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                          AUSWIRKUNGEN DER WASSERKRISE IN INDIEN

      Die Veranstaltungen wurden gefördert von ENGAGEMENT GLOBAL im Auftrag des
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Reader Entwicklungspolitische Bildung 2016 – Auswirkungen der Wasserkrise in
                                         Indien

Inhalt
1.    Artikel: Globale Wasserkrise Maren Ebert, 19.08.2015 ............................................................... 2
2.    Protokoll: Rettet den Ganges Rainer Hörig, 20.06.2016 ............................................................ 10
3.    Artikel: Coke Rumor Statement India Resource Center, 02.11.2016 ....................................... 12
4.    Vortrag: Coca-Cola in Indien, Mansi Sheth, 02.11.2016 ............................................................. 13
5.    Vortrag: Clean India Mission, Dr. Jona Aravind Dohrmann, 12.11.2016 ................................. 23
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5.1 Artikel: Hygiene in Indien -Toiletten Mangel, Nicola Meier (Die Zeit), 12.11.2016 .................. 45
6.    Vortrag: Indiens nationale Nachhaltigkeitsstrategie, Prof. M. von Hauff, 12.12.2016 .............. 53
6.1 Umweltgipfel Rio De Janeiro, 1992 ........................................................................................ 67
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                                1. Artikel Globale Wasserkrise
                                   Maren Ebert, 19.08.2015

Innerhalb der letzten Jahre ist das Thema Umwelt in den Fokus vieler politischer, wirtschaftlicher und
auch gesellschaftlicher Debatten gerückt. Fortschreitende Globalisierung und daraus entstehende
Großindustrien stellen eine stetig wachsende Belastung für die Erde und ihre Ressourcen dar. Die
Menschheit verbraucht mittlerweile eineinhalb Mal so viele Ressourcen, wie die Erde langfristig
bereitstellen kann. Eine dieser wichtigen Ressourcen ist Wasser. Während die Erde zu 71 Prozent von
Wasser bedeckt wird, ist nur 1 Prozent davon Süßwasser und somit in der Landwirtschaft oder als
Trinkwasser nutzbar. Ein langfristig gesehen so knappes und endliches Gut muss durch ein nachhaltiges
Management, d.h. durch stetige Verbesserung der Versorgungseffizienz, wertgeschätzt und geschützt
werden.
Besonders der afrikanische Kontinent, Nordchina, der Nahe Osten und Südasien sind vom Rückgang der
Reserven und der daraus resultierenden Wasserknappheit betroffen. Hierfür gibt es verschiedenste, teils
unvermeidbare Gründe. Heute leben 7 Milliarden Menschen auf der Erde.
Bis 2050 wird diese Masse auf rund 9 Milliarden ansteigen. Daraus resultiert ein höher Bedarf und
Verbrauch an Wasser bei schrumpfenden Ressourcen. Nicht nur die allgemeine Bevölkerungsanzahl,
sondern auch die Größe der gesellschaftlichen Mittelschicht wird sich vergrößern. Das bedeutet, dass
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der Konsum und Verbrauch von Fleischprodukten, Strom, der Luftfahrt und des Autoverkehrs stetig
steigen und einen noch höheren Verbrauch von Wasser mit sich ziehen wird.
Ein weiterer Auslöser für Wasserknappheit sind die sinkenden Preise für Bohr- und Pumptechniken.
Weltweit ermöglichen sie eine Vielzahl von Bohrungen, um tiefgelegene Wasserreservoire zu erreichen.
Langfristige Folgen, Wasserrückgewinnung und – Regeneration werden hierbei nicht bedacht bzw.
berücksichtigt. In vielen Ländern ist das Bewusstsein für das Risiko der Wasserknappheit bis jetzt nur
schwach ausgeprägt. Im Nahen Osten und Nordafrika wird Grundwasser beispielsweise oftmals aus
fossilen Grundwasserspeichern bezogen. Das Risiko besteht nicht nur darin, dass sich fossile Speicher so
weit im Erdinneren befinden, dass sie sich nicht mehr auffüllen; durch die lange Lagerung im Gestein ist
das Wasser zudem auch mit natürlicher Radioaktivität belastet.
Die Folgen von Wasserknappheit und –Verschwendung sind verheerend: Flüsse und Ozeane
verschmutzen, Flüsse trocknen aus und münden teilweise nicht mehr ins Meer. In China ist mehr als die
Hälfte des Grundwassers mit Rückständen aus Industrie und Viehhaltung verschmutzt. In Gebieten, in
denen die Wasserversorgung ohnehin belastet ist, werden neue Kohlekraftwerke gebaut.
Doch das Problem ist nicht nur die Art und Weise wie Grundwasser befördert und verwendet wird.
Auch der Kampf gegen Wasserknappheit gestaltet sich schwierig, da die unterirdischen Wasserspeicher
nicht politischen sondern geologischen Grenzen folgen. Diese Grenzen entfachen Diskussionen –
Nationen fühlen sich nicht verantwortlich, wenn eine im eigenen Territorium eingeleitete Hilfsmaßnahme
nur den Nachbarstaaten zu Gute kommt.
Die allgemeine Frage ist, ob Schwellenländer wie Brasilien, China oder Indien in der Lage sind, ihre
wirtschaftlichen, politischen und gesellschaftlichen Entwicklungsziele umzusetzen ohne die Umweltsünden    3
der Industriestaaten zu wiederholen und den Planeten zu Grunde zu richten.

Das Thema Wasser in Indien
Indien gehört mit einem jährlichen Niederschlag von 1.170mm und Wasserressourcen von 4.000
Milliarden m3 zu den regenreichsten Ländern der Welt. In Deutschland regnet es im Vergleich im Jahr
nur durchschnittlich 770mm mit Wasserressourcen von rund 188 Milliarden m3.
Trotz der Wassermassen droht Indien schon im Jahr 2025 die Grenze zum „extremen Wasserstress“ zu
überschreiten. Im Durchschnitt wird dem Boden 37 Prozent mehr Grundwasser entnommen als auf
natürlichem Wege wieder nachkommt. Jedes Jahr sinkt der Grundwasserspiegel in Indien um etwa 4 cm.
Auf zehn Jahre gerechnet ergibt das einen Rückgang von 40cm, nach 50 Jahren einen Rückgang von 8m.
Grund hierfür ist falsches, beziehungsweise fehlendes Wassermanagement. Der indische
Wasserverbrauch ist enorm hoch. Hauptverbraucher sind Landwirtschaft (80 Prozent), Industrie (vor
allem der Energiesektor) und Wohnungsbau. Besonders gravierend ist das Problem im Nordwesten
Indiens. In den Bundesstaaten Rajasthan, Punjab und Haryanda (einschließlich Neu Delhi) haben die
Grundwasserreserven um rund 109 km3 abgenommen. Diese Rückgänge haben verheerende Folgen:
Besonders in den heißen Monaten des Jahres gibt es Engpässe in der Trinkwasserversorgung und
teilweise Zusammenbrüche in der Landwirtschaft. Besonders die wasserintensiven Reisfelder sind
hiervon betroffen.
Demnach ist ein nachhaltiges Wassermanagement umso wichtiger. Jeder verbrauchte Tropfen Wasser
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sollte gerechtfertigt sein, recycelt und wiederverwendet werden. Der Wasserfußabdruck muss reduziert
werden, zum Beispiel indem vorhandenes Wasser verwendet wird bevor es von wasserreichen Regionen
bezogen und angeliefert wird. Da Wasser in Indien nicht bundesstaatliche sondern provinzielle
Angelegenheit ist, herrscht eine sehr uneinheitliche Versorgung. Vor allem die Megastädte wie Mumbai
und Neu Delhi sind betroffen. In Neu Delhi variiert die Pro-Kopf-Verfügbarkeit von Wasser je Region
zwischen 36 und 400 Litern pro Tag. Es mangelt an Bemühungen um die Aufbereitung und
Wiederverwendung des Abwassers, sowie an Strafen für die verschwendende Oberschicht der
Gesellschaft. Im Bereich Wassermanagement gilt es als schlechtes Vorbild für andere Großstädte und
Regionen.
Thema ist jedoch nicht nur die Wasserknappheit, sondern auch die andauernde Verschmutzung. Da
kommunales und industrielles Abwasser bislang unbehandelt in die Flüsse abgeleitet wird, sind indische
Oberflächengewässer stark verunreinigt. Hinzu kommt ein Mangel an Strafen und Kontrollen für das
Abwassermanagement von Industrie und Landwirtschaft.

