JOB SECURITY COUNCILS - MITBESTIMMUNGSPRAXIS Impulse für die Mitbestimmung - Hans-Böckler-Stiftung
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MITBESTIMMUNGSPRAXIS Nr. 11 · Februar 2018 JOB SECURITY COUNCILS Impulse für die Mitbestimmung Kathrin Filipiak, Gernot Mühge
AUTOREN WEITERE TITEL UNTER Kathrin Filipiak www.boeckler.de/62346.htm Kathrin Filipiak ist Sozialwissenschaftlerin am Helex Institut in Bochum und forscht seit 2013 in den Themenfeldern Restruk- turierung, Beschäftigung und Qualifizierung im internationalen Vergleich. MITBESTIMMUNGSPORTAL Gernot Mühge Gernot Mühge, Jahrgang 1970, ist Sozialwissenschaftler und seit 2014 geschäftsführender Gesellschafter des Helex Instituts, Bo- Der Böckler-Infoservice bietet Mit- chum; er leitet dort den Forschungsbereich Restrukturierung und bestimmungsakteuren spezifisches soziale Sicherheit. Seine Laufbahn als Arbeitsmarktforscher be- Handlungs- und Orientierungs- gann 1996 am damaligen Institut Arbeit und Technik, dem späteren wissen, u. a. Branchenmonitore, Institut Arbeit und Qualifikation der Universität Duisburg-Essen. Themenradar, Wissen kompakt, Seine Forschungserfahrung beruht auf verschiedenen nationalen Szenarien Mitbestimmung 2035. und internationalen Projekten zu den Themengebieten betriebliche Jetzt kostenlos anmelden auf: Beschäftigungs- und Personalpolitik, personelle Flexibilität von www.mitbestimmung.de Unternehmen sowie zur Entwicklung von Alternativen zu Personal- abbau in betrieblichen Krisensituationen. PRAXISWISSEN BETRIEBSVEREINBARUNGEN Analysen und Gestaltungshilfen, Beispiele aus der Praxis. www.boeckler.de/ betriebsvereinbarungen IMPRESSUM Herausgeber Kontakt und Redaktion Hans-Böckler-Stiftung Jan-Paul Giertz, Referatsleiter Betriebliches Personal- und Sozialwesen Hans-Böckler-Stiftung Hans-Böckler-Straße 39, 40476 Düsseldorf Tel.: +49 (2 11) 77 78-185 Telefon +49 (2 11) 77 78-0, Telefax +49 (2 11) 77 78-12 0 jan-paul-giertz@boeckler.de www.boeckler.de www.mitbestimmung.de Ausgabe Pressekontakt: Rainer Jung, +49 (2 11) 77 78-150 Mitbestimmungspraxis Nr. 11 rainer-jung@boeckler.de ISSN 2366-0449 Satz: Yuko Stier Nachdruck und sonstige Verbreitung – auch Auszugsweise – nur mit Quellenangabe zulässig. Mitbestimmungspraxis Nr. 11 · Februar 2018 Seite 2
MITBESTIMMUNGSPRAXIS Nr. 11 · Februar 2018 JOB SECURITY COUNCILS ABSTRACT Die Transfergesellschaft ist das zentrale arbeitsmarktpolitische Instrument, wenn es aufgrund von betrieblichen Restrukturierungen zu unvermeidbarem Personalabbau kommt. Gleichwohl ist ihr Potenzial am deutschen Ar- beitsmarkt bislang nur wenig ausgeschöpft. Gründe dafür sind die hohe Komplexität des Instruments wie auch oftmals fehlendes Erfahrungswissen und mangelnde Gestaltungskompetenz der betrieblichen Sozialpartner. Im Vergleich zu Deutschland verfügt Schweden über einen Beschäftigtentransfer, der flächendeckend und umfassend zum Einsatz kommt, wenn Unternehmen Stellen abbauen. Die schwedischen, so genannten Job Security Councils blicken auf eine lange Kontinuität zurück, ihre arbeitsmarkpolitische Wirksamkeit ist hoch und sie genießen bei Beschäftigten und Betrieben einen guten Ruf. Die vorliegende Studie untersucht das schwedische Transfermodell und reflektiert aus dieser Perspektive die deutsche Transfergesellschaft. Die Befunde der Studie liefern Impulse für die Weiterentwicklung des deut- schen Modells und geben den Akteuren der Mitbestimmung Orientierung in der Gestaltung des zukünftigen Beschäftigtentransfers. Mitbestimmungspraxis Nr. 11 · Februar 2018 Seite 3
INHALT 1 Einführung............................................................................................................. 5 2 Job Security Councils in Schweden...................................................................... 6 2.1 Industrielle Beziehungen in Schweden............................................................................6 2.2 Modell und Verbreitung von Job Security Councils........................................................ 7 2.3 Trennung von finanzieller Unterstützung und Beratung..................................................8 3 Auftaktworkshop zur Projektsteuerung............................................................... 9 3.1 Methodisches Vorgehen.................................................................................................11 4 Fallstudie A: KFS.................................................................................................. 11 4.1 Einfluss der Rahmenbedingungen auf die Unterstützungsleistung von KFS................ 13 4.2 Trägerfallstudie............................................................................................................... 14 5 Fallstudie B: TRR................................................................................................... 17 5.1 Organisationale Rahmenbedingungen, Dienstleistungsspektrum und Qualitätsmaßstäbe.................................................................................................. 18 5.2 Zukünftige Entwicklungen............................................................................................. 21 5.3 Beratungsprozesse und -inhalte..................................................................................... 21 5.4 Die Perspektive der Klient_innen...................................................................................23 6 Fallbeispiel einer Restrukturierung mit Personalabbau bei einem Post- und Logistikunternehmen......................................................... 25 7 Vergleichende Analyse der Fallstudien .............................................................. 28 7.1 Ausblick..........................................................................................................................29 8 Fazit..................................................................................................................... 30 8.1 Prüfung der Zielgruppenorientierung und -erfahrung bei der Trägerauswahl..............30 8.2 Zielgruppenübergreifende Qualitätsmaßstäbe bei der Trägerauswahl......................... 31 8.3 Einbezug der betrieblichen Mitbestimmung in den Ablauf der Transfergesellschaft... 31 8.4 Zusammenfassung.........................................................................................................32 Literatur...................................................................................................................... 33 Mitbestimmungspraxis Nr. 11 · Februar 2018 Seite 4
