Zum demografischen Wandel 2013301201330120 - BEVÖLKERUNGSENTWICKLUNG Daten, Fakten, Trends
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BEVÖLKERUNGSENTWICKLUNG 2013 20 Daten, Fakten, Trends013 zum demografischen Wandel www.bib-demografie.de
Bevölkerungentwicklung Daten, Fakten, Trends zum demografischen Wandel Abkürzung der Ländernamen in den Karten: Herausgeber Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung AL = Albanien FI = Finnland ME = Montenegro AM = Armenien FR = Frankreich MK = Mazedonien Autoren: AT =Österreich GB = Vereinigtes Königreich NL = Niederlande Evelyn Grünheid, Christian Fiedler AZ = Aserbeidschan GE = Georgien NO = Norwegen BA = Bosnien und Herzegowina GR = Griechenland PL = Polen Abbildungen und Karten: BE = Belgien HR = Kroatien PT = Portugal Harun Sulak, Najeeb Ahmed BG = Bulgarien HU = Ungarn RO = Rumänien BY = Weißrussland IE = Irland RS = Serbien Erschienen im April 2013 CH = Schweiz IS = Island RU = Russische Föderation © Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung, CY = Zypern IT = Italien SE = Schweden Wiesbaden 2013 CZ = Tschechische Republik LI = Liechtenstein SI = Slowenien Vervielfältigung und Verbreitung, auch auszugs- DE = Deutschland LT = Litauen SK = Slowakei weise, mit Quellenangabe gestattet. DK = Dänemark LU = Luxemburg TR = Türkei Bildnachweis: EE = Estland LV = Lettland UA = Ukraine Fotolia (Titel) urn:nbn:de:bib-var-2013-012 ES = Spanien MD = Moldawien XK = Kosovo www.bib-demografie.de
VORWORT 3 Vorwort des Direktors des Bundesinstituts für Bevölkerungsforschung Liebe Leserinnen und Leser, die Bevölkerungsentwicklung hat erheblichen beleuchten dabei sowohl gegenwärtige und zukünf- Einfluss auf die gesellschaftliche, politische und tige Entwicklungen als auch langfristige Trends des ökonomische Situation in unserem Land. Es ist vor demografischen Wandels. allem die Alterung der Bevölkerung, die gegenwär- tig in Deutschland das Bild vom demografischen Die letzte vergleichbare Broschüre des BiB zum Wandel prägt: Heute ist etwa jeder Fünfte älter als demografischen Wandel stammt aus dem Jahr 2008 65 Jahre, zur Mitte des Jahrhunderts ist zu erwarten, und ist längst vergriffen. Die beständige Nachfrage dass es jeder Dritte sein wird. nach fundierten, aber leicht verständlichen Infor- mationen hat uns veranlasst, diese Broschüre in Zu diesem Trend und seinen Konsequenzen haben überarbeiteter Form neu aufzulegen und künftig in die Bürgerinnen und Bürger viele Fragen. Sie wollen kürzeren Abständen jeweils aktualisiert erscheinen wissen, wie sich der demografische Wandel auf das zu lassen. Leben in der Gesellschaft auswirken wird, welche Folgen sich für den Wohlstand ergeben und was Mit der vorliegenden Publikation setzt das Bun- diese Entwicklung für die eigene Zukunft bedeutet. desinstitut für Bevölkerungsforschung eine Reihe Das zunehmende Interesse an bevölkerungsrele- von Veröffentlichungen fort, in der oftmals komple- vanten Themen spiegelt sich auch in der Vielzahl xe wissenschaftliche Zusammenhänge über Ursa- von Anfragen wider, die das Bundesinstitut für Be- chen und Folgen der demografischen Entwicklung völkerungsforschung seitens der Politik und der für alle Interessierten verständlich dargestellt wer- Öffentlichkeit erreichen. den. Je besser die Wirkungszusammenhänge der Bevölkerungsentwicklung bekannt sind, umso eher Mit dieser Broschüre wollen wir aktuelle Daten, wird man erkennen, welche Chancen, aber auch wel- Fakten und Trends, die die Bevölkerungsentwick- che Gestaltungsaufgaben und Herausforderungen lung prägen, zusammenfassend präsentieren. Wir vor uns liegen. Prof. Dr. Norbert F. Schneider Direktor des Bundesinstituts für Bevölkerungsforschung www.bib-demografie.de
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I N H A LT 5 Inhalt Vorwort des Direktors des Bundesinstituts für Bevölkerungsforschung 3 1. Bevölkerungsentwicklung und Alterung 6 2. Erwerbstätigkeit und Bildung 20 3. Geburtenentwicklung 26 4. Schwangerschaftsabbrüche 30 5. Sterblichkeit 34 6. Außenwanderungen 38 7. Binnenwanderungen 44 8. Ausländische Bevölkerung 48 9. Eheschließungen 54 10. Ehescheidungen 58 11. Haushalte 62 12. Lebensformen 66 13. Weltbevölkerung 70 Abkürzung der Ländernamen in den Karten 74 www.bib-demografie.de
6 D AT E N – F A K T E N – T R E N D S 2 013 Bevölkerungsbilanz 1. Bevölkerungsentwicklung Über Jahrzehnte hinweg stieg die Bevölkerungszahl in Deutschland nahezu kontinuierlich an. Bis zum Be- und Alterung ginn der 1970er Jahre war dies vor allem ein Ergebnis hoher Geburtenüberschüsse, der Höchstwert wurde dabei im Jahr 1964 verzeichnet, als die Zahl der Ge- Gegenwärtig leben in Deutschland rund 82 Millionen Menschen. Diese Grö- burten um 487.000 über der der Sterbefälle lag. Mit ßenordnung hat sich seit Mitte der 1990er Jahre nur wenig verändert, sie dem starken Absinken des Geburtenniveaus ab Mitte hängt vom Zusammenspiel dreier grundlegender demografischer Prozesse der 1960er Jahre verringerte sich dieser Geburten- ab: der Entwicklung der Geburten, der Sterbefälle und der Bilanz der Zu- und überschuss kontinuierlich und schlug zu Beginn der Abwanderungen. 1970er Jahre in einen wachsenden Sterbefallüber- schuss um. Im Jahr 2011 wurden bereits rund 190.000 Menschen weniger geboren als im gleichen Jahr star- ben. Damit war diese zunehmend negative natürliche Bevölkerungsbilanz eine der Hauptursachen für den Rückgang des Bevölkerungswachstums. Betrachtet man die Entwicklung der Geburtenzah- len, so ist eine gewisse „Wellenbewegung“ zu erken- nen: gibt es stärker besetzte Geburtsjahrgänge bei den Eltern – wie z. B. bei den Babyboomern – werden auch die Kinderjahrgänge stärker besetzt sein, auch wenn die Kinderzahl je Frau unverändert bleibt. Die- ser Effekt schwächt sich von Welle zu Welle ab, lässt sich aber zum Beispiel an den höheren Geburtenzah- len Ende der 1980er Jahre erkennen. Bevölkerungsstand in Deutschland, 1815 bis 20111 Die Bevölkerungszahl Millionen in Deutschland ist mit 90 Ausnahme von Kriegszei- ten nahezu kontinuierlich 80 angewachsen. Seit Mitte der 1990er Jahre stagniert 70 sie bei rund 82 Millionen. 60 50 40 30 20 10 0 1815 1830 1845 1860 1875 1890 1905 1920 1935 1950 1965 1980 1995 2010 1 bis 1944 ehemaliges Reichsgebiet, 1945 bis 1989 Früheres Bundesgebiet und DDR insgesamt, ab 1990 Deutschland Datenquelle: Statistisches Bundesamt © BiB 2013 www.bib-demografie.de
