ZIGEUNER-BOXER - Materialien für Pädagogen/innen - COMMUNITY art CENTER ...
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COMMUNITYartCENTERmannheim und RomnoHkher zeigen ZIGEUNER- BOXER nach einem Theaterstück von Rike Reiniger Materialien für Pädagogen/innen
ZIGEUNER-BOXER nach einem Theaterstück von Rike Reiniger Liebe Leserinnen und Leser, Ab dem 11.10.2020 ist der 15minütige Kurzfilm „Zigeuner-Boxer“ nach dem gleichnamigen Theaterstück von Rike Reiniger auf dem YouTube-Kanal des COMMUNITYartCENTERmannheim verfügbar. Das eindringliche Kammerspiel thematisiert die bis heute aktuelle antiziganistische Diskriminierung und wirft Fragen zu Unrecht, Schuld, Zivilcourage und Mut auf. Begleitmaterial für Pädagog*innen stellt das COMMUNITYartCENTER- mannheim auf Anfrage zur Verfügung. „Zigeuner-Boxer“ erzählt die Geschichte des deutschen Boxchampions Johann Wilhelm „Rukeli“ Trollmann, dessen einzigartiger Boxstil und Kampfgeist ihn zum Publikumsliebling machten und den Meistertitel brachten. Da er Sinto war, wurde ihm im Nationalsozialismus unter dem Vorwurf „undeutsch“ zu boxen der Titel aberkannt und eine weitere Karriere verwehrt. 1944 wurde er im KZ Wittenberge ermordet. Das Begleitmaterial für Schulklassen ab Klassenstufe 8. liefert den biografischen und historischen Kontext zu Johann Wilhelm „Rukeli“ Trollmann und beleuchtet die Verfolgung von Sinti und Roma vom Nationalsozialis- mus bis heute. Es gibt Informationen, Denkanstöße und Diskussionsgrundlagen für die Fragen „Wer sind Sinti und Roma?“, „Was ist Antiziganismus?“ und „Was ist gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit?“. Neben er- klärenden Texten werden Vorschläge zur Themenaufbereitung im Unterricht geliefert. Der Film eignet sich für Schüler*innen ab 14 Jahren. Das Projekt des COMMUNITYartCENTERmannheim kooperiert mit RomnoKher und dem Verband Deutscher Sinti und Roma Baden Württemberg. Herzliche Grüße Ihr Team des COMMUNITYartCENTERmannheim & RomnoKher RomnoKher gGmbH und Verband Deutscher COMMUNITYartCENTERmannheim Sinti und Roma, Landesverband Baden-Württemberg Laurentiusstraße 16, 68167 Mannheim B 7, 16, 68159 Mannheim Tel: 0621-401 898 84 Tel: 0621-911 091-00 info@communityartcenter-mannheim.de info@sinti-roma.com communityartcenter-mannheim.de sinti-roma.com
INHALT BESETZUNG 4 ZUM FILM 5 BIOGRAFISCHER UND HISTORISCHER KONTEXT 6 SINTI UND ROMA 10 VOR- UND NACHBEREITUNG ZUM STÜCK 13 QUELLEN 19 IMPRESSUM 20 Szenenbild aus ZIGEUNER-BOXER
COMMUNITYartCENTERmannheim BESETZUNG „ZIGEUNER-BOXER“ autorin RIKE REINIGER hans FOLKERT DÜCKER untersuchungsrichter MATHIAS WENDEL drehbuch FOLKERT DÜCKER & ANNETTE DOROTHEA WEBER regie ANNETTE DOROTHEA WEBER kamera & schnitt JULIA SCHLEISIEK ton LENA PAUL licht DONNI SCHOENEMOND aufnahmeleitung REDA REGRAGUI musik MIKE RAUSCH soundmischung FLO HUTH produktionsleitung ANNETTE DOROTHEA WEBER produktion COMMUNITYARTCENTERMANNHEIM dank an MARIO JAZVIC, DR. TIM MÜLLER, DANIEL STRAUSS, KAROLINA DASHTY Premiere: 10. Oktober 2020 auf dem Youtubechannel des COMMUNITYartCENTERmannheim und im Atlantis Kino Mannheim Dauer: 15 Minuten Aufführungsrechte: Theaterstückverlag, München
COMMUNITYartCENTERmannheim ZUM FILM „ZIGEUNER-BOXER“ Der 15 - minütige Kurzfilm, „Zigeuner-Boxer“, der auf der Grund- Hans möchte sich nicht mehr erinnern, aber er muss Rechen- lage des gleichnamigen Theaterstücks von Rike Reiniger ent- schaft ablegen. stand , erzählt vom Leben des im KZ Wittenberge ermordeten Sinto-deutschen Boxers Johann Wilhelm „Rukeli“ Trollmann. Schließlich erzählt er dem Untersuchungsrichter wie er Ruki Er war ein Ausnahmetalent des deutschen Boxsports und kennen lernte, wie die beiden Freunde wurden und zusammen wurde 1933 Deutscher Meister im Halbschwergewicht. Als boxten. Aber er erinnert sich auch daran, wie Ruki das Boxen sogenannter „undeutsch“ boxender „Zigeuner“ wurden ihm im und das Leben immer schwerer gemacht wurden und dass er Nationalsozialismus Erfolg, sozialer Aufstieg und schließlich selbst meist tatenlos dabei zuschaute. der Meisterschaftstitel verwehrt. Am Ende wird es immer klarer warum Hans seine Erinnerun- In einem filmischen Kammerspiel erzählt die fiktive Figur „Hans“, gen quälen. Er erzählt davon wie er und Ruki sich im Kon- einem Untersuchungsrichter, von seiner Freundschaft zum zentrationslager wieder treffen und wie ihnen das Boxen zum damals sogenannten „Zigeuner-Boxer“, der hier „Ruki“ heißt. Verhängnis wird.
