Zytostatika im Gesundheitsdienst - Informationen zur sicheren Handhabung 207-007
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207-007 DGUV Information 207-007 Zytostatika im Gesundheitsdienst Informationen zur sicheren Handhabung März 2022
Impressum Herausgegeben von: Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung e.V. (DGUV) Glinkastraße 40 10117 Berlin Telefon: 030 13001-0 (Zentrale) E-Mail: info@dguv.de Internet: www.dguv.de Sachgebiet Gesundheitsdienst DGUV Fachbereich Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege Autor: Dr. André Heinemann, BGW – Bereich Gefahrstoffe und Toxikologie Fachliche Beratung: Prof. Dr.-Ing. Udo Eickmann, BGW – Bereich Gefahrstoffe und Toxikologie Dr. Arnd Geilenkirchen, Unfallkasse Nord Dr. Gabriele Halsen, BGW – Bereich Gefahrstoffe und Toxikologie Dr. Johannes Gerding, BGW – Bereich Gefahrstoffe und Toxikologie Dr. med. Michael Heger, Landesamt für Umwelt und Arbeitsschutz, Saarbrücken Prof. Dr. rer. nat. lrene Krämer, Johannes-Gutenberg-Universität Mainz Ingrid Thullner, Unfallkasse Hessen Sigrid Küfner, BGW-Produktentwicklung Ausgabe: März 2022 – entspricht der Ausgabe Februar 2019 der Broschüre BGW 09-19-042 der Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege (BGW). Satz und Layout: Atelier Hauer + Dörfler, Berlin Bildnachweis: Titelbild: © Schwanen Apotheke, Mönchengladbach; Seite 5: © Bundesverband Deutscher Krankenhausapotheker (ADKA) e.V.; Seite 6, 26, Abb. 2: © BGW/ Bertram Solcher; Abb. 1, Seite 35, Anhang II: © BGW; Abb. 3, 4, 13, 15–16: © Dr. André Heinemann, Abb. 5: © DGUV; Abb. 6–12, 14, 17: © Matthias Nietzke, St. Johannes-Hospital, Dortmund; Abb. 19: © StockPhotoPro/stock.adobe.com Copyright: Diese Publikation ist urheberrechtlich geschützt. Die Vervielfältigung, auch aus- zugsweise, ist nur mit ausdrücklicher Genehmigung gestattet. Bezug: Bei Ihrem zuständigen Unfallversicherungsträger oder unter www.dguv.de/publikationen Webcode: p207007
Zytostatika im Gesundheitsdienst Informationen zur sicheren Handhabung von Zytostatika Änderungen der DGUV Information 207-007 • Anpassung an die Gefahrstoffverordnung (Stand 2016) sowie TRGS 525 (Stand 2014) • Anpassung an das global harmonisierte System zur Einstufung und Kennzeichnung von Chemikalien (GHS) • Anpassung an den Stand der Technik und weitere TRGS • Fachliche Konkretisierungen & Ergänzungen im Text • Aktualisierung von Quellenangaben & Ergänzung von Literaturhinweisen • Redaktionelle Überarbeitung DGUV Information 207-007 März 2022
Inhaltsverzeichnis Seite Seite 1 Einleitung................................................................................... 5 7 Wirksamkeitsprüfung, Fortschreibung und Dokumentation............................................................. 40 2 Anforderungen an die Gefährdungs- 7.1 Wirksamkeitsprüfung ......................................................... 40 beurteilung für Zytostatika.............................................. 7 7.2 Fortschreibung ....................................................................... 40 7.3 Dokumentation ...................................................................... 40 3 Arbeitsbereiche und Tätigkeiten festlegen............. 9 8 Arbeitsmedizinische Vorsorge....................................... 42 4 Gefährdungen ermitteln.................................................... 11 4.1 (Toxische) Eigenschaften von Zytostatika................. 11 9 Rechtsgrundlagen................................................................. 44 4.1.1 Akute Toxizität.......................................................................... 13 4.1.2 Chronische Toxizität............................................................. 14 10 Literatur ..................................................................................... 46 4.2 Expositionsermittlung......................................................... 15 4.2.1 Umgebungsmonitoring....................................................... 15 11 Anhang .......................................................................................48 4.2.2 Biomonitoring.......................................................................... 18 Anhang I ..................................................................................... 48 Anhang II ................................................................................... 55 5 Gefährdung beurteilen....................................................... 19 Anhang III .................................................................................. 62 Stichwortverzeichnis........................................................... 68 6 Maßnahmen festlegen und durchführen.................. 22 6.1 Zubereitung............................................................................... 23 6.2 Lagerung, Verpackung und Transport......................... 30 6.3 Vorbereitung und Applikation......................................... 31 6.4 Entsorgung von Abfällen.................................................... 34 6.5 Unbeabsichtigte Freisetzung........................................... 37 6.6 Unterweisung........................................................................... 38
1 Einleitung Zur Behandlung von Krebserkrankungen stellen Zyto Bislang wurde nur sehr selten über akute lokale oder statika seit vielen Jahren eine zentrale Medikamenten- auch systemische Wirkungen wie allergische Reaktio- gruppe unter der Vielzahl von antineoplastisch wirksamen nen oder Störungen des Allgemeinbefindens bei Perso- Arzneimitteln dar. Dabei nimmt die Anzahl der Zuberei- nen berichtet, die mit zytostatikahaltigen Arzneimitteln tungen und Applikationen in Krankenhäusern, Apothe- umgehen. Ursache waren meist größere, unfallbedingte ken, ärztlichen Praxen und ambulanten Einrichtungen Kontaminationen oder schlechte Arbeitsplatzbedingun- kontinuierlich zu und wird voraussichtlich noch weiter gen vor der Einführung der heute üblichen Schutzmaß- ansteigen. Gründe für den Anstieg sind die zunehmende nahmen. Für Mengen von Zytostatika, die weit unterhalb Lebenserwartung der Bevölkerung, die mit einem Anstieg einer therapeutischen Dosis liegen, gibt es derzeit keine der Krebserkrankungen einhergeht, sowie der Einsatz in wissenschaftlich belegten Dosis-Wirkungs-Beziehun- neuen Anwendungsgebieten wie beispielsweise rheuma gen hinsichtlich des krebserzeugenden, keimzellmuta- tischen Erkrankungen und Multipler Sklerose. Hinzu genen und