Zeitung der Radgenossenschaft der Landstrasse Dachorganisation der nationalen Minderheit der Jenischen und Sinti der Schweiz
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Zeitung der Radgenossenschaft der Landstrasse Dachorganisation der nationalen Minderheit der Jenischen und Sinti der Schweiz Ein Stoffkunstwerk (ein sogenannter Quilt), geschaffen aus Anlass der Anerkennung der irischen Travellers 2017. Dezember 2017 Jahrgang 41 Ausgabe 4 Erscheint vierteljährlich
Büro, Museum und Dokuzentrum der Radgenossenschaft Hermetschloostrasse 73, 8048 Zürich, Tel. 044 432 54 44 (Bus 31 bis Haltestelle Micafil, 3 Gehminuten Richtung Bahngleise) Montag: 9.00—16.00 Dienstag: 9.00—16.00 Mittwoch: 9.00—16.00 Führungen nach Vereinbarung Mitgliederbeiträge für 2018 sind fällig Die Erneuerung der Abonnements und der Mitgliedschaft für 2018 ist fällig. Ein Einzahlungsschein liegt dieser Ausgabe bei. Wer nicht bezahlt, hat kein Stimmrecht. Generalversammlung 2018, 17. März 2018 Notiert Euch das Datum: Samstag, 17. März 2018 Beginn 10.00 Uhr, Kaffee und Gipfeli am Morgen, anschliessend gratis Essen und Trank Ort, wie letztes Jahr: Galactic Dance GmBH, Albulastrasse 47, 8048 Zürich-Altstetten Einige Garagen im Haus, weitere Parkplätze im Letzipark, während drei Stunden gratis. Impressum Jahresabonnement Scharotl Redaktion / Inserate / Büro Hg: Radgenossenschaft der Normales Abo 25 Fr. Radgenossenschaft Landstrasse / Verein „Scharotl“ Gönner 50 Fr. Hermetschloostrasse 73 Präsident Erscheint vierteljährlich 8048 Zürich Daniel Huber Inserate Tel: 044 432 54 44 Geschäftsleitung Viertelseite 50 Fr. PC: 30-15313-1 Willi Wottreng Halbe Seite 100 Fr. Mail: info@radgenossenschaft.ch Ehrenpräsident Ganze Seite 200 Fr. Für den Platz Rania: rania@gmx.ch Robert Huber (2016 verstorben) Administration, redakt. Mitarbeit Druck Jeannette Feliz Spiess Rohner Spiller AG, Winterthur 2
Editorial Es braucht Plätze für alle In dieser Situation dürfen wir Wir wünschen allen von Herzen uns nicht gegeneinander aus- ein glückliches neues Jahr. spielen lassen. Es geht nicht darum, einzelnen Gruppen un- In den letzten Wochen und Mo- serer Minderheiten die Schuld naten gab es viele Diskussio- zuzuschieben. Durchschauen nen über Roma und zum The- wir das Spiel, das darin be- ma Plätze für Roma. Die Rad- steht, sogenannte „Fahrende“ genossenschaft hat eine einfa- gegeneinander aufzuhetzen. che und klare Haltung dazu. Es braucht Plätze für alle: für Jeni- Die Radgenossenschaft wird sche, Sinti und Roma. Und alle nicht in die Falle des Rassis- haben sich an die Regeln zu mus treten. Darum sind wir soli- halten und die Plätze genau so darisch mit den Familien aus al- zu verlassen, wie sie sie nächs- len Gruppen. Man muss es im- tes Jahr wieder vorfinden mer wieder sagen: Es braucht möchten. Plätze für alle. Für Jenische, für Sinti, für Roma. Die Behörden In der Schweiz fehlen derzeit müssen endlich handeln. Die Plätze aller Art. Es fehlen Plät- Diskriminierungen müssen auf- ze für 80 bis 100 Caravans, al- hören. Und es sind alle Grup- so für grosse Gruppen, davon pen und jede einzelne Familie gibt es bisher im Land nicht ei- aufgefordert, die Plätze sauber nen einzigen. Es fehlen Durch- zu halten. gangsplätze für Familienver- Daniel Huber, Präsident bände von 8 bis 12 Wohnwa- gen; die Zahl dieser Plätze hat ja massiv abgenommen. Es fehlt Lebensraum im Winter, die Standplätze Bern-Buech und Eichrain in Zürich sind überfüllt, und die Jungen suchen Le- bensraum, die Behörden tun auch hier zu wenig. Und dann wird auch noch die Möglichkeit, auf dem Land von Bauern zu halten, durch Behörden be- schnitten. So geht es nicht. Daniel Huber in der Rania. 3
