Zeitung der Radgenossenschaft der Landstrasse Dachorganisation der nationalen Minderheit der Jenischen und Sinti der Schweiz

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Zeitung der Radgenossenschaft der Landstrasse Dachorganisation der nationalen Minderheit der Jenischen und Sinti der Schweiz
Zeitung der Radgenossenschaft der Landstrasse
Dachorganisation der nationalen Minderheit der Jenischen und Sinti der Schweiz

                 Ein Stoffkunstwerk (ein sogenannter Quilt), geschaffen
                 aus Anlass der Anerkennung der irischen Travellers 2017.

             Dezember 2017 Jahrgang 41 Ausgabe 4 Erscheint vierteljährlich
Zeitung der Radgenossenschaft der Landstrasse Dachorganisation der nationalen Minderheit der Jenischen und Sinti der Schweiz
Büro, Museum und Dokuzentrum
                             der Radgenossenschaft

   Hermetschloostrasse 73, 8048 Zürich, Tel. 044 432 54 44
   (Bus 31 bis Haltestelle Micafil, 3 Gehminuten Richtung Bahngleise)
                                       Montag: 9.00—16.00
                                       Dienstag: 9.00—16.00
                                       Mittwoch: 9.00—16.00
   Führungen nach Vereinbarung

        Mitgliederbeiträge für 2018 sind fällig
        Die Erneuerung der Abonnements und der Mitgliedschaft für 2018
        ist fällig.
        Ein Einzahlungsschein liegt dieser Ausgabe bei. Wer nicht bezahlt,
        hat kein Stimmrecht.

        Generalversammlung 2018, 17. März 2018
        Notiert Euch das Datum: Samstag, 17. März 2018
        Beginn 10.00 Uhr,
        Kaffee und Gipfeli am Morgen,
        anschliessend gratis Essen und Trank

        Ort, wie letztes Jahr: Galactic Dance GmBH, Albulastrasse 47,
        8048 Zürich-Altstetten
        Einige Garagen im Haus, weitere Parkplätze im Letzipark,
        während drei Stunden gratis.

Impressum                         Jahresabonnement Scharotl           Redaktion / Inserate / Büro
Hg: Radgenossenschaft der         Normales Abo 25 Fr.                 Radgenossenschaft
Landstrasse / Verein „Scharotl“   Gönner 50 Fr.                       Hermetschloostrasse 73
Präsident                         Erscheint vierteljährlich           8048 Zürich
Daniel Huber                      Inserate                            Tel: 044 432 54 44
Geschäftsleitung                  Viertelseite 50 Fr.                 PC: 30-15313-1
Willi Wottreng                    Halbe Seite 100 Fr.                 Mail: info@radgenossenschaft.ch
Ehrenpräsident                    Ganze Seite 200 Fr.                 Für den Platz Rania: rania@gmx.ch
Robert Huber (2016 verstorben)    Administration, redakt. Mitarbeit   Druck
                                  Jeannette Feliz Spiess              Rohner Spiller AG, Winterthur

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Editorial
Es braucht Plätze für alle               In dieser Situation dürfen wir
Wir wünschen allen von Herzen            uns nicht gegeneinander aus-
ein glückliches neues Jahr.              spielen lassen. Es geht nicht
                                         darum, einzelnen Gruppen un-
In den letzten Wochen und Mo-            serer Minderheiten die Schuld
naten gab es viele Diskussio-            zuzuschieben. Durchschauen
nen über Roma und zum The-               wir das Spiel, das darin be-
ma Plätze für Roma. Die Rad-             steht, sogenannte „Fahrende“
genossenschaft hat eine einfa-           gegeneinander aufzuhetzen.
che und klare Haltung dazu. Es
braucht Plätze für alle: für Jeni-       Die Radgenossenschaft wird
sche, Sinti und Roma. Und alle           nicht in die Falle des Rassis-
haben sich an die Regeln zu              mus treten. Darum sind wir soli-
halten und die Plätze genau so           darisch mit den Familien aus al-
zu verlassen, wie sie sie nächs-         len Gruppen. Man muss es im-
tes Jahr wieder vorfinden                mer wieder sagen: Es braucht
möchten.                                 Plätze für alle. Für Jenische, für
                                         Sinti, für Roma. Die Behörden
In der Schweiz fehlen derzeit            müssen endlich handeln. Die
Plätze aller Art. Es fehlen Plät-        Diskriminierungen müssen auf-
ze für 80 bis 100 Caravans, al-          hören. Und es sind alle Grup-
so für grosse Gruppen, davon             pen und jede einzelne Familie
gibt es bisher im Land nicht ei-         aufgefordert, die Plätze sauber
nen einzigen. Es fehlen Durch-           zu halten.
gangsplätze für Familienver-                       Daniel Huber, Präsident
bände von 8 bis 12 Wohnwa-
gen; die Zahl dieser Plätze hat
ja massiv abgenommen. Es
fehlt Lebensraum im Winter, die
Standplätze Bern-Buech und
Eichrain in Zürich sind überfüllt,
und die Jungen suchen Le-
bensraum, die Behörden tun
auch hier zu wenig. Und dann
wird auch noch die Möglichkeit,
auf dem Land von Bauern zu
halten, durch Behörden be-
schnitten. So geht es nicht.             Daniel Huber in der Rania.
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Travellers
 Besuch bei unseren Freunden in Irland

