Zeitschrift des Deutsch-Indischen Dialogs - Meine Welt
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Heft 2 Jahrgang 27 Herbst 2010 Zeitschrift des Deutsch-Indischen Dialogs Die Kirche und die Religionen • Moderne indische Lyrik • Amrita Sher-Gil: Ikone der modernen indischen Malerei • Hindu Ökologie • Nachruf • Gedichte • Erzählung • Interviews • Rezensionen
i I n h a lt i Editorial ........................................................................................................................3 Herausgeber Eine bahnbrechende Gesetzgebung . ........................................................................4 Diözesan-Caritasverband Mandira Moddie für das Erzbistum Köln e.V. Abteilung Integration und Migration Indien – 63 Jahre Unabhängigkeit . ...........................................................................5 Georgstr. 7, 50676 Köln Sharmila Tagore; Kumar Mangalam Birla Tel. 0221/2010-287 Ashwin Raman ............................................................................................................6 www.caritasnet.de Jose Punnamparambil Vertreter des Herausgebers: Hindu Ökologie ...........................................................................................................7 Dipl.-Soz. paed. Heinz Müller, Journalist DJV Makarand R. Paranjape E-Mail: heinz.mueller@caritasnet.de Bei mir wird es eng! ....................................................................................................9 Redaktion: Jose Punnamparambil Jose Punnamparambil (verantwortlich), Grüner Weg 23, 53572 Unkel-Scheuren, Trotz glänzenden Wachstums weit verbreitete Armut in Indien .........................11 Tel. 02224 / 7 53 17 Prahlad Singh E-Mail: punnam@t-online.de Jnanpith 2007 für O. N. V. Kurup .............................................................................12 Thomas Chakkiath, Es geht darum, dass alle Menschen in Inden, gleich welcher Kaste ... ................13 Novalisstr. 45, 51147 Köln, Rosi Gollmann Tel. 02203 / 2 26 54; Die Kirche und die Religionen: E-Mail: tchakkiath@yahoo.de Europäische Missionare in Indien oder indische Missionare in Europa? ..........15 Nisa Punnamparambil, Dr. Ajit Lokhande Grüner Weg 23, 53572 Unkel-Scheuren Tel. 02224/9897690; Mission und Evangelisierung sind fortlaufende Aktivitäten aller Christen .......19 E-Mail: Daniel.Nisa@t-online.de Dr. Joseph Pathrapankal Redaktionelle Mitarbeit: Christen und Muslime im interkulturellen und interreligiösen Dialog ..............24 Walter Meister, Öhringen Josef Freise Unterstützung und Beratung: Indische Priester und Ordensschwestern in Deutschland: Pater Ignatius Chalissery; Köln; Dr. Urmila Unsere Tätigkeiten in Indien sind besonders auf die Armen ... . .........................27 Goel, Bonn; Dr. Martin Kämpchen, Santiniketan, Generaloberin Schwester Gregoria Thachil Indien; Dr. Ajit Lokhande, Jülich; Walter Meister, Wir sind mit den heutigen Bedingungen zufrieden ... ...........................................30 Öhringen; Pfarrer Ulrich Oligschläger, Königswin- Schwester-Oberin Maria Daisy ter; Dr. Claudia Warning, Lohmar Multikulturalismus – Rassismus ..............................................................................32 Gestaltung und Satz: Im Handumdrehen ....................................................................................................33 Alexander Schmid Elisabeth Günther Layout: Vom Elefanten und den Blinden (Teil 2) ...............................................................34 Jose Punnamparambil; Jose Ukken Paramgata Egbert Richter Herstellung und Vertrieb: Moderne indische Lyrik ............................................................................................37 Jose Ukken, Dr. Georg Lechner Im Rheingarten 21, 53639 Königswinter, Tel. 02223 / 49 49; Birbals Weisheit (Erzählung) ...................................................................................40 E-Mail: joseukken@googlemail.com Laudatio für Olaf Krüger anlässlich der Gisela-Bonn-Preisverleihung .............41 Druck: Dr. Heike Moser Siebengebirgs-Druck, 60 Jahre Regionalliteraturen in Indien ...................................................................43 Karlstraße 30, 53604 Bad Honnef G. N. Devy Erscheinungsweise: dreimal jährlich Als das Öllämpchen entzündet wurde ....................................................................44 Eine Spende von mindest. 13 Euro wird von Indu Prakash Pandey und Heidemarie Pandey den Lesern erwartet. Konto-Nr.: 106 3205, Chaosland Indien . .....................................................................................................45 Bank für Sozialwirtschaft (BLZ 370 205 00), Sean Paul Kelly Diözesan-Caritasverband, Köln Regionalliteraturen Indiens .....................................................................................47 Anna Martin Titelbild Vielgestaltige Facetten des religiösen Kosmos ......................................................48 „Childbride” von Amrita Sher-Gil Amrita Sher-Gil. Die Ikone der modernen indischen Malerei ............................49 Rückseite Shohini Ghosh / Navina Sundaram An den heiligen Füßen von Gomatheswar, Buchbesprechungen...................................................................................................53 Sravanabelagola, Indien (Foto: Olaf Krüger) Indorama ....................................................................................................................58 2 meine welt 2/2010
i e di t o ri a l I Keine Angst vor den Zuwanderern! Die immer wiederkehrende Diskussion über deutschen Gesellschaft zu werden unter Be- verdecken? Es ist nicht zu leugnen, dass die Integrationsunfähigkeit von Teilen der wahrung ihrer eigenen kulturellen Identität. die Anwesenheit von Touristen aus dem 15 Millionen Menschen mit Migrationshin- Dies ist ein langsamer Prozess, schmerzlich Westen, auch wenn sie zeitlich begrenzt ist, tergrund in Deutschland schürt Ängste und und mühsam, nicht nur für die Zuwanderer, schmerzhafte gesellschaftliche Verände- wirkt verunsichernd für die Betroffenen. Es sondern auch für die Aufnahmegesellschaft. rungen in diesen Ländern verursacht. ist ja bekannt, dass fast 90% dieser Bevöl- So war es auch anderswo, zum Beispiel in Natürlich hat der Staat das Recht, Zuwan- kerungsgruppe hier gut integriert ist. Wir Indien. Nach Indien kamen die ersten Mus- derung zu begrenzen, zu steuern. Dies haben einen Anwerbestopp seit 1973, daher lime unter Führung der Mogulen als Erobe- hat Deutschland mit dem Anwerbestopp leben die meisten Migranten der ersten Ge- rer und herrschten über das Land für mehr im Jahr 1973 erreicht. Danach kommen neration schon seit 40-50 Jahren in Deutsch- als 300 Jahre. Heute sind 13% der indischen Menschen aus nichteuropäischen Län- land. Eine große Mehrheit von ihnen besitzt Bevölkerung, fast 130 Millionen Menschen, dern nur im Rahmen der Familienzusam- schon die deutsche Staatsbürgerschaft. Die Muslime. Sie