MARKTINFORMATION INDIEN - Der Luftfahrtsektor in Indien - iXPOS
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Impressum Das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie ist mit dem audit berufundfamilie® Herausgeber für seine familienfreundliche Personalpolitik Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) ausgezeichnet worden. Das Zertifikat wird von Öffentlichkeitsarbeit der berufundfamilie gGmbH, einer Initiative 11019 Berlin der Gemeinnützigen Hertie-Stiftung, verliehen. www.bmwi.de Text und Redaktion AHK Indien Gestaltung und Produktion AHK Indien Stand 22. September 2017 Bildnachweis AHK Indien Die Studie wurde im Rahmen des BMWi- Markterschließungsprogramms für das Projekt Markterkundung im Rahmen des BMWi- Markterschließungsprogramms für KMU in Indien, Branche: Transport und Verkehr / Luft- und Raumfahrtindustrie erstellt und aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie gefördert. Das Werk, einschließlich aller seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Die Zielmarktanalyse steht der Germany Trade & Invest GmbH sowie geeigneten Dritten zur unentgeltlichen Verwertung zur Verfügung. Sämtliche Inhalte wurden mit größtmöglicher Sorgfalt und nach bestem Wissen erstellt. Der Herausgeber übernimmt keine Gewähr für die Aktualität, Richtigkeit, Vollständigkeit oder Qualität der bereitgestellten Informationen. Für Schäden materieller oder immaterieller Art, die durch die Nutzung oder Nichtnutzung der dargebotenen Informationen unmittelbar oder mittelbar verursacht werden, haftet der Herausgeber nicht, sofern ihm nicht nachweislich vorsätzliches oder grob fahrlässiges Verschulden zur Last gelegt werden kann.
Inhalt 1. Executive Summary ............................................................................................................................ 1 2. Zielmarkt Allgemein ...........................................................................................................................2 2.1. Länderprofil ....................................................................................................................................................................... 2 2.1.1 Geographische Besonderheiten und Bevölkerungsstruktur Indiens........................................................................ 2 2.1.2. Informationen zur politischen und ökonomischen Situation in Indien ..................................................................5 2.1.3. Indiens globale Wirtschaftsverflechtung ................................................................................................................. 11 2.1.4. Die deutsch-indischen Wirtschaftsbeziehungen ..................................................................................................... 12 2.2 Rahmenbedingungen für den Export von Waren und Dienstleistungen nach Indien……………………………………… 18 2.3 Das indische Rechtssystem………………………………………………………………………………………………………………………….19 2.4. Die Make in India Kampagne ..........................................................................................................................................27 3. Der Luft- und Raumfahrtsektor in Indien .........................................................................................29 3.1. Indiens Handelsbilanz im Bereich Luft- und Raumfahrt.............................................................................................. 30 3.2. Flughäfen in Indien ......................................................................................................................................................... 33 3.2.1. Rahmenbedingungen für Investitionen ................................................................................................................. 38 3.3. Die zivile Luftfahrt in Indien .......................................................................................................................................... 40 3.3.1 Fertigungskapazitäten in Indien unter besonderer Berücksichtigung von Hindustan Aeronautics Limited ....... 41 3.3.2. Rahmenbedingungen für Investitionen ................................................................................................................. 44 3.4. Die militärische Luftfahrt in Indien ............................................................................................................................... 44 3.4.1. Die indischen Luftwaffe im Allgemeinen ............................................................................................................... 44 3.4.2. Rahmenbedingungen für Investitionen ................................................................................................................. 48 3.5. Die Raumfahrt in Indien ................................................................................................................................................. 50 3.5.1. Das indischen Raumfahrtprogramm im Allgemeinen ........................................................................................... 50 3.5.2. Rahmenbedingungen für Investitionen .................................................................................................................. 51 4. Schlussbetrachtung .......................................................................................................................... 52 5. Datenbank ........................................................................................................................................ 54 5.1. Unternehmen................................................................................................................................................................... 54 5.2. Ministerien und Behörden .............................................................................................................................................. 68 5.3. Verbände und Organisationen ......................................................................................................................................... 71 5.4. Wirtschaftsberater und -prüfer .......................................................................................................................................74 6. Tabellenverzeichnis .......................................................................................................................... 77
7. Abbildungsverzeichnis ..................................................................................................................... 78 8. Quellenverzeichnis ........................................................................................................................... 79
