FachkonFerenz für sozial verantwortliche IT-Beschaffung - und 23. Mai 2017 - ELAN-RLP
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5. Fachkonferenz für sozial verantwortliche IT-Beschaffung Dokumentation 22. und 23. Mai 2017 ZDF-Konferenzzentrum Mainz
Impressum Herausgeber Entwicklungspolitisches Landesnetzwerk Rheinland-Pfalz - ELAN e.V., Frauenlobstr. 15-19, 55118 Mainz Tel.: 06131 - 972 08 67, E-Mail: beschaffung@elan-rlp.de, Internet: www.elan-rlp.de Redaktion Katja Voss (V.i.S.d.P.), Hartmut Heidenreich, Annelie Evermann Fotos Christoph Albuschkat, fair:werk Gefördert von ENGAGEMENT GLOBAL mit ihrer Servicestelle Kommunen in der Einen Welt mit finanzieller Unterstützung des BMZ. Die Fachkonferenz für sozial verantwortliche IT-Beschaffung in Mainz wurde von ELAN und WEED in Kooperation mit den Entwicklungspolitischen Landesnetzwerken im Saarland und Hessen durchgeführt. Entwicklungspolitisches Landesnetzwerk Rheinland-Pfalz - ELAN e.V. Das Entwicklungspolitische Landesnetzwerk Rheinland-Pfalz - ELAN e.V. ist der Zusam- menschluss entwicklungspolitischer Organisationen in Rheinland-Pfalz. ELAN vertritt über 450 lokale und regionale Gruppen und Initiativen. Ziel des Vereins ist deren Vernetzung, Koordination und Beratung. Durch die Bildungsarbeit von ELAN erhält die Entwicklungspolitik einen festen Stellenwert in der Landespolitik und den Kommunen. WEED – Weltwirtschaft, Ökologie & Entwicklung e.V. WEED – Weltwirtschaft, Ökologie & Entwicklung e.V. ist eine unabhängige Nicht- regierungsorganisation, die sich mit den sozialen und ökologischen Auswirkungen der Globalisierung befasst. Ein wichtiger Schwerpunkt von WEED e.V. liegt bei den Produk- tions- und Arbeitsbedingungen in der Elektronikbranche sowie der Einhaltung von sozialen Kriterien bei der öffentlichen Beschaffung von IT-Produkten. Mehr Informationen unter www.weed-online.org und www.pcglobal.org. Für den Inhalt dieser Publikation ist allein das Entwicklungspolitische Landesnetzwerk Rheinland-Pfalz - ELAN e.V. verantwortlich; die hier dargestellten Positionen geben nicht den Standpunkt der Förderer wieder. Gestaltung Franziska Weigand, www.diegrafikwerkstatt.com Mainz, Juli 2017
Inhaltsverzeichnis Vorwort 4 Grussworte 5 Hintergründe 6 Die Situation der Arbeitnehmer*innen in der IT-Produktion in Indonesien – Vortrag von Arbeitsrechtsaktivist Fahmi Panimbang, SLRC Indonesien 6 Ein Jahr Vergaberechtsmodernisierung – Rechtslage der IT-Beschaffung im Ober- und Unterschwellenbereich – Vortrag von Dr. Christoph Krönke, LMU München 7 Beispiele aus der Beschaffungspraxis 9 Nachhaltige IT-Beschaffung beim BMZ im Kontext der Fairen Behörde – Vortrag von Christoph Oldenburg, GIZ 9 Wie kam die Sozialverträglichkeit/Nachhaltigkeit (SVNH) in den Hardware-Rahmenvertrag 2.0 der Hochschulen & Forschungseinrichtungen Schleswig-Holsteins – Vortrag von Thomas Starck, Europa-Universität Flensburg 10 Podiumsdiskussion 11 Arbeitsrechte und Mitbestimmung im IT-Sektor 11 Wünsche und Visionen 13 Workshops 14 A – IT-Beschaffung in der Region Rheinland-Pfalz, Saarland und Hessen 14 B – Monitoring, Kontrolle und Nachweise: TCO Development und Electronics Watch 15 C – Konfliktrohstoffe in der IT-Ausschreibung: Intel und FairLötet 17 D – IT-Beschaffung von Universitäten: Thomas Starck, Europa-Universität Flensburg 19 E – Kompass Nachhaltigkeit und Gütezeichen: SKEW 20 F – Arbeitsrechte in den tieferen Lieferketten – die Strategien der IT-Hersteller 21 Hintergründe und Praxistipps 23 Wo kann ich mich weiter informieren? 23
Vorwort Vorwort Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kolleg*innen, rund 100 Akteur*innen des öffentlichen Beschaffungs- Die Konferenz wurde von den drei entwicklungs- wesens, der Landes- und Kommunalpolitik, von Nicht- politischen Landesnetzwerken in Rheinland-Pfalz regierungsorganisationen, Kirchen und IT-Untenehmen (ELAN e.V.), Hessen (EPN e.V.) und Saarland (NES e.V.) kamen zur bundesweiten 5. Fachkonferenz für sozial gemeinsam mit WEED e.V. organisiert und durch die verantwortliche Beschaffung von IT-Hardware am 22. Servicestelle Kommunen in der Einen Welt (SKEW), und 23. Mai 2017 im ZDF-Konferenzzentrum in Mainz den jeweiligen Landesregierungen sowie die Friedrich- zusammen. Dort tauschten sie sich über die Möglich- Ebert-Stiftung finanziert. keiten der öffentlichen Hand zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen in der globalen IT-Industrie aus. Seit 2013 hat sich die jährlich stattfindende IT-Konferenz als wichtiger bundesweiter Lernort und Den Einstieg ins Thema ermöglichte der Referent als Austauschplattform für Beschaffer*innen, Rechts- Fahmi Panimbang, Arbeitsrechtsaktivist aus Indone- expert*innen, NGOs und Unternehmen etabliert. sien, mit seinem Vortrag über die aktuelle Situation Der Dialog wird in Baden-Württemberg auf der der Arbeitnehmer*innen in der IT-Produktion seines 6. Fachkonferenz am 21./22. Juni 2018 in Stuttgart Herkunftslandes (Seite 6). fortgeführt. Alle Informationen finden Sie unter: Direkt im Anschluss erläuterte Dr. Christoph Krönke www.faire-beschaffung.de von der Ludwigs-Maximilians-Universität München die Rechtslage der IT-Beschaffung im Ober- und Unter- Dort finden Sie auch die von WEED e.V. erstellte schwellenbereich ein Jahr nach der Vergaberechts- Kurzstudie zu Potentialen der IT-Beschaffung in den modernisierung (Seite 7). Bundesländern Rheinland-Pfalz, Saarland und Hessen. Besonderes Interesse galt zudem den neuen Bei- Diese enthält Handlungsempfehlungen an die Politik spielen aus der Beschaffungspraxis. Dr. Christoph und die Beschaffungsverantwortlichen der drei Länder Oldenburg von der Gesellschaft für Internationale und soll auch im Nachgang der Mainzer Tagung die Zusammenarbeit in Eschborn stellte den IT-Rahmen- Umsetzung einer wirksamen sozial verantwortlichen vertrag des Bundesministeriums für wirtschaftliche IT-Beschaffung fördern. Zusammenarbeit und Entwicklung vor (Seite 9). Thomas Starck von der Europa-Universität Flensburg präsentierte die genutzten Möglichkeiten der Hoch- schulen und Forschungseinrichtungen Schleswig- Holsteins, soziale Nachhaltigkeit in ihren aktuellen Katja Voss Hardware-Rahmenvertrag zu integrieren (Seite10). Bei der Podiumsdiskussion diskutierten die Referent*innen über Arbeitsrechte und Mitbestim- mung in der IT-Industrie (Seite 11). In Workshops informierten sich die Teilnehmenden über Informationsportale, Kontrollsysteme, Arbeits- rechte in den tieferen Lieferketten sowie Umsetzungs- möglichkeiten für Vergabestellen mit dem Schwer- punkt der Region Rheinland-Pfalz, Hessen und Saarland (Seite 14 ff). 4