B E V Ö L K E R U N G S E N T W I C K L U N G U N D A LT E R U N G 7 Bilanz der Lebendgeborenen und Gestorbenen in Deutschland, 1960 bis 2011 Anzahl in 1.000 1971 war das letzte Jahr, 1.400 in dem in Deutschland Lebendgeborene Gestorbene ein Geburtenüberschuss eintrat. Seitdem übersteigt 1.300 die Anzahl der Sterbefälle in jedem Jahr die Zahl der 1.200 Lebendgeborenen und Geburtenüberschuss dies tendenziell in wach- 1.100 sendem Umfang. 1.000 900 800 Sterbefallüberschuss 700 600 1960 1965 1970 1975 1980 1985 1990 1995 2000 2005 2010 Datenquelle: Statistisches Bundesamt © BiB 2013 Bilanz der Zu- und Fortzüge in Deutschland1, 1960 bis 2011 Anzahl in 1.000 In den meisten Jahren seit 1.600 1960 wiesen das Frü- Zuzüge Fortzüge here Bundesgebiet bzw. 1.400 Deutschland deutlich mehr Zu- als Abwanderungen 1.200 auf. Jahre mit Abwande- rungsverlusten bzw. nur geringen Zuwanderungs- 1.000 überschüssen sind vor allem auf ausgeprägte 800 Rückwanderungen z. B. von Arbeitsmigranten oder 600 Flüchtlingen zurückzufüh- ren. In den letzten Jahren 400 spielt auch die Bereini- gung von Melderegistern hierfür eine Rolle. 200 0 1960 1965 1970 1975 1980 1985 1990 1995 2000 2005 2010 1 bis 1990 Früheres Bundesgebiet, ab 1991 Deutschland Datenquelle: Statistisches Bundesamt © BiB 2013 www.bib-demografie.de
8 D AT E N – F A K T E N – T R E N D S 2 013 Methodische die hohen Zuwanderungsgewinne von fast 280.000 Bevölkerungsbilanz Erläuterung Personen überstiegen den natürlichen Saldo von Die Differenz aus Geburten und Sterbefällen wird als natürlicher Saldo bzw. natürliche Bilanz -190.000 Personen und erstmalig wuchs die Bevöl- bezeichnet. Überwiegt die Anzahl der Gebur- kerungszahl wieder leicht an. Inwieweit sich hier tat- ten die der Sterbefälle, spricht man von einem sächlich ein neuer Trend abzeichnet, wird sich aller- Geburtenüberschuss, im anderen Fall von einem dings erst in den nächsten Jahren erweisen. Sterbefallüberschuss. Ergänzt wird sie durch die Wanderungsbilanz, die sich als Differenz aus Zu- In West- und Ostdeutschland differiert die Bevöl- und Fortzügen über die betrachtete regionale Ein- kerungsbilanz seit der Wiedervereinigung erheblich. heit ergibt. Beide Prozesse zusammen bilden als Im Westen sorgte die hohe Zahl junger Frauen zu Be- Gesamtbilanz der Bevölkerung die Grundlage für ginn der 1990er Jahre noch für hohe Geburtenzahlen die jährliche Veränderung der Bevölkerungszahl. und damit einen Geburtenüberschuss (z. B. zwischen 1990 und 1994 pro Jahr 2,7 mehr Geborene als Ge- Die Wanderungssalden als Ergebnis von Zu- und Fort- storbene je 10.000 Einwohner). In den folgenden zügen unterliegen deutlich stärkeren Schwankungen Jahren entstanden Sterbefallüberschüsse vor allem als die natürlichen Salden. Hier spielen historische durch sinkende Geburtenzahlen. Die zurückgehenden Bedingungen wie gezielte Arbeitskräfteanwerbung, Wanderungsüberschüsse konnten seit 2006 diese Flüchtlingsströme durch Kriege, aber auch Gesetzesän- negative natürliche Bilanz nicht mehr kompensieren, derungen wie das Zuwanderungsgesetz oder die Rege- sodass auch in Westdeutschland der Gesamtsaldo lungen für (Spät-)Aussiedler eine entscheidende Rolle. bis 2010 negativ ausfiel und die Bevölkerungszahl Hinzu kommen Familiennachzüge der in Deutschland insgesamt absank. lebenden Ausländer oder in den letzten Jahren ver- Im Osten war die erste Hälfte der 1990er Jahre durch stärkte Abwanderung von Deutschen (vgl. Kapitel 6 den „demografischen Schock“ nach der Wiederverei- Außenwanderungen). Die in vielen Jahren erheblichen nigung gekennzeichnet. Im Ergebnis der damit verbun- Zuwanderungsüberschüsse machen deutlich, dass denen sozialen Unsicherheiten wurden demografisch sich die Bundesrepublik nach dem Zweiten Weltkrieg relevante Entscheidungen aufgeschoben. Das Gebur- zu einem Einwanderungsland entwickelt hat. tenniveau sank auf einen historischen Tiefstand und Bis 2003 führten die hohen Zuwanderungsüber- es entstand ein ausgeprägter Sterbefallüberschuss. schüsse noch zu insgesamt steigenden Bevölke- Gegen Ende der 1990er Jahre stieg die Geburtenzahl rungszahlen. Danach konnten auch positive Wande- wieder an. Das war auch mit der Realisierung von auf- rungssalden die hohen Sterbefallüberschüsse nicht geschobenen Geburten verbunden, also mit einem mehr ausgleichen, so dass die Bevölkerungszahl in „Nachholeffekt“. Trotzdem bleibt die natürliche Bilanz Deutschland sank. In einzelnen Jahren verschärften negativ und führt im Zusammenwirken mit den in den Abwanderungsüberschüsse diese Situation noch meisten Jahren negativ ausfallenden Wanderungszah- weiter. Für das Jahr 2011 zeigte sich eine Veränderung: len zu einem durchgängigen Verlust an Bevölkerung. Komponenten der Bevölkerungsentwicklung in West- und Ostdeutschland zwischen 1990 und 2011 (durchschnittlicher Saldo pro Jahr je 10.000 Einwohner) Westdeutschland ohne Berlin Ostdeutschland einschl. Berlin Durchschnitt Natürliche Wanderungs- Gesamt- Natürliche Wanderungs- Gesamt- der Jahre Bilanz bilanz bilanz Bilanz bilanz bilanz 1990-1994 2,7 103,2 105,9 -52,6 -4,1 -52,5 1995-1999 -0,4 31,2 30,8 -43,9 2,0 -41,9 2000-2004 -8,4 34,6 26,1 -31,9 -28,3 -60,2 2005-2009 -16,2 7,9 -8,2 -30,8 -20,9 -51,8 2010-2011 -20,3 29,0 8,7 -32,0 6,4 -25,7 Datenquelle: Statistisches Bundesamt, Berechnungen: BiB www.bib-demografie.de
B E V Ö L K E R U N G S E N T W I C K L U N G U N D A LT E R U N G 9 Bevölkerungsvorausberechnung Für die 12. koordinierte Bevölkerungsvorausbe- Langfristige Bevölkerungsvorausberechnungen sind rechnung, die einen Zeitraum bis 2060 abbildet, Modellrechnungen oder Projektionen, die zeigen, wurden für die beiden Varianten der „mittleren“ Be- wie sich eine Bevölkerung entwickeln würde, wenn völkerung folgende Annahmen zugrunde gelegt: man von bestimmten Annahmen für einzelne Kom- ponenten – Geburten, Lebenserwartung, Wanderun- >> Die zusammengefasste Geburtenziffer bleibt auf gen – ausgeht. Die damit errechneten Bevölkerungs- Dauer auf dem niedrigen Niveau von 1,4 Kindern zahlen und Altersstrukturen bilden einen Rahmen je Frau, das durchschnittliche Gebäralter steigt für die wahrscheinlich zu erwartende Entwicklung, weiter leicht an. falls die getroffenen Annahmen in etwa eintreffen. >> Die durchschnittliche Lebenserwartung nimmt Durch Bund und Länder werden auf der Basis der bis 2060 weiter zu auf 85,0 Jahre (Männer) bzw. fortgeschriebenen Bevölkerungszahlen und -struk- 89,2 Jahre (Frauen). turen regelmäßig koordinierte Bevölkerungsvor- >> Jährlich ziehen 100.000 (Untergrenze der „mitt- ausberechnungen erstellt, aktuell wird mit der 12. leren“ Bevölkerung) bzw. 200.000 (Obergrenze Vorausberechnung aus dem Jahr 2009 gearbeitet. der „mittleren“ Bevölkerung) mehr Personen Die nächste Vorausberechnung wird auf den Zensus- nach Deutschland zu, als das Land verlassen. ergebnissen