1. Executive Summary Indien ist in seiner Vielfalt für Ausländer nur schwer zu erfassen. Zwei National-, 22 Amts- und über 800 lokale Sprachen und Dialekte sind lediglich ein Indikator für die Vielfalt des Landes.1 Ähnlich vielfältig wie das Land sind die Potenziale des Luft-und Raumfahrtsektors in Indien. In der vorliegenden Zielmarktanalyse werden die wichtigsten Branchentrends im indischen Markt beschrieben. Die Herausforderungen im indischen Markt sind nach wie vor groß. Bürokratie und Korruption bleiben Unsicherheits- faktoren, Fremdkapital ist teuer und qualifizierte Arbeitskräfte rar, die Infrastruktur ist in weiten Teilen des Landes unzureichend. Das Land bietet allerdings auch ein gewaltiges Potenzial. Die Bevölkerung und die Wirtschaft wachsen rasant und damit die Nachfrage nach hochwertigen Technologien, die oft aus dem Ausland importiert werden müssen. Die Euphorie nach den Wahlen im Mai 2014 ist zwar verflogen, aber das Vertrauen in den Premierminister ist weiter gewachsen obwohl nicht alle durchgesetzten Reformen, wie beispielsweise die „Demonitzation“2, bejubelt wurden. Der Premierminister Narendra Modi ist nie im Zusammenhang mit Korruptionsskandalen aufgefallen und gilt als effizienter Manager. Pogrome gegen Muslime im Jahr 2002 werfen jedoch einen Schatten auf Narendra Modi, der der hindu- nationalistischen Partei Bharatiya Janata Party (BJP) angehört. Sein Tonfall seit den Wahlen ist allerdings moderat, zu seiner Amtseinführung war auch der Premierminister des Erzfeindes Pakistan, Nawaz Sharif, eingeladen. Es deutet vieles darauf hin, dass Modi erkannt hat, dass Indien nur prosperieren kann, wenn religiöser Frieden im Land herrscht. In seiner bisher dreijährigen Amtszeit ist es Modi gelungen, das Wirtschaftswachstum im Land weiter anzutreiben. Er rief hierzu eigens das Investitionsprogram „Make in India“ ins Leben. Die Chancen stehen gut, dass davon auch die Luft- und Raumfahrtbranchen profitiert. Aviation und Space sind u.a.Fokusbranchen der Make in India Kampagne. Durch das Wirtschaftswachstum angetrieben, wird auch die Mittelschicht Indiens weiter wachsen und damit die potenzielle Zahl derjenigen, die sich Flugreisen leisten können. Durch eine weitere Einbindung in die Weltwirtschaft wird außerdem das Luftfrachtaufkommen in Indien wachsen. Weil Indien jedoch nicht dauerhaft auf Importe im Bereich der Luft- und Raumfahrtgüter angewiesen sein möchte, versucht das Land weiter, eigene Expertise aufzubauen. Vor allem im Bereich der Raumfahrt kann Indien bereits auf eine recht lange Tradition zurückblicken und ist mit seinen Produkten in diesem Bereich technisch schon weit fortgeschritten. Der Kern der Luft- und Raumfahrtindustrie ist in Bengaluru angesiedelt, wo auch wichtige Luftfahrtunternehmen wie das Konglomerat Hindustan Aeronautics Limited ihren Sitz haben. Momentan ist Indien im Bereich Luftfahrt noch stark auf Importe angewiesen, wenngleich das Land durch eine geeignete Investitionspolitik versucht, finanzielle Mittel und Expertise ins Land zu locken. Besonders im Rahmen der „Make in India“ Initiative wurden Investitionsregulierungen weiter gelockert und Indien zählt aktuell zu den begehrtesten Zielen für ausländische Direktinvestitionen. Auch im Bereich Luft- und Raumfahrt erfolgte eine Vereinfachung von Investitionsrichtlinien und Investitionslimits wurden auf- oder wenigstens angehoben. Der Markt könnte damit zu den Wachstumstreibern der kommenden Jahre gehören. Momentan ist der Sektor jedoch durch wenige große Hersteller gekennzeichnet, die entweder Teil von Industriekonglomeraten sind oder ganz bzw. teilweise in Staatsbesitz sind. Dennoch konnten sich im Schatten dieser Unternehmen einige kleinere Firmen entwickeln, die aufgrund von Spezialwissen Produkte (etwa im Bereich Radar oder softwarebasierten Tests t) entwickeln konnten, die den hohen Anforderungen der Branche genügen. Dies ist umso erstaunlicher, wenn man bedenkt, dass Indien zwar viele junge Arbeitskräfte zur Verfügung hat, diese aber oft nur unzureichend ausgebildet sind. Neben der Problematik geeignete Arbeitskräfte zu finden ist auch die Regulierung im Bereich Luft- und Raumfahrt oft ein Problem. Gerade der Markt für Verteidigungs- und Raumfahrttechnik gilt als sensibler Bereich. Auch für Firmen der Luftfahrtindustrie ist das Ausmaß an Regulierung nicht zu unterschätzen, allerdings ist es geringer als in den beiden anderen Bereichen. Der indische Markt stellt damit eine Herausforderung dar, bei dem die Chancen allerdings die Risiken überwiegen. Mit neuem Selbstvertrauen versucht sich Indien nicht nur als Servicestandort, sondern auch als Produktionshub zu vermarkten. Dies wird jedoch nicht ohne Know-How und Produkte aus dem Ausland funktionieren. Für Deutschland 1Indische Botschaft 2Im November 2016 wurden alle im Umlauf befindlichen 500 und 1.000 INR-Scheine über Nacht entwertet. Dies entsprach 86% der Bargeldmenge Indiens. 1
bietet sich dabei die Möglichkeit Produkte nach Indien zu exportieren und mit indischen Unternehmen Kooperationen aufzubauen. 2. Zielmarkt Allgemein Indien ist nach China und Japan die drittgrößte Volkswirtschaft Asiens und nach China das bevölkerungsreichste Land der Erde. Trotz unübersehbar großer Herausforderungen, ist das wirtschaftliche Potential Indiens riesig. Während die arbeitsfähige Bevölkerung in China bereits abnimmt, beginnt Indien gerade erst von seiner ‚demografischen Dividende‘ zu profitieren. Das Wirtschafts- und Bevölkerungswachstum eröffnet nicht nur die Möglichkeit in einem, sich positiv entwickelnden Umfeld zu operieren, sondern auch das daraus entspringende Marktpotential auszuschöpfen. Mit wachsendem Wohlstand und einer sich vergröβernden Mittelschicht, wird auch der Flugverkehr im Land zunehmen. Mehr Menschen werden von den Möglichkeiten einer Reise im Flugzeug Gebrauch machen und mehr Fracht wird auf dem Luftweg transportiert werden. Ferner versucht Indien seine eigene technologische Entwicklung weiter voran zu treiben und mehr Produkte aus dem Bereich der zivilen und militärischen Luft- und Raumfahrt selbst zu entwickeln und zu produzieren. Ohne geeignete Partner wird dies jedoch nur schwer möglich sein und gerade deutsche Unternehmen sind auf Grund ihres technischen Know-Hows begehrte Kooperationspartner. 2.1. Länderprofil Indien ist ein sehr heterogenes Land, das nicht nur aufgrund seiner Größe und Bevölkerungszahl beeindruckt. Die Bezeichnung als Subkontinent fasst dies sehr gut zusammen und verdeutlicht sogleich die kulturelle Vielfalt des Landes. Die nachfolgenden Ausführungen sollen dazu dienen, einen umfassenden Überblick zum Standort Indien zu gewinnen. Erläutert werden dabei nicht nur die Geographie und Demographie Indiens, sondern auch politische und wirtschaftliche Entwicklungen von der Unabhängigkeit des Landes im Jahr 1947 bis in die Gegenwart. Ebenfalls genauer beleuchtet werden die allgemeinen wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Indien und Deutschland. 