reproduktionstoxischen Potenzials. Trotzdem kommt der zunehmende Einsatz von Zytostatika in der rechtfertigen die bisher bekannten Eigenschaften, dass Veterinärmedizin. Schutzmaßnahmen für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ergriffen werden, die mit Zytostatika in Kontakt kommen Da es sich bei Zytostatika um hochpotente Arzneistoffe können. handelt, die auch krebserzeugende, keimzellmutagene und reproduktionstoxische (CMR) Wirkungen haben kön- Diese DGUV Information soll Unternehmerinnen und nen, kann von ihnen eine Gefahr für das Personal aus- Unternehmer sowie Fachleute für Arbeitsschutz dabei gehen, das mit diesen Arzneimitteln umgeht. Geringe unterstützen, die stoffbezogenen Gefährdungen, die von Wirkstoffmengen können bei Zubereitung, Transport, einem Umgang mit Zytostatika ausgehen, zu minimieren Verabreichung und Entsorgung beispielsweise durch und so die Gesundheit der Beschäftigten zu schützen. Leckage oder Aerosolbildung freigesetzt werden und über Auch das Pflegepersonal sowie das pharmazeutische die Atemwege und die Haut in den Körper gelangen. und ärztliche Personal erhalten hilfreiche Informationen für ihre Arbeit mit Zytostatika. Die Anforderungen der aktuellen Gefahrstoffverordnung und der Technischen Regeln für Gefahrstoffe (TRGS) 525 „Gefahrstoffe in Ein- richtungen der medizinischen Versorgung“ werden dabei besonders berücksichtigt. Bei der letzten Aktua- lisierung wurde die TRGS 525 auf den veterinärmedizini- schen Bereich erweitert, aus diesem Grund können sich Einrichtungen aus diesem Bereich ebenfalls an dieser DGUV Information orientieren, sofern vergleichbare Tätig- keiten mit Zytostatika dort durchgeführt werden. Thema dieser DGUV Information ist der sichere Umgang mit Zytostatika. Andere antineoplastisch wirksame Arz- neimittelgruppen (zum Beispiel monoklonale Antikörper) können sich in ihrer toxikologischen Wirkung von den Zytostatika unterscheiden. In solchen Fällen kann eine Gelbe-Hand-Symbol Auswahl der in dieser DGUV Information beschriebenen Maßnahmen ausreichend sein, um die Gesundheit der Beschäftigten zu schützen. 5
Einleitung Nicht immer können allgemein gültige Regelungen für Hygiene und Arbeitsschutz aufgestellt werden, die für je- den Arbeitsplatz gleichermaßen geeignet sind. Deshalb sind die hier beschriebenen Schutzmaßnahmen häufig als Hinweise formuliert. Sie reichen vom sicheren Aus- packen der angelieferten Ware über das Zubereiten der Injektions-/Infusionslösungen und deren Verabreichung bis zur Entsorgung von Zytostatika. Welche konkreten Maßnahmen tatsächlich umgesetzt werden, muss im Rahmen einer Gefährdungsbeurteilung individuell fest- gelegt werden. Nur wenn die Gefährdungsbeurteilung und die daraus abgeleiteten Schutzmaßnahmen anhand der TRGS 525 sowie dieser DGUV Information umgesetzt wer- den oder durch andere Maßnahmen ein vergleichbares Schutzniveau erreicht wird, kann das Risiko einer Gefähr- dung durch den Umgang mit Zytostatika als gering ein gestuft werden. 6
2 Anforderungen an die Gefährdungs- beurteilung für Zytostatika Die Gefährdungsbeurteilung ist das zentrale Instrument Im ersten Schritt der Gefährdungsbeurteilung werden des betrieblichen Arbeitsschutzes und rechtsverbindlich alle Arbeitsbereiche beziehungsweise Tätigkeiten im Be- vorgeschrieben. Aus diesem Grund ist der Arbeitgeber trieb identifiziert, in denen Gefahrstoffe eingesetzt wer- oder die Arbeitgeberin verpflichtet, grundsätzlich für je- den (Kapitel 3). Im zweiten Schritt müssen Informationen den Arbeitsbereich vor Aufnahme einer neuen Tätigkeit über die toxischen Eigenschaften der eingesetzten Stoffe und danach in regelmäßigen Abständen die Gefährdun- und mögliche Stofffreisetzungen, die zu einer Exposition gen zu ermitteln, zu bewerten, gegebenenfalls Schutz- der Beschäftigten führen können, zusammengetragen maßnahmen zu ergreifen und die Gefährdungsbeurteilung werden, um die Gefährdungslage zu ermitteln (Kapitel 4). in regelmäßigen Abständen zu wiederholen oder diese Der dritte Schritt stellt – bezogen auf Zytostatika – den Aufgabe an geeignete Personen im Unternehmen zu de- schwierigsten Schritt dar: Das Risiko der Gefährdung legieren. In dieser DGUV Information wird der sichere Um- muss hier eingeschätzt werden (Kapitel 5). gang mit Zytostatika anhand der Gefährdungsbeurteilung erläutert – wird die Gefährdungsbeurteilung Schritt für ! Gut zu wissen Schritt durchgeführt, kann das dazu beitragen, das Risiko einer Gefährdung hinreichend zu minimieren. Die in den nachfolgenden Kapiteln beschriebenen Schritte der Gefährdungsbeurteilung beziehen sich auf Die Gefährdungsbeurteilung besteht im Wesentlichen aus den Umgang mit Zytostatika. sieben Schritten, die folgende Beschreibung konkretisiert das Vorgehen zum Thema Zytostatika: Für den Fall, dass die zu bewertende Tätigkeit nicht in dieser Broschüre oder der TRGS 525 beschrieben ist, bieten die TRGS 400 „Gefährdungsbeurteilung für Tätigkeiten mit Gefahrstoffen“ sowie die TRGS 401 für dermale Gefährdungen (Gefährdungen durch Haut- kontakt), die TRGS 402 für inhalative Gefährdungen (Gefährdungen durch Einatmen) und TRBA/TRGS 406 (Sensibilisierende Stoffe für die Atemwege) eine gute, allgemeine Hilfestellung. 7
Anforderungen an die Gefährdungsbeurteilung für Zytostatika Der vierte und fünfte Schritt beinhalten die Festlegung dungssituation erforderlich machen (Kapitel 7). Durch von konkreten Schutzmaßnahmen und ihre betriebliche die beschriebene Vorgehensweise bei der Gefährdungs- Umsetzung (Kapitel 6). Im sechsten Schritt müssen die beurteilung lassen sich Art, Umfang und Dringlichkeit der Wirksamkeit beziehungsweise Nachhaltigkeit der Maß- erforderlichen Schutzmaßnahmen systematisch festlegen. nahmen überprüft und gegebenenfalls die Maßnahmen optimiert oder durch andere ersetzt werden. Eventuell Die Beratung und Unterstützung der Fachkräfte für entfallen auch bestimmte Maßnahmen aufgrund verän- Arbeitssicherheit und der Betriebsärztinnen und -ärzte derter Verfahrensweisen (Kapitel 7). Der siebte Schritt bei der Gefährdungsbeurteilung hat sich bewährt und ist sorgt dafür, dass die Gefährdungsbeurteilung regelmä- unerlässlich. ßig an Änderungen der Arbeitssituation angepasst wird. So können beispielsweise neue Stoffeigenschaften oder Arbeitsverfahren eine erneute Überprüfung der Gefähr- Gefährdungsbeurteilung in sieben Schritten 1 Arbeitsbereiche und Tätigkeiten festlegen Kapitel 3 Gefährdungsbeurteilung 7 2 Gefährdungen ermitteln fortschreiben Kapitel 4 Kapitel 7 Dokumentieren Wirksamkeit überprüfen 6 3 Gefährdungen beurteilen Kapitel 7 Kapitel 5 Maßnahmen durchführen 5 4 Maßnahmen festlegen Kapitel 6 Kapitel 6 Abb. 1 Handlungszyklus – die sieben Schritte der Gefährdungsbeurteilung 8