COMMUNITYartCENTERmannheim BIOGRAFISCHER UND HISTORISCHER KONTEXT JOHANN „RUKELI“ TROLLMANN Johann Trollmann wurde am 27.12.1907 als Sohn einer Familie deutscher Sinti in Wilsche, Gifhorn geboren. Da seine auf- rechte Statur an einen gerade gewach- senen, schönen Baum erinnerte, gaben ihm seine Eltern Wilhelm und Friederike den Namen „Rukeli“. Ruk bedeutet in der Sprache der Sinti und Roma, dem Romanes, soviel wie Baum. Johann Trollmann wuchs mit acht Ge- schwistern in ärmlichen Verhältnissen Trollmanns – und der Boxsport. Die Na- PROFIKARRIERE IN in der Altstadt von Hannover auf. Schon tionalsozialisten instrumentalisierten mit DEUTSCHLAND früh zeichnete sich sein großes Talent ihrer Machtübernahme das Boxen für Mit seiner wachsenden Bekanntheit gab zum Boxen ab und bereits mit acht Jah- ihre Ziele. Der Boxsport wurde in den die Sportpresse Johann Trollmann bald ren stieg er erstmals in den Ring. „deutschen Faustkampf“ umbenannt den Beinamen „Zigeuner-Boxer“; häufig und sollte eine zentrale Rolle in der wurde er als „tanzender Zigeuner“, der Johann Trollmann gewann in jungen Jah- sogenannten Leibeserziehung des so- „undeutsch“ boxte, rassistisch diffamiert. ren viermal die Regionalmeisterschaft, genannten Dritten Reichs spielen. Die Der Ausschluss von der olympischen stieg zum norddeutschen Meister auf und Boxclubs in Deutschland wurden zent- Nominierung bewog ihn im Juni 1929, nahm an der deutschen Meisterschaft ralisiert und arisiert. Damit begann die Profiboxer zu werden. Unter der Obhut im Amateurboxen teil. Boxen galt bis da- Ausgrenzung und Verfolgung „nicht-ari- des Berliner Managers Ernst Zirzow hin als „Proletensport“. In den 1920er scher“ Sportler und Sportlerinnen lange kämpfte Trollmann fortan auch im Pro- Jahren wurde es aber immer populärer, vor dem Inkrafttreten der Nürnberger fibetrieb mit Erfolg und machte sich in zum beliebten Freizeitvergnügen und Rassegesetze 1935. Einige Sportler dar- Berlin schnell einen Namen. Allein im fand Einzug in den offiziell anerkannten unter auch Boxer verließen Deutschland, Jahr 1930 bestritt er 13 Kämpfe und war Sport. Trollmann wurde in diesen Jahren Johann Trollmann aber floh nicht. Für in der ganzen Republik unterwegs. Sein ein versierter Mittelgewichtsboxer, der die nationalsozialistischen Sportbehör- Erfolg steigerte sich noch: Im Jahr 1932 schnell und extrem beweglich war und den war das ein Problem, denn er war kämpfte Trollmann nur noch gegen die dennoch hart zuschlagen konnte. Sein zu beliebt und zu erfolgreich, als dass Besten, sowohl im Welter-, wie auch im Stil war spektakulär und kam beim Publi- man ihn hätte einfach aus dem Boxsport Mittel- und Halbschwergewicht. Auch kum gut an. Zu den Olympischen Spielen verdrängen können. internationale Gegner waren darunter. von 1928 in Amsterdam wurde er vom Von nun an kam der deutsche Boxsport Reichsverband dennoch nicht aufgestellt. DER KAMPF UM DEN an Trollmann nicht mehr vorbei. Mit der fadenscheinigen Begründung: DEUTSCHEN MEISTERTITEL Seine Leistungen seien ungenügend ge- Am 9. Juni 1933 trat Johann Trollmann in MACHTÜBERNAHME DER wesen. Wahrscheinlicher ist jedoch, dass Berlin zum Meisterschaftskampf im Halb- NATIONALSOZIALISTEN die olympische Nationalmannschaft nicht schwergewicht gegen Adolf Witt an und Im Januar 1933 ändert sich das Leben von einem Sinto vertreten werden sollte. gewann diesen klar nach Punkten. Für