2.1.1. Geographische Besonderheiten und Bevölkerungsstruktur Indiens Mit einer Gesamtfläche von 3.287.263 km² ist Indien das siebtgrößte Land der Erde und knapp neunmal so groß wie die Bundesrepublik Deutschland (357.021 km²). Das Land verfügt über gemeinsame Landesgrenzen mit Pakistan, China, Nepal, Bhutan, Myanmar und Bangladesch.3 Der äußerste Norden Indiens ist geprägt durch Hoch- und Mittelgebirge. Südlich davon schließen sich die Täler der Flüsse Indus, Yamuna und Ganges an. Der flache Küstenstreifen im Westen ist nur sehr schmal. Direkt hinter diesem Streifen verlaufen über die gesamte Westküste von Norden nach Süden die Western Ghats, ein Gebirge mit Erhebungen von bis zu 2.700 m. Zentralindien ist geprägt durch das Deccan Plateau. Die Republik Indien ist ein Verbund von 29 Bundesstaaten. Hinzu kommen sieben Unionsterritorien, die direkt von der Zentralregierung in Delhi verwaltet werden. Die nachfolgende Karte gibt einen Überblick über die indischen Bundes- staaten und Unionsterritorien.4 Dabei ist darauf hinzuweisen, dass sich Indien nicht mit allen seiner Nachbarländer über den Grenzverlauf einig ist. So bestehen besonders mit Pakistan aber auch mit China Differenzen über einige der nördlichen Gebiete Indiens. Mit Hinblick auf Pakistan ist dies besonders die Region Kaschmir, die von beiden Seiten beansprucht wird. Mit China existieren Meinungsverschiedenheiten insbesondere über die Zugehörigkeit der Regionen Arunachal Pradhesh. Aus diesen Gründen wird oft auch nicht von „Grenzen“ zwischen Indien und diesen beiden Ländern gesprochen. Mit Bezug zu Pakistan stellt die „Line of Control“ die de facto Grenze zwischen beiden Ländern dar. Mit China hingegen bildet die „Line of Actual Control“ die de facto Grenze. Marketing-Unterlagen für Indien sollten bei 3 Nach indischer Auffassung hat Indien auch eine gemeinsame Grenze mit Afghanistan. Diese Grenze liegt allerdings im pakistanisch kontrollierten Teils Kaschmirs, jenseits der ‚line of control‘. Indien hat über diesen Teil der Grenze faktisch keine Kontrolle. 4 Als jüngster Bundesstaat kam im Jahr 2014 Telangana dazu. Das Teritorium dafür wurde von der inländische Landmasse von Andhra Pradesh abgespalten und Hyderabad zur neuen Landeshauptstadt gemacht. Für Andhra Pradesh soll eine neue Landeshauptstadt an der Küste entwickelt werden. 2
Abbildung von Indien-Karten ausschließlich die in Indien anerkannten Grenzverläufen abbilden. Andere Abbildungen können im Rahmen der Maps Policy mit Strafen geahndet werden. Abbildung 1: Indiens Bundesstaaten (Quelle: indiamapsonline.com 2014) Nach Angaben der Weltbank lebten im Jahr 2016 etwas mehr als 1,3 Milliarden Menschen im Land und das Bevölkerungswachstum lag bei 1,2 %5 Indien hat damit gegenwärtig rund 15-mal so viel Einwohner wie Deutschland (ca. 82 Mio. 6). 5 Weltbank 1 6 DESTATIS 3
Obwohl Indien gerade einmal über 2,4 % der bewohnbaren Erdoberfläche verfügt, betrug der Anteil der indischen Bevölkerung an der Weltbevölkerung 2015 ca. 18 %.7 Dies hat entsprechende Auswirkungen auf die Bevölkerungsdichte. Durchschnittlich lebten 2015 in Indien 441 Menschen pro Quadratkilometer,8 wobei es durchaus dichter besiedelte Bundesstaaten mit über 1.000 Einwohnern gab.9 Zum Vergleich hierzu: Deutschland wies für das gleiche Jahr einen Durchschnittswert von 234 auf, China 146 und die USA 35 Einwohner pro Quadratkilometer.10 1,4 1,2 1,0 0,8 Mrd. 0,6 0,4 0,2 0,0 unter 15-jährige 15- bis 64-jährige über 64-Jährige Quelle: United Nations Department of Economic and Social Affairs, Population Division; World Population Prospects, 2015 Abbildung 2: Bevölkerungsentwicklung nach Altersgruppen in Indien Das prozentuale Bevölkerungswachstum in Indien geht seit 1981 stetig zurück und wird aber in absoluten Zahlen gemessen auch in Zukunft weiter steigen. Indien ist hinsichtlich der Bevölkerungsstruktur ein junges Land. Es wird davon ausgegangen, dass im Jahre 2020 das durchschnittliche Alter eines Inders bei 29 Jahren liegen wird.11 In Abbildung 2 wird deutlich, dass die erwerbsfähige Bevölkerung um rund 12 Mio. Personen pro Jahr wächst. In den nächsten 10 Jahren wird die Zahl der 15 bis 65 Jährigen um 125 Mio. und um weitere 103 Mio. im darauffolgenden Jahrzehnt wachsen. Aber auch Indien altert, so wächst die Zahl der über 65-jährigen besonders stark – wenn auch ausgehend von einem sehr niedrigen Niveau. In diesem Jahrzehnt wird nach Prognosen der Vereinten Nationen die Zahl der unter 15-jährigen erstmals sinken. Indien hat damit einen Punkt erreicht ab dem das Verhältnis der abhängigen Bevölkerung (unter 15-jährige und über 65-jährige) zur erwerbsfähigen Bevölkerung (15- bis 65-jährige) immer günstiger wird. Die Wirtschaftsleistung wird in den kommenden Jahrzehnten von dieser sogenannten ‚demografischen Dividende‘ profitieren. 7 United Nations Department of Economic and Social Affairs 2, 2015 8 Statistisches Bundesamt 1, 2017 9 Maps of India 1, 2011. Der letzte indische Zensus wurde 2011 durchgeführt. Es ist davon auszugehen, dass sich die Werte seitdem noch erhöht haben. 10 World Bank 3, 2017 11 BBC News 4
Während die arbeitsfähige Bevölkerung nicht nur in Europa, sondern bspw. auch in China sinkt, nimmt sie in Indien noch auf Jahrzehnte zu. Einen größeren Zuwachs werden nur afrikanische Länder (vor allem südlich der Sahara) verzeichnen können. Diese Entwicklung wird in Abbildung 3 verdeutlicht. 3,0 2,5 2,0 1,5 Mrd. 1,0 0,5 0,0 Indien Sub-Sahara Afrika China Europa Quelle: United Nations Department of Economic and Social Affairs, Population Division; World Population Prospects, 2015 Abbildung 3: Bevölkerung im arbeitsfähigen Alter (15 - 64 Jahre) 2.1.2. Informationen zur politischen und ökonomischen Situation in Indien Indien ist die größte Demokratie der Welt, mit regelmäßigen Wahlen, Parteienwettbewerb und verfassungsrechtlich verankerten Grundrechten. Vor dem Hintergrund weit verbreiteter Armut, ethnischer, religiöser und linguistischer Vielfalt sowie tiefgreifender Kasten- und Klassengegensätze ist es in Indien seit der Unabhängigkeit am 15. August 1947 gelungen, ein gefestigtes demokratisches System aufzubauen. In den ersten Wahlen im Dezember und Januar 1950/51 siegte der linksliberale Indian National Congress (INC)12 unter der Führung von Jawaharlal Nehru, der zum ersten Premierminister gewählt wurde, deutlich. Bis Mitte der 1990er Jahre dominierte die Kongresspartei meist unter Führung der Nehru-Gandhi-Familie, mit nur zwei kurzen Unterbrechungen, die Politik des Landes. Bei den Parlamentswahlen im Mai 2014 konnte der INC allerdings gerade noch knapp 20 % der Stimmen auf sich vereinen. Die opositionelle Bharatiya Janata Party (BJP) unter Führung von Narendra Modi, der bis zu seiner Vereidigung als Premierminister Indiens Ministerpräsident in Gujarat war, erhielt über 30 % der Stimmen. Durch das indische Wahlsystem (‚First-pass-the-post‘ in jedem Wahlkreis) verfügt der INC nun über weniger als 10 % der Sitze, während die BJP mit mehr als 50 % der Sitze in 12Eine Einordnung des INC in ein eindimensionales Links-Rechts-Spektrum wird der Komplexität von Politik in Indien nicht ganz gerecht. Regionale Parteien (Sprache und Religion sind nach wie vor starke entscheidende Faktoren in der indischen Politik) sind in Indien sehr stark. Der INC ist die einzige ‚wahre‘ nationale Partei Indiens und die einzige Partei, die es geschafft hat, das Land über Jahrzehnte in Regierungskoalitionen zu führen, die nicht selten aus einem guten Dutzend Parteien bestanden. Dem INC unter Führung der Nehru-Gandhi-Familie gelang es bisher wie keiner anderen Partei, regionale und religiöse Strömungen und Partikularinteressen auf nationaler Ebene auszugleichen. 5