Travellers Besuch bei unseren Freunden in Irland Das Zentrum Pavee Point befindet sich in einer ausgedien- ten Methodistenkir- che am Rand der Dubliner Innenstadt. Wir erfuhren dort, dass die Travellers ein Volk sind, das seine Wurzeln in Ir- land hat. Es sind von uns aus gese- hen Jenische. Der Ko-Direktor von Pa- Brigitta zeigt die Siedlung Avila Park in Nord-Dublin. vee Point, Martin Collins, informierte Ein Bericht von Willi Wottreng, uns, dass 80 Prozent der Tra- unserem Geschäftsführer vellers heute sesshaft sind und nur noch etwa 20 Prozent in Im Januar 2017 durfte ich als Wohnwagen leben. Die andern Vertreter der Radgenossen- leben in Chalets und Wohnun- schaft im Auftrag unseres Prä- gen oder hausen irgendwo ab- sidenten Daniel Huber unsere seits. Travellers nennen sich irischen Freunde in Dublin be- so, weil die Geschichte des suchen. Die Organisation mit Umherziehens eine grosse Rol- dem Namen Pavee Point ver- le im Bewusstsein spielt wie bei tritt Travellers - das ist der eng- uns auch. Auch sesshafte An- lische Name für Fahrende oder gehörige der Minderheit heis- Reisende -, und sie vertritt auch sen in Irland „Travellers“, eben Roma in Irland. Begleitet wurde Reisende. ich von unserer Freundin und Mitarbeiterin Nadine Schneider, Die Travellers haben ihre eige- die beim Verstehen des Engli- ne Sprache, über die es Bücher schen half. Die Begegnung mit gibt. Es bestehe die Gefahr, allen, die wir trafen, war sehr dass die Jungen die Sprache herzlich und sehr informativ. nicht mehr können, hören wir. 4
Ein Grossereignis für die iri- mord verüben und dass sie we- schen Travellers war die Tatsa- gen des verbreiteten Rassis- che, dass die irische Regierung mus selten in Spiäler gehen. sie im März 2017 als soge- nannte ethnische Minderheit Ein wunderbares Projekt be- anerkannt hat. Das ist ver- steht darin, die traditionellen gleichbar mit der Anerkennung Berufe an die Jugend weiter- der Jenischen und Sinti als na- zugeben. Pavee Point sucht die tionale Minderheit in der Zusammenarbeit mit Museen, Schweiz 2016. Man ist sehr die eine Art Anlehre unterstüt- stolz darauf, dass dies nach 35 zen. Das wäre vergleichbar, wie Jahren Kampf endlich erreicht wenn das Freilichtmuseum Bal- werden konnte. lenberg oder das Landesmuse- um in Zürich Korber und Zinn- Der Name Pavee ist ihre eige- giesser anlernen und dafür be- ne Bezeichnung. Pavee Point zahlen würden. vertritt die Solidarität mit den Roma, die in Irland in ähnlichen Für uns überraschend war es, Bedingungen leben und unter zu erfahren, dass die Travellers ähnlichen Diskriminierungen dafür gekämpft haben, dass je- wie die Travellers zu leiden ha- de Person bei der landesweiten ben. Man betont die Idee, dass Volkszählung angeben kann, zu alle diese Minderheiten solida- welcher nationalen Minderheit risch sein müssen. Ein grosses Gewicht geben die irischen Travellers in ihrer Arbeit dem Gesund- heitswesen, weil sie festgestellt haben, dass ihre Leute lei- der mehr erkranken als Angehörige der Mehrheitsgesell- schaft, dass sie frü- her sterben, dass sie viel häufiger Selbst- Michal zeigt den Garten, wo Gemüse angebaut wird. 5
Travellers in Irland Es gibt auch Unterschiede, die traurig stim- men. Offenbar ist das Reisen im Wohnwagen in Irland prak- tisch verboten. Man darf nach Informationen, die uns Travel- lers gegeben haben, zwar ei- ne Nacht anhal- ten, muss dann Ein inoffizieller Standplatz, wo viel Not herrscht. aber weiter. Da- mit ist die Aus- sie sich zählt, was allerdings übung der traditionellen Gewer- anonym bleibt. Sie sehen das be im Herumziehen eigentlich nicht als Diskriminierung an, nicht mehr möglich. Und offiziell sondern als Möglichkeit, stolz verboten sei das Hausieren. hervorzutreten und zu zeigen, Man darf offenbar schlicht nicht dass sie ein Volk sind. In der von Tür zu Tür verkaufen ge- letzten Volkszählung haben vie- hen. Das ist eine Diskriminie- le erklärt oder eben angekreuzt, rung der Travellers-Kultur. Eine dass sie Travellers sind. Und so 70-jährige Frau sagte uns, dass können die irischen Travellers, sie das trotzdem