von 2011 beruhen und dürfte sich da- mit von den vorangegangenen unterscheiden, denn Bei Eintreten dieser Annahmen würde die Bevöl- je weiter die letzten Volkszählungen zurückliegen, kerungszahl in Deutschland bis 2060 deutlich zu- desto ungenauer wird auch die Fortschreibung von rückgehen – je nach Wanderungsannahme auf rund Zahl und Struktur der Bevölkerung. Besonders wich- 64,7 Millionen bei der Untergrenze bzw. rund 70,1 tig für die zukünftige Bevölkerungsentwicklung sind Millionen bei der Obergrenze der „mittleren“ Bevöl- die Wanderungsannahmen, da bei Lebenserwartung kerung. Das würde einen Rückgang um 17 bzw. 12 und Geburtenentwicklung keine sprunghaften Ver- Millionen Menschen gegenüber der Bevölkerungs- änderungen zu erwarten sind. zahl des Jahres 2011 von 81,8 Millionen bedeuten. Bevölkerungsstand in Deutschland, 2000 bis 20601 Millionen Die Bevölkerungszahl in 90 Deutschland verringert sich zukünftig weiter. In welchem Ausmaß das 85 geschieht, wird vor allem von den Zu- und Abwan- derungen abhängen, da 80 Lebenserwartung und Obergrenze der "mittleren" Geburtenentwicklung Bevölkerung langfristig gesehen relativ 75 stabil verlaufen. 70 Untergrenze der "mittleren" Bevölkerung 65 60 2000 2005 2010 2015 2020 2025 2030 2035 2040 2045 2050 2055 2060 1 ab 2012: Ergebnisse der 12. koordinierten Bevölkerungsvorausberechnung des Bundes und der Länder Datenquelle: Statistisches Bundesamt © BiB 2013 www.bib-demografie.de
10 D AT E N – F A K T E N – T R E N D S 2 013 Altersstrukturen keinesfalls eine „ideale Altersstruktur“, weil sie Geburten-, Sterblichkeits- und Wanderungsent- auf einer hohen Sterblichkeit beruhte. Aber bereits wicklung spiegeln sich auch im Altersaufbau der hier wird der Beginn des demografischen Alte- Bevölkerung wider. Und jener wiederum ist neben rungsprozesses in Deutschland deutlich. Das Jahr diesen drei Prozessen mitentscheidend für die 1950 zeigt dann schon den schmaler werdenden zukünftige Bevölkerungsentwicklung, da er deren Sockel der jüngeren Jahrgänge und die tiefen Ein- Ausgangsbasis bildet. schnitte durch Kriege und Weltwirtschaftskrise. In Der Altersaufbau der Bevölkerung hat sich in der Gegenwart fallen neben dem immer geringeren den letzten 100 Jahren entscheidend verändert. Umfang der jüngeren Altersgruppen vor allem die Jahrhundertelang herrschte bei der Altersstruktur stark besetzten Jahrgänge der sogenannten „Ba- das Bild der sprichwörtlichen „Alterspyramide“ byboomer“ (Geburtsjahrgänge Ende der 1950er vor, das sich auch noch für 1910 mit Ausnahme bis Beginn der 1970er Jahre) auf. Für die nächsten der jüngsten Jahrgänge (die Geburtenzahlen sind Jahrzehnte wird sich der Trend zahlenmäßig kleiner bereits rückläufig) erkennen lässt. Dies war aber werdender Jahrgänge im jüngeren Alter fortsetzen, Schematische Darstellung des Altersaufbaus der Bevölkerung von 1910 bis 2060 (in Prozent der Gesamtbevölkerung) Die schematische Darstel- lung der Altersstrukturen 1910 1950 hat sich im Laufe von mehr 100 100 als 100 Jahren deutlich ge- wandelt. Für die Zukunft ist 80 80 mit einem immer schmaler werdenden Sockel in den jüngeren Jahrgängen zu 60 60 rechnen. 40 40 20 20 0 0 1,5 1,0 0,5 0,0 0,0 0,5 1,0 1,5 1,5 1,0 0,5 0,0 0,0 0,5 1,0 1,5 2011 2060 100 100 80 80 60 60 40 40 20 20 0 0 1,5 1,0 0,5 0,0 0,0 0,5 1,0 1,5 1,5 1,0 0,5 0,0 0,0 0,5 1,0 1,5 Datenquelle: Statistisches Bundesamt © BiB 2013 www.bib-demografie.de
B E V Ö L K E R U N G S E N T W I C K L U N G U N D A LT E R U N G 11 der Alterungsprozess in Deutschland wird sich be- durch die Kriegseinflüsse der beiden Weltkriege schleunigen. Selbst wenn die Kinderzahl pro Frau überproportional dezimiert worden, die Kriegszei- ansteigen sollte, würde dieser Trend durch den ten selbst sind durch massive Geburtenausfälle ge- Rückgang der Anzahl potenzieller Mütter nur sehr kennzeichnet und die 1960er Jahre des „goldenen langfristig gestoppt werden können. Zeitalters von Ehe und Familie“ haben zu den stark Der Altersaufbau zeigt dabei nicht nur die lang- besetzten Geburtsjahrgängen der Babyboomer ge- fristigen demografischen Trends, sondern auch führt. All diese Entwicklungen lassen sich am Al- kurzfristiger wirkende historische Einflüsse wie tersaufbau der Bevölkerung in Deutschland nach- Geburtenausfälle durch Kriege und Krisen, Kriegs- vollziehen, ebenso wie der Männerüberschuss im tote oder besonders stark besetzte Jahrgänge. jüngeren und der Frauenüberschuss im höheren Über Jahrzehnte hinweg sind die Männerjahrgänge Alter (siehe dazu Seite 11). Altersstruktur der Bevölkerung in Deutschland, 31.12.2011 Frauen Der Altersaufbau der Be- Männer Alter völkerung in Deutschland 100 spiegelt sowohl langfristi- Geburtentief im 95 Geburtentief im ge demografische Trends Gefallene des 1. Weltkrieg 1. Weltkrieg als auch kurzfristige histo- 2. Weltkriegs 90 rische Einflüsse wider. Frauenüberschuss 85 Geburtentief während der 80 Geburtentief während der Weltwirtschaftskrise um 1932 Weltwirtschaftskrise um 1932 75 70 Geburtentief Ende Geburtentief Ende 65 des 2. Weltkriegs des 2. Weltkriegs 60 55 50 Babyboom- Babyboom- Generation 45 Generation 40 Zweiter Geburten- Zweiter Geburten- rückgang 35 rückgang 1965-1975 1965-1975 30 Männerüberschuss 25 Geburtentief 20 Geburtentief Ostdeutschland Ostdeutschland 15 10 5 0 800 600 400 200 0 0 200 400 600 800 Personen in 1.000 Personen in 1.000 Datenquelle: Statistisches Bundesamt © BiB 2013 www.bib-demografie.de
12 D AT E N – F A K T E N – T R E N D S 2 013 Veränderungen zwischen den Altersgruppen veau, das vor allem in Westdeutschland schon seit Wie im vorangegangenen Abschnitt zu erkennen rund 40 Jahren das Geburtengeschehen bestimmt. war, unterliegt die Altersstruktur der Bevölkerung Dadurch nimmt der Umfang der nachwachsenden erheblichen Veränderungen. Bereits seit Ende des Generationen deutlich ab – jede Kindergeneration 19. Jahrhunderts verschiebt sich das Verhältnis ist etwa um ein Drittel kleiner als ihre Elterngene- von jungen und alten Menschen in der Bevölkerung ration, wobei ein Generationenabstand heute bei Deutschlands zugunsten der Älteren. Während der etwa 30 Jahren liegt. Langfristig verringert sich da- Anteil der unter 20-Jährigen 1871 noch bei 43 % mit nicht nur die Zahl der Kinder und Jugendlichen lag und nur 5 % der Bevölkerung 65 Jahre und äl- bis 20 Jahre von heute 14,9 Millionen auf zehn bis ter waren, liegen diese Werte heute bei 18 bzw. elf Millionen, sondern auch die Erwerbsbevölke- 21 %. Das heißt, heute ist bereits jeder Fünfte in rung von rund 50 Millionen könnte um mehr als ein Deutschland mindestens 65 Jahre alt. Viertel absinken. Die