Zu wenig Lohn, schlechte Unterkünfte und kein Gesundheitsschutz - Katholische ...

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Zu wenig Lohn, schlechte Unterkünfte und kein Gesundheitsschutz - Katholische ...
Dezember 2021

Betriebsseelsorge und Faire Mobilität informieren Erntehelfer*innen in der Region Bodensee; Foto: Aleksandra Grobelna

Zu wenig Lohn, schlechte Unterkünfte
und kein Gesundheitsschutz ...
Der Jahresbericht „Saisonarbeit in der Landwirtschaft“ 2021 listet wieder
viele Arbeitsrechtsverletzungen auf
(wh) Bundesweit machten sich im fast                 Sie haben im Südwesten durchaus                        durch die großen Lebensmittelhändler
abgelaufenen Jahr 2021 insgesamt 44                  unterschiedliche Erfahrungen ange-                     leiden, ins Gespräch zu kommen, verlief
Mal Mitarbeiter*innen der Initiative                 troffen. Neben vorbildlich geführten                   dabei nicht immer ohne Spannungen.
Faire Landarbeit auf den Weg zu Sai-                 Betrieben mit guten Arbeitsbezie-                      Im kommenden Jahr wird die Betriebs-
sonarbeitenden, um die in der Ernte                  hungen zu den durchweg osteuropäi-                     seelsorge mit ihren Partnerorganisa-
von Spargel- und Erdbeeren, aber                     schen Saisonkräften wurden teils sehr                  tionen deshalb wieder unterwegs sein,
auch von Feldgemüse, Gurken, Obst,                   problematische Situationen bis hin zu                  um für gute und würdige Arbeitsbedin-
Wein Beschäftigten zu ihren Rechten                  unwürdigen Unterkünften, niedrigen                     gungen für die Beschäftigten in der Sai-
als Erntehelfer*innen zu informie-                   Arbeitsstandards und ausbleibende                      sonarbeit einzustehen.
ren, das Gespräch über ihre Lebens-                  Lohnzahlungen angetroffen. Der Ver-                    Den Jahresbericht der Initiative Faire
und Arbeitsbedingungen zu suchen                     such, mit den Landwirten, die ihrerseits               Landarbeit, in den auch die Ergebnisse
und gegebenenfalls für Rat und                       häufig unter dem extremen Druck auf                     und Erfahrungen aus dem Südwesten
Fragen zur Verfügung zu stehen.                      die Erzeugerpreise und dem Diktat                      eingeflossen sind, finden Sie hier:
Erstmals im Rahmen der Initiative
waren Mitarbeitende der Betriebsseel-
sorge Rottenburg-Stuttgart mit den Kol-
leg*innen von Faire Mobilität an insge-
samt 6 Tagen im Unterland, Mittleren
Neckarraum und Bodensee unterwegs
und konnten sich einen eigenen Ein-
druck von der Realität der Saisonarbeit
machen.
Zu wenig Lohn, schlechte Unterkünfte und kein Gesundheitsschutz - Katholische ...
Dezember 2021

                                                Nachrichten
                                                Aalen

Kommentar
                                                „Happy Running“
Gekommen –                                      Ein künstlerischer Beitrag. Gewidmet den Männern
und geblieben – und                             und Frauen in der Pflege
das ist gut so!                                 (rs) 17.000 Schritte sind es, die Anne       Dabei ist es der schönste Beruf, den ich
                                                jeden Tag geht. Normalität in der            mir vorstellen kann, aber das ist nicht
Im Oktober jährte sich zum 60. Mal das          Pflege.                                       mehr vermittelbar. Alle Menschen, die
deutsch-türkische Anwerbeabkommen, in           Betriebsseelsorger Dr. Rolf Siedler hat      dort mal reinschnuppern, kommen
dessen Folge hunderttausende türkische          Erfahrungen von Menschen wie Anne            nicht wieder - wie auch - wer arbeitet
Arbeitnehmer*innen in die noch junge Bun-       gesammelt, diese in einem Video künst-       schon unter solchen Bedingungen!“ Das
desrepublik migrierten, um den Bedarf           lerisch mit seinen Freunden verarbeitet      bestätigen auch Klinikseelsorger*in-
nach Arbeitskräften in der boomenden deut-      und den Beitrag jetzt auf Youtube            nen, die immer mehr von Beschäftigten
schen Nachkriegswirtschaft zu decken.           gestellt. Eine Krankenschwester hat den      in den Kliniken um Unterstützung und
Angeworben wurden „Gastarbeiter*innen“          Beitrag gesehen und schreibt aus             Rat gebeten werden. Die Betriebsseel-
– gekommen sind Menschen, die mittler-          eigener Betroffenheit: „Vielen Dank,         sorge Aalen wünscht sich, dass sie mit
weile in der dritten oder vierten Generation    Euer Beitrag ist super! Ich gehöre zu den    ihrem Beitrag Öffentlichkeit herstellen
in der Bundesrepublik leben und mit ihrer       Happy Running-People. Du machst dir          und politischen Druck verstärken kann.
Kultur, ihren Traditionen und Lebenserfah-      kein Bild davon, wie es bei uns zugeht.      „Gesundheit ist zu einem Renditeobjekt
rungen längst lebendiger Teil unseres Lan-      Ich habe noch nicht einmal Zeit, aufs Klo    verkommen, daran muss schleunigst
des geworden sind.                              zu gehen, geschweige denn einen Kaffee       etwas geändert werden!“ Davon sind
Der Weg zu einer wirklichen Integration         zu trinken. Rennen, 100 Dinge gleich-        Maria Sinz von der KAB, Karolina
aber ist noch lange nicht abgeschlossen.        zeitig abhandeln... und immer unter          Tomanek und Rolf Siedler überzeugt.
Zum einem, weil Integration ein fortwäh-        dem Druck: Habe ich etwas Wichtiges          Hier gehts‘s zum Video auf Youtube:
render Prozess ist, zum anderen, weil auch      vergessen? Wenn dann das Telefon in
nach 60 Jahren Menschen mit türkischem          der Freizeit wieder klingelt, stellt sich
Migrationshintergrund – und nicht nur sie       die Frage, nehme ich mir meine freie
– noch immer Ausgrenzung und Diskrimi-          Zeit, weil ich nach 10 Tagen dringend
nierung erfahren. Menschen mit einem „tür-      ein paar freie Tage brauche oder gehe
kischklingenden“ Namen werden bei der           ich ran, weil ich weiß, dass wenn ICH es
Wohnungssuche oder in Bewerbungsver-            nicht mache, es meine Kollegin trifft, die
fahren benachteiligt, und auch der Blick        ja auch fertig ist ...
auf die Bildungsverläufe zeigt, dass sich       ES IST VÖLLIG UNMENSCHLICH!                    Foto: Screenshot vom Video „Happy Running“
Menschen mit Migrationserfahrung bzw.
Migrationshintergrund ungleich schwerer
tun, vergleichbare Bildungsabschlüsse zu
erwerben. Letztlich zeigt auch die politische
Diskussion der vergangenen Jahrzehnte,
wie beschwerlich das Anerkennen der Tat-
sache war, dass Deutschland ein Einwande-
rungsland ist.
Wir Betriebsseelsorger*innen wissen dank
des betriebsbezogenen Ansatzes unserer
Arbeit um die Bedeutung einer fair und
gerecht ausgestalteter Erwerbsarbeit als ein
wesentlicher Schlüssel zu echter Integrati-
on. Deshalb setzen wir uns genau dafür ein,
egal welche kulturellen Wurzeln ein Kollege
oder eine Kollegin besitzt.
Angeworben wurden „Gastarbeiter*innen“,
gekommen sind Menschen, und das ist gut
so,
meint Ihr
Wolfgang Herrmann
Zu wenig Lohn, schlechte Unterkünfte und kein Gesundheitsschutz - Katholische ...
Dezember 2021

