Zeitschrift der Lebenshilfe Wien - Ehrenamtliche Vorstandsarbeit

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Zeitschrift der Lebenshilfe Wien - Ehrenamtliche Vorstandsarbeit
Zeitschrift der Lebenshilfe Wien

                                                              Frühjahr 2021

                                                        www.lebenshilfe.wien
    Das
  große
Intervie       Ehrenamtliche
        w
              Vorstandsarbeit

  60 Jahre Lebenshilfe Wien Seite 10
  Aktuelles in der Erwachsenenvertretung Seite 32
Zeitschrift der Lebenshilfe Wien - Ehrenamtliche Vorstandsarbeit
Vor.wort

                     Liebe Leserin!
                     Lieber Leser!
Corona, Corona – Können wir endlich über            Doch nun darf man sich berechtigte Hoffnung
etwas Anderes reden? Verständlich ist dieser        auf baldige Besserung machen! Im März
Wunsch vieler BürgerInnen. Auch die Bewoh-          und April erhielten Betreute und Personal im
nerInnen unserer Wohngemeinschaften wollen          Rahmen des Wiener Impfplans ihre Covid-
lieber wieder regelmäßig zu ihrer Arbeit in die     19-Schutzimpfung. Vorsicht bleibt geboten,
Werkstätten fahren. Die engagierten Selbst-         Flexibilität ist weiterhin gefragt, aber auf eine
vertreterInnen wollen ihre KollegInnen wieder       Entspannung der Lage und eine Rückkehr ge-
lieber persönlich sehen als per Videokonferenz.     wisser „Normalitäten“ bis zum Sommer dürfen
Die „teilbetreuten“ Kundinnen und Kunden            sich alle freuen! Lesen Sie darüber und über
wollen gerne wieder alle ihre FreundInnen
                                     VEREIN  per-   andere „Blitzlichter“ des Umgangs mit der
sönlich treffen, und die „vollbetreuten“ wieder     Pandemie in diesem Heft.
mehr Ausflüge unternehmen. Die Mitarbei-
terInnen wollen wieder in den kreativen und         Über die Coronakrise hinaus wollen wir Sie in
produktiven Vollbetrieb aller Werkstattgruppen      dieser „Mitmachen“-Ausgabe natürlich auch
einsteigen und aktives, geselliges Freizeitleben    über andere wichtige Ereignisse in und außer-
in den Vordergrund stellen und nicht die tägli-     halb der Lebenshilfe Wien informieren. Ganz im
che nervenaufreibende Kontrolle der Einhaltung      Sinne unserer heurigen Kampagne überall dort,
von Maskendisziplin, Sicherheitsabständen           wo die Lebenshilfe Wien Menschen mit und
und Handhygiene. Von Quarantänen bei Covid-         ohne Behinderung im Leben „weiterbringt“.
19-Fällen, häufigem Umstürzen von Dienst-           Heute und schon seit 1961, als die Lebenshilfe
plänen und Fahrtendienst-Routen und zusätzli-       Wien als Elterninitiative gegründet wurde.
chen Beaufsichtigungslasten von Angehörigen
ganz zu schweigen...                                Ich wünsche Ihnen eine interessante Lektüre!

                                                    Bernhard Schmid
                                                    Generalsekretär, Lebenshilfe Wien

                                                           Spendenkonto
Zeitschrift der Lebenshilfe Wien - Ehrenamtliche Vorstandsarbeit
Inhalt
Mittendrin
 4 Neue Arbeitsaufgaben durch Corona
 5 Vollbremsung durch Covid-19
 6 Arbeiten im Ausnahmezustand                                                 Quarantäne-Einkauf für eine
 8 „Wir können nix machen, dass wir es haben!“                                 betroffene Wohngemeinschaft.
 9 Alle wünschen sich die alte Normalität zurück                               Foto: Kochgruppe, Tagesstruktur
                                                                               Dresdner Straße
10   60 Jahre Lebenshilfe Wien
12   Persönliche Fragen an eine Zeitzeugin                                     MITMACHEN Frühjahr 2021
13   Generalversammlung                                                        Impressum und Offenlegung
13   Die Lebenshilfe trauert um Dr. Heinz Trompisch
                                                                               Herausgeber/Verleger:
                                                                               Lebenshilfe Wien, Verein für Menschen
Das große Interview                                                            mit intellektueller Beeinträchtigung
14 Neue Frauenpower im Vorstand der Lebenshilfe Wien                           ZVR 870109504
                                                                               Brehmstraße 12/12, 1110 Wien
Fort- und Weiterbildung                                                        Tel.: 01 - 812 26 35
                                                                               Fax: 01 - 812 26 35 - 30
16 Alles eine Frage der Haltung                                                E-Mail: office@lebenshilfe.wien
                                                                               www.lebenshilfe.wien
Tagesstruktur
18 Für die Süßen unter euch: Schwarzwälder-Kirschtorte                         Redaktion:
                                                                               Nicole Reiter
20 Monika Trummer – unsere neue Leiterin in der Rueppgasse                     Mag. Bernhard Schmid
21 Nachruf Ingrid Burger
22 Meine Nicht-Mehr-Kollegin Sylvia Zagler                                     Grafisches Konzept:
                                                                               HG-CROSSMEDIA.COM
23 Neu im Führungsteam
                                                                               Druck:
Wohnen                                                                         Gerin Druck GmbH, 2120 Wolkersdorf
24 Ein buntes Haus für ein Altern in Würde                                     Vorstand:
28 Wie und wo man wohnt, will gut überlegt sein                                Präsident: Dipl.-Ing. Stefan Sedlitz;
                                                                               1. Vizepräsidentin: Sophie Sperl, MA;
Geld und Recht                                                                 2. Vizepräsident: Hanns-Christoph
30 Finanzielle Hilfen in Wien                                                  Brunotte; Kassier: Wolfgang J. Kraus;
                                                                               2. Kassierin: Mag.a Isabella Wotava,
32 Erwachsenenvertretung aktuell                                               MBA; Schriftführerin: Renate Neubauer
34 Rückerstattung Kostenbeitrag Fonds Soziales Wien                            2. Schriftführerin: Rosa Prinz;
                                                                               Mitglieder: Brigitta Weiss, Isabelle
36 Zoom-Seminar: „2-Säulen-Modell“ am 18. Mai 2021                             Bosse, Silvia Janisch;
38 Das 2-Säulen-Modell in einfacher Sprache                                    Rechnungsprüfer: Mag. Siegbert Nagl;
                                                                               2. Rechnungsprüferin: Maria Schiestl;
Wien inklusiv                                                                  Ehrenpräsidenten: Univ.-Prof. Dr.
                                                                               Meinhard Regler, Dr. Egon Prinz,
40 Gutes PatientInnen-Gespräch mit dem GEKO                                    Dkfm. Dr. Walter Eigner
42 Mitspracherecht bei FSW-Dienstleistungen
                                                                               Vereinszweck:
43 Der Journalist unter uns                                                    Der Verein, dessen Tätigkeit überkon-
                                                                               fessionell, überparteilich und nicht auf
                                                                               Gewinn gerichtet ist, bezweckt den
                                                                               Schutz und die Förderung der sozialen,
 Wir sind für Sie da!                                                          wirtschaftlichen, beruflichen, gesund-
                                                                               heitlichen und kulturellen Interessen der
                                                                               Menschen mit intellektueller Beein-
 Carina Altenhofer, BSc, Assistentin der Geschäftsführung, vereinbart          trächtigung; sowie der Interessen der
 für Sie gerne persönliche Gesprächstermine:                                   von dieser Beeinträchtigung mitbetrof-
                                                                               fenen Angehörigen, außer diese sind
   mit unserem Präsidenten DI Stefan Sedlitz                                  mit den Interessen des Menschen mit
    mit unserem Geschäftsführer Mag. Joachim Mair                             intellektueller Beeinträchtigung nicht
                                                                               vereinbar.
     mit unserer fachlichen Leitung Mag.a Karin Gerbautz
      mit unserer Beraterin über Wohn- u. Werkstattplätze Mag.a Ingrid Wick   Blattlinie und Erscheinungsweise:
       mit unserem Generalsekretär Mag. Bernhard Schmid                       Die Zeitschrift MITMACHEN erscheint
                                                                               zwei Mal jährlich und enthält aktuelle
 Telefon: 01 - 812 26 35, E-Mail: office@lebenshilfe.wien                      Informationen rund um Arbeit und
                                                                               Services der Lebenshilfe Wien sowie
 Spendenkonto Lebenshilfe Wien:                                                sozialpolitische Themen für Menschen
 Bank Austria, IBAN: AT29 1200 0006 0139 9942, BIC: BKAUATWW                   mit intellektueller Beeinträchtigung
                                                                               und ihre Angehörigen.
Zeitschrift der Lebenshilfe Wien - Ehrenamtliche Vorstandsarbeit
MIT.MACHEN         MITTENDRIN