sind gut in das demokratische menführung, für Studienzwecke und als meisten der Kinder der ersten Generation System des Landes integriert. Sie haben ihre qualifizierte Fachkräfte nach Deutschland. von Einwanderern sind hier geboren und eigene Lebensweise, eigene kulturelle Eigen- Deutschland als Exportnation muss auch aufgewachsen, Deutschland ist für sie also schaften, eigene Glaubenspraxis. Aber sie seine Türe offenhalten für Menschen aus die Heimat. Die nachfolgenden Generatio- dominieren die anderen Bevölkerungsgrup- diesen Ländern, die sich geschäftsbedingt nen der Einwandererkinder sind deutsche pen nicht. Die indischen Muslime haben das in Deutschland aufhalten müssen. Die Staatsbürger per Gesetz, bis sie sich mit 21 Land enorm bereichert mit ihren prächtigen letzte Zuwanderungsgruppe sind die entscheiden, Deutsche zu bleiben oder die Monumenten wie z.B. das Taj Mahal, mit Asylbewerber, aber ihre Zahl ist in der Staatsbürgerschaft ihrer Eltern/ Großeltern ihrer feinen Miniaturmalerei, mit ihrer er- letzten Zeit merklich zurückgegangen. anzunehmen. greifenden Musik und mit ihrer großartigen Deutschland steht also heute nicht vor Deutschland schafft sich also nicht ab. Die Dichtung. Natürlich gibt es extremistische einer Zuwanderungswelle, denn es gibt die Ausländer, die Zuwanderer, werden Deut- Gruppierungen, fanatische Islamisten etc. notwendigen Instrumentarien, die Zuwan- sche. Der Überlebensinstinkt wird die große innerhalb der muslimischen Bevölkerung derung effektiv zu begrenzen, zu steuern. Mehrheit von ihnen dazu bringen, sich in Indien, aber auch sie werden nach dem Ohne Frage, die Anwesenheit von 15 anzupassen. Sie übernehmen den deutschen Gesetz und der Ordnung des Landes behan- Millionen Menschen mit Migrationshin- Lebensstil, lernen die deutsche Sprache, delt. tergrund hat Deutschland enorm berei- auch wenn dies nicht so perfekt gelingt und Der Übergang zu einer pluralistischen chert, sein Gesicht merklich verändert. nicht so schnell voran geht, ändern ihre Gesellschaft ist wegen der zunehmenden Im Vergleich zum Jahr 1966, als ich hier Verhaltensweise und akzeptieren allmählich Globalisierung zwingend notwendig und ankam, ist Deutschland vielfältiger, farbi- deutsche Sitten, Normen und Wertvorstel- geht mit schmerzhaften Veränderungen und ger, toleranter und aufregender geworden. lungen. Sie wissen schon, dass Recht und Anpassungen einher. Die Gastarbeiter da- Auf diesem Weg sollten wir behutsam Ordnung dieses Landes gilt, wenn man in ei- mals sind nicht als Eroberer nach Deutsch- weitergehen. nem anderen Land ist. Manchmal verstoßen land gekommen. Sie sind angeworben und Ich bitte um Ihre besondere Aufmerk- sie dagegen aus Unwissenheit, aus schwer nach Deutschland gebracht worden, um samkeit für das Schwerpunktthema „Die zu ändernder Gewohnheit, manchmal aus bestimmte Engpässe auf dem Arbeitsmarkt Kirche und die Religionen“. Trotz und krimineller Neigung. Dagegen zu beseitigen. Von ihrer Anwesenheit hat gibt es Gesetze, die Justiz und Strafverfah- Deutschland enorm profitiert. Aber sie ha- Herzlichst Ihr ren. Genau so wie die einheimischen Deut- ben auch eine unbequeme ‚Andersartigkeit’ J ose P unnamparambil schen, die gegen Recht und Ordnung versto- nach Deutschland gebracht. Diese Anders- ßen, werden auch die zugewanderten neuen artigkeit, diese Abweichung von dem Ge- Meine Welt Deutschen behandelt, wenn sie das Recht wohnten, das ist Teil des modernen Lebens Die Zeitschrift „Meine Welt” erscheint drei und die Ordnung des Landes missachten. überall in der Welt geworden. Damit muss Mal im Jahr. Eine Spende von mindestens Was können wir sonst mit den Menschen man sich arrangieren, muss man fertig wer- 13,00 Euro wird von den Lesern erwartet. Alle Rechte bleiben dem Herausgeber vorbehal mit Migrationshintergrund tun, wenn sie den. Mindestens 150.000 Deutsche wandern ten. Für unverlangt eingesandte Manuskripte unbequem sind? Wir können sie nicht aus jährlich in andere Länder der Welt aus. Wie übernimmt die Redaktion keine Haftung. dem Land ausweisen, wir können sie nicht viele Millionen Deutsche gehen als Tou- Die in den Beiträgen vertretenen Ansichten auf eine Insel verbannen. Sie sind Teil dieser risten in Länder wie die Türkei, Tunesien, decken sich nicht immer mit der Auffassung Gesellschaft, und wir müssen geduldig dar- Marokko, Ägypten, Indonesien, Indien etc. der Redaktion. Die Redaktion behält sich re- an arbeiten, die kleine Anzahl von Integra- und verbringen dort Tage und Woche ohne daktionelle Änderungen vor. Alle Zuschriften sind an die Redaktion zu richten. tionsverweigerern dazu zu bringen, Teil der ihre Eigenart und Fremdheit aufzugeben, zu meine welt 2/2010 3
i aktuelles i Eine bahnbrechende Gesetzgebung Grundschulbildung für 8 Millionen Kinder Das neue Gesetz zur Sicherstellung des staaten höher als die Nationalquoten. Feh- senzimmers sitzen. Die schulpolitischen Rechts auf Bildung und Erziehung ver- lende Sanitäreinrichtungen (wie Toiletten), Aktivisten informierten die Dorfbewohner spricht den über acht Millionen Kindern Nichtverfügbarkeit von Trinkwasser und von der Misere, und diese stürmten die die Grundschulbildung. Die von Dalitor- fehlender Zugang zum freien Mittagessen Schulen und protestierten gegen die Dis- ganisationen organisierte massive Mobi- sind die Gründe hierfür. Die Qualität der kriminierung. Sehr oft verkauften die mit lisierungskampagne Shiksha Adhikar Schulausbildung ist wegen Abwesenheit der Verteilung von Mittagessen betrauten Yatra hat deutlich gezeigt, dass Bürger und schlechter fachlicher Eignung der Personen die Lebensmittel heimlich an über das Instrumentarium verfügen, ef- Lehrer gering. Privatpersonen weiter und bereicherten fektive Regierungsführung zu fordern und 2009 hielt der Bund der nationalen Dalit- sich damit. Folglich bekamen die Kinder zu erhalten. Organisationen mit Unterstützung der ihr Mittagessen nur ein Mal oder zwei Mal Das neue Gesetz garantiert jedem Kind Vereinten Nationen eine massive Mobi- in der Woche. Viele mussten aus diesem kostenlose allgemeine Grundschulbildung. lisierungskampagne namens Shiksha Ad- Grund die Schule abbrechen. Es verpflichtet die Eltern, dies zu ermög- hikar Yatra in über 100 Dörfern mit dem Die Aktivisten brachten die Problematik lichen. Nach diesem Gesetz würden mehr Ziel, die Einschulungsquote zu erhöhen. der Dorfgemeinschaft zur Kenntnis, und als acht Millionen Menschen die Chance Durch ihren Zug von Dorf zu Dorf mit die Dorfgemeinschaft ihrerseits informier- haben, eine Schule zu besuchen. Dies ist Straßentheaterspielen und Wandmalereien te das Dorfoberhaupt. Aus der Dorfge- eine bahnbrechende Gesetzgebung. Sie hob die Kampagne das Grundrecht auf meinschaft wurde ein Team gebildet, das stellt einen wichtigen Schritt dar in Rich- Schulbildung hervor. Eltern diskutierten die Aufgabe hatte zu kontrollieren, ob das tung Verwirklichung der von den Vereinten Schulprobleme ihrer Kinder und die