Grussworte GruSSworte aus Rheinland-Pfalz, Hessen und Saarland Die Konferenz wurde von Vertreter*innen aus den drei Ländern Rheinland-Pfalz, Hessen und Saarland eröffnet. Ihre Grußworte umrissen das derzeitige Engagement der Länder und zeigen Gestaltungsräume auf. „Auch in Rheinland-Pfalz befinden wir uns auf einem guten Weg: das Ver- gabegesetz ermöglicht öffentlichen Auftraggebern, bei Ausschreibungen die Einhaltung der ILO-Kernarbeitsnormen einzufordern. Aber es muss sich noch vieles ändern. Denn noch immer machen viele Beschaffer die Kaufentscheidung vor allem vom Preis abhängig. Sozial- und Umweltstandards spielen eher eine untergeordnete Rolle. Ich freue mich daher, dass die 5. Fachtagung für sozial verantwortliche Beschaffung von IT Hardware in Mainz stattfindet und Sie darüber disku- tieren werden, welche Möglichkeiten es für die öffentliche Hand gibt, die Dr. Rolf Meier Arbeitsbedingungen in der globalen IT Industrie zu verbessern.“ Dr. Rolf Meier Ministerium des Innern und für Sport Rheinland-Pfalz „Hessen engagiert sich sehr stark zum Thema Nachhaltigkeit. Als zentrale IT-Vergabestelle für ganz Hessen erreichen wir ein jährliches Beschaffungs- volumen in Höhe von konstant über 100 Millionen EURO. Dieses hohe Volumen macht deutlich, warum gerade meine Behörde besonders gefragt ist, über Nachhaltigkeit nachzudenken. Die rechtlichen Möglichkeiten hierzu hat uns der Hessische Landesgesetzgeber an die Hand gegeben. Das Hessische Vergabe- und Tariftreuegesetz fordert grundsätzlich, alle Beschaffungen nachhaltig auszurichten.“ Sascha König Sascha König Hessische Zentrale für Datenverarbeitung „In der Präambel der Leitlinien der Entwicklungszusammenarbeit des Saarlandes heißt es: ‚Die Landesregierung ist gemäß der Verfassung des Saarlandes den Menschenrechten verpflichtet; bei ihren Aktivitäten und Fördermaßnahmen muss sie diese achten, schützen und gewährleisten. […] Entsprechend dem Saarländischen Tariftreuegesetz wird darauf hingewirkt, dass keine Waren Gegenstand der Leistungen sind, die unter Missachtung der Kernarbeitsnormen der ILO gewonnen oder hergestellt wurden. Damit sollen der Einsatz von Kinder- und Zwangsarbeit und die Diskriminierung von Frauen in den Produktionsketten ausgeschlossen, Katrin Frey sowie das Recht auf Vereinigung und Kollektivverhandlungen sichergestellt werden.‘ – Hier sind also keine kleinen Aufgaben benannt, sondern große Anstrengungen aufgeführt, die konsequent verfolgt werden müssen.“ Katrin Frey Ministerium für Bildung und Kultur Saarland 5
Hintergründe Die Situation der Arbeitnehmer*innen in der IT-Produktion in Indonesien Vortrag von Arbeitsrechtsaktivist Fahmi Panimbang, SLRC Indonesien „Killed at the workplace“ – diesen Titel gab Fahmi Verschluss. Nach durchschnittlich zwei Jahren werden Panimbang, Arbeitsrechtsaktivist beim Sedane Labor die Arbeiter*innen entlassen. Zu diesem Zeitpunkt Resource Center (SLRC) Indonesia, seinem Eröffnungs- sind viele Personen an Krebs erkrankt, Frauen erleiden vortrag für die Konferenz. Die IT-Branche ist eine der Fehlgeburten, Männer sind häufig von Unfruchtbarkeit wichtigsten Wirtschaftszweige für Indonesien. Mehr betroffen. als eine Viertel Trillion Chips werden in den Fabriken gefertigt. Dies geschieht oft unter prekären Arbeits- Gründe und Verantwortliche bedingungen sowie dem Einsatz von hochgiftigen Fahmi Panimbang sieht die schwache Regierungsfüh- Chemikalien. rung als einen Grund für die Missstände. Die indonesi- sche Regierung sei nicht in der Lage, die gesetzlichen Grundlagen zu schaffen oder auf aktuelle Entwick- lungen zu reagieren. Zudem könne sie die Überwa- chung der Chemikalien durch Inspektor*innen und Labore nicht gewährleisten. Im Land gibt es aktuell ein einziges Labor, welches die staatlichen Prüfungen für rund 10.000 IT-Fabriken durchführen soll. Panimbang fügt hinzu, dass auch nach überregionalen Lösungen gesucht werden müsse und international agierende Unternehmen ihrer Verantwortung nachkommen müssten. Auch deutsche Firmen lassen in Batam Fahmi Panimbang berichtet aus Indonesien. produzieren. Sobald eine aktuelle Recherche fertig sei, könne mit Gewissheit gesagt werden, wer in Batam Der Einsatz von Chemikalien mit giftigen Stoffen in der Produktion arbeite. Die Ergebnisse der von Fahmi Panimbang vorgestellten Fallstudie über die Arbeitsbedingungen auf der Insel Gewerkschaften – Strategien und Erfolge Batam zeichnen ein genaueres Bild. Viele der mehr als Auf die Frage, ob es in Indonesien Gewerkschaften 50.000 Arbeiter*innen – darunter vorwiegend junge gebe und wie diese sich für die Arbeiter*innenrechte Frauen und Männer – arbeiten täglich durchschnittlich einsetzen, antworte Fahmi Panimbang: Vor einigen 10-12 Stunden und damit weit mehr als die gesetz- Jahren gab es landesweite Streiks. Gewerkschaften lich festgeschriebenen acht Stunden am Tag. Diese verlangten, dass der Mindestlohn angehoben und das Mehrstunden werden von den Mitarbeiter*innen Outsourcing gestoppt wird. Aufgrund der massiven geleistet, um das zu geringe Einkommen zu erhöhen. Teilnahme an den Streiks waren die Gewerkschaften In den Fabriken sind Arbeiter*innen zahlreichen mit den meisten Forderungen erfolgreich. Eine weitere hochgiftigen Chemikalien ausgesetzt, darunter Folge war jedoch: Seit 2015/16 gibt es neue staatliche Quecksilber, Blei und Kadmium. Diese Stoffe sind Regulierungen, die den Einfluss der Gewerkschaften krebsauslösend, können Organe schädigen und zum in Bezug auf den Mindestlohn beschneiden. Das Tod führen. Obwohl einige der giftigen Stoffe verboten gewerkschaftliche Engagement ging seitdem zurück. sind, werden sie in der Praxis verwendet. Unter- Aktivist*innen werden vielfach benachteiligt und nehmen führen in regelmäßigen Abständen medizi- eingeschüchtert. nische Untersuchungen durch, die laut Panimbang nicht im Sinne der Arbeitnehmer*innen durchgeführt Die Präsentation von Fahmi Panimbang ist abrufbar werden, sondern den Arbeitgebern zur Einschätzung unter http://www.faire-beschaffung.de//content/ der Produktivität der jeweiligen Arbeitskraft dienen. uploads/2017/03/IT-conference-V-presentation-Pa- Vielfach bleiben die Untersuchungsergebnisse unter nimbang.pdf 6