Auswirkungen auf die Landwirtschaft
Wie bereits erwähnt, ist Indien mit einem Anteil von 80 Prozent noch immer ein sehr landwirtschaftlich
geprägtes Land. Mehr als 70 Prozent der indischen Bevölkerung hängen direkt oder indirekt von der
Landwirtschaft ab. Exzessive Düngung und Bewässerung haben jedoch Millionen Hektar Land
unbrauchbar gemacht. Bei den geläufigen Bewässerungsverfahren gehen tausende Liter von Wasser
verloren. Poröse und oberirdische Leitungen führen dazu, dass in der Regel nur ¼ der geleiteten Mengen
an Wasser wirklich ankommen. Der restliche Teil geht auf dem Weg verloren oder verdunstet. Es gibt        4
verschiedene Möglichkeiten um diesem Wasserverlust entgegenzuwirken, wie zum Beispiel das Wässern
mit modernen Anlagen jenseits der Mittagshitze. Auch das Anlegen von Stauseen, um Regenfluten des
Monsuns aufzufangen und das Grundwasser künstlich anzureichern, ist eine effektive Maßnahme. Der
Untergrund des Stausees muss allerdings porös sein, damit das gesammelte Wasser schnell versickern
kann und nicht verdunstet. Beide Maßnahmen verlangen fachliche Expertise sowie finanzielle Mittel,
welche den Landwirten oftmals nicht zur Verfügung stehen. Eine dritte, sehr umstrittene Maßnahme
umfasst die Anreicherung des Grundwassers durch geklärtes Abwasser. Da Wasser sehr sensibel und
anfällig ist und Schäden nur schwer zu beheben sind, bleibt diese Variante aber wohl vorerst Theorie.

Die indische Landwirtschaft ist stark vom Monsun geprägt. Das Wort Monsun bezeichnet jahreszeitlich
wechselnde Windrichtungen und starken Regen. Er gilt als die wichtigste Wasserquelle überhaupt und
entsteht durch sogenannte Passatwinde. Der Sommermonsun ist der wohl bekanntere von beiden. Er
tritt in der Regel zwischen Juni und September auf. Der extreme Temperaturunterschied zwischen der
Luft über dem aufgeheizten Festland und der abkühlenden Luft auf dem indischen Ozean führt zu starken
Winden, die vom Meer her über den indischen Subkontinent ziehen. Wenn sich die feuchte Seeluft über
dem Festland aufheizt, kondensiert sie und regnet ab.
Dieser Starkregen macht fast 90 Prozent des jährlichen Niederschlags in Indien aus. Für mehr als 60
Prozent der Bevölkerung ist er Grundlage ihres Lebensunterhalts. Der wasserintensive Anbau von Reis,
dem indischen Hauptnahrungsmittel, fällt beispielsweise fast komplett in die Monsunzeit. Die Produktion
wird daher primär vom Verhalten des Monsuns beeinflusst.
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Genau das führte in den letzten Jahren zu vermehrten Engpässen und Missernten. Es kommt immer
häufiger zu massiven Schwankungen des Monsuns. Er setzt teils früher, teils später ein, und ebenso auch
wieder aus. Die Menge an Niederschlag bleibt zwar in der Regel die gleiche, jedoch fällt sie in weitaus
kürzeren und somit intensiveren Zeitintervallen aus. Es kommt zu folgeschweren Dürren und
Überschwemmungen, die viele Tote, Missernten, sowie Nahrungsmittel- und Wasserknappheit mit sich
bringen. Der Reisanbau ist in den letzten Jahren um knapp ein Drittel gesunken. Lebensmittelpreise
steigen stetig und Produkte wie Zucker müssen importiert werden, da die lokale Produktion nicht mehr
ausreicht. Somit haben die Schwankungen des Monsuns auch deutliche Auswirkungen auf die Wirtschaft.
Statt einem Wachstum von acht bis neun Prozent, liegt diese in manchen Jahren nur noch bei 5 Prozent.
Durch die Missernten verringert sich das Einkommen der Bauern, zeitgleich wird weniger konsumiert, da
die Gesellschaft die steigenden Lebensmittelpreise nicht tragen kann.

Während des Wintermonsuns drehen sich die Probleme. Der Luftaustausch verläuft               in die
entgegengesetzte Richtung. Kalte, extrem trockene Passatwinde strömen vom Festland auf die See in
Richtung Äquator. Pflanzen, Tiere und Menschen benötigen in dieser Trockenzeit einen ausreichenden
Vorrat an Wasser, um zu überleben. Die großen Regenmassen der Sommermonate können nicht effektiv
aufgefangen und gespeichert werden. Die Bewässerung der Ackerflächen mit Grundwasser wird immer
schwieriger, weil der Pegel in Folge des schwankenden Monsuns und des mangelnden
Wassermanagements immer weiter absinkt. Gute Ernteerträge aus den Vorjahren und langjährige
Erfahrungen mit Dürre und Hungersnöten haben allerdings zu gut gefüllten Lagern und
Getreidespeichern geführt.
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Vor allem die Landbevölkerung ist von den Auswirkungen des Monsuns betroffen. Landbauern verarmen
und müssen sich bei skrupellosen Geldgebern verschulden. Sie geraten meist in ausweglose Lagen, in
denen sie sich selbst und ihre Familien nicht mehr ernähren können. Das Schlucken von Rattengift
erscheint vielen als der einzige Ausweg. Gerade in Zeiten der Dürre, in denen die Ernte auszubleiben
droht, steigt die Selbstmordrate auf dem Land.

