-Artikel die         demie habe die Dramatik erst
       denen man vertrauen könne.              Frage gestellt wurde, ob es denn      richtig offenbart. Sie zitierte Er-
          Alternativen, etwa „Lolli-           nicht sinnvoll sei, sich primär auf   gebnisse aus einer Untersuchung

       hlz – Zeitschrift der GEW Hamburg 3-4/2021                                                                     17
CORONA +++ Protest und Widerstand aus den GEW-Betriebsgruppen +++ Lernen pandemiekonform

    Gesundheitsrisiken und Arbeitsbelastung sind gestiegen
       Dies sind Ergebnisse einer Studie, die im Auftrag der DAK vom Institut für Therapie- und Gesund-
    heitsforschung (IFT-Nord) in Kiel erstellt wurde. Befragt wurden im Oktober letzten Jahres 2300 Lehr-
    kräfte in Nordrhein-Westfalen. Die Ergebnisse sind bundesweit vergleichbar, weil die Arbeitsbedingun-
    gen sich – auf den Untersuchungsgegenstand bezogen – nur unwesentlich voneinander unterscheiden.
    • 90 Prozent der Lehrkräfte gaben an, dass der Unterricht im Vergleich zum Vorjahr deutlich anstren-
      gender geworden sei. Denn es kostet sowohl Energie, die Corona-Maßnahmen bei den Schüler_innen
      durchzusetzen als auch die eigene Gesundheit zu schützen und den Ausfall von Kolleg_innen auszu-
      gleichen.
    • 84 Prozent haben das Gefühl, Corona-bedingt mehr zu arbeiten. Diese Wahrnehmung trügt nicht: Im
      Schnitt fällt jede Woche fast ein Arbeitstag zusätzlich an. So leisten Lehrer_innen zurzeit 6 Überstun-
      den wöchentlich, die Schulleitungen sogar 9 Stunden.
    • 80 Prozent empfinden die Corona-Situation als eine Belastung für die Schüler_innen.
    • 78 Prozent machen sich Sorgen wegen der Lernfortschritte der Schüler_innen.
    • 65 Prozent machen sich Sorgen um ihre eigene Gesundheit. Viele davon haben Angst, zur Schule zu
      gehen und sich dort mit dem Corona-Virus anzustecken. Die Hygienemaßnahmen reichen zumindest
      für die subjektive Wahrnehmung nicht aus.
    • Burnout-Gefährdung ist um ein Vielfaches gestiegen
    • 28 Prozent der Lehrkräfte sind deutlich emotional erschöpft und zeigen Burnout-Symptome. Die ak-
      tuelle Situation „befeuert“ die Symptome. Vor der Corona-Pandemie wurde die Zahl der Burnout-
      Betroffenen im Schuldienst bei 3-5 Prozent vermutet.
       Eine weiterführende Analyse zeigte, dass weibliches Lehrpersonal, Schulleitungen und Befragte mit
    Angst um die eigene Gesundheit sowie Personen mit einer ausgeprägten emotionalen Erschöpfung
    durch die Corona-Situation am stärksten beeinträchtigt werden.
       Quelle: haufe.de Arbeitsschutz Newsletter

    einer Studie, die im Auftrag der    sechs (!) verschiedenen Settings:    es durch wenig kontinuierliche
    DAK vom Institut für Therapie-      Neben Präsenzunterricht seien in     Teilnahme, unabhängig davon,
    und Gesundheitsforschung (IFT-      der Notbetreuung A und B-Grup-       ob im Präsenz- oder Fernunter-
    Nord) in Kiel im Herbst letzten     pen zu unterscheiden, in denen       richt, ungemein schwierig sei,
    Jahres erstellt wurde. Danach       jeweils das Augenmerk auf die        den Überblick zu behalten. Es
    bewerteten 90 Prozent der Be-       anwesenden, aber auch auf sich       sei herausfordernd, immer wie-
    fragten die pädagogische Arbeit                                          der die Schüler_innen zu ermun-
    gegenwärtig als anstrengender                                            tern durchzuhalten.
    gegenüber dem Normalbetrieb;
    28 Prozent zeigten starke Er-                                            Empathie als Gebot
    schöpfung. Dass sich viele Kol-                                          der Stunde
    leg_innen überfordert fühlten,                                             Dass dies alles eine empathi-
    zeige auch der deutliche Wunsch                                          sche Einstellung den Schüler_in-
    nach Fortbildung. 84 Prozent der                                         nen gegenüber verlange, auch
    Befragten sagten, dass die Situa-                                        darin waren sich alle Teilneh-
    tion eindeutig Mehrarbeit bedeu-                                         menden einig. Anna Ammonn
    te. Stöver sprach sich dafür aus,                                        vom Verband Gemeinnützi-
    dass diese Mehrarbeit zu einem                                           ge Gesellschaft Gesamtschule
    späteren Zeitpunkt verrechnet                                            (GGG) hatte in ihrem Beitrag be-
    werden müsse.                                                            tont, dass man es gar nicht hoch
       Die Vertreter_innen der Re-                                           genug würdigen könne, was die
    gierungsparteien widersprachen                                           Kinder und Jugendlichen leiste-
    nicht. Ein Kollege einer Stadt-                                          ten. Allein deshalb sei das Ent-
    teilschule nahm an dieser Stelle    Birgit Stöver                        schlacken der Bildungspläne
    die Gelegenheit wahr, einmal        verweigernde, sprich nicht an-       unabdingbar.
    sehr viel konkreter den Alltag      wesende Schüler_innen zu rich-         Was bei der Krisenbewälti-
    der Kolleg_innen an den Schu-       ten sei. Dabei verschärfe sich das   gung trotz aller negativen Aus-
    len zu schildern. Er sprach von     Problem in der Oberstufe, wo         wirkungen, die die Pandemie