Ein wichtiger
                   Neue Arbeitsaufgaben
erster Schritt!
Am 17. und 18.
März gab es für
                   durch Corona
den Großteil un-
                   Maria Hainzlmeier-Bruckner arbeitet normalerweise in der Lebenshilfe Wien als
serer KundInnen
und Mitarbeite-    Krankenschwester im SeniorInnenhaus Nauschgasse. Jetzt ist sie auch für Testungen
rInnen die erste   und die Impfkoordination zuständig.
Teilimpfung in
unserer Tages-
struktur im 20.
                   Frau Hainzlmeier-Bruckners Credo ist,         die Evaluierung des Allgemeinzustandes
Bezirk.
                   Menschen zu helfen, sich selber zu helfen     der SeniorInnen und vieles mehr.
                   und etwas gemeinsam zu schaffen. Als
                   Mitarbeiterin der Lebenshilfe Wien ist sie    Im Kampf gegen Covid-19
                   seit 2011 als diplomierte Gesundheits- und    Im September 2020 übernahm Frau Hainzl-
                   Krankenpflegerin an unserem Standort in       meier-Bruckner die ersten PCR-Testungen
                   Wien-Donaustadt im Einsatz. Zu ihren Ar-      und im Oktober 2020 dann die ersten
                   beitsaufgaben zählen dabei das Impfen, die    Antigen-Testungen. Sie hat alle internen
                   Gesundheitsvorsorge, die Medikamenten-        PflegeassistentInnen eingeschult, damit sie
                   bestellung und -gebarung, die Kommunika-      auch Testungen durchführen können. Die
                   tion mit den ÄrztInnen, die Praxisanleitung   Impfkoordination hat sie mit Ende Jänner
                   der PraktikantInnen, der Verbandswechsel,     übernommen.

       4
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MITTENDRIN      MIT.MACHEN

Seitdem kommuniziert sie mit Behörden zu
rechtlichen Fragen zum Thema Impfen, be-                                     „Ich möchte allen
stellt den Impfstoff, checkt das Impfteam,                                   Menschen, die geimpft
berät KundInnen und MitarbeiterInnen und
plant gemeinsam mit den Bereichsleitun-
                                                                             werden wollen,
gen den Ablauf der Impfung und die Orga-                                     zu diesem Schritt
nisation der Impfstraßen.
                                                                             verhelfen, damit sich
Frau Hainzlmeier-Bruckners größter                                           das Leben hoffentlich
Wunsch nach der Pandemie: „Allen Men-                                        bald wieder
schen, die mir etwas bedeuten, wieder ins
Gesicht sehen zu können und sie in den                                       normalisiert“
Arm nehmen zu können! (Besonders meine                                       Maria Hainzlmeier-Bruckner
lieben KundInnen in der Nauschgasse!)“

Vollbremsung durch
Covid-19
Wie in allen Bereichen des täglichen Lebens hat Corona auch in der Freiwilligen-Arbeit
vieles von einem Moment auf den anderen unmöglich gemacht.

Lockdowns mit Ausgangssperren        dieser Ausnahmezustand noch           Holzer. „Aber schon durch die
und der Aufforderung, möglichst      anhalten? Wann endlich wird es        Unmöglichkeit, Schnuppertermi-
alle Kontakte auf notwendige und     genug Impfstoff geben, damit          ne vor Ort zu vereinbaren, um
unaufschiebbare zu reduzieren.       alle ausreichend geschützt und        ein Kennenlernen aller Beteiligten
Keine Besuchsmöglichkeiten           regelmäßige Kontakte wieder           möglich zu machen, steckt man
von freiwilligen HelferInnen an      möglich sind? Diese Unsicherheit      in der Wartschleife. Wir halten
den Standorten. Eine sehr ent-       und Nicht-Planbarkeit erschwert       auch mit all unseren Ehrenamtli-
behrungsreiche Zeit für unsere       auch das Arbeiten im Bereich der      chen Kontakt, auch wenn es oft
KundInnen und für die vielen Eh-     Freiwilligenkoordination unseres      keine konkreten Aussichten gibt,
renamtlichen, die nicht mehr wie     Vereins erheblich!                    wann ein Wiedersehen wieder
gewohnt Besuche und Ausflüge                                               unbeschwert möglich ist“, schil-
unternehmen können.                  Immer wieder melden sich inte-        dert Holzer die aktuelle Situation.
                                     ressierte Personen, die freiwillig
Auch für unser Personal, das nun     aktiv werden möchten. „Persön-        Kontakt halten in
alle KundInnen den ganzen Tag        licher Kontakt ist fast unmöglich,    Krisenzeiten
im Haus betreut, ist es ein großer   über Mail und Telefon versuche        Aber natürlich geben sich unsere
Mehraufwand. Und über allem          ich, Erwartungen und Möglich-         engagierten Freiwilligen nicht
die große Verunsicherung: Wie        keiten abzuklären“, berichtet         so schnell geschlagen! Kuchen
geht es weiter? Wie lange wird       Freiwilligenkoordinatorin Birgit      wird vorbeigebracht, telefonisch

                                                                                                           5
Zeitschrift der Lebenshilfe Wien - Ehrenamtliche Vorstandsarbeit
MIT.MACHEN         MITTENDRIN

nachgefragt, wie es den Men-      laufen an, Erleichterungen im         wir mit frischem Elan in gemein-
schen mit Behinderungen geht,     öffentlichen Leben werden in          same Unternehmungen starten
Geburtstagswünsche werden         Aussicht gestellt und die wärme-      können! In der Freiwilligen-Koor-
ausgesprochen und vieles mehr.    re Jahreszeit sollte wieder Einiges   dination stehen wir auf jeden Fall
Und natürlich immer wieder        leichter und besser möglich           in den Startlöchern und hoffen
nachgefragt: Wann endlich geht    machen.                               darauf, nicht zu viel Zeit und Frei-
es wieder los?                                                          willige verloren zu haben. Alles
                                  In diesem Sinne erwarten wir,         nimmt wieder Fahrt auf!
Telefonate oder Videotelefonie    dass es bald wieder losgeht und
sind nur ein sehr schwacher
Ersatz für persönliche Besuche.
Auch ist das Interesse der Kun-                         Birgit Holzer
dInnen diesbezüglich oft enden                          Freiwilligen-Koordinatorin
wollend und schließt fast immer                         Telefon: 0681 – 107 914 84
mit der Frage: „Wann kommst                             E-Mail: freiwillig.aktiv@lebenshilfe.wien
denn wieder?“

Nun endlich im Frühling scheint
es weiter zu gehen. Impfungen

Arbeiten im Ausnahmezustand
Auch für das Mitsprache-Team ist die Arbeit seit Corona (im März 2020)
schwierig geworden.

Im 1. Lockdown gab es große Unsicherheit. Wir hatten einen Notbetrieb in einer
Werkstatt. In unserer Gruppe waren die Selbstfahrer (das sind Personen, die
selbstständig zu Arbeit kommen) 2 Monate zuhause. Wir durften nur einkaufen
(Lebensmittel) oder spazieren gehen. Man durfte sich nicht mit Freunden treffen.
Im Mai 2020 sind die Selbstfahrer unserer Gruppe dann wieder in die Werkstatt
gekommen. Die Leute im Wohnhaus waren 3 Monate zuhause.

Im November kam es dann zum 2. Lockdown bis Anfang Dezember. Wir waren
in dieser Zeit nur 4 Leute in der Gruppe. Normalerweise sind wir 7.
Die Werkstätten waren bei diesem Lockdown offen. Nur zu Weihnachten waren
sie geschlossen.
Nach einer kurzen Pause kam es dann zum 3. Lockdown.

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Zeitschrift der Lebenshilfe Wien - Ehrenamtliche Vorstandsarbeit
MITTENDRIN   MIT.MACHEN

                                                Eine schwierige Zeit
                                                für Menschen mit
                                                Lernschwierigkeiten
                                                und die Arbeit geht
                                                nur langsam voran.

Diese Zeit war und ist für viele Menschen mit Lernschwierigkeiten sehr schwer.
Wenige können sich selber gut beschäftigen.
Für die Leute im Wohnbereich ist es besonders hart, weil sie schon lange nicht
mehr in der Werkstatt waren.

Wir hören von allen Seiten, wie schwierig die Situation für alle ist. Das Maske-
Tragen fällt vielen und auch uns sehr schwer. Welche Masken besser oder
schlechter waren wurde lange und viel diskutiert.
Dazu kommt: Es muss 2 Mal am Tag Fieber gemessen werden. Es war und ist
wichtig eine Durchmischung zu vermeiden, das heißt wir bleiben in unseren
Gruppen. Es müssen regelmäßig die Hände gewaschen und desinfiziert werden.
Auch die Abstände einzuhalten, ist für viele unserer Kollegen nicht leicht möglich.

Unser Kernthema Mitsprache geht nur eingeschränkt und langsam voran.
Wir, die MiT-Gruppe, können viele persönliche Termine nicht wahrnehmen.
Wo es möglich ist, verwenden wir Zoom. Man kann Videoanrufe damit machen.
Wir haben die Selbstvertreter und Werkstatträte versucht, telefonisch und über
die Handy-App Signal zu erreichen. Man kann Videoanrufe damit machen. Das
war gerade für diese Personengruppe nicht leicht. Der persönliche Kontakt fehlt.
Es gibt seit März 2020 keine Selbstvertretertreffen mehr. Auch Austauschtreffen
für die Werkstatträte können wir nicht mehr machen.