der Lok Sabha (der ersten Kammer, vergleichbar dem Unterhaus in Groβbritannien oder dem Bundestag in Deutschland) allein regieren kann.13 Die Erwartungen an Narendra Modi sind nach wie vor gewaltig. Gujarats Wirtschaft ist in den 12 Jahren BJP-Herrschaft überdurchschnittlich stark gewachsen. Viele Inder hoffen, dass Modi Ähnliches nun für ganz Indien gelingt. Kritiker befürchten hingegen, dass Modi das Land spaltet und ethnisch-religös begründete Spannungen zunehmen werden. Kurz nachdem er 2002 Ministerpräsident von Gujarat geworden war, kam es in dem Bundesstaat zu Pogromen gegen Muslime bei denen ca. 2000 Menschen ums Leben kamen. Bis heute ist nicht geklärt, welche Rolle Modi bei den Ausschreitungen spielte. Narendra Modi hatte ein Einreiseverbot in die Vereinigte Staaten von Amerika, welches mit dem Amtsantritt als Premierminister Indiens im Mai 2014 endete. Nach drei Jahren an der Macht steht Modi aus indischer Sicht als großer Reformer da. Indien hat zum 1. Juli 2017 eine weitreichende Reform des indischen Steuersystems umgesetzt. Die zum zum 1.Juli 2017 eingeführte Goods and Services Tax (GST) löst eine Vielzahl von indirekten Steuern ab, die zentralstaatlich aber auch auf Ebene der Bundesstaaten und der Gemeinden erhoben wurden. Bis Juli 2017 unterlagen Warenverkehr und Dienstleistungen in Indien unterschiedlichen indirekten Steuern. So wurden einerseits auf zentralstaatlicher Ebene unter anderem Excise Duties auf die Herstellung von Waren, Service Tax auf Dienstleistungen, Countervailing Duty und Special Additional Duty of Customs auf Importe und andererseits auf bundesstaatlicher Ebene Value Added Tax (VAT), Central Sales Tax (CST) und Entry Tax auf die Einfuhr in einen Bundesstaat erhoben. Darüber hinaus wurde auch auf Gemeindeebene z.B. die Octroi erhoben. Die anfallenden indirekten Steuern waren nicht aufeinander abgestimmt. Um dieser komplexen indirekten Besteuerung entgegenzuwirken, reformierte die Modi-Regierung das indirekte Steuersystem von Grund auf- mit dem Aufbau der sogenannten Good and Services Tax(GST). Die GST ähnelt dem Konzept der europäischen Mehrwertsteuer. Sie besteuert den jeweiligen Mehrwert auf jeder Leistungsstufe und bietet die Möglichkeit zur Vorsteuerverrechnung der Eingangsleistung. Steuerpflichtig wird jede natürliche oder juristische Person oder Personenvereinigung, die in Indien für GST-Zwecke registriert ist bzw. registriert werden muss – vorbehaltlich eines steuerpflichtigen Mindestumsatzes von 2 Mio. INR (ca. 28.000 €) pro Steuerjahr. Hierzu gehören auch ausländische Gesellschaften, die in Indien mit einer eigenen Gesellschaft aktiv sind. Deutsche Exporteure sind von dieser für Indien sehr bedeutenden Reform nur am Rande betroffen. Der Reformer Modi kündigte am 8. November 2016überraschend eine Bargeldreform mit sofortiger Wirkung an, die alle 500 INR und 1.000 INR Banknoten über Nacht entwertete. Neue 500 INR ( ca. 7 Euro) und 2.000 INR (ca. 27 Euro) Banknoten sollten die alten Scheine ersetzen. Damit entwertete Modi 86% der sich im Umlauf befindlichen Banknoten Indiens. Alte Banknoten können bei den Banken in limitiertem Maße getauscht und eingezahlt werden. Die Geldautomaten zahlen flächendeckend nur einen Höchstbetrag von 2.000 INR aus. Die dadurch hervorgerufene Bargeldknappheit führte zu langen Wartezeiten an Bankschalten und Geldautomaten und zu erheblichen Problemen in allen Bereichen des öffentlichen Lebens in denen ein bargeldloser Zahlungsverkehr bisher nicht möglich war. Geschäftsreisende können in den Hotels und gehobenen Restaurants weiterhin mit Kreditkarte bezahlen. Das Einwechseln alter Banknoten ist zum jetzigen Zeitpunkt nicht mehr möglich. Ziel der Bargeldreform ist die Korruptionsbekämpfung und das Beseitigen von Schwarzgeld, sowie der Steuerhinterziehung. Die Aktion mündete Zeitweise im Chaos, da nicht genügend neue Geldscheine zur Verfügung standen und der Umtausch sich als problematisch erwies. Zusätzlich zu der genannten Knappheit des Bargeldes kam noch hinzu, dass der erwünschte Effekt, nämlich Schwarzgeld aus dem Umlauf zu entziehen, nur in einem geringeren Umfang eintrat, wie zwischenzeitlich auch durch Studien bewiesen wurde. Trotz Demonetarisierung hat Modi einen sehr starken Rückhalt in der Bevölkerung, wie auch das Wahlergebnis in Uttar Pradesh, dem wichtigsten bzw. bevölkerungsreichsten Gliedstaat Indiens zeigt. Dort schaftte die hindu-nationalistische Partei Bharatiya Janat Party(BJP) von Narendra Modi 312 der 403 Sitzplätze im Parlament für sich zu gewinnen. Uttar Pradesh ist mit seinen ca. 200 Millionen Einwohnern, der bevölkerungsreichste Bundesstaat Indiens und somit gelten die Wahlergebnisse in Uttar Pradesh als Stimmungstest der nationalen Regierung, als auch der Person Narendra Modis. Durch die bereits erwähnte und kontrovers diskutierte Demonetarisierung des zirkulierenden Bargeldes, war Modi ein großes Risiko eingegangen und die Situation drohte zu einem Fiasko zu werden. 13 Election Commission of India 6
Der Erdrutschsieg ist somit nicht nur ein Segen für die BJP, sondern wird im Allgemeinen auch als Bestätigung für den amtierenden Premierminister gesehen. Die Politik in Uttar Pradesh ist stark durch die Mobilisierung entlang von Kasten- und Religionszugehörigkeit geprägt. Die BJP mit ihrer vornehmlich höherkastigen hinduistischen Anhängerschaft(paradoxerweise mit einem Anführer wie Modi aus der unteren Kaste) feiert den klaren Sieg deshalb auch als Beweis ihrer Unterstützung aus allen Schichten der Bevölkerung. Tatsächlich errang die Partei mit 40 Prozent den mit Abstand größten Stimmenanteil. Ihre überwältigende Mehrheit im Parlament beruht aber auf dem britisch inspirierten Majorsystem des indischen Wahlrechts, des „winner takes all“ Prinzip. Auch wenn die BJP sich als die Partei aller Inder darstellt, muss auf die zum Teil offen antiislamische Wahlkampfkampagne und der Tatsache, dass kein einziger Kandidat für die 403 Abgeordnetensitze Muslim war, hingewiesen werden. Es ist zu bezweifeln, dass die BJP unter den 40 Millionen Muslimen Uttar Pradeshs viele Stimmen gewinnen konnte. Indien ist Heimat für ca. 10% der weltweiten muslimischen Bevölkerung. Dennoch darf das