COMMUNITYartCENTERmannheim rikierte er die ihm zugewiesene Rolle als Opfer. Zugleich dominierte im Kampf die Unterwerfung unter das Diktat der NS- Sportfunktionäre: Mit Verzicht auf die für seinen Stil elementare Beinarbeit, stellte er sich dem „deutschen Kampf“. „Fuß an Fuß“ mit seinem Gegner stand er in der Mitte des Ringes. Nach 5 Runden war er k.o. geschlagen und seine Karriere als Boxer endgültig besiegelt. In den folgenden Jahren schlug sich Johann Trollmann als Boxer auf Jahrmärkten durch, lebte in Hannover und in Berlin. die Nationalsozialisten stellte sein Sieg im Halbschwergewicht wieder aberkannt eine Bedrohung dar, denn Trollmann de- NACH DEN NÜRNBERGER wurde. Beide Boxer hätten „ungenügen- montierte das propagandistische Bild de Leistungen“ erbracht, hieß es. Der RASSEGESETZEN vom körperlich überlegenen, arischen Titel wurde nicht vergeben. Auch wegen Die Verfolgung von Sinti und Roma nahm Herrenmenschen und machte transpa- der vergossenen Tränen gab es hämi- nach dem Erlass der Nürnberger Rasse- rent, wie konstruiert diese Vorstellung sche Stimmen – ein deutscher Mann gesetzen am 15. September 1935 immer war. Der Vorsitzende des „Verbandes hatte nicht solch „armseligen Verhaltens“ stärker zu. Die „Arisierung“ von Wohn- deutscher Faustkämpfer“, der von den zu zeigen. Doch auch ohne den Meister- raum betraf fortan Juden genauso wie Nationalsozialisten geschaffene neue schaftstitel blieb Johann Trollmann ein Sinti und Roma. Letztere wurden ge- Dachverband für den Boxsport, gab der Publikumsliebling und den Nationalsozi- zwungen, ihre Wohnungen aufzugeben, Jury Anweisungen, den Kampf als un- alisten ein Dorn im Auge. Seine Karriere um in sogenannte „Zigeunerlager“ umzu- entschieden zu werten. Und die Jury sollte endgültig beendet und Trollmann ziehen. Dies waren meistens eingezäun- befolgte dies. Das boxkundige Publikum als Boxer diskreditiert werden. te Barackenlager auf offenem Feld ohne war jedoch nicht bereit, Teil der ideolo- sanitäre Einrichtungen. Auch Mitglieder gischen Manipulation zu werden. Nach TROLLMANNS „DEUTSCHER“ der Familie Trollmann wurden inhaftiert einer halben Stunde lautstarkem Protest KAMPF und vor die nicht zu beantwortende Frage und Drohungen gegen die anwesenden Vor seinem Kampf am 21. Juli 1933 ge- gestellt, sich entweder sterilisieren oder nationalsozialistischen Funktionäre wur- gen den bekannten und schlagkräftigen ins Lager deportieren zu lassen. de Trollmann der Siegkranz um den Hals Weltergewichtler Gustav Eder, wurde gehängt. Dem erschöpften Boxer liefen ihm nahe gelegt, dass der Entzug sei- Mit dem im Dezember 1938 in Kraft tre- die Tränen über die Wangen – aus Wut ner Lizenz als Boxer drohe, sollte er „zi- tenden „Zigeuner-Runderlass“ nahm die über den zunächst nicht anerkannten geunerhaft“ tänzelnd, also „undeutsch“ Verfolgung der Sinti und Roma noch an Sieg und aus Freude über den doch boxen und sich nicht dem Kampf stellen. Schärfe zu. Heinrich Himmler forderte noch zuerkannten Meisterschaftstitel. Eine aussichtslose Lage für Trollmann, dazu auf, „die Regelung der Zigeunerfra- Die Freude währte kurz. Nur eine Wo- der er mutig entgegentrat: Er stieg mit ge aus dem Wesen dieser Rasse heraus che nach dem Kampf erhielt Trollmann hell gefärbten Haaren und weiß gepuder- in Angriff zu nehmen“. Der Weg in die Ver- einen Brief des Boxverbandes, der ihm ter Haut in den Ring. Mit dieser Selbst- nichtung zeichnete sich nun deutlich ab. mitteilte, dass ihm der Meisterschaftstitel inszenierung als „arischer Kämpfer“ ka-
COMMUNITYartCENTERmannheim Bereits 1938 war Trollmann für mehrere Im Juni 1942 wurde Trollmann in Han- dann mit einem Knüppel zu erschlagen. Monate ins Arbeitslager Hannover-Ah- nover verhaftet und in die berüchtigte Johann Trollmanns Tod wurde als Unfall lem verschleppt worden. Nach seiner „Zigeunerzentrale“ in der Innenstadt ge- angegeben, sein Leichnam mit den vie- Entlassung lebte er im Verborgenen, bracht, wo man ihn schwer misshandelte. len anderen Toten des Lagers auf dem um weiteren Verhaftungen zu entge- Von dort aus wurde er im Oktober in das Friedhof von Wittenberge