Am 17. und am 18. März 2021 haben fast alle von uns die erste Impfung gegen
Covid-19 bekommen. Im April dann die zweite.

Traurig ist, dass es derzeit schwer ist, Angehörige auf ihrem letzten Weg
zu begleiten. Wir hoffen, dass alles besser wird und wir bald wieder alle
zusammenkommen können. Das Leben läuft weiter.

                                                                                 7
Zeitschrift der Lebenshilfe Wien - Ehrenamtliche Vorstandsarbeit
„
MIT.MACHEN

Wir können nix
machen, dass
wir es haben!“
                     MITTENDRIN

                                                                     Andreas Etzenberger (links) unternimmt mit
                                                                     seinem Assistenten Mag. Markus Wagen-
                                                                     hofer im Lockdown öfters Spaziergänge.

Wie geht es uns dabei, wenn          kaufen muss man Maske tragen.        Kennst du jemanden, der
sich die Arbeit und der ge-          Wir können nix machen, dass wir      krank geworden ist?
wohnte Tagesrhythmus durch           es haben. Insgesamt geht es mir      Ich kenne niemanden. Ein Freund
die Pandemie verändern?              aber gut.                            ist in einem Männerheim im 21.
Ein Gespräch über den Corona                                              Bezirk. Ich darf ihn nicht be-
bedingten neuen Lebensab-            Das geht uns allen so. Manch-        suchen. Ich hab für ihn etwas
schnitt von Markus Wagenhu-          mal ist es anstrengend, dann         gekauft, er hat kein Geld. Ich hab
ber, Assistent im Teilbetreuten      geht’s wieder gut. Bei mir hat       ihm Brot, Streichwurst und Würs-
Wohnen, und seinem Kunden            sich die Arbeit sehr verändert.      teln und Milch gebracht.
Andreas Etzenberger.                 Ich sehe meine KollegInnen           Das ist nett von dir, Du hilfst
                                     selten. Der Austausch war mir        immer gerne.
Andi, jetzt haben wir schon          immer sehr wichtig. Das ver-         Ja, so ist das halt.
ein Jahr lang Corona. Wie            misse ich. Gibt’s was, auf das
geht’s dir damit? Was hat sich       du stolz bist, Andi?                 Momentan gibt’s ja keine Frei-
bei dir so verändert?                Ich hab mich an die Verordnun-       zeitangebote. Fehlt dir das?
Die Arbeit hat sich verändert.       gen gehalten. Ich habe die Maske     Spazieren bin ich einmal mitge-
Zwei Wochen bin ich zu Hause         aufgesetzt. Und trotzdem habe        gangen. Das geht mir nicht ab.
und dann eine Woche Arbeiten.        ich meine Schwester besucht          Ich bin meistens bei meiner
Ich gehe gerne in die Arbeit. Aber   und ihr geholfen. Ich hab bei der    Schwester. Reiten war ich auch
ich bin auch gerne zu Hause, weil    Polizei nachgefragt, ob ich das      einmal mit. Das hat mir Spaß
ich eh viel zu tun habe. Im Büro     darf. Wenn jemand Hilfe braucht,     gemacht. Wir beide gehen jetzt
gibt es keine Geburtstagsfeiern      darf ich helfen, haben sie gesagt.   oft Spazieren.
mehr. Da bin ich gerne hingegan-
gen.                                 Niemand ist krank geworden.          Das ist neu. Das haben wir vor
                                     Allen geht es soweit gut. An-        Corona nicht gemacht. Da kön-
Ja und das Mittwochs-Café            fangs war es sehr schwierig,         nen wir gut reden und gesund
gibt’s auch nicht mehr. Immer        aber man findet einen Umgang         ist die Bewegung draußen
wieder werde ich gefragt,            damit. Unser Team ist super.         auch.
wann es aufsperrt. Und ich           Flexibel, anpassungsfähig und        Was wünschst du dir für
muss immer wieder sagen,             füreinander da. Herrscht bei dir     dieses Jahr?
dass ich das nicht weiß. Dass        schon Lockdown-Müdigkeit?            Ich würde gerne in die Werkstatt
ich nicht weiß, wie die Corona       Was heißt das?                       im 20. Bezirk auf Besuch gehen
Situation sich entwickelt.           Reicht´s dir schon mit dem           und in die WG Rollingergasse.
Anstrengend ist es schon. In der     Corona?
U-Bahn Maske tragen. Beim Ein-       Ja, ich will, dass es vorbei ist.

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Zeitschrift der Lebenshilfe Wien - Ehrenamtliche Vorstandsarbeit
MITTENDRIN       MIT.MACHEN

Alle wünschen sich die alte Normalität zurück
Nachgefragt haben wir auch bei Marion                Wie geht es den KundInnen?
Lukas, Leiterin des Teilbetreuten Wohnen,            Das kann ich ebenfalls nicht pauschal beantwor-
was durch Corona in der Arbeit im Teilbetreu-        ten. Alle haben einen Weg gefunden mit der
ten Wohnen alles anders geworden ist:                Situation umzugehen – manchmal gelingt das gut,
Ich kann es schwer beschreiben: Durch die Mas-       manchmal nicht so. Alle wünschen sich die alte
ken und das Abstandhalten hat sich auch das Zwi-     Normalität zurück, das Gefühl von „Wie-es-früher-
schenmenschliche verändert. Genau das, was in        war“.
unserer Arbeit so wichtig ist. Eine Kundin meinte,
dass alles so unpersönlich geworden ist.             Herrscht Lockdown-Müdigkeit?
Durch die Maßnahmen und Lockdowns waren              Ja. Derzeit haben die Geschäfte wieder offen.
wir sehr stark eingeschränkt und konnten unsere      Das ist schon mal ein Pluspunkt. Einkaufen gehen
KundInnen nicht im vollen Ausmaß bei ihren Zielen    ist für viele sehr wichtig. Glücklicherweise ist für
und Wünschen begleiten – zum Beispiel beim           unsere KundInnen auch die Tagestruktur offen.
Erweitern ihres Bekanntenkreises.                    Vor allem sehnen viele die gemeinsamen Ausflüge
                                                     herbei. Auch nach unserem „Mittwochs-Cafe“,
Wie geht es euch nach diesem Jahr?                   bei dem sich normalerweise viele zum Plaudern
Es ist von Tag zu Tag und von Person zu Person       und Kaffeetrinken treffen, wird immer wieder
unterschiedlich. An manchen Tagen läuft es ganz      gefragt.
gut und an manchen würde man am liebsten „den
Hut draufhauen“.                                     Gab’s Betroffene?
Ich denke aber, dass sich alle mit der Situation     Ja, aber glücklicherweise nur zwei.
arrangiert haben und versuchen, das Beste draus
zu machen – etwas Anderes bleibt uns nicht übrig.    Wie lebt es sich so isoliert, ohne großem
                                                     Freizeitangebot?
Was waren die größten Herausforderungen?             Unsere KundInnen haben das große Glück, dass
Die Kurzarbeit im 1. Lockdown für unser Team.        sie die Möglichkeit bekommen haben, die Tages-
Wir mussten und wollten trotz der ganzen Um-         struktur zu besuchen. So treffen sie, unter Einhal-
stände für alle so gut wie möglich da sein und sie   tung der Maßnahmen, andere Personen. Dadurch
begleiten. Für viele waren wir die einzigen sozia-   kann der Isolation entgegengewirkt werden.
len Kontakte. Aber auch die Ungewissheit – was
kommt da auf uns zu? Wie lange müssen wir in so      Gibt es Personen, die Neues durch die Zeit
einer Ausnahmesituation leben?                       für sich entdeckt haben, Spaziergänge, ein
                                                     neues Hobby?
Worauf seid Ihr stolz?                               Eine Kundin hat die Zeit genutzt und ihre Woh-
Wir haben fast ein Jahr geschafft und werden es      nung neu gestaltet. Einige entdecken durch ausge-
auch weiterhin tun!                                  dehnte Spaziergänge neue Plätze in Wien.
Ich bin stolz auf mein Team und dankbar! Es gab
Höhen und Tiefen, aber alle haben ihr Bestes         Was sind die Wünsche für 2021?
gegeben, um unserer KundInnen durch diese ganz       Normalität! Ohne Masken und Abstand beieinan-
spezielle Zeit zu begleiten.                         der sein und an den persönlichen Zielen weiterar-
Außerdem bin ich stolz auf unsere KundInnen, die     beiten.
das letzte Jahr so gut gemeistert haben.

                                                                                                            9
Zeitschrift der Lebenshilfe Wien - Ehrenamtliche Vorstandsarbeit
Foto: dentsu

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               Die Lebenshilfe Wien begleitet heute Menschen mit Behinderungen bei einem
               möglichst selbstbestimmtem Leben inmitten unserer Stadt.