Ergebnis als Bestätigung dafür gelten, dass die Bevölkerung Modi die schweren Verwerfungen der Demonetarisierung verziehen hat, obwohl diese gerade in einer ländlich geprägten Region wie Uttar Pradesh besonders stark zu spüren waren. Dem rhetorisch begnadeten Premierminister ist es gelungen, das Vertrauen in die BJP als Partei für Fortschritt und wirtschaftlichen Aufschwung wiederherzustellen, obwohl er diesbezüglich bisher weit hinter den Erwartungen zurückgeblieben ist. Auch wirtschaftsnahe Kreise begrüßten das Ergebnis, das klare Mehrheitsverhältnisse schafft.14 Das bisher erreichte wurde stets medienwirksam verkündet wie bspw. der Start der ‚Make in India‘ Kampagne oder Reiseerleichterungen durch die Einführung von E-Visa für Touristen aus bestimmten Ländern (darunter Deutschland). Unter indischen Ökonomen und Politikern setzt sich zunehmend die Einsicht durch, dass eine Verbesserung des Lebensstandards für breite Bevölkerungsschichten15 ohne Industrialisierung unmöglich ist. Die Regierung ist deshalb bestrebt, den Anteil der Industrie an der Wertschöpfung zu erhöhen. Der indische Premier Narendra Modi hat deshalb kurz nach seinem Amtsantritt die Kampagne ‚Make in India‘ ins Leben gerufen.16 Durch eine Vereinfachung des Unternehmens- und Steuerrechts sowie Investitionen in Infrastruktur und berufliche Bildung, soll der Anteil der Industrie am BIP erhöht werden. Indien war im April 2015 Partnerland der Hannover Messe, die auch gemeinsam von Angela Merkel und Narendra Modi eröffnet wurde. Ziel dieses Auftritts war es, ausländische Unternehmen zu überzeugen, dass Indien ein attraktiver Industriestandort ist.17 Die Liste der wirtschaftsfreundlichen Reformen, die die Regierung umsetzen möchte ist lang. Allerdings bestehen die bereits erwähnten Zweifel, dass die meisten dieser Reformen umgesetzt werden können. Zwar verfügt die BJP über eine absolute Mehrheit in der Lok Sabha, verfügte bislang lediglich über 45 der 245 Sitze in der Rajya Sabha (vergleichbar dem Bundesrat in Deutschland). Deshalb hat Narendra Modi hat bisher viele Reformen per Erlass angestoßen. Erlasse müssen früher oder später von beiden Kammern des Parlaments bestätigt werden und die Oppositionsparteien signalisierten bisher wenig Bereitschaft zur Zusammenarbeit.18 Just im August 2017 änderten sich die Mehrheitsverhältnisse auch in der Rajya Sabha zu Gunsten der Regierungspartei BJP. Mit 58 Sitzen hat die BJP seit August einen Sitz mehr als die rivalisierende Congress Partei.19 14 Neue Züricher Zeitung 2017 15 In der indischen IT-Industrie arbeiten bspw. nur drei Millionen Menschen. 16 Make in India 17 Die Zeit 18 The Economist 19Livemint, 2017 7
100% 90% 80% 70% 60% 50% 40% 30% 20% 10% 0% Landwirtschaft Industrie Dienstleistungen Quelle: World Bank 4, 2017 Abbildung 4: Anteile ausgewählter Wirtschaftssektoren am indischen BIP (zwischen 1960 und 2016) Betrachtet man die Entwicklung des Dienstleistungssektors in Abbildung 4, erkennt man einen deutlichen Zuwachs am Anteil des BIPs nach der Öffnung des Marktes 1991. Auch wenn sich die Agrarflächen Indiens nicht verkleiner haben, ist der Anteil des primären Sektors am BIP insbesondere seit dem Jahr 2000 deutlich zurückgegangen. Der sekundäre Sektor ist prozentual nach 1991 nicht überproportional gewachsen. Numerisch betrachtet hat das BIP sich innerhalb der letzten zehn Jahre fast verdoppelt. Im Jahr 2007 betrug das BIP 4.363 Mrd. USD, im Jahr 2016 bereits 8.067 Mrd. USD, wie auch der Abbildung 5 zu entnehmen ist. Während 1960 in Indien noch fast die Hälfte der Wirtschaftsleistung (rund 43 %) in der Landwirtschaft entstand, dominierte 2016 mit mehr als 53 % der Dienstleistungssektor. Der Anteil der Landwirtschaft am indischen BIP ist, wie auch in den Vorjahren, weiter gesunken. Lag er 1990 noch bei über 29 %, fiel bis 2010 auf knapp 18 %. 2016 lag der Anteil der landwirtschaftlichen Produktion an der gesamtwirtschaftlichen Produktion bei 17,4 %.20 Dennoch ist die Landwirtschaft für die Hälfte der Bevölkerung noch immer die Haupteinnahmequelle (50 % für 2015/2016).21 Anders als in China hat die Industrie in Indien immer nur eine untergeordnete Rolle gespielt. Ihr Anteil lag 2016 bei ca. 29 % (zum Vergleich: In China liegt der Anteil der Industrie rund 40 %).22 Abbildung 4 verdeutlicht diese Entwicklung. 20 World Bank 4, 2017; CIA World Factbook, 2017. 21 Auswärtiges Amt Deutschland 2, 2015 22 World Bank 4, 2017. Auch für 2016 sind keine deutlich anderen Zahlen zu erwarten. Siehe dazu CIA World Factbook, 2017. 8
12 10 8 6 % 4 2 0 -2 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017* 2018* Abbildung 5: Relatives Wirtschaftswachstum Indien 2003 – 2018* Quelle: World Bank 6, 2017, *International Monetary Fund, 2017 Die Märkte haben sich allerdings mittlerweile wieder beruhigt: Die indische Rupie stabilisiert sich gegenwärtig und auch das Leistungsbilanzdefizit hat sich leicht verbessert.23 Nach Angaben der Weltbank reduzierte sich das Defizit von 5% im Jahre 2012 auf 2,6 % 2013, 1,5 % 2014 und schließlich 1,1 % des indischen BIP im Jahr 2015.24 Der Reformbedarf in Indien ist nichtsdestotrotz unübersehbar. Ein Segen für das Land ist der niedrige Ölpreis. Die Regierung war weise genug, die Preise für Benzin und Diesel nicht stark zu senken, sondern stattdessen Energiesubventionen abzubauen und den Haushalt zu konsolidieren. Weil Indien einen Großteil seines Bedarfs an fossilen Energieträgern durch Importe deckt, ist durch den gesunkenen Ölpreis auch das Zahlungsbilanzdefizit zurückgegangen. Beide Entwicklungen und die neue Reformfreudigkeit der Regierung25 haben den wirtschaftlichen Ausblick für Indien verbessert. Abbildung 5 verdeutlicht die relativen Wachstumsraten des indischen BIP von 2003 bis 2018, wobei die Werte für 2017 und 2018 vom Internationalen Währungsfond erwartet werden. Trotz aller Fortschritte in den vergangenen Jahren ist Indien noch immer ein verhältnismäßig armes Land. Die Zahl der Inder, die in ärmlichen Verhältnissen leben, ist durch den Aufschwung der letzten Jahre allerdings erheblich gesunken. Im Finanzjahr 2011-12 lebten nur noch 22 % der indischen Bevölkerung unter der offiziellen Armutsgrenze.26 Die Zahl der Inder, die nicht alle Grundbedürfnisse (Essen, Energie, Wohnen, Trinkwasser, Sanitäranlagen, Gesundheitsversorgung, Bildung, Soziale Sicherheit) decken können, ist nichtsdestotrotz noch sehr hoch. Das Beratungsunternehmen McKinsey schätzt in einem Bericht aus dem Jahr 2014, dass 680 Mio. Menschen in Indien in diese Kategorie fallen. Nach Berechnungen der Unternehmensberatung liegen die minimalen monatlichen Konsumausgaben zur Deckung dieser Bedürfnisse bei 1,336 INR (ca. 18 EUR). Abbildung 6 zeigt, wie sich die monatlichen Pro-Kopf-Konsumausgaben verteilen.27 23 Wallstreet online, 2014 24 World Bank 5, 2017 25 Es gibt jedoch auch kritische Stimmen, die Indiens aktuelle Regierung unter Narendra Modi eher als Verwalter denn als Reformer darstellen. Im Zuge zunehmender Kontroversen um regierungskritische Berichterstattung sorgen stoßen solche Berichte oft wenig Verständnis bei weiten Teilen der indischen Bevölkerung. Sieh dazu The Economist 4, 2017. 26 Weltbank1 (Als national festgelegter Maßtab für die Armutsgrenze gilt ein monatliches pro Kopf Einkommen von 816 INR für Personen im ländlichen Raum und 1000 INR für urban lebende Personen. Umgerechnet sind das etwa 11 respektive 14 EUR.) 27 McKinsey 9