Friedrichshafen

Georgische Erntehelfer*innen kämpfen
um ihre Rechte
Beschäftigte und Hofbesitzer einigen sich nicht vor dem Arbeitsgericht
(Die Fortsetzung unserer Titelgeschichte des Rastplatz‘ September 2021)
(wl) Die Ernethelfer*innen eines Erd-      nicht befolgt. Richtig ist, dass sie nach   kaum Lohn bekamen. Beeindruckend
beerhofes in der Nähe von Friedrichs-      vier Wochen Arbeit einen Tag streikten,     dennoch der Wille und die Stärke der
hafen geben nicht klein bei. Mit           weil sie bis dahin nur 50 Euro bekamen      georgischen Kolleg*innen, die nicht auf-
Unterstützung von Margarete                und die Unterkünfte katastrophal            geben.
Brugger von der Beratungsstelle            waren.                                      Um sie in ihrem Kampf zu unterstützen,
mira-Mit RECHT bei der ARBEIT              Doch die Erntehelfer*innen geben nicht      hat mira ein Spendenkonto eingerich-
haben sie nach ihrer Rückkehr Klage        auf. Sie halten ihre Klage aufrecht, so     tet. Mit dem Geld sollen die anfallenden
vor dem Arbeitsgericht Friedrichs-         dass es im Frühjahr zum Arbeitsge-          Kosten für Übersetzungen, Dolmetscher
hafen eingereicht. Zwischenzeitlich        richtsprozess kommen wird. Aus der          vor Ge-richt und evtl. Flugkosten oder
hat ein Gütetermin stattgefunden, bei      Ferne und online übertragen. Das große      Online-Übertragungen übernommen
dem die Richterin einen Vergleich          Problem stellt jedoch die Finanzierung      werden. Es geht bei der Unterstützung
vorschlug, der von beiden Seiten aber      des Prozesses dar. Die Gewerkschaft IG      auch um ein starkes Zeichen gegen aus-
abgelehnt wurde.                           BAU übernimmt die Rechtsvertretung,         beuterische Arbeitsbedingungen und
Die Erntehelfer*innen sollten statt der    die Kosten für Dolmetscher und Online-      der Botschaft, dass skandalöse Verhält-
eingeklagten 2000 Euro ein Ersatz von      Übertragungen können jedoch nicht           nisse auf deutschen Äckern nicht mehr
400 Euro erhalten, was sie jedoch ab-      übernommen werden. Für die Beschäf-         hingenommen werden.
lehnten. Auch der Landwirt lehnte ab,      tigten ist eine Finanzierung nicht leist-
denn er versuchte die Opfer zu Tätern zu   bar, zumal manche Erntehelfer*innen
machen, indem er ihnen vorwarf, sie        mit Schulden nach Georgien zurückge-        Wer die Erntehelfer*innen unter-
wären zur Arbeit gar nicht bereit          kehrt sind, weil sie den Flug selbst        stützen möchte, findet weitere Infor-
gewesen und hätten seine Anweisungen       bezahlen mussten und für ihre Arbeit        mationen über diesen QR-Code:

                                                                                                      Georgische Erntehelfer*innen
                                                                                                      klagen um gerechten Lohn für
                                                                                                      ihre Arbeit. (Bildmitte Be-
                                                                                                      triebsseelsorger Werner
                                                                                                      Langenbacher)
                                                                                                      Foto: Langenbacher
Zu wenig Lohn, schlechte Unterkünfte und kein Gesundheitsschutz - Katholische ...
Dezember 2021

                                                                                                          Die Mitarbeiter*innen
                                                                                                          des real-Marktes in
                                                                                                          Tuttlingen;
                                                                                                          Foto: Thomas Maile

Tuttlingen

real.- Einmal hin,
für Mitarbeiter*innen nichts mehr drin!
Ende April 2022 ist Schluss bei real-Tuttlingen
(bs) Ein Bericht von Beate Scholz,        30. April 2022 wieder eine Stelle finden.   Alter von 61 Jahren überhaupt noch eine
Betriebsratsvorsitzende im real-          Es gibt auch schon positive Signale.       Anstellung bekommen würde.
Markt Tuttlingen:                         Einige umliegende Märkte/Unter-            Auf unserer Betriebsversammlung am
„Im letzten Rastplatz konntet ihr         nehmen haben erklärt, dass sie Verstär-    9. November 2021, die erstmals bei
lesen, wie es aktuell um die Zukunft      kung bräuchten. Auch die Kolleg*innen,     geschlossenem Markt während der Öff-
der Mitarbeiter*innen der real Märk-      die regelmäßig am Betriebsrätestamm-       nungszeit stattfand, haben wir vom
te in Deutschland, und speziell bei       tisch der Betriebsseelsorge teilnehmen,    Betriebsrat unseren Kolleg*innen mit
uns in Tuttlingen, bestellt ist.          versorgen uns laufend mit Stellenaus-      kompetenter Unterstützung von Be-
Was damals noch eine Vorahnung war,       schreibungen aus deren Betrieben.          triebsseelsorger Thomas Maile, DGB-Se-
hat sich zum 7. September 2021 leider     Soviel Solidarität und Zusammenhalt        kretär Hans-Peter Menger und Markus
bewahrheitet: Unser Markt wird spätes-    hat uns doch glatt die Freudentränen in    Klemt von der Gewerkschaft ver.di die
tens zum 30. April 2022 geschlossen.      die Augen getrieben.                       ganzen Auswirkungen von Kündigung,
Dass Kaufland den Standort Tuttlingen      Einige Erfolge konnten wir auch schon      Sozialplan und Interessenausgleich
übernimmt, die bestehenden Gebäude        erzielen:                                  erklärt, und konnten hoffentlich auch
abreißt und in ca. 17-monatiger Bauzeit   Wir vom Betriebsrat haben uns dafür ein-   ein bisschen die Angst vor dem, was jetzt
einen supertollen neuen Markt hinbaut,    gesetzt, dass unsere Auszubildende zu      auf uns zu kommt, nehmen.
konnten wir dann fünf Wochen später       REWE wechseln kann, um dort ihre           Dafür ein herzliches Dankeschön an die
der Presse entnehmen. Wir waren es        Ausbildung fortzusetzen. Außerdem          drei. Sie mussten nämlich zusammen
nicht wert, dass man uns darüber infor-   konnte ich der guten Seele unseres Mark-   mit uns ganz schön frieren, da unsere
miert. Wir scheinen denen da oben egal    tes, unserer langjährigen Putzfrau, die    Heizung im Verkaufsmarkt seit Früh-
zu sein. Was zählt da schon, dass wir     über einen Dienstleister bei uns be-       jahr defekt ist, und gerade erst an einer
über viele, viele Jahre hinweg für real   schäftigt ist, eine Festanstellung bei     Lösung für die bevorstehenden Winter-
tagtäglich geschuftet und gerackert       einem Dienstleister, der für die Stadt     monate gebastelt wird. Getreu dem
haben.                                    tätig ist, vermitteln. Sie machte sich     Motto: real.- Einmal hin, für Mitarbei-
Wir alle hoffen aber, dass wir nach dem   schon große Sorgen, ob sie in ihrem        ter*innen nichts mehr drin!
Zu wenig Lohn, schlechte Unterkünfte und kein Gesundheitsschutz - Katholische ...
Dezember 2021

Ulm

Gegen Menschenhandel
und Kinderarbeit
Betriebsseelsorgerin Susanne Hirschberger stellt bei bei
europäischer Tagung die Situation in Deutschland dar
(sh) Die Bekämpfung von Zwangsar-          Deutschland ist zu „Mindestlöhnen“           schüssen nicht zum Thema gemacht
beit, moderner Sklaverei und Men-          kein auskömmliches Leben möglich.            wird, obwohl die Realität der kriminali-
schenhandel ist das Entwicklungsziel       Ohne sogenannte aufstockende Lei-            sierten Kinderarbeit in Europa präsent
8.7 der UN-Agenda für nachhaltige          stungen können Arbeitnehmer*innen            ist. Die Kollegen aus Rumänien und Bul-
Entwicklung 2030. Beim Seminar             im Mindestlohnsektor nur schwer am           garien berichten von der größten Quelle
des Europäischen Zentrums für              gesellschaftlichen Leben teilhaben.          des europäischen Menschenhandels.
Arbeitnehmerfragen EZA wurde zum           Immer weniger Betriebe sind tarifge-         Die fehlenden abgewanderten Arbeits-
Thema sensibilisiert und Handlungs-        bunden.                                      kräfte befördern die Kinderarbeit in
vorschläge beraten. In der globalen                                                     ihrem Land, genauso wie die illegale
                                           Diese Realität ist ähnlich in vielen euro-
„Allianz 8.7“ wird das Ziel einer voll-                                                 Beschäftigung.
                                           päischen Ländern und führt dazu, dass
ständigen Bestandsaufnahme und
einer nationalen Strategie verfolgt,       Arbeitskräfte u.a. aus Osteuropa in          Ein ehemaliger Personalleiter eines glo-
um 2025 weltweit Kinderarbeit abzu-        vielen Bereichen eingesetzt werden.          balen Unternehmens fordert die Be-
schaffen.                                  Pflege, Landwirtschaft, Schlachthöfe,         triebsrät*innen auf, der Stachel im
                                           Gastronomie, Logistik. Um Missstände,        Fleisch zu sein, nachzufragen, inwieweit
Nationale Berichte bilden die Grundlage
                                           die dadurch entstehen, zu beheben,           ihr Unternehmen Kinderarbeit und Men-
der Tagung. Jedes fünfte Kind in
                                           müssen die Nationen wie auch die Euro-       schenhandel durch ihre Aktivitäten
Deutschland ist armutsgefährdet,
dadurch leiden die Bildungschancen         päische Union Standards definieren und        unterstützt. Dadurch bekomme die The-
von Kindern. Die Armut ist weiblich,       kontrollieren.                               matik Öffentlichkeit.
Frauen führen die Statistik in den         Ein erster Erfolg in Deutschland ist das     Die Verantwortung in der Mitbestim-
unteren Lohngruppen an und verdienen       Lieferkettengesetz, welches in diesem        mung wahrnehmen heißt, für men-
18 % weniger als Männer. Besonders         Jahr in Kraft getreten ist. Ein ehemaliger   schenwürdige Arbeit einzutreten. Des-
betroffen sind Alleinerziehende und aus-   EU-Parlamentarier aus Belgien stellte        halb ist dieses Engagement von großer
ländische Arbeitnehmer*innen. In           fest, dass Kinderarbeit in den Aus-          internationaler Bedeutung.