                                        60 Jahre Lebenshilfe Wien
               „Was wird                Vor 60 Jahren trafen die Eltern von Schüle-                          Elternhaus. Beides keine guten Zukunftsop-
                                        rinnen und Schülern der Sonderschule 3.,                             tionen. Auch einige LehrerInnen unter
               mit meinem               Paulusgasse 9-11, immer wieder zusam-                                dem engagierten Schuldirektor Karl Ryker
               Kind, wenn               men. Sie brachten ihre Kinder in die Schule                          wollten nicht, dass die SchülerInnen ihre
                                        und holten sie nach Schulende wieder ab.                             erlernten Fertigkeiten wieder verlieren. So
               es die
                                        Die Sorge, was aus den Kindern nach der                              beschloss man gemeinsam die Gründung
               Schule                   Schulzeit wird, schweißte die Angehörigen                            unseres Vereins.
               beendet?“                zusammen und machte sie letztlich aus der
                                        Not heraus erfinderisch. Die Wahl bestand                            Rahmenbedingungen gestalten
                                        damals lediglich zwischen Anstaltsunter-                             Viele gesetzliche Errungenschaften gehen
                                        bringung und lebenslanger Versorgung im                              auf die Initiative der Lebenshilfe Wien zu-
                                                                                                             rück, so z.B. das erste Behindertengesetz
                                                                                                             für Wien (1966), die erhöhte Familienbeihil-
                                                                                                             fe (1973), die „Dauerleistung“ der Sozialhil-
                                                                                                             fe (1974), ein modernes Sachwaltergesetz
                                                                                                             (1984) oder das Pflegegeld (1993).

                                                                                                             Heute betreibt die Lebenshilfe Wien 12
                                                                                                             Wohngemeinschaften, drei Standorte, von
                                                                                     Foto: Meinhard Regler

                                                                                                             wo aus Menschen mit Behinderungen teil-
                                                                                                             betreut bei einem Leben in ihren eigenen
                                                                                                             Wohnungen begleitet werden, sowie sechs
                                                                                                             Werkstätten. Die Organisation beschäftigt
                                                                                                             insgesamt rund 300 MitarbeiterInnen und
               Vor Gründung der Lebenshilfe war für Menschen mit Behinderungen
               der Familienverbund oft die einzige Unterstützung im Leben
                                                                                                             begleitet 450 KundInnen mit intellektueller
               (Meinhard Regler, Dritter von links, Präsident der Lebenshilfe Wien                           Beeinträchtigung. Der Verein bietet Interes-
               von 2008 bis 2017, begleitete seinen Bruder Norbert, Mitte, Anfang                            senvertretung, Angehörigenberatung und
               der 1960er-Jahre jeden Tag in die Sonderschule Paulusgasse).                                  Vereinsveranstaltungen an.

                     10
1966 errichtete die                MITTENDRIN   MIT.MACHEN
                                           Lebenshilfe Wien
                                           ihre erste Werkstatt
                                           in der Effingergasse
                                           in Wien-Ottakring.

        Meilensteine seit der Vereinsmeldung im Jahre 1961:
                              Start des Garconnierenwohnens in 11.,
                                         Braunhubergasse

         Start des
Arbeitsintegrationsprojekts
                                                     2019                       Amtliche Meldung
                                                      Februar
                                                                               der Vereinsgründung
        Allegro Plus
                               2012                               1961
                                    Juni                           15. Juni

     Eröffnung                                                                            Erste Werkstatt
SeniorInnenhaus 22,
  Nauschgasse 2a
                         2011                                            1966         in 16., Effingergasse 23
                                                                         September
                                                                                               eröffnet
                          Februar

              Die
     SelbstvertreterInnen       1999                              1979             Erstes Wohnhaus
                                                                                 in 18., Krenngasse 2
         treffen sich               Mai                           September
       zum ersten Mal                               1986                                eröffnet

                                                       März

                               Erste SeniorInnen-Tagesgruppe in 12.,
                                   Hetzendorfer Str. 118 gestartet

          Zeitweise waren auch Kindergärten, eine Spielothek und eine Lehrwerkstätte im Angebot.

                                                                                                          11
MIT.MACHEN         MITTENDRIN

Persönliche Fragen
an eine Zeitzeugin                                                                            Dr. Maria
                                                                                              Bruckmüller

Maria Bruckmüller war als junge Religionslehrerin in der
Sonderschule Paulusgasse persönlich dabei, als die
Lebenshilfe Wien 1961 gegründet wurde. Als ehemalige
pädagogische Leiterin der Lebenshilfe Wien (1979-1987)                  Mission in mir verspürt. Es hat
und Präsidentin der Lebenshilfe Österreich (1989-1996)                  sich für mich vieles in meinem
war sie dann in der Pension ehrenamtlich in der Mehrfach-               Leben ergeben, es waren „die
behindertenambulanz der Barmherzigen Brüder Wien tätig.                 Wege Gottes“. Der Umgang
Als Ehrenpräsidentin der Lebenshilfe Österreich ist sie bis             mit verschiedenen Menschen,
heute aktiv.                                                            verschiedener Herkunft, verschie-
                                                                        dener Sprache, verschiedener
                                  sie es wollen, mit der dazu ge-       Religion, mit und ohne Behin-
                                  wünschten Unterstützung.              derung haben mir stets Freu-
                                                                        de gemacht und war für mich
                                  Was haben wir der                     selbstverständlich! Genau dieser
                                  Inklusions-Idee am meisten            selbstverständliche Umgang hat
                                  zu verdanken?                         mich lebenslang angetrieben,
                                  Die gegenseitige Achtung ist          und diesen selbstverständlichen
                                  enorm gestiegen, der Umgang           Umgang habe ich auch immer
                                  miteinander hat sich stark ver-       und überall eingefordert.
                                  bessert, gesellschaftliche Vielfalt
                                  wird zugelassen und akzeptiert.
Was war für Sie der größte
Beitrag der Lebenshilfe Wien      Wo sehen Sie noch
in den letzten 60 Jahren?         Verbesserungsbedarf?
Die Einrichtung von Werkstätten   In der Ausbildung von Betreu-
und betreuten Wohnplätzen!        ungspersonal sollte noch mehr
Damit wurde ein wesentlicher      Augenmerk darauf gerichtet wer-
Schritt zu einem menschlichen     den, dass erwachsene Menschen
und lebensnahen Umgang mit        mit intellektueller Behinderung an
Menschen mit intellektuellen      ihren erwachsenen Bedürfnissen
Behinderungen gesetzt.            gemessen werden, und nicht an
                                  ihrem kognitiven Entwicklungs-        Was wollen Sie der jungen
Was war für Sie die größte        alter.                                Generation als Botschaft
Errungenschaft der                                                      mitgeben?
Behindertenhilfe seit 1961?       Was ist Ihr persönlicher              Das Leben ist unglaublich vielfäl-
Dass Menschen mit intellektuel-   Antrieb für sechs Jahrzehnte          tig! Daher sollte jeder Mensch in
len Behinderungen als Menschen    Einsatz für Menschen mit              seiner ganzen Vielfalt gesehen,
„wie du und ich“ behandelt        Behinderung?                          geschätzt und behandelt werden,
werden und selbstverständlich     Ich habe weder ein Schlüsseler-       und jede Gruppe in ihrer Unter-
ihr Leben leben können, so wie    lebnis durchgemacht noch eine         schiedlichkeit.

12
MIT.MACHEN

                                                                                    Dipl.-Ing. Stefan Sedlitz
                                                                                    (im Bild unten, rechts)
                                                                                    wurde als Präsident

Generalversammlung
                                                                                    wiederbestätigt. Univ.-
                                                                                    Prof. Dr. Meinhard Regler
                                                                                    (links) trat nach 37 Jahren
                                                                                    aktiver Vorstandsarbeit
Am 19. Oktober 2020 wurde der Vorstand                                              zurück, davon 9 Jahre
der Lebenshilfe Wien bestätigt:                                                     als Präsident.

Präsident              Dipl.-Ing. Stefan Sedlitz
1. Vizepräsidentin     Sophie Sperl, MA
2. Vizepräsident       Hanns-Christoph Brunotte
Kassier                Wolfgang J. Kraus
2. Kassierin           Mag.a Isabella Wotava, MBA
Schriftführerin        Renate Neubauer
2. Schriftführerin     Rosa Prinz
Mitglied               Brigitta Weiss
Mitglied               Isabelle Bosse
Mitglied               Silvia Janisch
1. Rechnungsprüfer     Mag. Siegbert Nagl
2. Rechnungsprüferin   Maria Schiestl

 Die Lebenshilfe trauert
                                                   den. Für viele Jahre war er einer der gefragtesten
                                                   Vortragenden für unzählige Angehörige, für die
                                                   er als selbst betroffener Angehöriger stets ein
                                                   verständnisvolles Ohr hatte.

                                                   Am 17. März 2021 ist Dr. Trompisch im Alter von 77
  Foto: bizeps

                                                   Jahren im Krankenhaus an Covid-19 verstorben...

                                                   Wir trauern nicht nur um einen hervorragenden und
 Der langjährige Geschäftsführer und Jurist der    allseits hochgeschätzten Experten, sondern um
 Lebenshilfe Österreich, Dr. Heinz Trompisch,      einen menschlichen, humorvollen Wegbegleiter
 war der Lebenshilfe Wien als Mitglied und als     und aktiven Mitgestalter der Lebenshilfe Wien,
 rechtlicher Ratgeber jahrzehntelang eng verbun-   Niederösterreich und Österreich.

