JOB SECURITY COUNCILS - MITBESTIMMUNGSPRAXIS Impulse für die Mitbestimmung - Hans-Böckler-Stiftung

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MITBESTIMMUNGSPRAXIS
Nr. 11 · Februar 2018

JOB SECURITY COUNCILS
Impulse für die Mitbestimmung

Kathrin Filipiak, Gernot Mühge
AUTOREN                                                                                                                WEITERE TITEL UNTER

                        Kathrin Filipiak                                                                               www.boeckler.de/62346.htm
                        Kathrin Filipiak ist Sozialwissenschaftlerin am Helex Institut in
                        Bochum und forscht seit 2013 in den Themenfeldern Restruk-
                        turierung, Beschäftigung und Qualifizierung im internationalen
                        Vergleich.
                                                                                                                       MITBESTIMMUNGSPORTAL
                        Gernot Mühge
                        Gernot Mühge, Jahrgang 1970, ist Sozialwissenschaftler und seit
                        2014 geschäftsführender Gesellschafter des Helex Instituts, Bo-                                Der Böckler-Infoservice bietet Mit-
                        chum; er leitet dort den Forschungsbereich Restrukturierung und                                bestimmungsakteuren spezifisches
                        soziale Sicherheit. Seine Laufbahn als Arbeitsmarktforscher be-                                Handlungs- und Orientierungs-
                        gann 1996 am damaligen Institut Arbeit und Technik, dem späteren                               wissen, u. a. Branchenmonitore,
                        Institut Arbeit und Qualifikation der Universität Duisburg-Essen.
                                                                                                                       Themenradar, Wissen kompakt,
                        Seine Forschungserfahrung beruht auf verschiedenen nationalen
                                                                                                                       Szenarien Mitbestimmung 2035.
                        und internationalen Projekten zu den Themengebieten betriebliche
                                                                                                                       Jetzt kostenlos anmelden auf:
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                        Unternehmen sowie zur Entwicklung von Alternativen zu Personal-
                        abbau in betrieblichen Krisensituationen.

                                                                                                                       PRAXISWISSEN
                                                                                                                       BETRIEBSVEREINBARUNGEN

                                                                                                                       Analysen und Gestaltungshilfen,
                                                                                                                       Beispiele aus der Praxis.
                                                                                                                       www.boeckler.de/
                                                                                                                       betriebsvereinbarungen

IMPRESSUM

                        Herausgeber                                                         Kontakt und Redaktion
                        Hans-Böckler-Stiftung                                               Jan-Paul Giertz, Referatsleiter Betriebliches Personal- und Sozialwesen
                                                                                            Hans-Böckler-Stiftung
                        Hans-Böckler-Straße 39, 40476 Düsseldorf
                                                                                            Tel.: +49 (2 11) 77 78-185
                        Telefon +49 (2 11) 77 78-0, Telefax +49 (2 11) 77 78-12 0
                                                                                            jan-paul-giertz@boeckler.de
                        www.boeckler.de
                        www.mitbestimmung.de                                                Ausgabe
                        Pressekontakt: Rainer Jung, +49 (2 11) 77 78-150                    Mitbestimmungspraxis Nr. 11
                        rainer-jung@boeckler.de                                             ISSN 2366-0449
                        Satz: Yuko Stier                                                    Nachdruck und sonstige Verbreitung – auch Auszugsweise –
                                                                                            nur mit Quellenangabe zulässig.

Mitbestimmungspraxis Nr. 11 · Februar 2018 Seite 2
MITBESTIMMUNGSPRAXIS
Nr. 11 · Februar 2018

JOB SECURITY COUNCILS

ABSTRACT
Die Transfergesellschaft ist das zentrale arbeitsmarktpolitische Instrument, wenn es aufgrund von betrieblichen
Restrukturierungen zu unvermeidbarem Personalabbau kommt. Gleichwohl ist ihr Potenzial am deutschen Ar-
beitsmarkt bislang nur wenig ausgeschöpft. Gründe dafür sind die hohe Komplexität des Instruments wie auch
oftmals fehlendes Erfahrungswissen und mangelnde Gestaltungskompetenz der betrieblichen Sozialpartner.
   Im Vergleich zu Deutschland verfügt Schweden über einen Beschäftigtentransfer, der flächendeckend und
umfassend zum Einsatz kommt, wenn Unternehmen Stellen abbauen. Die schwedischen, so genannten Job
Security Councils blicken auf eine lange Kontinuität zurück, ihre arbeitsmarkpolitische Wirksamkeit ist hoch
und sie genießen bei Beschäftigten und Betrieben einen guten Ruf.
   Die vorliegende Studie untersucht das schwedische Transfermodell und reflektiert aus dieser Perspektive
die deutsche Transfergesellschaft. Die Befunde der Studie liefern Impulse für die Weiterentwicklung des deut-
schen Modells und geben den Akteuren der Mitbestimmung Orientierung in der Gestaltung des zukünftigen
Beschäftigtentransfers.

                                                                                           Mitbestimmungspraxis Nr. 11 · Februar 2018 Seite 3
INHALT
                        1     Einführung............................................................................................................. 5

                        2     Job Security Councils in Schweden...................................................................... 6
                        2.1   Industrielle Beziehungen in Schweden............................................................................6
                        2.2   Modell und Verbreitung von Job Security Councils........................................................ 7
                        2.3   Trennung von finanzieller Unterstützung und Beratung..................................................8

                        3   Auftaktworkshop zur Projektsteuerung............................................................... 9
                        3.1 Methodisches Vorgehen.................................................................................................11

                        4   Fallstudie A: KFS.................................................................................................. 11
                        4.1 Einfluss der Rahmenbedingungen auf die Unterstützungsleistung von KFS................ 13
                        4.2 Trägerfallstudie............................................................................................................... 14

                        5   Fallstudie B: TRR................................................................................................... 17
                        5.1 Organisationale Rahmenbedingungen, Dienstleistungsspektrum
                            und Qualitätsmaßstäbe.................................................................................................. 18
                        5.2 Zukünftige Entwicklungen............................................................................................. 21
                        5.3 Beratungsprozesse und -inhalte..................................................................................... 21
                        5.4 Die Perspektive der Klient_innen...................................................................................23

                        6     Fallbeispiel einer Restrukturierung mit Personalabbau
                              bei einem Post- und Logistikunternehmen......................................................... 25

                        7     Vergleichende Analyse der Fallstudien .............................................................. 28
                        7.1   Ausblick..........................................................................................................................29