Qua- Mittagessen regelmäßig serviert wird. Dies Nationen formulierten Millenium-Ent- lität der dörflichen Schulbildung öffentlich. und die kooperiererende Haltung des Dor- wicklungsziele. Eins dieser Millennium- foberhaupts führten zum besseren Funk- Entwicklungsziele ist die Sicherstellung Diskriminierung und mangelhafte tionieren der Mittagessen-Ausgabe. Die von Grundschulbildungsmöglichkeiten Ernährung Befunde der Organisatoren von Shiksha für alle Kinder. Die Anführer des Mobilisierungszuges Adhikar Yatra wurden auch den zuständi- Die Regierung veröffentlichte gerade Lan- stellten fest, dass Kinder aus niedrige- gen Verwaltungsrichtern, Dorfoberhäupter desbericht zu Maßnahmen zur Verwirkli- ren Kasten in Schulen oft diskriminiert und den Kommunalverwaltungen vorge- chung der Millennium-Entwicklungsziele. wurden – wenn sie es überhaupt schaff- legt. Sie ergriffen alle notwendigen Maß- Der Bericht hat festgestellt, dass die Chan- ten, zur Schule zu gelangen. Sie stellten nahmen zur Linderung der Misere. Die cen zur Zielverwirklichung dort am besten weiterhin fest, dass die Kinder schlecht Schulbehörden lenkten ihrerseits auch waren, wo gezielte Einmischungen in Form ernährt waren. Die Kinder hatten nicht die ein. Sie ergriffen Maßnahmen, dass der von mehr finanziellen Mitteln und ver- geringste Ahnung von Lesen und Rech- Diskriminierung ein Ende gemacht wird. besserten institutionellen Mechanismen nen. Die Schulgebäude waren abbruchreif, Das Gesetz zum Recht auf Information ist initiiert worden waren. Bei der Univer- marode, baufällig, verfallen, verkommen. als ein effektives Instrumentarium einge- salisierung von Grundschulbildung und Viele Kinder hatten keinen Zugang zum setzt worden, um die Funktionseffektivität Erlangung von Geschlechtergleichheit in Trinkwasser gehabt. Sie hatten auch kei- der lokalen Behörden zu überprüfen. Das Bildungssachen hat Indien großen Fort- ne Grundsanitäreinrichtugen, geschweige gesetzliche Recht auf Information hat tau- schritt gemacht. Die Einschulungquote hat denn Toiletten. Lehrer aus höheren Kasten sende von einfachen Menschen – Arbeiter, sich von 75% in 1990 auf 96% in 2008 waren den Schülern aus niedrigen Kasten Bauern, Studenten, Hausfrauen, Rikshaw- erhöht. Aber die Kinder, die während gegenüber diskriminierend. Oft blieben die Wallas – dazu ermutigt zu verlangen, dass der Grundschulbildung vorzeitig von der Lehrer absichtlich von ihrem Unterricht sie von Behörden besser, prompter und Schule abgehen, kommen meistens aus fern. In vielen Schulen wurden Schüler korrekter bedient werden. Dies hat zu unterbemittelten Randgruppen. aus niedrigeren Kasten gezwungen, das besseren Dienstleistungen seitens der Der Bericht stellt mit Bedauern fest, dass Wasser aus ihren eigenen Krügen, nicht Behörden geführt. Die Ermächtigung die Qualität der Bildung noch schlecht ist aus dem gemeinsamen, zu trinken. Sie des einfachen Mannes hat so die Lücke und dass es landesweit an qualifizierten durften am Mittagessen nicht teilhaben. zwischen Soll- und Ist-Situation im Dienst- Lehrern mangelt. Die Schulabbruchquoten Ihnen wurden beim freien Mittagessen leistungsbereich aufgedeckt. Seit dem In- sind noch hoch, und die Schulabbruchquo- oft Schwierigkeiten gemacht. Sie muss- krafttreten des Gesetzes ist die Bürokratie ten für Mädchen sind in einigen Unions- ten oft in einem separaten Teil des Klas- erheblich weniger geworden, schreibt eine 4 meine welt 2/2010
i aktuelles i große überregionale Tageszeitung. Mit hin bekamen nicht nur die Schüler und Quelle: „Development – Dreams within Reach“ von Mandira Moddie, The Hindu Magazine, Berufung auf das Recht auf Information Schülerinnen ihrer Schule, sondern auch 13.6.2010). Bearbeitet und aus dem Englischen beschwerten sich zwei arme, ungelernte die des ganzen Bezirks die Kleider und übertragen von Thomas Chakkiath. Frauen über die fehlenden Schulbücher Bücher ausgehändigt. und Schulkleider für ihre Kinder. Darauf- Indien – 63 Jahre Unabhängigkeit Zwei Meinungen aus Indien Official Secrets Act im Jahr 1889 erlassen und 1923 novelliert worden war, ist das Gesetz zum Recht auf Information nichts weniger als eine Revolution. Das Schlimmste Der Ausnahmezustand: Vielleicht der ent- scheidendste Moment unseres Gemein- wesens. Der Ausnahmezustand brachte das Schlimmste in unserer politischen Klasse ans Licht. Die Demolierung der Babri Masjid: Was die Ausrufung des S harmila T agore Ausnahmezustandes unserer politischen K umar M angalam B irla ( F ilmschauspielerin ) Substanz antat, tat die Demolierung der U nternehmer Babri Masjid unserem Image als eine sä- Das Beste kuläre, friedliebende Nation an. 1947 wurde Indiens Unabhängigkeit mit Eine funktionierende Demokratie und Indien ist eine ungleiche Gesellschaft: Es enormer Skepsis aufgenommen/ begrüßt, die Unabhängigkeit der Wahlkommissi- ist nun fast 40 Jahre her, dass wir zum da die totale Erfahrungslosigkeit des Lan- on: Selbst wenn Indien eine Nation ist, die ersten Mal die Parole „garibi hatao“ des bezüglich der Fähigkeit, eine demokra- in die verschiedensten Richtungen gezo- (beseitige die Armut) hörten. Wir haben tische Republik zu führen, als vorgegeben gen wird, ist es vielleicht unsere größte grüne und weiße Revolutionen gesehen. galt. Auch die verblüffende Mannigfaltig- Errungenschaft, dass wir Millionen von Dennoch haben wir Hungertode, Bau- keit des Landes, linguistisch wie religiös, Menschen haben, die trotz des Versagens ern, die Selbstmord begehen, und Müt- schien den Erfolg zu erschweren. der Politik treu und brav ihr Wahlrecht ter, die ihre Kinder gegen eine Schüssel Für mich sind die sichersten Zeichen für ausüben. Das Verdienst geht an die Wahl- Reis tauschen. Nach der Planning Com- Indiens Demokratie die Institutionen und kommission, vielleicht die einzige Organ mission lebten 27,5% der Bevölkerung Mechanismen, die die Demokratie zu ei- der Regierung, die es geschafft hat, sich in dem Zeitraum 20042005 unterhalb ner Wirklichkeit gemacht haben. Die 1950 von politischen Einflüssen einigermaßen der Armutsgrenze. Und was wir tun, ist gebildete Wahlkommission hat den Wahl- freizuhalten. dies: Wir debattieren darüber, ob Men- prozess, das Lebensblut der Demokratie, Teilhabe der Frauen in der Politik auf lo- schen in städtischen Gegenden mit einer befähigt, selbstständig, unabhängig und kaler kommunaler Panchayat-Ebene: Ob- monatlichen Kaufkraft von mehr als 560 frei von Regierungseinflüssen abzulaufen. wohl die politische Teilhabe der Frauen am Rupien und die in dörflichen Gegenden Indien hat 15 Wahlen unter der Führung Parlament noch Gesetz werden soll, haben mit einer monatlichen Kaufkraft von 368 der Wahlkommission erlebt. Über die Jahre Frauen in Indien angefangen, zumindest Rupien oberhalb der Armutsgrenze liegen. haben die Wahlen an Bedeutung zugenom- auf Panchayat-Ebene politische Macht zu Wuchernde Korruption, sich langsam ver- men und die Wahlmandate genießen einen auszuüben. Dies wäre bis vor einem Jahr breitender Einfluss der Kasten, fehlerhafte extrem hohen Grad an Legitimität. unvorstellbar gewesen. Planungsprioritäten, all dies trägt zu einer Heute erntet der Erfolg der demokrati- Das Gesetz zum Recht auf Information: In Situation bei, wo unsere Entwicklungs- schen Prozesse Indiens weltweiten Beifall. einem Land, wo die Offenlegung von In- programme nur auf dem Papier bleiben. formation durch ein Gesetz geregelt wird, Quelle: The Hindu, 15.8.2010. Aus dem Eng- lischen ins Deutsche übertragen von Thomas das während der britischen Herrschaft als j j j Chakkiath meine welt 2/2010 5