                                                                                                        13
MIT.MACHEN           DAS GROSSE INTERVIEW

                     Neue Frauenpower im Vorstand
                     der Lebenshilfe Wien
                     Mit Sophie Sperl und Isabella Wotava hat die Lebenshilfe Wien zwei neue Vorstandsmitglieder
                     bekommen. Bernhard Schmid hat die beiden Damen interviewt und nachgefragt, warum ihnen eine
                     ehrenamtliche Tätigkeit in unserem Verein am Herzen liegt.

                                           „Die Behinderung                                   ligten Randgruppe verschrieben
                                                                                              hat. Mir ist wichtig, dass diese
                                           meines Bruders ist für                             Organisation sowohl politisch als
Foto: Sophie Sperl

                                           mich weder großes                                  auch konfessionell unabhängig
                                                                                              ist. Auch möchte ich die
                                           Glück noch großes Leid,                            Organisationsstrukturen kennen-
                                           es ist ganz normal!“                               lernen und verstehen.
                     Sophie Sperl, BA
                                                                                              Was erwarten Sie sich und
                                                                                              was möchten Sie in Ihrer
                     Sophie Sperl                                                             Funktion als Vorstandsmit-
                                                                                              glied bewirken?
                     Frau Sperl, bitte stellen Sie        Privat bin ich glückliche Mutter    Ich erhoffe mir Offenheit für
                     sich kurz bei uns vor!               eines einjährigen Sohnes.           neue Ideen und Perspektiven.
                     Geboren bin ich 1986 und aufge-                                          Ich möchte dazu beitragen, dass
                     wachsen in Wien mit zwei älteren     Was verbindet Sie mit dem           Menschen mit Beeinträchtigung
                     Brüdern. Nach der Matura habe        Thema intellektuelle Behinde-       in der Gesellschaft mehr sichtbar
                     ich ein Studium der Sozialpäda-      rung und der Lebenshilfe?           und präsent werden im Sinne ei-
                     gogik abgeschlossen. Berufser-       Mein ältester Bruder hat das        ner Normalität der Diversität! Ein
                     fahrung durfte ich bislang in der    Down-Syndrom und ist viele          Anliegen ist es mir auch, neue
                     Betreuung und Beratung von Kin-      Jahre bereits in Betreuung der      Perspektiven zum Thema der
                     dern und Jugendlichen mit und        Lebenshilfe Wien.                   beruflichen Integration zu entwi-
                     ohne Fluchthintergrund sammeln.                                          ckeln und zu untersuchen.
                     Neben meiner hauptamtlichen          Was waren Ihre Motive, in den
                     Tätigkeit arbeite ich immer wie-     Vorstand einzutreten?               Was sollen wir sonst noch
                     der ehrenamtlich für den Verein      Ich habe bald erkannt, wie wich-    von Ihnen wissen?
                     Happiness – Glücklich mit Hilfe      tig gute Betreuungseinrichtungen    Immer wieder wird mir die
                     des Pferdes. Als ausgebildete        für Menschen mit intellektueller    Frage gestellt, wie es denn sei,
                     Voltigierwartin betreue ich Kinder   Beeinträchtigung wie meinem         mit einem behinderten Bruder
                     und Jugendliche mit besonderen       ältesten Bruder sind. Irgendwann    aufzuwachsen. Ich kann diese
                     Bedürfnissen, bin Pferdeführerin,    wollte ich dann selbst mitwirken    Frage nicht beantworten, denn
                     und unterstütze bei Veranstaltun-    in einer Organisation, die solche   dazu fehlt mir der Vergleich
                     gen nach den Regeln von Special      Betreuungseinrichtungen betreibt    zum Aufwachsen ohne einen
                     Olympics.                            und sich einer stark benachtei-     behinderten Bruder. Es ist für

                     14
DAS GROSSE INTERVIEW           MIT.MACHEN

                        mich ganz normal! Genauso          allen anderen Menschen und ge-        ken zu erleben macht sehr viel
                        wie es für andere normal ist, in   genüber der Natur. Ich habe Pä-       Freude!
                        anderen Familienkonstellationen    dagogik mit den Schwerpunkten
                        aufzuwachsen. Ja, es hat mich      Sozialpädagogik sowie Heil- und       Wieso wollten Sie sich im
                        nachhaltig geprägt. Es hat mich    Sonderpädagogik studiert und im       Vorstand der Lebenshilfe Wien
                        gelehrt genau hinzuhören und zu    2. Bildungsweg ein wirtschaftli-      engagieren?
                        -sehen. Sowohl Unterschiede als    ches Masterstudium absolviert.        Ich gestalte sehr gerne! Dabei
                        auch Gemeinsamkeiten erkennen      Hauptberuflich leite ich gemein-      ist mir sehr wichtig, über den
                        zu können und sensibel darauf      sam mit zwei Kollegen ein großes      Tellerrand zu schauen, neue Per-
                        einzugehen, prägen mein Tun und    Bildungsunternehmen, nämlich          spektiven zu entdecken und neue
                        meine Haltung.                     die ibis acam Bildungs GmbH.          Ideen zu entwickeln. Ich möchte
                                                           Diese Aufgabe ist für mich opti-      in meinem Leben einen gesell-
                                                           mal, weil ich überzeugt bin, dass     schaftlichen Beitrag leisten, der
                                                           Bildung für Menschen neben der        den Menschen hilft.
                                                           Gesundheit das Wichtigste ist.
                                                           Bildung umfasst für mich nicht        Was sind Ihre Ziele als
                                                           nur Wissen, sondern auch Per-         Vorstandsmitglied?
Foto: Isabella Wotava

                                                           sönlichkeitsbildung. Daher finde       „Wer immer tut, was er schon
                                                           ich auch neben dem Wohnen die         kann, bleibt immer das, was
                                           Mag.a
                                                           Werkstätten der Lebenshilfe sehr      er schon ist“ – das ist ein Zitat
                                           Isabella
                                           Wotava
                                                           toll und wichtig, weil es hier auch   von Henry Ford. Ich wünsche
                                                           um Persönlichkeitsbildung geht        mir, dass jeder Mensch immer
                                                           und darum, das Leben gut zu           wieder Neues ausprobiert. Ich
                        „In Bewegung                       meistern.                             freue mich, wenn ich im Vorstand
                        bleiben, indem man                                                       mit Impulsen die Lebenshilfe ein
                                                           Warum ist Ihnen das Thema             Stück weit mitgestalten kann.
                        neue Dinge macht,                  intellektuelle Behinderung            Weil mir wichtig ist, dass alle
                        das ist mir am                     ein Anliegen?                         Menschen ein gutes Leben füh-
                                                           Für mich ist Vielfalt sehr wich-      ren können und die bestmögliche
                        Wichtigsten!“                      tig. Intellektuelle Behinderung       Unterstützung bekommen.
                                                           ist nur eine Seite der Medaille.
                                                           Die zweite Seite beinhaltet viele     Verraten Sie uns, was Sie
                        Isabella Wotava                    Talente und Stärken. Die Lebens-      neben der hauptberuflichen
                                                           hilfe begleitet Menschen mit          und ehrenamtlichen Arbeit
                        Frau Wotava, bitte können          Behinderung und fokussiert sehr       noch gerne tun?
                        Sie uns ein wenig über sich        stark genau auf diese Stärken         Ich betreibe einen kleinen „Food-
                        erzählen?                          und Talente.                          blog“ im Internet für meine Fa-
                        Ich bin ein sehr offener Mensch    Durch eine Kooperation zwischen       milie und Freunde, weil ich gerne
                        und für mich ist Folgendes sehr    ibis acam und der Lebenshilfe         koche und backe und meine
                        wichtig:                           habe ich einen Kunden aus dem         Rezepte gerne teile.
                        Wertschätzung, ein gutes Mitei-    Werkstatt-Team kennengelernt,
                        nander und Respekt gegenüber       den ich sehr schätze! Seine Stär-

                                                                                                                                  15
MIT.MACHEN   FORT- UND WEITERBILDUNG

                                                                                  Michael Tschernegg
                                                                                  (links im Bild) unter-
                                                                                  stützt Oliver Seklener
                                                                                  (rechts im Bild) bei
                                                                                  seinen Arbeits-
                                                                                  fortschritten in der
                                                                                  Holzgruppe in der
                                                                                  Tagesstruktur.

       Alles eine Frage
       der Haltung
        Mit einem Schulungsschwerpunkt will die Lebenshilfe Wien
        das Konzept von personenzentriertem und sozialraumorientiertem
        Arbeiten an die einzelnen Standorte bringen.