                        8     Fazit..................................................................................................................... 30
                        8.1   Prüfung der Zielgruppenorientierung und -erfahrung bei der Trägerauswahl..............30
                        8.2   Zielgruppenübergreifende Qualitätsmaßstäbe bei der Trägerauswahl......................... 31
                        8.3   Einbezug der betrieblichen Mitbestimmung in den Ablauf der Transfergesellschaft... 31
                        8.4   Zusammenfassung.........................................................................................................32

                        Literatur...................................................................................................................... 33

Mitbestimmungspraxis Nr. 11 · Februar 2018 Seite 4
1     EINFÜHRUNG                                            gigkeiten des deutschen Modells kritisch zu hinterfra-
                                                            gen und der Diskussion um die Zukunft der Transfer-
Der schwedische Sozialstaat und die Rolle der Sozi-         gesellschaft neue Impulse zu geben. Darüber hinaus
alpartner in Schweden gelten vielfach – wenn auch           vermittelt der vorliegende Bericht den Akteuren der
nicht immer unumstritten – als wegweisend für mo-           Mitbestimmung – Betriebsräten und Personalverant-
derne Wohlfahrtsstaaten. Dies schließt das schwe-           wortlichen sowie Tarifpartnern – in der Gestaltung
dische Modell des Beschäftigtentransfers mit ein.           von Transfersozialplänen und ihren Rahmenbedingun-
Seine Grundlage sind die so genannten Job Security          gen eine konkrete Orientierung.
Councils – deutsch Arbeitsplatz-Sicherungs-Stiftun-             Der vorliegende Bericht gliedert sich, neben der
gen – die den Gegenstand der vorliegenden Unter-            vorausgehenden Einführung, in weitere sieben Kapi-
suchung bilden. Job Security Councils (JSC) werden          tel. Im folgenden Kapitel 2 wird eine Einführung in das
seit einiger Zeit als Vorbild für die Weiterentwicklung     System der Job Security Councils in Schweden vor-
der deutschen Instrumente des Beschäftigtentrans-           genommen. Hierzu werden die Job Security Councils
fers diskutiert (Knuth et al. 2012, S. 52 ff.; vgl. Knuth   in den Kontext der industriellen Beziehungen einge-
et al. 2011). Diese Diskussion wurde durch zahlreiche       bettet (Kap. 2.1) und der Entstehungshintergrund so-
wissenschaftliche Arbeiten zu Job Security Councils         wie das zugrundeliegende Modell erläutert (Kap. 2.2).
begleitet, die in den vergangenen Jahren im Rah-            Unter Punkt 2.3 wird dargelegt, in welcher Form die
men verschiedener europäischer Forschungsprojekte           von der Entlassung Betroffenen finanzielle Unterstüt-
durchgeführt wurden (vgl. Borghouts – van de Pas            zung erfahren. Kapitel 3 zeigt die Herausforderungen
2012; Voss 2010; Diedrich / Bergström 2006; Mühge           für die Betriebsräte beim Thema Beschäftigtentrans-
2009; Gazier / Bruggeman 2008; Knuth 2008; Died-            fer; sie wurden in einem Auftaktworkshop zur Pro-
rich / Bergström 2006 u. a.). Das primäre Ziel der Ar-      jektsteuerung erhoben. Dieser Auftaktworkshop
beiten lag darin, einem europäischen Publikum die           zielte zum einen darauf, relevante Themen für die be-
Wirkungsweise und die institutionellen Rahmenbe-            triebliche Mitbestimmung zu identifizieren; zum an-
dingungen schwedischer Job Security Councils zu             deren darauf, die Fallauswahl der zu untersuchenden
erklären. Deren Beratungsansatz sowie die Wirkun-           Job Security Councils abzustimmen. Anschließend
gen des Job-Security-Council-Systems auf die be-            werden die auf Basis dieser Auswahl untersuch-
triebliche Gestaltung von Restrukturierungen wurden         ten Job Security Councils in zwei unterschiedlichen
bislang weder in schwedischen noch in europäischen          Fallstudien vorgestellt. Beim ersten Fall (Kap. 4) han-
Forschungsprojekten beleuchtet.                             delt es sich um KFS (Kommunala Företagens Sam-
    An dieser Forschungslücke setzt der vorliegen-          organisation), dem Unternehmen und Beschäftigte
de Bericht an. Das Projekt „Job Security Coun-              aus der kommunalen Wirtschaft assoziiert sind. In
cils in Schweden. Impulse für die Mitbestimmung”            diesem Fall werden Qualifizierung und Beratung
untersucht                                                  der Entlassenen von einem externen Dienstleister
                                                            durchgeführt. Die Kriterien für die Vergabe und die
– die Auswirkungen des schwedischen Modells auf             Besonderheiten der Zielgruppe werden im Kapitel 4.2
  die Verhandlungen von betrieblichen Krisen- und           dargestellt. In der anschließenden Fallstudie (Kapitel 5)
  Restrukturierungsfällen,                                  wird das Job Security Council TRR (Trygghetsrådet)
– den arbeitsmarktpolitischen Ansatz von JSC, das           vorgestellt. Zu dessen Zielgruppe gehören Angestell-
  heißt die arbeitsmarktpolitische Beratung der Be-         te aus dem privatwirtschaftlichen Bereich, welche
  troffenen, zudem deren Qualifizierung und Unter-          oftmals auch eine leitende Funktion innehatten. Die
  stützung bei der Arbeitssuche durch JSC.                  für diese Zielgruppe relevanten Beratungs- und Qua-
                                                            lifizierungsinhalte werden in Kapitel 5.3 genauer unter-
Die empirische Grundlage des Projekts ist die qua-          sucht und schließlich mit den Erfahrungen von zwei
litative Untersuchung von zwei Job Security Coun-           Klient_innen gespiegelt (Kap. 5.4). Im Anschluss an die
cils. Sie basiert auf Experteninterviews mit betrieb-       TRR-Fallstudie wird das Fallbeispiel einer Restruktu-
lichen Interessenvertreter_innen, mit Beschäftig-           rierung mit Personalabbau bei einem Post- und Logis-
ten, die vom Personalabbau betroffen sind, sowie            tikunternehmen dargestellt (Kapitel 6), um das Zusam-
mit deren JSC-Transferberater_innen und dem                 menspiel aller relevanten Akteure im Personalabbau
JSC-Führungspersonal.                                       näher zu betrachten. In Kapitel 7 werden die Befunde
    Die vorliegende Untersuchung will für die in            aus den Fallstudien einem Vergleich unterzogen, um
Deutschland geführte Debatte um den Beschäftig-             im anschließenden Fazit Handlungsempfehlungen
tentransfer eine doppelte Funktion erfüllen: Sie be-        für die Gestaltung von Beschäftigungsübergängen in
trachtet Job Security Councils auf der einen Seite als      Deutschland abzuleiten. Die Handlungsempfehlun-
Vorbild für die Gestaltung des Beschäftigtentransfers;      gen für die Akteure der betrieblichen Mitbestimmung
auf der anderen Seite wirft die in Schweden durch-          werden im Hinblick auf zu treffende Vorbereitungen
geführte Untersuchung Licht auf den deutschen               (Kap. 8.1) und Kriterien bei der Trägerauswahl (Kap. 8.2)
Beschäftigtentransfer und verändert die Maßstäbe            dargelegt. Zum Schluss wird zudem gezeigt, wie die
seiner Bewertung und Gestaltung. Der Bericht zielt          Betriebsräte auch in den Prozess des Transfers mit-
darauf ab, bestimmte Eigenschaften und Pfadabhän-           einbezogen werden können (Kap. 8.3).