i aktuelles i Ashwin Raman dem Master-Abschluss kehrte er nach In- dien zurück und fing an, als Reporter bei der Times of India zu arbeiten. Zu dieser Ein indischer Journalist von besonderer Klasse Zeit war die innenpolitische Lage Indiens äußert prekär. Im Juni 1975 rief die dama- lige Ministerpräsidentin Indira Gandhi den Notstand aus – die Pressefreiheit wurde eingeschränkt. Ashwin Raman, inzwischen in der journalistischen Gewerkschaft tä- tig, veröffentlichte mit seinen Kameraden trotz der verhängten Zensur weiterhin Nachrichten zu kritischen Themen aus dem Untergrund. Er wurde verhaftet und kam ins Gefängnis. Amnesty International, das seinen Fall von Hamburg aus betreute, konnte ihn nach einiger Zeit nach Deutsch- land holen. Schon damals war die „Times of India“ die auflagenstärkste englischspra- chige Tageszeitung Indiens. 2008 war sie mit 3.14 Mio. verkauften Exemplaren gar Es gibt nur einige wenige Journalisten TEAM und dreht alle seine Filme selbst. In die auflagenstärkste Tageszeitung weltweit. indischer Abstammung, die sich in deut- den letzten zehn Jahren drehte er über 20 schen Medien profiliert haben. Dazu Features und zahlreiche Magazinbeiträge In Nicaragua gehören George Paruvanani † (ZDF), für die öffentlich-rechtlichen Anstalten, In Hamburg begann Ashwin Raman für Navina Sundaram (NRD/ARD), Ranga überwiegend aus Afghanistan, Irak, Paki- den „Spiegel“ zu schreiben. Seine Texte Yogeshwar (WDR/ARD), Ramesh Jaura stan und Somalia. Seine letzte Reportage mussten jedoch übersetzt werden, was die (Printmedien) und nun Ashwin Raman. aus Afghanistan „ An vordersten Fronten“ Zusammenarbeit zu diesem Zeitpunkt Aber als Fernsehjournalist überragt Ash- zeigt sehr plastisch und einfühlsam, wie schwierig gestaltete. Als Amnesty Interna- win Raman, indem er innovative und risi- verfahren und unsicher die Situation dort tional ihm in Los Angeles eine Stelle anbot, koreiche Wege gegangen ist, um aus Kri- heute noch ist. Inzwischen haben einige zog er nach Kalifornien. Doch bald gab senherden der heutigen Zeit aufklärerische Studenten über die Arbeitsweise von Ra- es mit der dortigen Führung Differenzen und menschenbezogene Situationsberichte man eine Masterarbeit verfasst. Und als bezüglich einer unterschiedlichen Auffas- zu präsentieren. Ausgestattet mit einer Krönung seiner Karriere als TV-Journalist sung über den Begriff Menschenrechte, kugelsicheren Weste und einer kleinen ist Aswin Raman vor kurzem der deutsche insbesondere während des Bürgerkrie- Videokamera ist Raman ein ONE-MAN- Fernsehpreis für die beste Reportage des ges in Nicaragua. Sein Bericht wurde als Jahres verliehen worden. politisch zu brisant empfunden. Raman kündigte den Job, reiste als freier Journalist Der Weg zum Journalismus nach Nicaragua und berichtete von dort Ashwin Raman ist 1946 in Indien gebo- für den Rest des Bürgerkriegs für diver- ren und dort aufgewachsen. Als Sohn des se Zeitungen und Zeitschriften weltweit. damaligen Chefredakteurs der „Times of Ashwin Raman finanzierte von den Ein- India“ (Ahmedabad Ausgabe) und einer nahmen aus der Berichterstattung eine Lehrerin ist er in einem journalistischen, 16mm-Kamera und drehte in Eigenregie weltoffenen Umfeld groß geworden. Sei- seinen ersten Film „With the Sandinistas“ ne Eltern bezeichnet Ashwin Raman als in Nicaragua. Aufgrund der Exklusivität Freiheitskämpfer, seine Kindheit war von wurde der Beitrag von diversen europä- Freigeist und Toleranz geprägt. Nach dem ischen Fernsehanstalten, unter anderem Bachelor-Studium der Literaturwissen- dem WDR, übernommen. schaften in Indien bekam er ein Stipen- dium für ein Master-Studium an der Uni- Zurück nach Deutschland versity of Oxford. Bei den Olympischen Als der Bürgerkrieg 1979 vorüber war, zog Sommerspielen 1972 in München arbeitete Ashwin Raman zurück nach Deutschland. er als Host und knüpfte in dieser Zeit seine Zunächst widmete er sich wieder den Print- Ashwin Raman mit dem deutschen Fernsehpreis ersten Kontakte nach Deutschland. Nach medien, doch von 1981 an begann er sich 6 meine welt 2/2010
i umw e l t i mehr und mehr auf den Dokumentarfilm zu konzentrieren. Insgesamt hat Aswhin Hindu Ökologie Raman in den vergangenen 30 Jahren über 200 Dokumentarfilme gedreht, viele da- M akarand R . P aranjape genannt Rishis, wohnten generell in Wäl- von als One-Man-Team. In seinen Filmen dern. Diese Rishis konnten die Interdepen- dokumentiert er vor allem die Missstände Das Wort Ökologie wird aus den Grie- denz von allen belebten und unbelebten dieser Welt in allen Varianten. Von der chischen oikos (Haus) und logos (Lehre) Wesen wahrnehmen, und sie nannten dies Pharmaindustrie über Asyl-Fragen, Aus- abgeleitet und wird im allgemeinen als die Rta oder die große kosmische Ordnung. beutung von Bauern in Indien bis hin zu Beziehungen unter verschiedenen Lebens- Ein Leben in Harmonie mit Rta wurde dem Gefangenenlager in Guantanamo Bay formen, die in einem Habitat, in unserem als das größte Glück und das höchste Gut reichten die Themen, die hauptsächlich für Fall auf der Erde leben, verstanden. Das betrachtet, aber ein Verstoß gegen Rta die deutschen öffentlich-rechtlichen Sen- Wort Hindu kommt aus dem Wort sind- würde zu Disharmonie und Leid führen. der produziert wurden. Erst in den letzten hu, das für den Fluss Indus steht, und war Zu den Eremitagen dieser Rishis, die 10 Jahren hat Ashwin Raman den Fokus der Name, den die Perser den Einwoh- Lehrer der Menschheit waren, kamen seiner Arbeit auf die Kriegsberichterstat- nern Indiens gaben. Heute bezieht sich Könige und ihre Nachkommenschaft tung gelegt. Sein aktueller Film „Somalia das Wort weitgehend auf die Anhänger sowie einfache Bürger und Bauern. Alle – Land ohne Gesetz“ lief am 20. April 2010 des Hinduismus, die fast eine Milliarde lernten zusammen die Grundwahrheiten im ZDF und wurde für den Fernsehpreis Menschen ausmachen und in Indien und des Lebens, hauptsächlich dharma oder 2010 „Beste Reportage“ nominiert. in Dutzenden von Ländern weit zerstreut Gerechtigkeit, die die Basis der natürlichen leben. Natürlich ist Hinduismus weniger und kosmischen Ordnung war. Was Rta Ein Bildmensch und Anti- eine Religion als vielmehr eine Lebenswei- für den Kosmos war, war dharma für die Establishment-Journalist se. Hindu Ökologie bedeutet daher nicht Menschheit. Seine Selbsteinschätzung