verscharrt. hen. Im November 1939 wurde er in die KZ Neuengamme bei Hamburg depor- Doch der Häftling Robert Landsberger, Wehrmacht einberufen; vom Kämpfen tiert. Er leistete schwerste Zwangsarbeit. der bei dem Arbeitseinsatz Zeuge vom fürs Vaterland waren Sinti und Roma In nur 3 Monaten KZ-Haft hatte er ca. Mord an Trollmann wurde, überlebte das als Deutsche noch nicht ausgeschlos- 30kg an Gewicht verloren. Bald erkannte KZ und machte nach der Befreiung eine sen. Nachdem er als Infanterist in Polen, ihn der frühere Ringrichter und jetzige Aussage über den Tod Trollmanns. Diese Belgien und Frankreich stationiert war, SS-Mann Albert Lütkemeyer, der veran- blieb im Archiv der Gedenkstätte Neu- wurde er im Frühjahr 1941 an die Ost- lasste, dass Trollmann trotz schwinden- engamme lange Zeit unentdeckt. front geschickt, wo er nach dem Überfall der Kräfte allabendlich nach der Arbeit auf die Sowjetunion verwundet wurde. gegen SS-Männer zum Boxtraining an- Erst Ende 2003 übergab der Deutsche Zeitgleich fanden die ersten Massen- trat. Auch nach seiner Verlegung ins Ne- Berufsboxerverband der Familie des erschießungen sowjetischer Sinti und benlager Wittenberge entkam Trollmann Boxers den Meistergürtel von Johann Roma statt. 1942 gab das Oberkomman- seiner Vergangenheit als Boxer nicht: „Rukeli“ Trollmann, der heute wieder of- do der Wehrmacht einen Erlass heraus, Er musste sich im Laufe des Jahres fiziell Deutscher Meister im Halbschwer- der Sinti und Roma aus „rassepolitischen 1944 einem Kampf mit dem kriminellen gewicht des Jahres 1933 ist. Gründen“ vom Wehrdienst ausschloss. Kapo Emil Cornelius stellen. Trollmann Auch Johann Trollmann wurde aus der gewann zwar den Kampf, doch wenige Wehrmacht entlassen. Zeit später rächte sich Cornelius für die Niederlage und ließ Trollmann bei einem IM KZ NEUENGAMME UND IM Arbeitseinsatz außerhalb des Lagers Quelle: http://www.johann-troll- NEBENLAGER WITTENBERGE… bis zur Erschöpfung schuften, um ihn mann.de/files/Geschichte.pdf
COMMUNITYartCENTERmannheim SINTI UND ROMA WER SIND SINTI UND ROMA? auch Roma aus Ost- und Südosteuropa tematisch durchgeführten Völkermord Die Frage ist schwer zu beantworten. nach Mitteleuropa. in ganz Europa zum Opfer. Sowohl in der Wissenschaft als auch unter Romagruppen selbst gibt es ver- Mit dem umfassenderen Sammelbegriff Die weit zurück-reichenden Traditions- schiedene Antworten. Fest steht: Es Roma bzw. „Romanies“ oder Menschen linien der Ausgrenzung von Sinti und handelt sich ungeachtet gemeinsamer mit Romani-Hintergrund werden welt- Roma und der Umstand, dass im Natio- Ursprünge in Indien nicht um eine ho- weit alle durch Herkunft verwandten, nalsozialismus nicht die nach 1945 als mogene Gruppe. Zunehmend hat sich durch Geschichte, Traditionen, Lebens- verbrecherische Organisation erachtete in Deutschland als authentischer Ei- raum und staatliche Zugehörigkeit aber Gestapo, sondern die Kriminalpolizei genname der Kombinationsbegriff Sinti eigenständigen nationalen Roma-Min- „die Maßnahmen gegen Zigeuner“ um- und Roma durchgesetzt. Er ist auch derheiten benannt. Wird im Kontext der setzte, hatte nach Kriegsende zur Folge, in internationalen Organisationen wie historischen Quellen die Bezeichnung dass den Opfern die Anerkennung ihrer dem Europarat die übliche und offizielle „Zigeuner“ benutzt, so müssen die hin- Verfolgung verwehrt wurde und die Be- Bezeichnung der Minderheiten. Zuneh- ter diesem Begriff stehenden Klischees gründungen hierfür überdies die Grund- mend wird auch von Menschen mit Ro- und Vorurteile und der rassistische An- lage für fortgesetzte Diskriminierungen mani-Hintergrund gesprochen. Romani tiziganismus stets mitbedacht werden. in der Bundesrepublik schufen. ist die internationale