Hauptauswirkungen sind da- bei in den Jahren nach 2020 zu erwarten, wenn die In Zukunft wird sich dieses Verhältnis noch wei- geburtenstarken Jahrgänge – die Babyboomer – ter verschieben. Unter den Annahmen der 12. ko- aus dem Erwerbsleben ausscheiden. Bis 2020 ha- ordinierten Bevölkerungsvorausberechnung wird ben wir es vor allem mit einem Alterungsprozess der Anteil der unter 20-Jährigen bis zum Jahr 2060 innerhalb der Erwerbsbevölkerung zu tun. auf unter 16 % absinken und derjenige der älteren Menschen ab 65 Jahre weiter auf 34 % ansteigen. Den stärksten Anstieg wird es in Zukunft bei den Begründet ist dies durch das niedrige Geburtenni- Hochbetagten ab 80 Jahre geben, was zu steigenden Anteile der Altersgruppen unter 20, ab 65 und ab 80 Jahre in Deutschland, 1871 bis 20601 Bereits im ausgehenden Anteil in Prozent 19. Jahrhundert begann 50 die durchschnittliche Kin- unter 20 Jahre derzahl in Deutschland zu 65 Jahre und älter sinken, sodass der Anteil 80 Jahre und älter junger Menschen abnahm. 40 Parallel dazu wuchs der Anteil von Menschen ab 65 Jahre stark an: Gegen Ende des 19. Jahrhunderts war nur jeder Zwanzigste in 30 diesem Alter, mittlerweile ist es jeder Fünfte. 20 10 0 1871 1939 1960 1980 2000 2010 2020 2040 2060 1 ab 2012 Ergebnisse der 12. koordinierten Bevölkerungsvorausberechnung des Bundes und der Länder Variante 1W1; Untergrenze "mittlere" Bevölkerung (Wanderung 100.000) Datenquelle: Statistisches Bundesamt © BiB 2013 www.bib-demografie.de
B E V Ö L K E R U N G S E N T W I C K L U N G U N D A LT E R U N G 13 Anforderungen im Pflege- und Hilfebereich führen Mit der Senkung der Sterblichkeit insgesamt hat wird (vgl. dazu auch den Abschnitt Hochaltrigkeit sich auch diese Geschlechterproportion verän- und Pflege). Während ihr Anteil im Jahr 1871 noch dert. 1950 wurde ein zahlenmäßiger Gleichstand unter 1 % lag, gehören heute bereits mehr als 5 % zwischen den Geschlechtern im Alter um 20 bis 21 der Bevölkerung zu dieser Altersgruppe und bis zum Jahre erreicht. Mittlerweile ist diese Altersgrenze Jahr 2060 wird mit einem Anstieg auf 14 % gerech- fast kontinuierlich nach oben geklettert und liegt net. Das heißt, jeder Siebente wäre im Deutschland jetzt schon bei etwa 55 Jahren. des Jahres 2060 mindestens 80 Jahre alt. Damit wäre der Anteil 80-Jähriger und Älterer nur geringfü- Im höheren Altersbereich ist allerdings immer gig niedriger als der der unter 20-Jährigen. noch ein deutlicher Frauenüberschuss vorhanden, wenn auch die Aussage „das Alter in Deutschland In Ostdeutschland hat sich die Verschiebung ist weiblich“ weiter an Bedeutung verliert. zwischen den Altersgruppen durch den Geburten- einbruch Anfang der 1990er Jahre und die hohe Im Alter ab 80 Jahre – in dem ja auch noch die Abwanderung vor allem junger Menschen in noch höhere Lebenserwartung der Frauen zum Tragen stärkerem Maße vollzogen als in Westdeutschland. kommt – lebten zum Höhepunkt dieser zahlenmäßi- Der Anteil unter 20-Jähriger liegt hier gegenwärtig gen Geschlechterungleichgewichte in Deutschland bei unter 15 % (West über 19 %) und der Anteil der am Ende der 1990er Jahre rund 280 Frauen je 100 Altersgruppe ab 65 Jahre bei knapp 23 % gegen- Männer. Ursache dafür waren vor allem die durch über 20 % in Westdeutschland. die beiden Weltkriege stark dezimierten Männer- jahrgänge bis zum Geburtsjahrgang 1929, die auch Veränderungen des Geschlechterverhältnisses das Geschlechterverhältnis in den Altersgruppen Je 100 Mädchen werden normalerweise zwischen unterhalb von 80 Jahren deutlich beeinflussten. 105 und 106 Jungen geboren, es gibt also im Kin- des- und Jugendalter einen deutlichen männlichen Inzwischen verringert sich diese Proportion Überschuss. Dieser Überschuss wird reduziert durch auch jenseits der 80 Jahre kontinuierlich und liegt die höhere Sterblichkeit männlicher Säuglinge und 2011 in dieser Altersgruppe bei 197 Frauen je 100 Kleinkinder und dann noch einmal vor allem im Alter Männer. Nach den Annahmen der 12. koordinierten zwischen 15 und 25 Jahren durch eine höhere männ- Bevölkerungsvorausberechnung wird sich dieses liche Sterblichkeit im Ergebnis von Verkehrsunfällen Verhältnis weiter verringern und im Jahr 2060 ein und anderen unnatürlichen Todesursachen. Niveau von rund 170 zu 100 erreichen. Entwicklung des Geschlechterverhältnisses in den Altersgruppen ab 65 Jahre (Frauen je 100 Männer) Jahr 65 – 69 Jahre 70 – 74 Jahre 75 – 79 Jahre 80 Jahre und älter 1950 127 124 124 140 1960 154 151 146 147 1970 136 162 195 192 1980 164 173 180 243 1990 162 183 208 259 2000 112 132 198 277 2010 108 116 131 204 2011 108 115 130 197 Datenquelle: Statistisches Bundesamt www.bib-demografie.de
14 D AT E N – F A K T E N – T R E N D S 2 013 Medianalter Eine andere demografische Maßzahl zur Abbildung Medianalter der Alterung einer Gesellschaft ist das Medianalter Dieses teilt die Bevölkerung nach dem Alter in zwei gleich große Gruppen: Die eine Hälfte ist (s. methodische Erläuterung). Dieses Medianalter jünger als das Medianalter, die andere Hälfte ist ist in den letzten Jahrzehnten deutlich angestiegen. älter. Damit reagiert das Medianalter sensibler Es liegt bei Frauen durchgehend über dem Niveau auf eine Ungleichverteilung der Altersjahrgänge der Männer, was vor allem aus der höheren Lebens- innerhalb einer Bevölkerung als das Durch- erwartung der Frauen und dem Männerüberschuss schnittsalter. in den jungen Altersgruppen resultiert. Bei den Männern ist der Verlauf des Medianalters Altersprozess maßgeblich vorantreiben, sie werden zunächst noch durch ein Absinken in den 1950er dann zum größten Teil verstorben sein. und 1960er Jahren gekennzeichnet: die starken Ge- burtenjahrgänge in dieser Zeit und die ausgedünnte Das Durchschnittsalter, das als arithmetisches Mit- Generation der im Zweiten Weltkrieg gefallenen Män- tel des Alters aller Personen einer Bevölkerung berech- ner sorgten zunächst also für eine Verjüngung. Erst net wird, liegt um rund ein Jahr unter dem Medianalter danach näherte sich das Medianalter dem Verlauf und zwar bei Männern bei 42,6 Jahren und bei Frau- bei den Frauen an. Heute ist die Hälfte der Männer en bei 45,3 Jahren. Hierbei spielt die Besetzung der unter 43 Jahre alt, die Hälfte der Frauen unter 46 einzelnen Geburtsjahrgänge eine wichtige Rolle. Das Jahre. Dieses Medianalter wird weiter ansteigen mit höchste Durchschnittsalter haben die Menschen in erheblichen Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt, Sachsen-Anhalt, Sachsen und Thüringen, die jüngste auf Rentenversicherung und Gesundheitswesen. Ab Bevölkerung lebt in Hamburg, Berlin und Baden-Würt- der Mitte dieses Jahrhunderts ist dann bei beiden temberg. Dabei betragen die Unterschiede im Durch- Geschlechtern mit einer Stabilisierung des Kurven- schnittsalter zwischen Hamburg und Sachsen-Anhalt verlaufs bzw. einem leichten Rückgang zu rechnen. immerhin 3,7 Jahre bei den Männern und 5,0 Jahre bei Die Ursache dafür sind die geburtenstarken Jahrgän- den Frauen – auch ein Ergebnis der jahrelangen hohen ge der Babyboom-Generation, die gegenwärtig den Abwanderung junger ostdeutscher Frauen. Medianalter in Jahren, Deutschland 1950 bis 20601 Das Medianalter von Jahre Männern und Frauen ist in 60 den letzten Jahren stetig männlich weiblich angestiegen. 55 50 45 40 35 30 1950 1960 1970 1980 1990 2000 2010 2020 2030 2040 2050 2060 1 ab2012 Ergebnisse der 12. koordinierten Bevölkerungsvorausberechnung des Bundes und der Länder Variante 1W1; Untergrenze "mittlere" Bevölkerung (Wanderung 100.000) Datenquelle: Statistisches Bundesamt, Berechnungen: BiB © BiB 2013 www.bib-demografie.de