als Journalist: bloß wie die Hindus leben und in welcher „ Ich bin mit Filmen groß geworden. Als Beziehung sie zu ihrer Umwelt stehen, Zwei Ordnungen ich in Indien lebte, war die Ausrüstung sondern auch, was aus hinduistischer Sicht Die Wälder in alten Zeiten waren nicht teuer und umfangreich. Ich habe einen solch eine Beziehung sein könnte. nur die Ursprungsquelle von menschli- filmischen Kopf (...) Und wie gesagt bin ich Von sehr altertümlichen Zeiten an ha- chem Wohlstand, sondern auch die Orte ein Bildmensch (...) Als sich mir dann die ben die Hindus großen Respekt für alle für Buße und Selbstkasteiung, Askese und Möglichkeit bot, selbst Filme zu machen, Formen des Lebens gehabt. Wälder zum spirituelle Kontemplation. Es war, als ob war es naheliegend, dass ich das tue. Und Beispiel waren besonders heilig. Die be- zwei Ordnungen oder Lebensweisen ge- ich würde sagen, dass es nicht angelernt deutendsten Hinduschriften, die Veden, gründet worden wären, die eine, die zu ist oder irgendjemand mir das beigebracht haben große Abschnitte, die Aranyakas weltlichem Glück (Genuss) – Kama und hat. Nein, ich habe diese Fähigkeit.“ oder Forst-Bücher heißen. Die Upanisha- Artha – führt und die andere, die zu Er- Und er führt weiter aus: „ My mother, den, die die Quintessenz des hinduistischen leuchtung, Erlösung – Dharma und Mok- a teacher, and my father, an anti-estab- Gedankenguts und der Philosophie ver- sha – führt. Natürlich wurden sie nicht als lishment journalist were freedom fighters körpern, sind ein Teil dieser Forst-Bücher. zwei separate Sachen oder als antithetisch (Gandhians) and I was brought up in a Hier ist ein Beispiel aus einer der berühm- oder gegensätzlich angesehen. Sie bildeten climate of free spirit and tolerance. And ten Hymnen, der Bhumi Suktam, aus der zusammen den Nährboden für ein gutes this is what I am today, a free-spirited, Atharva Veda: Leben auf der Erde. anti-establishment journalist.“ j „Die Erde, auf der Seen, Flüsse und die Aber die Basis für beide Wege war Respekt J ose P unnamparambil viele Gewässer liegen, auf der Hochwasser für und Anerkennung der Interdependenz und Getreidefelder entstehen, auf der alles, zwischen Mensch und Natur. Quelle: One-Man-Team im Kriegsgebiet, Mas- das atmet und sich bewegt, sein Zuhause In einem berühmten Vers in der Bhagavad terarbeit zur Erlangung des Grades eines Master of Arts in TV-Journalism (M.A) der Fachhoch- hat, möge sie uns ihren feinsten Ertrag Gita, einer der beliebten heiligen Schriften schule Hannover, eingereicht von Moritz Ort- schenken.‘‘ der Hindus, wird diese Interdependenz mann, Hannover 2010 Es wird allgemein angenommen, dass die zum Ausdruck gebracht: Gründer der hinduistischen Gesellschaft „Aus Speisen entstehen Lebewesen, aus nicht Könige oder Eroberer waren, son- Regen entstehen Speisen, aus Aufopferung dern Weise und Mystiker. Die letzteren, entsteht Regen und Aufopferung entsteht aus Taten.“ Hier sehen wir deutlich einen Zyklus von Markand R. Paranjape ist Professor für Sprache, Gegenseitigkeit und Wechselseitigkeit Literatur und Kultur an der Jawaharlal-Nehru- Universität, Delhi/Indien. Er hat bisher 30 Bü- (Reziprozität) zwischen Handlung (ac- cher herausgegeben. tion),Aufopferung, Regen und Speisen, das meine welt 2/2010 7
i umw e l t i heißt zwischen menschlichen, natürlichen Im Parlament der Weltreligionen ( Mel- eher ein Schlachtfeld dar von verschie- und übernatürlichen Bereichen. bourne,Australien, Dezember 2009) wurde denen Meinungen, Debatten, aber ohne Sri Krishnas Erläuterung zu Arjuna führt eine Erklärung zu den Grundthesen der Konflikt oder Feindseligkeit. Viertens, zu der der folgenden Feststellung: Hindu Ökologie abgegeben. Sie endet seine zentrale Tendenz besteht darin, die „O Arjuna! Jener Mensch, der diesem mit dem eloquenten Appell an die ganze ganze Welt und alle Objekte darin zu sa- immer-revolvierenden Zyklus der Natur Menschheit, jene radikale Bewusstseins- kralisieren. Diese Tendenz ist in so einem nicht folgt, sündigt, sich des Sinnesgenusses änderung zu bewirken, die für die Rettung Ausmaß offenkundig, dass sie sogar den erfreut, hat ein sinnloses Leben.“ unseres Planeten erforderlich ist. Säkularismus in ein heiliges Glaubensbe- Offensichtlich werden laut dem „Herrn“ „Selbst die Überlebenschance der Mensch- kenntnis und instrumentale Rationalität diejenigen, die diesen Zyklus der Natur heit hängt von unserer Fähigkeit ab, einen umwandelt, welches selbst ein Weg ist, die brechen, schlimme Konsequenzen zu großen Bewusstseinswandel zu bewirken, Welt zu desakralisieren. Es ist diese Ten- tragen haben. Wir sind auf Speisen ange- der genauso signifikant ist wie die frühe- denz, die den Hinduismus davon abhält, wiesen. Die Speisen kommen von Regen. ren Wandel vom nomadischen zum land- nicht nur andere Menschen, sondern auch Regen kommt vom Himmel. Der Himmel wirtschaftlichen, landwirtschaftlichen zum nichtmenschliche Lebewesen auszubeuten. lächelt uns an, wenn wir ein tugendhaf- industriellen und vom industriellen zum Trotz dieses Weltbildes könnten sogar mo- tes Leben führen. Aber wenn wir nur ein technologischen. Konkurrenz soll in Kom- derne Hindus, die der konsumorientierten Genussleben führen, ohne jegliche Ver- plementarität übergehen, Konflikt soll in westlichen Kultur folgen, in Versuchung antwortung für andere Formen des Le- Einvernehmen übergehen, Genusssucht gebracht werden, die Umwelt und die bens oder für die kosmische Ordnung von in Holismus (Ganzheitslehre) übergehen, Umweltkrise, die wir heute haben, zu ver- Gerechtigkeit, riskieren wir unser Leben. Maximierung soll in Optimierung überge- nachlässigen. Ein Grund für unsere halb- Diese „traditionelle‘‘ Art von Kausalität, hen. Kurz gesagt, müssen wir schnell auf ein herzige Teilnahme an Umweltaktivitäten obwohl scheinbar „unwissenschaftlich‘‘, globales Bewusstsein, das das gegenwärtige liegt jedoch darin, dass so viele von uns hat auch in modernen Zeiten noch Befür- gebrochene Bewusstsein der Menschheit unglaublich arm sind und wir das meis- worter, einschließlich Mahatma Gandhi ersetzt, zugehen.‘‘ te unserer Energie bloß zum Überleben selbst. 1932 schockierte er viele seiner Zeitgenossen, indem er erklärte, dass die verheerenden Erdbeben von Bihar im Jahr „Selbst die Überlebenschance der Menschheit hängt zuvor in Verbindung mit der „Sünde‘‘ der von unserer Fähigkeit ab, einen großen Bewusstseins- Unberührbarkeit in Verbindung gebracht werden könnten, die die höheren Kasten wandel zu bewirken, der genauso signifikant ist wie gegenüber ihren Brüdern (Mitmenschen) die früheren Wandel vom nomadischen zum landwirt- aus niederen Kasten praktizierten. Gandhi verteidigte sich gegen Vorwürfe, dass er schaftlichen, landwirtschaftlichen zum industriellen unwissenschaftlich wäre, indem er sagte, dass alle Gesetze von Natur und Gott und vom industriellen zum technologischen. Konkur- den Menschen noch nicht bekannt seien, renz soll in Komplementarität übergehen, Konflikt soll und wenn Gott und seine Gesetze eins wären, hätte kein Geschehnis im Kosmos in Einvernehmen übergehen, Genusssucht in Holismus zufällig sein können. Außerdem konnte (Ganzheitsdenken) übergehen, Maximierung soll in er diese Möglichkeit, das Gewissen sei- ner Mitmenschen zu sensibilisieren und Optimierung übergehen.