                                                                                                Mitbestimmungspraxis Nr. 11 · Februar 2018 Seite 5
2       JOB SECURITY COUNCILS                                              sation), der etwa 0,95 Millionen Beschäftigte aus ver-
                                                                                                   schiedene Angestelltengruppen Beschäftigte assozi-
                                IN SCHWEDEN
                                                                                                   iert sind; und schließlich Saco (Sveriges akademikers
                                                                                                   centralorganisation), die verschiedene Berufsgruppen
                                                                                                   mit akademischem Hintergrund vertritt und etwa 0,46
                        2.1     Industrielle Beziehungen in Schweden                               Millionen Beschäftigte umfasst (ebd., S. 2 f.). Der An-
                                                                                                   teil von gewerkschaftlich organisierten Beschäftigten
                        Ahlberg / Bruun (2005) führen verschiedene Charak-                         ist in Schweden über alle Beschäftigtengruppen hin-
                        teristika der industriellen Beziehungen in Schweden                        weg hoch – trotz des Rückgangs des gewerkschaft-
                        an, vor deren Hintergrund die Entstehung und die                           lichen Organisationsgrades vor allem im Zuge der
                        Ausgestaltung des Systems der Job Security Coun-                           Beitragsreform zur gewerkschaftlichen Arbeitslosen-
                        cils verstanden werden kann: den beidseitig hohen                          versicherung im Oktober 2006 (vgl. Andersson / Brunk
                        Organisationsgrad in Schweden, sowohl im Hinblick                          2008). Der Organisationsgrad beträgt insgesamt das
                        auf die Arbeitgeber- als auch auf die Gewerkschafts-                       3,7-fache des gewerkschaftlichen Organisationsgra-
                        seite; die arbeitgeberseitige Akzeptanz von Tarifver-                      des in Deutschland, wie folgende Abbildung zeigt.
                        handlungen und -verträgen; die branchen- und be-                           Der hohe Anteil an gewerkschaftlich organisierten
                        schäftigtengruppenübergreifende hohe Verbreitung                           Beschäftigten korrespondiert mit der Verbreitung von
                        tarifvertraglicher Regelungen sowie die weitgehende                        Tarifverträgen: circa 90 % der schwedischen Beschäf-
                        Abwesenheit staatlicher Interventionen (ebd., S. 117 f.),                  tigten arbeiten unter tariflichen Regelungen (vgl. Rose
                        die Schweden insgesamt als „Musterland der Tarif-                          2010; ILO-Daten für 2015 zeigen Werte knapp unter
                        autonomie“ erscheinen lassen (vgl. Rose 2010). Auf                         90 %, vgl. Visser et al. 2015) (Siehe Abbildung 1).
                        der Gewerkschaftsseite sind drei berufsgruppen-                                Im Unterschied zum deutschen Modell der be-
                        spezifische Dachverbände mit assoziierten Einzelge-                        trieblichen Mitbestimmung erfolgt die Interessen-
                        werkschaften vertreten: Die LO (Landsorganisationen                        vertretung der Beschäftigten im schwedischen
                        i Sverige), die hauptsächlich Beschäftigte aus dem                         System nicht über Betriebsräte, sondern mittels ge-
                        gewerblich-technischen Bereich der Privatwirtschaft                        werkschaftlicher Vertreter_innen der jeweiligen Be-
                        zur Zielgruppe hat und etwa 1,28 Millionen Beschäf-                        schäftigtengruppen. Die für die deutsche kollektive
                        tigte vertritt; die TCO (Tjänstemännens Centralorgani-                     Interessenvertretung typische „Trennlinie“ zwischen
                                                            1999        2000         2001                                               2002               2003
                         Schweden    (Amtliche Statistik, ab 81,6
                                                             2013 Swedish80,1
                                                                          Labour Force78,0
                                                                                       Survey)                                           77,7               77,2
                         Deutschland (Amtliche Statistik) 25,3           24,6         23,7                                               23,5               23,0
                                                                                                                                                   Abbildung 1

                        Anteil an gewerkschaftlich organisierten Beschäftigten im Zeitverlauf
                        Angaben in Prozent                 Anteil an gewerkscha:lich organisierten Beschä:igten im
                                                                            Zeitverlauf in Prozent
                         100

                          90

                          80

                          70

                          60

                          50

                          40

                          30

                          20

                          10

                            0
                                1999      2000      2001     2002      2003   2004   2005   2006     2007   2008   2009   2010   2011   2012    2013   2014

                                     Schweden (Amtliche StaHsHk, ab 2013 Swedish Labour Force Survey)                 Deutschland (Amtliche StaHsHk)
                            Schweden (Amtliche Statistik, ab 2013 Swedish Labour Force Survey)
                            Deutschland (Amtliche Statistik)

                        Quelle: https://stats.oecd.org, eigene Darstellung.

Mitbestimmungspraxis Nr. 11 · Februar 2018 Seite 6
gewerkschaftlicher Interessenvertretung außerhalb          sicherung das Kostenrisiko zwischen den Unterneh-
des Betriebs und Betriebsräten im Betrieb („duales         men des jeweiligen Tarifvertrags (ebd., S. 12).
System“) ist in Schweden aufgehoben (Thelen / Tur-            Es lassen sich zwei Modelle unterscheiden:
ner 1999, S. 183). Im Rahmen der Verabschiedung
des schwedischen Mitbestimmungsgesetzes (Med-              – Teils folgen die JSC einem Inhouse-Konzept: Das
bestämmandelagen, kurz: MBL) im Jahr 1976 wurde              heißt, die Stiftungen beraten und qualifizieren ihre
den betrieblichen Gewerkschaftsvertreter_innen eine          Teilnehmer_innen in regionalen Niederlassungen
zentrale Rolle in Restrukturierungsangelegenheiten           mit eigenem Personal (so bei TRR 1).
eingeräumt: So müssen in allen organisationalen Ver-       – Teils geben die Stiftungen die Transfermaßnah-
änderungen die Gewerkschaftsvertreter_innen nicht            men an dritte Träger weiter: Das heißt, sie ver-
nur informiert, sondern auch frühzeitig konsultiert          walten in erster Linie die Mittel und definieren
werden. Insofern agieren die betrieblichen Gewerk-           die arbeitsmarktlichen Konzepte und Aufgaben,
schaftsvertreter_innen als gestaltende Akteure im            welche die betroffenen Beschäftigten in Anspruch
Restrukturierungsprozess (Diedrich / Bergström 2006,         nehmen können (so bei KFS 2) (Diedrich / Bergst-
S. 5 f.)                                                     röm 2006, S. 12).