Hintergründe Ein Jahr Vergaberechtsmodernisierung – Rechtslage der IT-Beschaffung im Ober- und Unterschwellenbereich Vortrag von Dr. Christoph Krönke, LMU München Dr. Christoph Krönke von der Ludwig-Maximilian- Zweck (z.B. Wahrung der Arbeitnehmer*innenrechte) Universität München stellte die Rechtslage für sozial und Auftragsgegenstand (z.B. Beschaffungswert) be- verantwortliche Beschaffung im Ober- und Unter- stehen muss. Dieser Grundsatz ist laut dem Referenten schwellenbereich ein Jahr nach der Vergabemoder- die wichtigste Begrenzung für die Integration von nisierung dar. Er fokussierte auf die eingeräumten sozialen Aspekten bei der IT-Beschaffung. Chancen des Gesetzgebers, in unterschiedlichen Ver- Krönke stellte dann verschiedene Instrumente vor, um gabephasen soziale Aspekte zu integrieren. Er ermu- soziale Aspekte bei der IT-Beschaffung zu integrieren. tigte die Teilnehmenden, das Vergabegesetz nicht als zahnlosen Tiger zu interpretieren. Vielmehr seien die Eignungs- und Ausschlussgründe Gesetze das Angebot und der Rahmen, um soziale und (§ 123 GWB und § 124 GWB) ökologische Aspekte in die öffentliche Beschaffung von Diese zwingenden und fakultativen Ausschlussgründe IT-Hardware einzubauen. Beschaffer*innen müssten beziehen sich vor allem auf die Vergangenheit des dieses Angebot nutzen und überwachen. Unternehmens. So kann ein Unternehmen aus- geschlossen werden, wenn die folgenden Punkte Spielräume oberhalb des Schwellenwertes zutreffen: Das europäische Vergaberecht, das traditionell der • Auftragnehmer hat in der Vergangenheit schwere Motor des Vergaberechts in den letzten Jahrzehnten Verfehlungen begangen, z.B. Menschenhandel/För- ist, hat auch zur Modernisierung des deutschen Ver- derung von Menschenhandel. Krönke betont, dass gaberechts im letzten Jahr geführt. Für die Ober- öffentliche Auftraggeber schwer die Beweislage schwellenwerte (bei Lieferleistungen grundsätzlich ermitteln können. über 209.000 € Auftragswert) gelten für Lieferleis- • Unternehmen verstößt während Ausführung gegen tungen GWB und VgV. Das Gesetz gegen Wettbewerbs- geltende umwelt-, sozial- und arbeitsrechtliche bestimmungen (GWB)1 ist das Herzstück der Vergabe Verpflichtungen (fakultative Bestimmung). Krönke im Oberschwellenbereich. Die Konkretisierungen merkt an, dass hiermit nur Verstöße definiert sind, des Vergaberechts sind in den Vorschriften aus der die im Inland oder innerhalb der EU vollzogen dazugehörigen Vergabeverordnung (VgV)2 festge- wurden. Somit kann beispielsweise die Verletzung halten. Zudem haben die Landesgesetzgeber noch der ILO-Kernarbeitsnormen in Indonesien nicht zusätzliche Spielräume für die sozial verantwortliche dazu führen, dass das Unternehmen ausge- IT-Beschaffung in ihren jeweiligen Landesvergabege- schlossen werden kann. Bisher gibt es hierzu noch setzen geschaffen. kein Gerichtsurteil. Das Gesetz ist noch relativ neu. Das Vergaberecht wurde geschaffen, um den Verwal- Arbeitsrechtliche Verpflichtungen sind aber auch an tungen die notwendigen Waren und Dienstleistungen anderer Stelle im EU-Recht verankert. zur Verfügung zu stellen, mit denen sie ihre Aufgaben effektiv umsetzen können. Die Vergabegrundsätze sind die Wirtschaftlichkeit, die Verhältnismäßigkeit sowie die Wahrung des Wettbewerbs. Im § 97 GBW heißt es ferner, dass bei der Vergabe Aspekte der Qualität und der Innovation sowie soziale und umweltbezo- gene Aspekte berücksichtigt werden können. Krönke betonte, dass bei der Anwendung von sozialen Krite- rien ein angemessenes Verhältnis zwischen legitimem 1 http://www.gesetze-im-internet.de/gwb/index.html#BJNR252110 998BJNE014405118, abgerufen am 29.10.2017 Dr. Christoph Krönke benannte Spielräume 2 https://www.gesetze-im-internet.de/vgv_2016/BJNR062410016. im Vergaberecht. html, abgerufen am 29.10.2017 7
Hintergründe Leistungsbeschreibung (§ 31 VgV) Zuschlagskriterien (§ 127 GWB) Dieser Aspekt der Vergabe bezieht sich auf die Gegen- Bei der Bewertung der eingegangenen Angebote wart, auf die aktuelle Leistung des Unternehmers. In können Kriterien (produktionsbedingte, soziale der Leistungsbeschreibung kann eingefordert werden, Aspekte, Preis, Qualität) gewichtet werden. Laut dass bestimmte Aspekte, z.B. ILO-Kernarbeitsnormen Dr. Krönke gibt es hier durch die Landesgesetzgeber entlang der gesamten Lieferkette, eingehalten werden keine Möglichkeit, zwingende soziale Zuschlagskrite- sollen. Im Absatz 3 des Paragrafen heißt es hierzu: rien zu formulieren. Vergabestellen können sich jedoch dazu entschließen und haben hier weite Anwendungs- „Die Merkmale können auch Aspekte der Qualität möglichkeiten. und der Innovation sowie soziale und umweltbe- zogene Aspekte betreffen. Sie können sich auch Auftragsausführung (§ 128 GWB) auf den Prozess oder die Methode zur Herstellung Der Auftragnehmer kann aufgefordert werden, den oder Erbringung der Leistung oder auf ein anderes Auftrag unter bestimmten sozialen und nachweisbaren Stadium im Lebenszyklus des Auftragsgegenstandes Bedingungen auszuführen. Landesgesetzgeber können einschließlich der Produktions- und Lieferkette hier Spielräume nutzen, soziale Aspekte bei der Auf- beziehen, auch wenn derartige Faktoren keine ma- tragsausführung zwingend einzufordern. teriellen Bestandteile der Leistung sind, sofern diese Merkmale in Verbindung mit dem Auftragsgegen- Spielräume unterhalb der Schwellenwerte stand stehen und zu dessen Wert und Beschaffungs- Hier spielt die jeweilige Landesgesetzgebung eine zielen verhältnismäßig sind.“ entscheidende Rolle. Der Bundesgesetzgeber hat hier keine Kompetenz. Das Landesvergaberecht findet Krönke merkt eine kleine Einschränkung an. Die Anwendung. Die Unterschwellenvergabeverordnung Berücksichtigung von sozialen Aspekten bezieht sich (UVgO) des Bundes ist noch relevant. Auch dort sind ausschließlich auf den konkreten Auftragsgegenstand die bereits genannten Spielräume für die Oberschwel- (die zu erbringende Leistung) und kann nicht auf das lenwerte aufgegriffen. Es sei zu erwarten, dass einige gesamte Unternehmen ausgeweitet werden. Zudem Haushaltsordnungen der Länder sicherlich künftig auf muss der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit berück- die UVgO verweisen. sichtigt werden. Die Präsentation von Dr. Christoph Krönke ist abrufbar Gütezeichen (§ 34 VgV) unter http://www.faire-beschaffung.de//content/ In der VgV heißt es, dass der Auftraggeber Gütezeichen uploads/2017/03/IT-Konferenz-V-Pr%C3%A4sentation- als Beleg für die Leistungsbeschreibung einfordern Kr%C3%B6nke.pdf kann. Es müssen allerdings gleichwertige Gütezeichen zugelassen werden. Andere Belege (Absatz 5) müssen Ein aktuelles Gutachten von Dr. Krönke zu „Sozial ver- nur akzeptiert werden, wenn dies nicht möglich ist. antwortlicher Beschaffung nach dem neuen Vergabe- Aus dem Plenum heraus wurde diskutiert, warum recht 2016“ finden Sie hier: gleichwertige Gütezeichen zugelassen werden müssen http://www2.weed-online.org/uploads/gutachten_ und somit ein erhöhter Arbeitsaufwand zu erwarten christoph_kroenke_beschaffung_2016.pdf ist. Gleichzeitig versucht der Gesetzgeber, mit der An- erkennung von gleichwertigen Gütezeichen Diskrimi- nierungen und Bevorzugungen einzelner Gütezeichen und dahinterstehende Institutionen zu verhindern. Krönke zufolge liegt die Beweislast der Gleichwertig- keit des Gütezeichens beim Bieter, was die Auftrag- geber entlaste. 8