“ sie zum Selbstreformieren zu motivieren, nicht aufgeben. Andere Betrachtungsweise benutzen. Mit der sukzessiven Linderung Viele Jahre nach dem Tode Gandhis im Hinduismus ist mit anderen Worten eine der Massenarmut und der Erhöhung von Jahr 1948 umarmten die Bewohner von bestimmte andere Weise, das Selbst, die Lebensstandard und Verbesserung von Uttarkhand Bäume, um sie vor Abholzung Gesellschaft und den Kosmos zu betrach- Gesundheitsfürsorge ist die Hoffnung durch skrupellose Geschäftsinteressen zu ten. Er lässt keinen Anfang und kein verbunden, dass Hindus sich mehr für schützen. Diese Art von gewaltlosem Um- Ende zu. Zweitens, er ist pluralistisch, das Wohlbefinden unseres Planeten in- weltaktivismus, Chipko (halte fest) wie ohne relativistisch zu sein, das heißt er teressieren werden. j dies heißt, erzielte landesweite und inter- akzeptiert die Einheitlichkeit der Wahr- Quelle: SGI Quarterly, July 2010, Tokyo, Japan. nationale Anerkennung. In jüngster Zeit heit. Aber er räumt Ausdrucksvielfalt ein. Abgedruckt mit freundlicher Zustimmung des hat es andere tapfere Versuche gegeben, Drittens, er hat keinen alleinigen, zentra- Autors. die Flüsse und das Wild, insbesondere den len, geschriebenen Text, keinen Prophet, Aus dem Englischen ins Deutsche übersetzt von Thomas Chakkiath. vom Aussterben bedrohten Tiger, zu retten. keinen Gründer, keine Kirche. Er stellt 8 meine welt 2/2010
i n a c h ru f i Bei mir wird es eng! Nachdenken über das Ableben von Freunden Es war ein schöner Herbsttag im Jahr auch einige Studenten/Studentinnen sowie 2007. Ich und meine Frau Sosamma fuhren in Indien ausgebildete Krankenschwes- mit unserem Freund Jose Ukken (Mit- tern, die in verschiedenen Krankenhäu- arbeiter von MEINE WELT) und seiner sern als Pflegekraft tätig waren. Um die Frau Lilly nach Viernheim. Dort holten Integration dieser Zielgruppe zu fördern wir Herrn Gosalia ab und fuhren weiter und ihnen ein soziales und kulturelles nach Ludwigshafen. In einem Hospiz in Leben zu ermöglichen, richtete der Ca- Ludwigshafen lag Frau Sushi-la Gosalia, ritasverband für die Stadt Köln Anfang die langjährige Familienfreundin von der 70er Jahre des letzten Jahrhunderts uns und Redaktionsmitglied von MEI- den indischen Sozialdienst ein. Ich war bei NE WELT. Sie litt unter einer seltenen diesem Dienst in der Anfangsphase mit Muskelschwundkrankheit, die nicht zu dabei. Mit Unterstützung dieses Dienstes heilen war. sowie aus eigener Initiative führten die Sushila war in ihrem Zimmer, als wir im Inder in Köln/Bonn und Umgebung viele Hospiz ankamen. Wir nahmen Platz im Programme wie Theatervorführung, Tanz- Empfangszimmer. Herr Gosalia holte sie und Musikprogramme, Gesellschaftsfeste, dann aus ihrem Zimmer und brachte sie Besichtigungsreisen etc. etc durch. Sebas- auf einem Rollstuhl zu uns. Sie saß da, tian war immer in der ersten Reihe bei der geschrumpft, unbeweglich, ihre lebendi- Organisation und Durchführung mancher gen Augen auf uns gerichtet. Sie wollte dieser Programme. Er war kreativ, einsatz- vieles sagen, aber konnte nicht. Sie war bereit und legte immer Wert auf verant- wegen ihrer Krankheit schon seit einigen wortungsvolles Handeln. Er arbeitete sehr Monaten stumm, aber sie konnte hören leise, war immer korrekt und diszipliniert und verstehen. Wir saßen da, verwirrt, Wörter! Klangen sie ihr belanglos, leer and war gegenüber Mitarbeitenden sehr geschockt, versteinert. und inhaltsarm? Ich weiß es nicht. Sie gab zuvorkommend and freundlich. Sushila hatten wir nie so gesehen, sie war ihrem Mann ein Signal. Er brachte ihr eine Später engagierte er sich bei der Orga- immer in Bewegung – sprechend, lachend, kleine Schiefertafel. Darauf schrieb sie: nisation eines Dachverbandes für alle gestikulierend. Jahrelang hatte sie mit mir „Warum hat der lieber Gott mir dies getan? indischen Vereine in Deutschland – BIG und einigen anderen Freunden zusammen Ich war immer eine Power-Frau gewesen.“ genannt – und in der letzten Zeit war er das Indien-Seminar in Mülheim an der Mit feuchten Augen lasen wir die Wörter, ein aktives Mitglied des World Malayalee Ruhr federführend geleitet. Sie war der unser Herz blutete in aller Stille. Council (Deutsche Sektion). Für mich war Geist dieses Seminars. Seit 1984 hatte ich Bald fuhren wir nach Hause zurück. Am Sebastian ein guter Freund, ein zuverlässi- zusammen mit ihr MEINE WELT als eine 12. Februar verstarb Sushila in Ludwigs- ger Partner und ein engagierter Mitarbei- Zeitschrift des deutsch-indischen Dialogs hafen. ter bei vielen Projekten und Programmen, aufgebaut. Bei vielen anderen Projekten, j j j die dem Interesse der indischen Gemein- Als ich 1966 nach Deutschland kam, waren schaft in Deutschland dienten und die die schon einige Inder aus Kerala in Köln. deutsch-indische Verständigung förder- Einer von ihnen war Sebastian Chakku- ten, hatten wir zusammengearbeitet. Und purakal. Er absolvierte damals ein Inge- nun saß sie da auf einem Rollstuhl, hilflos, nieurstudium und wohnte in Köln. Da gezeichnet von der tödlichen Krankheit, ich auch viele Jahre in Köln und später wartend auf den erlösenden Moment. Mir in Unkel (nur 50 km entfernt von Köln) liefen die Tränen herunter. Ich nahm ihre wohnte, kamen wir oft zusammen und Hand und versuchte, ihr etwas zu sagen. wurden Freunde. Aber die Wörter kamen nur sehr zögernd Damals waren viele Inderinnen aus Kerala heraus, tröstende, an die Vergangenheit in Köln, Bonn, Düsseldorf und Umgebung, erinnernde, über die Vergänglichkeit die- entweder als Krankenpflegeschülerinnen ses weltlichen Daseins philosophierende oder als Aspirantinnen in Klöstern. Es gab meine welt 2/2010 9