                                                           Beiden Ansätzen ist gemein, dass die Erfahrungen
2.2   Modell und Verbreitung von Job                       aus den Transferaktivitäten kontinuierlich in die Be-
      Security Councils                                    ratungs- und Vermittlungskonzepte einfließen und
                                                           so jeweils branchenspezifische Lösungen angeboten
Der Ansatz und die Form von Job Security Councils          werden, die auf einem hohen Qualitätsniveau sind
wurde zu den Zeiten der Ölkrise in den 1970er Jahre        – ein wichtiger Unterschied zur deutschen Transfer-
vor dem Hintergrund entwickelt, dass die staatliche        gesellschaft, die von den betrieblichen Parteien im
Arbeitsvermittlung für die hauptsächlich betroffene        jeweiligen Einzelfall und oft ohne Erfahrungswissen
Zielgruppe der hochqualifizierten Angestellten keine       verhandelt werden muss (Knuth et al. 2011, S. 111 f.).
adäquate Beratungs- und Vermittlungsdienstleistung             Die Leistungen aus den JSC stehen all jenen Be-
bereitstellen konnte. Im Zuge dessen einigten sich         schäftigten zur Verfügung, die betriebsbedingt ih-
die Sozialpartner auf die Einrichtung einer neuen          ren Arbeitsplatz verlieren und die individuellen An-
Organisation, die eben diese Dienstleistungen be-          wartschaftskriterien gemäß den tarifvertraglichen
reitstellen sollte, und für die sich in der deutschen      Regelungen erfüllen. Die Stiftungen beginnen ihre
arbeitsmarktpolitischen Diskussion aufgrund des eu-        Beratungsarbeit zu Beginn der Kündigungsfrist, die
ropäischen Sprachgebrauchs der Begriff Job Security        Beschäftigten werden ab diesem Zeitpunkt für die
Council (JSC) etabliert hat. Diese Stiftungen werden       Maßnahmen der Stiftungen freigestellt. Die gesetzli-
in einer von zwei eigens für diese Aufgabe geschaf-        che Kündigungsfrist wird in den meisten Tarifverträ-
fenen Rechtsformen (Trygghetsråden oder Kollekti-          gen verdoppelt, so dass in der Regel mehrere Monate
vavtalstiftelse) geführt. Sie basieren jeweils auf einem   für Beratung und Qualifizierung zu Verfügung stehen.
Branchentarifvertrag (Knuth et al. 2011, S. 111) und       Wenn nötig, setzen die Stiftungen ihre Arbeit auch in
werden von einer paritätisch besetzten Kommission          der Zeit der Arbeitslosigkeit fort. Generell bieten die
kontrolliert. Obgleich die Implementation der Job          Job Security Councils eine in hohem Maße flexible
Security Councils nicht als dauerhaftes und flächen-       Leistung für jeden einzelnen Beschäftigten an und
deckendes System intendiert war, führte deren hohe         sind in der Lage, die individuellen Voraussetzungen
arbeitsmarktpolitische Wirksamkeit dazu, dass sich         und Interessen ihrer Klient_innen zu berücksichtigen.
dem System sukzessive weitere Beschäftigtengrup-           Dabei können sie auf einen weiten, zielgruppenspe-
pen und Wirtschaftsbereiche anschlossen (Diedrich /        zifischen Erfahrungsschatz zurückgreifen und sind in
Bergström 2006, S. 8 ff.). Inzwischen existieren in        ein stabiles Regelwerk des jeweiligen Tarifvertrags
Schweden 15 Stiftungen, deren Basisleistung im Sin-        eingebettet (Diedrich / Bergström 2006, S. 11).
ne einer beratenden Unterstützung etwa 90 % der                Ebenfalls vergleichbar mit der deutschen Gesetz-
Erwerbspersonen abdecken (Bergström 2014, S. 13).          gebung ist der Kündigungsschutz in Schweden. Das
Ausgenommen von diesem System sind allerdings              schwedische Arbeitsrecht liefert einen erheblichen
Personen mit befristeten Arbeitsverträgen, sodass in       Anreiz zu betrieblichen Verhandlungen, da es für die
Verbindung mit einer häufig zu erfüllenden Anwart-         Auswahl der Beschäftigten im Fall kollektiver Ent-
schaftszeit vor allem jüngere Beschäftigte außen vor       lassungen das so genannte Last-In-First-Out-Prinzip
bleiben (OECD 2015, S. 17).                                (LIFO) vorschreibt: Beschäftigte mit höherer Betriebs-
   Die Finanzierung der Stiftungsarbeit erfolgt aus        zugehörigkeit – praktisch die älteren Beschäftigten –
den Mitgliedsunternehmen, die dazu einen bestimm-          sind per Gesetz vor Entlassungen geschützt (Knuth et
ten Betrag (je nach Stiftung zum Beispiel 0,12 % oder
0,3 %) der Lohnkosten an die Stiftung zahlen. Im Un-       1   Das Job Security Council TRR, das auch Gegenstand der
                                                               Fallstudienuntersuchung ist, hat hauptsächlich Angestellte
terschied zum deutschen Transfermodell ist die Fi-             aus der Privatwirtschaft als Zielgruppe.
nanzierung des Transfers zeitlich vom Krisenfall sowie     2   Das Job Security Council KFS, das ebenfalls Gegenstand
                                                               der Fallstudienuntersuchung ist, umfasst Angestellte und
von der Finanzkraft des Unternehmens abgekoppelt.              Beschäftigte aus dem gewerblich-technischen Bereich bei
Das schwedische Stiftungsmodell teilt wie eine Ver-            kommunalen Unternehmen.