                                                        Das Zentrum Pavee
                                                        Point befindet sich
                                                        in einer ausgedien-
                                                        ten Methodistenkir-
                                                        che am Rand der
                                                        Dubliner Innenstadt.
                                                        Wir erfuhren dort,
                                                        dass die Travellers
                                                        ein Volk sind, das
                                                        seine Wurzeln in Ir-
                                                        land hat. Es sind
                                                        von uns aus gese-
                                                        hen Jenische. Der
                                                        Ko-Direktor von Pa-
Brigitta zeigt die Siedlung Avila Park in Nord-Dublin. vee Point, Martin
                                                       Collins, informierte
 Ein Bericht von Willi Wottreng,            uns, dass 80 Prozent der Tra-
 unserem Geschäftsführer                    vellers heute sesshaft sind und
                                            nur noch etwa 20 Prozent in
 Im Januar 2017 durfte ich als              Wohnwagen leben. Die andern
 Vertreter der Radgenossen-                 leben in Chalets und Wohnun-
 schaft im Auftrag unseres Prä-             gen oder hausen irgendwo ab-
 sidenten Daniel Huber unsere               seits. Travellers nennen sich
 irischen Freunde in Dublin be-             so, weil die Geschichte des
 suchen. Die Organisation mit               Umherziehens eine grosse Rol-
 dem Namen Pavee Point ver-                 le im Bewusstsein spielt wie bei
 tritt Travellers - das ist der eng-        uns auch. Auch sesshafte An-
 lische Name für Fahrende oder              gehörige der Minderheit heis-
 Reisende -, und sie vertritt auch sen in Irland „Travellers“, eben
 Roma in Irland. Begleitet wurde            Reisende.
 ich von unserer Freundin und
 Mitarbeiterin Nadine Schneider,            Die Travellers haben ihre eige-
 die beim Verstehen des Engli-              ne Sprache, über die es Bücher
 schen half. Die Begegnung mit              gibt. Es bestehe die Gefahr,
 allen, die wir trafen, war sehr            dass die Jungen die Sprache
 herzlich und sehr informativ.              nicht mehr können, hören wir.
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Ein Grossereignis für die iri-         mord verüben und dass sie we-
schen Travellers war die Tatsa-        gen des verbreiteten Rassis-
che, dass die irische Regierung        mus selten in Spiäler gehen.
sie im März 2017 als soge-
nannte ethnische Minderheit            Ein wunderbares Projekt be-
anerkannt hat. Das ist ver-            steht darin, die traditionellen
gleichbar mit der Anerkennung          Berufe an die Jugend weiter-
der Jenischen und Sinti als na-        zugeben. Pavee Point sucht die
tionale Minderheit in der              Zusammenarbeit mit Museen,
Schweiz 2016. Man ist sehr             die eine Art Anlehre unterstüt-
stolz darauf, dass dies nach 35        zen. Das wäre vergleichbar, wie
Jahren Kampf endlich erreicht          wenn das Freilichtmuseum Bal-
werden konnte.                         lenberg oder das Landesmuse-
                                       um in Zürich Korber und Zinn-
Der Name Pavee ist ihre eige-          giesser anlernen und dafür be-
ne Bezeichnung. Pavee Point            zahlen würden.
vertritt die Solidarität mit den
Roma, die in Irland in ähnlichen       Für uns überraschend war es,
Bedingungen leben und unter            zu erfahren, dass die Travellers
ähnlichen Diskriminierungen            dafür gekämpft haben, dass je-
wie die Travellers zu leiden ha-       de Person bei der landesweiten
ben. Man betont die Idee, dass         Volkszählung angeben kann, zu
alle diese Minderheiten solida-        welcher nationalen Minderheit
risch sein müssen.