3 Arbeitsbereiche und Tätigkeiten festlegen Im ersten Schritt der Gefährdungsbeurteilung werden 1. Wareneingang, Lagerung/Bereitstellung und Zuberei- jene Arbeitsbereiche und Tätigkeiten erfasst, in denen mit tung, zum Beispiel in einer Krankenhausapotheke oder Zytostatika oder zytostatikahaltigen Materialien umge- in einer Offizin-Apotheke. gangen wird. 2. Transport der fertigen Zubereitung, zum Beispiel von Die meisten Zytostatika werden direkt an die Apotheke einer Krankenhausapotheke zur onkologischen Station geliefert und nach applikationsfertiger Zubereitung an die (innerbetrieblich) oder von einer Offizin-Apotheke zu einzelnen Bereiche des Krankenhauses oder ärztlichen einem Krankenhaus oder einer Arztpraxis (über öffent Praxen zur Anwendung an die Patientinnen und Patienten liche Verkehrswege). ausgeliefert. Von daher empfiehlt es sich, insbesondere die folgenden vier Arbeitsbereiche im Rahmen der Gefähr- 3. Vorbereitung zur Applikation und Verabreichung von dungsbeurteilung zu bewerten: Zubereitungen wie Injektionen, Infusionen, Instillatio- nen, Aerosolen, Salben, Tabletten, zum Beispiel auf dem Stationsstützpunkt oder in der Arztpraxis. 4. Entsorgung von restlichen Arzneimitteln, benutzten Infusionssystemen, verunreinigten Materialien und Textilien, Körperausscheidungen (zum Beispiel Erbro- chenes nach oraler Gabe von Zytostatika oder andere Ausscheidungen von Personen unter Zytostatika-Hoch- dosistherapien) sowie das Reinigen kontaminierter Flächen. Abb. 2 Anbringen einer Infusionslösung 9
Anforderungen an die Gefährdungsbeurteilung für Zytostatika i i Begriff „Zubereitung“ Begriff „Verabreichung“ Die Zubereitung umfasst – aus gefahrstoffrechtlicher Unter dem Verabreichen versteht man Sicht – alle Bearbeitungsvorgänge eines (Fertig-) in Anlehnung an die TRGS 525 alle Tätigkeiten zur Arzneimittels bis zum Erreichen einer applikations Anwendung des zubereiteten Arzneimittels an Patien- fertigen Darreichungsform. tinnen und Patienten, zum Beispiel: Im Einzelnen handelt es sich um: • Das Anbringen des Infusionssystems (Infusionsbesteck) an das Infusionsbehältnis. • Das Auflösen der Trockensubstanz mit dem dafür • Das Anbringen (Konnektieren) des Infusionssystems vorgesehenen Lösungsmittel. an den venösen Zugang des Patienten. • Das Aufziehen von Spritzen mit der Arzneimittel • Die Abnahme und die Entsorgung des Infusions lösung. • Das Dosieren eines aufgelösten Arzneimittels zubehörs in eine Sammeltonne. (zum Beispiel in eine Infusionslösung). Auch die Gabe fester oder flüssiger Darreichungs Das Teilen oder Verändern von Kapseln und Tabletten formen (zum Beispiel Tabletten, Lösungen) ist als (zum Beispiel zur Gabe an Kinder oder bei Personen Verabreichung einzuordnen. mit Schluckbeschwerden) fällt ebenfalls unter den Begriff der Zubereitung. Hinweis Die Zubereitung beziehungsweise die Verabreichung von Zytostatika-Infusionen darf grundsätzlich nur durch unterwiesenes und entsprechend seiner Aufgabe ge- schultes Personal (zum Beispiel pharmazeutisches und ärztliches Personal, Pflegefachkräfte durchgeführt wer- den. 10
4 Gefährdungen ermitteln Zur Ermittlung der möglichen Gefährdungen bei Tätigkei- Auch das gemäß § 6 Abs. 12 Gefahrstoffverordnung ten mit Zytostatika ist es notwendig, sowohl Informatio- (GefStoffV) vorgeschriebene Gefahrstoff-Verzeichnis kann nen über die (gefährlichen) Eigenschaften der jeweiligen eine mögliche Ausgangsbasis darstellen. Allerdings soll- Stoffe einzuholen (Kapitel 4.1) als auch die möglicher te dabei berücksichtigt werden, dass Stoffe, von denen weise dabei auftretenden Expositionen einzuschätzen keine oder nur eine geringe Gefährdung bei einer Tätigkeit (Kapitel 4.2). ausgeht, darin nicht enthalten sein müssen. Grundsätzlich müssen bei der Ermittlung der Gefährdung die vier folgenden Aspekte berücksichtigt werden: akute 4.1 (Toxische) Eigenschaften von Zytostatika Gefährdungen (akute Toxizität), chronische Gefährdungen (chronische Toxizität), Umweltgefährdungen und physi- Fast alle Zytostatika verändern die Struktur und/oder kalisch-chemische Gefährdungen. Bei den meisten Zyto Funktion des genetischen Materials, wodurch Wachstum statika muss davon ausgegangen werden, dass sie eine und Vermehrung der Tumorzellen gehemmt werden. Da akute oder chronische Toxizität besitzen. Weitere Erläu- die biochemischen Angriffspunkte in gesunden Zellen terungen finden Sie dazu in den Kapiteln 4.1.1 und 4.1.2. und Tumorzellen die gleichen sind, werden bei der Thera- Eine Gefährdung durch physikalisch-chemische Vorgänge pie mit Zytostatika auch gesunde, vor allem aber schnell wie zum Beispiel Brände oder Explosionen kann ausge- wachsende Zellen und Zellverbände geschädigt. Bei schlossen werden, da Zytostatika und zytostatikahaltige Patientinnen und Patienten, die mit Zytostatika behandelt Infusionen in Tablettenform beziehungsweise als wäss- werden, muss daher mit zellschädigenden Wirkungen vor rige Lösung eingesetzt werden und weder explosions allem auf das Knochenmark, die Haut und Schleimhaut gefährlich noch entzündbar sind. Da die von Zytostatika und die Keimzellen gerechnet werden. Die Schädigungen möglicherweise ausgehenden Umweltgefährdungen im können sowohl krebserzeugender, keimzellmutagener als Rahmen des Individualschutzes keine Rolle spielen, wird auch reproduktionstoxischer Natur sein. Vereinzelt wurde hierauf nicht näher eingegangen. die Bildung von sogenannten Zweit- oder Sekundärtumo- ren infolge einer Behandlung mit Zytostatika beobachtet. Ob von einem Zytostatikum eine bestimmte Gefahr für die Sie wird vor allem der alkylierenden Wirkung bestimm- Gesundheit der Beschäftigten ausgeht, ist in der Regel ter Zytostatika (Alkylanzien) zugeschrieben (Boffetta, P.; nicht ohne Weiteres ersichtlich, weil Arzneimittel keiner Kaldor, J., 1994). Diese Erkenntnisse aus der therapeuti- gefahrstoffrechtlichen Kennzeichnungspflicht unterlie- schen Anwendung lassen sich nicht auf die Beschäftigten gen. Einzelne Informationen bezüglich der Toxizität kön- übertragen, weil die toxischen Wirkungen dosisabhängig nen aus Sicherheitsdatenblättern, Fachinformationen der sind und auch vom Aufnahmeweg abhängen. Hersteller oder aus der Literatur entnommen werden. 11