                                                                                                   Mitbestimmungspraxis Nr. 11 · Februar 2018 Seite 7
al. 2011, S. 112). Wenn die betrieblichen Sozialpartner             2.3    Trennung von finanzieller Unterstützung
                        über die Auswahl der Beschäftigten eine Einigung er-                       und Beratung
                        zielen, erlaubt das Gesetz die Abweichung vom LIFO-
                        Prinzip. Mit anderen Worten muss der Arbeitgeber                    Anders als im deutschen Konstrukt der Transferge-
                        Anreize anbieten, damit die betrieblichen Gewerk-                   sellschaft erfolgt die Einkommensabsicherung in
                        schaftsvertreter_innen der Entlassung langjährig Be-                der Transferzeit nicht durch die Job Security Coun-
                        schäftigter zustimmen (Bergström 2014, S. 10).                      cils, sondern durch die Lohnfortzahlungen des ab-
                            Verschiedene Studien und Evaluationen haben die                 gebenden Unternehmens während der Phase der
                        Wirksamkeit der schwedischen Arbeitsplatz-Siche-                    Kündigungsfrist (gegebenenfalls je nach Verhand-
                        rungs-Stiftungen gemessen; in Bezug auf den Über-                   lungsgrundlage wird diese Phase verlängert) bezie-
                        gang in Arbeit oder Selbständigkeit errechnen sie                   hungsweise durch die Lohnersatzleistungen gemäß
                        Quoten, die um die 80 % liegen. Der Anteil der Be-                  der individuellen Versicherungssituation 5 (Bergström
                        schäftigten, die durch die Vermittlung Einkommens-                  2014, S. 16). Die Mitgliedschaft in der Arbeitslosen-
                        verluste hinnehmen müssen, gilt als gering. Einer                   versicherung ist in Schweden freiwillig. Um nach (un-
                        nennenswerten Gruppe von Beschäftigten gelingt es,                  freiwilligem) Arbeitsplatzverlust eine einkommensab-
                        über die Beratung der Stiftungen in bessere Arbeits-                hängigen Lohnersatzleistungen zu erhalten, ist in
                        verhältnisse zu wechseln (Knuth et al. 2011, S. 112).               Schweden die Mitgliedschaft in einer der zahlreichen,
                            In der Gesamtbetrachtung (vgl. OECD 2015) zeigt                 zumeist gewerkschaftlich organisierten A-Kassa not-
                        sich, dass im Zeitraum zwischen 2002 und 2012                       wendig, sowie – als weitere Bedingung – die Erfül-
                        durchschnittlich 2,1 % der abhängig Beschäftigten pro               lung einer entsprechenden Anwartschaftszeit. Die
                        Jahr in Schweden unfreiwillig ihren Arbeitsplatz ver-               Mitgliedschaft in einer A-Kassa ist zumeist mit einer
                        loren haben 3. Mit 85 % ist der Anteil an Personen, die             Gewerkschaftsmitgliedschaft verbunden, aber nicht
                        innerhalb eines Jahres wieder in Beschäftigung fin-                 zwingend notwendig. Beschäftigte, die kein Mitglied
                        den, weitaus größer als in den OECD 4 -Ländern, über                der A-Kassa sind oder die Anwartschaftszeiten nicht
                        die entsprechende Daten vorliegen. Das Erreichen                    erfüllen, haben im Fall von Arbeitslosigkeit lediglich
                        dieser Wiederbeschäftigungsquote wird zu großen                     Anspruch auf die staatliche Grundsicherung, die ein
                        Teilen dem System der Job Security Councils zuge-                   wesentlich geringeres Absicherungsniveau als die
                        schrieben (ebd., S. 13 f.). Bei allen Vorteilen, die das            freiwillige Arbeitslosenversicherung aufweist (Kuh-
                        System für die Anspruchsberechtigten bietet, kommt                  lmann 2008, S. 2). Die Lohnersatzleistung durch die
                        es durch die Zugangsbeschränkungen und die be-                      A-Kassa liegt bei 80 % des monatlichen Einkommens 6
                        grenzte Laufzeit zu einem „crowding out“ und einem                  für eine Dauer von 200 Werktagen; für die darauffol-
                        „creaming off effect“ (vgl. Bredgaard / Larsen 2005).               genden 100 Werktage sinkt die Leistung auf 70 % des
                        Personen, die nicht die erforderliche Anwartschafts-                monatlichen Einkommens (Bergström 2014, S. 17).
                        zeit erfüllen, sowie teilweise jüngere Personen sind                Im Oktober 2006 kam es im Zuge eines Regierungs-
                        von dem System ausgeschlossen. Des Weiteren sind                    wechsels unter der Amtszeit des liberal-konservati-
                        Personen, die multiple Vermittlungshemmnisse auf-                   ven Ministerpräsidenten Frederik Reinfeldt zu einer
                        weisen wie beispielsweise eine wenig nachgefragte                   tiefgreifenden Umstellung des A-Kassa-Systems
                        Qualifikation und / oder körperliche und / oder psychi-             von einem Solidarprinzip zu einem Risikoprinzip. So
                        sche Probleme haben, trotz der meist großzügigen                    sollten diejenigen Mitglieder, deren Berufsstand das
                        Laufzeit der Job Security Councils nicht zu vermit-                 höchste Arbeitslosigkeitsrisiko aufweist, prozentual
                        teln; sie verbleiben im Anschluss bei der weitaus ge-               vom Einkommen die höchsten Beiträge zur freiwil-
                        ringeren Unterstützung der staatlichen Arbeitsver-                  ligen Arbeitslosenversicherung im Rahmen der A-
                        mittlung (Bergström 2014, S. 23). Ein weiterer Unter-               Kassa leisten (Kuhlmann 2008, S. 7). Infolge dessen
                        schied zeigt sich bei der finanziellen Ausstattung der              stiegen die Mitgliedsbeiträge gerade für Personen mit
                        JSC im Hinblick auf Qualifizierungsmittel. Diese sind               verhältnismäßig niedrigem Einkommen stark an – mit
                        gerade bei gewerblich-technischen Personen niedri-                  diesem Umstand wird nicht zuletzt der Rückgang des
                        ger als bei Personen im Angestelltenbereich (OECD                   gewerkschaftlichen Organisationsgrades in Verbin-
                        2015, S. 86).                                                       dung gebracht (vgl. Andersson / Brunk 2008).