tut. gestützt auf die Volkszählung von 2016, klar sagen, dass es Wir haben denn auch gesehen, in Irland mit seinen rund 5 Milli- wie Travellers heute leben. Lei- onen Menschen sicher 30 000 der sind das Ghetto-Verhält- Travellers gibt, die sich selber nisse. Wir haben einen offiziel- so benennen. In Wirklichkeit len Standplatz und einen nicht seien es mehr, da sich nicht al- offiziellen Platz besucht. Der of- le outen wollten. Die Zahlen fizielle Standplatz war überfüllt. sind vergleichbar mit den Die Jungen wissen nicht wohin. Schätzungen, die wir in der Es gibt für sie keine neuen Plät- Schweiz haben ze mehr. Darum sind auf dem 6
Gelände neben den rund 50 tivitäten auf dem Gelände mit gemauerten Kleinhäuschen Infrarot überwacht. über ein Dutzend Caravans sta- tioniert, für die an die Stadt teu- Aber die Travellers geben nicht re Mieten bezahlt werden müs- auf. Wir sahen etwa einen von sen. Die Travellers darin fühlen Pavee Point betriebenen Ge- sich von der Mehrheitsbevölke- meinschaftsgarten, wo Travel- rung ausgeschlossen und fin- lers nach der Ernte gesunde den meist auch keine Arbeit. Früchte holen können. Denn zu oft wird wohl ungesunder Junk- Der inoffizielle Standplatz, der Food gegessen. seit rund 25 Jahren besteht und von den Behörden geduldet Die Radgenossenschaft erklärt wird, weil es keine anderen Or- an dieser Stelle, was sie auch te gibt, wo Travellers hingehen den Travellers gesagt hat: dass können, macht einen himmel- wir mit ihnen vollständig solida- traurigen Eindruck. Da gibt es risch sind und dass wir mit ih- keine offiziellen Stromanschlüs- nen gemeinsam vorwärtsgehen se, keine Chalets mit Wasser. wollen für die Wiederherstel- Toiletten und Duschgelegenhei- lung der jenischen und Travel- ten sind ausserhalb der Woh- lers-Kultur, europaweit. nungen. Eine Mutter behält ihre (Siehe: www.paveepoint.ie) Kleinen im Wa- geninnern aus Angst, dass Ratten deren Beinchen an- knabbern könn- ten. Und in der Nacht wird, man glaubt es kaum, ausserhalb des Areals wie ein Teleskop von den Behörden eine Kamera hochgefahren, welche die Ak- Auf diesem verlassenen Platz zählt man auf die Heiligen. 7
Vermischte Meldungen Kanadas Irokesen Die Jenischen sind eine nationale Minderheit, die sich mehr und mehr als Nation versteht. Von Minderhei- ten in anderen Ländern kann sie lernen. Darum sind wir mit ihnen solidarisch: mit den Sami in Finn- land oder den einstigen „Indianern“ auf dem amerikanischen Kontinent. Anlässlich einer privaten Reise für ein Buchprojekt hat unser Ge- schäftsführer das Land der Six Na- tions besucht, der „Irokesen“ in Ka- nada. Und er hat dem traditionellen Stammesrat, der für die Erhaltung der Rituale besorgt ist, einen Soli- daritätsbeitrag der Radgenossen- schaft überbracht. Denn wir wollen über den eigenen Gartenhag hin- ausschauen. Der Generalsekretär Unser Geschäftsführer im des Stammesrats, Hohahes (Leroy Grand-River-Land der Six Hill), schreibt uns: „Nyaweh - Dan- Nations, die sich selber ke - für Euren Besuch und Eure Haudenosaunee nennen. Geste und auch für die Arbeit, in Das Gebiet liegt nahe bei die Ihr engagiert seid. In Frieden.“ Toronto, Kanada. Ein persönlicher Eindruck Vieles hat mich in Kanada beeindruckt. Etwa, dass Hochschulen und Indigene eng zusammenarbeiten. So an der Universität von Bri- tish Columbia in Vancouver. Das zeigt sich im grossartigen Museum mit Haida-Kultur auf dem Uni-Gelände, wo auch ein Totempfahl zur Erinnerung an die Wegnahme von Kindern und ihre Versorgung in Internatsschulen aufgestellt wurde. Es ist auch kaum mehr möglich, eine Studienarbeit „über“ Indigene zu schreiben, ohne „mit“ den In- digenen zu reden. Die Minderheiten verlangen, dass Forschende ih- re Projekte mit den „Elders“ - den weisen Alten - besprechen. Eine Forderung, die auch die Forschung über Jenische, Sinti und Roma betrifft, denn auch sie haben eine nur mündlich überlieferte Kultur. 8