Gefährdungen ermitteln Wie wirken verschiedene Zytostatika? Alkylanzien Alkylierende Substanzen führen durch chemische Reaktion mit genetischem Material (DNS = Desoxyribonukleinsäure) zur Schädigung der Nuklein säuren, wodurch die Replikation und Zellteilung beeinträchtigt wird. Antimetabolite Diese Substanzen sind den DNS- und RNS-Bausteinen ähnliche Substan- zen, die synthesephasespezifisch als falsche Substrate die Enzyme der Nukleinsäuresynthese hemmen. Mitosehemmstoffe Sie hemmen mitosephasespezifisch die Zellteilung durch Schädigung des (Vincaalkaloide, Taxane) Spindelapparates, indem sie die Kernspindel zerstören oder übermäßig stabilisieren. Topoisomerasehemmstoffe Sie hemmen die Wirkung bestimmter Enzyme (Topoisomerase I und Topoisomerase II). Sonstige zytotoxische Substanzen Nach unterschiedlichen Mechanismen wirken Bleomycin, Hydroxyharn- stoff, Zytokine wie Interleukin und Interferon sowie verschiedene weitere Substanzen zytotoxisch. Monoklonale Antikörper (MAK) zur Tumortherapie Sie binden an Oberflächenantigene, die auf Tumorzellen vermehrt exprimiert (zum Beispiel Rituximab, Trastuzumab, werden, und hemmen Signalwege, die das Wachstum der Tumorzellen oder Bevacizumab) auch das Gefäßwachstum hemmen. Konsens besteht darüber, dass MAK (ausgenommen Konjugate mit traditionellen Zytostatika-Wirkstoffen) nicht genotoxisch oder keimzellmutagen sind. Darin unterscheiden sie sich von den herkömmlichen Zytostatika. Bei den meisten monoklonalen Antikörpern (MAK) werden jedoch reproduktionstoxische Eigenschaften angenommen. Es wird außerdem eine sensibilisierende Wirkung kleiner Dosen diskutiert, die im Fall einer therapeutischen Anwendung die Wirksamkeit herabsetzen könnte. Kinaseinhibitoren Sie hemmen tumorspezifische Signaltransduktionskaskaden, an denen Kinasen maßgeblich beteiligt sind. Tyrosinkinase-Inhibitoren zielen auf eine spezifische Hemmung dysregulierter Tyrosinkinasen bei der chronisch myeloischen Leukämie (CML) und anderen malignen Erkrankungen ab. Die Einnahme erfolgt meist als Tablette oder Kapsel. Der bekannteste Wirkstoff dieser Gruppe, das Imatinib, erwies sich im Tierversuch als reproduktions- toxisch. 12
Gefährdungen ermitteln 4.1.1 Akute Toxizität Gewebezerstörende (nekrotisierende) Effekte wurden nur bei Patientinnen und Patienten während einer Chemo Unter lokaler Einwirkung von Zytostatika in reiner Form therapie beobachtet, wenn bei der Gabe von intravenösen oder in hochkonzentrierten Arzneimittelzubereitungen Infusionen versehentlich ein Teil der Infusionslösung in können reizende Effekte (zum Beispiel Rötung, Brennen, das umgebende Armgewebe anstelle der dafür vorgese- Juckreiz der Haut) auftreten. henen Vene gelangt. Dies kann im beruflichen Setting nur durch ein unfallartiges Ereignis auftreten (zum Beispiel Die nachfolgende Tabelle gibt einen Überblick über durch eine Stichverletzung mit einer zytostatikahaltigen mögliche Ätz- und Reizwirkungen auf die Haut, Augen Kanüle). schädigungen und -reizungen sowie Reizungen der Atem- wege durch Kontakt mit gängigen Zytostatika in reiner Form oder als hochkonzentrierte Zubereitung. Sie erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Wirkungen bei direktem Kontakt mit einzelnen Zytostatika Ätz-/Reizwirkung Schwere Augenschädi- Spezifische Zielorgan- auf die Haut gung beziehungsweise Toxizität (einmalige Augenreizung Exposition); kann die Atemwege reizen Bendamustin – X – Carboplatin X X X Cisplatin – X X Docetaxel – X – Fluorouracil X X X Gemcitabin – X – Methotrexat X X – Mitomycin X X X Oxaliplatin X X X Paclitaxel X X X Pemetrexed X X – Temozolomid X X X 13
Gefährdungen ermitteln 4.1.2 Chronische Toxizität Die Einstufung in die Kategorie 2 erfolgt aufgrund von Nachweisen aus Studien an Tieren oder aus Studien beim Viele Zytostatika weisen in Tierversuchen krebserzeugen- Menschen, die einen Verdacht auf karzinogene Wirkung de, keimzellmutagene oder reproduktionstoxische (CMR) begründen. Sie sind jedoch nicht hinreichend genug für Eigenschaften auf. Sehr selten sind auch sensibilisieren- eine Einstufung des Stoffes in Kategorie 1A oder 1B. Die de Eigenschaften wie auch bei monoklonalen Antikörpern entsprechenden Kategorien für keimzellmutagene und möglich (zum Beispiel ist Cisplatin haut- und atemwegs- reproduktionstoxische Stoffe sind analog aufgebaut. sensibilisierend). In Deutschland muss außerdem die TRGS 905 „Verzeich- Krebserzeugende Stoffe werden gemäß der CLP(Classifi- nis krebserzeugender, keimzellmutagener oder reproduk- cation, Labelling and Packaging)-Verordnung folgender- tionstoxischer Stoffe“ berücksichtigt werden, die eine maßen kategorisiert:* Einstufung weiterer Stoffe in die Kategorien 1A, 1B oder 2 beziehungsweise auch von der CLP-Verordnung abwei- Kategorie 1 chende Einstufungen enthält und auch krebserzeugende Bekanntermaßen oder wahrscheinlich beim Menschen karzi- Arzneistoffe als besondere Stoffgruppe beschreibt. Auch nogen; die Einstufung erfolgt anhand epidemiologischer und/ Hersteller von Zytostatika müssen dies berücksichtigen oder Tierversuchsdaten und kann weiter in die Kategorien 1A und gegebenenfalls selbst die Stoffe einstufen. und 1B differenziert werden: Kategorie 1A Zytostatikahaltige Gemische (zum Beispiel Infusions Stoffe, die bekanntermaßen beim Menschen karzinogen sind; lösungen) müssen bei der Gefährdungsbeurteilung die Einstufung erfolgt überwiegend aufgrund von Nachweisen ebenfalls berücksichtigt werden, wenn diese bestimmte beim Menschen. Konzentrationen überschreiten (Berücksichtigungsgrenz- werte gemäß CLP-Verordnung). Dies gilt unter anderem Kategorie 1 B für Zytostatika-Infusionen, wenn sie einen krebserzeu- Stoffe, die wahrscheinlich beim Menschen karzinogen sind; genden (Kategorie 1A oder 1B) oder mutagenen Wirkstoff die Einstufung erfolgt überwiegend aufgrund von Nachweisen (Kategorie 1A oder 1B) in einer Konzentration größer/gleich bei Tieren. 0,1 Gewichtsprozent beziehungsweise einen reproduk- Kategorie 2 tionstoxischen Wirkstoff (Kategorie 1A oder 1B) in einer Verdacht auf karzinogene Wirkung beim Menschen. Konzentration größer/gleich 0,3 Gewichtsprozent ent- halten. Die CLP-Verordnung enthält für weitere Gefahren Quelle: Anhang I der Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 über die Einstu- kategorien (zum Beispiel akut toxisch, ätzend) Angaben fung, Kennzeichnung und Verpackung von Stoffen und Gemischen zu Berücksichtigungsgrenzwerten. vom 16. Dezember 2008 (CLP-Verordnung). * Anhang VI der CLP-Verordnung enthält harmonisierte Einstufun- gen; Einstufungen der International Agency for Research on Cancer Die Einstufung nach den Kriterien der CLP-Verordnung (IARC), der Ständigen Senatskornmission zur Prüfung gesundheits- kann den Sicherheitsdatenblättern entnommen werden. schädlicher Arbeitsstoffe (MAK-Kommission) oder anderer natio- naler Gremien können abweichen. Auf die Darstellung weiterer Einstufungs- und Bewertungssysteme wird an dieser Stelle ver- zichtet. 14