Ein grosses Gewicht
geben die irischen
Travellers in ihrer
Arbeit dem Gesund-
heitswesen, weil sie
festgestellt haben,
dass ihre Leute lei-
der mehr erkranken
als Angehörige der
Mehrheitsgesell-
schaft, dass sie frü-
her sterben, dass sie
viel häufiger Selbst- Michal zeigt den Garten, wo Gemüse angebaut wird.
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Travellers in Irland
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                                                        Unterschiede,
                                                        die traurig stim-
                                                        men. Offenbar
                                                        ist das Reisen
                                                        im Wohnwagen
                                                        in Irland prak-
                                                        tisch verboten.
                                                        Man darf nach
                                                        Informationen,
                                                        die uns Travel-
                                                        lers gegeben
                                                        haben, zwar ei-
                                                        ne Nacht anhal-
                                                        ten, muss dann
Ein inoffizieller Standplatz, wo viel Not herrscht.     aber weiter. Da-
                                                        mit ist die Aus-
sie sich zählt, was allerdings        übung der traditionellen Gewer-
anonym bleibt. Sie sehen das          be im Herumziehen eigentlich
nicht als Diskriminierung an,         nicht mehr möglich. Und offiziell
sondern als Möglichkeit, stolz        verboten sei das Hausieren.
hervorzutreten und zu zeigen,         Man darf offenbar schlicht nicht
dass sie ein Volk sind. In der        von Tür zu Tür verkaufen ge-
letzten Volkszählung haben vie-       hen. Das ist eine Diskriminie-
le erklärt oder eben angekreuzt, rung der Travellers-Kultur. Eine
dass sie Travellers sind. Und so 70-jährige Frau sagte uns, dass
können die irischen Travellers,       sie das trotzdem tut.
gestützt auf die Volkszählung
von 2016, klar sagen, dass es         Wir haben denn auch gesehen,
in Irland mit seinen rund 5 Milli-    wie Travellers heute leben. Lei-
onen Menschen sicher 30 000           der sind das Ghetto-Verhält-
Travellers gibt, die sich selber      nisse. Wir haben einen offiziel-
so benennen. In Wirklichkeit          len Standplatz und einen nicht
seien es mehr, da sich nicht al-      offiziellen Platz besucht. Der of-
le outen wollten. Die Zahlen          fizielle Standplatz war überfüllt.
sind vergleichbar mit den             Die Jungen wissen nicht wohin.
Schätzungen, die wir in der           Es gibt für sie keine neuen Plät-
Schweiz haben                         ze mehr. Darum sind auf dem
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Gelände neben den rund 50                 tivitäten auf dem Gelände mit
gemauerten Kleinhäuschen                  Infrarot überwacht.
über ein Dutzend Caravans sta-
tioniert, für die an die Stadt teu-       Aber die Travellers geben nicht
re Mieten bezahlt werden müs-             auf. Wir sahen etwa einen von
sen. Die Travellers darin fühlen          Pavee Point betriebenen Ge-
sich von der Mehrheitsbevölke-            meinschaftsgarten, wo Travel-
rung ausgeschlossen und fin-              lers nach der Ernte gesunde
den meist auch keine Arbeit.              Früchte holen können. Denn zu
                                          oft wird wohl ungesunder Junk-
Der inoffizielle Standplatz, der          Food gegessen.
seit rund 25 Jahren besteht und
von den Behörden geduldet             Die Radgenossenschaft erklärt
wird, weil es keine anderen Or-       an dieser Stelle, was sie auch
te gibt, wo Travellers hingehen       den Travellers gesagt hat: dass
können, macht einen himmel-           wir mit ihnen vollständig solida-
traurigen Eindruck. Da gibt es        risch sind und dass wir mit ih-
keine offiziellen Stromanschlüs-      nen gemeinsam vorwärtsgehen
se, keine Chalets mit Wasser.         wollen für die Wiederherstel-
Toiletten und Duschgelegenhei-        lung der jenischen und Travel-
ten sind ausserhalb der Woh-          lers-Kultur, europaweit.
nungen. Eine Mutter behält ihre       (Siehe: www.paveepoint.ie)
Kleinen im Wa-
geninnern aus
Angst, dass
Ratten deren
Beinchen an-
knabbern könn-
ten. Und in der
Nacht wird, man
glaubt es kaum,
ausserhalb des
Areals wie ein
Teleskop von
den Behörden
eine Kamera
hochgefahren,
welche die Ak-      Auf diesem verlassenen Platz zählt man auf die Heiligen.
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Vermischte Meldungen
Kanadas Irokesen
Die Jenischen sind eine nationale
Minderheit, die sich mehr und mehr
als Nation versteht. Von Minderhei-
ten in anderen Ländern kann sie
lernen. Darum sind wir mit ihnen
solidarisch: mit den Sami in Finn-
land oder den einstigen „Indianern“
auf dem amerikanischen Kontinent.
Anlässlich einer privaten Reise für
ein Buchprojekt hat unser Ge-
schäftsführer das Land der Six Na-
tions besucht, der „Irokesen“ in Ka-
nada. Und er hat dem traditionellen
Stammesrat, der für die Erhaltung
der Rituale besorgt ist, einen Soli-
daritätsbeitrag der Radgenossen-
schaft überbracht. Denn wir wollen
über den eigenen Gartenhag hin-
ausschauen. Der Generalsekretär        Unser Geschäftsführer im
des Stammesrats, Hohahes (Leroy        Grand-River-Land der Six
Hill), schreibt uns: „Nyaweh - Dan-    Nations, die sich selber
ke - für Euren Besuch und Eure         Haudenosaunee nennen.
Geste und auch für die Arbeit, in      Das Gebiet liegt nahe bei
die Ihr engagiert seid. In Frieden.“   Toronto, Kanada.