i n a c h ru f i bei denen ich an vorderster Stelle in den Haltungen über viele Themen wieder, die 70er und 80er Jahren beteiligt war. Sebas- für die Zukunft der Kirche sehr relevant tian starb nach schwerer Krankheit am 14. sind. Für die vorliegende Ausgabe hatte ich September 2010 in Frechen, Köln. Damit ihn gebeten, seine Meinung über Missions- habe ich und noch viele andere einen guten arbeit in der heutigen Zeit niederzuschrei- Freund verloren, für immer. ben und mir zuzuschicken, aber leider kam j j j der Tod etwas früher und hinderte ihn an Pater Joseph Thondipura, ein Priester des der Erfüllung dieser Aufgabe. indischen Carmeliterordens, kam im Jahr So sind drei Freunde von mir gegangen, die 1976 nach Königswinter. Er wurde dorthin zu der ersten Generation indischer Migran- geschickt, um in der Pfarrei St. Remigius ten in der Nachkriegszeit in Deutschland als Kaplan zu arbeiten und eine entspre- gehörten. Sie waren nicht nur Freunde, chende Pastoraltätigkeit auszuüben. Zu sondern auch Menschen, mit denen ich dieser Zeit lebte ich mit meiner Familie Ideen und Ansichten teilte und mit denen in Unkel, einem abgelegenen Dorf etwa zusammen ich einiges zur Förderung der 8 Kilometer südlich von Königswinter, ter in Deutschland „Neues Kerala e.V.“ in deutsch-indischen Verständigung und des und arbeitete für die Deutsche Stiftung Bonn. Nach einigen Jahren verließ er diese Dialogs zustande brachte. Wenn Freunde für Internationale Entwicklung in Bad Stelle und wurde Pfarrer in Wichterich/ sterben, sterbe ich auch ein Stück mit, da Honnef. Pater Joseph besuchte uns oft, und Zülpich (Köln). Unerwartet starb Pater Jo- mein soziales und geistiges Leben in enger wir sprachen und diskutierten über viele seph in der Nacht vom 16. September 2010 Verbindung mit diesen Menschen steht. wichtige Themen, wie die Notwendigkeit während des Schlafes in seinem Zimmer. Ich spüre schon, dass mir der Raum en- einer Erneuerung der indischen Kirche, Pater Joseph hat das Anliegen dieser Zeit- ger wird, die Zeit kürzer und die Sprache das falsche Bild Indiens in Deutschland, schrift, nämlich die Förderung des deutsch- kahler wegen der fehlenden Kommuni- die Notwendigkeit eines ernsthaften Di- indischen Dialogs, immer unterstützt mit kationspartner. Aber diese Freunde, die alogs zwischen Christentum und den Re- Beiträgen, Interviews etc. Sein Beitrag in nicht mehr da sind, haben mein Leben ligionen Indiens etc. etc. Pater Joseph war dem Buch „Heimat in der Fremde“ (Her- bereichert, und dafür bin ich dankbar. j ein kleiner Rebell, er hatte abweichende ausgeber: MEINE WELT) spiegelt seine J ose P unnamparambil Meinungen zu vielen aktuellen Fragen, mit der sich die Kirche beschäftigte. Er nahm kein Blatt vor den Mund, wenn er seine Kritik an verkrusteten Haltungen der offiziellen Kirche kundtat. Damals Große Fortschritte diskutierten wir schon über die Möglich- In den vergangenen sechzig Jahren hat den vergangenen sechzig Jahren erlangten keit, ein Zentrum irgendwo am Rhein Indien große Fortschritte gemacht. 1950 hunderte Millionen Inder gesellschaftli- zu errichten, wo Austausch und Dialog betrug die Lebenserwartung 32 Jahre, heu- ches Ansehen, die früher vom politischen zwischen Vertretern der Religionen sowie te liegt sie bei 68 Jahren. Damals konnten Leben ausgeschlossen waren, weil sie ent- Begegnungen und Gespräche zwischen nur 18 Prozent der Bevölkerung lesen und weder zu arm waren oder einer der unteren Menschen aus Deutschland und Indien schreiben, heute immerhin 68 Prozent, wo- Kasten der Hindu-Hierarchie angehörten. stattfinden könnten. bei viele von ihnen nur Grundkenntnisse Die indische Demokratie ist lebendig und Nach einer fünfjährigen Tätigkeit in besitzen. Die Kindersterblichkeit ist in In- dynamisch. Anders als in vielen westlichen Königswinter wurde Pater Joseph nach dien mit 53 von 1000 Geburten zwar immer Ländern wählen gerade die Armen mit Aegidienberg/Rhein-Sieg-Kreis versetzt, noch erschreckend hoch, doch gegenüber Begeisterung und in großer Zahl. Es ist ihr dann nach Bonn-Friesdorf, von dort zu- 1950, als von 1000 Neugeborenen 134 die Verdienst, dass die Wahlbeteiligung in den rück nach Indien, wo er am Dharmaram ersten Monate nicht überlebten, um mehr letzten vier Jahrzehnten von rund 50 auf 65 College, Bangalore, einige Jahre Theologie als die Hälfte gesunken. Prozent gestiegen ist. Dagegen verzeich- unterrichtete. Während dieser Zeit besuch- Wichtiger aber ist, dass sich die Demo- nen die beiden reichsten Wahlkreise des ten ich und meine Frau ihn in Bangalore. kratie in Indien gefestigt hat. Abgesehen Landes, South Mumbai und New Delhi, die Er war voll begeistert damals von seiner von eineinhalb Jahren Notstandsregierung niedrigsten Wahlbeteiligungen von allen. Lehrtätigkeit und zeigte uns die verschie- (1975-1977) unter Indira Gandhi war die P raful B idwai denen Einrichtungen dieser einmaligen Verfassung formell nie außer Kraft ge- J ournalist in D elhi Institution der indischen Carmeliter. Vor setzt. Und anders als in vielen Ländern Quelle: „Die Liebe zur Demokratie“, Indien – längerer Zeit kam er wieder nach Deutsch- der Dritten Welt hat sich das Militär aus Die barfüßige Großmacht, Edition – Le Monde land zurück, diesmal als Geschäftsführer der Politik weitgehend herausgehalten. In diplomatique, 2010 des Fördervereins der indischen Carmeli- 10 meine welt 2/2010
i wir t s c h a f t i Trotz glänzenden Wachstums weit verbreitete Armut in Indien 70 Prozent der Inder haben ein Einkommen von 20 Rupien pro Tag Sind Hunger und Hungertod noch hin- Kommission, die den Anteil der Armen Arbeitsgarantie zeigen, wie wichtig es ist, nehmbar? Trotz Verabschiedung des auf 40% einschätzt, um ihnen Anspruch ökonomischen und sozialen Ansprüchen Gesetzes zum Recht auf Nahrung, das auf subventionierte Nahrungsmittel ge- einen gesetzlichen Rahmen zu geben. etliche Grundbedürfnisse festlegt, ist währen, entsprechen nicht dem wirklichen Die Knappheit von Ressourcen kann nicht Armut in Indien noch weit verbreitet. Armutszustand im Lande. Es hat in den mehr Ausrede sein, Menschen verhungern Ein schlimmes moralisches Defizit ist letzten zwei Jahren auch andere Armuts- zu lassen. Es ist eine Sache des richtige hier ein zugrunde liegender Faktor. berichte gegeben. Beispiele hierfür sind Prioritäten Setzens und eine Sache eines das von der Zentralregierung einberufene moralischen Defizits. Der NCEUS-Bericht Beweise vermehren sich in vielen Teilen „National Commitee for Enterprises in the sagt, das Schutznetz könne auch mit den Indiens dafür, dass die von Amartya Sen Unorganised Sector“ und das von dem Mi- gegebenen begrenzten Mitteln gespannt genannte andauernde Massenarmut, insbe- nisterium für Entwicklung des dörflichen werden. Wenn eine allgemeine Subvention sondere akute Fehl- und Unterernährung Raums einberufene „Saxena Committee“. in Tamil Nadu und ein Public Distribution unter vielen Kindern, noch fortbesteht. Laut dem ersteren hatten 77% der Inder System in Kerala gut funktionieren, warum Kürzlich erschienen Berichte in The Hin- ein Einkommen von weniger als 20 Rupien sollen sie sonstwo nicht funktionieren? dustan Times und auf BBC über arme, pro Tag in dem Zeitraum 2004-05. Laut Bestimmte Prioritätenverschiebungen hungrige Kinder, die aus Verzweiflung Saxena-Komitee sollten 50 % der Bevöl- sollen stattfinden: hin zu durchsetzbaren Schlamm und Kieselerde aßen. Dies ge- kerung als unterhalb der Armutsgrenze Rechten, zur Umsetzung des Gesetzes schah in dem Dorf Ganne im Allahabad lebend bezeichnet werden. durch partzipatorische Entwicklung, zur District. Diese Berichte decken nochmals Ermächtigung und Stärkung der Armen ernstzunehmende Fälle von bitterer Ver- Kolkata-Gruppe und gesellschaftlich Ausgegrenzten, zur nachlässigung von Kindern auf und deuten Eine von Amartya Sen inspirierte und ge- Befähigung der Betroffenen, eigene Rech- auf eine völlig gefühllose