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m gestalten +++ Infektionsketten unterbrechen +++ Hybrid als Lösung +++ Gesundheit ernst nehmen

       gezeitigt habe, nicht ganz aus          Politik des amtierenden Senators    ments auch darum gehe, alle Be-
       dem Blick geraten solle, seien          immer weiter runtergefahren         troffenen deutlich zeitnaher als
       die Chancen in Hinblick auf die         worden. Insofern sei die Krise      bisher in die anstehenden Vorha-
       Veränderungen, die das Ganze            als Chance zu sehen!                ben einzubeziehen. Die Praxis,
       auf das Lernen habe, so Ivy May                                             den Schulleitungen am Freitag
       Müller (GRÜNE). In Hinblick                                                 die Ausführungsbestimmungen
       auf Individualisierung und digi-                                            für die am Montag durchzufüh-
       tales Lernen habe man Einiges                                               renden Maßnahmen zu über-
       dazu gelernt. Was sich hieraus                                              mitteln, sei das Gegenteil einer
       positiv entwickeln lasse, sei im                                            „auf Sicht fahrenden“ (O-Ton
       Einzelnen zwar noch nicht ab-                                               des Senators) Handhabung der
       sehbar, klar sei aber, dass dies                                            Krisenbewältigung. Was aber
       grundlegende Änderungen an-                                                 insgesamt auch uns als Gewerk-
       stoßen werde.                                                               schafter_innen sauer aufstoße,
          Auch wenn zu vermuten ist,                                               sei die mangelnde Einbindung
       dass diesbezüglich zwischen den                                             der Personalräte. Eine vertrau-
       Parteien deutliche Unterschie-                                              ensvolle Zusammenarbeit mit
       de zu Tage treten werden, warb                                              den gewählten Vertreter _innen
       Sabine Boedinghaus dafür, nach                                              der Beschäftigten sei sicher nicht
       der Pandemie einen Bildungs-                                                die einzige, aber eine der Voraus-
       kongress durchzuführen. Die                                                 setzungen dafür, dass es gelingt,
                                               Ivy May Müller
       Beteiligung aller von Bildungs-                                             die Pandemie erfolgreich zu be-
       politik Betroffenen und an ihr             Unsere Vorsitzende kommen-       kämpfen.
       Interessierten, so die Linken-          tierte ergänzend, dass es aktuell                  JOACHIM GEFFERS
       Politikerin weiter, sei durch die       im Rahmen des Krisenmanage-

        HAMBURGER GEWERKSCHAFTSTAG

        Wahlausschreiben
        Beim nächsten Hamburger Gewerkschaftstag der GEW am 20.5.21 sind folgende Ämter zu besetzen:
        Vorsitzende_r (die zweite Amtszeit von Anja Bensinger Stolze endet)
        Erste_r Stellvertretende_r Vorsitzende_r (die zweite Amtszeit von Fredrik Dehnerdt endet)
        Schriftführer_in Geschäftsführender Ausschuss (die zweite Amtszeit von Mathias Töpfer endet)
        Schriftführer_in Landesvorstand (die zweite Amtszeit von Martin Neumann endet)
        Schriftführer_in Protokoll Vertretung Gewerkschaftstag (Das Mandat hatte vorher Barbara Geier –
        ihre 8jährige Amtszeit ist beendet)