                  Ein persönlicher Eindruck
Vieles hat mich in Kanada beeindruckt. Etwa, dass Hochschulen
und Indigene eng zusammenarbeiten. So an der Universität von Bri-
tish Columbia in Vancouver. Das zeigt sich im grossartigen Museum
mit Haida-Kultur auf dem Uni-Gelände, wo auch ein Totempfahl zur
Erinnerung an die Wegnahme von Kindern und ihre Versorgung in
Internatsschulen aufgestellt wurde. Es ist auch kaum mehr möglich,
eine Studienarbeit „über“ Indigene zu schreiben, ohne „mit“ den In-
digenen zu reden. Die Minderheiten verlangen, dass Forschende ih-
re Projekte mit den „Elders“ - den weisen Alten - besprechen. Eine
Forderung, die auch die Forschung über Jenische, Sinti und Roma
betrifft, denn auch sie haben eine nur mündlich überlieferte Kultur.
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Vermischte Meldungen
Gesucht, ein Schleifgerät
Das Freiluftmuseum Wackers-
hofen bei Schwäbisch Hall in
Baden-Württemberg hat 2017
eine für Deutschland einmalige
feste Ausstellung über Jenische
eingerichtet. Selbst die Fahne
der Radgenossenschaft hängt
dort in der Höhe. Nun suchen
unsere Freunde einen Schleif-
bock, eine Moulette zum
Schleifen von Scheren und
Messern. Wenn jemand eine
solche zu verkaufen hat, soll er
sich bitte bei der uns melden,
mit Foto und Preisangabe.

Film „Unerört jenisch“                 Scherenschleifer Paul Schirmer.
Der Film „Unerhört jenisch“
über jenische Musiker in Ober-         Bericht über die Roma
vaz und die Herkunft des Musi-         Die Gesellschaft für bedrohte
kers Stephan Eicher hat ein            Völker hat einen Bericht über
breites Publikum erreicht. Es          die reisenden Roma in der
war schon der zweite Film der          Schweiz veröffentlicht. Der Be-
Regiseurinnen mit der Radge-           richt ist interessant, weil man
nossenschaft, nach „Jung und           Dinge erfährt, die manche nicht
Jenisch“. Die Produktionsfirma         wissen: etwa über die Berufe,
„Dschoint Ventschr“ schreibt an        die Roma ausüben, über ihre
den Präsidenten Daniel Huber:          Sprache oder über die Nationa-
„Herzlichen Dank für deinen            lität der Roma-Fahrenden. Es
wertvollen Einsatz und deine           gibt keinen Platz in der Schweiz
engagierte Mitarbeit an ‚uner-         für grössere Konvois, nirgends
hört jenisch‘ Wir freuen uns,          sind es mehr als 45 Stellplätze.
dass wir diesen Film gemein-
sam realisieren konnten.“              Der Roma-Bericht kann gratis
Es gibt unterdessen den Film           auf dem Büro der Radgenos-
auch auf DVD bei uns.                  senschaft bezogen werden.
                                   9
Zeitung der Radgenossenschaft der Landstrasse Dachorganisation der nationalen Minderheit der Jenischen und Sinti der Schweiz
Spontanhalt in Bäretswil
Ein Bauer kämpft für den Spontanhalt auf seinem Land
                                                              Gemeinde-
                                                              rat von Bä-
                                                              retswil nun
                                                              ein Dorn im
                                                              Auge. Er
                                                              hat die Auf-
                                                              enthalts-
                                                              dauer auf
                                                              maximal
                                                              zwei Wo-
                                                              chen im
                                                              Jahr emp-
                                                              findlich ge-
Markus Glaus erklärt im TV, dass er Fahrende will.            kürzt. Mar-
                                                              kus Glaus
Der Landwirt Markus Glaus aus          wehrt sich mit Hilfe der Radge-
Bäretswil ZH überlässt sein Pri-       nossenschaft dagegen. Die Be-
vatland seit Jahren verschiede-        gründungen des Gemeinderats
nen Sinto-Familien und Jeni-           seien fadenscheinig. Es mangle
schen für Privathalte. Er erklärt,     keineswegs an Toiletten, und er
dass es noch nie Probleme ge-          mähe die Wiese genau so oft
geben habe, weder mit den              wie sein übriges Land.
„Fahrenden“ selber, noch mit           Entgegen der Behauptung der
der Gemeinde und den Anwoh-            Gemeinde, dass die rechtliche
nern. Er habe klare einfache           Grundlage fehle, sagt Balthasar
Regeln aufgestellt und hänge           Thalmann vom Amt für Raum-
diese jeweils in der Scheune           planung, dass ein Spontanhalt
auf. Die Regeln würden befolgt.        für Fahrende möglich bleiben
Man kennt und vertraut sich            müsse. Derzeit arbeite der Kan-
seit Jahren. Es sind vor allem         ton an einem Konzept. In die-
Sinti und Jenische, die dort Halt      sem werde die Dauer des
machen, hin und wieder auch            Spontanhaltes auf zweimal
Roma, aber nur solche Famili-          jährlich drei bis vier Wochen
en, die Glaus gut kenne.               festgelegt. Das Amt für Raum-
Trotzdem ist dieses Musterbei-         planung will alle Beteiligten an
spiel für den Spontanhalt dem          einen Tisch bringen.
                                    10
Lebensraum für Jenische
Sinti protestieren                      Bonaduz ist gekiest
In Münchwilen im Thurgau ist            Es ist geschafft. Der durch-
der Grundbesitzer Beni Frei be-         gangsplatz Bonaduz ist nun
reit, Land für einen Standplatz         endlich saniert und vor allem
an Sinti-Familien zu verpach-           gekiest worden. Danke an un-
ten. Nun stellt sich die Gemein-        seren Verwaltungsrat Pascal
de quer und erklärt, das sei von        Gottier und an die Gemeinde.
Gesetz her nicht möglich, weil
der Platz nicht in der Zonenord-        Mieterkomitee im Eichrain
nung vorgesehen sei. Das Land           Auf dem Standplatz Eichrain
liegt in der Industriezone. Doch        bei Zürich gibt es jetzt ein Mie-
gemäss Bundesgericht 2003               terkomitee, das aus je einem
muss ein Durchgangs- oder               Vertreter pro Strasse besteht.
Standplatz nur dann in der Zo-          Das Komitee hat die Aufgabe,
nenordnung vorgesehen sein,             Fragen von allgemeiner Bedeu-
wenn er „von ziemlicher Bedeu-          tung, Themen also, welche die
tung“ ist und darin grössere            ganze Siedlung betreffen, zu
Bauten geplant sind. Das ist in         besprechen: Parkplätze, Bau-
Münchwilen nicht der Fall.              vorschriften, Strom, Mieter-
Die drei Sinti-Familien sind mit        wechsel usw. Die Radgenos-
einem Brief an die Stiftung             senschaft unterstützt sie dabei.
„Zukunft für Schweizer Fahren-          Unser Ansprechpartner ist die
de“ gelangt, deren Vertreter            Liegenschaftenverwaltung der
den Platz besichtigt hat, und           Stadt Zürich.
verlangen, dass die Stiftung sie
unterstützt. „Wir fordern die           Bern-Buech ist überfüllt
Stiftung auf, etwas für Schwei-         Die Probleme, die letzten Win-
zer Jenische und Sinti zu tun“,         ter auf dem Standplatz Bern-
schreiben sie, denn die Stiftung        Buech auftraten, bestehen lei-
habe „alles zu unternehmen,             der weiter. Denn die Behörden
was politisch und juristisch            haben dieses Jahr nichts getan,
möglich ist“, um den Sinti und          um den Platz zu erweitern oder
den Jenischen als anerkannter           einen neuen zu suchen. So fin-
Schweizer Minderheit zu ihrer           den Junge aus diesem Platz
Existenz zu verhelfen.                  auch dieses Jahr weiterhin kei-
Siehe auch das Merkblatt der            nen Lebensraum in der Nähe.
Radgenossenschaft „Fahrende             Die Spannungen sind leider
auf Privatland“.                        deutlich spürbar.
                                   11
Lebensraum für Jenische