Vermischte Meldungen Gesucht, ein Schleifgerät Das Freiluftmuseum Wackers- hofen bei Schwäbisch Hall in Baden-Württemberg hat 2017 eine für Deutschland einmalige feste Ausstellung über Jenische eingerichtet. Selbst die Fahne der Radgenossenschaft hängt dort in der Höhe. Nun suchen unsere Freunde einen Schleif- bock, eine Moulette zum Schleifen von Scheren und Messern. Wenn jemand eine solche zu verkaufen hat, soll er sich bitte bei der uns melden, mit Foto und Preisangabe. Film „Unerört jenisch“ Scherenschleifer Paul Schirmer. Der Film „Unerhört jenisch“ über jenische Musiker in Ober- Bericht über die Roma vaz und die Herkunft des Musi- Die Gesellschaft für bedrohte kers Stephan Eicher hat ein Völker hat einen Bericht über breites Publikum erreicht. Es die reisenden Roma in der war schon der zweite Film der Schweiz veröffentlicht. Der Be- Regiseurinnen mit der Radge- richt ist interessant, weil man nossenschaft, nach „Jung und Dinge erfährt, die manche nicht Jenisch“. Die Produktionsfirma wissen: etwa über die Berufe, „Dschoint Ventschr“ schreibt an die Roma ausüben, über ihre den Präsidenten Daniel Huber: Sprache oder über die Nationa- „Herzlichen Dank für deinen lität der Roma-Fahrenden. Es wertvollen Einsatz und deine gibt keinen Platz in der Schweiz engagierte Mitarbeit an ‚uner- für grössere Konvois, nirgends hört jenisch‘ Wir freuen uns, sind es mehr als 45 Stellplätze. dass wir diesen Film gemein- sam realisieren konnten.“ Der Roma-Bericht kann gratis Es gibt unterdessen den Film auf dem Büro der Radgenos- auch auf DVD bei uns. senschaft bezogen werden. 9
Spontanhalt in Bäretswil Ein Bauer kämpft für den Spontanhalt auf seinem Land Gemeinde- rat von Bä- retswil nun ein Dorn im Auge. Er hat die Auf- enthalts- dauer auf maximal zwei Wo- chen im Jahr emp- findlich ge- Markus Glaus erklärt im TV, dass er Fahrende will. kürzt. Mar- kus Glaus Der Landwirt Markus Glaus aus wehrt sich mit Hilfe der Radge- Bäretswil ZH überlässt sein Pri- nossenschaft dagegen. Die Be- vatland seit Jahren verschiede- gründungen des Gemeinderats nen Sinto-Familien und Jeni- seien fadenscheinig. Es mangle schen für Privathalte. Er erklärt, keineswegs an Toiletten, und er dass es noch nie Probleme ge- mähe die Wiese genau so oft geben habe, weder mit den wie sein übriges Land. „Fahrenden“ selber, noch mit Entgegen der Behauptung der der Gemeinde und den Anwoh- Gemeinde, dass die rechtliche nern. Er habe klare einfache Grundlage fehle, sagt Balthasar Regeln aufgestellt und hänge Thalmann vom Amt für Raum- diese jeweils in der Scheune planung, dass ein Spontanhalt auf. Die Regeln würden befolgt. für Fahrende möglich bleiben Man kennt und vertraut sich müsse. Derzeit arbeite der Kan- seit Jahren. Es sind vor allem ton an einem Konzept. In die- Sinti und Jenische, die dort Halt sem werde die Dauer des machen, hin und wieder auch Spontanhaltes auf zweimal Roma, aber nur solche Famili- jährlich drei bis vier Wochen en, die Glaus gut kenne. festgelegt. Das Amt für Raum- Trotzdem ist dieses Musterbei- planung will alle Beteiligten an spiel für den Spontanhalt dem einen Tisch bringen. 10
Lebensraum für Jenische Sinti protestieren Bonaduz ist gekiest In Münchwilen im Thurgau ist Es ist geschafft. Der durch- der Grundbesitzer Beni Frei be- gangsplatz Bonaduz ist nun reit, Land für einen Standplatz endlich saniert und vor allem an Sinti-Familien zu verpach- gekiest worden. Danke an un- ten. Nun stellt sich die Gemein- seren Verwaltungsrat Pascal de quer und erklärt, das sei von Gottier und an die Gemeinde. Gesetz her nicht möglich, weil der Platz nicht in der Zonenord- Mieterkomitee im Eichrain nung vorgesehen sei. Das Land Auf dem Standplatz Eichrain liegt in der Industriezone. Doch bei Zürich gibt es jetzt ein Mie- gemäss Bundesgericht 2003 terkomitee, das aus je einem muss ein Durchgangs- oder Vertreter pro