1 EINFÜHRUNG gigkeiten des deutschen Modells kritisch zu hinterfra- gen und der Diskussion um die Zukunft der Transfer- Der schwedische Sozialstaat und die Rolle der Sozi- gesellschaft neue Impulse zu geben. Darüber hinaus alpartner in Schweden gelten vielfach – wenn auch vermittelt der vorliegende Bericht den Akteuren der nicht immer unumstritten – als wegweisend für mo- Mitbestimmung – Betriebsräten und Personalverant- derne Wohlfahrtsstaaten. Dies schließt das schwe- wortlichen sowie Tarifpartnern – in der Gestaltung dische Modell des Beschäftigtentransfers mit ein. von Transfersozialplänen und ihren Rahmenbedingun- Seine Grundlage sind die so genannten Job Security gen eine konkrete Orientierung. Councils – deutsch Arbeitsplatz-Sicherungs-Stiftun- Der vorliegende Bericht gliedert sich, neben der gen – die den Gegenstand der vorliegenden Unter- vorausgehenden Einführung, in weitere sieben Kapi- suchung bilden. Job Security Councils (JSC) werden tel. Im folgenden Kapitel 2 wird eine Einführung in das seit einiger Zeit als Vorbild für die Weiterentwicklung System der Job Security Councils in Schweden vor- der deutschen Instrumente des Beschäftigtentrans- genommen. Hierzu werden die Job Security Councils fers diskutiert (Knuth et al. 2012, S. 52 ff.; vgl. Knuth in den Kontext der industriellen Beziehungen einge- et al. 2011). Diese Diskussion wurde durch zahlreiche bettet (Kap. 2.1) und der Entstehungshintergrund so- wissenschaftliche Arbeiten zu Job Security Councils wie das zugrundeliegende Modell erläutert (Kap. 2.2). begleitet, die in den vergangenen Jahren im Rah- Unter Punkt 2.3 wird dargelegt, in welcher Form die men verschiedener europäischer Forschungsprojekte von der Entlassung Betroffenen finanzielle Unterstüt- durchgeführt wurden (vgl. Borghouts – van de Pas zung erfahren. Kapitel 3 zeigt die Herausforderungen 2012; Voss 2010; Diedrich / Bergström 2006; Mühge für die Betriebsräte beim Thema Beschäftigtentrans- 2009; Gazier / Bruggeman 2008; Knuth 2008; Died- fer; sie wurden in einem Auftaktworkshop zur Pro- rich / Bergström 2006 u. a.). Das primäre Ziel der Ar- jektsteuerung erhoben. Dieser Auftaktworkshop beiten lag darin, einem europäischen Publikum die zielte zum einen darauf, relevante Themen für die be- Wirkungsweise und die institutionellen Rahmenbe- triebliche Mitbestimmung zu identifizieren; zum an- dingungen schwedischer Job Security Councils zu deren darauf, die Fallauswahl der zu untersuchenden erklären. Deren Beratungsansatz sowie die Wirkun- Job Security Councils abzustimmen. Anschließend gen des Job-Security-Council-Systems auf die be- werden die auf Basis dieser Auswahl untersuch- triebliche Gestaltung von Restrukturierungen wurden ten Job Security Councils in zwei unterschiedlichen bislang weder in schwedischen noch in europäischen Fallstudien vorgestellt. Beim ersten Fall (Kap. 4) han- Forschungsprojekten beleuchtet. delt es sich um KFS (Kommunala Företagens Sam- An dieser Forschungslücke setzt der vorliegen- organisation), dem Unternehmen und Beschäftigte de Bericht an. Das Projekt „Job Security Coun- aus der kommunalen Wirtschaft assoziiert sind. In cils in Schweden. Impulse für die Mitbestimmung” diesem Fall werden Qualifizierung und Beratung untersucht der Entlassenen von einem externen Dienstleister durchgeführt. Die Kriterien für die Vergabe und die – die Auswirkungen des schwedischen Modells auf Besonderheiten der Zielgruppe werden im Kapitel 4.2 die Verhandlungen von betrieblichen Krisen- und dargestellt. In der anschließenden Fallstudie (Kapitel 5) Restrukturierungsfällen, wird das Job Security Council TRR (Trygghetsrådet) – den arbeitsmarktpolitischen Ansatz von JSC, das vorgestellt. Zu dessen Zielgruppe gehören Angestell- heißt die arbeitsmarktpolitische Beratung der Be- te aus dem privatwirtschaftlichen Bereich, welche troffenen, zudem deren Qualifizierung und Unter- oftmals auch eine leitende Funktion innehatten. Die stützung bei der Arbeitssuche durch JSC. für diese Zielgruppe relevanten Beratungs- und Qua- lifizierungsinhalte werden in Kapitel 5.3 genauer unter- Die empirische Grundlage des Projekts ist die qua- sucht und schließlich mit den Erfahrungen von zwei litative Untersuchung von zwei Job Security Coun- Klient_innen gespiegelt (Kap. 5.4). Im Anschluss an die cils. Sie basiert auf Experteninterviews mit betrieb- TRR-Fallstudie wird das Fallbeispiel einer Restruktu- lichen Interessenvertreter_innen, mit Beschäftig- rierung mit Personalabbau bei einem Post- und Logis- ten, die vom Personalabbau betroffen sind, sowie tikunternehmen dargestellt (Kapitel 6), um das Zusam- mit deren JSC-Transferberater_innen und dem menspiel aller relevanten Akteure im Personalabbau JSC-Führungspersonal. näher zu betrachten. In Kapitel 7 werden die Befunde Die vorliegende Untersuchung will für die in aus den Fallstudien einem Vergleich unterzogen, um Deutschland geführte Debatte um den Beschäftig- im anschließenden Fazit Handlungsempfehlungen tentransfer eine doppelte Funktion erfüllen: Sie be- für die Gestaltung von Beschäftigungsübergängen in trachtet Job Security Councils auf der einen Seite als Deutschland abzuleiten. Die Handlungsempfehlun- Vorbild für die Gestaltung des Beschäftigtentransfers; gen für die Akteure der betrieblichen Mitbestimmung auf der anderen Seite wirft die in Schweden durch- werden im Hinblick auf zu treffende Vorbereitungen geführte Untersuchung Licht auf den deutschen (Kap. 8.1) und Kriterien bei der Trägerauswahl (Kap. 8.2) Beschäftigtentransfer und verändert die Maßstäbe dargelegt. Zum Schluss wird zudem gezeigt, wie die seiner Bewertung und Gestaltung. Der Bericht zielt Betriebsräte auch in den Prozess des Transfers mit- darauf ab, bestimmte Eigenschaften und Pfadabhän- einbezogen werden können (Kap. 8.3). Mitbestimmungspraxis Nr. 11 · Februar 2018 Seite 5
2 JOB SECURITY COUNCILS sation), der etwa 0,95 Millionen Beschäftigte aus ver- schiedene Angestelltengruppen Beschäftigte assozi- IN SCHWEDEN iert sind; und schließlich Saco (Sveriges akademikers centralorganisation), die verschiedene Berufsgruppen mit akademischem Hintergrund vertritt und etwa 0,46 2.1 Industrielle Beziehungen in Schweden Millionen Beschäftigte umfasst (ebd., S. 2 f.). Der An- teil von gewerkschaftlich organisierten Beschäftigten Ahlberg / Bruun (2005) führen verschiedene Charak- ist in Schweden über alle Beschäftigtengruppen hin- teristika der industriellen Beziehungen in Schweden weg hoch – trotz des Rückgangs des gewerkschaft- an, vor deren Hintergrund die Entstehung und die lichen Organisationsgrades vor allem im Zuge der Ausgestaltung des Systems der Job Security Coun- Beitragsreform zur gewerkschaftlichen Arbeitslosen- cils verstanden werden kann: den beidseitig hohen versicherung im Oktober 2006 (vgl. Andersson / Brunk Organisationsgrad in Schweden, sowohl im Hinblick 2008). Der Organisationsgrad beträgt insgesamt das auf die Arbeitgeber- als auch auf die Gewerkschafts- 3,7-fache des gewerkschaftlichen Organisationsgra- seite; die arbeitgeberseitige Akzeptanz von Tarifver- des in Deutschland, wie