                               Rania: Minipigs
                               Auf unserem Standplatz Rania
                               bei Zillis gibt es immer wieder
                               Neuerungen zu vermelden. Im
                               Herbst wurden zwei Mini-Pigs
                               angeschafft, welche nun An-
                               wohnende und Touristen erfreu-
                               en, vor allem auch die Kinder.

                               Neue Wirtin: Manu
                               Das Restaurant ist in neuen
                               Händen. Die Wirtin Manu ist ei-
                               ne Jenische mit Herkunft aus
                               dem Geschlecht der Moser. Sie
                               verwöhnt unsere Gäste mit jeni-
                               scher Küche und immer wieder
                               auch mit Musik.

                               Chalet eines Jenischen in der Rania.
                          12
Die Rania
Ein Ort der Jenischen, wo sie
ihre Kultur frei leben können.
Zusammen mit Sesshaften,
die immer willkommen sind.
Der Stand– und Durchgangs-
platz wird geführt von der
Radgenossenschaft.

Sommermarkt 2018
Wir können auch schon den
nächsten Sommermarkt in
der Rania ankündigen. Er fin-
det statt vom Freitag, 6. Juli,
bis Sonntag, 8. Juli 2018.
Datum bitte vormerken.             Jenische auf der der Bündner Jagd
                                   im vergangenen Herbst.

  Jenische Musiker am Sommermarkt in der Rania 2017.