Bezeichnung der Die Minderheit lehnt den Begriff ab. 95% Sprache Romanes, der Ausdruck ver- verwenden als Eigenbezeichnung Sinti ZUR BEZEICHNUNG weist auf die besondere Bedeutung der oder Roma. „ZIGEUNER“ Sprache für Sinti und Roma. Das Wort „Zigeuner“ ist eine Beleidi- SINTI UND ROMA IM gung und keine neutrale Gruppenbe- Sinti nennen sich die Angehörigen der NATIONALSOZIALISMUS zeichnung. Denn der Begriff „Zigeuner“ Minderheit, deren Heimat seit dem Insgesamt fielen nach Schätzungen wurde in Deutschland nie als neutra- späten Mittelalter der deutschsprachi- 220.000 bis 500.000 Sinti und Roma le Zuschreibung für eine Volksgruppe ge Kulturraum ist. Seit dem migrierten dem von den Nationalsozialisten sys- verwendet, sondern immer auch als
COMMUNITYartCENTERmannheim ein Synonym für Verunglimpfungen wie den alle Betroffenen vereinheitlicht, das klare Abneigung. Forscher der Univer- „asoziales, kriminelles Gesindel“. Die heißt, es erfolgt eine homogenisierende sität Leipzig stellten in der Studie „Die Hasspropaganda der Nationalsozialisten Wahrnehmung und Darstellung, die von stabilisierte Mitte“ von 2014 sogar noch trug dazu bei, die negative Bedeutung jeglichen Unterschieden absieht. Dass deutlich höhere Werte fest: So teilten 56 noch zu vertiefen. es alte und junge, karriereorientierte und Prozent der Befragten die Auffassung, familiäre, arme und reiche, traditionelle Sinti und Roma neigten zur Kriminali- ANERKANNTE NATIONALE und moderne, konservative und liberale, tät. Erschreckenderweise haben sich MINDERHEIT amerikanische, asiatische, afrikanische, die Werte in die aktuellen Fortsetzung In Deutschland leben laut Bundesinnen- europäische und australische Roma gibt, der Leipziger Studie von 2018 erhöht. ministerium vier anerkannte nationale wird übergangen. Die Eigenschaften, Darin heißt es: „Die Abwertung von Sinti Minderheiten, die „seit Jahrhunderten die der Fremdgruppe zugeschriebenen und Roma […] nimmt kontinuierlich zu“. traditionell heimisch und deutsche werden, entsprechen dabei nicht der 56 % der Deutschen lehnen Sinti und Staatsbürger sind“. Dazu zählen: Dänen, vermeintlichen Norm der Mehrheits- Roma in ihrer Nachbarschaft ab, 60.4 % Friesen, das sorbische Volk sowie die bevölkerung. halten Sinti und Roma für grundsätzlich deutschen Sinti und Roma. Anerkann- kriminell. Die Zahlen sind in Ostdeutsch- te Minderheiten genießen besondere Darauf aufbauendend entstehen Diskri- land mit 60.3 % und 69.2 % noch hö- Rechte und sollen bei der Bewahrung minierungsstrukturen und Verfolgungs- her. Der Bericht des Beauftragten der ihrer „Kultur, Tradition und Sprache“ un- handlungen. Diese stellen das zentrale Landesregierung Baden-Württemberg terstützt werden. Im Jahr 2013 schloss Problem dar, weil sie die Lebenschancen gegen Antisemitismus von 2019 erklärt: schließlich das Land Baden-Württem- und -perspektiven der Sinti und Roma „In Umfragen äußern sehr viel größe- berg mit dem Verband Deutscher Sinti einschränken, schwerwiegende Nach- re Bevölkerungsteile antiziganistische und Roma, Landesverband Baden-Würt- teile verursachen und im schlimmsten als antisemitische Einstellungen. [...] Zu temberg als Vertretung der Minderheit Fall eine Gefahr für Leib und Leben dar- einer konsequenten und glaubwürdigen in diesem Bundesland einen Staatsver- stellen können. Bekämpfung von Antisemitismus und trag. Der Vertrag ist das Bekenntnis zur Rassismus gehört also auch die Über- Anerkennung der baden-württember- Dass Antiziganismus kein Problem von windung des Antiziganismus.