Gefährdungen ermitteln Informationen zur Einstufung von mehr als 120.000 4.2 Expositionsermittlung Stoffen (auch Arzneistoffe) finden Sie in der Datenbank der European Chemicals Agency (ECHA) unter: Das Ausmaß der Exposition gegenüber Zytostatika hängt https://echa.europa.eu/de/information-on-chemicals. insbesondere von der Art und Häufigkeit des Umgangs so- Die Tabelle im Anhang I dieser DGUV Information ent- wie der Menge der zu verarbeitenden Arzneimittel ab. Vor hält für die am häufigsten eingesetzten Zytostatika allem die Art der Aufnahme (oral, inhalativ, dermal) spielt eine Zuordnung zu den Kategorien nach der CLP- eine entscheidende Rolle: Verordnung. • Eine orale Aufnahme sollte bei Einhaltung der üblichen Angaben zur Einstufung von weiteren Zytostatika und Hygieneregeln grundsätzlich nicht auftreten. monoklonalen Antikörpern für die Rezeptur sind in der • Ebenso ist eine inhalative Exposition der Beschäftig- BGW-Publikation „Bewertung der gefährlichen Eigen- ten nicht zu erwarten, da Zytostatika allgemein einen schaften von antineoplastisch wirksamen Arzneistof- sehr geringen Dampfdruck aufweisen und die Entste- fen des ATC-Code L01 und L02 zum Schutz der Beschäf- hung von Aerosolen durch den Einsatz von Schutz tigten“ zu finden, die von der Website der BGW als maßnahmen (Sicherheitswerkbänke, Isolatoren, PDF-Datei heruntergeladen werden kann. geschlossene Überleitsysteme) vermieden wird. Mes- sungen der Luftbelastung zur Bestimmung der Exposi- tion an Zytostatika-Arbeitsplätzen sind deshalb für die Die Gefährdungsbeurteilung muss anhand der verfüg- Gefährdungsbeurteilung nicht hilfreich. baren Informationen (Einstufungskriterien gemäß CLP- • Allerdings kann eine dermale Aufnahme (zum Beispiel Verordnung, Fachinformationen der Hersteller etc.) über die Hände) nicht ausgeschlossen werden, wenn durchgeführt werden. Soweit sonstige Kenntnisse über Zytostatika durch Verschleppung in Arbeitsbereiche krebserzeugende, keimzellmutagene und/oder repro- gelangen, in denen keine Handschuhe getragen wer- duktionstoxische Eigenschaften der Arzneimittel bekannt den. Insofern können Verfahren zur Identifizierung von sind, müssen sie entsprechend berücksichtigt werden. Oberflächenverunreinigungen mit Zytostatika im Rah- men der Gefährdungsbeurteilung hilfreich sein. Da viele Zytostatika krebserzeugende, keimzellmutagene oder reproduktionstoxische Eigenschaften besitzen, Generell besteht die Möglichkeit, durch ein Umgebungs- empfiehlt es sich, insbesondere beim Einsatz wechseln- monitoring die externe Belastung sowie durch ein Bio- der Zytostatika – aus Gründen der Praktikabilität – diese monitoring die innere Belastung der Beschäftigten nach generell so zu behandeln, als wenn sie diese Eigenschaf- beispielsweise einer dermalen oder gegebenenfalls auch ten hätten. Falls ausschließlich Zytostatika eingesetzt inhalativen Aufnahme eines bestimmten Arzneistoffs fest- werden, von denen keine der genannten Eigenschaften zustellen. Bei nicht bekannten Schwellenwerten für die ausgehen (wie Interleukine), können sie differenziert CMR-Wirkungen ist es allerdings bis heute nicht möglich, betrachtet werden. verbindliche Grenzwerte für Zytostatika im biologischen Material zu definieren. Wegen der in der Regel geringen Belastungen kann die Messung im biologischen Material an die analytischen Nachweisgrenzen stoßen. 4.2.1 Umgebungsmonitoring Wischproben auf Oberflächen: Das Umgebungsmonitoring mittels Wischproben wurde zur Qualitätssicherung am Zytostatika-Arbeitsplatz entwickelt. 15
Gefährdungen ermitteln Beim Wischprobenverfahren werden definierte Oberflä- Probenahme chen im Arbeitsbereich mittels getränkter Wischtücher Die Auswahl der zu beprobenden Wischflächen sollte beprobt. Die Proben werden in einem Transportbehältnis sich daran orientieren, wo mit Zytostatika vorrangig ge- zur Bestimmung von Zytostatika gekühlt in Speziallabore arbeitet wird und wo sie freigesetzt werden können versandt und dort analysiert. (Belastungsschwerpunkte). Auch die mögliche Ver schleppung von Wirkstoffen (zum Beispiel über Anfassen, Es bietet gegenüber dem Biomonitoring (siehe Kapitel Laufen, Abstellen, Weitergeben) sollte dabei berücksich- 4.2.2) deutliche Vorteile. So kann durch das Biomonito- tigt werden. Als Probenahmestellen sind im Zuberei ring beispielsweise nicht geklärt werden, wie und wo- tungsbereich geeignet: durch ein Zytostatikum in den Körper gelangt ist. Beim • Boden vor der Sicherheitswerkbank und in der Wischprobentest können hingegen geringste Kontamina- Raummitte, tionen an bestimmten Flächen der Arbeitsplatzumgebung • Ablageflächen für die Vor- und Nachbereitung ermittelt werden und somit helfen, die Freisetzungs- und (zum Beispiel Auspackplatz, Desinfektion der Am Verteilungswege von Zytostatika zu identifizieren. Derzeit pullenflaschen, Ablage der fertigen Zubereitungen, können etwa 25 verschiedene Zytostatika analytisch er- Etikettierungsplatz, Arbeitsfläche bei Einschweiß fasst werden. Hierzu zählen Wirkstoffe wie Cyclophospha- gerät), mid, lfosfamid, 5-Fluorouracil sowie Platin als Indikator • Lagerplätze (zum Beispiel Vorratsschrank, für Cis-, Carbo- und Oxaliplatin. Schubfächer, Kühlschrank), • Durchreichen beziehungsweise Materialschleusen, Untersuchung weiterer Materialien • Oberflächen von Abfallbehältnissen, Neben Oberflächen lassen sich auch Gegenstände wie • Innen- und Außenflächen von Transportbehältern. Textilien (Bettwäsche, Handschuhe) auf Zytostatika unter- suchen. Da im Labor bei der Extraktion der Zytostatika Denkbar ist auch, Proben von der Schutzkleidung an der aus diesen Materialien weitere Stoffe extrahiert werden Körpervorderseite der zubereitenden Person, an Telefon- können, die die chemische Analyse stören, ist das Ver hörern, Türgriffen (zum Beispiel Kühlschrank) oder Tasta- fahren aufwendig und bislang auf spezielle Einzelfälle be- turen zu nehmen. schränkt. 1 5 4 2 3 Abb. 3 Wischprobenentnahme, geeignete Orte für Wischproben 1 Telefonhörer 4 Werkbank Arbeitsplatz 2 Abfallbehälter 5 Einschweißgerät 3 Boden unter der Arbeitsfläche 16