folgende Abbildung zeigt. handlungen und -verträgen; die branchen- und be- Der hohe Anteil an gewerkschaftlich organisierten schäftigtengruppenübergreifende hohe Verbreitung Beschäftigten korrespondiert mit der Verbreitung von tarifvertraglicher Regelungen sowie die weitgehende Tarifverträgen: circa 90 % der schwedischen Beschäf- Abwesenheit staatlicher Interventionen (ebd., S. 117 f.), tigten arbeiten unter tariflichen Regelungen (vgl. Rose die Schweden insgesamt als „Musterland der Tarif- 2010; ILO-Daten für 2015 zeigen Werte knapp unter autonomie“ erscheinen lassen (vgl. Rose 2010). Auf 90 %, vgl. Visser et al. 2015) (Siehe Abbildung 1). der Gewerkschaftsseite sind drei berufsgruppen- Im Unterschied zum deutschen Modell der be- spezifische Dachverbände mit assoziierten Einzelge- trieblichen Mitbestimmung erfolgt die Interessen- werkschaften vertreten: Die LO (Landsorganisationen vertretung der Beschäftigten im schwedischen i Sverige), die hauptsächlich Beschäftigte aus dem System nicht über Betriebsräte, sondern mittels ge- gewerblich-technischen Bereich der Privatwirtschaft werkschaftlicher Vertreter_innen der jeweiligen Be- zur Zielgruppe hat und etwa 1,28 Millionen Beschäf- schäftigtengruppen. Die für die deutsche kollektive tigte vertritt; die TCO (Tjänstemännens Centralorgani- Interessenvertretung typische „Trennlinie“ zwischen 1999 2000 2001 2002 2003 Schweden (Amtliche Statistik, ab 81,6 2013 Swedish80,1 Labour Force78,0 Survey) 77,7 77,2 Deutschland (Amtliche Statistik) 25,3 24,6 23,7 23,5 23,0 Abbildung 1 Anteil an gewerkschaftlich organisierten Beschäftigten im Zeitverlauf Angaben in Prozent Anteil an gewerkscha:lich organisierten Beschä:igten im Zeitverlauf in Prozent 100 90 80 70 60 50 40 30 20 10 0 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 Schweden (Amtliche StaHsHk, ab 2013 Swedish Labour Force Survey) Deutschland (Amtliche StaHsHk) Schweden (Amtliche Statistik, ab 2013 Swedish Labour Force Survey) Deutschland (Amtliche Statistik) Quelle: https://stats.oecd.org, eigene Darstellung. Mitbestimmungspraxis Nr. 11 · Februar 2018 Seite 6
gewerkschaftlicher Interessenvertretung außerhalb sicherung das Kostenrisiko zwischen den Unterneh- des Betriebs und Betriebsräten im Betrieb („duales men des jeweiligen Tarifvertrags (ebd., S. 12). System“) ist in Schweden aufgehoben (Thelen / Tur- Es lassen sich zwei Modelle unterscheiden: ner 1999, S. 183). Im Rahmen der Verabschiedung des schwedischen Mitbestimmungsgesetzes (Med- – Teils folgen die JSC einem Inhouse-Konzept: Das bestämmandelagen, kurz: MBL) im Jahr 1976 wurde heißt, die Stiftungen beraten und qualifizieren ihre den betrieblichen Gewerkschaftsvertreter_innen eine Teilnehmer_innen in regionalen Niederlassungen zentrale Rolle in Restrukturierungsangelegenheiten mit eigenem Personal (so bei TRR 1). eingeräumt: So müssen in allen organisationalen Ver- – Teils geben die Stiftungen die Transfermaßnah- änderungen die Gewerkschaftsvertreter_innen nicht men an dritte Träger weiter: Das heißt, sie ver- nur informiert, sondern auch frühzeitig konsultiert walten in erster Linie die Mittel und definieren werden. Insofern agieren die betrieblichen Gewerk- die arbeitsmarktlichen Konzepte und Aufgaben, schaftsvertreter_innen als gestaltende Akteure im welche die betroffenen Beschäftigten in Anspruch Restrukturierungsprozess (Diedrich / Bergström 2006, nehmen können (so bei KFS 2) (Diedrich / Bergst- S. 5 f.) röm 2006, S. 12). Beiden Ansätzen ist gemein, dass die Erfahrungen 2.2 Modell und Verbreitung von Job aus den Transferaktivitäten kontinuierlich in die Be- Security Councils ratungs- und Vermittlungskonzepte einfließen und so jeweils branchenspezifische Lösungen angeboten Der Ansatz und die Form von Job Security Councils werden, die auf einem hohen Qualitätsniveau sind wurde zu den Zeiten der Ölkrise in den 1970er Jahre – ein wichtiger Unterschied zur deutschen Transfer- vor dem Hintergrund entwickelt, dass die staatliche gesellschaft, die von den betrieblichen Parteien im Arbeitsvermittlung für die hauptsächlich betroffene jeweiligen Einzelfall und oft ohne Erfahrungswissen Zielgruppe der hochqualifizierten Angestellten keine verhandelt werden muss (Knuth et al. 2011, S. 111 f.). adäquate Beratungs- und Vermittlungsdienstleistung Die Leistungen aus den JSC stehen all jenen Be- bereitstellen konnte. Im Zuge dessen einigten sich schäftigten zur Verfügung, die betriebsbedingt ih- die Sozialpartner auf die Einrichtung einer neuen ren Arbeitsplatz verlieren und die individuellen An- Organisation, die eben diese Dienstleistungen be- wartschaftskriterien gemäß den tarifvertraglichen reitstellen sollte, und für die sich in der deutschen Regelungen erfüllen. Die Stiftungen beginnen ihre arbeitsmarktpolitischen Diskussion aufgrund des eu- Beratungsarbeit zu Beginn der Kündigungsfrist, die ropäischen Sprachgebrauchs der Begriff Job Security Beschäftigten werden ab diesem Zeitpunkt für die Council (JSC) etabliert hat. Diese Stiftungen werden Maßnahmen der Stiftungen freigestellt. Die gesetzli- in einer von zwei eigens für diese Aufgabe geschaf- che Kündigungsfrist wird in den meisten Tarifverträ- fenen Rechtsformen (Trygghetsråden oder Kollekti- gen verdoppelt, so dass in der Regel mehrere Monate vavtalstiftelse) geführt. Sie basieren jeweils auf einem für Beratung und Qualifizierung zu Verfügung stehen. Branchentarifvertrag (Knuth et al. 2011, S. 111) und Wenn nötig, setzen die Stiftungen ihre Arbeit auch in werden von einer paritätisch besetzten Kommission der Zeit der Arbeitslosigkeit fort. Generell bieten die kontrolliert. Obgleich die Implementation der Job Job Security Councils eine in hohem Maße flexible Security Councils nicht als dauerhaftes und flächen- Leistung für jeden einzelnen Beschäftigten an und deckendes System intendiert war, führte deren hohe sind in der Lage, die individuellen Voraussetzungen arbeitsmarktpolitische Wirksamkeit dazu, dass sich und Interessen ihrer Klient_innen zu berücksichtigen. dem System sukzessive weitere Beschäftigtengrup- Dabei können sie auf einen weiten, zielgruppenspe- pen und Wirtschaftsbereiche anschlossen (Diedrich / zifischen Erfahrungsschatz zurückgreifen und sind in Bergström 2006, S. 8 ff.). Inzwischen existieren in ein stabiles Regelwerk des jeweiligen Tarifvertrags Schweden 15 Stiftungen, deren Basisleistung im Sin- eingebettet (Diedrich / Bergström 2006, S. 11). ne einer beratenden Unterstützung etwa 90 % der Ebenfalls vergleichbar mit der deutschen Gesetz- Erwerbspersonen abdecken (Bergström 2014, S. 13). gebung ist der Kündigungsschutz in Schweden. Das Ausgenommen von diesem System sind allerdings schwedische Arbeitsrecht liefert einen erheblichen Personen mit befristeten Arbeitsverträgen, sodass in Anreiz zu betrieblichen Verhandlungen, da