Strasse besteht. Standplatz nur dann in der Zo- Das Komitee hat die Aufgabe, nenordnung vorgesehen sein, Fragen von allgemeiner Bedeu- wenn er „von ziemlicher Bedeu- tung, Themen also, welche die tung“ ist und darin grössere ganze Siedlung betreffen, zu Bauten geplant sind. Das ist in besprechen: Parkplätze, Bau- Münchwilen nicht der Fall. vorschriften, Strom, Mieter- Die drei Sinti-Familien sind mit wechsel usw. Die Radgenos- einem Brief an die Stiftung senschaft unterstützt sie dabei. „Zukunft für Schweizer Fahren- Unser Ansprechpartner ist die de“ gelangt, deren Vertreter Liegenschaftenverwaltung der den Platz besichtigt hat, und Stadt Zürich. verlangen, dass die Stiftung sie unterstützt. „Wir fordern die Bern-Buech ist überfüllt Stiftung auf, etwas für Schwei- Die Probleme, die letzten Win- zer Jenische und Sinti zu tun“, ter auf dem Standplatz Bern- schreiben sie, denn die Stiftung Buech auftraten, bestehen lei- habe „alles zu unternehmen, der weiter. Denn die Behörden was politisch und juristisch haben dieses Jahr nichts getan, möglich ist“, um den Sinti und um den Platz zu erweitern oder den Jenischen als anerkannter einen neuen zu suchen. So fin- Schweizer Minderheit zu ihrer den Junge aus diesem Platz Existenz zu verhelfen. auch dieses Jahr weiterhin kei- Siehe auch das Merkblatt der nen Lebensraum in der Nähe. Radgenossenschaft „Fahrende Die Spannungen sind leider auf Privatland“. deutlich spürbar. 11
Lebensraum für Jenische Rania: Minipigs Auf unserem Standplatz Rania bei Zillis gibt es immer wieder Neuerungen zu vermelden. Im Herbst wurden zwei Mini-Pigs angeschafft, welche nun An- wohnende und Touristen erfreu- en, vor allem auch die Kinder. Neue Wirtin: Manu Das Restaurant ist in neuen Händen. Die Wirtin Manu ist ei- ne Jenische mit Herkunft aus dem Geschlecht der Moser. Sie verwöhnt unsere Gäste mit jeni- scher Küche und immer wieder auch mit Musik. Chalet eines Jenischen in der Rania. 12
Die Rania Ein Ort der Jenischen, wo sie ihre Kultur frei leben können. Zusammen mit Sesshaften, die immer willkommen sind. Der Stand– und Durchgangs- platz wird geführt von der Radgenossenschaft. Sommermarkt 2018 Wir können auch schon den nächsten Sommermarkt in der Rania ankündigen. Er fin- det statt vom Freitag, 6. Juli, bis Sonntag, 8. Juli 2018. Datum bitte vormerken. Jenische auf der der Bündner Jagd im vergangenen Herbst. Jenische Musiker am Sommermarkt in der Rania 2017. 13
Stiftung Zukunft Schweizer Fahrende Wofür die Stiftung da ist eben den Staat in seine „Ver- Jenische und Sinti haben uns in antwortung“ gegenüber der letzter Zeit immer wieder ge- Minderheit der Jenischen und fragt, wofür die Stiftung Sinti einbinde. „Zukunft für Schweizer Fahren- de“ da sei. In den Statuten der Stiftung, die 1997 gegründet wurde, lesen Im Bundesgesetz von 1994 zur wir unter dem Punkt „Zweck der Stiftungsgründung hiess es: Stiftung“: „Förderung der inter- „Der Bund unterstützt zur Si- kantonalen und interkommuna- cherung und Verbesserung der len Zusammenarbeit in Bezug Lebenssituation und zur Wah- auf die Einrichtung und Verwal- rung des kulturellen Selbstver- tung von Stand- und Durch- ständnisses der fahrenden Be- gangsplätzen für die fahrende völkerung die privatrechtliche Bevölkerung der Schweiz.“ Stiftung ‚Zukunft für Schweizer Fahrende‘.“ Die Stiftung muss Präsident der Stiftung ist seit also helfen, die Lebenssituation 2016 der Berner Regierungsrat der Fahrenden zu verbessern Christoph Neuhaus. Er hat als und unsere Kultur unterstützen. Präsident der Stiftung die Auf- gabe, zusammen mit den Be- Im Bericht ans Parlament sagte hörden für die Schaffung von damals der Sprecher der zu- Stand- und Durchgangsplätzen ständigen Kommission vor dem für die Fahrenden der Schweiz Nationalrat: Das Bundesamt für zu sorgen, unsere Kultur zu un- Kultur arbeite zu diesem Zweck terstützen und dabei mit der „eng mit der 1975 gegründeten Radgenossenschaft und ande- ‚Radgenossenschaft der ren Organisationen von Jeni- Landstrasse‘ zusammen, die schen, Sinti und Roma zusam- faktisch als Dachverband der menzuarbeiten. Fahrenden in der Schweiz be- trachtet werden kann.“ In einem Bericht des Bundesra- tes aus dem Jahr 2006 heisst es, die Stiftung sei „eine not- wendige Ergänzung zur Rad- Genossenschaft“, indem sie Stiftungspräsident Christoph Neuhaus. 14