Beispiele aus der Beschaffungspraxis Nachhaltige IT-Beschaffung beim BMZ im Kontext der Fairen Behörde Vortrag von Christoph Oldenburg, GIZ Christoph Oldenburg von der Deutschen Gesellschaft Abgabe eines „Maßnahmenkonzept für soziale Nach- für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) GmbH stellte haltigkeit“ gefordert, dass im Rahmen der Zuschlags- in seinem Vortrag die Pilotausschreibung für sozial kriterien bewertet wurde. In dem Maßnahmenkonzept verantwortlich hergestellte IT-Produkte des BMZ mit musste Stellung genommen werden zu: einem Auftragsvolumen von 1,8 Mio. Euro vor. Be- • Standards schafft werden sollten mittels eines Rahmenvertrages • Kenntnis und Schritte für bessere Kenntnis der jährlich 300 Arbeitsplatz-PCs, Monitore, Tastaturen Lieferkette und Mäuse für einen Zeitraum von 3-4 Jahren. Diese • Risikoanalyse der Arbeitsbedingungen Beschaffung fand im 2. Halbjahr 2016 im Rahmen des • Korrektive und vorbeugende Maßnahmen Projektes Faire Behörde statt und gilt als ein Baustein • Kontrollmaßnahmen der Umsetzung der Agenda 2030 und dem Maßnah- • Beschwerdestelle und -management menprogramm Nachhaltigkeit der Bundesregierung. Herr Oldenburg nannte als identifizierte „lessons Die Ausschreibung sollte neben ökologischen insbe- learned“ zum einen die Idee, formale Vorgaben für das sondere auch soziale Kriterien enthalten. Das BMZ Maßnahmenkonzept strenger zu formulieren, um auf wurde zu den sozialen Kriterien durch WEED-Refe- diese Weise den Bewertenden die Arbeit zu erleich- rentin Annelie Evermann beraten. Mit einem zwei- tern. Zum anderen wurde empfohlen, bei künftigen stufigen Konzept wurden die ILO-Kernarbeitsnormen Ausschreibungen im Vorfeld genügend Zeit einzu- plus weitere ILO-Normen (155/170, 131/102, 1) sowie planen, um einen vorgelagerten Bieterdialog durch- beim Bieterkonzept zusätzlich die Vermeidung von führen zu können. Abschließend teilte Herr Oldenburg Konfliktmineralien gefordert. Der empfohlene Markt- mit, dass die Ausschreibung erfolgreich verlaufen sei dialog entfiel aufgrund von Zeitmangel. und fünf Bieter sich an der Ausschreibung beteiligt hätten. Den Ausschlag für den Zuschlag hätten die Zweistufiges Konzept Zuschlagskriterien für das Maßnahmenkonzept für Das BMZ ging von der Annahme aus, dass der Nach- soziale Nachhaltigkeit gegeben. weis für die Einhaltung der geforderten Arbeits- und Sozialstandards entlang der gesamten Lieferkette zwar Die Präsentation von Christoph Oldenburg ist abrufbar schwierig sei, für die erste Stufe der Lieferkette (End- unter http://www.faire-beschaffung.de//content/ montage der IT-Hardware) jedoch durchaus möglich uploads/2017/03/IT-Konferenz-V-Pr%C3%A4sentation- sei. Daher entschied sich das BMZ für ein 2-stufiges Oldenburg.pdf Konzept. Für die Lieferkettenstufe, in der die Einhaltung der Die Ausschreibungsunterlagen sind auf der Website sozialen Kriterien durch unabhängige Nachweise nach- www.pcglobal.org/it-beschaffung/praxisbeispiele gewiesen werden kann, wurden diese in der Leistungs- einsehbar beschreibung für APC und Monitore als KO-Kriterium festgelegt. Als Nachweise akzeptiert wurden: 1. Gütezeichen gem. § 34 VgV oder 2. ein gleichwer- tiges Prüfprotokoll eines unabhängigen Dritten oder 3. EICC-Mitgliedschaft und Vorlage der relevanten EICC-Audit-Berichte unabhängiger Dritter. Für die Einhaltung in allen weiteren Lieferkettenstufen (Produktionsbedingungen bei weiteren Zulieferern und Umgang mit Konfliktrohstoffen) und bei Peripheriege- räten, für die derzeitig keine etablierte Nachweisfüh- rung der geforderten Qualität möglich ist, wurde in der Christoph Oldenburg gibt Einblicke in die Ausschreibung im Rahmen der Zuschlagkriterien die BMZ-Ausschreibung. 9
Beispiele aus der Beschaffungspraxis Wie kam die Sozialverträglichkeit/Nachhaltigkeit (SVNH) in den Hardware- Rahmenvertrag 2.0 der Hochschulen & Forschungseinrichtungen Schleswig-Holsteins ? Vortrag von Thomas Starck, Europa-Universität Flensburg ITSH.edu ist der Zusammenschluss von 14 Hoch- ILO-Kernarbeitsnormen unterzeichnen mussten und schulen, Forschungseinrichtungen und dem Studieren- deren Einhaltung durch Electronics Watch überprüft denwerk des Landes Schleswig-Holstein auf der Ebene wird. „Danach war kein wesentliches Murren mehr der IT-Administrator*innen. Dieser Zusammenschluss zu vernehmen“, so das Ergebnis des Ausschreibungs- hat sich 2009 gegründet, da übergreifende Themen, prozesses laut Thomas Starck. Alle Bieter erklärten Probleme und Gemeinsamkeiten sowie die Vorteile sich damit einverstanden, dass Electronics Watch für einer Kooperation durch die Administrator*innen den Auftraggeber das Monitoring übernimmt, und erkannt wurden. Viele Impulse, die den Prozess mit erklärten ihre Bereitschaft, mit Electronics Watch beeinflussten, nahm der Referent von der IT-Tagung im zusammenzuarbeiten. Inzwischen sei der Zuschlag Jahr 2013 als Teilnehmender mit. erfolgreich erteilt worden. In enger Zusammenarbeit mit Electronics Watch Die Präsentation von Thomas Starck ist abrufbar und einem beauftragten Consultant hat ITSH.edu unter http://www.faire-beschaffung.de//content/ im April 2017 einen Rahmenvertrag zur Beschaffung uploads/2017/03/IT-Konferenz-V-Pr%C3%A4sentation- von IT-Hardware für einen Standardarbeitsplatz für Starck.pdf alle Hochschulen, Forschungseinrichtungen und . das Studierendenwerk des Bundeslands Schleswig- Holstein mit Berücksichtigung von sozialen Kriterien ausgeschrieben. Der Rahmenvertrag wurde in fünf Lose unterteilt und läuft über drei Jahre mit einem Auftragsvolumen von ca. zehn Mio. Euro. Neben technischen Kriterien wurden auch ökologische und soziale Anforderungen in die Vertragsunterlagen auf- genommen. Die Kosten für die Dienstleistung des Con- sultants und die Mitgliedschaft bei Electronics Watch wurden von den Hochschulen anteilig übernommen. Die erste Version der Ausschreibung wurde auf Grundlage der Electronics Watch-Vertragsbedingungen in Anlehnung an die Beschaffung von schottischen Universitäten erstellt. Es kam jedoch zu Problemen mit den Bietern. Diese stellten viele Nachfragen zum Bieterverfahren (z.B.: Bis zu welcher Tiefe soll die Lieferkette überprüft werden? Wie soll Nichtein- haltung sanktioniert werden?). Daraufhin wurden die Ausschreibungsunterlagen so abgeändert, dass Bieter und Nachunternehmer die BITKOM/BMI- Thomas Starck freut sich über die gelungene basierte Verpflichtungserklärung zur Einhaltung der Ausschreibung in Schleswig-Holstein. 10