Gefährdungen ermitteln Monitoring-Effekt-Studie für Wischproben in Apotheken Im MEWIP-Projekt der BGW erwiesen sich Wischproben als geeignet zur Unterscheidung zwischen „hohen“ und „niedrigen“ Belastungen am Arbeitsplatz. Der aus dem 90. Perzentil aller Messwerte abgeleitete Orien- tierungswert von 0,1 ng/cm2 stellt zwar keinen gesund- heitsbezogenen Parameter dar und ist an die im Projekt untersuchten Zytostatika (5-Fluorouracil, Methotrexat, Ifosfamid, Cyclophosphamid, Etoposid, Gemcitabin, Paclitaxel und Docetaxel) gebunden, jedoch kann er als Anhaltspunkt im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung dienen. Bei höheren Werten sollte der Arbeitsprozess Abb. 4 Probenahme-Set hinsichtlich der Freisetzung von Zytostatika überdacht und mögliche Schwachstellen beziehungsweise Konta- minationswege (zum Beispiel durch Leckagen, Störun- In Räumen, in denen Zytostatika verabreicht werden, gen der Lüftungstechnik) behoben werden. ieten sich für eine Probenahme beispielsweise der In- b fusionsständer, Infusionspumpen und Ablageflächen für Im Verlauf des MEWIP-Projekts wurden in 130 Klinik- Zytostatika, Transporttabletts für fertige Zubereitungen und Offizin-Apotheken über einen Zeitraum von zwei und Medikamententabletts an. Es empfiehlt sich auch, in Jahren (2006–2007) quartalsweise Wischproben zur Räumen zur Vorbereitung der Applikation (zum Beispiel in Erfassung der Arbeitsplatzbelastung mit acht verschie- Stationszimmern) und im Entsorgungsbereich zu beproben. denen Zytostatika genommen und der expositionsre- duzierende Einfluss eines Wischprobenmonitorings Wischproben können auf einzelne Zytostatika als Leit- auf die Arbeitshygiene untersucht. Daneben wurde substanzen beschränkt und mit vertretbarem zeitlichen eine Vielzahl wichtiger Daten zu Räumlichkeiten, Ver- und finanziellen Aufwand vom Personal vor Ort durchge- brauchsmengen, Arbeitsweise, Sicherheitsstandards führt werden. etc. erfasst, um anhand der Korrelation mit den Mess- werten Mechanismen und Bedingungen der Entste- Zum Zeitpunkt der Erstellung dieser DGUV Information hung und Verbreitung von Kontaminationen aufzu gab es in Deutschland folgende Dienstleister, die voll- klären. Mehr Informationen finden Sie auf der Website ständige Probenahme-Sets anbieten und die chemische der BGW (Suchbegriff: MEWIP). Analyse der Proben organisieren: Berner International GmbH Mühlenkamp 6, 25337 Elmshorn Tel.: (04121) 4356 - 0 Fax: (04121) 4356 - 20 E-Mail: info@berner-international.de Klinikum der Universität München, Institut und Poliklinik für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin Tel.: (089) 44 00 - 524 63 Fax: (089) 44 00 - 539 57 E-Mail: zytowisch-arb@med.uni-muenchen.de 17
Gefährdungen ermitteln Die Laborergebnisse geben die Mengen an Kontamination Beanspruchungs- oder Effektmonitoring: an. Das Ausmaß der Belastung sollte im Vergleich zu Das biologische Beanspruchungsmonitoring oder zyto- vorangegangenen Proben oder zu Messergebnissen von genetische Effektmonitoring (zum Beispiel Schwester- anderen Zytostatika herstellenden Apotheken oder Kran- Chromatid-Austauschrate, Mikrokernrate, Chromosomen- kenhäusern bewertet werden (Benchmarking). Bei er Aberrationen, Addukte) ermittelt nicht den Gefahrstoff höhten Messwerten empfiehlt es sich, die technischen selbst, sondern dessen Wirkung am genetischen Einrichtungen und die Arbeitsverfahren zu überprüfen Material. Die Untersuchung kann auf biologische Effekte und gegebenenfalls zu optimieren. hinweisen, die durch bestimmte Beanspruchungen (zum Beispiel durch das Zytostatikum, aber auch außerberuf Auch für andere Arzneistoffe mit CMR-Eigenschaften (zum liche Einwirkungen wie Rauchen, Ernährung und/oder Beispiel bestimmte Antibiotika, Virustatika, Immunsup- Arzneimitteleinnahme) verursacht sein können. pressiva und Steroidhormone wie Androgene, Anabolika, Glukokortikoide, Estrogene, Gestagene) können Wisch- Die Verfahren liefern in der Regel keine belastbaren Hin- proben im Sinne des § 10 Abs. 3 Nr. 1 GefStoffV helfen, weise auf kausale Zusammenhänge, weil die Veränderun- Freisetzungen und Verteilungswege zu identifizieren. gen sowohl durch die Einflüsse am Arbeitsplatz wie auch durch andere nicht arbeitsplatzbezogene Einwirkungen 4.2.2 Biomonitoring verursacht werden können. Die Ergebnisse sind schwer im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung zu interpretieren Belastungsmonitoring und besitzen daher kaum Aussagekraft. Beim Belastungsmonitoring wird das Zytostatikum oder dessen bekanntes Abbauprodukt (Metabolit) im Blut oder Die Verfahren sind somit speziellen Situationen vorbehal- Urin untersucht. Bisher gibt es nur für wenige Zytostatika, ten (etwa bei großflächigen Kontaminationen), bei denen in einigen spezialisierten Laboratorien, die Möglichkeit wissenschaftliche Studien an einem ausreichend großen der Untersuchung. Die Untersuchungsergebnisse sind Arbeitnehmer-Kollektiv durchgeführt werden. schwer zu interpretieren, weil bisher keine ausreichen- den Erkenntnisse zum Zusammenhang zwischen der Zytostatikabelastung im Urin und der Entstehung einer Krebserkrankung vorliegen; die Verfahren sind außerdem (bis auf wenige Ausnahmen) nicht validiert. Ein weiteres Problem sind die kurzen Verweilzeiten der Substanzen im menschlichen Körper. Diese Untersuchungsart bietet sich daher zurzeit nur für wissenschaftliche Zwecke oder be- sondere Fragestellungen an. Bei den meisten Messungen wird die Nachweisgrenze unterschritten. 18