es für die Verbindung mit einer häufig zu erfüllenden Anwart- Auswahl der Beschäftigten im Fall kollektiver Ent- schaftszeit vor allem jüngere Beschäftigte außen vor lassungen das so genannte Last-In-First-Out-Prinzip bleiben (OECD 2015, S. 17). (LIFO) vorschreibt: Beschäftigte mit höherer Betriebs- Die Finanzierung der Stiftungsarbeit erfolgt aus zugehörigkeit – praktisch die älteren Beschäftigten – den Mitgliedsunternehmen, die dazu einen bestimm- sind per Gesetz vor Entlassungen geschützt (Knuth et ten Betrag (je nach Stiftung zum Beispiel 0,12 % oder 0,3 %) der Lohnkosten an die Stiftung zahlen. Im Un- 1 Das Job Security Council TRR, das auch Gegenstand der Fallstudienuntersuchung ist, hat hauptsächlich Angestellte terschied zum deutschen Transfermodell ist die Fi- aus der Privatwirtschaft als Zielgruppe. nanzierung des Transfers zeitlich vom Krisenfall sowie 2 Das Job Security Council KFS, das ebenfalls Gegenstand der Fallstudienuntersuchung ist, umfasst Angestellte und von der Finanzkraft des Unternehmens abgekoppelt. Beschäftigte aus dem gewerblich-technischen Bereich bei Das schwedische Stiftungsmodell teilt wie eine Ver- kommunalen Unternehmen. Mitbestimmungspraxis Nr. 11 · Februar 2018 Seite 7
al. 2011, S. 112). Wenn die betrieblichen Sozialpartner 2.3 Trennung von finanzieller Unterstützung über die Auswahl der Beschäftigten eine Einigung er- und Beratung zielen, erlaubt das Gesetz die Abweichung vom LIFO- Prinzip. Mit anderen Worten muss der Arbeitgeber Anders als im deutschen Konstrukt der Transferge- Anreize anbieten, damit die betrieblichen Gewerk- sellschaft erfolgt die Einkommensabsicherung in schaftsvertreter_innen der Entlassung langjährig Be- der Transferzeit nicht durch die Job Security Coun- schäftigter zustimmen (Bergström 2014, S. 10). cils, sondern durch die Lohnfortzahlungen des ab- Verschiedene Studien und Evaluationen haben die gebenden Unternehmens während der Phase der Wirksamkeit der schwedischen Arbeitsplatz-Siche- Kündigungsfrist (gegebenenfalls je nach Verhand- rungs-Stiftungen gemessen; in Bezug auf den Über- lungsgrundlage wird diese Phase verlängert) bezie- gang in Arbeit oder Selbständigkeit errechnen sie hungsweise durch die Lohnersatzleistungen gemäß Quoten, die um die 80 % liegen. Der Anteil der Be- der individuellen Versicherungssituation 5 (Bergström schäftigten, die durch die Vermittlung Einkommens- 2014, S. 16). Die Mitgliedschaft in der Arbeitslosen- verluste hinnehmen müssen, gilt als gering. Einer versicherung ist in Schweden freiwillig. Um nach (un- nennenswerten Gruppe von Beschäftigten gelingt es, freiwilligem) Arbeitsplatzverlust eine einkommensab- über die Beratung der Stiftungen in bessere Arbeits- hängigen Lohnersatzleistungen zu erhalten, ist in verhältnisse zu wechseln (Knuth et al. 2011, S. 112). Schweden die Mitgliedschaft in einer der zahlreichen, In der Gesamtbetrachtung (vgl. OECD 2015) zeigt zumeist gewerkschaftlich organisierten A-Kassa not- sich, dass im Zeitraum zwischen 2002 und 2012 wendig, sowie – als weitere Bedingung – die Erfül- durchschnittlich 2,1 % der abhängig Beschäftigten pro lung einer entsprechenden Anwartschaftszeit. Die Jahr in Schweden unfreiwillig ihren Arbeitsplatz ver- Mitgliedschaft in einer A-Kassa ist zumeist mit einer loren haben 3. Mit 85 % ist der Anteil an Personen, die Gewerkschaftsmitgliedschaft verbunden, aber nicht innerhalb eines Jahres wieder in Beschäftigung fin- zwingend notwendig. Beschäftigte, die kein Mitglied den, weitaus größer als in den OECD 4 -Ländern, über der A-Kassa sind oder die Anwartschaftszeiten nicht die entsprechende Daten vorliegen. Das Erreichen erfüllen, haben im Fall von Arbeitslosigkeit lediglich dieser Wiederbeschäftigungsquote wird zu großen Anspruch auf die staatliche Grundsicherung, die ein Teilen dem System der Job Security Councils zuge- wesentlich geringeres Absicherungsniveau als die schrieben (ebd., S. 13 f.). Bei allen Vorteilen, die das freiwillige Arbeitslosenversicherung aufweist (Kuh- System für die Anspruchsberechtigten bietet, kommt lmann 2008, S. 2). Die Lohnersatzleistung durch die es durch die Zugangsbeschränkungen und die be- A-Kassa liegt bei 80 % des monatlichen Einkommens 6 grenzte Laufzeit zu einem „crowding out“ und einem für eine Dauer von 200 Werktagen; für die darauffol- „creaming off effect“ (vgl. Bredgaard / Larsen 2005). genden 100 Werktage sinkt die Leistung auf 70 % des Personen, die nicht die erforderliche Anwartschafts- monatlichen Einkommens (Bergström 2014, S. 17). zeit erfüllen, sowie teilweise jüngere Personen sind Im Oktober 2006 kam es im Zuge eines Regierungs- von dem System ausgeschlossen. Des Weiteren sind wechsels unter der Amtszeit des liberal-konservati- Personen, die multiple Vermittlungshemmnisse auf- ven Ministerpräsidenten Frederik Reinfeldt zu einer weisen wie beispielsweise eine wenig nachgefragte tiefgreifenden Umstellung des A-Kassa-Systems Qualifikation und / oder körperliche und / oder psychi- von einem Solidarprinzip zu einem Risikoprinzip. So sche Probleme haben, trotz der meist großzügigen sollten diejenigen Mitglieder, deren Berufsstand das Laufzeit der Job Security Councils nicht zu vermit- höchste Arbeitslosigkeitsrisiko aufweist, prozentual teln; sie verbleiben im Anschluss bei der weitaus ge- vom Einkommen die höchsten Beiträge zur freiwil- ringeren Unterstützung der staatlichen Arbeitsver- ligen Arbeitslosenversicherung im Rahmen der A- mittlung (Bergström 2014, S. 23). Ein weiterer Unter- Kassa leisten (Kuhlmann 2008, S. 7). Infolge dessen schied zeigt sich bei der finanziellen Ausstattung der stiegen die Mitgliedsbeiträge gerade für Personen mit JSC im Hinblick auf Qualifizierungsmittel. Diese sind verhältnismäßig niedrigem Einkommen stark an – mit gerade bei gewerblich-technischen Personen niedri- diesem Umstand wird nicht zuletzt der Rückgang des ger als bei Personen im Angestelltenbereich (OECD gewerkschaftlichen Organisationsgrades in Verbin- 2015, S. 86). dung gebracht (vgl. Andersson / Brunk 2008). 3 Das OECD Reporting aus der Reihe „Back to work“, aus dem die Zahlen entnommen sind, gibt es nicht für Deutsch- land. Die Datenlage zum Ausmaß des unfreiwilligen Ar- beitsplatzverlustes ist für das Bundesgebiet sehr dünn. Als einzige, nur begrenzt vergleichbare Größe kann eine Studie von Erlinghagen (2005) herangezogen werden, die auf Basis des Sozio-ökonomischen Pannels (SOEP) erstellt wurde. Hier zeigt sich, dass für den Zeitraum von 1985 bis 2001 der jährliche Anteil unfreiwilliger Entlassungen an allen Er- werbstätigen konjunkturell bedingt zwischen circa 1,3 und 5 In einigen Fällen gibt es eine Aufstockungsleistung durch 4,5 Prozent schwankt (Erlinghagen 2005, S. 155). die JSC für die Differenz zwischen der Deckelungsgrenze 4 Die Organisation for Economic Co-operation and Develop- des A-Kassa-Betrags und dem tatsächlichen vorherigen ment (Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit Einkommen. und Entwicklung, OECD) umfasst 35 Mitgliedsstaaten und 6 Der Höchstbetrag für den Bezug der Lohnersatzleistung befasst sich mit der Analyse verschiedener Themen, unter durch die A-Kassa ist auf umgerechnet etwa 2.650 € anderem der Beschäftigungspolitik. gedeckelt. Mitbestimmungspraxis Nr. 11 · Februar 2018 Seite 8