Bundesrat Wir haben Bundesrat Alain Berset informiert Der Verwaltungsrat der Radge- nossenschaft hat im August 2017 beschlossen, einen Brief an den Bundesrat zu schreiben, und ihn auf die wachsenden Probleme unserer Gemein- Bundesrat Alain Berset spricht an schaften aufmerksam zu ma- der Feckerchilbi 2016 mit einem je- chen. Nach den teils heftigen nischen Korber. Streiteren um Plätze nament- lich im Kanton Bern fühlen sich Herr Berset hat uns mit Datum die Jenischen und Sinti der vom 24. Oktober 2017 geant- Schweiz alarmiert. Indem unter- wortet. Aus seinem Brief, der schiedslos „Fahrende“ für allfäl- gegenüber der Radgenossen- lige Missstände jeder Art ver- schaft viel Wohlwollen aus- antwortlich gemacht wurden, drückt, entnehmen wir unter an- warf man die Angehörigen aller derem, dass künftig nun wirk- Minderheiten in einem Topf und lich auch von den Behörden hetzte sie zugleich gegeneinan- von Jenischen, Sinti und Roma der auf. Wir haben festgehal- gesprochen werden soll und ten, dass in der Schweiz ein dass das versprochene Akti- wachsender Rassismus festzu- onsprogramm des Bundes nun stellen sei. Dies beginnt beim umgesetzt werden soll. (Der er- elementaren Hausieren, das wähnte Aktionsplan besteht lei- schwieriger geworden ist, weil der nur als Entwurf ohne viele wachsendes Misstrauen be- Details.) steht. Wir haben den Bundesrat „Ich möchte die Gelegenheit aufgefordert, die Verantwortung benützen, mich für das Enga- des Bundes wahrzunehmen gement der Radgenossen- und vorwärts zu machen mit schaft als Vertreterin der Inte- den Verbesserung der Lebens- ressen der Jenischen, Sinti und bedingungen für unsere Nation Roma zu bedanken“, schreibt und alle Gruppen. Bundesrat Berset. Der ganze Text des Briefes ist Der vollständige Text des Brie- abrufbar auf der Homepage: fes ist ebenfalls abrufbar unter www.radgenossenschaft.ch www. radgenossenschaft.ch 15
Die erste Darstellung Unser neuer Hit der jenischen Kultur Dächlikappe mit Igelmotiv Schwarzes Cape mit dem kämpferischen Stacherlig in Gold und der Aufschrift „Jenisch-Power-Suisse“. 20 Franken plus Porto. 102 Seiten, reich illustriert. Für Mitglieder und Abonnenten gratis. Nichtmitglieder zahlen Fr. 10.– plus Porto. Illustriertes Wörterbuch Die Sprache ist unser wichtigstes Vergünstigte Kulturgut. Für Jenische hat die Pan-Gas-Karten Radgenossenschaft ein kleines Büchlein mit Wörtern und Illustratio- nen herausgegeben. Gratis erhält- Für Mitglieder lich gegen die Unterschrift, dass es nur unter Jenischen benutzt wird. Auf dem Büro der Radgenossenschaft erhältlich 16
Feckerchilbi Das traditionelle Kulturfest der Jenischen findet vom 9. bis 12. August 2018 im idylli- schen Grün am Saane-Ufer in Freiburg statt. Jeder, der mitmachen will, mit Musik oder einem Stand, ist willkommen. Meldet euch bei der Radgenossenschaft. Fecker-Chilbi 2018 Essen und trinken kann an den Freiburg / Fribourg Ständen nicht verkauft werden Datum: 9. - 12. August 2018 wegen der Hygienevorschriften. Die mit Bäumen bestandene Wiese „Grandes Rames“ am Saane-Ufer, wo die Fecker- Chilbi stattfinden wird. Sie bietet Platz für eine ganze Anzahl von Wohnwagen und Marktstände; auch Parkplät- ze sind vorhanden. Unten: So liegt die Wiese am Fuss der Altstadt. ergangen 17