        Gemeinsam mit den Trainerinnen Nicolet-       Möglichkeiten und sie bekommen so auch
        te Blok und Barbara Leitner werden sich       mehr Kontrolle über ihr Leben.
        MitarbeiterInnen der Lebenshilfe Wien
        (sobald es Corona wieder zulässt) zu inter-
        nen ExpertInnen in Sachen Persönlicher        Michael Tschernegg ist einer der
        Zukunftsplanung, Personenzentrierung und      Kursteilnehmer der Fortbildungsreihe.
        Sozialraumorientierung entwickeln.            Er arbeitet als fachlicher Begleiter in
                                                      der Holzgruppe der Tagesstruktur in der
        Dabei geht es vor allem darum, Methoden       Schottengasse. Wir haben bei ihm
        kennenzulernen, die dabei unterstützen,       nachgefragt, warum er sich als Multipli-
        Vertrauen in die Fähigkeiten von unseren      kator ausbilden lässt:
        KundInnen zu entwickeln, diese zu stärken
        und sich nicht an Defiziten zu orientie-      Was erwartest Du Dir von der
        ren. Es gilt, Träume und Wünsche ernst        Schulung?
        zu nehmen und unsere Begleitung so zu         Ich erwarte mir, ein neues zeitgerechtes
        gestalten, wie es einzelne Personen wirk-     Mittel in der Begleitung von Menschen mit
        lich brauchen und wollen. Menschen mit        Behinderung kennen zu lernen und dieses
        Behinderungen eröffnen sich dadurch neue      umsetzen zu können.

16
FORT- UND WEITERBILDUNG                MIT.MACHEN

Wie war die erste Runde?                             Wie glaubst Du, dass Du die
Sehr persönlich und spannend. Durch                  Personenzentrierung in Deiner Arbeit
das Einbringen diverser Erfahrungen und              integrieren kannst?
Geschichten aus Frau Blok’s Leben und das            Was ich in der ersten Einheit erfahren
ihres Sohnes mit Down-Syndrom, gekop-                durfte, war durchwegs für alle meine
pelt mit ihrem Know-How, machte sie auf              KundInnen in der Gruppe passend. Es ist
mich einen sehr kompetenten Eindruck.                ein gutes Mittel, die Ziele unserer KundIn-
                                                     nen gemeinsam zu definieren und daran
Was werden Deine Aufgaben                            zu arbeiten. Durch personenzentriertes
als Multiplikator sein?                              Arbeiten kann ich mir vorstellen, mehr
Ich werde als Ansprechpartner für meine              Handlungsspielraum in einer gemeinsamen
KollegInnen bei allen Fragen rund um                 Zielfindung zu haben, und diese freier und
die Personenzentrierung am Standort                  vor allem persönlicher umzusetzen.
fungieren.

Wir stellen uns vor:
Agentur Sonnenklar Drehscheibe-Peerstreitschlichtung
Die Agentur Sonnenklar arbeitet seit Oktober 2019. Durch unsere Angebote helfen wir mit, Gewalt in Einrichtungen
für Menschen mit Behinderung zu erkennen und Streit zu lösen.

Es gibt:
  Workshops (online: Zoom und/oder Präsenz: Obere Augartenstraße 12, 1020 Wien),
  eine Internet-Seite mit vielen Informationen: www.agentur-sonnenklar.at,
  eine Tagung am 16. Juni 2021 im Catamaran Wien und
  die Peer Streitschlichtung (Mobil: +43 (0)664 8587554, E-Mail: streitschlichtung@agentur-sonnenklar.at).

Die Idee zur Agentur Sonnenklar kommt aus
dem Projekt Wiener Wege zur Inklusion.
Menschen mit Behinderung haben sich
überlegt:
Wir wollen zu dem Thema Gewalt in
Einrichtungen reden.
Wir wollen darüber reden, dass es viele
Regeln gibt, die wir nicht gut finden.
Das Thema der Agentur soll Gewalt
durch Regeln sein.
Ein schweres Wort für Gewalt durch
Regeln ist Institutionelle Gewalt.

Der Auftrag und die Finanzierung für
die Agentur Sonnenklar kommen vom
Fonds Soziales Wien.

                                                                                                                   17
Foto: Adobe Stock
Für die Süßen unter euch:
Schwarzwälder-Kirschtorte
Rezepttipp unserer Kochgruppe in der Tagesstruktur Brehmstraße für eine 26cm Durchmesser Torte:

  Schokoboden:
  140g Kochschoko und
  140g Butter       über Wasserbad schmelzen
  6 Eier            Trennen
  200g Zucker       eine Hälfte mit Eigelb aufschlagen
                    andere Hälfte mit Eiweiß aufschlagen
  140g Mehl glatt	geschmolzenes Butter/Schoko-Gemisch unter aufgeschlagenes Eigelb geben,
                    vermengen, dann abwechselnd Mehl und aufgeschlagenes Eiweiß unterheben

     Tortenform mit Butter bestreichen und mit (griffigem) Mehl ausstauben. Die Tortenmasse
      in die Tortenform geben und bei 150 Grad (Umluft) ungefähr 50 Minuten backen.

  Pariser Creme:
  250g Kochschoko    in kleine Stücke schneiden
  250ml Schlagobers	aufkochen, vom Herd nehmen, Schokostücke unterrühren und so lange rühren
                     bis sie geschmolzen ist.

     Alles in den Kühlschrank stellen, wenn es ganz kalt ist, mit dem Mixer mixen (so wie Schlagobers).

18
TAGESSTRUKTUR           MIT.MACHEN

Kirsch/Topfen Creme:
250g (Creme-)Topfen     glattrühren
250ml Schlagobers       aufschlagen
50g Staubzucker         zum Schlagobers dazu
                        abseihen, Kirschen in die Creme, Saft aufheben,
kleines Glas eingelegte Kirschen
                        einen Schuss Saft in die Creme geben
4 Blatt Gelatine	in kaltem Wasser einweichen, einen Schuss Saft aufkochen –
                        vom Herd nehmen – Gelatine ausdrücken und
                        in heißem Kirschsaft auflösen, dann in die Creme heben
Saft von halber Zitrone in die Creme geben

Kirsch-Gelee:
großes Glas eingelegte Kirschen abseihen, Saft aufheben
200ml Kirschsaft (vom Glas)     mit
1 Prise Zimt                    mit Kirschsaft aufkochen
30g Maizena	in kaltem! Kirschsaft anrühren (nur so viel wie nötig),
                                in den aufgekochten Saft einrühren,
                                ca. 2 min kochen lassen, dann Kirschen dazu geben.

Schokoboden 2x durchschneiden, alle 3 Teile mit
 (aufgekochter) Kirschmarmelade bestreichen.

Springform vorbereiten: Die Springform innen
 vollständig mit Backpapier auslegen.
 Danach einen Tortenboden in die Form legen.

Pariser Creme in einen Spritzsack füllen: den
 Tortenring entlang einen Kreis mit der Creme
 spritzen (so hoch wie die Kirschen sind) – dann
 einen Kreis mit – Kirschen (Gelee) legen – dann
 wieder Pariser Creme – und so weiter bis der
 Tortenboden nicht mehr sichtbar ist.

Nächsten Tortenboden darauflegen, mit der
 Kirsch/Topfen-Creme auffüllen, letzten Torten-
 boden darauflegen. Mit Frischhaltefolie abde-
 cken und über Nacht in den Kühlschrank stellen.
                                                   Markus Stockinger und Peter Fölkel präsentieren ihr Werk,
Für die Dekoration 3 Becher (750ml)
                                                   eine köstliche Schwarzwälder-Kirschtorte.
 Schlagobers mit Sahnesteif und zwei Löffel
 Staubzucker (durch ein Sieb gesiebt)
 aufschlagen. Das Einstreichen gelingt am
 besten mit einer Palette, die immer wieder         Für Rückfragen und Ihre
 nass gemacht wird.                                 Tortenbestellungen:
                                                    Telefon: 01/743 46 60 – 12
Weitere Dekoration nach Belieben.

                                                                                                        19
MIT.MACHEN     TAGESSTRUKTUR

Monika Trummer – unsere neue
Leiterin in der Rueppgasse
Die Zeitungsgruppe QUERDENKER in der Tagesstruktur Rueppgasse
hat eine Vorstellung über die neue Leiterin verfasst.

Unsere neue Leiterin heißt Monika Trummer. Sie ist eine liebe, nette,
freundliche und coole Person… und a fesche! Ursprünglich kommt sie aus
der Steiermark und sie schaut sehr jung aus.

Monika Trummer leitet seit Februar die Tagesstruktur in der Rueppgasse
(im Bild links in der Mitte mit blauem Pullover). Hier ist sie im Kreis der
Mitglieder der Zeitungsredaktion Querdenker zu sehen. (Hinter Monika steht
David Bammer, ganz vorne ist Lea Stojkovic, hinter ihr Isabella Meyer
und ganz hinten Manuela Fuchs. Die beiden Herrn rechts sind Alfred Huger
und dahinter Dragan Mihailovic).

20
TAGESSTRUKTUR        MIT.MACHEN

Monika hat schwarze Haare, ist lustig und immer gut angezogen. Sie ist groß,
schlank und schaut auf sich und ihr Äußeres. Uns gefällt sie. Wenn Monika
redet, hört sich das so sanft an wie ein Engel. Sie ist offen für Gespräche und
ist für alle da. Wenn es Infos gibt, sagt sie uns diese. Sie ist ehrlich und kann sehr
gut Dinge erklären, wenn man etwas nicht versteht.