3 AUFTAKTWORKSHOP ZUR PROJEKTSTEUERUNG "" Es ist langwierig, dass man über das ‚ob‘ einer Transfergesellschaft verhandeln muss. Wenn der Punkt gesetzt wäre, wäre es für uns einfacher. Aller- Zu Beginn des vorliegenden Forschungsprojektes dings finde ich es wichtig, dass Gestaltungsspielräu- „Job Security Councils – Impulse für die Mitbestim- me für den Betriebsrat in der Ausgestaltung bleiben. mung“ fand im Juli 2016 ein Auftaktworkshop bei der Jeder Fall hat seine Besonderheiten, das sollte man Hans-Böckler-Stiftung statt, um die Perspektive der nicht über einen Kamm scheren. [BR-1] zentralen Akteure im Feld des Personalabbaus mit einzubeziehen. Hierzu wurden Betriebsräte, Gewerk- Die Betriebsräte sind in der Situation gleichzeitig schaftsvertreter und die Gesellschaft für innovative mit einer Verhandlungs- und Gestaltungsaufgabe Beschäftigungsförderung eingeladen, ihre Perspekti- konfrontiert. Sie müssen das Volumen des Sozial- ve auf das Thema des Personalabbaus zu schildern plans verhandeln und den Sozialplan, der die arbeits- und Hinweise für die Fallauswahl der Job Security marktpolitische Grundlage in der Transfergesellschaft Councils zu geben. schafft, inhaltlich füllen. Neben der Aushandlung über Zunächst schilderten die Betriebsräte 7 ihre Erfah- die Implementation einer Transfergesellschaft, deren rungen mit dem Personalabbau in ihren Unternehmen Ausstattung und Gestaltung stehen die Betriebsräte und die Verhandlungslinien mit dem Arbeitgeber über darüber hinaus vor der Aufgabe, einen geeigneten die Implementation einer Transfergesellschaft. Ein Träger zu finden: Teilnehmer berichtet über die Konfliktlinien in der Ver- handlung mit dem Arbeitgeber: "" Sobald der Stellenabbau in den Medien publik wird, stehen reihenweise Träger bei einem auf der "" Die Verhandlungen mit dem Arbeitgeber sind da ganz hart. Der Arbeitgeber wollte die Kosten aus Matte. Unser Problem ist, dass man vorab die Quali- tät der Beratung und der Qualifizierungen kaum be- dem Sozialtopf abziehen, dann sollten die Mitarbei- messen kann. [BR-2] ter zwischen Abfindung und Transfer entscheiden, solche Spiele eben. [BR-3] Die Trägerauswahl, die Betriebsräte vornehmen müssen, lässt sich nicht auf den Vergleich weniger Auch ein anderer Teilnehmer schildert die Erfah- Kennziffern reduzieren; so ist zum Beispiel die Ver- rung in der Aushandlung zur Transfergesellschaft: mittlungsquote in vergangenen Projekten der Träger ein schwacher Indikator mit begrenzter Aussagekraft "" Wir haben mehrere Entlassungswellen hinter uns und es war eine Strategie von Versuch und auf die Qualität der Beratung. In der Praxis erfolgt die Trägerauswahl daher auf Grundlage einer Mischung Irrtum. Bei dem ersten Mal, damals war ich noch aus Referenzen und Eindrücken, die die Träger im Ge- nicht im Betriebsrat, mussten sich die betroffenen spräch mit dem Betriebsrat vermitteln. Hierbei kann Beschäftigten zwischen Abfindung und Transferge- es zu unterschiedlichen Problemen kommen, die die sellschaft entscheiden. Diese Lösung war denkbar Bedeutung einer ausführlichen, persönlichen Vorstel- schlecht. [BR-1] lung der Träger vor dem Betriebsratsgremium unter- streichen. Ein Betriebsrat zeigt, dass zum Beispiel Anhand der Zitate lassen sich zwei Befunde ablei- Leiharbeit als Ausschlusskriterium dienen kann oder ten: Erstens stellt die Verhandlungssituation die Be- zumindest gestaltet werden muss, wenn Träger in triebsräte vor eine große Herausforderung, die sich diesem Geschäftsfeld aktiv sind: zum Teil in einer Strategie von „Versuch und Irrtum“ niederschlägt. Zweitens wird die Option, zwischen Transfer und Abfindung zu entscheiden, als negativ be- "" Hinzu kam, dass der Träger eine eigene Leihar- beitsfirma hatte, wo die Leute rübergeschoben wur- wertet. Die teilnehmenden Betriebsräte sprechen sich den, das geht natürlich gar nicht. Bei dem nächs- für eine Optimierung der Verhandlungssituation aus: ten Fall haben wir uns dann vom Träger schriftlich versichern lassen, dass nicht in Leiharbeit vermittelt "" Für uns wäre es gut, wenn die Installation einer Transfergesellschaft gesetzt, aber die Ausgestaltung wird. Es sei denn, die Person möchte es ausdrück- lich. [BR-1] verhandelbar wäre. [BR-2] Ein wichtiges Kriterium der Trägerauswahl war für Eine andere Workshop-Teilnehmerin spricht sich diesen Betriebsrat die Form der Stellenakquise des einerseits für eine Verpflichtung des Arbeitgebers Träges sowie seine Beratungs- und Vermittlungsphi- aus, eine Transfergesellschaft einzurichten, wenn der losophie. Bei der Auswahl der Transferträger wird Betriebsrat dies wünscht. Sie betont andererseits die oftmals zudem die Gewerkschaft als Entscheidungs- Notwendigkeit von Freiheitsgraden bei der Gestal- unterstützung herangezogen, wobei den dort ausge- tung des Beschäftigtentransfers: sprochenen Empfehlungen nicht unbedingt gefolgt wird: 7 Die Wortbeiträge der Workshopteilnehmer_innen sind an- onymisiert worden. Die Kürzel verweisen auf ihre Funktion zur Einordnung der Wortbeiträge (BR als Kennzeichnung für die Funktion Betriebsrat). "" Die Gewerkschaft hat uns drei Träger benannt, von denen sie wissen, dass die Arbeit dort stimmt. Mitbestimmungspraxis Nr. 11 · Februar 2018 Seite 9
Aber schlussendlich hat uns doch ein anderer Trä- Fragen sind für die arbeitsmarktpolitische Wirk- ger überzeugt, einfach aufgrund des Beratungsan- samkeit und die soziale Absicherung der Be- satzes und wie sie dort mit den Menschen umge- schäftigten von hoher Bedeutung; der Betriebs- hen. [BR-2] rat muss eine Vielzahl von Gestaltungsentschei- dungen in die Verhandlungen einbringen, die in Aus diesem Vorgehen, wie es auch von anderen der Regel unter Zeitdruck geführt werden. Betriebsräten geschildert wird, folgert ein Vertreter 3 Aus den geschilderten Erfahrungen mit der Si- des DGB: tuation des Personalabbaus und der Einführung einer Transfergesellschaft zeigt sich des Weite- "" Es ist wichtig, dass Entscheidungskompetenzen für Betriebsräte geschaffen werden, um sie in der ren, dass vorbereitend ein Zielgruppenzuschnitt stattfinden muss. Trägerauswahl zu unterstützen. Es sollten aus ge- 4 Schließlich benötigt ein Transfersozialplan eine werkschaftlicher Sicht Qualitätskriterien formuliert adäquate und sorgfältig vorbereitete und durch- werden und Entscheidungsunterstützung