                        3   Das OECD Reporting aus der Reihe „Back to work“, aus
                            dem die Zahlen entnommen sind, gibt es nicht für Deutsch-
                            land. Die Datenlage zum Ausmaß des unfreiwilligen Ar-
                            beitsplatzverlustes ist für das Bundesgebiet sehr dünn. Als
                            einzige, nur begrenzt vergleichbare Größe kann eine Studie
                            von Erlinghagen (2005) herangezogen werden, die auf Basis
                            des Sozio-ökonomischen Pannels (SOEP) erstellt wurde.
                            Hier zeigt sich, dass für den Zeitraum von 1985 bis 2001
                            der jährliche Anteil unfreiwilliger Entlassungen an allen Er-
                            werbstätigen konjunkturell bedingt zwischen circa 1,3 und       5   In einigen Fällen gibt es eine Aufstockungsleistung durch
                            4,5 Prozent schwankt (Erlinghagen 2005, S. 155).                    die JSC für die Differenz zwischen der Deckelungsgrenze
                        4   Die Organisation for Economic Co-operation and Develop-             des A-Kassa-Betrags und dem tatsächlichen vorherigen
                            ment (Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit               Einkommen.
                            und Entwicklung, OECD) umfasst 35 Mitgliedsstaaten und          6   Der Höchstbetrag für den Bezug der Lohnersatzleistung
                            befasst sich mit der Analyse verschiedener Themen, unter            durch die A-Kassa ist auf umgerechnet etwa 2.650 €
                            anderem der Beschäftigungspolitik.                                  gedeckelt.

Mitbestimmungspraxis Nr. 11 · Februar 2018 Seite 8
3      AUFTAKTWORKSHOP ZUR
       PROJEKTSTEUERUNG
                                                                  ""   Es ist langwierig, dass man über das ‚ob‘ einer
                                                                  Transfergesellschaft verhandeln muss. Wenn der
                                                                  Punkt gesetzt wäre, wäre es für uns einfacher. Aller-
Zu Beginn des vorliegenden Forschungsprojektes                    dings finde ich es wichtig, dass Gestaltungsspielräu-
„Job Security Councils – Impulse für die Mitbestim-               me für den Betriebsrat in der Ausgestaltung bleiben.
mung“ fand im Juli 2016 ein Auftaktworkshop bei der               Jeder Fall hat seine Besonderheiten, das sollte man
Hans-Böckler-Stiftung statt, um die Perspektive der               nicht über einen Kamm scheren. [BR-1]
zentralen Akteure im Feld des Personalabbaus mit
einzubeziehen. Hierzu wurden Betriebsräte, Gewerk-                 Die Betriebsräte sind in der Situation gleichzeitig
schaftsvertreter und die Gesellschaft für innovative            mit einer Verhandlungs- und Gestaltungsaufgabe
Beschäftigungsförderung eingeladen, ihre Perspekti-             konfrontiert. Sie müssen das Volumen des Sozial-
ve auf das Thema des Personalabbaus zu schildern                plans verhandeln und den Sozialplan, der die arbeits-
und Hinweise für die Fallauswahl der Job Security               marktpolitische Grundlage in der Transfergesellschaft
Councils zu geben.                                              schafft, inhaltlich füllen. Neben der Aushandlung über
   Zunächst schilderten die Betriebsräte 7 ihre Erfah-          die Implementation einer Transfergesellschaft, deren
rungen mit dem Personalabbau in ihren Unternehmen               Ausstattung und Gestaltung stehen die Betriebsräte
und die Verhandlungslinien mit dem Arbeitgeber über             darüber hinaus vor der Aufgabe, einen geeigneten
die Implementation einer Transfergesellschaft. Ein              Träger zu finden:
Teilnehmer berichtet über die Konfliktlinien in der Ver-
handlung mit dem Arbeitgeber:
                                                                  ""   Sobald der Stellenabbau in den Medien publik
                                                                  wird, stehen reihenweise Träger bei einem auf der

    ""   Die Verhandlungen mit dem Arbeitgeber sind
    da ganz hart. Der Arbeitgeber wollte die Kosten aus
                                                                  Matte. Unser Problem ist, dass man vorab die Quali-
                                                                  tät der Beratung und der Qualifizierungen kaum be-
    dem Sozialtopf abziehen, dann sollten die Mitarbei-           messen kann. [BR-2]
    ter zwischen Abfindung und Transfer entscheiden,
    solche Spiele eben. [BR-3]                                     Die Trägerauswahl, die Betriebsräte vornehmen
                                                                müssen, lässt sich nicht auf den Vergleich weniger
   Auch ein anderer Teilnehmer schildert die Erfah-             Kennziffern reduzieren; so ist zum Beispiel die Ver-
rung in der Aushandlung zur Transfergesellschaft:               mittlungsquote in vergangenen Projekten der Träger
                                                                ein schwacher Indikator mit begrenzter Aussagekraft

    ""   Wir haben mehrere Entlassungswellen hinter
    uns und es war eine Strategie von Versuch und
                                                                auf die Qualität der Beratung. In der Praxis erfolgt die
                                                                Trägerauswahl daher auf Grundlage einer Mischung
    Irrtum. Bei dem ersten Mal, damals war ich noch             aus Referenzen und Eindrücken, die die Träger im Ge-
    nicht im Betriebsrat, mussten sich die betroffenen          spräch mit dem Betriebsrat vermitteln. Hierbei kann
    Beschäftigten zwischen Abfindung und Transferge-            es zu unterschiedlichen Problemen kommen, die die
    sellschaft entscheiden. Diese Lösung war denkbar            Bedeutung einer ausführlichen, persönlichen Vorstel-
    schlecht. [BR-1]                                            lung der Träger vor dem Betriebsratsgremium unter-
                                                                streichen. Ein Betriebsrat zeigt, dass zum Beispiel
    Anhand der Zitate lassen sich zwei Befunde ablei-           Leiharbeit als Ausschlusskriterium dienen kann oder
ten: Erstens stellt die Verhandlungssituation die Be-           zumindest gestaltet werden muss, wenn Träger in
triebsräte vor eine große Herausforderung, die sich             diesem Geschäftsfeld aktiv sind:
zum Teil in einer Strategie von „Versuch und Irrtum“
niederschlägt. Zweitens wird die Option, zwischen
Transfer und Abfindung zu entscheiden, als negativ be-            ""   Hinzu kam, dass der Träger eine eigene Leihar-
                                                                  beitsfirma hatte, wo die Leute rübergeschoben wur-
wertet. Die teilnehmenden Betriebsräte sprechen sich              den, das geht natürlich gar nicht. Bei dem nächs-
für eine Optimierung der Verhandlungssituation aus:               ten Fall haben wir uns dann vom Träger schriftlich
                                                                  versichern lassen, dass nicht in Leiharbeit vermittelt