Kleine Geschenke Das Wappen der Radgenossenschaft. Es gibt diesen Igel als Flagge, als Wimpel, als T-Shirt Flagge: Fahnentuch, 120 x 90 cm, 45 Fr. plus Porto (Selbstkostenpreis) Wimpel: 10 cm Höhe, mit Kordel, 10 Fr. plus Porto T-Shirt: kurzärmlig schwarz, Grössen L und XL, 30 Fr. plus Porto (andere Grössen nach individuellem Wunsch) Gratis erhältlich Wer wir sind und was wir machen. Infobroschüre der Radgenossenschaft (16 Seiten, gratis) Alte Scharotl (solange vorrätig, pro Jahr vier Nummern) „Fahrende auf Privatland“. Ein Leitfaden für Landwirte und Gemeinden, mit einem Mustervertrag. Hg. von der Radgenossenschaft und der Gesellschaft Minderheiten in der Schweiz Filme und Videos DVD: „Die Verfolgung der Jenischen in der Schweiz von 1926 bis 1973“; dokumentiert von Thomas Huonker. 20 Fr. plus Versandkosten (letzte Exemplare) Video: „Jung und jenisch. Ein Jahr mit Schweizer Zigeunern auf Achse“. (Film von Martina Rieder und Caroli- ne Arn). 20 Fr. plus Versandkosten Bücher, die wir empfehlen Willi Wottreng: „Zigeunerhäuptling“. (Biographie des einstigen Präsidenten der Radgenossenschaft Robert Huber – und zugleich eine Geschichte des jenischen Volkes). 20 Fr. plus Versandkosten Clo Meyer: „Unkraut der Landstrasse“. (Eine Geschichte der Jenischen am Beispiel der Bünder Wandersippen). 20 Fr. plus Versandkosten Artikel können telefonisch oder schriftlich bestellt werden bei der Radgenossenschaft 18
Radgenossenschaft Büro, Museum Besuchen Sie uns! und Dokuzentrum Werden Sie Mitglied! Hermetschloostrasse 73 8048 Zürich Abonnieren Sie! Bleiben Sie dran! Mitgliedschaft. Mitglied können alle werden, auch Angehörige der Mehrheitsgesellschaft. Mitgliederbeitrag pro Jahr 100 Fr., das „Scharotl“ wird gratis zugeschickt. Mitglieder haben das Recht auf Vergünstigungen beim Bezug von Gas und beim Kauf bestimmter Autos, sie haben Anspruch auf Beratung und Hilfe im Rahmen unserer Möglichkeiten. Finanzhilfe ist ausgeschlossen. Erkundigen Sie sich auf dem Sekretariat. Abonnement. „Scharotl“, die einzige jenische Zeitung in Europa, herausgegeben von der Radgenossenschaft / Verein „Scharotl“. Die Zeitschrift erscheint vierteljährlich. Jahresabonnement 25 Fr., Postkonto 30-15313-1, höhere Beiträge werden als Spende ver- bucht. Inserate: Viertelseite 50 Fr., die Vorlagen sollen pfannenfertig angeliefert werden. Achtung: Zahlungen bis 1. Oktober gelten als Abonnemente und Mitgliederbeiträge fürs lau- fende Jahr, Zahlungen ab 1. Oktober werden fürs künftige Jahr gerechnet. Ausfüllen und einschicken Name …………………………………………… Vorname ……………………………………… Adresse………………………………………… Ich werde Mitglied Einsenden an: Ich abonniere die Zeitschrift „Scharotl“ Radgenossenschaft der Landstrasse Ich bestelle 1 Buch Hermetschloostrasse 73 „Zigeunerhäuptling“ (20 Fr. plus Porto) 8048 Zürich 19
Dokuzentrum und Museum Lebendiges Museum Geordneter Das Interesse an unserem Museum und Archivkeller Dokuzentrum führt immer wieder Schulklas- Unser Archiv ist gut sen und Forschende mit Studienarbeiten zu geordnet. Seit eini- uns nach Zürich-Altstetten. Hier ein Bild von gen Monaten hat einem besonders belebten Nachmittag im die Mitarbeiterin Oktober 2017 mit einer Klasse der Kantons- Gertrud Germann schule Zürich Oerlikon den Inhalt der vie- len Archivschach- Blick in unsern Archivkeller. teln zur Geschichte der Radgenossen- schaft und der Jeni- schen und mit Ak- ten von Jenischen nun auch fein er- fasst bis zu einzel- nen Couverts („Faszikel“). For- schende können das Verzeichnis bei uns einsehen und Schachteln nach Gesuch einsehen. 20