“ Antise- gischen Sinti und Roma. Er regelt eine gestern ist, zeigen aktuelle Studien – mitisch und antiziganistisch motivierte verbindliche Förderung und steht im mit der erschreckenden Tendenz, dass Gewalt und Hassverbrechen haben 2019 Bewusstsein der historischen Verant- Antiziganismus zunimmt und sogar „sa- diese Gefahr deutlich sichtbar werden wortung gegenüber Sinti und Roma, die lonfähig“ ist: Ein Gutachten zu Antiziga- lassen. unter der nationalsozialistischen Gewalt- nismus in Deutschland von 2012 wies herrschaft Verfolgung und Völkermord darauf hin,, dass negative Stereotype Kein Wunder also, dass viele und dar- ausgesetzt waren. über Sinti und Roma in Politik, Medien unter auch berühmte Persönlichkeiten und Kultur omnipräsent seien. Die erste immer noch Angst haben, sich öffentlich ANTIZIGANISMUS – repräsentative Umfrage, die sich mit den zugehörig zur Minderheit der Sinti oder WAS IST DAS? Einstellungen der Bevölkerung gegen- Roma zu zeigen. Antiziganismus bezeichnet ein historisch über der Minderheit auseinandersetzt, gewachsenes soziales Phänomen. Der zeigt: Jeder dritte Deutsche will keine GRUPPENBEZOGENE MENSCHEN- erste Vorgang in der Entstehung des An- Sinti oder Roma als Nachbarn. Etwa FEINDLICHKEIT tiziganismus geschieht durch die Kons- 20 Prozent der Befragten zeigen Sinti Was ist Gruppenbezogene Menschen- truktion einer Fremdgruppe. Dabei wer- und Roma gegenüber demnach eine feindlichkeit? Das Forschungsprojekt der
COMMUNITYartCENTERmannheim Universität Bielefeld, Institut für interdis- Auf der Basis empirischer Analysen be- ziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung, rücksichtigen wir in Deutschland mittler- geht der Frage nach, wie Menschen un- weile zwölf anstatt ursprünglich sieben terschiedlicher sozialer, religiöser und Elemente von Menschenfeindlichkeit: ethnischer Herkunft sowie mit verschie- Rassismus, Antisemitismus, Fremden- denen Lebensstilen in dieser Gesell- feindlichkeit, Etabliertenvorrechte, Ab- schaft von der Mehrheit wahrgenommen wertung von Obdachlosen und Men- werden und mit feindseligen Mentalitäten schen mit Behinderung, Homophobie, konfrontiert sind. Im Mittelpunkt steht Islamfeindlichkeit, Sexismus, Abwertung also das, was die Gruppenbezogene von Langzeitarbeitslosen, Abwertung Menschenfeindlichkeit (GMF) genannt von Asylbewerbern, Abwertung von Sinti wird. Aufgrund seiner Spannweite spricht und Roma. man von einem Syndrom Gruppenbezo- gener Menschenfeindlichkeit. Es ist aus Diese Auswahl ist sicher nicht erschöp- Vorurteilen gegenüber einer Reihe ganz fend und kann sich je nach gesellschafts- unterschiedlicher Gruppen zusammen- politischer Entwicklung ggf. ändern. gesetzt, deren Gleichwertigkeit und Un- versehrtheit in Frage gestellt wird. Der NS-Propagandaaufnahme, Warschau September gemeinsame Kern des Syndroms ist 1940 von Hugo Jaeger, einem Mitarbeiter von somit eine Ideologie der Ungleichwer- Adolf Hitlers „Leibfotografen“ Heinrich Hoffmann. tigkeit. Welche spezifischen Gruppen Die Produktion von solchen Fotos, die als Gegen- jeweils zu dem Syndrom gehören, hängt bild zu geordneten deutschen Formationen „Unter- nicht zuletzt von gesellschaftlichen und menschen“, darunter ausdrücklich „Zigeuner“, kulturellen Entwicklungen ab. Allerdings zeigen sollten, war eine Vorgabe des Propagan- lassen sich viele Gruppen erkennen, die daministeriums: „Polen ist Untermenschentum. über lange Zeit und über unterschied- Polen, Juden und Zigeuner sind in einem Atemzug liche kulturelle Kontexte und Phasen zu nennen.“ (Wikipedia) hinweg Adressaten von Abwertung und Ausgrenzung waren und sind. QUELLEN: antidiskriminierungsstelle.de/SharedDocs/Aktuelles/DE/2014/Antiziganismus%20-20140710.html mediendienst-integration.de/dossier/sinti-roma.html Arnulf Scriba, Deutsches Historisches Museum, Berlin, 20. August 2014 Studie zur aktuellen Bildungssituation der deutschen Sinti und Roma, (RomnoKher 2011): romnokher.com/aktuelle-projekte/ bpb.de/apuz/33275/ns-verfolgung-von-zigeunern-und-wiedergutmachung-nach-1945?p=all uni-bielefeld.de/ikg/projekte/GMF/WasIstGMF.html