    ""  Für uns wäre es gut, wenn die Installation einer
    Transfergesellschaft gesetzt, aber die Ausgestaltung
                                                                  wird. Es sei denn, die Person möchte es ausdrück-
                                                                  lich. [BR-1]
    verhandelbar wäre. [BR-2]
                                                                   Ein wichtiges Kriterium der Trägerauswahl war für
   Eine andere Workshop-Teilnehmerin spricht sich               diesen Betriebsrat die Form der Stellenakquise des
einerseits für eine Verpflichtung des Arbeitgebers              Träges sowie seine Beratungs- und Vermittlungsphi-
aus, eine Transfergesellschaft einzurichten, wenn der           losophie. Bei der Auswahl der Transferträger wird
Betriebsrat dies wünscht. Sie betont andererseits die           oftmals zudem die Gewerkschaft als Entscheidungs-
Notwendigkeit von Freiheitsgraden bei der Gestal-               unterstützung herangezogen, wobei den dort ausge-
tung des Beschäftigtentransfers:                                sprochenen Empfehlungen nicht unbedingt gefolgt
                                                                wird:
7   Die Wortbeiträge der Workshopteilnehmer_innen sind an-
    onymisiert worden. Die Kürzel verweisen auf ihre Funktion
    zur Einordnung der Wortbeiträge (BR als Kennzeichnung für
    die Funktion Betriebsrat).                                    ""  Die Gewerkschaft hat uns drei Träger benannt,
                                                                  von denen sie wissen, dass die Arbeit dort stimmt.

                                                                                                   Mitbestimmungspraxis Nr. 11 · Februar 2018 Seite 9
Aber schlussendlich hat uns doch ein anderer Trä-         Fragen sind für die arbeitsmarktpolitische Wirk-
                            ger überzeugt, einfach aufgrund des Beratungsan-          samkeit und die soziale Absicherung der Be-
                            satzes und wie sie dort mit den Menschen umge-            schäftigten von hoher Bedeutung; der Betriebs-
                            hen. [BR-2]                                               rat muss eine Vielzahl von Gestaltungsentschei-
                                                                                      dungen in die Verhandlungen einbringen, die in
                          Aus diesem Vorgehen, wie es auch von anderen                der Regel unter Zeitdruck geführt werden.
                        Betriebsräten geschildert wird, folgert ein Vertreter       3 Aus den geschilderten Erfahrungen mit der Si-
                        des DGB:                                                      tuation des Personalabbaus und der Einführung
                                                                                      einer Transfergesellschaft zeigt sich des Weite-

                            ""  Es ist wichtig, dass Entscheidungskompetenzen
                            für Betriebsräte geschaffen werden, um sie in der
                                                                                      ren, dass vorbereitend ein Zielgruppenzuschnitt
                                                                                      stattfinden muss.
                            Trägerauswahl zu unterstützen. Es sollten aus ge-       4 Schließlich benötigt ein Transfersozialplan eine
                            werkschaftlicher Sicht Qualitätskriterien formuliert      adäquate und sorgfältig vorbereitete und durch-
                            werden und Entscheidungsunterstützung geleistet           geführte Trägerauswahl.
                            werden, das ist besser als namentlich zu empfehlen.
                            [DGB-1]                                                Es zeigt sich, dass die Betriebsräte mit einer Viel-
                                                                                   zahl von Herausforderungen konfrontiert sind, bei
                           Aus diesen Zitaten geht hervor, dass die Betriebs-      gleichzeitig oftmals vorhandenem Informations- und
                        räte bezüglich der Trägerauswahl Unterstützungsbe-         Erfahrungsdefizit. Daraus resultiert die praktizierte
                        darf einfordern. Sie benötigen zum einen Prozess-          Strategie von Versuch und Irrtum, wie sie in einem
                        wissen darüber, wie man Informationen über Träger          Zitat geschildert wurde. Für einige der beschriebenen
                        einholt und Auswahlgespräche organisiert; zum an-          Aufgabenbündel, vor allem im Hinblick auf die Gestal-
                        deren Qualitätskriterien zur Bewertung der Träger. Ein     tungsaufgabe und die formalen Anforderungen der
                        Faktor, der eine Standardisierung der Trägerauswahl        Trägerauswahl, gibt es mittlerweile Handlungshilfen
                        erschwert, sind die heterogenen Anforderungen, die         (vgl. Thannheiser / Westermann 2015; Darga / Kratz
                        sich aus der betriebsspezifischen Belegschaftsstruk-       2007). Allerdings fokussieren die Kriterien zur Träge-
                        tur ergeben:                                               rauswahl weitgehend formale Kriterien und berück-
                                                                                   sichtigen noch nicht den Zielgruppenzuschnitt als Pla-

                            ""   Man muss gucken, dass man für alle was dabei
                            hat. Bei uns gibt es sowohl promovierte Ingenieure
                                                                                   nungsgrundlage. Auch gibt es für die Verhandlungs-
                                                                                   aufgabe noch wenig Anhaltspunkte, welche die Be-
                            und auch Angelernte. Wie kann man da was finden,       triebsräte in dieser Situation unterstützen können. An
                            was die Bedarfe aller abdeckt? [BR-2]                  diesen Unterstützungsbedarfen knüpfen die Befunde
                                                                                   dieser Fallstudie an. Anhand von zwei Beispielen soll
                           Die Situation, in der sich die Betriebsräte bei be-     erarbeitet werden, welche Lösungsansätze für diese
                        schlossenem Personalabbau befinden, ist von einer          Probleme aus dem schwedischen Modell der Job Se-
                        Reihe von Herausforderungen gekennzeichnet. Zu-            curity Councils adaptierbar wären.
                        sammenfassend können diese Herausforderungen in                Um dieser Zielstellung gerecht werden zu können,
                        vier – sich teilweise überschneidende – Aufgabenbün-       wurden im Auftaktworkshop Hinweise für die Fallaus-
                        del zusammengefasst werden:                                wahl der zu untersuchenden Job Security Councils
                                                                                   gesammelt, da die empirischen Forschungsarbeiten
                          1 Zunächst stehen Betriebsräte vor der Aufgabe,          die Interessen und Perspektiven der Workshop-Teil-
                            den Sozialplan mit dem Arbeitgeber zu verhan-          nehmenden mit einbeziehen sollte. In diesem Kontext
                            deln. Dabei steht das gesamte Volumen des              äußerten die teilnehmenden Betriebsräte ein großes
                            Sozialplans im Zentrum, dass durch zentrale            Interesse daran, zwei Träger zu untersuchen, die sich
                            Parameter bestimmt wird. Dazu gehört die Höhe          zum einen in ihrer arbeitsmarktpolitischen Herange-
                            der Abfindung, für den Bereich des Beschäftig-         hensweise unterscheiden und zum anderen unter-
                            tentransfers die Laufzeit, die Höhe der Aufsto-        schiedliche Ziel- und Beschäftigtengruppen beraten.
                            ckung etc. Ist die Implementation der Transfer-        Die Suchstrategie nach geeigneten Job Security
                            gesellschaft umstritten, ist sie ebenfalls Teil der    Councils wurde um ein weiteres Kriterium, dem Mo-
                            Auseinandersetzung mit dem Arbeitgeber.                dell der Leistungserbringung, erweitert:
                          2 Eng mit der Verhandlung verknüpft ist die Ge-
                            staltungsaufgabe von Betriebsräten. Sie müssen         – Ein Träger solle in der Leistungserbringung einer
                            sich mit den Inhalten und einer Vielzahl an De-          Vergabelösung folgen. Das heißt, dass die Bera-
                            tails des Sozialplans und der Transfergesellschaft       tungs- und Qualifizierungsdienstleistungen nicht
                            auseinandersetzen; und sie müssen Entschei-              von dem Job Security Council selbst durchge-
                            dungen über die Verwendung der ausgehandel-              führt, sondern externe Dienstleister damit beauf-
                            ten Sozialplanressourcen treffen, etwa: Welche           tragt werden. Diese Fallstudie soll Hinweise für
                            Mittel stellt der Sozialplan für Qualifizierungen        weitere Kriterien liefern, die bei der Trägerauswahl
                            zur Verfügung? Gibt es einen Härtefond für be-           relevant sind. Dieser Träger sollte nach Möglich-
                            sonders benachteiligte Beschäftigte? Wie wird            keit Erfahrungen mit der Gruppe der gewerblich-
                            die Sprinterprämie gestaltet? Diese und andere           technischen Beschäftigten besitzen, um besonde-