        Folgende Kolleg_innen haben ihre Kandidatur angemeldet: (Stand: 09.04.2021)
        Vorsitzende/r: Sven Quiring (FG Sonderpädagogik)
        1. stellvertretende/r Vorsitzende/r: Yvonne Heimbüchel (FG Gymnasien)
        Ggf. 2. stellvertretende/r Vorsitzende/r (derzeit: Sven Quiring):
        1. Schriftführer/in: (Protokoll GA) Carsten Arnheim (FG Grundschulen)
        2. Schriftführer/in: (Protokoll Landesvorstand) Marlies Tatje,
        Stellvertretung: Björn Eisenschmidt (beide FG Berufliche Schulen)
        4. Schriftführer/in: (Protokoll Vertretung Gewerkschaftstag)
        Volker Peters (BG Ruheständler_innen)
        Weitere Kandidaturen können bis zum 20.5.21 – in der Geschäftsstelle eingereicht werden. Eine
        Kandidatur ist auch noch auf dem Gewerkschaftstag möglich.
        Kolleg_innen, die sich in der kommende Ausgabe der hlz (erscheint Mitte April) in diesem
        Zusammenhang vorstellen möchten, senden ihre Vorstellung bitte bis zum 29.4. an die Redaktion
        (hlz@gew-hamburg.de)

       hlz – Zeitschrift der GEW Hamburg 3-4/2021                                                                  19
CORONA +++ Protest und Widerstand aus den GEW-Betriebsgruppen +++ Lernen pandemiekonform

                                                          KITA

                                                          Wer will's wissen und warum?
                                                          Das Persönlichkeitsrecht der Beschäftigten muss gewahrt bleiben

                                                             Ja, wir haben gefordert, dass      Verfügung stehen, wird dieses         schutzrechtlich kritisch zu be-
                                                          Erzieher_innen und alle anderen,      Privileg verschwinden.                trachten. Tatsächlich ist die Ein-
                                                          die im direkten Kontakt mit Kin-                                            gabe (noch?) freiwillig. Dennoch
                                                          dern arbeiten, in der Impf-Prio-      Ein Angebot, das man                  ergibt sich daraus eine relative
                                                          Liste nach vorne kommen. Sie          ablehnen kann                         Übersicht der „Durchimpfung“
                                                          sind nun in Stufe 2 mit den 70 bis       Es ist ein Angebot zur Imp-        der Kita-Beschäftigten. Einzel-
                                                          80-Jährigen und Menschen mit          fung und keine Pflicht (zumin-        ne Arbeitgeber versuchen die
                                                          zusätzlichen gesundheitlichen         dest, solange es keine gesetzlich     Anmeldung zur Impfung dazu
                                                          Einschränkungen und werden            verordnete Impfpflicht gibt).         zu nutzen, sich eine Übersicht
                                                          noch vor Polizei und Feuerwehr        Noch wirkt das grundgesetz-           zu verschaffen, welche Beschäf-
                                                          geimpft. Ein Privileg für alle, die   lich festgeschriebene Recht auf       tigte sich hat impfen lassen. Aus
                                                          aufgrund ihrer Berufsausübung         persönliche Selbstbestimmung          unserer Sicht ist das unzulässig,
                                                          in den ungeschützten Kontakt          auch in Bezug auf Covid-19. In        da damit gegen den Datenschutz
                                                          mit zu betreuenden Kindern tre-       diesem Zusammenhang fällt der         verstoßen wird. Es geht den Ar-
                                                          ten und einen Schutzanzug, wie        Blick auf die Masernschutzimp-        beitgeber schlicht nichts an, ob
                                                          ihn die Feuerwehr und andere          fung, deren Impfnachweis für          jemand sich hat impfen lassen
                                                          Berufe in Infektionslagen vom         bestimmte Berufsgruppen ver-          oder nicht. Wozu soll diese In-
                                                          Arbeitgeber gestellt bekommen         pflichtend ist (für später als 1971   formation dienen? Soll unter-
                                                          und die verpflichtet werden,          Geborene, die in Einrichtungen        schieden werden zwischen nur
                                                          diesen zu tragen, in der päda-        für Kinder oder in medizinischen      begrenzt einsetzbar und überall
                                                          gogischen Arbeit nicht anlegen        Einrichtungen tätig sind).            einsetzbar? Ist dies reiner Da-
                                                          können.                                  Der Staat macht die Impfange-      tensammelwut geschuldet oder
                                                             Ein Privileg also, das den Kol-    bote, er kontrolliert, in welchem     steckt mehr dahinter? Wir emp-
                                                          leg_innen einen höherwertigen         Maße das Angebot angenommen           fehlen den Betriebsräten, hier
                                                          Schutz bieten soll als alle ande-     wird. So hat nun auch in den Er-      sehr genau darauf zu achten,
                                                          ren Schutzmaßnahmen, die in           hebungsbögen (Wochenmeldun-           dass das Persönlichkeitsrecht der
                                                          der Kita leider nur zum Teil um-      gen der Kitas an die Behörde)         einzelnen Beschäftigten gewahrt
                                                          gesetzt werden können. Neben-         die Frage nach der Anzahl der         bleibt.
                                                          bei erhalten die Kolleg_innen ei-     geimpften Beschäftigten Einzug
                                                          nen höheren Schutz als der große      halten.                               Opfer zu Täter_innen?
                                                          Rest der Bevölkerung. Erst wenn          Je kleiner die Kita, umso eher        Es geht um Personal, das durch
                                                          ausreichend Impfdosen für alle        ist der Rückschluss auf einzelne      Arbeitsschutzverordnungen,
                                                          Menschen in Deutschland zur           Beschäftigte möglich und daten-       die der Arbeitgeber umzusetzen
                                                                                                                                      hat und behördlichen Gesund-
                                                                                                                                      heitsschutzverordnungen, deren
(Grafik Quelle: https://www.bundesregierung.de/breg-de/
                   themen/corona-informationen-impfung/
                         corona-impfverordnung-1829940)