COMMUNITYartCENTERmannheim VOR- UND NACHBEREITUNG ZUM FILM Im Folgenden finden Sie einige Fragen zum Stück, die Sie zur Nachbereitung nutzen können. ZUR GESCHICHTE - Wer ist Hans? - Wer ist Ruki? - Warum waren die beiden befreundet? - Warum will Hans seine Erinnerungen nicht mehr behalten? Warum will er sie loswerden? - Wie fand Ruki die Bezeichnung „Zigeunerboxer“? - Warum dachte Hans, die Freundschaft wäre beendet nachdem er „Zigeunerboxer“ zu Ruki gesagt hatte? - Hätte Hans sich für Ruki einsetzen können, als dieser Kneipenverbot bekam? - Warum hat Hans im Lager so getan als ob er Ruki nicht erkennt? - Hätte Hans etwas andres tun können als Ruki zu erschießen? - Wieso hat Ruki am Ende gesiegt? „Er hat uns alle auf die Bretter geschickt“ - Fühlt sich Hans schuldig – und warum? THEMA AUSGRENZUNG & DISKRIMINIERUNG: - In der Geschichte kam das Wort „undeutsch“ vor – Was heißt das eurer Meinung nach? Was ist für euch dann „deutsch“ und warum? - Habt ihr das Wort „Zigeuner“ schon mal gehört – was heißt das für euch? - Wäre es möglich, dass heute immer noch jemand als „Zigeunerboxer“ oder „Zigeuner fußballer“ bezeichnet würde und darum keine Karriere machen könnte? - Kennt ihr selbst so etwas, was Ruki schon früh erlebt hat (er durfte nicht zur Olympiade, hat seinen deutschen Meistertitel nicht anerkannt bekommen...) kennt ihr das, dass ihr euch nicht anerkannt fühlt, bzw. werdet, von außen, weil ihr eine andere Religion habt oder anders ausseht oder z. B. nicht hier geboren seid? - Fällt euch jemand ein, bei dem ihr denkt, „der gehört nicht dazu“, „der gehört hier nicht her“ oder „der oder die benimmt sich nicht richtig für unsere Gesellschaft“?
COMMUNITYartCENTERmannheim THEMA SCHULD & MUT An welchen Stellen der Geschichte hätte Hans Ruki verteidigen und sich für ihn einsetzen kön- nen? Was glaubt ihr, warum hat er es nicht getan? - Warum hat sich Hans im Lager vor Ruki versteckt und ihn nur beobachtet? - Hätte Hans etwas anderes tun können als Ruki zu erschießen? - Fühlt sich Hans schuldig? Warum? - Was ist Schuld? FEEDBACKRUNDE Bilden Sie einen Sitzkreis. Ein Ball wird im Kreis herumgeworfen. Jede/Jeder, die/der den Ball bekommt, kann spontan etwas zum Stück sagen. Richtig oder Falsch gibt es nicht. Die Äußerungen werden nicht bewertet. DAS STÜCK WAR FÜR MICH… Auf dem Boden liegen verschiedene ausgedruckte Begriffe, die im Bezug zum Stück stehen. Die Schüler/innen laufen durch den Raum und sehen sie sich an. Sie markieren mit einem Stift, den Begriff, der für sie am wichtigsten im Zusammenhang mit dem Stück ist. In einer Abschlussrunde begründen sie, warum. Mögliche Begriffe sind: erschreckend, traurig, verzweifelt, beängstigend, mutig, glücklich, wütend, langweilig, brutal, beeindruckend, bedrückend, witzig, fesselnd. Freundschaft, Erin- nerung, Schuld, Undeutsch, zu jemandem stehen, sich für jemanden einsetzen, Verfolgung,
COMMUNITYartCENTERmannheim MEHRHEIT ODER MINDERHEIT? Sensibilisieren Sie mit einer einfachen Übung dafür, wie schnell man zu einer Minderheit gehören kann bzw. wie schnell sich Mehrheiten ändern können. Ordnen Sie eine Ecke im Raum „Ja“, einer anderen „Nein“ zu. Stellen Sie an die Gruppe Fragen und bitten Sie, sich entweder der „Ja“ oder der „Nein“- Ecke zu zuordnen. Beispiele wären: - Wer hat heute Morgen schon gefrühstückt? - Wer ist heute vor 07:00 Uhr aufgestanden? - Wer kommt mit dem Fahrrad zur Schule? - Wer hat schon für die nächste Klassenarbeit gelernt? - Wer hat braune Haare? - Wer ist über 1,60m groß? - Wer hat mindestens eine Schwester und einen Bruder? - Wer hört gerne Musik? - Wer isst kein Fleisch? - Wer hat mindestens Schuhgröße 40?