Administration. leitete unabhängige Initiative, die Kolkata- te öffentlich und friedlich zu erkämpfen, In Erwiderung auf Medienberichte über Gruppe, hat die Regierung aufgefordert, und zu mehr wahrer Demokratie. Amartya die Armutssituation im Lande, die von dass das Recht-auf-Nahrung-Gesetz ohne Sen plädiert für wirtschaftliche Entwick- Frau Arundhati Dhuru und Prof. Jean Diskriminierung implementiert werden lung als ein Mittel zur humanen Entwick- Dreze, Mitglieder des National Advisory soll und dass es allen Indern Anspruch auf lung. Sen wird in Indien hochgejubelt, aber Council, verbreitet worden waren, ordnete Nahrung gewähren soll. Das achte Kolkota- seine Ratschläge bleiben unbeachtet. der Supreme Court eine Untersuchung an. Group-Workshop (Februar 2010) forderte Die Befunde der Untersuchung sind diese: dies ausdrücklich.Amartya Sen betonte die Gefühllose Gesellschaft Es gibt einen totalen Zusammenbruch der Notwendigkeit zu einer eindeutigen An- Es ist nicht einfach die Mobilisierung von Projekte, die mit der Nahrungssicherung erkennung dieses Gesetzes. Die von dem wirtschaftlichen und anderen Ressourcen, verbunden sind, und 80% der Menschen Gesetz zugesicherten Ansprüche sollen die das Land braucht, sondern auch eine werden ihre Ansprüche vorenthalten. für Getreide aus dem öffentlichen Vertei- Mobilisierung des Schamgefühls. Es ist Menschen leben in akuter Armut und lungssystem, Schulmahlzeiten, Ernährung einfach keine Frage der Ausgleichung des kämpfen gegen den Hungertod. 90% für Kinder unter sechs, Maßnahmen für Haushaltsplans, keine Frage der Verbesse- der untersuchten Kinder leiden an Feh- soziale Sicherheit und für andere damit rung eines Finanzdefizits. Es ist eher eine lernährung des vierten Grades. Gewählte verbundenen Programme gelten, sagt die Frage der Anerkennung des erschrecken- Volksvetreter und die Regierung haben Kolkota Gruppe. Angesichts der extrem den Defizits an sozialem Gewissen. Eine darin versagt, den Menschen das Recht hohen Unterernährung in Indien, insbe- arme Familie, die hilflos zusehen muss, auf Nahrung zu sichern und ihr Leben zu sondere unter Frauen und Kindern, hat wie ihre Kinder an Hunger leiden, er- schützen. Viele Menschen im Dorf Ganne Sen für die entschlossene Umsetzung des duldet nicht nur physisches und geistiges arbeiten als bonded labourers. Gesetzes für alle plädiert. Um allen das Leid, sondern auch verletztes Ehrgefühl, Die Recht-auf-Nahrung-Kampagne,die Recht auf Nahrung zu garantieren, benö- Verlust der Würde, der Hoffnung. Solche bürgerliche Gesellschaft und Ökonomen tigt man umfassende Gesetzgebung, sagt Entfremdung kann traumatisch sein und wie Jean Dreze zeigen diesbezüglich viele er. Die neueren Gerichtsentscheide zum soziale Unruhe, Extremismus und Aufruhr Punkte auf. Die Angaben der Tedulkar- Recht auf Nahrung sowie auf staatliche verursachen, wie es mit den Stammesange- meine welt 2/2010 11
i wir t s c h a f t i hörigen passierte, bei denen Fehlernährung sterben in Delhi täglich zehn Obdachlose. Preis für ein vor Hunger sterbendes Kind am höchsten (bis zu 90%) ist. Umgekehrt Dass so viele tagtäglich vor unserer Haus- festlegen? Gandhiji sagte, im Zweifelsfall erdulden auch die gefühllose Gesellschaft tür, nahe bei dem Machtzentrum sterben, solle man an die Ärmsten und Schwächs- und die Regierung den gleichen Verlust ist eine Mahnung wegen des fehlenden ten denken, daran, wie die Auswirkungen an ihrem wahren und höheren Selbst, Mitgefühls in der indischen Gesellschaft. unserer Beschlüsse sie betreffen. j Menschlichkeit und Barmherzigkeit. All dies geschieht in einem Land, wo sich Quelle: „Stop the Hunger“. Prahlad Singh The Indien greift zum Mond, aber die Frage ist, alle zwei Jahre die Anzahl der Milliardäre Hindu Magazine, 25.7.2010 ob es seine hungernden Kinder erreichen verdoppelt und seine Bürger insgesamt Bearbeitet und aus dem Englischen übertragen kann. Laut Herrn Harsh Mandar, einem 1446 Milliarden Dollar unrechtmäßig in von Thomas Chakkiath. der von dem Supreme Court berufenen der Schweiz angelegt haben.Wie kann man Kommissare für Nahrungsversorgung, in einem „armen‘‘ Land wie Indien den L i t e ra t ur Jnanpith 2007 für O. N.V.Kurup Sonnengesang in allem Summen, Licht, Licht, überall Licht Ehre! Oh Sonne, Verehrung Dir! möge sein. Diese meine Gebetstaube, Für andere sich verzehrende, weiß und fein, sich aufopfernd brennende wenn ich sie emporsteigen lasse, hoch, Ikone der Liebe. darin, oh Sonne, Deine Auferstehung! Oh, Du Sonne! Unerschöpflich, Du Quelle, So wie sich Dein Wagenrad glühend, dreht im Himmelsraum, nie versiegend sickert Licht still und freudig auf der Erde, aus Deinem unerschöpflichen Gefäß ganz und gar, wie überfließende Tropfen der warmen Milch. möge mein Schritt Von den Lichtfäden berauscht, halten und walten, kündigt sich der Tanz des Lebens an nur um zu singen Einer der bedeutendsten Dichter In- im kleinen Lichtkreis der Erde. mein töricht‘ Lied, diens aus Kerala, der in Malayalam um zu verkünden schreibt, wurde mit der höchsten litera- Licht, Licht, überall Licht, unter allen Menschen: rischen Auszeichnung Indiens, nämlich auf der Erde Licht, Freiheit ist Unsterblichkeit, dem JNANAPITH, ausgezeichnet. Er ist im Himmel Licht, sie ist das Leben auch einer der begehrtesten Lyriker, in meinen Augen, und die Freude eben, der für Filmlieder Texte verfasst. Geb. in meinen Träumen, die wir suchen und ersehnen. 1931 in Chavara, Kerala, ist O.N.V., wie in den Tönen meiner Lippen. In der Melodie meiner Worte, Wenn ich so stehe, er allgemein bekannt ist, ein Malaya- Licht in meinem Hof um dies zu verkünden lam-Dichter mit großer schöpferischer Und in meiner Feuerstelle. hier und jetzt, Kraft, der, ohne die traditionellen zu oh Du Sonne, verlassen, moderne Themen aufge- Du brennst Licht im Haus meiner Nachbarn, griffen hat. Über 35 Gedichtbände des Licht in den Höfen, im Docht meiner Worte. ehemaligen Hochschullehrers sind bis wo das Reiskorn frisch Oh, Du brennst heute erschienen. Viele seiner Lieder durch Fußstampfen geschält wird, als Flamme meiner Worte! zählen heute zum Volksgut, er ist, wie auf den Böden, von Kochgefäßen bedeckt. gesagt, einer der populärsten Texter Im Durst der Wurzeln, Für andere sich verzehrende, von Malayalam-Filmsongs. Zu den zahl- in zitternden Blättern, sich aufopfernd brennende reichen Preisen und Auszeichnungen, auch im Schmutz erblühende Ikone der Liebe, Seelenreinheit – Licht. Ehre sei Dir, oh Du Sonne! die er erhalten hat, gehören der Sa- In allem Denken, Ehre sei Dir! hitya Akademi Award, der Ullur Award, der Odakkuzhal Award sowie der Pad- in allen Antlitzen, in allem Sagen, Aus dem Malayalam übertragen von Annakutty mashri Award, einer der höchsten Zivil- in allen Augen, V.K.Findeis. Quelle: Drei Blinde beschreiben orden der indischen Regierung. in allen Stimmen, den Elefanten, Horlemann Verlag, 2006 J ose P unnamparambil 12 meine welt 2/2010
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