geleistet geführte Trägerauswahl. werden, das ist besser als namentlich zu empfehlen. [DGB-1] Es zeigt sich, dass die Betriebsräte mit einer Viel- zahl von Herausforderungen konfrontiert sind, bei Aus diesen Zitaten geht hervor, dass die Betriebs- gleichzeitig oftmals vorhandenem Informations- und räte bezüglich der Trägerauswahl Unterstützungsbe- Erfahrungsdefizit. Daraus resultiert die praktizierte darf einfordern. Sie benötigen zum einen Prozess- Strategie von Versuch und Irrtum, wie sie in einem wissen darüber, wie man Informationen über Träger Zitat geschildert wurde. Für einige der beschriebenen einholt und Auswahlgespräche organisiert; zum an- Aufgabenbündel, vor allem im Hinblick auf die Gestal- deren Qualitätskriterien zur Bewertung der Träger. Ein tungsaufgabe und die formalen Anforderungen der Faktor, der eine Standardisierung der Trägerauswahl Trägerauswahl, gibt es mittlerweile Handlungshilfen erschwert, sind die heterogenen Anforderungen, die (vgl. Thannheiser / Westermann 2015; Darga / Kratz sich aus der betriebsspezifischen Belegschaftsstruk- 2007). Allerdings fokussieren die Kriterien zur Träge- tur ergeben: rauswahl weitgehend formale Kriterien und berück- sichtigen noch nicht den Zielgruppenzuschnitt als Pla- "" Man muss gucken, dass man für alle was dabei hat. Bei uns gibt es sowohl promovierte Ingenieure nungsgrundlage. Auch gibt es für die Verhandlungs- aufgabe noch wenig Anhaltspunkte, welche die Be- und auch Angelernte. Wie kann man da was finden, triebsräte in dieser Situation unterstützen können. An was die Bedarfe aller abdeckt? [BR-2] diesen Unterstützungsbedarfen knüpfen die Befunde dieser Fallstudie an. Anhand von zwei Beispielen soll Die Situation, in der sich die Betriebsräte bei be- erarbeitet werden, welche Lösungsansätze für diese schlossenem Personalabbau befinden, ist von einer Probleme aus dem schwedischen Modell der Job Se- Reihe von Herausforderungen gekennzeichnet. Zu- curity Councils adaptierbar wären. sammenfassend können diese Herausforderungen in Um dieser Zielstellung gerecht werden zu können, vier – sich teilweise überschneidende – Aufgabenbün- wurden im Auftaktworkshop Hinweise für die Fallaus- del zusammengefasst werden: wahl der zu untersuchenden Job Security Councils gesammelt, da die empirischen Forschungsarbeiten 1 Zunächst stehen Betriebsräte vor der Aufgabe, die Interessen und Perspektiven der Workshop-Teil- den Sozialplan mit dem Arbeitgeber zu verhan- nehmenden mit einbeziehen sollte. In diesem Kontext deln. Dabei steht das gesamte Volumen des äußerten die teilnehmenden Betriebsräte ein großes Sozialplans im Zentrum, dass durch zentrale Interesse daran, zwei Träger zu untersuchen, die sich Parameter bestimmt wird. Dazu gehört die Höhe zum einen in ihrer arbeitsmarktpolitischen Herange- der Abfindung, für den Bereich des Beschäftig- hensweise unterscheiden und zum anderen unter- tentransfers die Laufzeit, die Höhe der Aufsto- schiedliche Ziel- und Beschäftigtengruppen beraten. ckung etc. Ist die Implementation der Transfer- Die Suchstrategie nach geeigneten Job Security gesellschaft umstritten, ist sie ebenfalls Teil der Councils wurde um ein weiteres Kriterium, dem Mo- Auseinandersetzung mit dem Arbeitgeber. dell der Leistungserbringung, erweitert: 2 Eng mit der Verhandlung verknüpft ist die Ge- staltungsaufgabe von Betriebsräten. Sie müssen – Ein Träger solle in der Leistungserbringung einer sich mit den Inhalten und einer Vielzahl an De- Vergabelösung folgen. Das heißt, dass die Bera- tails des Sozialplans und der Transfergesellschaft tungs- und Qualifizierungsdienstleistungen nicht auseinandersetzen; und sie müssen Entschei- von dem Job Security Council selbst durchge- dungen über die Verwendung der ausgehandel- führt, sondern externe Dienstleister damit beauf- ten Sozialplanressourcen treffen, etwa: Welche tragt werden. Diese Fallstudie soll Hinweise für Mittel stellt der Sozialplan für Qualifizierungen weitere Kriterien liefern, die bei der Trägerauswahl zur Verfügung? Gibt es einen Härtefond für be- relevant sind. Dieser Träger sollte nach Möglich- sonders benachteiligte Beschäftigte? Wie wird keit Erfahrungen mit der Gruppe der gewerblich- die Sprinterprämie gestaltet? Diese und andere technischen Beschäftigten besitzen, um besonde- Mitbestimmungspraxis Nr. 11 · Februar 2018 Seite 10
re Anforderungen für diese Beschäftigtengruppe Neben dem Interviewmaterial wurde auch eine Do- ableiten zu können. kumentenanalyse 8 für die Auswertung herangezogen. – Das zweite Modell stellt eine Inhouse-Lösung dar. Sie besteht darin, dass die Beratungsdienstleis- tungen und Bewerbungsqualifizierungen vom Job Security Council selbst durchgeführt werden. Als Kontrast zur gewerblich-technischen Beschäf- 4 FALLSTUDIE A: KFS tigtengruppe sollte das zweite Modell primär Angestellte beinhalten, auch aus dem Bereich der Das KFS (Kommunala Företagens Samorganisation) Führungskräfte. assoziierte gleichnamige Job Security Council 9 ist eine gemeinnützige Stiftung, die auf einem Tarifver- Neben einer systemischen Untersuchung der Job Se- trag aus dem Jahr 1988 basiert. Mit 500 kommunalen curity Councils gehörte es ebenfalls zur Zielstellung, Mitgliedsunternehmen und deren 30.000 Mitarbei- eine Prozessbetrachtung vorzunehmen, um das Zu- ter_innen zählt es zu einem der kleineren Job Security sammenspiel der relevanten Akteure der betrieblichen Councils. Der Sitz von KFS ist in Stockholm. Interessenvertretung, der Arbeitgeberseite und der Durch die Branchenstruktur kommunaler Un- Vertreter der JSC aufzuzeigen und um Abläufe pro- ternehmen ist die Gruppe, welche prinzipiell einen zessual zu betrachten. Hierzu wurde ein konkreter Re- Anspruch auf die Unterstützung von KFS hat, sehr strukturierungsfall mit mehreren Entlassungswellen heterogen (z. B. Beschäftigte aus dem Bereich Ver- eines Unternehmens aus der Post- und Logistikbran- und Entsorgung, Energiewirtschaft, Gesundheit, che herangezogen. Eine Maßgabe für die Auswahl Verkehr) 10. Typische Klienten von KFS sind Ange- des Anwendungsfalls war, dass das betrachtete Un- stellte mit hohem Bildungsniveau und guten Arbeits- ternehmen mehrere Personalabbauwellen vollzogen marktchancen. Das Durchschnittalter der KFS-Teil- hat und somit die Möglichkeit besteht, Vergleichs- nehmer_innen liegt bei 44 Jahren, und sie haben eine möglichkeiten innerhalb der Fallstudie abzubilden. für Schweden überdurchschnittlich hohe Betriebszu- gehörigkeitsdauer. Die Vermittlungsquote beträgt 85 Prozent in den ersten sechs bis acht Monaten. Um 3.1 Methodisches Vorgehen Anspruch auf das gesamte Unterstützungsspektrum von KFS zu haben, müssen die vom Personalabbau Zur Untersuchung der Fragestellung dieses Projek- betroffenen Personen mindestens vier Jahre unun- tes wurden zwei qualitative