Abbildung 6: Verteilung der monatlichen Pro-Kopf-Konsumausgaben, 2014 (Quelle: Ministry of Statistics and Programme Implementation 1, McKinsey) Die monatlichen Pro-Kopf-Konsumausgaben von mehr als 95 % der Inder im ländlichen Raum liegen entsprechend unter 3.000 INR (ca. 40 EUR), in den Städten haben mehr als 70 % der Bevölkerung eine geringere Summe zur Verfügung.28 Die Einkommensteuerpflicht in Indien beginnt ab einem Jahreseinkommen von 200.000 INR (ca. 2.700 EUR). Lediglich ca. 3 % der Bevölkerung zahlten im Jahr 2013 Einkommenssteuer.29 Ursache für das nach wie vor geringe Einkommen ist die hohe Zahl unproduktiver Arbeitsplätze. Zum einen sind noch immer mehr als die Hälfte der Beschäftigten in der Landwirtschaft beschäftigt (sehr oft nur Subsistenzwirtschaft), zum anderen ist es keiner indischen Regierung bisher gelungen einen leistungsfähigen Industriesektor, wie bspw. in China, aufzubauen. Hierzu wären ein weiterer Bürokratieabbau und eine Vereinfachung des Arbeitsrechtes dringend notwendig. Das bestehende Arbeitsrecht ist für Unternehmen mit mehr als 100 Mitarbeitern sehr restriktiv. Während in Indien 11 % der Beschäftigten in der Industrie in Unternehmen mit mehr als 200 Mitarbeitern beschäftigt sind, sind es in China 52 %. Ein weiterer Hindernisgrund für Investitionen ist der Mangel an geeigneten Grundstücken für Fabriken. Die Grundstückspreise sind in den letzten Jahren stark gestiegen und der Erwerb von Grundstücken ist aufgrund vielfältiger Auflagen sehr zeitintensiv. Die Inflationsraten werden in CPI (Consumer Price Index) und WPI ( Wholepirce Index) gemessen. Seit Beginn des Jahres sind beide Zahlen abgesunken. Aktuell liegt im Juli 2017 laut Angaben des Department of Industrial Policy and Promotion die Inflation des CPI bei 2,36%, der Wert für den WPI beträgt 1,88. Konstant hat die Reserve Bank of India in den letzten Jahren den Leitzins gesenkt um die Inflation, die sich teilweise im zweistelligen Bereichbewegte, in den Griff zu bekommen. Am 2. August 2017 wurde der Leitzins erneut um 25 Basispunkte gesenkt und hat damit ein 6,5 Jahrestief von 6% erreicht. 30 28 Ministry of Statistics and Programme Implementation 29 Reuters 30 Reserve Bank of India 2017 10
2.1.3. Indiens globale Wirtschaftsverflechtung Von April 2000 bis März 2017 verzeichnete Indien einen kumulierten Zufluss an ausländischen Direktinvestitionen von rund 294 Mrd. EUR (332 Mrd. USD). In eben diesem Zeitraum wurden etwa 8,62 Mrd. EUR (9,698 Mrd. USD) Direktinvestitionen aus Deutschland in den indischen Markt getätigt, davon etwa 986 Millionen im Finanzjahr 2015/2016.31 In den 1990er Jahren wurden die Regeln für ausländische Direktinvestitionen (FDI) in Indien zunehmend gelockert. Im ersten Jahrzehnt des neuen Jahrhunderts hielt dieser Trend weitgehend an; viele Beschränkungen für FDI wurden beseitigt, die meisten Branchen delizensiert.32 Vor allem aber auch durch das „Make in India“-Programm, konnten weitere Erfolge bei der Öffnung des Landes erzielt werden. Nichtsdestotrotz sind bürokratische Hemmnisse noch immer eine der größten Wachstumsbremsen in Indien. Im „Ease of Doing Business“-Index der Weltbank erreichte Indien im Jahr 2017 lediglich Rang 130 von 190 - zum Vergleich: Neuseeland lag im Jahr 2017 auf Rang 1, die USA auf Rang 8, Deutschland auf Rang 17 und China auf Rang 78. Ungefähr gleichauf mit Indien lagen die Tadschikistan (128), Kap Verde (129), Kambodscha (131) und Tansania (132). Besonders schlecht schnitt Indien in den Feldern Steuerzahlung/Steuermoral (172), Durchsetzung von Verträgen (172) und Baugenehmigungen (185) ab. Verhältnismäßig gut ist das Land hingegen im Hinblick auf Zugang zur Fremdkapitalbeschaffung (Kredite) (44) und beim Investorenschutz (13). Gerade auch im Vergleich zum Vorjahr wurde es laut Ranking signifikant einfacher in Indien einen Stromanschluss zu erhalten (26 statt 55 im Jahr 2016).33 Im Korruptionswahrnehmungsindex von Transparency International konnte sich die Republik Indien verbessern. Nachdem man 2014 noch auf dem Rang 85 lag, verbesserte sich das Land im Jahr 2016 auf Rang 79 von 176. Damit hat sich die Platzierung gegenüber dem Jahr 2013 (Rang 94) sukzessive verbessert.34 Aufgrund der guten Fundamentaldaten (eine junge Bevölkerung, niedrige Lohnkosten und ein nach wie vor hohes Wachstumspotenzial) ist Indien trotz der verhältnismäßig ungünstigen Platzierung im „Ease of Doing Business“-Index unter ausländischen Investoren beliebt. 2,2 % der globalen FDI flossen zwischen 2010 und 2015 nach Indien.35 Indien hatte bereits im Jahr 1948 (noch vor Deutschland) das General Agreement on Tariffs and Trade (GATT, heute WTO) unterzeichnet und später auch das Abkommen zu Trade-Related Aspects of Intellectual Property Rights (TRIPS). Darüber hinaus hat Indien folgende Abkommen unterzeichnet: Tabelle 1: Ausgewählte Handelsabkommen Indiens (Quelle: Ministry of Commerce and Industry1) Bilaterale Vereinbarungen Singapur, Republik Korea und Malaysia Freihandelsabkommen Sri Lanka Indien-ASEAN-Freihandelsabkommen Brunei, Kambodscha, Indonesien, Laos, Malaysia, Myanmar, Philippinen, Singapur, Thailand, Vietnam Südasiatische Freihandelszone Bangladesh, Bhutan, Malediven, Nepal, Pakistan und Sri Lanka Handelsvertrag Nepal Asia Pacific Trade Agreement (APTA) Bangladesh, Republik Korea, China und Sri Lanka Handelsabkommen Bhutan BevorzugtesHandelsabkommen (PTA) Afghanistan, Chile, MERCOSUR (Argentinien, Brasilien, Paraguay, Uruguay, Venezuela, Bolivien) Steuerabkommen Mauritius 31 Ministry of Commerce and Industry 2, 2016, Ministry of Commerce and Industry 3, 2017 32 In der Zeit des „License Raj“ bis Ende der 1980 konnten in kaum einer Branche ohne Lizenzen Geschäfte gemacht werden. Die Lizenzen waren oft sehr detailliert bestimmt und enthielten Vorgaben zu Preis- und Mengenpolitik für Unternehmen. 33 World Bank 7, 2017; World Bank 8, 2017 34 Transparency International, 2014 35 United Nations Conference Trade and Development, 2015 11