                                                                                                Susanne Hirschberger
                                                                                                (Bildmitte) bei Ihrem
                                                                                                Vortrag. Rechts von ihr
                                                                                                Joseph Thouvenel, Bundes-
                                                                                                geschäftsführer der CFTC
                                                                                                (Französischer Bund christli-
                                                                                                cher Arbeiter), links im
                                                                                                Vordergrund Sigrid Schraml,
                                                                                                Generalsekretärin des EZA.
                                                                                                Foto: Rainer Rißmayer

                                                                                                Reinklicken!
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Zu wenig Lohn, schlechte Unterkünfte und kein Gesundheitsschutz - Katholische ...
Dezember 2021

Aus den Dienststellen
Tuttlingen

Ketten sprengen mit einem Bolzenschneider
Oasentag für Betriebs- und Personalrät*innen auf dem Berg
(tm) Auch in diesem Jahr folgten über
30 gewählte Arbeitnehmervertre-
ter*innen aus Wirtschaft, Kirche und
Öffentlichem Dienst der Einladung
der Betriebsseelsorge zu einem Oa-
sentag auf den Berg. Thomas Maile,
der Tuttlinger Betriebsseelsorger
hieß die Frauen und Männer im
großen Pilgersaal willkommen und
lud sie ein, über ihre Arbeit nachzu-
denken, sich auszutauschen, einan-
der Mut zu machen und aufzutanken.
In der Mitte des Saales lag eine schwere
Kette auf dem Boden – zum Zeichen
dafür, in welche Zwänge jene hineinge-
raten, die für die Interessen der ab-
hängig Beschäftigten eintreten. Ein        Die Kette der Ausbeutung kann mit dem Bolzenschneider der Solidarität gesprengt werden. Foto: T. Maile
enormer Arbeits- und Termindruck
mache immer mehr zu schaffen. Ein-         und könne sich nicht einfach wegdu-                   Wie können wir Ketten sprengen? Ihre
schüchterung, Launen und Machtspiel-       cken, wenn Arbeitsplätze verlagert oder               Zettel mit vielen praktischen Vorschlä-
chen der Vorgesetzten verschärften         vernichtet würden. „Gute Arbeit“ sei                  gen hefteten die Teilnehmer*innen an
noch die Spannungen. Auch unsolidari-      entscheidend für Wohl und Wehe                        eine lange Kette der Freundschaft an.
sches Verhalten der Beschäftigten          ganzer Regionen. Auch die Kirchen                     Sie wollen den Menschen am Arbeits-
selbst verderbe das Betriebsklima. Über    seien gefordert, denn sie bekennen den                platz zuhören, ihnen Zeit schenken, für
allem aber hinge wie ein Damokles-         Gott der Bibel, der sein Volk Israel aus              sie da sein. Sie können ihnen den
schwert die Angst vor dem Verlust des      der Arbeits-Sklaverei Ägyptens heraus-                Rücken stärken, Konflikte deeskalieren
Arbeitsplatzes. Mit Empörung nahmen        geführt habe.                                         und immer wieder Mut zusprechen.
die Anwesenden zur Kenntnis, dass          Aber wie schafft man im alltäglichen                  Wenn es gelingt, das „Wir-Gefühl“ zu
Smith & Nephew sein Tuttlinger Werk        Betrieb Gegenmacht und Solidarität?                   stärken, sei Solidarität zu erzielen.
grundlos schließen und 230 Menschen
freisetzen wolle.
Paul Schobel führte den Teilnehmer*in-
nen einen Bolzenschneider vor Augen –
Symbol für die Arbeit der Interessenver-
tretung im Betrieb. Da käme es an erster
Stelle auf eine scharfe Schneide an. Er
meinte damit eine klare Analyse der
Machtverhältnisse, die notwendigen
Kenntnisse der Rechtslage, den „schar-
fen Schliff“ in der Beurteilung wirt-
schaftlicher Vorgänge. Daran müsse
man unermüdlich arbeiten und schlei-
fen. Allerdings nütze eine einzige
scharfe Klinge gar nichts. Eine zweite,
nicht weniger scharf, müsse – durch ein
starkes Gelenk verbunden – zum Einsatz
kommen. Das sei die Solidarität der
Beschäftigten, koordiniert und organi-
siert durch die Gewerkschaften. Ein Bol-
zenschneider brauche aber auch starke
Holme, um ausreichende Hebelwirkung
zu erzielen. Hier müssten Bündnispart-
ner mit anfassen, wie etwa die Politik     Eine bunte Truppe aus Ravensburg und Aalen fand sich für drei Tage in Langenargen ein.
Sie sei dem Gemeinwohl verpflichtet.        Foto: Werner Langenbacher (Artikel Seite 7, unten)
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Dezember 2021

Stuttgart

Betriebsseelsorge
Stuttgart aufpoliert
Alte Räume in neuem Glanz laden ein
(mg) Es sieht aus wie in einem Trümmerfeld. Die
Deckenverkleidung ist runtergerissen, Putzbrocken
liegen auf dem Boden und alles ist mit einer Staub-
schicht überzogen. So war der Eindruck während der
Renovierung der Betriebsseelsorge in Stuttgart. Die                                             Aus alt mach neu: der Bespre-
                                                                                                chungsraum (von oben nach
Räume befinden sich im Erdgeschoss eines Innenstadt-                                             unten): vorher, Bauphase und neu:
wohnhauses. Darüber liegen drei Etagen mit Wohnun-                                              freundlich und einladend.
gen. Mit dem Start des neuen Betriebsseelsorgers                                                Fotos: Michael Görg
Michael Görg im Jahr 2020 gab es Überlegungen zu
einigen kleineren Renovierungsarbeiten. Bei der Bege-
hung durch eine Architektin des Stadtdekanats der
katholischen Kirche in Stuttgart wurden allerdings
einige gravierende Baumängel festgestellt. Zwei alte
Wasserschäden, abgelöste Bodenfliesen und Feuchtig-
keit waren nur einige der Themen. Damit wurde aus
den bescheidenen Wünschen zur Renovierung eine
Baumaßnahme von acht Wochen. Da durch die Corona-
beschränkungen sowieso keine größeren Veranstal-
tungen und Treffen in den eher kleinen Räumen mög-
lich waren, hat es sich angeboten, die Baumaßnahmen
im Frühjahr 2021 anzugehen. Jetzt erstrahlt die Ein-
richtung wieder im neuen Glanz und die Räume sind
auf aktuellem Stand und sehr einladend gestaltet. Auch
die Besucher des Erwerbslosenkreises in der Betriebs-
seelsorge Stuttgart freuen sich schon auf Veranstal-
tungen und einen Neustart ihres Mittwochstreffs.

Langenargen

Seeluft schnuppern – Gemeinschaft erleben
Arbeitslosentreffs aus Ravensburg und Aalen am Bodensee
(wl) Zeit zu verbringen an einem der       Jahre nicht mehr gesehen) ging es raus   ist ohne Zeppelin nicht denkbar. Ein
schönsten Urlaubsorte Deutschlands,        in den Ort, um Seeluft zu schnuppern     Besuch im Zeppelinmuseum mit Kunst-
Gemeinschaft zu erleben, Neues zu          und die Sehenswürdigkeiten zu erkun-     museum war das Highlight des dritten
erforschen und Natur zu entdecken –        den. Nach einem Abendimpuls gab es       Tages. Das spätherbstliche Sonnen-
all das konnten die Teilnehmenden          Matchduelle beim Tischtennisspiel oder   wetter lud zum Bummeln und Ver-
der Arbeitslosentreffs aus Ravens-         bei Gesellschaftsspielen.                weilen in den Uferanlagen ein, bevor es
burg und Aalen erfahren.                   Der zweite Tag stand ganz im Zeichen     spätnachmittags dann am Bahnhof
Ein großes Hallo erschallte auf dem        der Natur, denn die Landesgartenschau    hieß: „Alle einsteigen“ – die Heimat war-
Bahnhof Langenargen, als die Gruppe        in Überlingen wurde besucht. Beindru-    tet. Drei gelungene Tage mit nachhal-
aus Aalen in dem Bodenseeort ankam.        ckend die Seekulisse in Harmonie mit     tigen Erlebnissen als Gemeinschaft, aber
Quartier wurde im Familienferiendorf       der Blumenpracht. Nach der abendli-      auch mit Wehmut, ob wir uns nächstes
bezogen, ein Glücksfall, da es Gemein-     chen Ausstauschrunde ging es um alle     Jahr wiedersehen.
schaftsräume und gemeinsame Mahl-          Neune oder stoß die Kugel: Kegeln und    Foto Seite 6, unten rechts
zeiten gab. Nach einer ersten Vorstell-    Billiard waren angesagt.
und Erzählrunde (man hatte sich ja zwei    Die Geschichte der Bodenseeregion
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Dezember 2021