                                  13
Stiftung Zukunft Schweizer Fahrende
Wofür die Stiftung da ist               eben den Staat in seine „Ver-
Jenische und Sinti haben uns in         antwortung“ gegenüber der
letzter Zeit immer wieder ge-           Minderheit der Jenischen und
fragt, wofür die Stiftung               Sinti einbinde.
„Zukunft für Schweizer Fahren-
de“ da sei.                             In den Statuten der Stiftung, die
                                        1997 gegründet wurde, lesen
Im Bundesgesetz von 1994 zur            wir unter dem Punkt „Zweck der
Stiftungsgründung hiess es:             Stiftung“: „Förderung der inter-
„Der Bund unterstützt zur Si-           kantonalen und interkommuna-
cherung und Verbesserung der            len Zusammenarbeit in Bezug
Lebenssituation und zur Wah-            auf die Einrichtung und Verwal-
rung des kulturellen Selbstver-         tung von Stand- und Durch-
ständnisses der fahrenden Be-           gangsplätzen für die fahrende
völkerung die privatrechtliche          Bevölkerung der Schweiz.“
Stiftung ‚Zukunft für Schweizer
Fahrende‘.“ Die Stiftung muss           Präsident der Stiftung ist seit
also helfen, die Lebenssituation        2016 der Berner Regierungsrat
der Fahrenden zu verbessern             Christoph Neuhaus. Er hat als
und unsere Kultur unterstützen.         Präsident der Stiftung die Auf-
                                        gabe, zusammen mit den Be-
Im Bericht ans Parlament sagte          hörden für die Schaffung von
damals der Sprecher der zu-             Stand- und Durchgangsplätzen
ständigen Kommission vor dem            für die Fahrenden der Schweiz
Nationalrat: Das Bundesamt für          zu sorgen, unsere Kultur zu un-
Kultur arbeite zu diesem Zweck          terstützen und dabei mit der
„eng mit der 1975 gegründeten           Radgenossenschaft und ande-
‚Radgenossenschaft der                  ren Organisationen von Jeni-
Landstrasse‘ zusammen, die              schen, Sinti und Roma zusam-
faktisch als Dachverband der            menzuarbeiten.
Fahrenden in der Schweiz be-
trachtet werden kann.“

In einem Bericht des Bundesra-
tes aus dem Jahr 2006 heisst
es, die Stiftung sei „eine not-
wendige Ergänzung zur Rad-
Genossenschaft“, indem sie              Stiftungspräsident Christoph Neuhaus.
                                   14
Bundesrat
Wir haben Bundesrat
Alain Berset informiert

Der Verwaltungsrat der Radge-
nossenschaft hat im August
2017 beschlossen, einen Brief
an den Bundesrat zu schreiben,
und ihn auf die wachsenden
Probleme unserer Gemein-
                                         Bundesrat Alain Berset spricht an
schaften aufmerksam zu ma-               der Feckerchilbi 2016 mit einem je-
chen. Nach den teils heftigen            nischen Korber.
Streiteren um Plätze nament-
lich im Kanton Bern fühlen sich          Herr Berset hat uns mit Datum
die Jenischen und Sinti der              vom 24. Oktober 2017 geant-
Schweiz alarmiert. Indem unter-          wortet. Aus seinem Brief, der
schiedslos „Fahrende“ für allfäl-        gegenüber der Radgenossen-
lige Missstände jeder Art ver-           schaft viel Wohlwollen aus-
antwortlich gemacht wurden,              drückt, entnehmen wir unter an-
warf man die Angehörigen aller           derem, dass künftig nun wirk-
Minderheiten in einem Topf und           lich auch von den Behörden
hetzte sie zugleich gegeneinan-          von Jenischen, Sinti und Roma
der auf. Wir haben festgehal-            gesprochen werden soll und
ten, dass in der Schweiz ein             dass das versprochene Akti-
wachsender Rassismus festzu-             onsprogramm des Bundes nun
stellen sei. Dies beginnt beim           umgesetzt werden soll. (Der er-
elementaren Hausieren, das               wähnte Aktionsplan besteht lei-
schwieriger geworden ist, weil           der nur als Entwurf ohne viele
wachsendes Misstrauen be-                Details.)
steht. Wir haben den Bundesrat           „Ich möchte die Gelegenheit
aufgefordert, die Verantwortung          benützen, mich für das Enga-
des Bundes wahrzunehmen                  gement der Radgenossen-
und vorwärts zu machen mit               schaft als Vertreterin der Inte-
den Verbesserung der Lebens-             ressen der Jenischen, Sinti und
bedingungen für unsere Nation            Roma zu bedanken“, schreibt
und alle Gruppen.                        Bundesrat Berset.
Der ganze Text des Briefes ist           Der vollständige Text des Brie-
abrufbar auf der Homepage:               fes ist ebenfalls abrufbar unter
www.radgenossenschaft.ch                 www. radgenossenschaft.ch
                                    15
Die erste Darstellung                      Unser neuer Hit
   der jenischen Kultur                   Dächlikappe mit Igelmotiv

                                           Schwarzes Cape mit dem
                                          kämpferischen Stacherlig in
                                            Gold und der Aufschrift
                                           „Jenisch-Power-Suisse“.
                                            20 Franken plus Porto.

   102 Seiten, reich illustriert.
 Für Mitglieder und Abonnenten
  gratis. Nichtmitglieder zahlen
       Fr. 10.– plus Porto.

                                            Illustriertes Wörterbuch

                                         Die Sprache ist unser wichtigstes
  Vergünstigte                           Kulturgut. Für Jenische hat die
 Pan-Gas-Karten                          Radgenossenschaft ein kleines
                                         Büchlein mit Wörtern und Illustratio-
                                         nen herausgegeben. Gratis erhält-
 Für Mitglieder                          lich gegen die Unterschrift, dass es
                                         nur unter Jenischen benutzt wird.
Auf dem Büro der
Radgenossenschaft
    erhältlich

                                    16
Feckerchilbi
                                    Das traditionelle Kulturfest
                                    der Jenischen findet vom 9.
                                    bis 12. August 2018 im idylli-
                                    schen Grün am Saane-Ufer
                                    in Freiburg statt.
                                    Jeder, der mitmachen will,
                                    mit Musik oder einem Stand,
                                    ist willkommen. Meldet euch
                                    bei der Radgenossenschaft.
  Fecker-Chilbi 2018
                                    Essen und trinken kann an den
  Freiburg / Fribourg               Ständen nicht verkauft werden
Datum: 9. - 12. August 2018         wegen der Hygienevorschriften.