Podiumsdiskussion Arbeitsrechte und Mitbestimmung im IT-Sektor Die Missachtung von Gewerkschaftsrechten ist an Panimbangs Studie aus dem Jahr 2013 brachte vielen globalen Produktionsstandorten mehr Regel bedrückende Fakten über die Lieferkette des Unter- als Ausnahme. Die Moderatorin Dr. Sabine Gresch nehmens Samsung ans Licht. Weltweit gab es keine diskutierte mit ihren Gesprächspartner*innen Fahmi einzige Fabrik des Unternehmens, welche Gewerk- Panimbang (SLRC), Christian Weis (IG Metall), Dr. Gale schaften erlaubte. Dass dies kein Zufall war, zeigte Raj-Reichert, (Queen Mary University of London) und der Fund eines internen Dokumentes für Zulieferer Björn Claeson (Electronics Watch) über den gewerk- von Samsung. Darin wurden Vorgaben gemacht, mit schaftlichen Organisationsgrad von Arbeiter*innen im welchen Strategien die Zulieferer Gewerkschaften IT-Sektor und die Auswirkungen auf den Arbeitsalltag. vor Ort verhindert könnten. Panimbang kennt zum Im Zentrum der Diskussion standen die Kernarbeits- heutigen Zeitpunkt eine einzige Gewerkschaft in Süd- normen der Internationalen Arbeitsorganisation Nr. 87 korea, die seit einem Jahr in einer Samsung-Fabrik mit (Vereinigungsfreiheit von Mitarbeiter*innen) und Wartungs- und Reparaturaufgaben geduldet wird. Nr. 98 (Recht auf Kollektivverhandlungen zwischen Arbeitgebern und Gewerkschaften) sowie deren Ein- „Die öffentliche Beschaffung ist ein wichtiger Hebel“ haltung in der IT-Industrie. Dr. Gale Raj-Reichert, Queen Mary University of London „Gewerkschaftsarbeit muss international sein“ Führende Elektronikunternehmen haben im Jahr 2004 Christian Weis, IG Metall die Electronic Industry Citizenship Coalition (EICC) ins Christian Weis erinnerte an das Jahr 2005. Zu diesem Leben gerufen, mit dem Ziel einen Verhaltenskodex Zeitpunkt schloss die letzte Fabrik von Nokia in zur Nachhaltigkeit einzuhalten und die Corporate Deutschland, in der Handys produziert wurden. Die Social Responsibility zu verbessern.3 Sie reagierten Gewerkschaft musste zusehen, wie gut bezahlte und damit auf eine Kampagne gegen Arbeitsrechtsverlet- tariflich gebundene Arbeiter*innen ihre Stelle verloren zungen in Mexiko. und die Abwanderung nach Asien mit entsprechenden Arbeitsrechtsverletzungen fortschritt. Mehr als zehn Jahre später zieht Gale Raj-Reichert eine ernüchternde Bilanz: Die Branche zeichnet sich Seitdem engagiert sich die IG Metall unter dem weiterhin durch Zwangsarbeit, Überstunden und ge- Dachverband der internationalen Industriegewerk- fährliche Chemikalien in asiatischen Fabriken aus. Das schaften (IndustriAll Global Union). Diese verhandelt Beispiel Foxconn ging im Jahr 2010 durch die internati- mit multinationalen Unternehmen, die Produkte onale Presse. Viele der Regularien von EICC finden auf von Zulieferern aus dem Globalen Süden beziehen. freiwilliger Basis statt. Zudem reagiere die Branche, Sie schließt globale Rahmenverträge mit deutschen anstatt selbst aktiv zu werden. Dies liege mitunter Unternehmen, in denen die Einhaltung der ILO-Kern- daran, das EICC keine Multi-Stakeholder-Initiative ist, arbeitsnormen entlang der Lieferkette verpflichtend so Raj-Reichert. Eine vielversprechende Stellschraube eingefordert wird. ist die öffentliche Beschaffung, die derzeit zu wenig genutzt wird. In den produzierenden Ländern stehe „Unternehmen verbieten gewerkschaftliche wirtschaftliches Wachstum vielfach vor der Einhaltung Organisation“ Fahmi Panimbang, SLRC von gesetzlichen Regularien. Die immense Kaufkraft Fahmi Panimbang zeigte anhand einzelner Fallbeispiele der EU könne daher den Anteil von sozial verantwort- aus Indonesien und Südkorea, mit welchen Repres- lich hergestellter IT-Hardware in den Produktions- sionen viele Arbeiter*innen kämpfen müssen, um sich ländern durch ihre Nachfrage erhöhen. gewerkschaftlich zu organisieren. Trotz gesetzlich regu- lierter Gewerkschaftsfreiheit sind Entlassungen wegen gewerkschaftlicher Organisation beispielsweise durch das Management einer Philips-Fabrik erfolgt. 3 Seit Oktober 2017 wurde die Initiative umbenannt in Responsible Business Alliance (RBA). 11
Podiumsdiskussion Das Podium setzte sich konzentriert mit einzelnen Aspekten auseinander. Christian Weis, Dr. Gale Raj-Reichert, Dr. Sabine Gresch, Fahmi Panimbang, Björn Claeson (v.l.n.r.) „Electronics Watch prüft für die öffentliche Hand“ Björn Claeson, Electronics Watch Electronics Watch ist eine unabhängige Monitoring- eingestellt werden dürfen, trifft dies in den über- Organisation, die öffentliche Auftraggeber dabei prüften Fabriken häufig für 60% der Belegschaft zu. unterstützt, ihre Verantwortung für den Schutz der Diese Strukturen führen ganz bewusst dazu, dass sich Arbeitsrechte in der globalen Lieferkette der Elek- Arbeiter*innen weniger oder gar nicht organisieren tronikindustrie wahrzunehmen. Die Mitgliedschaft und für ihre Rechte einstehen, so Claeson. ermöglicht die Nutzung des Überprüfungssystems von Electronics Watch, um eine bessere Einhaltung von Ein ähnliches Bild zeichnete auch Fahmi Panimbang Arbeitsrechten und Sicherheitsstandards in den Liefer- für indonesische Fabriken. Die Belegschaft in den ketten der von ihnen erworbenen IT-Hardware zu dortigen Fabriken setzt sich zusammen aus etwa 20% erreichen. Derzeit besteht nicht die Möglichkeit, dass Festangestellten, 30% besitzen Kurzverträge direkt Electronics Watch als glaubwürdiges Gütezeichen bei den Firmen und 50% sind über Zeitarbeitsfirmen (§ 34 VgV) für die Beschaffung in Deutschland weiter- eingestellt. Die Mehrheit der Arbeiter*innen sind entwickelt werden kann. Claeson zufolge kann Elec- Wanderarbeiter*innen aus anderen Regionen Indo- tronics Watch derzeit kein Monitoring durchführen, nesiens. Für die Bedürfnisse dieser unterschiedlichen welches entsprechend der Beschaffungsrichtlinien in Arbeiter*innen sind gewerkschaftliche Strukturen Deutschland gefordert wird. notwendig. Claeson berichtet über zwei Hauptprobleme in asiati- schen Fabriken, die gegen die Einhaltung von Vereini- gungsfreiheit wirken. Erstens werden Arbeiter*innen über Zeitarbeitsfirmen eingestellt, um höhere Sozial- leistungen für Festangestellte zu sparen. Zweitens er- halten Arbeiter*innen nur Verträge über einen kurzen Zeitraum (ein bis zwei Monate), so dass sie schnell ersetzbar sind. Obwohl Chinas Gesetze besagen, dass nur 10% der Belegschaft über Zeitarbeitsfirmen 12
Podiumsdiskussion Wünsche und Visionen e t z l i c h basierte ges n- W e i s fordert n e h m e n zur Ei n er Christia i c h t e n für Unt r b e i t s rechten spfl A Sorgfalt e n s c h en- und rd e r u ng des von M ie F ö haltung ü n s c ht sich d B e w egunge n it. E r w al l e r weltwe elpunkt er s c h e n a l s M i tt d i e S tä rkung d Men u ngen un d d e r und F o r fte n w eltweit. scha Gewerk Fahmi Panimbang weist den Käufer*innen eine wichtige Rolle zu. Sie können Druck auf die Björn Hersteller ausüben, auf Cla Zusam eson wüns die Markenhersteller, m cht sic Schaff enarbeit all h eine die diesen Druck dann ung b er Bet zur Ve ind eili rbesse ender Vere gten zur weiter geben an ihre rung d in Vorbil d kön er Arb barungen Zulieferer in den Produk- nten ä e Initiati ven in hnlich itsrechte. tionsländern. Auf der indust der Be fungie rie sei kleidu rende n. ngs- anderen Seite brauchen die Arbeitnehmer*innen mehr Möglichkeiten, ihre Rechte durchzusetzen. Dr. G a Änd le Raj-R er e Indu ung der ichert w s G ü Prei trie. Urs eschäft nscht si sd a s ch Bran ruck un che viel modelle eine c d er i Mög he. Die Wettbe Problem n der li öff w dies chkeit d entlich erb in d e ist der bezü a e Be e glich für. Sie scha r gesam welt kö ffu te weit nnte Re ng ist e n durc g in hset ulierung e zen. en 13