Repression Kleinkrieg im Gefängnis Der Jenische Hanspeter Zablo- nier, der seit 19 Jahren im Ge- fängnis Pöschwies sitzt, nach- dem er wegen einer hässlichen Gewalttat zu 2 Jahren verurteilt worden war, wird weiter schika- niert. Weil er sich nicht mundtot Wenn er nicht mehr malen darf, machen lässt. Aus den Briefen baut er etwas mit Restmaterialien: seines Anwaltes: hier ein Feuerzeug. „Heute Morgen begab sich mein Klient ordnungsgemäss len das, was Zablonier über um 7.45 Uhr zur Arbeit, wobei Wasser hält! Das Inselspital er die anstaltsinterne Mütze Bern, das Ende Oktober 2017 trug. Wie er berichtete, standen nach einer Hospitalisation ei- bereits zwei Werkmeister be- nen Bericht verfasste, schreibt: reit, die ihn darauf hinwiesen, „Aus psychiatrischer Sicht be- dass das Tragen dieser Mütze stand weder eine Eigen- noch nicht angängig sei und ihn dar- eine Fremdgefährdung. … Aus aufhin in die Zelle zurück- somatischer Sicht bestanden schickten. Mein Klient wurde sowohl anamnestisch wie kli- mit zwei Tagen Zellenein- nisch keine Beschwerden.“ schluss sanktioniert.“ Also, lasst den Mann endlich Im Oktober wurde er tatsächlich frei. Er hat mehr als genug ab- wegen der Weigerung, einen gesessen. „hinter dem rechten Ohr einge- klemmten“ Zigarettenstummel zu entfernen, mit einem Abzug von 50 Franken bestraft. „Wie ich die Angelegenheit wahrnehme“, schreibt sein An- walt, „wird mein Klient nun systematisch seit Monaten mit irgendwelchen Banalitäten schi- kaniert und provoziert.“ Und malen darf er derzeit auch nicht. Das Malzeug wurde ihm weggenommen. Dabei ist Ma- So kreative Briefe schreibt Hanspeter. 21
Kultur Walter Wegmüller, ein Maler aus unserer Nation Ein Leben für die Kunst: Walter Wegmüller in jungen Jahren im Atelier. Der schweizerische jenische konnte er oft nicht gehen, weil Künstler und ehemalige Präsi- er dem Bauern auf dem Hof dent der Radgenossenschaft Walter Wegmüller ist dieses Jahr achtzig Jahre alt gewor- den. Wir gratulieren ihm nach- träglich sehr herzlich. Walter Wegmüller wurde 1937 geboren und wuchs im Bernbiet auf. Er hat jenische Wurzeln, wurde seiner Familie jedoch schon früh weggenommenn und kam nach einem Heimauf- enthalt zu einem Bauern ins Berner Seeland. In die Schule „Chartres“, Gemälde von 1995. 22
zur Hand gehen muss- te. Wenn es zu schlimm wurde, schlich er sich davon zu den „Zigeu- nern“, wie magisch an- gezogen von deren far- bigen Bildern. Damals wusste er noch nicht, dass es sich um soge- nannte Tarots handelte, die er selber einmal malen und für die er be- rühmt werden würde. Die Faszination aber war geweckt, und er begann, für sich im Ge- heimen symbolische Bilder zu malen. Sogar auf Gartenzäune habe er gemalt. Nach der Platzierung in die Erzie- hungsanstalt war das Zeichnen seine Ret- tung. Später arbeitete er im Rheinhafen, wo er viel verdient und wild Karten aus dem von Wegmüller geschaffenen gelebt habe, aber leider prächtigen Zigeuner-Tarot. Ein Exemplar befin- weniger gemalt. Doch det sich auch in unserem Museum. dort kam er in Kontakt mit der Kunstszene und wuss- ben. Und last but not least war te: Das war sein Ding. er in den 1970er Jahren Mitbe- gründer und von 1978 bis 1981 Wegmüller ist nicht nur Maler, Präsident der Radgenossen- er hat sich auch als Kartenle- schaft. Wahrlich: Ein schillern- ger, Lebensberater und Musiker des, farbenprächtiges Leben ausgezeichnet. Sogar ein Mu– und ein grosses künstlerisches sikalbum hat er herausgege- Werk! Wir danken dir dafür. 23
Die Fahne der Radgenossenschaft vor der Silhouette des Calanda; sie hängt beim „Olmischen Kober“ im Welschdörfli in Chur. Wir danken zum Jahresende unseren Verwaltungsräten: Pascal Gottier, Kassier Hans Gemperle Iris Graf Willi Gruber Charles Ostertag dem Geschäftsführer Willi Wottreng und dem ganzen Sekretariat der Radgenossenschaft Wir danken auch den Mitgliedern des Beirats der Radgenossenschaft: Esther Gisler Fischer, Pfarrerin Bruno Caduff, Platz Rania, Graubünden Fino ‚Nötschlo‘ Winter, Sinti Schweiz Paul Moser, Jenische und Sinti in Südamerika Albert Barras, Westschweiz Andreas Geringer, Roma-Angehöriger Yves Sablonier, Alexander „Vatterle“ Flügler aus Singen, Schäft Qwant Viktor Vu, Gertrud Germann, Elisabeth Brüngger, Urs Merz, Nadine Schneider — und allen andern, die uns unterstützen. Daniel Huber, Präsident der Radgenossenschaft 24
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