Biberach

Ausschnitte
aus der Arbeit der Betriebsseelsorge Biberach

                                                                                                                                   Links: Jugendli-
                                                                                                                                   che spannen vor
                                                                                                                                   der Stadthalle ein
                                                                                                                                   buntes Schwung-
                                                                                                                                   tuch aus. Foto:
                                                                                                                                   BS Biberach

                                                                                                                                   Rechts:
                                                                                                                                   Markus Köder,
                                                                                                                                   Antje Trosien,
                                                                                                                                   Hermine Burger
                                                                                                                                   und Gisela
                                                                                                                                   Gretschel start-
                                                                                                                                   klar zum Vertei-
                                                                                                                                   len der Brezeln
                                                                                                                                   und Renteninfos.
                                                                                                                                   Foto privat

(hb) „Biberach bleibt bunt!“               Personal an seine Grenzen.                             Betriebsseelsorge an das Pflegepersonal
Betriebsseelsorge unterstützt Pro-         Die Betriebsseelsorge hat dem Betriebs-                übergeben. Wer ein entlastendes Ge-
testkundgebung gegen AfD                   ratsvorsitzenden Norman Christein 700                  spräch braucht, kann sich so jederzeit
Das Bündnis für Toleranz und Demo-         Müsli-Riegel mit den Kontaktdaten der                  an die Betriebsseelsorge wenden.
kratie hat am 15. September zu einer
Kundgebung gegen den Wahlkampfauf-
tritt der AfD in der Stadthalle aufgeru-
fen. Rund 200 vorwiegend junge Men-        Aalen
schen warben für ein offenes, tolerantes
und buntes Biberach, in dem kein Platz
für Hass, Ausgrenzung und Diskriminie-
rung ist!
                                           Braucht Baden-Württemberg
„ECHT GERECHT: Die gesetzliche
Rente stärken!“
                                           ein Arbeitslosenparlament ?
Beim Pendleraktionstag des DBG
In den frühen Morgenstunden des 21.        Impulse aus den östlichen Bundesländern
September wurden vom DGB und der
Betriebsseelsorge am Bahnhof in Biber-
ach Informationen zum Thema Rente,
zusammen mit frischen Brezeln, an
rund 200 Pendler verteilt, um auf das
sinkende Rentenniveau bei steigendem
Beitragssatz aufmerksam zu machen.
Dies trifft besonders Menschen mit
geringem Lohn, da diese für die gleiche
Rente besonders viele Jahre zusätzlich
arbeiten müssen. Rentenkürzungen
belasten auch die jungen Menschen, da
sie das sinkende Rentenniveau durch pri-
vate Vorsorge ausgleichen sollen.
„Kraft durch Zuversicht“
Zu Besuch in der neuen Sana-Klinik
Seit Mitte September ist das neue Kli-
nikum in Biberach, in dem über 600 Pfle-
gekräfte arbeiten, in Betrieb. Doch auch   Die Teilnehmenden besuchten die Thüringer Arbeitsloseninitiative Soziale Arbeit e.V.;
hier bringt der Pflegenotstand das          Foto: SubKULTan, Betriebsseelsorge Aalen, Artikel Seite 9, links oben
Zu wenig Lohn, schlechte Unterkünfte und kein Gesundheitsschutz - Katholische ...
Dezember 2021

Fortsetzung von Seite 8, links unten         Aalen
(mj) Im Oktober nahm Martin Jahn,
Koordinator von SubKULTan Aalen,
an einem Seminarworkshop mit dem
Thema "Deutschland einig Arbeits-
                                             „Auf diese Idee bin ich noch
land? Corona als sozialer Sprengstoff
im Jahre 30 der Einheit" in Erfurt teil.
Von den 20 Teilnehmenden war er
                                             gar nicht gekommen!“
der einzige Teilnehmer aus dem
Süden Deutschlands. Gleich bei der
Ankunft im zentral gelegenen Bil-
dungshaus St. Ursula und der darauf-
folgenden Stadtführung wurde deut-
lich, dass Erfurt eine der schönsten
Städte in Deutschland ist.
Doch die Tagung diente nicht touristi-
schen Zwecken, sondern es sollte etwas
über die Situation der Arbeitslosen vor
Ort und ganz besonders über das
Arbeitslosenparlament erfahren wer-
den, welches es außer in Thüringen nur
noch in Mecklenburg-Vorpommern
gibt. Zu diesem Zweck fanden sich die
Teilnehmenden bei TALISA (Thüringer
Arbeitsloseninitiative Soziale Arbeit
e. V.) ein. Über die umfangreiche Arbeit
des Vereins wurden sie von den Grün-
dungsmitgliedern von TALISA aufge-           Gedankenenge – wenn die Kraft ausgeht; Foto Karolina Tomanek
klärt. In den Räumen befinden sich ein
Tafelladen, eine Werkstatt, eine Küche       Sternstunden in der Selbsthilfegruppe
sowie eine Nähstube. Dass dies früher
eine große Halle war, sieht man dem          (kt) Paul* kommt regelmäßig in die                 kann seine Zuversicht nicht vermitteln
Ganzen nicht mehr an. All dies hatten        Burnout-Selbsthilfegruppe. Er hört                 und „flieht“ aus der Situation. Der
die TALISA-Leute in Eigenregie bewäl-        gern zu, erzählt auch mal etwas. Er ist            eigentlich kleine Konflikt saugt alle
tigt. Es fiel auf, dass die Erwerbslosen      sehr reflektiert, sehr sensibel mit                 Energie aus ihm und er muss sich für den
aktiver am Geschehen beteiligt sind und      sich und anderen, er achtet auf sich.              nächsten Tag krankmelden.
mehr Initiative zeigen. Das mag daran        Paul hat schon mehrere Reha-Maß-                   Burnout zeigt sich auf verschiedene
liegen, dass Erwerbslose hier nicht nur      nahmen aufgrund von Burnout                        Weise. Oft reichen schon kleine Trigger
auf die Rolle des Bedürftigen reduziert      hinter sich. Er geht regelmäßig zur                aus, um in ein schwarzes Loch zu fallen,
werden, wie es im Westen oft der Fall ist.   Therapeutin, führt eine Burnout-                   in dem man keine Kraft mehr hat und
Dazu trägt auch eine Einrichtung wie         Ampel.                                             das ursprünglich Gute nicht mehr sehen
das Thüringer Arbeitslosenparlament          Im Grunde ist Paul enttäuscht von                  kann. Alle Gedanken drehen sich nur
bei. Hier kommen zwei Mal im Jahr etwa       seinem Arbeitgeber. Gut gemeinte Ver-              noch um das Versagen. „Das wird
170 Erwerbslose aus allen Teilen des Thü-    änderungen „Wohlfühlmanagements“                   wieder nichts!“ „Die Umstrukturierung
ringer Landes im Landesparlament mit         stellten sich als oberflächliche Stillhal-          war ein Fehler!“ „Alles bleibt wie
Parlamentarier*innen und den dafür           te-Taktik heraus. Paul erwartet eigent-            immer!“ „Ich halte das nicht mehr aus!“
zugehörigen Minister*innen zusam-            lich nichts Positives mehr, seine Arbeit           In dieses Gedanken-Karussell hinein
men, um ihre Sorgen, Nöte, aber auch         empfindet er als „vollkommen sinn-                  stellt Johann*, ein anderer Gruppenteil-
Lösungsvorschläge vorzubringen. Wei-         entleert“.                                         nehmer, eine Frage: „Vielleicht braucht
tere Höhepunkte waren der Besuch des         Bei unserer letzten Sitzung hatte er Zeit          das Ganze einfach Zeit und wird am
Landesparlamentes und Reise mit der          und Raum zu erzählen. Es geht ihm                  Ende doch gut? Wäre doch möglich?“
Tram an die Außenbezirke von Erfurt.         aktuell nicht gut. Die Woche hat super             „Auf diese Idee bin ich noch nicht
Alle Teilnehmer*innen waren abschlie-        angefangen. Die Firma wurde (wieder)               gekommen!“ gibt Paul zu und lächelt
ßend der Meinung, dass solche Veran-         umstrukturiert, das bringt natürlich               erleichtert. Zum ersten Mal an diesem
staltungen verbindend, informativ und        erstmal Chaos rein, aber Paul findet die            Abend.
unbedingt notwendig sind. Es bleibt zu       Idee dahinter diesmal ganz gut. Er ist             Das sind diese wertvollen Momente in
hoffen, dass diese Workshops, die von        guter Dinge und hofft, die Kolleg*innen            den Zusammenkünften: Eine Idee, eine
der Diözese Mainz organisiert werden,        machen mit. Mit ganzer Energie stellt er           Frage oder Anregung von außen. Ein
weiterhin erhalten bleiben und eine stär-    sich den skeptischen Fragen der älteren            kleiner Denkanstoß, der die Beteiligten
kere Beteiligung des Südens möglich ist.     Beschäftigten. Diese können aber nicht             aus der Gedankenenge herausbringt. Sei
Informationen unter:                         ganz mitgehen, sind nicht überzeugt                es auch nur für diesen einen Abend.
https://www.talisa.net                       und Paul hat das Gefühl zu scheitern. Er           *Namen geändert.
Zu wenig Lohn, schlechte Unterkünfte und kein Gesundheitsschutz - Katholische ...
Dezember 2021