2.1.4. Die deutsch-indischen Wirtschaftsbeziehungen Bedeutende Deutsch-Indische Wirtschaftsabkommen sind das Doppelbesteuerungsabkommen, das am 19.12.1996 in Kraft getreten ist, das Investitionsschutzabkommen vom Juli 1998, das Handelsabkommen vom 31.03.1955 sowie die Vereinbarungen über die Zusammenarbeit in der wissenschaftlichen Forschung und technologischen Entwicklung von 1971 und 1974.36 Zudem wurde im Rahmen der Deutsch-Indischen Regierungskonsultationen im Oktober 2015 neben anderen Absichtserklärungen ein “Memorandum of Understanding between the Ministry of Civil Aviation of the Republic of India and the Federal Ministry of the Interior of the Federal Republic of Germany on Aviation Security” unterzeichnet Die deutsch-indischen Wirtschaftsbeziehungen haben sich in den letzten Jahren deutlich intensiviert. Beleg dafür ist nicht zuletzt die Entwicklung der Mitgliederzahl der Deutsch-Indischen Handelskammer. Diese stieg von 3.500 im Jahr 1990 auf rund 6.500 Mitglieder im August 2017. In der Europäischen Union ist Deutschland Indiens wichtigster Handelspartner.37 Im Jahr 2006 lag das bilaterale Handelsvolumen zwischen Deutschland und Indien erstmals über 10 Mrd. EUR. Bis 2011 war es auf 18,4 Mrd. EUR angewachsen. Es schien, als wären beide Länder auf einem guten Weg, die von Manmohan Singh, dem damaligen Premierminister Indiens, und Angela Merkel auf der gemeinsamen Regierungskonferenz im Jahr 2010 gesetzte Zielmarke von 20 Mrd. EUR bis 2012 zu erreichen. Doch vor allem auf Grund des Nachlassens der wirtschaftlichen Dynamik in Indien sank das Handelsvolumen im Jahr 2012 (von einem Ausreißer im Jahr 2009 abgesehen der erste Rückgang seit dem Jahr 1999). Das Handelsvolumen erreichte in inden Jahren 2013 / 2014 einen Tiefpunkt und umfasste im Jahr 2014 ein Volumen von 15,98 Mrd. EUR. In den darauffolgenden Jahren wurde dieser Negativtrend unterbrochen. Im Jahr 2015 verzeichnete das Handelsvolumen wieder einen leichten Anstieg und es ergab sich ein Volumen in Höhe von 17,29 Mrd. EUR. Dieser positive Trend hielt auch im Jahr 2016 an und erreichte einen Wert von 17,49 Mrd. EUR. 12 10 8 Mrd. € 6 4 2 0 -2 Exporte nach Indien Importe aus Indien Saldo Quelle: Statistisches Bundesamt 3,2016; Statistisches Bundesamt 4, 2017 Abbildung 7: Deutsch-indischer Handel 1990 - 2016 36 Auswärtiges Amt 37 Centre for Monitoring the Indian Economy1 12
Deutschland hatte in den letzten Jahren einen deutlichen Handelsbilanzüberschuss mit Indien. Im Jahr 2016 standen den Exporten von 9,8 Mrd. EUR Importe von 7,6 Mrd. EUR entgegeben. Sowohl die Importe als auch die Exporte entwickelten sich damit im Vergleich zum Vorjahr positiv. Die Importe aus Indien stiegen um 1,3 %, die Exporte von Deutschland nach Indien blieben mit einem Zuwachs von 0.5% ungefähr auf einem hohen Vorjahresniveau. Damit ereichen die deutschen Exporte nach Indien fast wieder das Volumen von vor der Weltwirtschaftskrise, wie man der Abbildung 7 ebenfalls entnehmen kann. Maschinen und Anlagen weisen mit ca. 33% den Großteil der deutschen Exporte nach Indien aus. Dicht gefolgt von elektrischen und elektronischen Geräten (14%) , wie beispielsweise Mess- und Regeltechnik, als auch von chemischen Produkten (13%). Abbildung 8: Deutsche Exporte nach Indien 2016 Auch das Volumen deutscher Importe aus Indien nahm in den Jahren 2000 – 2016 deutlich zu. Während Deutschland im Jahr 2000 noch Güter im Wert von 2,43 Mrd. EUR von Indien importierte, wurde 2008 die 5 Mrd. EUR Marke überschritten. In den Wirren der Finanzkrise ging dieser Wert leicht unter. 2011 erreichte der Wert, der importierten Güter aus Indien einen bis dato nicht gesehenen Höchststand mit 7,5 Mrd. EUR, um kurz darauf wieder abzuschwächen. Mit Importen im im Wert von 7,62 Mrd. EUR erreichten die Einfuhren aus Indien im Jahr 2016 einen neuen Höchststand. 13
Abbildung 9: Volumen indischer Exporte nach Deutschland Abbildung 10: Indische Exporte nach Deutschland 2016 Produkte der Textilbranche machen mit einem Anteil von 25% (exkl. 11% Leder & Schuhe) nach wie vor den Großteil der Importe aus. Wachsende Importe sind in den Produktgruppen Chemie und Elektronik zu verzeichenen, die im Jahr 2016 einen Anteil von 14% bzw. 6% der gesamten Importe aus Indien ausmachten. 14
Die Importe umfassen selbstverständlich nicht nur Lieferungen rein indischer Unternehmen, sondern auch Produkte von deutschen Tochternunternehmen vor Ort. Viele deutsche Unternehmen haben in Indien bereits investiert und aktuell sind ca. 1.600 deutsche Unternehmen mit einer eigenen Niederlassung in Indien vertreten. In den Jahren 2007 bis 2012 haben deutsche Unternehmen 24,1 Mrd. USD (rund 21,7 Mrd EUR) in Indien investiert.38 Deutschland war damit der zweitgrößte Direktinvestor unter den Ländern der Europäischen Union, nach Großbritannien.39 Andere Quellen listen für April 2000 bis September 2015 ausländische Direktinvestiotionen (FDI) in Höhe von 392,26 Mrd. USD auf. Aus Deutschland stammten davon 8,34 Mrd. USD (rund 7,53 Mrd EUR) oder 3,14 % der Gesamtsumme. Damit liegt Deutschland auf Platz 7 aller Investoren. An der Spitze liegt Mauritius, gefolgt von Singapur, Großbritannien, Japan, den Niederlanden und den USA. Das indische Finanzjahr läuft von April bis März. Daher beziehen sich die Angaben in indischen Statistiken, wie in diesem Fall die Angaben des indischen Department of Industrial and Policy Promotion, meist auch auf diesen Zeitraum. In der Abbildung 11 sind die Volumen ausländischer Direktinvestitionen in Indien ab April 2000 bis März 2017 dargestellt. Der Großteil der Mittel aller ausländischen Direktinvestitionen (45,37 Mrd. USD/17 %) flossen im Zeiraum 2000 – 2016 in den Dienstleistungssektor, zu dem u.a. Banken, Versicherungen und Outsourcingdienstleistungen gehören. An zweiter Stelle folgten Investitionen in Infrastruktur und Gebäude (24,16 Mrd. USD/9 %). Auf Rang 5 findet sich die Automobilindustrie als Investitionsziel (14,00 Mrd. USD/5 %) und auf Rang 7 die chemische Industrie (ohne Düngemittel) (10,82 Mrd. USD/4 %).40 Abbildung 11: Direktinvestitionen in Indien von 2000 – 2016 Die Direktinvestitionen von deutschen Unternehmen kamen überwiegend aus dem Maschinen- und Anlagenbau, aus der Automobilindustrie und aus der Chemieindustrie. Die größte Einzelinvestition eines deutschen Unternehmens in Indien 38 Bei einem Kurs von 1 EUR = 1,11 USD. 39 EY2 40 Department of Industrial Policy & Promotion Andere Daten geben für den Zeitraum von April 2000 bis November 2014 einen kumulierten Zufluss von Direktinvestitionen nach Indien in Höhe 350,96 Mrd. USD an. Für diesen Zeitraum erreichten die Direktinvestitionen aus Deutschland den Wert von 7,13 Mrd. USD (3,02 % der Gesamtsumme) und das macht Deutschland zum acht größten Investor in Indien. Siehe dazu India-at-Hanover.com 15