Workshops Workshop A IT-Beschaffung in der Region Rheinland-Pfalz, Saarland und Hessen Beim Dialog-Workshop trafen sich Vertreter*innen von Vergabestellen (zentrale und dezentrale), von Unter- nehmen, von Händlern (Systemhäuser etc.), aus der Politik, NGOs und Berater*innen. Sie diskutierten über die IT-Beschaffung in der Region Rheinland-Pfalz, Saarland und Hessen. Hierzu wurden sechs Thementische angeboten, an denen sich die Teilnehmenden in Kleingruppen über Leuchtturmprojekte, Baustellen, die Beschaffung aus der Unternehmer- und Einkäufer*innenperspektive sowie über aktuelle Ausschreibungen austauschten. Beschaffer*innen nannten als Herausforderung neben sichern dadurch auch viele Beschaffungsverantwort- mangelnden zeitlichen Kapazitäten auch rechtliche lichen. Daher würden bislang vielfach soziale Kriterien Unsicherheiten bei der Integration von sozialen bei Ausschreibungen kaum berücksichtigt oder nur mit Kriterien bei der Beschaffung. Ein enger Austausch einem geringen Anteil in die Bewertung einfließen. unter Kolleg*innen anderer Einrichtungen, Musteraus- Der niedrigste Preis sei das ausschlaggebende Zu- schreibungen zur Orientierung sowie weitergehende schlagsargument. Zudem brauche es ein Bewusstsein Kenntnisse über glaubwürdige Gütezeichen würden und eine Akzeptanz in den Einrichtungen und der Unsicherheiten verringern. Auch eine Einrichtung Gesellschaft für die öko-soziale Beschaffung. Viele einer zentralen Service- und Beratungsstelle im Land, Beschaffungsstellen setzen ausschließlich auf die Ein- die Praxisbeispiele aus Kommunen und dem Land haltung technischer Aspekte – ökologische und soziale weitergibt sowie Ausschreibungsunterlagen prüft, Kriterien bleiben unberücksichtigt. Es wurde zudem war ein Anliegen. Kommunale Beschaffer*innen von Kommunen rückgemeldet, dass bei IT-Rahmen- wünschten sich zudem, dass die Landeseinrichtungen verträgen des Landes kaum Mitsprachemöglichkeiten als Vorbild agieren und sozial verantwortliche IT-Be- vorhanden sind. schaffungen vornehmen und publik machen. Im Vorfeld der Tagung wurde eine Kurzstudie zur Ein- Die anwesenden Unternehmen gaben ihrerseits Her- ordnung der Beschaffungsstrukturen und Potenziale ausforderungen an. So müssten die Anforderungen der der IT-Beschaffung der drei Bundesländer Rheinland- Beschaffungsverantwortlichen an Bieter transparent Pfalz, Hessen und Saarland erstellt. Hier finden Sie die und überprüfbar sein. Sie wünschten sich zudem einen Kurzstudie zum Download: http://www2.weed-online. Marktdialog mit Herstellern und Händlern, um Anfor- org/uploads/kurzstudie_rlp_saarland_hessen_2017_ derungen und Möglichkeiten gemeinsam zu eruieren. web.pdf Die Anwesenden identifizierten zahlreiche Baustellen. Die gesetzlichen Rahmenbedingungen in der Region und im Bund bieten einerseits Spielräume, aber verun- Die Teilnehmenden diskutierten ihre Anliegen an Thementischen. 14
Workshops Workshop B Monitoring, Kontrolle und Nachweise: TCO Development und Electronics Watch Im Workshop wurden zwei unterschiedliche Systeme vorgestellt, die Kontrollmöglichkeiten für die sozial verant- wortliche IT-Beschaffung öffentlicher Einrichtungen bieten. TCO Development Niclas Rydell ist Direktor von TCO Development und Die Zertifizierung bietet laut Rydell Vorteile für stellte TCO Certified als weltweite, unabhängige und Beschaffungsstellen und Markenunternehmen/Her- glaubwürdige Nachhaltigkeitszertifizierung für IT- steller gleichermaßen. Beschaffungsstellen verfügen Produkte vor. TCO Certified enthält aus einer Lebens- weder über das Know-How noch die Kapazitäten zyklusperspektive entwickelte soziale und ökologische eigene Audits umzusetzen. Die Marken und Hersteller Anforderungen. Die sozialen Anforderungen sind seit gewinnen durch die Zertifizierung an Transparenz und 2009 in die Zertifizierung aufgenommen worden. Glaubwürdigkeit. Sowohl vor als auch nach der Zertifizierung werden Weitere Informationen: http://tcocertified.de/ unabhängige Audits durchgeführt, um die Einhaltung der Zertifizierungsanforderungen der Produkte, Die Präsentation von Niclas Rydell ist abrufbar Fabriken, (Sub-)Lieferanten, Erstausrüster (Original unter http://www.faire-beschaffung.de//content/ Equipment Manufacturer, OEM) und Markeneigen- uploads/2017/03/IT-conference-V-presentation- tümer zu verifizieren. Das Zertifikat wird produktbe- Rydell.pdf zogen vergeben, zertifiziert also nicht das gesamte Unternehmen. Der Zertifizierungsprozess dauert je nach Problem- lagen und Umsetzung dieser maximal sechs Monate. Die Kosten der Zertifizierung übernimmt der Auf- traggeber. Lieferanten zahlen diese nicht. Derzeit ist es in acht Produktkategorien verfügbar: Monitore, Notebooks, TabletComputer, Smartphones, Desktop- Computer, All-in-One-PCs, Projektoren und Headsets. Die Teilnehmenden informierten sich über Kontrollmöglichkeiten. 15
Workshops Electronics Watch – Electronics Watch arbeitet in erster Linie mit zivilge- die Monitoring-Organisation sellschaftlichen Akteuren. Die Zusammenarbeit mit Björn Claeson stellte die unabhängige Monitoring- Gewerkschaften findet zu dem Zeitpunkt statt, wenn Organisation Electronics Watch vor. Sie unterstützt Lösungen für aufgefundene Probleme gemeinsam öffentliche Beschaffungsverantwortliche dabei, die gesucht und umgesetzt werden. In Fällen, in denen Einhaltung von Arbeits- und Sozialstandards in ihren keine unabhängigen Gewerkschaften erlaubt oder vor- Ausschreibungen einzufordern und zu überprüfen. handen sind (wie beispielsweise in China), findet eine Derzeit zählt die Organisation 26 Einzelmitglieder direkte Zusammenarbeit zwischen dem Management (Beschaffungsstellen) und 59 Einkaufsgemeinschaften und den Arbeiter*innen über Dialogformen statt. (darunter zahlreiche Hochschulen). Die Monitoring-Reports werden von Electronics Electronics Watch bezieht als erste Monitoring-Orga- Watch nicht veröffentlicht. Diese Erkenntnisse sind nisation Arbeiter*innen und lokale zivilgesellschaft- ausschließlich für die beauftragten Einrichtungen/Ver- liche Organisationen vor Ort systematisch in die gabestellen bestimmt. Durch den gemeinsamen Ansatz Überprüfung mit ein und ermöglicht so eine tiefgrei- von Vergabestellen aus ganz Europa und darüber fende Überwachung der Arbeitsbedingungen, die hinaus kann dies effektiver und zugleich kostengüns- durch einmalige Audits nicht erreicht werden kann. Als tiger erfolgen als alleine. Methoden werden u.a. semi-strukturierte Interviews jenseits des Arbeitsplatzes mit Arbeiter*innen und Weitere Informationen: Weisungsbefugten, themenbezogene Gruppendiskus- http://electronicswatch.org/de sionen und Beobachtungen angewendet. Die Präsentation von Björn Claeson ist abrufbar Dass dieser Ansatz Wirkung zeigt, verdeutlicht ein unter http://www.faire-beschaffung.de//content/ Beispiel burmesischer Arbeiter*innen in einer Fabrik uploads/2017/03/IT-conference-V-presentation- in Thailand. Die Befragungen ergaben, dass ihre Pässe Claeson.pdf und Löhne vom Management einbehalten wurden. Nachdem sich Electronics Watch eingeschaltet hatte, Kombinationsmöglichkeiten nutzen wurden Pässe zurückgegeben und Löhne ausgezahlt. Im Workshop wurde herausgearbeitet, dass TCO Zudem erhielten die migrantischen Arbeiter*innen Certified und Electronics Watch sehr unterschiedliche eine Anstellung beim Unternehmen und nicht bei Systeme entwickelt haben. Öffentliche Einrichtungen einer Zeitarbeitsagentur. können aber beide Kontrollmöglichkeiten für ihre Beschaffungspraxis gut kombinieren. Björn Claeson stellte die unabhängige Monitoring-Organisation Electronics Watch vor. 16