Aus der Bündnisarbeit der Betriebsseelsorge
KAB - Diözese

Kleider machen Leute – und dazu noch
Geld für Projekte
KAB Gruppe verkauft neue Ware und unterstützt Uganda
(ih/eb) Die Aktion Hoffnung, ein Alt-
kleider-Sammelprojekt, bekam von
verschiedenen Modehäusern neue
Kleidung, welche durch die Corona-
zeit nicht verkauft werden konnten.
Diese Kleiderspende konnte für gute
Zwecke verkauft werden, was die
KAB-Gruppe Pfullingen aufgriff.
Irmtraud Hagel und Ernst Bodenmüller,
die Hauptverantwortlichen für diese
Aktion, waren sich schnell einig, dass
der Verkauf eine Woche lang im Ge-
meindehaus durchgeführt werden soll.
Der Aufwand für Aufbau und Abbau
wären bei nur zwei Tagen Verkauf der-
selbe. Einmal alles ausgepackt und
arrangiert, konnte es so liegen bleiben.
Allerdings wurde es jeden Tag noch opti-
miert: noch zwei Spiegel mehr, noch ein
Kleiderständer mehr, zusätzliches
Anbauen mit Stangen usw. Viele Käufe-
rinnen (Käufer gab es weniger) kamen
mehrmals oder haben Nachbarinnen             Der Verkauf neuer Ware bringt Spenden für KAB-Uganda-Projekte; Foto (KAB DRS)
und Freundinnen geschickt, nachdem
sie sahen, was für ein gutes Angebot es
gab. Marken wie S.Oliver, Betty Barclay,
Gerry Weber, Street One und andere           KAB
waren vertreten und das sprach sich
herum. Erfolgreich war die Aktion auch
dank der vielen Helfer*innen, die eine
Woche lang angepackt haben.
                                             Utopie Camp –
Am Samstag wurde gezählt und es kam
ein stolzer Gesamtumsatz von nahezu          L(i)ebenswertes Ravensburg
20.000 € bei 676 verkauften Teilen
zusammen. Und nebenbei wurden                Wachstum kreativ (neu)denken
noch drei „Bildungsaktionäre“ für die
Schulen in unserer Partnergemeinde           (ah) Im August luden Dr. Anja Hir-                  haltigkeitswissenschaftlerin, Prof. Dr.
Butema gewonnen. Die Hälfte des              scher (KAB) und Robert Klauer (Kapu-                Maja Göpel, und der Philosoph Richard
Umsatzes erhält die KAB für das Ugan-        ziner Kreativzentrum) Interessierte                 David Precht eingeladen hatten. Das
da-Projekt, die andere Hälfte geht an die    ins Kapuziner Kreativzentrum ein,                   Ganze wurde dezentral von der Leu-
Aktion Hoffnung, die damit u.a. eine cari-   um sich im Rahmen eines zweitägi-                   phana Universität Lüneburg organi-
tative Suppenküche in Georgien unter-        gen Utopie Camps mit der Frage                      siert. Mit einem spannenden Auftakt
stützt.                                      zu beschäftigen: Wie kann utopi-                    startete die Utopie Konferenz bereits
Eine gute Woche mit vielen netten            sches Denken über Wohlstand und                     am Abend des 23. August mit einem digi-
Begegnungen und alles für einen guten        Wachstum unsere Visionen für ein                    talen Impuls via Zoom aus dem Utopie
Zweck, was will man mehr!                    L(i)ebenswertes Ravensburg 2030+                    Studio in Lüneburg. Am nächsten Tag
Hier kann die Liste der angebotenen          verändern?                                          ging es dann direkt vor Ort im Utopie
Modemärkte eingesehen werden, die            Das Utopie Camp war Teil einer europa-              Camp Ravensburg mit einer kurzen Vor-
sich ständig erweitert:                      weiten Utopie Konferenz, zu welcher                 stellungsrunde der acht Teilnehmenden
www.aktion-hoffnung.org/news.html            die bekannte Politökonomin und Nach-                weiter Seite 11 oben links
Dezember 2021

                                                netzwerk arbeitSwelt, Göppingen

Fortsetzung von Seite 10 unten rechts
los. Die insgesamt 125 lokalen Camps            Beschäftigte am Limit
folgten alle einem ähnlichen Ablauf von
digitalen Impulsen aus dem Utopie               Politisches Nachtgebet im Oktober in Geislingen
Studio z. B. mit Carola Rackete, Hartmut
Rosa, Eckart von Hirschhausen, Anna-
Nicole Heinrich, Diana Kinnert, Harald
Welzer und vielen weiteren Gästen.
Zusätzlich gab es zahlreiche kreative
Workshops, angeleitet durch ein Kar-
tendeck, welches von der Leuphana Uni-
versität zur Verfügung gestellt wurde.
Gemeinsam wurde u.a. an den folgenden
Themen gearbeitet:
Ÿ Erweiterte Teilhabe durch Vereine
   und Genossenschaften
Ÿ Neue Wohnformen (Quartier mit
   kurzen Wegen, nachhaltigen Baustof-
   fen, regenerative Energien).
Ÿ Ganzheitliche und kollektive Versor-
   gung (Solidarische Landwirtschaft,
   pflanzliche Ernährung)
Ÿ Arbeit neu gedacht (Tätigkeitsmodell,
   Zeitwohlstand)
In den zwei Tagen bildete die sehr
diverse Gruppe des Utopie Camps                 Die Situation der im Einzelhandel Beschäftigten stand im Zentrum des Politischen Nachtgebets.
Ravensburg ein konstruktiv arbeitendes          Foto: Ákos Csernai-Weimer
Team, welches sich zum Ziel gesetzt hat,
in der Region um Ravensburg Ansätze             (nk) Das politische Nachtgebet im                    durch prekäre Beschäftigungen, zuneh-
zu ganzheitlich gedachtem Lebensraum            Dekanat Göppingen-Geislingen hat                     menden Leistungsdruck und unter-
voranzutreiben. Als Ergebnis und ange-          eine lange Tradition. Es nimmt ernst,                tarifliche Bezahlung. Dringend not-
strebtes Ziel wurde eine Utopie formu-          dass das Eintreten für Solidarität und               wendig sind neben ordentlicher Bezah-
liert, welche Anja Hirscher auf Einla-          Gerechtigkeit unabdingbar zur                        lung eine Wertschätzung für gute
dung des Baubürgermeisters der Stadt            Bezeugung des Evangeliums gehört                     Arbeit, für Tätigkeiten, die systemrele-
Ravensburg dort vorstellen wird.                und im Gottesdienst nicht nur der                    vant sind. Darüber hinaus wurde das
                                                Choral, sondern auch der Schrei der                  Thema „Beschäftigte am Limit“ ausge-
                                                Menschen seinen Platz haben muss.                    dehnt auf viele Bereiche der Beschäftig-
Ravensburger LebensRaum als Blaupause für ein
utopisches Ideal; Foto: Anja Hirscher           Aus dem Zusammenlesen von Bibel                      ten und dem Erleben „am Limit zu sein“.
                                                und Zeitung erwächst die Spiritua-                   Als notwendige Schritte wurden die
                                                lität der Betriebsseelsorge und der                  Wichtigkeit der Vertretung der Arbeit-
                                                KAB, ihre Art zu sehen, zu urteilen                  nehmer*innen durch Betriebsräte und
                                                und zu handeln.                                      Gewerkschaften, aber auch das kon-
                                                Das Politische Nachtgebet im Oktober                 krete Tun jedes Einzelnen benannt. Mit
                                                stand unter dem Thema „Beschäftigte                  Gebeten und Bitten – gestaltet und vor-
                                                am Limit“. Ausgehend von biblischen                  getragen durch KAB-Mitglieder – wur-
                                                Texten des Jakobusbriefes und am Bei-                den die betroffenen Kolleg*innen ins
                                                spiel des Einzelhandels nahmen die                   Gebet genommen. Der Gottesdienst
                                                Diakone Josef Putz und Norbert Kön-                  wurde musikalisch begleitet von der
                                                geter die Situation der Beschäftigten auf            Band „invite!“ der Katholischen Ge-
                                                und verwiesen auf die schwierige Lage                samtkirchengemeinde Geislingen, die
                                                der Kolleg*innen im Einzelhandel, nicht              die inhaltliche Botschaft ergänzte. Im
                                                zuletzt durch die Ausdehnung der                     Anschluss daran standen die Teilneh-
                                                Ladenöffnungszeiten, Corona-Regeln                   menden des Politischen Nachtgebets in
                                                und Hamsterkäufe. In den Gängen vieler               lockerer Runde bei Getränken und Ge-
                                                Märkte ist es fast unmöglich, Sicher-                bäck „corona-gerecht“ zum Austausch
                                                heitsabstände einzuhalten. Obwohl es                 zusammen – und werden Beschäftigte
                                                inzwischen Schutzvorrichtungen gibt,                 im Einzelhandel beim nächsten Einkauf
                                                sind Kassierer*innen dennoch einem                   vielleicht mit anderen Augen sehen und
                                                höheren Infektionsrisiko ausgesetzt.                 schätzen.
                                                Verschärft wird die Situation zum Teil
Dezember 2021