Es gilt Lösungsansätze zu finden, die vor allem der Landbevölkerung einen Ausweg aus ihren teils
hoffnungslosen Situationen bieten können. Wie festgestellt wurde, ist der Klimawandel nicht direkt
ausschlaggebend für längere Dürreperioden und einen niedrigeren Niederschlag. Auf lange Zeit gesehen
wird dieser durch die Erwärmung der Meere und des Festlands eher steigen. Hauptproblem sind viel
mehr die starken Schwankungen der Häufigkeit und Intensität des Monsuns, die letztendlich zu
Schwankungen in Ernteerträgen und Wirtschaft führen. Es braucht das Engagement aller Beteiligten, um
gegen die Versorgungsknappheit und Wasserverschwendung vorzugehen. Schulungen der Gesellschaft
sind hierbei enorm wichtig. Sie verdeutlichen den Wert von Wasser und fördern das Bewusstsein für
einen nachhaltigen Wasserverbrauch.
Durch den Konsum von Produkten, die wasserarm produziert wurden (z.B. Hirse), können Verbraucher
indirekten Einfluss auf die Produktionsmenge dieser Waren und die Nachfrage von wasserintensiven
Produkten nehmen und somit den allgemeinen Wasserverbrauch vermindern. Staatliche Maßnahmen
könnten eine solche Entwicklung zum Beispiel durch Subventionierungen ferner unterstützen und
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Anreize für den Kauf und Konsum wasserarmproduzierter Produkte setzen. Auch für Unternehmen ist
es von wirtschaftlicher Bedeutung den Wasserverbrauch zu reduzieren: Weniger wasserintensive
Produktionen und überarbeitete Leitungssysteme sparen auf lange Sicht enorm viel Geld. Gerade für
kleinere und mittelständige Unternehmen ist dieser Prozess auf Grund der hohen Anfangskosten
allerdings oftmals nicht möglich. Gerade moderne Bewässerungs- oder Wasseraufbereitungsanlagen
verlangen eine intensivere Wartung und Überwachung. Es benötigt finanzielle sowie aufklärende
Unterstützung vom Staat oder von Entwicklungsorganisationen, um Kleinunternehmer von den positiven
Auswirkungen auf ihre eigene Lebenssituation und die der Umwelt zu überzeugen.
Auswirkungen auf die Gesellschaft
Nicht nur die Wirtschaft benötigt Unterstützung vom Staat, um die fortschreitende Wasserkrise zu
händeln und zu verlangsamen. Auch die Gesellschaft hat schwer zu kämpfen. In Zeiten der Dürre finden
unter anderem in den ländlichen Regionen Maharashtras, Andhra Pradeshs und Assams so genannte
Froschvermählungen statt. Nach Hindu-Tradition sollen sie den Regengott gnädig stimmen und der
Dürre ein Ende setzen. In Bangalore gibt es erste Hilfsprogramme. Die „Politik zur Unterstützung der
Armen“ soll jedem Einwohner ausreichend Wasserversorgung gewährleisten. Volumentarife bei
Wassernutzung wurden aufgestellt, für privatgebohrte Brunnen wird ein Zuschlag verlangt. Inwieweit
diese Maßnahmen kontrolliert und durchgesetzt werden ist fraglich. Nichtsdestotrotz ist es ein wichtiger
Schritt in die richtige Richtung. Die Wasssernutzung der gesellschaftlichen Oberschicht muss kontrolliert
und die der Unterschicht gefördert werden.
Doch die Gesellschaft ist nicht nur durch Nahrungs- und Wasserknappheit oder steigende
Lebensmittelpreise von den Auswirkungen des hohen Wasserverbrauchs betroffen. Vor allem die
Qualität des Wassers beeinträchtigt das Leben der Bevölkerung tagtäglich. Durch die willkürliche            6
Entsorgung von industriellen Abwässern in öffentliche Gewässer kann in vielen Regionen wie Jharkhand,
Bihar, Uttar Pradesh, Assam und Chattisgarh ein erhöhter Gehalt von Arsen im Grundwasser gemessen
werden. Allein im Bundesstaat West Bengalen sind mehr als 30 Millionen Menschen von hohen
Arsengehalten im Trinkwasser betroffen.
Einer der Hauptgründe hierfür klingt für Europäer banal: Es fehlt an sanitären Einrichtungen. Indien hat
ein Toilettenproblem. In jedem Gramm Stuhl stecken Millionen Bakterien, Viren und Parasiten, die unter
anderem Cholera, Typhus und Hepatitis übertragen. Anstatt auf eine Toilette gehen zu können, hockt
sich im nach Einwohnerzahl zweitgrößten Land der Welt noch immer jeder Zweite einfach draußen hin,
wenn er muss. Die Fäkalien gelangen dadurch nicht in Abwassersysteme, sondern versickern im Boden
und verunreinigen das ohnehin überbelastete Grundwasser.
Die Folgen daraus sind immens. Rund 37,7 Millionen Inder infizieren sich jährlich an durch Wasser
übertragenen Krankheiten. Allein 15 Millionen Kinder sterben an Durchfallerkrankungen und
schätzungsweise 73 Millionen Arbeitstage können auf Grund von durch Trinkwasser übertragenen
Krankheiten nicht angetreten werden. Der daraus resultierende wirtschaftliche Verlust wird auf 600$
Millionen im Jahr geschätzt.
Mehrere Politiker haben bereits versucht dieser enormen Belastung entgegenzuwirken. Zuletzt stellte
Modi ein Ultimatum auf. Bis zum 02.10.2019, dem 150. Geburtstag Mahatma Gandhis, soll sich kein Inder
mehr auf Feldern erleichtern müssen. Über 100 Millionen (Hock-)Toiletten sollen bis dahin gebaut
werden. Je mehr Hygiene es in einem Land gebe, desto gesünder und produktiver seien seine Bürger,
desto mehr Investoren und Touristen kämen in dieses Land. Anders ausgedrückt: - Toiletten schaffen
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Reichtum. So lobenswert dieses Vorhaben auch ist, es bedarf nicht nur an der Installation von Toiletten,
vielmehr geht es um die gesellschaftliche Aufklärung. Vor dem Amtsantritt Modis gab es bereits einige
Regierungen, die den Bau von Millionen Toiletten finanzierten. Heute werden viele von ihnen als
Lagerräume benutzt, die Dorfbewohner haben kein Interesse an ihnen. Während die Toilette für uns aus
dem Alltag nicht mehr wegzudenken ist, ist sie für die meisten Inder eine bloße Schande. Nirgendwo
sonst auf der Welt ist Kot ein so großes Tabuthema wie in Indien. In der Nähe oder gar in den gleichen
Räumlichkeiten wie die eigenen Exkremente möchte hier keiner sein. Doch es sind nicht nur die
Toiletten an sich, die die Inder abschrecken. Es ist vor allem die zugehörige Reinigung. Für die meisten ist
die Reinigung einer Toilette absolut ausgeschlossen. Die einzigen, die hierfür in Fragen kämen, wären
Dalit, die Kastenlosen.
Es kommt also nicht nur darauf an, Toiletten zu bauen. Man muss die Inder auch davon überzeugen, sie
zu benutzen. In etwa 40 Prozent der indischen Haushalte, die über eine Toilette verfügen, geht noch
immer ein Familienmitglied aufs Feld. Toiletten brauchen ein neues Image – als etwas Wertvolles,
Hilfreiches und Gutes. Bis jetzt gibt es verschiedenste Maßnahmen um ein solches Image zu verbreiten.
Abgesehen von generellen Aufklärungsprogrammen gibt es Projekte, bei denen Kinder die sanitären
Anlagen ihrer Schulen und Gemeindestätten anmalen, um deren Schönheit zu unterstreichen. In anderen
Projekten müssen Familien, die eine Toilette für ihren Haushalt erwerben, für diese einen kleinen
Abschlag zahlen, damit sie die Toilette als Wertgegenstand ansehen. Außerdem war eine Art „Spielfilm“
im Gespräch, bei dem im Verlauf der Handlung über die Wichtigkeit und die Schutzfunktion einer
Toilette informiert und aufgeklärt werden soll – ein Happy End darf natürlich nicht fehlen.
Mancherorts haben sich bereits Initiativen nach dem Motto „No toilet, no bride“ entwickelt. Wenn sich
im Haushalt der Familie des Bräutigams keine Toilette befindet, kann eine Braut nicht einziehen. Eine
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Heirat ist dann nicht möglich. Hintergrund hierfür ist das besondere Risiko, welches Frauen ohne
verfügbares WC tagtäglich in Kauf nehmen müssen. Für indische Frauen ist Kot ein noch größeres
Tabuthema als für Männer. Während sich Männer überall und zu jeder Zeit erleichtern können, gehen
die meisten Frauen hierfür nur nachts beziehungsweise im Dunkeln auf die Felder. Jedes Mal setzen sie
sich somit der Gefahr von wilden Tieren, aber vor allem der von fremden Männern aus. Landesweit
werden hunderte Frauen vergewaltigt, weil sie nachts auf die Felder entschwinden müssen. Der tägliche
Gang aufs Feld ist für viele deshalb eine stressige und risikoreiche Tätigkeit. Eine eigene Toilette dient
demnach nicht nur dem Schutz vor Bakterien im Trinkwasser, sondern vor allem für Frauen als Schutz
vor Vergewaltigungen und Misshandlungen.