Fallstudien durchge- terbrochen bei dem Unternehmen beschäftigt gewe- führt. Den Kern der Datengrundlage dieser Fallstudie sen sein, ein Mindestalter für die Inanspruchnahme bilden zehn Experteninterviews, die vom 24. bis 28. der Unterstützungsleistungen besteht nicht. Einen Oktober 2016 in Göteborg und Stockholm durchge- Anspruch auf die Beratung haben Entlassene nach ei- führt wurden. Die Interviewsprache war Englisch. nem Jahr Betriebszugehörigkeit. Allerdings muss für Die Gespräche wurden aufgezeichnet, im Anschluss die finanzielle Unterstützung die volle Anwartschafts- transkribiert, übersetzt und einer inhaltsanalytischen zeit von vier Jahren erfüllt sein. Auswertung unterzogen. Die Aussagen der Interview- Finanziert wird das System durch eine prozen- teilnehmer_innen werden im Bericht anonymisiert tuale Abgabe, die der Arbeitgeber von allen Löh- wiedergegeben. nen und Gehältern zu entrichten hat. Üblicherweise liegt dieser Satz bei 0,3 Prozent; allerdings beträgt Institution Anonymi- Position der der Prozentsatz bei KFS 0,10 Prozent. Der Grund für sierungs- interviewten Person diese Absenkung liegt in der aktuell guten Arbeits- kürzel marktlage und den somit weniger auftretenden Ent- KFS KFS-1 Vertreter des Job Security lassungen 11. Dieser Prozentsatz wird bei KFS in dem Councils KFS für Job Security Councils üblichen Beirat bestehend Träger KFS- DL-1 Managementvertreter des aus Arbeitgeber- und Gewerkschaftsvertreter_innen Trägers und den Verantwortlichen der Job Security Councils KFS- DL-2 Unternehmensbetreuer des Trägers 8 Gegenstand der Dokumentenanalyse waren u. a. Berichte TRR TRR-1 Entwicklungsmanagerin TRR und Auswertungen der Träger bzw. des Job Security Coun- cils in Form von quantitativen Evaluationen (Zufriedenheits- TRR-B-1 Berater bei TRR und Verbleibsanalysen), das „Agreement on Efficiency and TRR-B-2 Beraterin bei TRR Participation between the Swedish Employers‘ Confede- ration (SAF), the Swedish Trade Union Confederation (LO), TRR-K1 Klientin bei TRR and the Federation of Salaried Employees in Industry and Services (PTK)“. TRR-K2 Klient bei TRR 9 KFS-Trygghetsfond: Sicherheitsfond des Verbands der kom- TRR- HR-1 HR-Managerin eines mit TRR munalen Arbeitgeber. assoziierten Unternehmens 10 Eine Besonderheit des Falls ist, dass der Tarifvertrag für den Bereich von KFS nicht zwischen gewerblich-technischen TRR-TV-1 Betriebliche Gewerkschafts- Beschäftigten und Angestellten unterscheidet. vertreterin eines mit TRR as- 11 Im letzten Jahr wurde ein historischer Tiefstand bei der soziierten Unternehmens Zahl der Entlassungen verzeichnet, da im Jahr 2015 ledig- lich 124 Personen von KFS betreut wurden. Mitbestimmungspraxis Nr. 11 · Februar 2018 Seite 11
jährlich verhandelt. Der Beirat hat, neben der Einbrin- ich bekomme auch das Feedback der Klient_innen gung von Belangen der jeweiligen Interessensseite direkt. [KFS-1] im System, auch eine Aufsichtsfunktion für das Job Security Council. Der Beirat tagt drei bis vier Mal im Die Dienstleistungsqualität des Trägers wird lau- Jahr. Im Gegensatz zur zweiten Fallstudie ist die per- fend an KFS gespiegelt, sowohl in Form von quantita- sonelle Besetzung von KFS aufgrund des geringeren tiven Evaluationen als auch in Form von persönlichen Zielgruppenumfangs weitaus geringer: KFS wird von Berichten der Klient_innen. Diese Erhebungen wer- lediglich einer Person mit einer 80-prozentigen Voll- den von KFS genutzt, um die Unterstützungsleistun- zeitstelle betrieben. Aufgrund der geringen personel- gen des Trägers zu bemessen. Auf der anderen Seite len Ausstattung wird die eigentliche Beratung und nutzt der Träger die Evaluationen auch zur internen Qualifizierung der Klient_innen von einem externen Personal- und Organisationsentwicklung. Neben dem Dienstleister durchgeführt. Die Interviews zu dieser positiven Feedback der Klient_innen werden auch an- Fallstudie fanden in Göteborg statt. dere Kriterien bei der Trägerauswahl herangezogen. Die Kriterien zur Trägerauswahl stellen einen So bewertet der Interviewpartner esals Vorteil, dass Schwerpunkt dieser ersten Fallstudie dar. Zunächst der Träger mit festangestellten Berater_innen arbeitet wurde der Verantwortliche des Job Security Councils und über eine heterogene Beraterauswahl verfügt, interviewt, im Anschluss ein Manager und ein Mit- durch die er ein breites Beratungsangebot mit einer arbeiter des Trägers, der von KFS hauptsächlich mit Vielzahl von Themen anbieten kann. Ein weiterer der Beratung und Qualifizierung von Klient_innen be- Punkt liegt im fachlichen Fokus des Trägers: auftragt wird. Der KFS-Verantwortliche schildert die Hauptaufgaben seiner Arbeit: "" Diese Übergänge, von Arbeit in Arbeit, das ist das absolute Kerngeschäft des Trägers. Die machen "" KFS, das bin eigentlich ich. Das heißt, dass ich alle Klient_innen auch persönlich treffe, im Regelfall eigentlich nichts anderes. Bei anderen läuft das so nebenbei und das finde ich nicht so optimal. Die ha- fahre ich zu dem Unternehmen, wo die Entlassun- ben einfach jahrelange Erfahrungen, entwickeln ihre gen stattfinden und informiere die Betroffenen von Dienstleistungen ständig fort und ich habe noch kei- unseren Dienstleistungen. Danach gibt es dann die ne Teilnehmer_innen gesprochen, die von veralteten Einzelgespräche, wo ich mit den Leuten persönlich Inhalten oder nicht zeitgemäßen Trainings berichtet spreche. [KFS-1] haben. Die sind immer up-to-date und kriegen Ent- wicklungen auch schnell mit. [KFS-1] Aufgrund der geringen Entlassungszahlen ist es dem Verantwortlichen von KFS als einzigen haupt- Ein weiterer Aspekt, der zur positiven Einschät- amtlichen Beschäftigten möglich, den Großteil seiner zung des Trägers beiträgt, sind seine vielfältigen Klient_innen persönlich zu treffen und die Informati- Kontakte zu regionalen Arbeitgebern, die durch die onsgespräche und -veranstaltungen selbst durchzu- Durchführung von Job-Messen, regelmäßige Gesprä- führen. In der Informationsveranstaltung berichtet er che etc. ständig aktualisiert werden. Der Interview- auch von eigenen Erfahrungen: partner führt aus, warum er die Zugänge des Trägers zur Unternehmen in bestimmten Regionen für beson- "" Natürlich geht es in den Veranstaltungen erst- mal darum, Informationen zu liefern. Was umfasst ders bedeutsam hält: unsere Dienstleistung? Wie lange haben sie An- spruch? Wie viel Geld gibt es? Meist hilft es auch, "" Diese Arbeitgeberkontakte sind gerade in klei- neren Städten wichtig, da ist der Arbeitsmarkt dass ich von meinen eigenen Erfahrungen berichte. einfach ein anderer. Es gibt generell nicht so viele Ich war auch mal Klient bei TRR und habe auch ei- Ausschreibungen, und wenn man einen regionalen nige berufliche Wechsel in der Vergangenheit voll- Arbeitgeber kontaktiert, dann ist ein Bezug zur