Personen
S 21

Beschäftigte unterstützen und Netzwerkarbeit
Stabübergabe im Beratungsangebot Faire Mobilität
(pm) Im Herbst haben sich Dragana           land entsandt. Oft ist Ausbeutung vor-            rung im Hinblick auf Netzwerkarbeit.
Bubulj und Sejla Vojic - Mitarbeite-        programmiert; in sehr seltenen Fällen             Wir hatten alle das Glück, dass wir eine
rinnen von Faire Mobilität Stuttgart -      schlittern die Arbeitnehmer*innen in              Übergangszeit hatten und so beide gut
in eine längere Elternzeit verabschie-      eine Scheinselbständigkeit. Wir neh-              einlernen konnten. Sehr wichtig ist uns
det. Peter Maile, Betriebsseelsorger        men auch wahr, dass es eine Verschie-             auch die Kooperation mit der Betriebs-
der Baustelle S21, hat zuvor mit            bung gen Westen gibt. Die Polen kom-              seelsorge und die Zusammenarbeit mit
ihnen gesprochen und stellt die             men z. B. nach Deutschland und Leute              der Beratungsstelle Mira. Und zu guter
neuen Kolleg*innen, die die Eltern-         aus der Ukraine gehen nach Polen. Und             Letzt das Dranbleiben an den Menschen,
zeitvertretung übernommen haben,            in Rumänien kommen die Arbeitskräfte              damit sie zu ihrem Recht kommen.
vor.                                        mittlerweile aus Nepal.                           Zum Schluss bleibt mir, euch beiden,
Peter: Dragana und Šejla, wie war es        Wir reden von der Stabübergabe. Was               Dragana und Šejla, für die sehr gute
denn damals als ihr gestartet seid und      gebt ihr den Neuen, Jovana und                    Zusammenarbeit danke zu sagen und
konntet ihr mit dem Begriff der             Adnan, mit auf den Weg?                           Euch, Jovana und Adnan einen guten
Fairen Mobilität etwas anfangen?            Die von uns in den letzten Jahren entwi-          Start zu wünschen. Als Geschenk will
Dragana und Šejla: Nicht so wirklich,       ckelten Strategien, die Beschäftigten zu          ich euch einen Helm mit auf den Weg
wohl aber hatten wir eine Vermutung.        unterstützen. Unsere langjährige Erfah-           geben. Seid behütet und beschützt.
Wir beschäftigten uns anfänglich mit
den Strukturen vom bundesweiten Bera-
tungsangebot der Fairen Mobilität,          Kurze Vorstellung der beiden „Neuen“
arbeits- und sozialrechtlichen Bera-
tungsthemen, häufigen Fallkonstella-
tionen und lernten die Partnerorganisa-
tionen kennen. Uns waren auch die Auf-
gaben von der Betriebsseelsorge nicht
wirklich bekannt.
Könntet ihr bitte in einem Satz euer
Kerngeschäft formulieren?
Wir beraten die Arbeitnehmer*innen
muttersprachlich zu den arbeits- und
sozialrechtlichen Themen und unter-
stützen sie bei der Durchsetzung ihrer
Rechte.                                           Marian Schirmer (m) mit Hedwig Blank und Helmut Bauer; Foto: Betriebsseelsorge Böblingen

Die Frage, die mich immer wieder
beschäftigt: Was denken die Men-
schen aus euren Heimatländern über
Deutschland?                                                                                                                  Foto: Peter Maile
Viele verbinden mit Deutschland ein         Adnan                                             Jovana
geregeltes und strukturiertes Land, wo      „Durch mein Studium der Internatio-               „Ich bin Juristin und bin bei der Fairen
die Arbeitnehmer*innen ihre Rechte          nalen Entwicklung habe ich einige Be-             Mobilität am Standort Stuttgart als Bera-
genießen und für ihre Arbeit fair bezahlt   rührungspunkte zum Thema Ungleich-                terin tätig. Zusammen mit meinen Kol-
werden. Aus diesem Grund sind sie           heit gehabt. Probleme, die dadurch                leg*innen berate ich mobile Beschäf-
weniger vorsichtig bzgl. der Arbeitszeit-   entstehen, bekomme ich direkt von den             tigte im Hinblick auf arbeits- und sozial-
dokumentation; sie gehen davon aus,         Ratsuchenden mit. Durch die viel-                 rechtliche Themen. Mein Studium habe
dass in Deutschland Ausbeutung nicht        schichtige Arbeit bei der Fairen Mobi-            ich in Bosnien-Herzegowina und Ser-
toleriert wird.                             lität habe ich die Möglichkeit erhalten,          bien absolviert und lebe seit einem Jahr
Welche Erfahrungen habt ihr mit             mein Wissen und meine Sprachkennt-                in Deutschland. Dadurch kann ich mich
Beschäftigten auf dem Bausektor             nisse einzusetzen. Für die Menschen da            gut in die Situation von unseren Ratsu-
gemacht?                                    zu sein und eine kompetente Beratung              chenden hineinversetzen und ihnen
Viele Baubeschäftigte aus Drittstaaten      anzubieten, bereitet mir große Freunde.           Tag für Tag weiterhelfen.“
arbeiten in Deutschland als Entsandte.      Geboren und aufgewachsen bin ich in
Die Kolleg*innen sind in Slowenien ge-      Deutschland als Kind von bosnisch-                www.faire-mobilitaet.de
meldet und werden dann nach Deutsch-        herzegowinischen Gastarbeitern.“
Dezember 2021

Böblingen

„Wertschätzender Umgang war immer wichtig“
Sprecherin der Arbeitergemeinde verabschiedet
                                                                                                Konflikt ausgetragen wurde, mehr be-
                                                                                                schäftigt als mir lieb war.
                                                                                                Was nimmst du nach all den Jahren
                                                                                                als Mitglied der Gemeindeleitung und
                                                                                                langjährige Sprecherin mit?
                                                                                                Ich durfte die Erfahrung machen, dass
                                                                                                wir in der Gemeindeleitung in unter-
                                                                                                schiedlichen Zusammensetzungen
                                                                                                immer einen wertschätzenden Umgang
                                                                                                miteinander gepflegt haben und trotz
                                                                                                unterschiedlicher Meinungen auch
                                                                                                ohne „Kampfabstimmungen“ zu kon-
                                                                                                struktiven Lösungen finden konnten.
                                                                                                Die Zusammenarbeit mit den Betriebs-
                                                                                                seelsorgern beider Konfessionen und
                                                                                                mit dem BABS – dem Leitungsgremium
                                                                                                der evangelischen Betriebsseelsorge -
                                                                                                und der Rückhalt aus der Arbeiterge-
                                                                                                meinde werde ich in guter Erinnerung
                                                                                                behalten.
Marian Schirmer (m) mit Hedwig Blank und Helmut Bauer; Foto: Betriebsseelsorge Böblingen        Gibt es eine Situation, an die du
                                                                                                besonders gerne zurückdenkst?
(ms) Hedwig Blank war seit 2004 Mit-                motivierte mich schließlich zur Kandi-
                                                                                                Oh je, ich verbinde mit der Betriebsseel-
glied in der Gemeindeleitung und seit               datur für die Gemeindeleitung. Walter
                                                                                                sorge so viele bereichernde und interes-
2006 Sprecherin für die Arbeiterge-                 Wedl kannte ich von unserer gemein-
                                                                                                sante Erfahrungen, dass es mir schwer
meinde. Dieses Jahr verlässt sie                    samen Zeit bei Hewlett-Packard. Es
                                                                                                fällt, die eine Situation zu benennen. Bil-
zusammen mit Helmut Bauer das Gre-                  waren also persönliche Freundschaften
                                                                                                dungsreisen, Wanderfreizeiten, Neu-
mium. Im Interview mit Betriebsseel-                als auch die Themen der betrieblichen
                                                                                                jahrsempfänge, Gemeindefeste und Got-
sorger Marian Schirmer blickt sie                   Interessenvertretung.
                                                                                                tesdienste waren und sind wichtige
nochmal auf ihre Zeit zurück.                       Was macht die Arbeitergemeinde für          Höhepunkte. Vielleicht kann ich beson-
Marian: Wie bist du damals zur                      dich aus?                                   ders die letzte Wanderung erwähnen,
Betriebsseelsorge und ins Arbeiter-                 In der Arbeitergemeinde ist Raum für        die ich zusammen mit Walter Wedl und
zentrum gekommen?                                   gelebtes Miteinander und Begegnungen        Rolf Schäfer im Monbachtal unter-
Hedwig: Wir sind 1986 wegen der Arbeit              über verschiedene Milieus hinweg – hier     nehmen durfte. Aber auch ein lang zu-
aus Münster in Westfalen nach Böb-                  kommen Arbeitslose, Überarbeitete,          rückliegender Ostergottesdienst mit
lingen gekommen. Nachdem wir im Stu-                Sozial-Benachteiligte und Privilegierte     Paul Schobel ist mir noch in lebhafter
dium in der Studentengemeinde aktiv                 zusammen und begegnen sich auf              Erinnerung, als eine Daimlerarbeiterin
waren, haben wir uns auch in Böblingen              Augenhöhe. Politisch und seelsorger-        von ihren Erfahrungen am Band berich-
nach einer kirchlichen Heimat umge-                 lich steht immer der Mensch und seine       tete.
sehen und sind dabei auf die Betriebs-              Bedürfnisse im Zentrum der Arbeit. Par-     Gibt es etwas, was du der neuen
seelsorge gestoßen.                                 teilichkeit für die, die durch unsere Art   Gemeindeleitung mit auf dem Weg
Was hat dich dazu bewogen, dich in                  den Wirtschaftsprozess zu organisieren      geben möchtest?
der Arbeitergemeinde und in der                     benachteiligt werden, ist selbstver-
                                                                                                Nein, die sind alle selber groß und brau-
Gemeindeleitung zu engagieren?                      ständlich.
                                                                                                chen meine guten Ratschläge nicht.
1999 wurde ich bei Agilent – einer Aus-             Welche Situation hat dich als Spre-         Aber ich wünsche dem neuen Gremium
gründung von Hewlett-Packard – in den               cherin besonders gefordert?                 viel Erfolg und eine glückliche Hand bei
Betriebsrat gewählt. Nachdem wir 2001               Die Auseinandersetzungen um das             den anstehenden Entscheidungen.
an Philips verkauft wurden, habe ich                Arbeiterzentrum, die in den letzten         Was du noch gerne sagen möchtest:
mich zunehmend auch dort in dem neu                 Jahren geführt wurden, war für mich
                                                                                                Danke, es war eine wunderbare Zeit!
gegründeten Betriebsrat engagiert und               eine Herausforderung. Auch wenn ich
                                                                                                Aber man soll ja aufhören, wenn es am
dabei die Unterstützung durch die                   als Vorsitzende von Betriebsrat und
                                                                                                schönsten ist. Ich bleibe euch erhalten
Betriebsseelsorge als hilfreich empfun-             Gesamtbetriebsrat bei Philips gewohnt
                                                                                                und werde mich sicher immer mal
den. Rolf Schäfer, der lange Jahre die              war, inhaltlich harte Interessenkon-
                                                                                                wieder in der Arbeitergemeinde sehen
Betriebsseelsorge als Sprecher der                  flikte zu bewältigen, so hat mich doch
                                                                                                lassen.
Gemeindeleitung mit geprägt hat,                    der Stil, wie dieser innerkirchliche
Dezember 2021