Die mit Bäumen bestandene
Wiese „Grandes Rames“ am
Saane-Ufer, wo die Fecker-
Chilbi stattfinden wird. Sie
bietet Platz für eine ganze
Anzahl von Wohnwagen und
Marktstände; auch Parkplät-
ze sind vorhanden.

Unten: So liegt die Wiese
am Fuss der Altstadt.

ergangen

                               17
Kleine Geschenke
Das Wappen der Radgenossenschaft. Es gibt diesen Igel als Flagge, als Wimpel, als T-Shirt

Flagge: Fahnentuch, 120 x 90 cm,
45 Fr. plus Porto (Selbstkostenpreis)

Wimpel: 10 cm Höhe, mit Kordel,
10 Fr. plus Porto

T-Shirt: kurzärmlig schwarz, Grössen L
und XL, 30 Fr. plus Porto (andere
Grössen nach individuellem Wunsch)

Gratis erhältlich
Wer wir sind und was wir machen. Infobroschüre der Radgenossenschaft (16 Seiten, gratis)

Alte Scharotl (solange vorrätig, pro Jahr vier Nummern)

„Fahrende auf Privatland“. Ein Leitfaden für Landwirte und Gemeinden, mit einem Mustervertrag. Hg. von der
Radgenossenschaft und der Gesellschaft Minderheiten in der Schweiz

Filme und Videos
DVD: „Die Verfolgung der Jenischen in der Schweiz von 1926 bis 1973“; dokumentiert von Thomas Huonker.
20 Fr. plus Versandkosten (letzte Exemplare)

Video: „Jung und jenisch. Ein Jahr mit Schweizer Zigeunern auf Achse“. (Film von Martina Rieder und Caroli-
ne Arn). 20 Fr. plus Versandkosten

Bücher, die wir empfehlen
Willi Wottreng: „Zigeunerhäuptling“. (Biographie des einstigen Präsidenten der
Radgenossenschaft Robert Huber – und zugleich eine Geschichte des jenischen
Volkes). 20 Fr. plus Versandkosten

Clo Meyer: „Unkraut der Landstrasse“. (Eine Geschichte der Jenischen am Beispiel
der Bünder Wandersippen). 20 Fr. plus Versandkosten

Artikel können telefonisch oder schriftlich bestellt werden bei der Radgenossenschaft

                                                     18
Radgenossenschaft
Büro, Museum
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Abonnement. „Scharotl“, die einzige jenische Zeitung in Europa, herausgegeben von der
Radgenossenschaft / Verein „Scharotl“. Die Zeitschrift erscheint vierteljährlich.
Jahresabonnement 25 Fr., Postkonto 30-15313-1, höhere Beiträge werden als Spende ver-
bucht.
Inserate: Viertelseite 50 Fr., die Vorlagen sollen pfannenfertig angeliefert werden.

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fende Jahr, Zahlungen ab 1. Oktober werden fürs künftige Jahr gerechnet.

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Dokuzentrum und Museum

Lebendiges Museum                               Geordneter
Das Interesse an unserem Museum und             Archivkeller
Dokuzentrum führt immer wieder Schulklas-       Unser Archiv ist gut
sen und Forschende mit Studienarbeiten zu       geordnet. Seit eini-
uns nach Zürich-Altstetten. Hier ein Bild von   gen Monaten hat
einem besonders belebten Nachmittag im          die Mitarbeiterin
Oktober 2017 mit einer Klasse der Kantons-      Gertrud Germann
schule Zürich Oerlikon                          den Inhalt der vie-
                                                len Archivschach-
Blick in unsern Archivkeller.                   teln zur Geschichte
                                                der Radgenossen-
                                                schaft und der Jeni-
                                                schen und mit Ak-
                                                ten von Jenischen
                                                nun auch fein er-
                                                fasst bis zu einzel-
                                                nen Couverts
                                                („Faszikel“). For-
                                                schende können
                                                das Verzeichnis bei
                                                uns einsehen und
                                                Schachteln nach
                                                Gesuch einsehen.
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Repression
Kleinkrieg im Gefängnis
Der Jenische Hanspeter Zablo-
nier, der seit 19 Jahren im Ge-
fängnis Pöschwies sitzt, nach-
dem er wegen einer hässlichen
Gewalttat zu 2 Jahren verurteilt
worden war, wird weiter schika-
niert. Weil er sich nicht mundtot        Wenn er nicht mehr malen darf,
machen lässt. Aus den Briefen            baut er etwas mit Restmaterialien:
seines Anwaltes:                         hier ein Feuerzeug.
„Heute Morgen begab sich
mein Klient ordnungsgemäss               len das, was Zablonier über
um 7.45 Uhr zur Arbeit, wobei            Wasser hält! Das Inselspital
er die anstaltsinterne Mütze             Bern, das Ende Oktober 2017
trug. Wie er berichtete, standen         nach einer Hospitalisation ei-
bereits zwei Werkmeister be-             nen Bericht verfasste, schreibt:
reit, die ihn darauf hinwiesen,          „Aus psychiatrischer Sicht be-
dass das Tragen dieser Mütze             stand weder eine Eigen- noch
nicht angängig sei und ihn dar-          eine Fremdgefährdung. … Aus
aufhin in die Zelle zurück-              somatischer Sicht bestanden
schickten. Mein Klient wurde             sowohl anamnestisch wie kli-
mit zwei Tagen Zellenein-                nisch keine Beschwerden.“
schluss sanktioniert.“                   Also, lasst den Mann endlich
Im Oktober wurde er tatsächlich          frei. Er hat mehr als genug ab-
wegen der Weigerung, einen               gesessen.
„hinter dem rechten Ohr einge-
klemmten“ Zigarettenstummel
zu entfernen, mit einem Abzug
von 50 Franken bestraft.
„Wie ich die Angelegenheit
wahrnehme“, schreibt sein An-
walt, „wird mein Klient nun
systematisch seit Monaten mit
irgendwelchen Banalitäten schi-
kaniert und provoziert.“
Und malen darf er derzeit auch
nicht. Das Malzeug wurde ihm
weggenommen. Dabei ist Ma-               So kreative Briefe schreibt Hanspeter.
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Kultur
Walter Wegmüller, ein Maler aus unserer Nation