                                                                                                                                      Einhaltung der Gesetzgeber zu
                                                                                                                                      gewährleisten hat, nicht ausrei-
                                                                                                                                      chend geschützt werden kann.
                                                                                                                                      Erst durch das Impfen kann
                                                                                                                                      nun, zumindest vor der Gefahr
                                                                                                                                      lebensbedrohlich zu erkranken,
                                                                                                                                      ein kostenfreier Schutz gewährt
                                                                                                                                      werden. Dadurch kehrt sich die
                                                                                                                                      Situation um: Diejenigen, die
                                                                                                                                      sich nicht impfen lassen (wol-
                                                                                                                                      len), tragen ein höheres Infekti-
                                                                                                                                      onsrisiko, was im Krankheitsfall
                                                                                                                                      notwendig eine Mehrbelastung

                                                          20                                                                     hlz – Zeitschrift der GEW Hamburg 3-4/2021
m gestalten +++ Infektionsketten unterbrechen +++ Hybrid als Lösung +++ Gesundheit ernst nehmen

       für die verbleibenden Kolleg_in-         Hoch infektiös
       nen nach sich zieht oder gar die
       Rückkehr aller Kinder in die Be-            Kinder und Jugendliche übertragen Covid19 bis zu fünfmal häu-
       treuungseinrichtung verhindert.          figer als ältere Menschen. Dies geht aus einer Studie des britischen
          Darin zeigt sich der Unter-           Amtes für nationale Statistiken (ONS) hervor. Dass dies bislang
       schied zur Masernschutzimpf-             nicht validiert werden konnte, lag daran, dass Infizierte, bei denen
       verordnung für Kindertagesstät-          sich Symptome zeigten, sich häufiger in Testzentren untersuchen
       ten. Kinder und Beschäftigte             ließen als Kinder, die keine Symptome aufwiesen. Die britischen
       sind gleichermaßen verpflichtet,         Forscher_innen führten deswegen Tausende von Tests, unabhängig
       einen Impfnachweis zu erbrin-            von Krankheitssymptomen, im häuslichen Umfeld durch. http://ge-
       gen. Corona-Schutzimpfungen              organa.net/sotiris/mypapers/DiseasePrevalence.pdf
       für Kita-Kinder gibt es nicht, sie
       tragen zum Infektionsgesche-            trete(n muss)? Wer, ob ich tat-     sel 2020/2021 so zu nutzen, dass
       hen bei. Die Impfung schützt            sächlich eine der zwei Personen     in weiten Bereichen alle Ein-
       „nur“ vor einer folgenschweren          bin, die im engen Kontakt zu ei-    richtungen und Betriebe durch-
       Erkrankung (und somit den Ar-           ner Schwangeren stehen?             gehend geschlossen würden. Da
       beitgeber vor einem länger an-             Drängeln und Leistungser-        dies nicht geschah, haben wir
       dauernden Personalausfall mit           schleichen gab es schon immer       dann gehofft, mit der verordne-
       entsprechend längeren Dauer             – die Angst vor einem schweren      ten Osterruhe massive Kontakt-