Diözese

Menschen arbeiten hart für die
Annehmlichkeiten der Gesellschaft
Theologiestudentin schnuppert Betriebsseelsorge-Duft
(wh) Tabea Günther war im Sommer             kämpft, die Stelle, an der er jahrelang   Ähnliches hat mich auch auf der Bau-
für einen Monat an verschiedenen             gearbeitet hat, zurückzubekommen.         stelle Stuttgart 21 bewegt, auf der ich
Orten der Betriebsseelsorge unter-           Dann ist da die Begegnung mit den Men-    mit Peter Maile und Wolfgang unter-
wegs, schwerpunktmäßig in Ulm.               schen in der Mobbingberatung und Mob-     wegs sein durfte: wie hart Menschen
Wolfgang Herrmann befragt sie nach           bingselbsthilfegruppe, die so viel Leid   arbeiten müssen und dabei ihre Gesund-
ihren Erfahrungen.                           und Terror erfahren haben, davon oft      heit einbüßen, aber mit ihrer Leistung
Tabea, Du studierst für das Bistum           verunsichert sind und das Vertrauen       die Gesellschaft tragen und gerade auch
Fulda Theologie und bist im dortigen         verloren haben und wieder Mut und         Annehmlichkeiten erst ermöglichen,
Bewerber*innenkreis. Wie kam es zu           Kraft schöpfen wollen.                    wie z.B. das Zugfahren. Meiner Ansicht
Deinem Praktikum in der Betriebs-            Als drittes möchte ich die Begegnung      nach wird ihre Arbeit dafür heute
seelsorge Rottenburg-Stuttgart?              mit einem jungen Schweißer bei einem      immer noch ungenügend bezahlt und zu
                                             Betriebsbesuch nennen, der erst einen     wenig wertgeschätzt.
Tabea: Mein Ausbildungsleiter, Ste-
phan Schilling, hat mir mein Praktikum       anderen Beruf gelernt hatte und dann      Gleiches gilt auch für die Pflegekräfte.
vermittelt. Er selbst hat im Bistum Rot-     sich entschlossen hatte, Schweißer zu     Die Begegnung mit den Mitgliedern vom
tenburg-Stuttgart seine Wurzeln. Die         werden, die Ausbildung absolvierte und    Pflegebündnis hat mich auch in beson-
Arbeit der Betriebsseelsorge, gerade         die Arbeit als Schweißer immer noch       derer Weise berührt, vor allem ihre
auch die von Paul Schobel, ist ihm nicht     gerne macht.                              Weiter auf Seite 15, oben links
entgangen und hat ihn beeindruckt. Im
Bistum Fulda, in dem er jetzt seit einigen
Jahren Pastoralreferent und Ausbil-
dungsleiter für die Bewerber*innen mit
dem Berufsziel Pastoralreferent*innen
ist, gibt es noch keine Betriebsseelsorge.
Der Gedanke, dass im Bistum Fulda eine
Betriebsseelsorge eingerichtet werden
könnte, ist in ihm gereift. Als ich ihm im
Semestergespräch mitteilte, dass ich
gerne mein berufsorientiertes, vierwö-
chiges Praktikum im Rahmen meines
Theologiestudiums absolvieren möchte,
kam er auf die Idee, dass ich dies in der
Betriebsseelsorge in Rottenburg-Stutt-
gart tun könne – vielleicht in der Hoff-
nung, dass ich all die Eindrücke und
Erfahrungen der Praktikumszeit eines
Tages im Bistum Fulda fruchtbar ma-
chen kann.
Du hast in ganz verschiedene Arbeits-
bereiche der Betriebsseelsorge Ein-
blick genommen. Welche Begeg-
nungen und Orte haben Dich in
besonderer Weise berührt?
An sieben Orte und Begegnungen muss
ich immer wieder denken, weil sie mich
in besonderer und in ganz unterschied-
licher Weise berührt haben.
Zum einen ist da die Begegnung mit
einem Mann, den Betriebsseelsorgerin
Susanne Hirschberger und ich zu sei-
nem Gerichtstermin begleitet haben.                                                                          Tabea ist beindruckt
                                                                                                             von der Arbeit auf
Ein Mann, dem gekündigt wurde und                                                                            der Baustelle S 21;
der sich so sehr wünscht und darum                                                                           Foto: privat
Dezember 2021