5 Gefährdung beurteilen Nachdem die relevanten Arbeitsbereiche und Tätigkeiten • Aerosolbildung (etwa beim Auflösen der Trocken identifiziert und die möglichen Gefährdungen ermittelt substanz und Aufziehen von Spritzen ohne Verwen- wurden, werden diese im nächsten Schritt der Gefähr- dung von Schutzsystemen), dungsbeurteilung hinsichtlich ihrer Bedeutung für die Ge- • Versehentlichem Fallenlassen von zytostatikahaltigen sundheit der Beschäftigten bewertet. Dies ist der schwie- Behältnissen. rigste Teil der Gefährdungsbeurteilung für Tätigkeiten mit Zytostatika, denn: An zweiter Stelle ist die Applikation von Zytostatika zu • Obwohl die toxischen Eigenschaften vieler Zytostatika nennen. In diesem Bereich werden zwar – abgesehen aus Tierversuchen bekannt sind (CMR-Eigenschaften), von Bolusinjektionen – kaum Konzentrate verwendet, existieren keine gesundheitsbasierten Beurteilungs- wie sie im Zubereitungsbereich der Apotheken üblich grenzen (zum Beispiel Arbeitsplatzgrenzwerte, biologi- sind. Doch kann es zur unbeabsichtigten Freisetzung von sche Grenzwerte), die zur Bewertung von Zytostatika- zytostatikahaltigen Lösungen beim Vorbereiten und Kon- Arbeitsplätzen herangezogen werden könnten. nektieren von Infusionen kommen, wenn die Infusions- • Die anhand von Tierversuchsdaten abgeleiteten Erkran- systeme nicht mit Trägerlösung vorbefüllt werden. Wäh- kungsrisiken, bezogen auf die aufgenommene Menge rend der Applikation und insbesondere beim Entfernen eines Zytostatikums (sogenannte Unit-Risks) erlauben von Infusionszubehör kann es ebenfalls zu Freisetzungen eine erste Einschätzung der Größenordnungen (Roller, kommen. Auch Substanzfreisetzungen durch versehent Eickmann, Nies, 2001). Im Sinne einer „Worst-Case-Be- liches Fallenlassen von zytostatikahaltigen Behältnis- trachtung“ wurde insbesondere Cyclophosphamid be- sen sind nicht auszuschließen. Zytostatikalösungen trachtet, das aufgrund seiner alkylierenden Eigenschaf- müssen bei der Gefährdungsbeurteilung berücksichtigt ten zu den besonders kritischen Zytostatika zählt. Die werden, wenn sie bestimmte Konzentrationen (Berück Angaben haben eher einen pragmatischen Stellenwert sichtigungsgrenzwerte gemäß CLP-Verordnung) über- und erlauben aus Sicht des Arbeitsschutzes keine diffe- schreiten (siehe Kapitel 4.1.2). renzierten Schlussfolgerungen. Sie ermöglichen jedoch eine grobe Betrachtung der Dosis-Wirkungs-Beziehung. Allgemein geht von Zytostatika-Fertigarzneimitteln, die • Bei den Unfallversicherungsträgern wurden bisher nur unverändert an Patientinnen und Patienten abgegeben sehr wenige Fälle gemeldet. werden, keine Gesundheitsgefährdung für die Beschäftig- ten aus. Jedoch ist eine Gefährdung möglich, wenn be- Es sollten die unterschiedlichen Freisetzungspotenziale stimmte Manipulationen (zum Beispiel Teilen, Mörsern bei Tätigkeiten mit Zytostatika zur Beurteilung der Gefähr- von Tabletten) durchgeführt werden. Hier muss die ent- dung herangezogen werden, da nach heutigem Wissens- stehende Gefährdung aufgrund der Wirkstoffmenge, der stand vor allem die Aufnahme von Zytostatika über die Konsistenz sowie der Art, Dauer und Häufigkeit der Tätig- Haut zur Belastung der Beschäftigten beitragen kann. keit betrachtet werden. Mit der größten Gefährdung für Beschäftigte im Umgang mit Wenn von den üblicherweise zu entsorgenden Zytostatika- Zytostatika muss aufgrund der Menge, der Konzentration mengen ausgegangen wird, so ist die Gefährdung bei der und der Art der Verarbeitungsschritte im Bereich der Zu Entsorgung geringer als bei der Zubereitung und der Ap- bereitung (in seltenen Fällen auch im Bereich des Waren- plikation. Die meisten Abfälle enthalten nur geringe Zyto eingangs) gerechnet werden. Die Gefährdung entsteht dort statikamengen. Sie werden in speziellen Abfallbehältern im Allgemeinen durch Kontamination der Haut infolge von von anderem Abfall getrennt gesammelt und in verschlos- • Stäuben (zum Beispiel defekte Injektionsflaschen mit senen Behältnissen transportiert. Allerdings ist eine Ge- Trockensubstanz, äußere, gegebenenfalls nicht sicht- fährdung des Entsorgungspersonals möglich, wenn dieses bare Anhaftungen an den Originalverpackungen oder nicht ausreichend über die richtige Handhabung der Abfäl- Ampullenflaschen nach Glasbruch), le unterrichtet worden ist (siehe Kapitel 6.6) oder Abfälle • Leckagen (beispielsweise durch Anlieferung beschä- nicht ordnungsgemäß übergeben werden. digter Originalverpackungen oder beim Aufziehen be- ziehungsweise Umfüllen und Dosieren der aufgelösten Gemische), 19
Gefährdung beurteilen ! Gut zu wissen! Die beiden folgenden Punkte gehen auf Einzelaspekte 2. Eine Vorstellung von den Zytostatikamengen, die der Gefährdung bei der Zubereitung und der Applika- eine Patientin oder ein Patient während einer Hoch- tion von Zytostatika ein. Sie können zusammen mit dosistherapie mit Zytostatika ausscheidet, erhält anderen Erkenntnissen in die Einschätzung der Gefähr- man durch folgende Überlegung: dung einfließen. Unter der ungünstigsten Annahme, dass ein verab- 1. Zwar ist davon auszugehen, dass keine Belastung reichtes Zytostatikum im Körper nicht verstoffwech- der Beschäftigten mit Zytostatika bei Einhaltung der selt wird, kann man allein aufgrund des Verdün- Schutzmaßnahmen eintritt, doch hilft die folgende nungseffektes des üblicherweise im Blut (Volumen Überlegung, eine Vorstellung von der inneren Be- ca. 5–7 l) und von anderen Körperkompartimenten lastung von Beschäftigten zu bekommen, die Zyto aufgenommenen Zytostatikums bei den üblichen statika unter eher ungünstigen Randbedingungen Dosierungen davon ausgehen, dass der Massen- zubereiten: gehalt in Körperflüssigkeiten von Patienten unter- halb von etwa 0,1 % liegt. Die Ausscheidung erfolgt In einer Studie von Tanimura (2009) wurde bei vier zum größten Teil über den Urin. In der Literatur zytostatikaexponierten Pharmazeuten in Japan im (Eitel, A. et al., 2004) findet man unter anderem 24-Stunden-Sammelurin eine durchschnittliche Aus- folgende Ausscheidungsanteile: Carboplatin (60 % scheidung von 0,165 µg Cyclophosphamid gefunden. unverändert innerhalb der ersten 24 h), Cytarabin Da Cyclophosphamid zu 90 % verstoffwechselt wird, (90 % unverändert innerhalb der ersten 24 h). Die werden 10 % unverändert mit dem Urin ausgeschie- Ausscheidung über den Schweiß und Speichel er- den. Daraus errechnet sich eine durchschnittliche folgt dagegen nur zu einem sehr geringen Teil. tägliche Aufnahme von ca. 1,65 µg Cyclophosphamid. Bei Aufnahme von 1,65 µg/d C yclophosphamid ergibt Allerdings kann erbrochener Mageninhalt nach dies bei 220 Arbeitstagen/Jahr über eine Lebens oraler Zytostatikagabe erhöhte Mengen an Zyto arbeitszeit von 50 Jahren(!) eine Menge von: statika enthalten, wie auch Urin nach intravenö- 1,65 µg × 220 × 50 = 18.150 µg = 18,2 mg ser Hochdosistherapie (zum Beispiel mit Metho (Gesamtaufnahme). Die therapeutische Einzel- trexat), sodass zusätzliche Maßnahmen über den dosis für Patienten liegt bei 10-15 mg/kg Körper- allgemeinen H ygienestandard hinaus sinnvoll gewicht. Bei einem 70 kg schweren Patienten be- sein können. Sitzendes Urinieren sowie der Ein- deutet dies eine Einzeldosis von 700–1.050 mg satz selbstreinigender WC-Sitze und der vorzeitige Cyclophosphamid. Die Pharmazeuten in der Studie Wechsel von Handschuhen bei Reinigungsarbeiten würden also unter der Annahme, dass sie ohne eine können hilfreich sein, um Substanzverschleppungen Änderung der Arbeitsbedingungen 50 Jahre lang zu v ermeiden. Cyclophosphamid-Infusionen zubereiten würden, rein rechnerisch durchschnittlich etwa 1,7 % einer therapeutischen Einzeldosis aufnehmen. 20