Ein Leben für die Kunst: Walter Wegmüller in jungen Jahren im Atelier.

Der schweizerische jenische               konnte er oft nicht gehen, weil
Künstler und ehemalige Präsi-             er dem Bauern auf dem Hof
dent der Radgenossenschaft
Walter Wegmüller ist dieses
Jahr achtzig Jahre alt gewor-
den. Wir gratulieren ihm nach-
träglich sehr herzlich.

Walter Wegmüller wurde 1937
geboren und wuchs im Bernbiet
auf. Er hat jenische Wurzeln,
wurde seiner Familie jedoch
schon früh weggenommenn
und kam nach einem Heimauf-
enthalt zu einem Bauern ins
Berner Seeland. In die Schule             „Chartres“, Gemälde von 1995.
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zur Hand gehen muss-
te. Wenn es zu schlimm
wurde, schlich er sich
davon zu den „Zigeu-
nern“, wie magisch an-
gezogen von deren far-
bigen Bildern. Damals
wusste er noch nicht,
dass es sich um soge-
nannte Tarots handelte,
die er selber einmal
malen und für die er be-
rühmt werden würde.

Die Faszination aber
war geweckt, und er
begann, für sich im Ge-
heimen symbolische
Bilder zu malen. Sogar
auf Gartenzäune habe
er gemalt. Nach der
Platzierung in die Erzie-
hungsanstalt war das
Zeichnen seine Ret-
tung. Später arbeitete
er im Rheinhafen, wo
er viel verdient und wild Karten aus dem von Wegmüller geschaffenen
gelebt habe, aber leider prächtigen Zigeuner-Tarot. Ein Exemplar befin-
weniger gemalt. Doch      det sich auch in unserem Museum.
dort kam er in Kontakt
mit der Kunstszene und wuss-         ben. Und last but not least war
te: Das war sein Ding.               er in den 1970er Jahren Mitbe-
                                     gründer und von 1978 bis 1981
Wegmüller ist nicht nur Maler,       Präsident der Radgenossen-
er hat sich auch als Kartenle-       schaft. Wahrlich: Ein schillern-
ger, Lebensberater und Musiker des, farbenprächtiges Leben
ausgezeichnet. Sogar ein Mu–         und ein grosses künstlerisches
sikalbum hat er herausgege-          Werk! Wir danken dir dafür.
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Die Fahne der Radgenossenschaft vor der Silhouette des Calanda;
sie hängt beim „Olmischen Kober“ im Welschdörfli in Chur.

Wir danken zum Jahresende unseren Verwaltungsräten:
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                          Hans Gemperle
                              Iris Graf
                            Willi Gruber
                         Charles Ostertag
                 dem Geschäftsführer Willi Wottreng
          und dem ganzen Sekretariat der Radgenossenschaft

Wir danken auch den Mitgliedern des Beirats der Radgenossenschaft:
Esther Gisler Fischer, Pfarrerin
Bruno Caduff, Platz Rania, Graubünden
Fino ‚Nötschlo‘ Winter, Sinti Schweiz
Paul Moser, Jenische und Sinti in Südamerika
Albert Barras, Westschweiz
Andreas Geringer, Roma-Angehöriger

Yves Sablonier, Alexander „Vatterle“ Flügler aus Singen, Schäft Qwant
Viktor Vu, Gertrud Germann, Elisabeth Brüngger, Urs Merz, Nadine
Schneider — und allen andern, die uns unterstützen.
                         Daniel Huber, Präsident der Radgenossenschaft
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