Fortsetzung von Seite 14
Leidenschaft und Hingabe im Einsatz für     die Wichtigkeit, im Team zu arbeiten,                   Wer weiß. Das Praktikum hat in mir den
die Patient*innen, ihr Ausgebranntsein      nicht alleine unterwegs zu sein, sondern                Wunsch erweckt und das Bistum Fulda
aufgrund der Überstunden, des Fach-         vernetzt, sich gegenseitig zu unter-                    scheint offen dafür zu sein, eine
kräftemangels, des ständigen Einsprin-      stützen und auszutauschen.                              Betriebsseelsorge zu ermöglichen. Erste
gen-Müssens, des Schlaf- und Erho-          Wirst Du die erste Betriebsseelsor-                     Ideen für eine Betriebsseelsorge im
lungsmangels, der geringen Wertschät-       gerin im Bistum Fulda?                                  Bistum Fulda habe ich jedenfalls schon.
zung, der auch körperlich anstren-
genden Arbeit und der zusätzlichen Bela-
stung durch die Corona-Pandemie sowie
ihre Verzweiflung und Wut mit dem            Ulm
Wunsch zur Veränderung hin zur Ver-
besserung der Arbeitsbedingungen und
dem Kampfgeist, sich dafür auch einzu-
setzen.
                                            Renate Walser lässt sich
Als sechstes möchte ich die Begegnung
mit Erntehelfern und auch einer Land-
wirtin in Meckenbeuren/Tettnang
                                            nicht mehr aufhalten
erwähnen. Ihre Abhängigkeiten vonei-        (sh) Im Dekanat Ulm verabschiedet                       gestellt: Susanne Hirschberger. Gut
nander, verbunden mit einer zum Teil        die Betriebsseelsorge ihre Verwal-                      schwäbisch würde man sagen, sie hatte
prekären Situation, haben mich beson-       tungskraft nach knapp 20-jähriger                       „von ällem ebbes“. So vielfältig wie ihre
ders berührt.                               Tätigkeit.                                              Kolleg*innen waren ihre Aufgabenfel-
In einer anderen Weise hat mich die         Renate Walser, die zuvor in der Logistik-               der.
herzliche Aufnahme, Gastfreundschaft        Branche gearbeitet hat, fand als Ver-                   Auf die Frage, was ihre Arbeit in der
und Gemeinschaft berührt, die ich im        waltungsangestellte in der Zeit von                     Betriebsseelsorge für sie besonders
Betriebsseelsorgeteam und bei allen         Betriebsseelsorger Werner Baur zur                      gemacht hat, sagt Renate: „Sehr interes-
Unternehmungen, bei denen ich dabei         Betriebsseelsorge Ulm. Die Fernfah-                     sant war der Umgang mit Menschen.
sein durfte, erfahren habe, und die Lei-    rer*innen-Seelsorge gehörte wie die                     Der Kontakt zu den Betrieben und Ein-
denschaft, mit der jeder Einzelne und       Weihnachtsaktion oder die Vernetzung                    richtungen hat meine Arbeit sehr
jede Einzelne im Team Betriebsseelsor-      der betrieblichen Suchtkrankenhilfe zu                  abwechslungsreich gemacht“. So hat sie
ger*in ist.                                 ihren Aufgaben. Mit Alfons Forster eng                  mit ihrem zugewandten und freundli-
Was nimmst Du für Dich und Dein             verbunden war die Zeit der Schlecker-                   chen Wesen vielen mit der Betriebsseel-
Bistum mit aus den vier Praktikums-         Schließung, die Unterstützung von                       sorge in Verbindung Stehenden die
wochen?                                     betrieblichen Aktionen, die ihre Arbeit                 Türe geöffnet. Eine sehr bewegte Zeit
Ich nehme mir mit, dass für die Betriebs-   oft bestimmt hat. Nachdem sie sich an                   endet für sie und damit geht viel Erfah-
seelsorge der Mensch von jung bis alt,      den Youngster der Betriebsseelsorge,                    rung und Kompetenz.
religiös und nicht religiös, mit und ohne   Michael Brugger, gewöhnt hatte und                      Danke Renate für Deine tolle Arbeit für
Arbeit im Mittelpunkt steht. Sie will       viele Abläufe revolutioniert wurden,                    die Betriebsseelsorge Ulm und alles
nah am Menschen und für ihn da sein –       stand schon der nächste Wechsel an,                     Gute für Deine Zeit im Un-Ruhestand!
gerade auch am Arbeitsplatz und hin-        und sie bekam eine Frau an ihre Seite
sichtlich der Belange am Arbeitsplatz.
Die Werte Solidarität, Gerechtigkeit und    Renate Walser, hier links im Bild. So vielfältig wie ein bunter Blumenstrauß sind die Aufgaben einer
                                            Mitarbeiterin im Sekretariat der Betriebsseelsorge. Foto: Betriebsseelsorge Ulm
Menschenwürde sowie Beziehungsar-
beit liegen ihr besonders am Herzen.
Wie genau dies ausgestaltet wird, kann
sehr vielfältig aussehen: Von Beratung
in betrieblichen und menschlichen Kon-
fliktsituationen, bei Suchtproblema-
tiken und Mobbing, Zusammenarbeit
mit Gewerkschaften, Sozialverbänden
und Fachberatungen, Begleitung zu Ge-
richtsterminen, Mitgehen auf Demon-
strationen, Unterstützung von und
Zusammenarbeit mit Betriebsräten, Per-
sonalräten und Mitarbeitervertretun-
gen, Seminar- und Tagungsarbeit bis hin
zur aufsuchenden Arbeit, der persönli-
chen Mitarbeit in einem Betrieb. Der
Kern der biblischen Botschaft kann
dabei eine Inspiration und Motivation
für die Arbeit der Betriebsseelsorge
sein. Mitgenommen habe ich mir auch
Dezember 2021

Stuttgart

Für einige Zeit im Betriebsseelsorge-Team
                                                   (js) Ich, Julia Sprißler, bin seit Anfang   offenen Büro für Beratung, bei einer
                                                   Oktober für mein Praxissemester in der      LKW-Aktion und auf der S21-Baustelle
                                                   Betriebsseelsorge Stuttgart.                bekommen.
                                                   Als Sozialarbeiterin habe ich bereits       Was es konkret bedeutet, unterwegs zu
                                                   Berufserfahrung in einer Anlauf- und        sein für würdige und gute Arbeit, werde
                                                   Kontaktstelle sowie beim Streetwork         ich hier lernen, erfahren und mitgestal-
                                                   im Bereich Wohnungslosenhilfe und           ten.
                                                   Jugendhilfe gesammelt. Vor meinem
                                                   Studium war ich in verschiedenen
                                                   sozialen Einrichtungen im In- und Aus-
                                                   land tätig.
                                                   Nun bin ich in meinem Praxissemester
                                                   für Religionspädagogik und kann unter
                                                   anderem entdecken, wie Kirche im täg-
                                                   lichen Geschehen in der Arbeitswelt prä-
                                                   sent ist. Ich freue mich auf das neue
                                                   Arbeitsfeld der Betriebsseelsorge mit
                                                   den unterschiedlichsten Aktionen für
                                                   faire Arbeitsbedingungen.
                                                   In den vergangenen Wochen konnte
                                                                                                Reinklicken!
               Julia sammelt Eindrücke auf der
                      Baustelle S 21; Foto: S 21   ich bereits erste Eindrücke vor Ort im       betriebsseelsorge.de

Tuttlingen

Christsein heißt: Einsatz mit beiden Rudern
Gedanken von Betriebsseelsorger Thomas Maile
(tm) Ein Mann wollte mit einem Ruder-              wie Bonhoeffer von den Nazis ermordet       Die beiden Ruder „Gebet“ und „Einsatz
boot fahren, hatte aber nur ein Ruder.             wurde, stammt der folgende Gedanke:         für Nächstenliebe und Gerechtigkeit“
„Macht nichts“, sagte er, „mir reicht              „Von der Übernahme und Erfüllung der        gleichzeitig zu betätigen, darauf kommt
auch ein Ruder, um vorwärtszukom-                  Verantwortung hängt es ab, ob es sich       es an.
men“. Also ruderte er los. Aber so sehr er         wirklich um ein Gebet oder um ein           Thomas Maile, Betriebsseelsorger,
sich auch mühte, er drehte sich immer              frommes Gerede handelt“.                    Katholisches Dekanat Tuttlingen-
nur im Kreis. Und es dämmerte ihm:                 Mir geben diese beiden Gedanken täg-        Spaichingen
„Um vorwärtszukommen, brauche ich                  lich Kraft und Orientierung für mein
zwei Ruder“.                                       Handeln in der Betriebsseelsorge. Je
Eine schöne Geschichte und ein schönes             mehr ich in Gott verwurzelt bin, desto      Impressum
Bild auch für das Christsein in dieser             mehr engagiere ich mich für Gerechtig-      Betriebsseelsorge der
Welt. Als Christen sitzen wir in einem             keit und Menschenwürde in der Arbeits-      Diözese Rottenburg-Stuttgart,
Ruderboot und haben zwei Ruder in                  welt. Ganz aktuell heißt dies für mich,     Jahnstr. 30, 70597 Stuttgart
unseren Händen: das Gebet einerseits               den Kolleginnen und Kollegen beim Tutt-     Kolleg*innen:
und der Einsatz für Gerechtigkeit und              linger Medizintechnik-Unternehmen           Hermine Burger (hb), Michael Görg
Nächstenliebe andererseits. Wie beim               Smith & Nephew beizustehen, die um          (mg), Irmtraud Hagel/ Ernst Boden-
Ruderboot reicht ein Gebet allein nicht,           ihre Arbeitsplätze bangen, weil die ame-    müller (ih/eb), Wolfgang Herrmann
um etwas zu erreichen. Wichtig ist auch            rikanische Konzernleitung den Stand-        (wh), Susanne Hirschberger (sh), Anja-
immer das Tun.                                     ort schließen will, obwohl der Betrieb      Lisa Hirscher (ah), Martin Jahn (mj),
„Unser Christsein wird heute nur in                tiefschwarze Zahlen schreibt. Ein Un-       Norbert Köngeter (ng), Werner Langen-
zweierlei bestehen: Im Beten und im                ding! Und auch den Kolleg*innen im          bacher (wl,), Peter Maile (pm), Thomas
Tun des Gerechten unter den Men-                   real-Markt in Tuttlingen zu helfen, die     Maile (tm), Marian Schirmer (ms), Beate
schen“, sagt der evangelische Theologe             nach der Übernahme durch einen              Scholz (bs), Rolf Siedler (rs), Julia Spriß-
Dietrich Bonhoeffer. Und von Alfred                Investor ohne Not entlassen werden          ler (js), Karolina Tomanek (kt),
Delp, dem Jesuitenpater, der ebenfalls             und großes Unrecht erleiden.                Layout: Inge Muff-Bongers, crayonne
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