B E V Ö L K E R U N G S E N T W I C K L U N G U N D A LT E R U N G 15 Abhängigenquotienten sichtigen, dass Ende des 19. und zu Beginn des Das Zahlenverhältnis zwischen jungen und alten 20. Jahrhunderts mehr als 90 % der 15- bis unter Menschen ermöglicht nicht nur Einblicke in den 20-Jährigen bereits im Erwerbsleben standen, wäh- strukturellen Altersaufbau der Bevölkerung, es ver- rend dies gegenwärtig nur für weniger als ein Drittel deutlicht auch die Abhängigkeiten dieser Gruppen dieser Altersgruppe zutrifft. Andererseits ändert voneinander. sich auch das Renteneintrittsalter im Zeitablauf. Der sogenannte Jugendquotient beispielsweise Der niedrigste Gesamtquotient war in Deutschland gibt das Verhältnis der Kinder und Jugendlichen in den Jahren 1990 bis 1992 mit unter 58 zu verzeich- unter 20 Jahren zu den 20- bis 64-Jährigen wieder, nen. Zu dieser Zeit war der Jugendquotient bereits auf während man das Verhältnis der 65-Jährigen und ein Niveau von rund 34 abgesunken, der Altenquo- Älteren in Bezug zu den 20- bis 64-Jährigen als Al- tient aber begann erst stärker anzusteigen und lag tenquotient bezeichnet. Dieser Einteilung liegt die noch bei etwa 24. Nach den gegenwärtigen Voraus- idealisierte Vorstellung zugrunde, dass Menschen berechnungen wird der Gesamtquotient bis zum Jahr zwischen 20 und 65 Jahren als wirtschaftlich aktive 2060 erheblich ansteigen und noch über dem Niveau Gruppe die (finanzielle) Versorgung für die Jünge- von Ende des 19. Jahrhunderts liegen – allerdings ren bzw. die Älteren gewährleisten. Die Summe von mit entgegengesetzten Vorzeichen: dann wird der Jugend- und Altenquotient – der Gesamtquotient – Altenquotient zwei Drittel des Gesamtquotienten zeigt deshalb die ökonomische Belastung der Be- ausmachen und der Jugendquotient nur ein Drittel. völkerung im erwerbsfähigen Alter. Auch beim Niveau der Abhängigenquotienten zei- Dieser Gesamtquotient lag im Jahr 1871 bei 92,6 gen sich wieder deutliche West-Ost-Unterschiede: und damit um etwa ein Drittel höher als das gegen- Der niedrigere Gesamtquotient in Ostdeutschland wärtige Niveau. Grundlage dafür war ein sehr hoher von 59,9 gegenüber 64,5 in Westdeutschland wird Jugend- und ein sehr niedriger Altenquotient. Damit vor allem durch den erheblich niedrigeren Jugend- mussten relativ viele Ressourcen für die Versorgung quotienten von 23,9 (West 31,3) hervorgerufen, der der noch nicht bzw. nicht mehr Erwerbsfähigen die Geburtenausfälle nach der deutschen Wieder- eingesetzt werden. Allerdings ist dabei zu berück- vereinigung widerspiegelt. Jugend-, Alten- und Gesamtquotient in Deutschland, 1871 bis 2060 Jahr Jugendquotient1 Altenquotient2 Gesamtquotient3 1871 83,7 8,9 92,6 1910 85,4 9,8 95,2 1939 52,7 13,1 65,8 1950 50,8 16,3 67,0 2000 34,0 26,8 60,7 2010 30,3 33,8 64,1 2011 29,8 33,7 63,5 20304 30,7 52,8 83,5 20604 30,9 67,4 98,4 1 Jugendquotient = unter 20-Jährige je 100 20- bis 64-Jährige 2 Altenquotient = 65-Jährige und Ältere je 100 20- bis 64-Jährige 3 Gesamtquotient = unter 20-Jährige und 65-Jährige und Ältere je 100 20- bis 64-Jährige 4 2030 und 2060 entsprechend 12. koordinierter Bevölkerungsvorausberechnung des Bundes und der Länder, Variante 1W1 (Untergrenze der „mittleren“ Bevölkerung) Datenquelle: Statistisches Bundesamt, Berechnungen: BiB www.bib-demografie.de
16 D AT E N – F A K T E N – T R E N D S 2 013 Altenquotient (65-Jährige und Ältere je 100 20- bis 64-Jährige) in Deutschland, 2011 (Kreisebene) Der Altenquotient in Deutschland ist regional unterschiedlich ausge- ! prägt. In den Ballungsräu- Kiel men und großen Städten liegen die Werte deutlich ! ! Schwerin Hamburg unter dem bundesweiten Durchschnitt, ebenso in ! Bremen weiten Teilen Süddeutsch- !Berlin lands. Das beruht auf dem ! Hannover ! Potsdam starken Zuzug vorwie- ! Magdeburg gend junger Menschen. Demgegenüber gibt es in Ostdeutschland, an den ! Düsseldorf Küsten, im äußersten Wes- ! Dresden ! Erfurt ten sowie am Alpenrand viele Landkreise mit einem 23 bis unter 32 hohen Altenquotient. Wiesbaden ! 32 bis unter 34 ! Mainz 34 bis unter 36 36 bis unter 38 38 und höher Saarbrücken ! ! Stuttgart ! München Datenquelle: Statistisches Bundesamt, Berechnungen: BiB © BiB 2013 Geometrische Grundlage: © GeoBasis-DE / BKG (2012) Das zahlenmäßige Verhältnis zwischen jüngeren Der demografische Wandel und das Altern der und älteren Menschen ist regional sehr unterschied- Bevölkerung vollziehen sich also regional sehr un- lich, so dass der Altenquotient innerhalb Deutsch- terschiedlich. Städtische Zentren mit hoher Wachs- lands erheblichen Schwankungen unterworfen ist. tumsdynamik bei Bevölkerung und Wirtschaftskraft Hierbei spielt vor allem die Abwanderung junger stehen schon heute strukturschwachen Regionen Menschen eine entscheidende Rolle: Wenn viele Jun- gegenüber, die von Alterung und Abwanderung be- ge aus einer Region wegziehen, dann altert — rein troffen sind. Diese unterschiedlichen Entwicklun- rechnerisch — die verbleibende Bevölkerung in die- gen werden sich in Zukunft weiter verstärken und sem Gebiet umso rascher. Außerdem geht mit dem erhebliche Auswirkungen auf die Nutzung und An- Wegzug junger Frauen auch die zukünftige Mütter- forderung von Infrastruktureinrichtungen haben. In generation verloren. Generell lässt sich sagen, dass den Wachstumsregionen steigt die Nachfrage nach Städte aufgrund ihres Angebots an Bildungseinrich- Wohnraum, Verkehrsinfrastruktur, Erholungsflä- tungen, Arbeitsplätzen und Freizeitmöglichkeiten chen, Bildungs- oder Versorgungseinrichtungen. attraktiv für junge Menschen sind. Sie ziehen also In strukturell benachteiligten Räumen geht es um tendenziell weg vom Land in Richtung der Ballungs- die Aufrechterhaltung der Daseinsvorsorge für zentren. Dieses Phänomen zeigt sich seit vielen Jah- die dort lebenden Menschen. Während einerseits ren in weiten Teilen der neuen Bundesländer, und also Wachstum gefördert wird, sind andererseits hier vor allem in strukturschwachen Gebieten. Schrumpfungsprozesse zu erwarten. www.bib-demografie.de