Re- zogen. Das zeigt auch, dass ich die Situation der gion schon wichtig, gerade bei kleineren Arbeitge- Betroffenen verstehen kann. [KFS-1] bern. Das ist was anderes, wenn man aus Göteborg anruft und sagt ‚ich habe hier jemanden, der für Sie Im Anschluss an die Informationsveranstaltungen passend wäre‘. In größeren Städten sind die Arbeit- und ersten Einzelgespräche werden die Teilnehmer_ geberkontakte aber auch nicht unwichtig. Es kommt innen durch einen externen Dienstleister betreut, der häufiger vor, dass wir von einem Arbeitgeber erfah- die weitere Beratung und Qualifizierung der Klient_in- ren, dass er nach einer bestimmten Qualifikation nen durchführt. Bei der Auswahl des Dienstleisters sucht, und die Stelle lange nicht besetzen konnte. greift KFS vornehmlich auf einen Träger zurück: Da gucken wir dann, wen haben wir, den wir viel- leicht dahingehend weiterqualifizieren könnten. Das "" Ich arbeite vorwiegend mit [Trägername]zu- sammen, aus verschiedenen Gründen hat sich das ist üblich. [KFS-1] bewährt. Ihre Dienstleistung wird von den Klient_in- Nicht nur die Klient_innen profitieren durch die Ar- nen sehr hoch geschätzt und ihre Beratungs- und beitgeberkontakte. Auch umgekehrt gibt es Vorteile Qualifizierungsstrategie ist sehr erfolgreich. Dazu für die Arbeitgeber, vor allem ein erleichtertes Rec- werden uns mehrmals im Jahr Zahlen vorgelegt und ruiting durch passgenaue, den Stellenanforderungen Mitbestimmungspraxis Nr. 11 · Februar 2018 Seite 12
entsprechende Empfehlungen auf Basis der Erfah- Beiträge zur gewerkschaftlich organisierten A-Kassa rungen des Trägers. Dies ist ebenfalls eine wichtige zusammensetzt, werden in vielen Entlassungsfällen Vorteilsübersetzung für Kooperationen mit Klein- und von der Gewerkschaft zusätzliche Leistungen ver- Mittelständischen Unternehmen (KMU), deren Res- handelt, vor allem als Nachteilsausgleich vom gängi- sourcen für Personalauswahl eine umfassende Eig- gen LIFO-Prinzip (vgl. Kap. 2.2). Bei älteren Arbeitneh- nungsdiagnostik üblicherweise eher begrenzt sind. mer_innen werden beispielsweise Zusatzleistungen Insgesamt wird bei der Trägerauswahl neben den verhandelt: in Form einer vorzeitigen Überbrückung Ergebnissen aus der Evaluation auf drei Merkmale in die Rente (frühestens ab dem 60. Lebensjahr), eine Wert gelegt: zielgruppenspezifische Expertise in der Verlängerung des Unterstützungsanspruchs über die Beratung und Qualifizierung, gute regionale Vernet- Dauer der A-Kassa hinaus oder zusätzliche Qualifi- zung, auch im Hinblick auf Arbeitgeberkontakte, und zierungsangebote. Durch die kommunale Unterneh- die individuelle Berücksichtigung des Falls: mensstruktur ergeben sich bei KFS einige Besonder- heiten im Vergleich zu den übrigen JSC: "" Der Beratungsansatz muss für die Zielgruppe schlüssig sein. Das ist das A und O. Um das zu beur- teilen, muss ich meine Klient_innen gut kennen und "" Also bei großen, privatwirtschaftlichen Unter- nehmen gibt es durch die Verhandlungen manch- muss wissen, welche Defizite sich eventuell bei der mal noch großzügigere Leistungen als bei uns. Arbeitsplatzsuche herausstellen können. Wenn bei- Dass man mit 58 in Rente gehen kann, oder sehr spielsweise jemand ungeübt im Schriftverkehr oder lange Qualifizierungszeit bekommt, das gibt es hier in der Präsentation ist, dann muss es Angebote für eigentlich nicht. Aber hier bei uns, dass sind städ- diese Personengruppe geben. Außerdem muss ich tische Unternehmen und es sind Steuergelder. Da die Personen da abholen, wo sie stehen, und das guckt man dann ganz anders drauf, deshalb gibt erfordert ein hohes Maß an Empathie seitens der es diese sehr großzügigen Regelungen hier nicht. Berater_innen. [KFS-1] [KFS-1] Die heterogene Beschäftigtenstruktur in der kom- In finanzieller Hinsicht gibt es bei KFS die Mög- munalen Wirtschaft stellt besondere Anforderungen lichkeit zur Aufstockung der Einkommensersatzleis- an die Auswahl des operativen Trägers durch KFS, der tung, die von den zumeist gewerkschaftlich organi- für unterschiedliche Zielgruppen Beratungsexpertise, sierten A-Kassa-Versicherungen geleistet wird. Der Arbeitgeberkontakte und Qualifizierungsmöglichkei- Höchstbetrag der A-Kassa-Bezüge ist auf umgerech- ten bereithält: net 2.650 Euro pro Monat vor Steuern gedeckelt; al- lerdings liegt das Einkommen vieler Personen weit "" Bei dem Träger [Name] weiß ich, dass die sehr weitreichende Erfahrungen mit Personen aus dem über dieser Grenze. Von KFS wird die Differenz des vorherigen Einkommens zum Höchstbetrag abermals gewerblich-technischen Bereich haben, aber auch aufgestockt: eine sehr gute Expertise im Umgang mit Angestell- ten mit akademischem Hintergrund besitzen. Die Prozesse laufen zwar ähnlich, aber die Inhalte unter- "" [Daher] bezahlen wir von der Differenz des tat- sächlichen Einkommens zur Obergrenze nochmal scheiden sich schon stark. Aber das wird von den 80 %. [KFS-1] Berater_innen und vom Träger gut umgesetzt. [KFS-1] Neben den Qualifizierungsmitteln und der Aufsto- Bezüglich des Qualitätsmanagements gibt es bei ckung des A-Kassa-Betrags gibt es bei KFS auch die dem Träger zum einen ein vierteljährliches Reporting Möglichkeit, eventuelle finanzielle Einbußen bei der zu Vermittlung, Beratungsaktivität, Qualifizierung und neu aufgenommenen Beschäftigung abzufedern: zur Zufriedenheit der Klient_innen mit der Dienstleis- tung des Trägers. Die Beratungsinhalte und -formen werden mit dem auftraggebenden JSC abgestimmt. "" Es ist eigentlich bei uns, vielleicht wegen unse- rer Zielgruppe, kein großes Problem mit qualitativ Diese Qualitätsindikatoren werden auch im Beirat schlechteren Jobs. Das ist eigentlich eher die Aus- des JSC diskutiert und evaluiert. Beim Vergleich von nahme als der Regelfall. Aber wenn es so sein soll- Unterstützungsmöglichkeiten durch die Job Security te, dass sie beispielsweise vorher 3.200 € im Monat Councils, wie er nach der Vorstellung der beiden Fall- verdient haben und nun sind es nur noch 2.650 €, studien vorgenommen wird, kommt es auch darauf dann können wir für 6 Monate 80 % dieser Differenz an, die jeweiligen Rahmenbedingungen des Falls zu ausgleichen, als Abfederung der ökonomischen Ein- berücksichtigen. bußen. [KFS-1] Eine andere Möglichkeit zur finanziellen Unterstüt- 4.1 Einfluss der Rahmenbedingungen auf die zung richtet sich an den potenziellen Arbeitgeber der Unterstützungsleistung von KFS neuen Beschäftigung. Gerade bei KMU kann von der Möglichkeit Gebrauch gemacht werden, dass durch Neben dem Unterstützungsanspruch, der sich aus KFS eine Anfangsunterstützung in Form von Gehalt- der Anwartschaftszeit bei dem Unternehmen und die zuschüssen erfolgt. So können Wirtschaftlichkeitsbe- Mitbestimmungspraxis Nr. 11 · Februar 2018 Seite 13
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