Workshops Workshop C Konfliktrohstoffe in der IT-Ausschreibung: Intel und FairLötet Dieser Workshop widmete sich Ansätzen von IT-Unternehmen, wie diese versuchen, Konfliktrohstoffe in ihren Lieferketten zu vermeiden. Die Europäische Union importiert 16 Prozent der weltweit gehandelten Konfliktminera- lien Zinn, Wolfram, Tantal und Gold (3TG), u.a. zur Herstellung von Technologieprodukten. Zusätzlich importieren Unternehmen enorme Mengen der verarbeiteten Metalle in Form von Laptops und Smartphones. Julian Lageard, Intel GmbH, und Oliver Sendelbach, FairLötet e.V., gewährten den Teilnehmenden Einblicke in die Praxis. Ansätze von Intel GmbH benennen. Er verwies vor allem auf den Dodd-Frank Julian Lageard stellte die Aktivitäten von Intel vor, Act, der seit 2010 in den USA rechtsgültig ist. Dieser dessen Ziel es ist, Konfliktmineralien aus der gesamten sieht vor, dass Unternehmen, die nach dem US-ameri- Lieferkette herauszuhalten. Das Programm umfasst kanischen Gesetz über den Handel mit Wertpapieren vier Säulen: berichtspflichtig sind, jährlich offenlegen, ob soge- • Bewusstmachen: Programm zu konfliktfreier Be- nannte „Konfliktmineralien“, die für die Herstellung schaffung und Weiterverarbeitung in Schmelzhütten oder Funktion ihrer Produkte notwendig sind, aus der • Due Diligence und Transparenz: Erkenntnisge- DR Kongo oder ihren Nachbarstaaten stammen. winnung und Bewertung sowie die Untersuchung und Einordnung der Minen und Schmelzhütten „Konfliktmineralien“ werden als solche definiert, wenn (entsprechend OECD Due Diligence Guidelance) ihre Gewinnung und der Handel mit diesen Rohstoffen • Förderung der Beschaffung vor Ort: höherer zur Finanzierung oder anderweitigen Unterstützung Einfluss auf Standards bewaffneter Gruppen in der DR Kongo oder ihren • Weitere Förderung der verantwortlichen Be- Nachbarstaaten (Angola, Burundi, Republik Kongo, schaffung aus Minen Ruanda, Sambia, Sudan, Tansania, Uganda, Zentralafri- kanische Republik) beitragen. Im Rahmen des Dodd-Frank Acts werden Gold, Zinn, Wolfram und Coltan als Konfliktmineralien definiert. Der Dodd-Frank Act untersagt nicht die Verwendung von Konfliktmineralien, sondern funktioniert nach dem Prinzip „name and shame“. Die Regelung soll faktisch dazu führen, dass Unternehmen mit den von ihnen Julian Lageard informierte über Intels Aktivitäten. verwendeten Rohstoffen keine bewaffneten Kon- flikte finanzieren. Auch Unternehmen in Deutschland Intel ist zudem Gründungsmitglied des europäischen erhalten von ihren Abnehmern aus den USA bzw. von Programms zur Beschaffung von konfliktfreien Minera- Zwischenabnehmern, die in die USA weiterliefern, die lien (European Partnership for Responsible Minerals). Aufforderung, Erklärungen zu verwendeten Rohstoffen Das Public Private Partnership-Programm wurde Ende und deren Herkunft abzugeben. 2016 gegründet, mit dem Ziel konfliktfreie Mineralien Die Europäische Union hat den Dodd-Frank Act nicht aus Minen zu fördern. Es ist ein Zusammenschluss nur übernommen, sondern um alle Länder erweitert, von Regierungen, Industrie und Zivilgesellschaft. Zu aus denen Konfliktmineralien stammen. den Mitgliedern gehören auch Akteure außerhalb der Elektronikindustrie. Weitere Informationen: www.intel.com/conflictfree und https://europeanpart- Rechtsgrundlagen und Handlungsspielräume nership-responsibleminerals.eu/ Lageard ging zudem auf die Gesetzgebung in den USA (Dodd-Frank Act, Section 1502) und der EU (EU-Ver- Die Präsentation von Julian Lageard ist abrufbar ordnung zur Vermeidung von Konfliktrohstoffen) ein, unter http://www.faire-beschaffung.de//content/ um die geltenden rechtlichen Rahmenbedingungen uploads/2017/03/IT-conference-V-presentation- für globale Unternehmen anzureißen und Lücken zu Lageard.pdf 17
Workshops Ansätze von FairLötet e.V. Vorstellungen hätten. Der Einsatz in der Industrie Oliver Sendelbach stellte zunächst die Aktivitäten wäre von seiner Qualität und den Zertifizierungen her des Vereins FairLötet vor, der unter Beteiligung von allerdings durchaus möglich. Herr Sendelbach verwies NagerIT im Jahre 2015 gegründet wurde. Ziel des darauf, dass Apple angekündigt habe, in Zukunft nur Vereins ist neben der Bildungs- und Informationsarbeit noch Recyclingmaterial zu verwenden, wenn möglich auch die gemeinsame Entwicklung und der Vertrieb aus eigenen Materialien. eines fairen Lötzinns aus Recyclingzinn. Die Initiative hat sich zum Ziel gesetzt, faire Elektronik „auf die Veränderungspotenziale Straße“ zu bringen, also die praktische Umsetzung Der Referent ging abschließend auf das Argument der Idee des Fairen Handels voranzutreiben. Dabei ar- vieler Unternehmen ein, die Lieferkette sei zu komplex beitet die gemeinnützige Initiative mit anderen NGOs und deshalb sei es unmöglich faire und nachhaltige und der Industrie zusammen, beispielsweise mit dem IT herzustellen. Er setzte dem entgegen, dass erstens Unternehmen Stannol. die komplexen Lieferketten bereits von der Industrie beherrscht seien. Dies sehe man beispielsweise daran, dass komplexe Vorgänge gegenüber Dritten geheim gehalten werden können. Und zweitens sei auch die Verbesserung nur eines Teils der Lieferkette ein wichtiger Beitrag für mehr Umwelt- und Arbeitsrechte. Daher lässt er das Argument der komplexen Lieferkette und dem Verharren nicht gelten. Frau Evermann von WEED ergänzte, dass auch die Zer- tifikate, die im Moment im IT-Bereich existieren, alle das Thema Konfliktrohstoffe integriert hätten. Konflikt- Oliver Sendelbach verwies auf Veränderungspotenziale. rohstoffe könnten, wie in der BMZ-Ausschreibung geschehen, bei öffentlichen Ausschreibungen thema- Der Verein ist offen für weitere Kooperationen und tisiert werden. verfolgt die Anstrengungen wichtiger Akteure, wie z.B. Fairphone oder Apple. Herr Sendelbach betonte, dass Weitere Informationen: http://fairloetet.de/ das Ansinnen nicht sein könne, „Kongo-freie“, sondern „konfliktfreie“ Materialien herzustellen. Es sei wichtig Die Präsentation von Oliver Sendelbach ist abrufbar den Dialog aufrecht zu erhalten und in den Ländern unter http://www.faire-beschaffung.de//content/ die Standards zu verbessern. uploads/2017/03/IT-conference-V-presentation-Sen- delbach.pdf Ganz wichtig sei hierbei, konfliktfreie nicht mit wirklich nachhaltiger Beschaffung zu verwechseln. Mit der erreichten Reduktion der Finanzierung bewaffneter Konflikte dürfe man sich nicht zufrieden geben, bevor Kinderarbeit, lebensgefährliche Arbeitsbedingungen und prekäre Bezahlung nicht beseitigt seien. Sendelbach berichtete von Schwierigkeiten bei der Akzeptanz von recyceltem Zinn durch die Industrie. Es habe in der Vergangenheit schlechte Erfahrung ge- geben, die immer noch Auswirkungen auf die heutigen 18