B E V Ö L K E R U N G S E N T W I C K L U N G U N D A LT E R U N G 17 Altenquotienten (65-Jährige und Ältere je 100 20- bis 64-Jährige) in Europa, 2011 IS bis unter 20 26 bis unter 29 Die Altenquotienten in den 20 bis unter 23 29 und höher europäischen Ländern weisen ein sehr unter- IS FI 23 bis unter 26 keine Daten NO SE schiedliches Niveau auf. EE LV RU DK LT BY IE GB NL PL BE DE LU CZ UA SK AT CH HU MD FR SI HR RO BA RS IT ME XK BG GE MK AL ES AM AZ PT GR TR MT CY Datenquelle: Eurostat © BiB 2013 Das Altern der Bevölkerung ist nicht auf Deutsch- Bei unseren europäischen Nachbarländern wei- land beschränkt. In nahezu allen Staaten weltweit sen die Alterungsprozesse viele unterschiedliche kann ein Alterungsprozess beobachtet werden, Spezifika auf. In Italien und in einigen osteuropä- allerdings vollzieht er sich global mit unterschied- ischen Ländern hat der starke Geburtenrückgang lichen Geschwindigkeiten. In Japan altert die Be- die Alterung deutlich beschleunigt, während in Ir- völkerung besonders schnell, weil sich die hohe land, Skandinavien oder auch in der Türkei dieser Lebenserwartung und die niedrige Geburtenrate Prozess wesentlich langsamer voranschreitet. Die in ihren Wirkungen verstärken. Auch China, mit 1,3 unterschiedlichen Niveaus der Altenquotienten in Milliarden Einwohnern gegenwärtig noch das bevöl- Europa spiegeln sowohl die niedrigen Geburtenzah- kerungsreichste Land der Erde, steht ein rasanter len der letzten Jahrzehnte, die zu geringeren Zahlen Alterungsprozess bevor, weil die Ein-Kind-Politik junger Erwerbsfähiger geführt haben, wider als auch die Zahl der Geburten in den letzten Jahrzehnten die Differenzen in der ferneren Lebenserwartung der drastisch beschränkt hat, wodurch die Kinderge- höheren Altersgruppen mit unterschiedlich steigen- nerationen deutlich kleiner ausfallen als die Eltern- den Besetzungen im höheren Alter. generationen. Weitere Informationen zum Thema: www.bib-demografie.de/ bevoelkerungsbilanz_altersstruktur www.bib-demografie.de
18 D AT E N – F A K T E N – T R E N D S 2 013 Hochaltrigkeit und Pflege Pflegebedürftige Auch wenn mit der steigenden Lebenserwartung Gemäß SGB XI gelten Personen als pflegebedürf- die Lebensjahre in Gesundheit zunehmen, wird es tig, wenn sie aufgrund körperlicher, seelischer zukünftig immer mehr hochbetagte Senioren ge- und geistiger Behinderung oder Krankheit dauer- ben. Heute leben in Deutschland über vier Millionen haft auf Hilfe angewiesen sind, um den täglichen Menschen, die älter als 80 Jahre sind. Nach Vor- Ablauf des Lebens bewältigen zu können. Dabei beurteilt die jeweilige Pflegekasse, ob und in ausberechnungen des Statistischen Bundesamtes welchem Grad eine Pflegebedürftigkeit besteht. soll diese Zahl bis zur Mitte des Jahrhunderts auf Je nach Schwere des Krankheitszustandes wer- etwa zehn Millionen klettern. Da mit zunehmendem den Pflegebedürftige in die Pflegestufen I bis III Alter das Risiko für gesundheitliche Beeinträchti- unterteilt. gungen steigt, ist in Zukunft mit einer Zunahme al- tersbedingter Krankheiten zu rechnen. Körperliche große Herausforderung sein. Gegenwärtig gelten Probleme in der zweiten Lebenshälfte sind zudem etwa 2,3 Millionen Menschen in Deutschland als oftmals chronisch und irreversibel, gerade bei be- pflegebedürftig im Sinne des XI. Sozialgesetzbu- tagten Menschen treten häufig Multimorbidität und ches. Folgt man den Status-quo-Berechnungen des erhebliche Mobilitätseinschränkungen auf. Bei psy- Statistischen Bundesamtes (also unter Beibehaltung chischen Erkrankungen spielen Depressionen oder der aktuellen Pflegequoten), dann dürfte diese Zahl demenzielle Erkrankungen ebenfalls eine wichtige innerhalb der nächsten beiden Jahrzehnte um die Rolle. Die medizinische Versorgung und altersge- Hälfte auf etwa 3,4 Millionen wachsen, wobei der rechte Pflege dieser Menschen wird deshalb eine Anteil der unter 60-jährigen Pflegefälle abnimmt. Pflegebedürftige in Deutschland 2005 bis 2030 nach Altersgruppen (Anteile in Prozent) Anteil in Prozent 60 50 40 30 20 10 0 2005 2010 2015 2020 2025 2030 unter 60 Jahre 60 bis unter 85 Jahre 80 Jahre und älter Datenquelle: Statistisches Bundesamt, Pflegestatistik (ab 2015 Status-quo-Modell) www.bib-demografie.de
B E V Ö L K E R U N G S E N T W I C K L U N G U N D A LT E R U N G 19 Pflegebedürftige 2011 nach Versorgungsart 2,5 Millionen Pflegebedürftige insgesamt zu Hause versorgt in Heimen vollstationär versorgt 1,76 Millionen (70 %) 743.000 (30 %) zusammen mit/durch durch Angehörige: ambulante Pflegedienste: 1,18 Millionen Pflegebedürftige 576.000 Pflegebedürftige durch 12.300 ambul. Pflegedienste in 12.400 Pflegeheimen1 mit 291.000 Beschäftigten mit 661.000 Beschäftigten 1 einschl. teilstationäre Pflegeheime Quelle: Statistisches Bundesamt Vor dem Hintergrund ansteigender Pflegefallzah- Maß ist vor allem für das Unterstützungspotenzial len gewinnt der qualitative Aspekt der Pflege an bedeutsam – es zeigt, in welcher Relation alte Men- Bedeutung. Gegenwärtig spielt die häusliche Pflege schen in Zukunft auf die Hilfeleistungen und Pflege durch Angehörige eine wichtige Rolle: Etwa 70 % durch Jüngere rechnen können bzw. in welcher Form aller Pflegebedürftigen werden zu Hause betreut, dieses Potenzial bei steigender Lebenserwartung die meisten davon durch Familienangehörige. abnimmt. Vor allem nach 2020, wenn die gebur- tenstarken Jahrgänge aus der Altersgruppe der bis Speziell für die Alterssicherungssysteme und 65-Jährigen ausscheiden, wird die zahlenmäßige Pflegeleistungen werden Unterstützungsziffern Relation zwischen den Hochbetagten und ihrer Kin- errechnet, welche die Verschiebung der Bevölke- dergeneration immer ungünstiger werden. rungsanteile zwischen den Generationen deutlich machen. So stellt der „intergenerationelle Unter- Hinzu kommt die zunehmende Kinder- und En- stützungskoeffizient“ die Zahl der Menschen ab kellosigkeit sowie die Auflösung traditioneller Fa- 80 Jahren ins Verhältnis zur Größe der nachfolgen- milienstrukturen, die dazu führen, dass Pflege in den Generation zwischen 50 und 64 Jahren – also Zukunft zunehmend von institutionellen Anbietern der Söhne und Töchter der ab 80-Jährigen. Dieses zu leisten sein wird. Intergenerationeller Unterstützungsquotient in Deutschland, 2005 bis 2030 Altersgruppe 50 bis 64 Altersgruppe ab 80 Jahre Intergenerationeller Unterstützungskoeffizient Jahr 50- bis 64-Jährige in 1.000 je einen 80-Jährigen und Älteren 2005 15.143 3.681 4,1 2010 16.344 4.307 3,8 2011 16.871 4.401 3,8 2015 18.363 4.814 3,8 2020 19.245 6.007 3,2 2025 17.887 6.225 2,9 2030 15.743 6.417 2,5 Ab 2015 berechnet nach 12. koordinierter Bevölkerungsvorausberechnung, Variante 1W1 (Untergrenze der „mittleren“ Bevölkerung) Datenquelle: Statistisches Bundesamt, Berechnungen: BiB www.bib-demografie.de