Auswirkungen auf Europa
Wie anfänglich erwähnt, ist Deutschland ein wasserreiches Land. Doch die Frage ist, in wieweit eine
Wasserkrise in Indien Auswirkungen auf Deutschland oder andere westliche Länder haben könnte. Die
russische Dürre 2010 führte zum Beispiel zu steigenden Getreidepreisen weltweit. Besonders in Ägypten
stiegen die Preise rapide. Die hohen Preise waren einer der Auslöser des arabischen Frühlings.
Deshalb ist es auch von Interesse der westlichen Länder die Wasserkrisen in Entwicklungsländern zu
lindern und zu bekämpfen. Die DIZ hat bereits einige Projekte ins Leben gerufen, die eine nachhaltige
Landwirtschaft in Indien fördern und somit ein besseres Wassermanagement garantieren soll:
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                                       Indien

 I. „Nachhaltige Landwirtschaft – Regenwasserrückgewinnung“
    »   Das Projekt zielt vor allem darauf ab, dass die LandwirtInnen ein Bewusstsein über die zahlreichen Vorteile
        von nachhaltiger Landwirtschaft und der Regenwasserrückgewinnung und dahingegen über die Nachteile
        von herkömmlicher Landwirtschaftsmethoden, entwickeln.
    »   Ziel des Projektes ist die Steigerung der Erträge und die Senkung der Kosten durch die Anwendung
        ökologisch nachhaltiger Feldbewirtschaftungsmethoden
    »   Nachhaltige Landwirtschaft wird als Produktionssystem verstanden, welches auf ökologischen Prozessen
        basiert. Anstelle von synthetischem Mitteln, wie Pestiziden oder synthetischem Dünger, Hormonen oder
        Lebensmittelzusatzstoffen kombiniert nachhaltige Landwirtschaft Tradition, Innovation und Wissenschaft,
        um die gemeinsame Umwelt zu schützen
    »   Die Bildungs- und Aufklärungsarbeit führt langfristig dazu, dass durch eine höhere Lebensmittelqualität die
        Erträge steigen und die Schulden fallen, was insgesamt zu einer Verbesserung der Lebensqualität führt.
    »   So soll ein Netzwerk zwischen LandwirtInnen, die bereits auf ökologische Landwirtschaft umgestellt haben,
        aufgebaut werden. Als MultiplikatorInnen sollen sie ihre Erfahrungen mit ökologischer Landwirtschaft auf
        den Dörfern verbreiten, um so weitere LandwirtInnen zu motivieren, zu ökologischer Landwirtschaft zu
        wechseln.
    »   So müssen gerade die Bauern, die sich bereits zu einem Wechsel der Feldbewirtschaftungsmethode
        entschlossen haben, unterstützt werden. Denn vor allem zu Beginn einer Umstellung, kann es kurzfristig zu
        einer Stagnation der Ernteerträge kommen, da sich der Boden umstellen muss und sich Nährstoffe oftmals
        erst wieder ansammeln müssen.
    »   Abendveranstaltungen auf den Dörfern, Workshops, Dorfbesuche, Fortbildungen
    »   In kleinen Gruppen wird gezeigt und geübt, wie verschiedene Methoden der nachhaltigen Landwirtschaft
                                                                                                                       8
        durchgeführt werden. Mit der Unterstützung von Experten und Erfahrenen können die LandwirtInnen
        verschiedene nachhaltige Methoden nun selbst ausprobieren.
    »   Seidenraupen
    »   Regenwasserrückgewinnung

II. „Pflanzenkläranlage“
     » Im Subcenter des Ecumenical Sangam auf der Modellfarm in Bamhani gab es anfangs nur Abwassertanks,
        die zum Ziel hatten Feststoffe zurückzuhalten. Die flüssigen Abwasserbestandteile selbst wurden jedoch
        unbehandelt über einen einfachen Auslass auf die Felder geleitet. Dieses Vorgehen führte neben den zuvor
        erwähnten, oft jedoch nicht unmittelbar wahrnehmbaren Problemen, zu einer enormen Moskito- und
        Geruchsbelastung und somit zu einer Einschränkung der Lebensqualität.
    »   Im Jahr 2014 konnte eine Pflanzenkläranlage aufgebaut werden
    »   Die Pflanzenkläranlage soll zunächst ein Abwasseraufkommen von 2.000 l pro Tag reinigen und
        anschließend für die Bewässerung der Felder zur Verfügung stellen. Dieses Prinzip verbessert gleich zwei
        lokale Probleme, denn das Abwasser wird gereinigt und stellt somit keine Gefahr mehr für Mensch und
        Umwelt dar und es werden enorme Mengen an Wasser zur Bewässerung eingespart.

III. „Küchengarten“
    »   Hauptziel ist die gesunde und ausgewogene Ernährung vor allem von indischen Frauen
    »   Die   Schulungen    zum    Anbau    von   Gemüse     und   Obst    basiert   allerdings   auf   nachhaltigen
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      Landwirtschaftsmethoden und knüpft an Projekte wie das der Regenwasserrückgewinnung an
  »   Die Bewässerung des Gartens erfolgt vorwiegend durch das gereinigte Abwasser des Basiszentrums
      Bamhani von dem auf der Modellfarm gebauten „Phytorid-System Sewage Treatment Plant“, einer
      modernen bereits existierenden Pflanzenkläranlage.
  »   In den Phasen des erhöhten Wasserbedarfs z.B. bei einer Neubepflanzung oder großer Hitze, kann mit
      gesammeltem Regenwasser aus sogenannten oberirdischen „Pools“ ergänzend bewässert werden.
  »   Die Kompostproduktion (Herstellung des organischen Düngers) von auf der Modellfarm natürlicherweise
      anfallenden Pflanzenresten aus der Küche des Basiszentrums und des Gartens wird durch leicht
      vermehrbare klimaangepasste Kompostwürmer indischer Herkunft bewirkt (Vermikultur). Der fertige
      Kompost bietet, ausgebracht auf die Bodenoberfläche, einen wirksamen Schutz gegen monsunalen
      Starkregen.