war der Bau der Volkswagenfabrik im westindischen Pune(Maharashtra). Wenig überraschend sind deutsche Unternehmen stark in den beiden Zentren der indischen Automobilindustrie, Pune und Chennai, vertreten. Indische Unternehmen investierten im Jahr 2010 ca. 900 Mio. EUR in Deutschland. Rund 350 indische Unternehmen sind in Deutschland aktiv.41 Regionaler Schwerpunkt der Tätigkeit indischer Unternehmen in Deutschland ist die Region um Frankfurt. Die prominentesten Investitionen indischer Unternehmen in Deutschland war die Übernahme der Carl Dan Peddinghaus GmbH durch Bharat Forge, einem Automobilzulieferer aus Pune im Jahr 2003, sowie die Übernahme von Senvion (REpower) durch den indischen Windturbinenhersteller Suzlon, ebenfalls aus Pune in den Jahren 2007 bis 2012 (letztere Übernahme stellt mit einem Volumen von 1,8 Mrd. EUR alle anderen Übernahmen indischer Unternehmen in Deutschland weit in den Schatten). Suzlon hatte Anfang 2015 allerdings Senvion mit einem erheblichen Verlust an den US-Investmentfonds Centerbridge verkauft, um einen akuten Liquiditätsengpass zu überwinden.42 Abbildung 12: Ausländische Direktinvestitionen von April 2000 bis 2016 nach Branchen Eine mangelnde Rechtssicherheit, eine schwerfällige Bürokratie, sowie die teils marode Infrastruktur schreckt viele deutsche Unternehmen davon ab in Indien zu investieren. Vor Allem kleine und mittelständische Unternehmen zögern aufgrund der Zölle und der Handelshemmnisse sich in Indien wirtschaftlich zu engagieren. Die indische Kündigung des bilateralen Investitionsschutzabkommens mit Deutschland schafft überraschenderweise wenig Verunsicherung bei deutschen Firmen. Erwünscht ist aus deutscher Perspektive die Wiederaufnahme der Verhandlungen zum bilateralen EU-Indien- Freihandelsabkommen. Ein Abschluss des Abkommens wäre ein wichtiges Signal an deutsche Investoren. Der indische Premierminister Narendra Modi hat zahlreiche Projekte und Reformen zur Verschlankung der Verwaltung, zum digitalen Ausbau des Landes (Digital India) und bessere Ausbildungssysteme (Skill India) angestoßen. Die Einführung einer einheitlichen Umsatzsteuer „Goods and Service Tax“ ist vielversprechend und für deutsche Unternehmen ein Investitionsanreiz43. 41 Leibniz-Institut für Länderkunde 42 FAZ2 (Ende April 2015 war der Verkauf abgeschlossen) 43 http://www.tagesspiegel.de/advertorials/ots/bdi-bundesverband-der-dt-industrie-deutsche-wirtschaft-will-chancen-in- indien-nutzen-dafuer-muessen-jetzt-weichen-gestellt-werden-/19863212.html 16
Aus deutscher Sicht ist das Freihandelsabkommen zwischen Indien und der Europäischen Union von zentraler Bedeutung. Damit würden viele Zölle und nicht-tarifäre Handelshemmnisse zwischen beiden Partnern wegfallen. Die Verhandlungen ziehen sich bereits seit 2007 hin. Im Jahr 2014 wurden sowohl das Parlament in Indien als auch das Europäische Parlament neu gewählt. Im Nachgang der Wahlen wurden Schlüsselpositionen in den Ministerien und den Verhandlungsteams neu besetzt. Am 30. Mai 2017 traf die Bundeskanzlerin Merkel den indischen Premier Narendra Modi im Rahmen der bilateralen Regierungskonsultationen und drängte auf eine Revitalisierung der sich in einer Sackgasse befinden EU-Indischen Freihandelsabkommen Verhandlungen. Sie bekräftigte auf dem deutsch-indischen Wirtschaftsforum die Wichtigkeit eines offenen und fairen Welthandels, um dem Trend des Protektionismus entgegenwirken zu können. Merkel und Modi nutzten den Auftakt um noch einmal Wille und Bereitschaft zu zeigen und die Beziehungen zu intensivieren. 44 Im Rahmen der Deutsch-indischen Regierungskonsultationen 2017 wurde am 30. Mai eine gemeinsame Erklärung von Premierminister Modi und Bundeskanzlerin Merkel abgegeben. Diese betonte die strategische Partnerschaft als auch die vertiefte Zusammenarbeit im Bereich der Außen- und Sicherheitspolitik, der nachhaltigen Entwicklung sowie durch verbesserte Handels- und Investitionsbeziehungen betont. Beide Länder vereinbarten, die gegenseitige Rechtshilfe in Strafsachen weiter zu erleichtern, und betonten ihre Entschlossenheit, baldmöglichst ihre Verhandlungen über ein Abkommen zu einem erfolgreichen Abschluss zu bringen. Die gemeinsame Erklärung zu den 4. Deutsch-Indischen Regierungskonsultationen vom 30. Mai 2017 können Sie unter dem folgenden Link auf der Website der Bundesregierung abrufen: https://www.bundesregierung.de/Content/DE/Pressemitteilungen/BPA/2017/05/2017-05-31-deutsch-indische- regierungskonsultationen-gemeinsame-erklaerung.html Ebenfalls steht dort eine Liste der unterzeichneten Dokumente zur Verfügung: https://www.bundesregierung.de/Content/DE/_Anlagen/2017/05/2017-05-30-gemeinsame-erklaerung-deutsch- englisch.pdf?__blob=publicationFile&v=3 Auch aus Unternehmenssicht haben sich die Deutsch-Indischen Beziehungen in den letzten Jahren gut entwickelt. Jährlich befragt die AHK Indien deutsche Unternehmen in Indien zu den aktuellen Eindrücke und Prognosen der Manager vor Ort zur Konjunktur und zum Investitionsklima. Die Umfrage im Frühjahr 2017 zeigt ein sehr optimistisches Stimmungsbild der deutschen Unternehmen vor Ort insbesondere auch im Hinblick auf die 2016/17 erwirtschafteten und die für 2017/18 erwarteten Gewinne. Ausgegangen wird für die Planungen der meisten Unterenhmen von einem BIP Wachstum zwischen 5-8%. Diese Prognosen haben auch einen positiven Effekt auf die Personalpolitik: Obwohl 75% der befragten Unternehmen mit einem Anstieg der Gehälter zwischen 5-15% rechnen im kommenden Finanzahr rechnen, planen die Hälte der befragten Unternehmen Neueinstellungen für diesen Zeitraum. Ganz konkret, geben mehr als 50% an, die Wachstumspotenzial aus heutiger Sicht deutlich positiver zu bewerten als im vergangen Jahr. In der vorherigen Umfrage im Jahr 2016 waren nur 35% der Unternehmen dieser Auffassung. Die Investitionsbereitschaft ist konsequenterweie ebenfalls leicht gestiegen. Knapp 50% der Unternehmen planen Neuinvestitionen in den kommen 4 Jahren. Im Vorjahr planten dies nur rund 40% der Befragten. Deutlich wird in der Umfrage, dass das politische und Investitionsklima deutlich positiver wahrgenommen wird: 75% der Unternehmen sehen einen positiven Effekt der aktuellen Regierungspolitik, lediglich 10% sind unzufrieden mit der aktuellen Situation. Als Hindernisse für Investitionen werden in absteigender Reihenfolge mangelnde Infrastruktur , Bürokratie, Korruption und der Mangel an gut ausgebildeten Arbeitskräfte angegeben. Im Vorjahr führte die überufernde Bürokratie diese Liste noch an. Es ist also davon auszugehen, dass die Bemühungen der Regierung zum Bürokratieabbau zumindest aus Sicht der deutschen Investoren erfolgsversprechend sind. Korruption gehört auch in 2017 zu den größten Investitionshemmnissen. Allerdings scheinen auch hier Fortschritte sichtbar: Im Jahr 2016 gaben 54 % der befragten Unternehmen Korruption als Hemmniss an, im Jahr 2017 sank der Anteil auf 34%.45 Die optimitische Stimmung ist bei Gesprächen mit vielen Unternehmern und Unternehmerinnen zu spüren. Nach wie vor ist Indien in vielen Bereichen ein schlummernder Riese, der gerade erst anfängt seine Möglichkeiten in einer globalierten Welt zu erkennen. 44 http://www.manager-magazin.de/politik/weltwirtschaft/indien-freihandelsabkommen-mit-deutschland-a-1149929.html 45 IGCC Business Monitor 2017 17
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