20 D AT E N – F A K T E N – T R E N D S 2 013 Gegenwärtig profitiert Deutschland von den stark 2. Erwerbstätigkeit besetzten Jahrgängen der Babyboom-Generation. Im Jahr 2011 waren durchschnittlich 38,0 Mil- und Bildung lionen Menschen zwischen 20 und 64 Jahren in Deutschland erwerbstätig – und damit so viele wie nie zuvor. Allein seit 2001 hat diese Zahl um 3,1 Der demografische Wandel wird sich mittelfristig auch auf den Arbeitsmarkt Millionen Erwerbstätige zugenommen. Für diesen auswirken, weil sich mit der Alterung und der Schrumpfung der Bevölkerung Anstieg gibt es mehrere Gründe: Zum einen trug auch die Erwerbstätigenstruktur verändern wird. Die geburtenstarken Jahr- die positive ökonomische Lage dazu bei, dass die gänge der Babyboomer, die gegenwärtig einen Großteil der Erwerbsperso- Zahl der verfügbaren Arbeitsplätze gestiegen ist. nen stellen, werden bis 2030 aus dem Arbeitsmarkt ausscheiden. Befürch- Zum anderen hat sich aber auch die allgemeine Er- tungen, die aus ökonomischer Sicht im Zusammenhang mit der künftigen werbsneigung erhöht, die Erwerbstätigenquote der demografischen Entwicklung oftmals genannt werden, sind: ein Engpass an 20- bis 64-Jährigen wuchs von 69 % auf nunmehr jungen und hochqualifizierten Mitarbeitern, ein Rückgang bei der Innovati- 76 %. Vor allem Frauen drängen immer stärker in onskraft und Produktivität der Unternehmen sowie niedrigere Beitragszah- den Arbeitsmarkt. Waren 2001 noch rund 61 % der lungen bei steigenden Sozialausgaben. Führt der demografische Wandel die Frauen im erwerbsfähigen Alter erwerbstätig, so Menschen in Deutschland also zu einem Wohlstandsverlust? Und welche erhöhte sich dieser Anteil mittlerweile auf 71 %. Möglichkeiten gibt es, den Rückgang der Erwerbsbevölkerung abzumildern? Bei den Männern fiel der Anstieg von 76 auf 81 % Welche Rolle kommt dabei der Bildung zu? deutlich schwächer aus, allerdings auf einem hö- heren Niveau. Erwerbstätigenquote nach Alter und Geschlecht in Deutschland, 2000 und 2011 Männer sind in allen Anteil an der Bevölkerung im jeweiligen Alter (in Prozent) Lebensjahren zu einem 100 höheren Grad erwerbstätig als Frauen. Dennoch hat 90 gerade in den letzten Jah- ren die Frauenerwerbstä- 80 tigkeit stark zugenommen. 70 60 50 40 30 20 10 0 15 20 25 30 35 40 45 50 55 60 65 70 75 Alter in Jahren 2000 Männer Frauen 2011 Männer Frauen Datenquelle: Statistisches Bundesamt, Mikrozensus © BiB 2013 www.bib-demografie.de
E R W E R B S TÄT I G K E I T U N D B I L D U N G 21 leben teil. Vereinbarkeitsprobleme von Beruf Erwerbstätigenquote und Familie tragen mit dazu bei, dass Frauen Die Erwerbstätigenquote setzt die Zahl der zumindest zeitweise aus dem Erwerbsleben Erwerbstätigen einer Bevölkerung in Bezug zur Gesamtzahl der Bevölkerung im gleichen Alter ausscheiden. und Geschlecht. Dabei wird die Arbeitskräfte- erhebung des Statistischen Bundesamtes als >> Während der letzten Jahre hat sich die Erwerbs- Datengrundlage verwendet, die das interna- beteiligung erheblich verändert: Zum einen tional vereinbarte Labour-Force-Konzept der treten junge Menschen später ins Erwerbsle- Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) für den Erwerbsstatus zugrunde legt. Demnach gilt als ben ein als noch um die Jahrtausendwende, erwerbstätig, wer ab einem Alter von 15 Jahren was auf eine im Schnitt längere Ausbildungs- mindestens für eine Stunde gegen Lohn arbeitet. phase zurückzuführen ist. Zum anderen ist die Erwerbsbeteiligung bei Menschen über 55 Jahren stark angestiegen. Betrachtet man die Erwerbsbeteiligung in Deutsch- land nach Alter und Geschlecht, so wird ein typi- Um dem demografisch bedingten Rückgang der Er- scher Verlauf deutlich, der durch folgende Kennzei- werbsbevölkerung entgegenzuwirken, sind mehrere chen charakterisiert ist: Lösungsansätze denkbar: Der frühere Eintritt in das Erwerbsleben, der spätere Austritt aus der Erwerbs- >> Über den gesamten Lebensverlauf hinweg be- phase, eine Erhöhung der Frauenerwerbstätigkeit trachtet sind Männer zu einem höheren Grad sowie der Zuzug von ausländischen Arbeitskräften. erwerbstätig als Frauen. Die Phase mit der höchsten Erwerbsbeteiligung liegt bei Männern Erwerbsbeteiligung von Frauen zwischen dem 35. und 45. Lebensjahr, ihre Er- An der gestiegenen Erwerbsbeteiligung in Deutsch- werbstätigenquote erreicht in dieser Zeit rund land sind Frauen in besonderer Weise beteiligt. 90 %. Bei Frauen hingegen ist die Erwerbsar- Gegenwärtig gehen sieben von zehn Frauen einer beit zwischen dem 45. und dem 55. Lebensjahr bezahlten Arbeit nach, so viel wie nie zuvor. Bei der mit rund 80 % am stärksten verbreitet. schulischen und beruflichen Qualifikation haben Frauen die Männer mittlerweile überholt: Unter >> Der stärkste geschlechtsspezifische Unter- den 30- bis 34-Jährigen gelten 35 % der Frauen als schied ist im Alter zwischen 25 und 40 Jahren zu hochqualifiziert, bei den Männern sind es mit 31 % beobachten. Während Männer in dieser Phase etwas weniger. bereits zu einem hohen Teil erwerbstätig sind, Der besseren Ausbildung zum Trotz unterliegt die nehmen Frauen deutlich seltener am Erwerbs- Erwerbsbeteiligung von Frauen sehr viel stärker fa- Gründe für Teilzeittätigkeit nach Geschlecht 2011 (in Prozent) Grund Männer Frauen keine Vollzeittätigkeit zu finden 24,1 14,3 Aus- und Weiterbildung 23,0 6,4 Betreuung von Kindern und Pflegebedürftigen 2,7 26,1 sonstige familiäre oder persönliche Verpflichtungen 7,6 27,6 Krankheit oder Unfallfolgen 6,8 2,6 Vollzeittätigkeit aus anderen Gründen nicht erwünscht 35,9 23,0 Datenquelle: Statistisches Bundesamt, Mikrozensus www.bib-demografie.de