QUELLEN

   http://www.zeit.de/online/2009/33/grundwasser-knappheit/seite-2
   http://www.epochtimes.de/Indiens-Wasserwirtschaft-steht-vor-Herausforderung-a766429.html
   http://www.spiegel.de/wissenschaft/natur/sicherheitskonferenz-studie-warnt-vor-wasserkrise-in-china-und-indien-a-
   950618.html
   http://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/ausbleibender-monsun-duerre-bedroht-indiens-wirtschaft-a-643259.html
                                                                                                                       9
   http://www.indien-fieber.de/monsun-indien
   http://www.naturefund.de/erde/atlas_des_klimas/ursachen/der_einfluss_des_klimawandels_auf_den_monsun.html
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                                      Indien

                             2. Protokoll: Rettet den Ganges
                                Rainer Hörig, 20.06.2016

Zu Beginn leiteten der Vorsitzende des Indo-German Forum, Herr Heinrich Rübeling, und der
Vorsitzende der Deutsch-Indischen Zusammenarbeit e. V.,               Herr Jona Dohrmann, die
Veranstaltung ein. Herr Rübeling betonte seine Schwierigkeit, nach regelmäßigen
Indienaufenthalten dem Ganges in der deutschen Sprache den männlichen Artikel zuzugestehen,
da indische Flüsse dort stets einen weiblichen Artikel haben und es somit die Ganga bleiben
wird. Jona Dohrmann stimmte zu und beleuchtete den Hintergrund dessen, denn die Ganga hat
ihren Namen einer indischen Göttin zu verdanken. Nach diesen Eingangsworten der
Organisatoren beschrieb der Referent Rainer Hörig zunächst anhand einiger Punkte seine
Recherchereise entlang des Ganges und der Yamuna. Die Mutter Ganga (Mata Ganga) ist ein
Teil der Kultur, sie ist zentral in den Schriften der Hindus und ein Urquell indischer Tradition.
Zugleich kann aber nicht außer Acht gelassen werden, dass es einer der meist verschmutzten
Flüsse der Welt ist, vergleichbar mit vielen weiteren Flüssen in Indien.
Rainer Hörig konzentrierte sich auf die Frage: „Wie rettet Indien ihre Göttin?“.
Der 2.500 km lange Fluss entspringt im Himalaya aus mehreren Quellflüssen der Gletscher, geht
bei Rishikesh (Rishi = Weise, Weisheit) in die Nordebene über und ist dort noch relativ sauber,     10
in Allahabad fließen dann Ganga und Yamuna zusammen, wo alle 12 Jahre die Kumbh Mela, das
größe Pilgerfest der Erde stattfindet. Kurz darauf in Varanasi, wo Pilger sich waschen und Tote
verbrannt werden, sieht der Ganges schon anders aus. Schließlich mündet der Ganges im
größten Flussdelta der Welt, in den Sunderbans, ins Meer.
Im gesamten Einzugsgebiet des Ganges leben 400 Millionen Menschen. Die Ganga wird somit als
Lebensspenderin, Seelenreinigerin und Erlöserin bezeichnet. Sie soll die Toten bei der
Verbrennung am Ganges von der Wiedergeburt erlösen. Aber auch die lebendigen Pilger
schütten sich das Wasser, beim Bad im Ganges, über den Kopf und lassen es über die Hände
zurückfließen, was sinnbildlich für den Kreislauf der Wiedergeburten steht und davon erlösen
soll. Herr Hörig präsentierte auch ein Bild der Göttin Ganga, die in ihren vier Händen materielle
und immaterielle Besitztümer hält und auf einem Krokodil reitet. Früher gab es noch Krokodile
in den Seitenarmen des Ganges (Yamuna in Delhi), doch mittlerweile ist dieser tot und das
Trinkwasser für die Bewohner Delhis muss 100 km nördlich der Stadt abgepumpt werden.
Die von der WHO festgelegte Obergrenze von 2000 coliformer Bakterien pro Liter spricht
gegen das Baden in vielen Orten entlang des Ganges, wie zum Beispiel in Varanasi mit einem
Wert von 32.000 Bakterien je Liter. Die Verunreinigung ergibt sich aus verschiedenen Faktoren:
80 % machen dabei die Abwässer aus, dazu die Industrieabwässer, Pestizide der Landwirtschaft
und die der Leichenverbrennungen.
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Der Ganga Action Plan versucht seit 1986 dagegen vorzugehen, konnte die Verschmutzung
jedoch nicht eindämmen. Die Hindus sehen das anders und versichern, dass die Ganga nur
schmutzig aussieht, jedoch rein ist, da sie ja auch ihre Sünden bereinigt. Damit schließen sie von
der spirituellen Reinheit auf die physische Reinheit.
Vor Amtsantritt sprach sich Premierminister Narendra Modi oft für die Wiederbelebung des
Ganges aus und erntete für dieses Wahlversprechen viel Sympathie. Kurz nach seiner Wahl gab
er die Zuständigkeit jedoch schnell an das Ministerium für Wasserressourcen ab. Diese
erarbeite bis 2014 tatsächlich die „National Clean Ganga Mission“, die ein Budget von 200 Mrd.
Rupien (ca. 3 Mrd. EUR) über 5 Jahre für Säuberungsmaßnahmen des Ganges beinhaltet. Ein
Staudamm und die Errichtung von 108 (heilige Zahl) Klärwerken und Abwassersystemen sind
darin vorgesehen. Weiterhin hat der Supreme Court die Verschmutzung von Flüssen als neuen
Strafbestand eingeordnet. Dies scheiterte jedoch in der Umsetzung.
Rainer Hörig berichtete aus einem Interview mit dem ehemaligen deutschen Botschafter Michael
Steiner und dass dieser das Schicksal der Mutter Ganga und des Vater Rheins miteinander
verglich. Die Reinigung des 1980 toten Rheins gelang durch viel Geld und Koordination und so
wäre es auch mit dem Ganges. Daraufhin stellte Rainer Hörig dem Publikum die Frage, welches
Interesse bei den Deutschen bestehen könnte, den Ganges zu retten. Wobei viele Antworten
auf ein besseres Länderverhältnis hinwiesen. Tatsächlich hat die GIZ im April 2016 eine
Unterstützung von 3 Mio. EUR zur Gangesreinigung bestätigt. Diese soll sowohl durch
wissenschaftliche und technische Beratung erfolgen, als auch durch die Bereitstellung von
Technik und Knowhow zu den Themen Abfallentsorgung, Klärwerken, Schwimmbaggern,                      11
chemischen Prozessen und präventiven Beratungen von Industriebetrieben. Sogenanntes
integriertes Flussmanagement muss stattfinden, um langfristig Ziele erreichen zu können. Sunita
Narain, eine indische Politik- und Umweltaktivistin, spricht sich beispielsweise für den Gebrauch
gereinigten Wassers vor Ort aus, für die Errichtung eines Parallelsystems mit Trinkwasser und
geklärtem Wasser.
Mit den Schlussworten „Mata Ganga ki Jay“ beendete Rainer Hörig seinen Vortrag und verwies
auf weitere Beiträge auf www.rainerhoerig.com. Jona Dohrmann der DIZ bedankte sich für den
hoffnungsvollen Beitrag und auch Rainer Hörig bestätigte zum Abschluss, dass seine Hoffnung in
der Erkenntnis der Menschen liegt, dass gehandelt werden muss.
In der folgenden Diskussionsrunde, wurden noch weitere Aspekte abgedeckt und Erfahrungen
ausgetauscht. Auf die Frage aus dem Publikum wie denn bei Rainer Hörig selbst das Interesse an
dem Thema geweckt wurde, erzählte er von seiner Begeisterung für den Rhein und das Buch
Siddharta, was für ihn „nur noch einen kleinen Schritt zur Ganga ergibt“.
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                                 3. Coke Rumor Statement
                             India Resource Center, 02.11.2016
San Francisco (February 10, 2016): Coca-Cola India has posted a statement “on rumours of shutting
down of our manufacturing Plant at Kaladera, Rajasthan, India”, ostensibly to address the claims
made by the India Resource Center on February 10, 2016 that the company had ceased production
at its Kala Dera plant and had no plans to resume. We have also claimed that one of the primary
reasons for closure was the increased difficulty in accessing groundwater from a depleted aquifer, in
addition to the plant incurring financial losses.
The public relations department of Coca-Cola India ought to have checked with the workers at the
Kala Dera bottling plant before calling our claims “rumours” because the statement contradicts the
testimony of the Team Leader of Human Resources at the Kala Dera plant.
The India Resource Center was alerted to the January 25, 2016 closing of the bottling plant well over
a week ago. The coordinator of India Resource Center also visited Kala Dera and met with Coca-Cola
workers and community members on Thursday, February 4, 2016 to verify the developments.
The (permanent) workers told us of verbally being informed of the permanent closure, and being
offered voluntary retirement schemes and transfers to other plants as a result of the closure.
However, the India Resource Center did not go public with the news because we wanted
documentary proof – which we require for everything we claim.
On February 6, our local allies in Kala Dera were able to obtain a copy of the legal petition made on
February 5, 2016 by the “Team Leader Human Resources” of the Coca-Cola plant in Kala Dera,
Pradeep Panghal, before the local court in Chomu.