Workshops Workshop D IT-Beschaffung von Universitäten: Thomas Starck, Europa-Universität Flensburg Im Workshop wurde der Frage nachgegangen, welche Besonderheiten für IT-Ausschreibungen an Universitäten gelten. Thomas Starck teilte seine Erfahrungen bei der Erstellung des Rahmenvertrages für IT-Hardware der schleswig-holsteinischen Universitäten (siehe auch Seite 10) und ging auf die Details ein. IT-Beschaffung in Schleswig-Holstein IT-Beschaffung in Rheinland-Pfalz Die Arbeitsgemeinschaft der IT-Beauftragten der staat- In RLP existiert derzeit kein Gremium aus Hoch- lichen Hochschulen und Forschungseinrichtungen in schulen, das über eine gemeinsame IT-Beschaffung Schleswig-Holstein (ITSH-edu) wurde 2009 gegründet nachdenkt. Die Hochschulen beschaffen ihre IT-Pro- besteht inzwischen aus insgesamt 14 Institutionen dukte über das Kaufhaus des Landes RLP, so auch die aus Schleswig-Holstein. Die Kooperation schließt die Hochschule Trier. gemeinsame Beschaffung von IT-Hardware mit ein. ITSH.edu hat kein gemeinsames Rechenzentrum, sie nutzen aber z.B. eine gemeinsame Cloud im Intranet. Die Eigenständigkeit der Universitäten bleibt somit bestehen. Vormals wurden die Rahmenverträge durch Dataport beschafft. Um die Akzeptanz bei den 14 Hochschulen, Forschungseinrichtungen und Studierendenwerk für eine sozial verantwortliche IT-Hardware-Ausschreibung zu ermöglichen, wurden die Beschaffungsverantwortlichen sowie der Kanzler mit in die Vorbereitungen einbezogen. 2013 fanden Eine Teilnehmende gab an, dass es dort eine geringere Gespräche mit dem Land Schleswig-Holstein statt, Auswahl gibt und Spezialwünsche kaum realisierbar damit dieses die Integration nachhaltiger Kriterien bei sind. Es wurde angeregt, dass sich Hochschulen und der Ausschreibung unterstützt. Starck betont, dass der Forschungseinrichtungen in RLP vernetzen und sich Verbund ein wesentlicher Erfolgsfaktor für den neuen informieren, welche Möglichkeiten sie haben, sozial IT-Rahmenvertrag war, der auch von der Landesregie- verantwortliche IT-Hardware im Verbund zu be- rung geschätzt wird. schaffen. Als wichtige Ansprechpartner wurden das 2017 wurde der neue Rahmenvertrag für IT-Hardware Deutsche Forschungsnetz (DFN) zur Beschaffung und geschlossen mit einem Gesamtvolumen von rund zehn der Arbeitskreis IT-Strategie und Organisation des ZKI Mio. Euro. Um rechtliche Fehler bei der erstmaligen genannt. Ausschreibung, bei der soziale Kriterien angewendet werden sollten, zu vermeiden, wurde ein Consultant beschäftigt. Diese Dienstleistung bewertet Thomas Starck als sehr hilfreich. Nur ein Lieferant des vorhe- rigen Rahmenvertrages hat auch bei dieser Ausschrei- bung ein Angebot eingereicht. Starck merkt an, die Ausschreibung sei ein Beispiel dafür, dass es möglich ist, soziale Kriterien zu integrieren und sich ein lang- samer Bewusstseinswandel bei potenziellen Bietern und Ausschreibenden einstellt. Teilnehmer*innen diskutierten Handlungsspielräume. 19
Workshops Workshop E Kompass Nachhaltigkeit und Gütezeichen: SKEW Ann-Kathrin Voge von der Servicestelle Kommunen nicht eingestellt. Zudem würden nur einige Produkte in der Einen Welt (SKEW) stellte den Kompass Nach- zertifiziert, nicht aber ganze Produktlinien. Ann-Kathrin haltigkeit vor. Der Kompass Nachhaltigkeit ist ein Voge berichtet, dass die Aktualisierung des Katalogs gemeinsames Projekt der GIZ und der SKEW von zweimal im Jahr erfolgt. Aber gerade in der IT-Branche Engagement Global im Auftrag des BMZ und wurde für änderten sich die Produkte schnell und es müsse bei Beschaffer*innen entwickelt. Alle wichtigen Informa- jedem Anbieter gesondert nachgefragt werden, ob tionen zur öko-sozialen öffentlichen Beschaffung dieser das gewünschte Produkt gelistet hat. Die Re- werden auf einer Seite gebündelt und ergänzt, um den ferentin nimmt den Vorschlag mit, einen Hinweis auf Rechercheaufwand so gering wie möglich zu halten: der Homepage einzustellen, dass es mehr Gütezeichen • Überblick über die Einbindung von Nachhaltig- gibt als die im Kompass aufgeführten, jedoch noch keitsaspekten in allen Phasen des Beschaffungs- nicht alle eingearbeitet werden konnten (z.B. TCO vorganges Certified). • Produktsuche mit Gütezeichenfinder: Durch die Auswahl von sozialen, ökologischen und Glaub- Weitere Informationen: würdigkeitskriterien können Gütezeichen gefunden http://kompass-nachhaltigkeit.de werden, mit denen individuelle Vorgaben nachge- wiesen werde können (Def. von Gütezeichen nach Die Präsentation von Ann-Kathrin Voge ist abrufbar § 34 VgV). unter http://www.faire-beschaffung.de//content/ • Vergleich von Gütezeichen (beispielsweise zur uploads/2017/03/IT-Konferenz-V-Pr%C3%A4sentation- Prüfung auf Gleichwertigkeit, TCO wird noch ein- Voge.pdf gearbeitet). • Textbausteine für Vergabeunterlagen und eine Liste von Anbietern des Produktes mit zertifizierten Produkten (Unternehmensliste). • Zahlreiche kommunale Praxisbeispiele für konkrete Ausschreibungen (z.B. von Dataport) sowie Ratsbe- schlüsse, Dienstanweisungen, Leitfäden und vieles weitere im „Kommunalen Kompass“, Link zur Kom- petenzstelle für nachhaltige Beschaffung. • Grundlagenwissen, unter anderem zum gesetz- lichen Rahmen und den wichtigsten sozialen und ökologischen Hotspots im Lebenszyklus ausge- wählter Produktgruppen. • Geplant ist eine digitale Karte im Kommunalen Kompass, die die Suche nach kommunalen Praxis- beispielen für ein bestimmtes Produkt erleichtern soll. Im Workshop wurde über die Struktur und Änderungs- wünsche diskutiert. Ann-Kathrin Voge zufolge sei es schwierig den Markt komplett zu erfassen und somit alle Firmen, Siegelinitiativen und Kommunen zu erreichen. Die Homepage kann ausschließlich nach Gütezeichen filtern. Somit fallen Produkte heraus, für deren sozial verantwortliche Produktion bislang keine glaubwürdigen Gütezeichen existieren. Andere Der Kompass Nachhaltigkeit bietet viele Informationen, Beschaffungsstrategien, wie z.B. Fragenkataloge, sind so Ann-Kathrin Voge. 20
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