Monika kommt oft in unsere Gruppen. Sie lacht gerne und das ist im ganzen Haus
zu hören. Einen guten Charakter und ein gutes Herz haben wir auch schon
erkannt. Bei der Arbeit ist sie sehr konzentriert und genau, außerdem sehr fleißig!

Leider muss Monika viel telefonieren, da ständig das Telefon läutet ...
Sie hat sozusagen „akute Telefonitis“.

Zum Schluss verraten wir euch ein Geheimnis: Zu einem Kuchen kann sie nicht
nein sagen! Zu allen anderen süßen Sachen wahrscheinlich auch nicht!

Wir freuen uns auf die gemeinsame Zeit mit ihr.

Nachruf Ingrid Burger
10.9.1962 - 10.3.2021

Ingrig Burger lebte 20 Jahre in der Wohngemeinschaft Hubergasse und die letzten vier Jahre
bei uns in der Kaingasse. Sie besuchte mehrere Tagesstrukturen, war in der Schönbrunnerstraße,
Schottengasse, Nobilegasse und zuletzt in der hauseignen Seniorengruppe bei uns.

Sie war charmant und kreativ,         Kuran lebte sie über 20 Jahre
originell und witzig, willensstark    zusammen. Niemals werde ich
und interessiert an vielen Din-       den Moment vergessen, mit dem
gen. Sie wusste genau, was sie        sie sich von ihm verabschiedete.
wollte und was nicht und konnte       Sie konnte nur noch mit ihren
                                                                                                                    Foto: Richard Pobaschnig

sich dabei durchsetzen. Sie gab       Augen sprechen, doch ihr Blick
Menschen und Dingen eigene            war klar. Ich nehme an, sie hat
Namen, mochte Blumen und              nur noch auf Karl gewartet, denn
Tiere und war religiös.               ohne einen letzten Kuss von ihm,
                                      wollte sie nicht gehen.
Ingrid besaß die Fähigkeit, zu lie-                                           Ingrid Burger beim Sommerfest
ben und die Liebe anzunehmen.         Monika Seitz für die Wohngemeinschaft
                                                                              unseres Gesundheitsprojekts „Spiel,
                                      der Lebenshilfe Wien in der Kaingasse
Mit ihrem Lebensgefährten Herrn                                               Spaß und Bewegung“ im Jahr 2018.

                                                                                                                21
MIT.MACHEN           TAGESSTRUKTUR

                                               Meine Nicht-Mehr-
                                               Kollegin Sylvia Zagler
                                                Gestorben am 21. März 2021, im 64. Lebensjahr
                                                (Kundin der Lebenshilfe Wien, Tagestruktur
                                                Nobilegasse, Gruppe ExAkt)

Liebe Sylvia,
Du hast jede Tagung der Lebenshilfe Wien besucht.
Du hast mich immer wieder gefragt, wann denn die nächste Tagung oder das nächste Seminar
stattfinden wird.
Wir haben uns immer schon von weitem gegrüßt, wenn wir uns begegnet sind.
Du hast mir noch jahrelang begeistert von deinem Auftritt im Video über
barrierefreies Einkaufen erzählt.
Ich habe dich für deine Moderation der Ohrenschmaus-Lesung am Badeschiff
bewundert.
Du hast sehr unter der Isolation in Coronazeiten gelitten.
Ich wollte dir Gelegenheit geben, deinen Drang zu Aktivitäten und Kontakten
auszuleben.
Ich wollte dich für einen Beitrag interviewen und fotografieren.
                                                                            Sylivia Zagler bei der Moderation
In letzter Minute wurde dies unmöglich: Zutrittsverbot wegen Corona!        der Ohrenschmaus-Lesung.
Ich wollte dich als Kollegin für die Interessenvertretung gewinnen.
Du hast dem zugestimmt und dich schon sehr gefreut.
Wir haben uns einen Termin ausgemacht.
Der Termin wurde kurz vorher abgesagt: Covid-19-Quarantäne im Wohnhaus!
Du hast mir deine private Handy-Nummer in einem handgeschriebenen Brief
anvertraut.
Ich konnte dich nicht erreichen.
Dein Wohnhaus sagte mir, du bist an Covid-19 erkrankt.
Ich sollte bald wieder anrufen, es geht dir schon besser.
Am Montag habe ich angerufen.
Ich hörte, du bist am Samstag an Covid-19 verstorben...

In großer Trauer um einen stets unverzagten, aktiven, temperamentvollen Menschen,
der allen Hindernissen zum Trotz immer Lebensfreude und Wissensdurst ausgestrahlt hat.

Ich wünsche dir so sehr, dass du dort, wo du jetzt bist, dich vollkommen frei fühlst und alles das
nachholen kannst, was dir vorenthalten blieb.

                                                              Dein Bernhard
                                                              Generalsekretär, Lebenshilfe Wien

22
TAGESSTRUKTUR          MIT.MACHEN

Neu im Führungsteam
Petra Neuherz-Steindl ist seit Ende September 2020 die neue Leitung für unser Dienstleistungs-
angebot ARBEIT. Wir haben ihr über ihren Arbeitsbeginn bei uns ein paar Fragen gestellt.

                                     ven Austausch zu treten, Heraus-      schen mit Behinderungen zu
                                     forderungen gemeinsam zu lösen        sein, jetzt sind es die Personen
                                     und das Fundament für eine gute       selbst. Wir begleiten sie, wenn
                                     vertrauensvolle Zusammenarbeit        es darum geht ihre Stärken und
                                     zu schaffen.                          Ressourcen zu entfalten.
                                     Die Kommunikation funktioniert
                       Mag.a         auch in der Distanz dank elektro-     Was hält Dich gerade in
                       Petra         nischer Mittel und Telefon, das       Trapp?
                       Neuherz-
                                     hat mich wirklich überrascht.         Das Krisenmanagement rund
                       Steindl
                                     Aus dieser Erfahrung ergibt sich      um Corona bestimmt aktuell
                                     vielleicht für die Zukunft eine       den Tagesalltag, alles Organisa-
                                     Kombination von persönlichen          torische rund um die Impfungen,
Kannst Du uns einige persönli-       und virtuellen Besprechungen,         Quarantäne, Verdachtsfälle fällt
che Worte über Dich verraten?        die allen Ressourcen sparen.          an. Es belastet schon alle sehr, in
Ich bin 45 Jahre alt, Mama eines                                           permanenter Alarmbereitschaft
fünfjährigen Sohnes, verheiratet     Wieso liegt Dir die Arbeit            zu sein.
und in Niederösterreich geboren.     für und mit Menschen mit
Seit 1996 wohne ich in Wien,         Behinderungen am Herzen?              Wenn Corona hinter uns liegt,
habe eine Ausbildung als Kinder-     Bei meiner Arbeit im BBRZ (Be-        dann machst Du beruflich bzw.
gartenpädagogin absolviert und       rufliches Bildungs- und Rehabi-       privat zuerst…
Psychologie studiert.                litationszentrum) hatte ich sehr      Beruflich wünsche ich mir end-
Beruflich war ich unter anderem      viel mit Menschen mit Behinde-        lich mein MitarbeiterInnen-Team
für Pro Juventute, das BBRZ und      rungen zu tun und einen tiefen        persönlich kennenzulernen. Es
zuletzt für die Diakonie tätig.      Einblick in die Rahmenbedingun-       ist an der Zeit, ein Gefühl vor Ort
                                     gen bekommen, die das Thema           an den Standorten zu bekommen
Wie war Dein beruflicher             „Arbeiten mit Behinderungen“          und Ruhe zu finden, inhaltlich an
Neueinstieg mitten in der            betreffen. Dieser Bereich hat         wichtigen Themen (außer Coro-
Pandemie?                            mich nie losgelassen, ich habe        na!) für die Tagesstrukturen zu
Das Thema Corona und die Aus-        noch sehr viele Kontakte und im-      arbeiten.
wirkungen auf den Arbeitsalltag      mer alles darüber in den Medien       Privat sehne ich mich einfach
waren mir nicht neu, das hat         verfolgt. Ich habe das Gefühl, in     schon nach ein paar entspannten
mich auch schon in meinem            der Lebenshilfe Wien schließt         Urlaubstagen in einem schönen
vorherigen Job bei der Diakonie      sich der Kreis, ich gehöre einfach    Hotel in Österreich.
beschäftigt. Wirklich außerge-       in diesen Bereich und ich möchte
wöhnlich war, hier die einzelnen     hier in der Organisation mitgestal-
Standortleitungen nur über das       ten.
Telefon und das Internet kennen-     Es herrscht auch so eine Auf-
lernen zu können, so ganz ohne       bruchsstimmung, vieles ist
persönlichen Kontakt! Trotz allem    im Wandel. Früher haben wir
ist es gelungen, in einen intensi-   geglaubt, ExpertInnen für Men-

                                                                                                           23
Foto: Markus Hippmann

                        Ein buntes Haus für ein
                        Altern in Würde
                        Das SeniorInnenhaus der Lebenshilfe Wien für Menschen mit intellektueller Beeinträchtigung gilt
                        mit seinem Pflege- und Unterstützungskonzept als Best Practice Beispiel in der Behindertenhilfe.