The petition, filed on behalf of Hindustan Coca-Cola Beverages Private Limited (a wholly-owned            12
subsidiary of the Atlanta-based The Coca-Cola Company), was asking the court to curtail the planned
(protest) activities of the trade unions (particularly the contract workers union).
In the legal petition, which is in Hindi, Pradeep Panghal makes very clear that:

    -   The production was shut down on January 25, 2016
    -   There is no possibility of resuming production in the future
    -   The plant has been incurring financial losses
    -   The availability of groundwater and raw materials has become difficult
    -   The plant will now serve as a storage and distribution center

End of production at Kala Dera are not “rumours” and the India Resource Center stands behind its
claims that Coca-Cola has shut down production in Kala Dera and has no plans to resume operations,
and the depleted groundwater in the area was a primary reason for the closure of the plant.
We also feel compelled to remind Coca-Cola India that making a false affidavit in the court of law is a
grave criminal offence in India, and that Coca-Cola India should take immediate action if the “Team
Leader Human Resources” of the Coca-Cola plant in Kala Dera has made statements in the legal
petition on behalf of the company that the company finds to be false.
We also encourage the media to query the company about the conflicting versions of the closure.

www.IndiaResource.org
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                    4. Vortrag: Coca-Cola in Indien
                Mansi Sheth, 21.07.2016 und 02.11.2016

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                      5. Vortrag Clean India Mission
                Dr. Jona Aravind Dohrmann, 12.11.2016

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                                   Nicola Meier (Die Zeit), 12.11.2016

Mr. Toilet
In Indien gibt es mehr Handys als Latrinen. Hunderttausende
sterben wegen mangelnder Hygiene. Jack Sim, Chef der
Welttoilettenorganisation, will das ändern. Nur eine Frage des
Geldes, dachte er. Aber das war ein Irrtum.
VON Nicola Meier | 27. Mai 2015    - 03:22 Uhr
© PRAKASH SINGH/AFP/Getty Images
Mehr als 100 neue Toiletten wurden 2014 in dem indischen Dorf Katra Sahadatgunj eingeweiht.

Jack Sim ist 4.000 Kilometer von Singapur nach Indien gereist, und plötzlich klebt der
Grund seiner Reise an seiner Schuhsohle. Sim steht vor dem Bahnhof der Stadt Rishikesh,
Rikschas rollen an ihm vorbei, Autos hupen, und Sim macht ein Gesicht, als könne
er sich nicht recht entscheiden, ob er sich ärgern oder lachen soll. Lustig ist es schon,
dass ausgerechnet er in diesen braunen Haufen getreten ist. Denn deswegen ist er ja
hierhergekommen: wegen der Scheiße.
Man mag dieses Wort für ordinär halten, für primitiv, eklig. Aber es ist ein Wort, das
Jack Sim dauernd benutzt. Shit. Nicht weil er keine Manieren hätte, auch nicht, weil er
provozieren wollte. Er findet einfach nur, dass die Menschheit endlich anfangen sollte, über
Scheiße zu sprechen, vor allem die Inder.
Sim sucht sich einen Streifen Gras und wischt seine Sohle ab. Dann steigt er in den Wagen,
der an der Straße auf ihn wartet. Er rollt an Tempeln vorbei, an mageren Kühen und an          45
Touristen, die am Ufer des Ganges bunte Gewänder und Yogabücher kaufen. Sim hält ein
riesiges Smartphone in der Hand. Auf einmal ruft er: "Stopp! Können wir umdrehen?"
Er schaut durch die Heckscheibe nach hinten. Der Fahrer wendet. Sim springt aus dem
Wagen, bevor er richtig hält, und läuft zu einem Laden am Straßenrand. Dort stehen vier
weiße Toilettenschüsseln. Sim macht Fotos. Er prüft auf dem Display seines Smartphones,

GESUNDHEIT
ob sie gut geworden sind, dann macht er noch mehr Fotos. Er fotografiert die Klos wie
andere Leute den Taj Mahal. Der Verkäufer schaut ihn ratlos an.
Jack Sim ist ein 58-jähriger kleiner, drahtiger Mann mit Brille, der viel redet. Vor allem
aber ist er: Mr. Toilet, der Klomann der Welt. Vor 14 Jahren hat er in seiner Heimat
Singapur die World Toilet Organization gegründet. Wenn Sim sich irgendwo vorstellt,
kichern die Leute. Welttoilettenorganisation, hahaha. Er hat sich daran gewöhnt, sollen sie
halt lachen. "Es gibt doch niemanden, der nicht aufs Klo geht", sagt er. "Warum können wir
darüber nicht normal reden?"