COMMUNITYartCENTERmannheim FIGURENBIOGRAFIEN Ein/e Schüler/in setzt sich auf einen Stuhl vor die Gruppe und bekommt eine Figur aus dem Stück zugeordnet. Aufgabe ist es, gemeinsam eine Figurenbiografie zu entwickeln. An die Figur werden alle möglichen Fragen gestellt. Dabei kann sie selber antworten oder Hilfe erhalten, indem sich ein/e weitere/r Schüler/in hinter den Stuhl stellt und anstelle der Figur antworten darf. Dabei können auch widersprüchliche Vorschläge gesammelt werden. In der Nachbereitung im Stuhlkreis können Sie die Fragen an die Figur an die Gruppe weitergeben. BELIEBIGE FIGUR: Mögliche allgemeine Fragen: - Wie alt bist du? - Hast du Geschwister? - Was ist dein Lieblingsessen? - Was arbeitest du? - Lebst du alleine? - Wie sieht deine Wohnung aus? - Was machst du wenn du nicht arbeiten musst? - Hast du einen besten Freund oder eine beste Freundin? - Redest du gerne? - Was wünschst du dir am meisten in deinem Leben? Usw.
COMMUNITYartCENTERmannheim QUELLEN - johann-trollmann.de/files/Geschichte.pdf, zuletzt abgerufen 18.12.2014 - sintiundroma.de/sinti-roma/ns-voelkermord.html - mediendienst-integration.de/dossier/sinti-roma.html - antidiskriminierungsstelle.de/SharedDocs/Aktuelles/DE/2014/Antiziganismus%20-20140710.html - Arnulf Scriba, Deutsches Historisches Museum, Berlin, 20. August 2014 - bpb.de/apuz/33275/ns-verfolgung-von-zigeunern-und-wiedergutmachung-nach-1945?p=all - uni-bielefeld.de/ikg/projekte/GMF/WasIstGMF.html - Studie zur aktuellen Bildungssituation der deutschen Sinti und Roma, (RomnoKher 2011): romnokher.com/aktuelle-projekte/ WEITERE ANSPRECHPARTNER: Dokumentations- und Kulturzentrum Deutscher Sinti und Roma: sintiundroma.de RomnoKher – Ein Haus für Kultur, Bildung und Antiziganismusforschung: romnokher.de Verband Deutscher Sinti und Roma – Landesverband Baden-Württemberg: sinti-roma.com
COMMUNITYartCENTERmannheim IMPRESSUM Layout: Tobias Frindt Text: Lea Hoffmann Redaktion: Annette Dorothea Weber, Lea Hoffmann und Dr. Tim Müller ÜBER UNS: Seit 2012 holt das COMMUNITYartCENTERmannheim internationale Profikünstler in den Mannheimer Stadt- teil Neckarstadt-West. Viele Bewohner*innen leben hier in prekären ökonomischen Verhältnissen. Mit dem aus den USA stammenden Konzept von Community Art wollen die Künstler etwas verändern. Sie nehmen Themen und Probleme der Bewohner*innen in ihre Kunst auf, helfen Vorurteile abzubauen und treten Diskriminierung aktiv entgegentreten. Das COMMUNITYartCENTERmannheim ist Ort der Begegnung für Menschen, die im Stadtteil leben und die in den Stadtteil kommen, um etwas zu erleben. Im November 2013 besuchte Bundes- präsident Joachim Gauck das COMMUNITYartCENTERmannheim. Das Kulturhaus RomnoKher ist ein Ort der Begegnung und des Dialogs zwischen Minderheiten und Mehr- heiten ein Ort der Information, Beratung und Betreuung für Sinti und Roma ein Ort der Kultur und der Bildung ein Ort der Aufklärung und Auseinandersetzung mit dem Antiziganismus. Das COMMUNITYartCENTERmannheim und RomnoKher werden unterstützt von: COMMUNITYartCENTERmannheim Laurentiusstraße 16, 68167 Mannheim RomnoKher gGmbH und Verband Deutscher Tel: 0621-401 898 84 Sinti und Roma, Landesverband Baden-Württemberg info@communityartcenter-mannheim.de B 7, 16, 68159 Mannheim communityartcenter-mannheim.de Tel: 0621-911 091-00 Youtube: youtube.com/c/COMMUNITYartCENTERmannheim info@romnokher.de Facebook: facebook.com/cac.mannheim romnokher.de
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