       der Gehaltsfortzahlung) sowie           Verlauf ist eine menschlich nach-   beschränkungen zu erreichen,
       Vertretungskosten. Aber das darf        vollziehbare Begründung, gel-       um das Infektionsgeschehen
       nach unserer Auffassung nicht           tende Bestimmungen möglichst        deutlich zu verringern. Auch das
       dazu führen, dass Arbeitgeber                                               ist nicht umgesetzt worden.
       sich auf den Standpunkt stellen,                                               Jetzt schnellen die Zahlen in
       dass die Arbeitnehmer_innen,                 Es geht den Arbeitgeber        bedenkliche Höhen, jetzt sind
       die sich trotz kostenfreien An-                                             zunehmend jüngere Menschen
                                                     schlicht nichts an, ob
       gebots nicht impfen lassen, ihre                                            gefährdet – spätestens jetzt ist
       Arbeitsleistung nicht ordnungs-              jemand sich hat impfen         es an der Zeit, alles auf Null zu
       gemäß anbieten, wie es das Bür-                 lassen oder nicht           stellen. Die relevanteste Gruppe
       gerliche Gesetzbuch, BGB § 297                                              1 ist durchgeimpft. So sollte nun
       vorschreibt. Denn es würde dem                                              ein konsequenter Lockdown er-
       Arbeitgeber erlauben, das Gehalt        weit auszulegen. Aber einzig und    folgen: Eine Woche beginnend
       einzubehalten, da der Anspruch          allein nur der Wunsch, wieder in    am Freitagnachmittag und zwei
       auf Vergütung entfallen wäre.           Präsenz zusammenkommen zu           darauffolgende Wochenenden
       Ebenso greift auch das arbeitge-        können, weil Videotreffen als       eingeschlossen sowie Arbeitsbe-
       berseitige Kündigungsrecht zu           anders belastend empfunden          ginn ab Montagnachmittag erge-
       einer personenbedingten Kündi-          werden, ist nicht hinzunehmen.      ben in der Summe 10 komplette
       gung (§1 KSchG) nicht, da es die        Vordrängeln vor Menschen, die       Tage, an denen ausschließlich
       Impflicht gegen das Coronavirus         in der Priorisierungsfolge aus      nur kontaktfrei (außer dem un-
       eben nicht gibt.                        festgelegten Gründen vor mir an     vermeidlichen Kontakt zu Per-
                                               die Reihe kommen sollen, ist die    sonen des eigenen Haushalts)
       Wer will nochmal,                       Form von Entsolidarisierung, die    gearbeitet werden sollte.
       wer darf noch nicht                     wir gewerkschaftlich (und nicht        Kluges und solidarisches Han-
          Zunehmend erschleichen sich          nur auf dieser Ebene) bekämpfen     deln ist zwingend erforderlich
       Menschen Berechtigungen, um             müssen.                             – wir stehen im Kampf gegen
       sich in der Impffolge nach vorne           Ob mit oder ohne Impfung         diese Pandemie. Noch sind vie-
       zu drängeln. Wer will kontrollie-       – nicht nur was die Kitas an-       le bereit, für eine überschaubare
       ren, ob ich als Erzieher tatsäch-       geht haben wir uns dafür aus-       Zeit stärkere Einschränkungen
       lich noch in der Kita eingesetzt        gesprochen, sie für eine kurze      in Kauf zu nehmen. Überzeugen
       bin und nicht schon seit Länge-         überschaubare Zeit komplett zu      wir die politisch Verantwortli-
       rem durch Bürotätigkeiten kaum          schließen. Es gibt Werksferien,     chen, dass jetzt gehandelt wer-
       noch Kinderkontakte habe? Wer           Betriebsferien und in den Kin-      den muss!
       prüft nach, ob ich als in der Ver-      dertagesstätten auch Sommer-               JENS KASTNER, Sprecher der
       waltung Tätige_r einer Senioren-        oder Winterschließzeiten. Wir         Fachgruppe Kinder- und Jugendhilfe
       pflegeeinrichtung überhaupt in          hatten darauf gesetzt, die Weih-
       Kontakt zu den Bewohner_innen           nachtstage und den Jahreswech-

       hlz – Zeitschrift der GEW Hamburg 3-4/2021                                                                    21
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