Dieser Artikel stammt aus der
ZEIT Nr. 20 vom 13.5.2015.
Reader Entwicklungspolitische Bildung 2016 – Auswirkungen der Wasserkrise in
                                      Indien

Weil es uns peinlich ist. Weil wir uns dafür schämen, wie wir loswerden, was wir zu uns
nehmen. Weil wir nicht gelernt haben, wie man darüber spricht.
In Deutschland haben wir Toiletten, überall, wo wir sie brauchen. Wir schließen die Tür
hinter uns, verrichten unsere Notdurft und spülen unseren Kot und all die Bakterien und
Viren in ihm mit einem Knopfdruck in die Kanalisation. Darüber, welchen Wert eine
Toilette mit Wasserspülung hat, denken wir nicht nach.
Noch im Mittelalter entleerten die Menschen ihre Nachttöpfe durchs Fenster auf die Straße.
Zwar hatte es Latrinen schon im alten Rom gegeben, und im Irak fanden Archäologen
sogar Überreste von 4.000 Jahre alten Toiletten. Aber erst der Brite Alexander Cumming
erfand im Jahr 1775 jene Toilette, die wir heute benutzen: eine Toilette mit Wasserspülung
und Siphon, einem S-förmig gekrümmten Rohr, das als Geruchsverschluss dient.
Wenn heute von den großen Erfindungen der Menschheitsgeschichte die Rede ist,
wird meist die Elektrizität genannt, der Buchdruck, das Telefon, der Computer, das
Penicillin. Aber keine Erfindung hat laut Experten in den vergangenen 200 Jahren so viele
Menschenleben gerettet wie die Toilette. Sie hat die Welt revolutioniert. Allerdings nur
ihren reichen Teil. Denn noch immer gilt: Je ärmer ein Land ist, desto weniger Toiletten
besitzt es.
Weltweit gibt es eine Milliarde Menschen, die sich im Freien erleichtern müssen, weil sie
keinen Zugang zu einer Toilette haben. Open defecation, "offene Defäkation", heißt es
vornehm, wenn Spitzenpolitiker und Gesundheitsexperten davon sprechen, dass jeder siebte
Mensch auf der Welt seinen Urin und Kot auf Feldern, an Flüssen, auf Bahngleisen oder
hinter der nächsten Straßenecke loswird. Den Hygiene-Missstand bis 2015 weitgehend zu
beheben war eines der sogenannten Millenniumsziele der Vereinten Nationen. Es wurde
verfehlt.
Von der besagten einen Milliarde Menschen leben 600 Millionen in Indien. In den
vergangenen Jahren ist eine Menge Geld in dieses Land geflossen. Einige der reichsten
Männer der Welt sind Inder, in den Luxusvierteln von Mumbai sind die Quadratmeterpreise
so hoch wie in New York oder London. Aber die Armut ist deswegen nicht verschwunden           46
. Im Gegenteil. Das Neue ist: Es gibt in Indien jetzt mehr Handys als Toiletten. Aber im
nach Einwohnern zweitgrößten Land der Welt hockt sich noch immer jeder Zweite einfach
draußen hin, wenn er muss. Das Ergebnis ist, um es mit Jack Sims Worten zu sagen: ein
gewaltiger Berg Scheiße.
In jedem Gramm Stuhl eines Menschen stecken Millionen Bakterien und Viren. Gelangen
sie statt in ein Abwassersystem in Felder und Flüsse, sickern sie in den Boden und ins
Trinkwasser – und erreichen wieder den Menschen. Die Folgen sind katastrophal. Typhus,
Hepatitis und Cholera werden auf diese Weise übertragen. Es wird geschätzt, dass in Indien
jedes Jahr 600.000 Menschen an Durchfallerkrankungen sterben, ein Drittel davon sind
Kinder.
Man kann sagen, Indien hat ein Toilettenproblem.
Narendra Modi, seit vergangenem Mai indischer Premierminister , will es lösen. Kurz
nach seiner Wahl hat er die größte Hygienekampagne gestartet , die es in Indien je gab. Bis
zum 2. Oktober 2019, zum 150. Geburtstag des Nationalhelden Mahatma Gandhi, will er
erreichen, dass kein Inder mehr auf die Felder muss. Über 100 Millionen Toiletten will die
Regierung bauen, eine Toilette alle anderthalb Sekunden. Keine teuren Sitztoiletten mit
Wasserspülung, aber immerhin einfache Hocktoiletten, bei denen man Urin und Kot mit
einem Eimer Wasser in einen unterirdischen Tank spült.
Es gibt ein Land, in dem eine ähnliche Hygienekampagne eines Premierministers vor
Jahrzehnten großen Erfolg hatte: Singapur, die Heimat von Jack Sim. Noch in den
sechziger Jahren war Singapur ein Entwicklungsland, damals erleichterten sich auch dort
viele Menschen im Freien. Heute hat praktisch jeder Bewohner Singapurs Zugang zu einer
sauberen, hygienischen Toilette. Eine Erfolgsgeschichte, die Indien wiederholen kann,
glaubt Jack Sim.
Er wuchs selbst in einem Slum auf. Es gab ein einfaches Plumpsklo mit Eimer,
Schmeißfliegen surrten herum. Sim ekelte sich als Kind so sehr, dass er eine Zeit lang
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lieber zu Hause in eine Schüssel machte. Er hat nicht vergessen, wie glücklich er war, als
seine Familie schließlich in eine kleine Wohnung mit Toilette zog.
Jack Sim sagt, je mehr Hygiene es in einem Land gebe, desto gesünder und produktiver
seien seine Bürger, desto mehr Investoren und Touristen kämen in dieses Land. Anders
ausgedrückt: Toiletten schaffen Reichtum.
Man kann es also für eine weise Entscheidung halten, dass die indische Regierung das Land
mit Toiletten versorgen will. Und man könnte glauben, dass die Menschen, die bisher in
die Felder mussten, sich über eine eigene Toilette genauso freuen würden wie damals der
kleine Jack Sim.
Wenn es so einfach wäre, wäre allerdings diese Geschichte in Hirmathla anders abgelaufen.
Hirmathla ist ein Dorf im indischen Bundesstaat Haryana, eineinhalb Stunden Autofahrt
südwestlich von Neu-Delhi. Unverputzte Backsteinhäuser reihen sich aneinander, in den
engen, staubigen Gassen liegen Kühe und dösen, Kinder spielen in der Sonne. Zweihundert
Familien leben hier. Tagsüber sieht man fast nur Frauen. Manche von ihnen sind ein paar
Jahre zur Schule gegangen, andere haben nie lesen und schreiben gelernt. In der Nähe steht
eine Fabrik für Fahrzeugteile, dort arbeiten die Männer für ein paar Dutzend Rupien am
Tag. Es gibt ärmere Dörfer in Indien und reichere. Hirmathla ist ein Durchschnittsdorf. Und
eines, in dem die Menschen schon immer auf die Felder gehen, um sich zu erleichtern.
Anfang des Jahres 2011 fuhren Mitarbeiter der indischen Hilfsorganisation Sulabh nach
Hirmathla. Sulabh versucht seit vielen Jahren, die sanitäre Ausstattung indischer Dörfer zu
verbessern.
"Wir wollen euch Latrinen bauen", sagten die Leute von Sulabh zu den Familien im Dorf.
Da geschah etwas Seltsames. Die Dorfbewohner freuten sich nicht. Im Gegenteil: Sie
wollten keine Latrinen haben.
Toiletten zu bauen, das ist nur eine Frage des Geldes, könnte man meinen. Auch Jack
Sim dachte das am Anfang. Aber es gibt noch einen weiteren Grund dafür, dass das