Gefährdung beurteilen Zubereitung > Applikation > Entsorgung > Transport fertiger Zubereitungen Abb. 5 Gewichtung der Freisetzungsmöglichkeiten bei verschiedenen Tätigkeiten Beim Transport applikationsfertiger Zytostatika-Infusionen Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten nach heu- von einer zubereitenden Apotheke zur Station im Kran- tigem Wissensstand nicht gefährdet ist, wenn die in der kenhaus oder zu einer onkologischen Praxis kann die be- TRGS 525 und dieser DGUV Information beschriebenen fördernde Person unter Verwendung geeigneter Transport- Schutzmaßnahmen eingehalten werden. behältnisse in der Regel nicht mit Zytostatika in Kontakt kommen, da sie lediglich die Transportbox befördert und Im Einzelfall, beispielsweise, wenn das in der TRGS 525 nicht öffnet. und in dieser DGUV Information beschriebene Schutz- niveau nicht eingehalten wird, kann es notwendig sein, Die konsequente und gewissenhafte Umsetzung von dass eine Eintragung in das zu führende Verzeichnis Schutzmaßnahmen hat in den letzten 15 Jahren zu einer von Tätigkeiten mit krebserzeugenden Gefahrstoffen deutlichen Abnahme der gemessenen Umgebungsbelas- erforderlich ist. Weitere Informationen dazu finden tungen mit Zytostatika in den betreffenden Unternehmen Sie in der TRGS 410 (Expositionsverzeichnis bei Ge- geführt (Böhlandt, A.; Schiert, R., 2016). Gleichzeitig ist fährdung gegenüber krebserzeugenden oder keimzell die Benutzung von Schutzhandschuhen bei Tätigkeiten mutagenen Gefahrstoffen der Kategorie 1A oder 1B) und mit Zytostatika im Gesundheitsdienst inzwischen eine auf der Website des Instituts für Arbeitsschutz Selbstverständlichkeit geworden, sodass davon aus- (IFA, Suchbegriff: ZED) sowie auf der Webseite der gegangen werden kann, dass eine dermale Aufnahme BGW (Suchbegriff: ZED). von Zytostatika eigentlich nur unter ungünstigen Um- ständen (zum Beispiel bei Unfällen) noch möglich ist. Zusammenfassend kann also gesagt werden, dass die 21
6 Maßnahmen festlegen und durchführen Die Ermittlung und Beurteilung der Gefährdungen dient Zytostatika, die als Stoffe ausgewiesen sind, die auch als Grundlage für den vierten und fünften Schritt der Ge- bei Einhaltung der arbeitsplatzbezogenen Vorgaben fährdungsbeurteilung: die Festlegung und Durchführung möglicherweise zu einer Fruchtschädigung (etwa auf- von Schutzmaßnahmen. Hier steht der Schutz der Be- grund der Zusatzbemerkung „Z“ nach der Technischen schäftigten im Vordergrund; durch bestimmte Maßnah- Regel für Gefahrstoffe TRGS 900) führen können, zählen men sollen sie vor einer Exposition gegenüber Zytostatika ebenfalls dazu. geschützt werden. Die Maßnahmen können technische, organisatorische und persönliche Schutzmaßnahmen Da bei den existierenden Arbeitsverfahren trotz aller sein. Schutzmaßnahmen eine Exposition gegenüber Zytosta- tika mit den genannten Eigenschaften nicht vollständig Die bei Tätigkeiten mit Zytostatika – beispielsweise in der ausgeschlossen werden kann, sollten schwangere Frauen Apotheke oder auf der Station – zu treffenden Schutz- nicht mit Tätigkeiten wie der Zubereitung, der Applikation maßnahmen müssen sich am Ergebnis der ermittelten und der Entsorgung von Zytostatika (zum Beispiel nicht Gefahren für die jeweiligen Arbeitsbereiche orientieren. mehr verwendbare Anbrüche von Lösungen zur Herstel- Im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung muss festgelegt lung, Körperausscheidungen von Betroffenen) beauftragt werden, welche konkreten Maßnahmen an Ort und Stelle werden. die zweckmäßigsten sind. Stillende Frauen dürfen ebenfalls keine Tätigkeiten aus- Personal, das Tätigkeiten mit Zytostatika in gesundheits- üben, bei denen sie Zytostatika in einem Maße ausge- dienstlichen Einrichtungen ausführt, muss zunächst die setzt sind oder sein können, welches für sie oder ihr Kind berufsständischen Voraussetzungen (zum Beispiel ausrei eine unverantwortbare Gefährdung darstellt. chende Qualifizierung, regelmäßige Schulungen) erfül- len. Darüber hinaus müssen die Beschäftigten gemäß § 8 Diese liegt insbesondere vor, wenn die stillende Frau Abs. 7 GefStoffV fachkundig oder besonders unterwiesen Zytostatika ausgesetzt ist oder sein kann, die als repro- sein. Des Weiteren müssen die im Mutterschutzgesetz duktionstoxisch nach der Zusatzkategorie für Wirkungen und im Jugendarbeitsschutzgesetz formulierten Beschäf- auf oder über die Laktation zu bewerten sind. Sicherheits- tigungsbeschränkungen beachtet werden: technische, arbeitsmedizinische und arbeitshygienische Regeln hierzu werden von einem beratenden Ausschuss • Gemäߧ 11 des Mutterschutzgesetzes darf eine für Mutterschutz beim Bundesministerium für Familie, schwangere Frau keine Tätigkeiten ausüben oder ande- Senioren, Frauen und Jugend aufgestellt. ren Arbeitsbedingungen ausgesetzt sein, bei denen sie in einem Maß Gefahrstoffen ausgesetzt ist oder sein In der betrieblichen Praxis wird es jedoch kaum möglich kann, welches für sie oder ihr Kind eine unverantwort- sein, zwischen Zytostatika, die ein Beschäftigungsverbot bare Gefährdung darstellt. Dies gilt insbesondere auch für schwangere oder stillende Frauen nach sich ziehen, für Zytostatika, die folgende Eigenschaften haben: und anderen Zytostatika zu differenzieren. – reproduktionstoxisch nach Kategorie 1A, 1B oder 2 oder nach der Zusatzkategorie für Wirkungen auf Gemäß § 22 Abs. 1 des Jugendarbeitsschutzgesetzes oder über die Laktation, dürfen Jugendliche nicht mit Arbeiten beschäftigt werden, – keimzellmutagen nach Kategorie 1A oder 1B, bei denen sie schädlichen Einwirkungen von Gefahrstof- – karzinogen nach Kategorie 1A oder 1B, fen im Sinne des Chemikaliengesetzes ausgesetzt sind. – spezifisch zielorgantoxisch nach einmaliger Jugendliche dürfen nur dann Zytostatika ausgesetzt sein, Exposition nach Kategorie 1 oder wenn das Erlernen bestimmter Tätigkeiten zur Erreichung – akut toxisch nach der Kategorie 1, 2 oder 3. des Ausbildungsziels erforderlich und ein ausreichender Schutz der Jugendlichen durch die Aufsicht eines Fach- kundigen gewährleistet ist. 22
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