22 D AT E N – F A K T E N – T R E N D S 2 013 miliären Einflüssen als bei Männern. Bedingt durch schen Erwerbsarbeit und Ruhestand. Bei den Frau- die Kinderbetreuung oder die Pflege älterer Ange- en zeigt sich ein gänzlich anderes Bild: hier stehen höriger weisen viele Frauen keine durchgängige Er- familiäre Aufgaben sowie die Betreuung von Kin- werbsbiografie auf oder sind überdurchschnittlich dern und Angehörigen an erster Stelle. Dement- oft in Teilzeitarbeitsverhältnissen beschäftigt. So sprechend sind die meisten Frauen in einem Alter arbeitet fast die Hälfte aller erwerbstätigen Frauen zwischen 35 und 60 Jahren teilzeitbeschäftigt, in Deutschland (45 %) weniger als 32 Stunden pro weil in diesem Altersabschnitt familienbezogene Woche, bei den Männern sind nur rund 10 % in Teil- Aufgaben besonders häufig anfallen. zeit beschäftigt. Im internationalen Vergleich gibt es nur in den Die Gründe für diese Erwerbsform unterscheiden Niederlanden höhere weibliche Teilzeitquoten als sich zwischen den Geschlechtern sehr deutlich: in Deutschland, während in einigen osteuropä- So üben Männer Beschäftigungen in Teilzeit oft ischen Ländern diese Art der Beschäftigung bei nur dann aus, wenn sie keine Vollzeitstelle finden Frauen weitgehend unbekannt ist (Bulgarien 2 %, oder wenn sie an einer Fort- bzw. Weiterbildungs- Slowakei 5 %). Im EU-Durchschnitt liegt der Wert maßnahme teilnehmen. Das hat zur Folge, dass die bei rund 32 %. In den einzelnen Ländern variieren meisten Männer mit Teilzeitbeschäftigung entwe- die Gründe, warum Teilzeit gearbeitet wird, stark. der unter 30 Jahre oder über 55 Jahre alt sind, sich So hätten 48 % der Spanierinnen lieber eine Voll- also entweder in der Übergangsphase zwischen zeitstelle, finden aber keine, während 28 % Fami- Ausbildung und Erwerbsleben befinden oder zwi- lienpflichten als Hinderungsgründe nannten. Teilzeiterwerbstätigkeit von Frauen zwischen 15 und 64 Jahren in Europa 2011 (in Prozent) IS In Deutschland und in den bis unter 10 Niederlanden arbeiten FI 10 bis unter 20 Frauen am häufigsten auf 20 bis unter 30 Teilzeitbasis. In einigen SE NO 30 bis unter 40 osteuropäischen Ländern 40 und höher ist diese Art der Beschäf- EE keine Daten tigung für Frauen weitge- hend unbekannt. LV DK LT IE GB NL PL BE DE CZ LU SK AT FR CH HU SI RO IT BG ES PT GR TR MT CY Datenquelle: Eurostat © BiB 2013 www.bib-demografie.de
E R W E R B S TÄT I G K E I T U N D B I L D U N G 23 Erwerbsbeteiligung junger Menschen der gleichen Altersgruppe dort nur noch ein Drittel Immer mehr junge Menschen streben eine höhere in der Ausbildungsphase befindet. Die Reduzierung Qualifikation an: Im Jahr 2011 erreichten bereits der Gymnasialzeit auf acht Jahre, der Wegfall von 43 % der Schulabgänger die allgemeine Hoch- Wehr- und Ersatzdienst sowie eine Verschlankung schul- oder Fachhochschulreife, zehn Jahre zuvor des universitären Studiums sollen dazu beitragen, waren es nur 30 %. Während der Anteil der Schüler den Übergang in das Erwerbsleben zu beschleuni- mit Realschulabschluss weitgehend stabil blieb gen. (rund 36 %), verringerte sich der mit Hauptschul- abschluss von 24 % auf rund 17 %. Der zunehmen- Erwerbsbeteiligung älterer Menschen de Anteil von studienberechtigten jungen Men- Während die Erwerbsbeteiligung Jüngerer in den schen hat dazu geführt, dass die durchschnittliche letzten Jahren abgenommen hat, stieg sie bei äl- Dauer der Ausbildung gestiegen ist, was wiederum teren Menschen deutlich an. Allein zwischen 2001 den Eintritt in das Erwerbsleben verzögert. und 2011 kletterte die Erwerbstätigenquote bei Männern im Alter von 55 bis 64 Jahren von 46 % auf Deutschland besitzt im europäischen Vergleich nunmehr 67 %, bei Frauen in der gleichen Alters- eine relativ lange Ausbildungszeit. Im Jahr 2011 gruppe von 29 % auf 53 %. Ursachen für den An- befand sich rund die Hälfte der 20- bis 24-Jährigen stieg sind neben der allgemein guten Wirtschafts- in Ausbildung oder Studium, der EU-Durchschnitt lage auch ein steigender Bedarf an erfahrenen Ar- liegt etwas darunter. In Großbritannien sind die beitskräften. Aufgrund der höheren Qualifikation Ausbildungszeiten sehr viel kürzer, so dass sich in der Erwerbstätigen und der Anhebung des Renten- Erwerbstätigenquote im Alter von 55 bis 64 Jahren in Deutschland 1, 1970 bis 2011 Anteil in Prozent In den letzten Jahren ist die 100 Erwerbstätigenquote von Männer älteren Menschen deutlich 90 angestiegen. Bei Frauen Frauen erreichte sie 2011 einen 80 neuen Höchststand, bei den Männern lag das Ni- 70 veau in den 1970er Jahren noch erheblich darüber. 60 50 40 30 20 10 0 1970 1975 1980 1985 1990 1995 2000 2005 2010 1 1970 bis 1990 Früheres Bundesgebiet Datenquelle: Statistisches Bundesamt © BiB 2013 www.bib-demografie.de
24 D AT E N – F A K T E N – T R E N D S 2 013 eintrittsalters auf 67 Jahre ist davon auszugehen, stieg seit Beginn der 1990er Jahre kontinuierlich dass diese Quoten in den kommenden Jahren wei- an und erreichte im Jahr 2011 einen neuen Höchst- ter steigen werden. stand. Im Langzeitvergleich zeigt sich allerdings, dass Auch jenseits der bisherigen Regelaltersgren- die steigende Erwerbsbeteiligung in dieser Alters- ze ist der Anteil erwerbstätiger Menschen ange- gruppe ein relativ neues Phänomen darstellt: Seit stiegen. Mittlerweile geht jeder zehnte Bürger in den 1970er Jahren war die Erwerbsbeteiligung vor Deutschland zwischen 65 und 69 Jahren einer allem älterer Männer nämlich stark rückläufig und bezahlten Beschäftigung nach, damit hat sich die hatte sich von 85 % im Jahr 1970 auf einen Tiefst- Erwerbsbeteiligung gegenüber 1996 verdoppelt. wert um die Jahrtausendwende reduziert. Im Jahr Dabei fällt auf, dass es in dieser Altersklasse vor 2001 war nicht einmal mehr die Hälfte der 55- bis allem Hochgebildete sind, die einer bezahlten Be- 64-jährigen Männer erwerbstätig. Ursache für die- schäftigung nachgehen: Bei Männern mit Hoch- sen Rückgang waren neben Strukturänderungen schulabschluss ist jeder Fünfte (19,4 %) erwerbs- im Arbeitsmarkt auch großzügige Regelungen, die tätig, bei Männern mit niedrigem Bildungsniveau Frühverrentungen sowohl für Arbeitgeber als auch nur jeder Vierzehnte (6,9 %). Dieser bildungsspe- Arbeitnehmer attraktiv gemacht haben; diese An- zifische Zusammenhang lässt sich auch für Frauen reize sind mittlerweile stark limitiert. Ein gänzlich nachweisen (9,9 % bzw. 6,2 %). Diese Zahlen be- anderes Bild zeigt sich übrigens bei den Frauen im legen, dass die Arbeit im Rentenalter nicht nur aus Alter von 55 bis 64 Jahren: deren Erwerbstätigkeit ökonomischen Gründen erfolgt. Erwerbstätigenquoten 65- bis 69-jähriger Männer und Frauen, 1996 bis 2011 Die Erwerbsbeteiligung in Prozent von Menschen jenseits 14 des gesetzlichen Renten- Männer eintrittsalters ist in den Frauen letzten Jahren erheblich 12 angestiegen. 10 8 6 4 2 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 Datenquelle: Statistisches Bundesamt, Mikrozensus © BiB 2013 www.bib-demografie.de
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