Hygieneproblem in Indien so groß ist wie nirgendwo sonst auf der Welt. Viele Inder
gehen nicht nur deswegen auf die Felder, weil es in ihrem Dorf, in ihrem Stadtviertel keine    47
Latrinen gibt. Sondern weil sie es gar nicht anders wünschen.
Exkremente gelten im Hinduismus als unrein. Das ist nicht weiter sonderbar, sie sind es ja
irgendwie auch. Im Hinduismus aber folgte daraus, dass es die Aufgabe der alleruntersten
Kaste ist, die Toiletten zu reinigen. Dalit heißen die Menschen, die dieser Kaste angehören,
früher nannte man sie untouchables – "Unberührbare". Sie sind es, die seit jeher die
Exkremente aus den Behältern der Plumpsklos leeren, oft von Hand.
Irgendwann galten nicht mehr nur die Exkremente als unrein, sondern auch die Toiletten.
Und alles, was auf diesen Toiletten geschieht, erst recht. In Indien ist der menschliche Kot
ein noch viel größeres Tabu als irgendwo sonst auf der Welt.
In Dörfern wie Hirmathla können es sich viele Menschen nicht vorstellen, eine Toilette
in der Nähe ihres Hauses zu haben, also dort, wo sie essen. Ebenso wenig können sie sich
vorstellen, mit ihren Exkrementen in einen engen Raum gesperrt zu sein. Sie halten das für
unhygienisch, weil es allem widerspricht, was sie von ihren Eltern und Großeltern gelernt
haben und die wiederum von deren Eltern und Großeltern, seit Jahrhunderten.
Also gehen sie lieber auf die Felder.
Wer, wie wir in Deutschland, immer eine Toilette hatte, kann sich nicht vorstellen, ohne sie
zu leben. Aber manche Menschen, die nie eine Toilette hatten, können sich nicht vorstellen,
eine zu benutzen. Das ist der komplizierte Teil der Geschichte.
Im Wirbel um die Hygienekampagne des Premierministers Modi geht unter, dass schon
frühere indische Regierungen viele Millionen Toiletten bauen ließen. Oft endeten die
Latrinen als Lagerraum. Wissenschaftler haben herausgefunden, dass selbst in 40 Prozent
der indischen Haushalte mit Toilette mindestens ein Familienmitglied auf die Felder geht.
Es kommt also nicht nur darauf an, Toiletten zu bauen. Man muss die Inder auch davon
überzeugen, sie zu benutzen.
Deshalb reist Jack Sim zurzeit so oft nach Indien. Er ist zu einer Art Toilettenberater der
Regierung geworden. Er soll helfen, den Indern den Wert des Klos zu erklären.
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Bevor Sim in die Stadt Rishikesh fuhr, wo er sich dann die Schuhsohle verdreckte, hatte er
in der Hauptstadt Neu-Delhi einen Termin bei einem hohen Regierungsbeamten. Es ging
um 100.000 neue Schultoiletten im Bundesstaat Uttar Pradesh.
Im vierten Stock eines Hochhauses erwartete ihn der Beamte in einem geräumigen Büro. Er
saß hinter seinem Schreibtisch, ein gedrungener Mann mit grimmigem Blick, Goldringe an
den Fingern. Noch hatte er einen Telefonhörer am Ohr, sein Ton war barsch. Er legte auf
und wandte sich Sim zu. Der schob seine Visitenkarte über den Tisch.
Sie sprachen kurz über den geplanten Bau der Schultoiletten, dann kam Sim zur Sache.
"Die Toiletten alleine reichen nicht", sagte er. "Sie müssen auch ein Ort sein, wo die
Schüler gerne hingehen."
"Was ist denn Ihre Lösung?", fragte der Beamte.
Sim schlug vor, dass die Schüler die Toiletten dekorieren könnten. Sie anmalen, mit
Blumen schmücken. So würde es ihnen leichterfallen, sie als "ihre Toiletten" anzusehen.
Als etwas Schönes, das sie wertschätzen.
Der Regierungsbeamte lehnte sich zurück, die Arme hatte er über dem Bauch verschränkt.
Sein Blick war skeptisch.
"Es braucht einen Plan, wer die Toiletten reinigen soll", fuhr Sim fort. "Wenn die Toiletten
schmutzig sind und stinken, werden sie nicht mehr benutzt."
Der Beamte nickte.
Sim wollte wissen, welche Mittel es für die Reinigung gibt. Ob die Schüler sich selber
darum kümmern werden oder nicht. "Kann ich eine Liste der Schulen bekommen?", fragte
er. "Ich würde gerne helfen."
Der Beamte griff zum Telefon und stellte auf Lautsprecher. "Ich habe hier jemanden von
der Welttoilettenorganisation", sagte er. "Mister Sim wird Sie in genau einer halben Stunde
treffen." Er legte auf, schrieb einen Namen und eine Adresse auf einen Zettel und gab ihn
Sim. Die Adresse gehörte zu einer Finanzbehörde. Dort wird das Geld für den Bau der
100.000 Schultoiletten verwaltet, und dort würde Sim die Liste der Schulen bekommen.
Die beiden Männer tranken Tee und aßen Kekse. "Die Toilette braucht in Indien ein ganz         48
neues Image", sagte Sim. Er plane eine landesweite Kampagne, er habe viele Ideen.
"Whatever it takes", "Was immer es braucht", sagte der Beamte.
Aber dann erzählte Sim von seinen Plänen. Prominente könnten das Tabuthema
ansprechen, sagte er, Bollywood -Stars zum Beispiel. Oder Comedians. Sie könnten in
einer Fernsehshow gegeneinander antreten und die besten Toilettenwitze erzählen. In
England habe es so was schon gegeben, einen Golden Poo Award.
Die Miene des Regierungsbeamten wurde wieder grimmig. "Die Menschen dürfen nicht
ausgelacht werden, weil sie keine Toilette benutzen", sagte er.
"Nein, natürlich nicht", sagte Sim. So habe er es nicht gemeint.
Das Missverständnis zeigt, wie schwierig die Aufklärungsarbeit in Indien ist: Spricht man
das Tabuthema zu vorsichtig an, ändert sich nichts. Spricht man es zu direkt an, fühlen sich
die Menschen gedemütigt.
Jack Sim hat nach der Schule als Kellner gearbeitet. Später fand er einen Job als Verkäufer
von Baumaterialien, und er war im Verkaufen so gut, dass ihn ein wohlhabender
Geschäftsmann fragte, ob sie nicht gemeinsam eine Firma gründen wollten. Sie handelten
mit Dachziegeln. Jack Sim, das Kind armer Eltern, wurde zu einem Unternehmer. Und zu
einem reichen Mann.
Ende der neunziger Jahre aber brach die Wirtschaft in Südostasien ein. Sims Unternehmen
rutschte in die Krise. Sim selbst auch. Er war gerade 40 Jahre alt geworden. Noch mal 40
Jahre, dann bin ich tot, dachte er. Vielleicht sollte er die Zeit besser nutzen, als nur dem
Geld nachzujagen. Vielleicht sollte er versuchen, die Welt ein klein wenig zu verändern.
In der Zeitung las er damals einen Artikel, in dem der Premierminister Singapurs mit der
Aussage zitiert wurde, dass sich der Zustand eines Landes am Zustand seiner Toiletten
ablesen lasse. Jack Sim dachte zurück an seine Kindheit im Slum. Wären Toiletten nicht
etwas, wofür er sich einsetzen könnte?
So wurde der Bauunternehmer Jack Sim zu Mr. Toilet.
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