                        Vor genau 10 Jahren öffnete die     von insgesamt 30 MitarbeiterIn-     Zufriedenheit unter KundInnen als
                        „Nauschgasse“, wie das Haus in      nen in der Tagesgruppe, nachmit-    auch unter den MitarbeiterInnen
                        Wien-Donaustadt vereinsintern       tags und auch nachts begleitet      führt. Es ist Zeit da, um auf per-
                        nach seiner Adresse genannt         werden. Externe TherapeutInnen      sönliche Bedürfnisse gut einge-
                        wird, ihre Türen. In das Raum-      kommen für zusätzliche Angebo-      hen zu können“, betont er.
                        und Begleitangebot wurden           te ins Haus.
                        viel Einsatz und Überlegungen                                           Ein guter Mix aus Pflege
                        gesteckt. Es galt das Optimum       „Es ist die Kombination von         und Pädagogik
                        herauszuholen, für eine Genera-     unserem großzügigen Platzange-      Mehr als die Hälfte der Mitarbei-
                        tion von Menschen mit Behinde-      bot und dem guten Betreuungs-       terInnen sind nicht nur ausge-
                        rungen, die erstmalig nach den      schlüssel, der sich bezahlt macht   bildete Behindertenfachkräfte,
                        Verbrechen der Nationalsozialis-    und zu mehr Wohlbefinden            sondern auch PflegeassistentIn-
                        ten, glücklich alt werden durfte.   führt“, ist sich Hausleiter David   nen. Weiters gibt es auch eine
                        19 KundInnen (ab 60 Jahren und      Swienty sicher. „Es verschafft      Krankenschwester vor Ort. Auf
                        ab Pflegestufe vier) sind es, die   uns diese besondere Atmosphä-       diese Weise können auch kom-
                        hier ihre Pension genießen und      re am Standort, die sowohl zur      plexere Pflegeleistungen im Haus

                        24
WOHNEN        MIT.MACHEN
Angenehme Farben und viel
Platz und Raum für ein Altern in
Würde gibt es im SeniorInnen-
haus in der Nauschgasse.

                                                                                                                                    Foto: Richard Pobaschnig
     Viktor Werner ist sehr interessiert an seiner
     Umgebung, diesmal an den Schildkröten im Garten.

                                                                Wilma Umschaden geht auf in der tiergestützten Therapie, die im
                                                                Haus regelmäßig angeboten wird.

                                                                Peter Wolf hält sich                  Gabriele Bazelt telefoniert
                                                                körperlich fit.                       gerne mit ihrer Familie.
     Christine Holasek liebt es die Feste zu feiern
     im Kreis der Jahreszeiten.

          erbracht werden (zum Beispiel               kam aus einem Pflegeheim nach          tungen für Menschen mit Behin-
          Peg Sonden- und Dekubitus Pfle-             einem Schlaganfall in schlechter       derungen. 2018 und 2020 statte-
          ge). Da sich die BewohnerInnen              Verfassung ins Haus. Ihr Zustand       ten sie unserem Wohnhaus in der
          immer öfter eines hohen Alters              hat sich gebessert, sie erlangte       Nauschgasse Besuche ab und
          erfreuen, nehmen diese Aufga-               wieder mehr Mobilität. Daher war       stellten uns dabei ein gutes Zeug-
          ben auch stetig zu. Es braucht für          und ist es ihr möglich, in ihrem       nis aus. Hervorgehoben wurde
          die Diensthabenden jeweils an               Tempo zu leben und an den              der wertschätzende Umgangston
          die drei Stunden in der Früh und            Angeboten im und rund um das           und die emotionale Wärme des
          am Abend, um die SeniorInnen                Haus teilzunehmen.                     Betreuungspersonals, die vielfälti-
          auf den zwei Stockwerken pfle-                                                     gen Angebote und Therapien (mit
          gerisch zu unterstützen, sehr oft           Gelebtes Menschenrecht                 Musik, Tieren, Kunst, Massagen,
          auch vier Hände für eine Person.            Die Kommissionen der Volksan-          Ausflüge, Urlaubsaktionen und
                                                      waltschaft, die in Österreich für      vieles mehr), das Programm der
          Ruth Schüller zum Beispiel ist              den Schutz und die Förderung           Tagesgruppe im Dachgeschoß,
          mit 86 derzeit die älteste Bewoh-           der Menschenrechte zuständig           die Einbeziehung der Bewohne-
          nerin in der Nauschgasse. Sie               sind, kontrollieren auch Einrich-      rInnen in häusliche Tätigkeiten

                                                                                                                                  25
MIT.MACHEN           WOHNEN

                                                                                           Begleitung auf
                                                                                           Augenhöhe und
                                                                                           emotionale Wärme
                                                                                           sorgen sowohl unter
                                                                                           den BewohnerInnen als
sowie auch die Kooperation mit                                                             auch MitarbeiterInnen
dem Hospizteam der Caritas und                                                             für Zufriedenheit (Die
das Fachwissen der hauseigenen                                                             Fotos wurden natürlich
diplomierten Krankenpflegerin,                                                             vor der Corona-Zeit
                                                                                           aufgenommen).
wenn es um würdevolle Sterbe-
begleitung für Betroffene geht.

Gemeinsam Corona
trotzen
Die Informationen rund um
das Coronavirus sind schon für
medizinische Laien schwer zu
verstehen. Ältere, teils demen-
te, Menschen mit intellektueller
Beeinträchtigung tun sich hier
nochmals schwerer. Das Team
in unserem SeniorInnenhaus hat
hier einen sehr anschaulichen
Weg gefunden, das Thema leicht       ten und in eine Schale bunter     wurde allen erklärt, wie leicht und
zu erklären. Die BewohnerInnen       Konfetti greifen, die natürlich   unbemerkt es geschehen kann,
mussten zum Beispiel in einem        dann alle an ihnen haften ge-     sich das Virus einzufangen und
Sesselkreis ihre Hände befeuch-      blieben sind. Auf diese Weise     dann an Covid-19 zu erkranken.
                                                                       Auch das Masken-Tragen vom
                                                                       Personal und der eigenen Person
                                                                       wurde gut aufgenommen und
                                                                       umgesetzt.

                                                                       Dank dem ausreichenden Platz-
                                                                       angebot war es leicht möglich,
                                                                       räumliche Trennungen zu schaf-
                                                                       fen. Das gesamte Mitarbeite-
                                                                       rInnen-Team setzt penibel und
                                                                       diszipliniert alle Abstands- und
                                                                       Hygieneregeln um. Die Impfun-
                                                                       gen sind abgeschlossen und der
                                                                       Alltag ist, bis auf das Aussetzen
                                                                       externer Dienstleistungen und
                                                                       Aktivitäten, weitgehend für alle
                                                                       gleichgeblieben. Hier versucht
                                                                       das Personal so gut es geht,
                                                                       attraktive Freizeitangebote im
Auch Urlaubsaktionen und Ausflüge stehen am Programm.                  Haus zu setzen. Die seit Jahren

26
WOHNEN        MIT.MACHEN

Ruth Schüller
   genießt ihr
       Leben
  im eigenen
                                                                                        und manchmal
      Tempo.
                                                                                        auch durch die
                                                                                        rosa Brille…:)

                                                                                                    Auch auf dem letzten
                                                                                                    Lebensweg begleiten
                                                                                                    wir Betroffene durch die
                                                                                                    hauseigene, ausgebil-
                                                                                                    dete Krankenschwester
                                                                                                    und die Zusammenar-
                                                                                                    beit mit einem mobilen
                                                                                                    Hospizteam.

     Frau Podhrazky und Herr Wolf sind gerne unterwegs
     und genießen das Urlaubs-und Ausflugsangebot.

    „Es ist Zeit da, um
    auf persönliche
    Bedürfnisse gut
    eingehen zu können“
                                                         Durch den Ausbildungsmix aus Sozialbetreuung und Pflege kann
    David Swienty, Hausleiter                            unser Personal die Bewohnerschaft in allen Belangen gut begleiten.

    beliebten Auftritte der Wiener-         „Natürlich fehlt der Kontakt von        wieder das gesellschaftliche
    Lieder-Sänger werden via Zoom           und nach außen, Besuche von             Leben verstärkt genießen zu
    in den kleinen Veranstaltungssaal       liebgewonnenen Partnerun-               können“, zeigt sich David Swien-
    im Dachgeschoß geholt, am Don-          ternehmen, die öfters mit uns           ty optimistisch. „Auch unsere
    nerstag findet in der Tagesgruppe       gemeinsam basteln und backen,           Jubiläumsfeier – 10 Jahre Altern
    ein Kaffeehaus statt, es wird           unsere Ausflüge ins Theater, auf        in Würde in der Nauschgasse –
    musiziert und man vertritt sich         den Markt, gemeinsame Feste             wollen wir schließlich ausgiebig
    bei Spaziergängen die Füße.             und Ausflüge. Doch trotz alldem         nachholen“, betont der Standort-
                                            herrscht Normalität im Haus und         leiter.
                                            wir sind zuversichtlich, bald auch

                                                                                                                      27
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