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re Anforderungen für diese Beschäftigtengruppe            Neben dem Interviewmaterial wurde auch eine Do-
  ableiten zu können.                                     kumentenanalyse 8 für die Auswertung herangezogen.
– Das zweite Modell stellt eine Inhouse-Lösung dar.
  Sie besteht darin, dass die Beratungsdienstleis-
  tungen und Bewerbungsqualifizierungen vom Job
  Security Council selbst durchgeführt werden. Als
  Kontrast zur gewerblich-technischen Beschäf-            4     FALLSTUDIE A: KFS
  tigtengruppe sollte das zweite Modell primär
  Angestellte beinhalten, auch aus dem Bereich der        Das KFS (Kommunala Företagens Samorganisation)
  Führungskräfte.                                         assoziierte gleichnamige Job Security Council 9 ist
                                                          eine gemeinnützige Stiftung, die auf einem Tarifver-
Neben einer systemischen Untersuchung der Job Se-         trag aus dem Jahr 1988 basiert. Mit 500 kommunalen
curity Councils gehörte es ebenfalls zur Zielstellung,    Mitgliedsunternehmen und deren 30.000 Mitarbei-
eine Prozessbetrachtung vorzunehmen, um das Zu-           ter_innen zählt es zu einem der kleineren Job Security
sammenspiel der relevanten Akteure der betrieblichen      Councils. Der Sitz von KFS ist in Stockholm.
Interessenvertretung, der Arbeitgeberseite und der           Durch die Branchenstruktur kommunaler Un-
Vertreter der JSC aufzuzeigen und um Abläufe pro-         ternehmen ist die Gruppe, welche prinzipiell einen
zessual zu betrachten. Hierzu wurde ein konkreter Re-     Anspruch auf die Unterstützung von KFS hat, sehr
strukturierungsfall mit mehreren Entlassungswellen        heterogen (z. B. Beschäftigte aus dem Bereich Ver-
eines Unternehmens aus der Post- und Logistikbran-        und Entsorgung, Energiewirtschaft, Gesundheit,
che herangezogen. Eine Maßgabe für die Auswahl            Verkehr) 10. Typische Klienten von KFS sind Ange-
des Anwendungsfalls war, dass das betrachtete Un-         stellte mit hohem Bildungsniveau und guten Arbeits-
ternehmen mehrere Personalabbauwellen vollzogen           marktchancen. Das Durchschnittalter der KFS-Teil-
hat und somit die Möglichkeit besteht, Vergleichs-        nehmer_innen liegt bei 44 Jahren, und sie haben eine
möglichkeiten innerhalb der Fallstudie abzubilden.        für Schweden überdurchschnittlich hohe Betriebszu-
                                                          gehörigkeitsdauer. Die Vermittlungsquote beträgt 85
                                                          Prozent in den ersten sechs bis acht Monaten. Um
3.1   Methodisches Vorgehen                               Anspruch auf das gesamte Unterstützungsspektrum
                                                          von KFS zu haben, müssen die vom Personalabbau
Zur Untersuchung der Fragestellung dieses Projek-         betroffenen Personen mindestens vier Jahre unun-
tes wurden zwei qualitative Fallstudien durchge-          terbrochen bei dem Unternehmen beschäftigt gewe-
führt. Den Kern der Datengrundlage dieser Fallstudie      sen sein, ein Mindestalter für die Inanspruchnahme
bilden zehn Experteninterviews, die vom 24. bis 28.       der Unterstützungsleistungen besteht nicht. Einen
Oktober 2016 in Göteborg und Stockholm durchge-           Anspruch auf die Beratung haben Entlassene nach ei-
führt wurden. Die Interviewsprache war Englisch.          nem Jahr Betriebszugehörigkeit. Allerdings muss für
Die Gespräche wurden aufgezeichnet, im Anschluss          die finanzielle Unterstützung die volle Anwartschafts-
transkribiert, übersetzt und einer inhaltsanalytischen    zeit von vier Jahren erfüllt sein.
Auswertung unterzogen. Die Aussagen der Interview-           Finanziert wird das System durch eine prozen-
teilnehmer_innen werden im Bericht anonymisiert           tuale Abgabe, die der Arbeitgeber von allen Löh-
wiedergegeben.                                            nen und Gehältern zu entrichten hat. Üblicherweise
                                                          liegt dieser Satz bei 0,3 Prozent; allerdings beträgt
Institution   Anonymi-    Position der                    der Prozentsatz bei KFS 0,10 Prozent. Der Grund für
              sierungs-   interviewten Person             diese Absenkung liegt in der aktuell guten Arbeits-
              kürzel                                      marktlage und den somit weniger auftretenden Ent-
KFS           KFS-1       Vertreter des Job Security      lassungen 11. Dieser Prozentsatz wird bei KFS in dem
                          Councils KFS                    für Job Security Councils üblichen Beirat bestehend
Träger        KFS- DL-1   Managementvertreter des         aus Arbeitgeber- und Gewerkschaftsvertreter_innen
                          Trägers                         und den Verantwortlichen der Job Security Councils
              KFS- DL-2   Unternehmensbetreuer des
                          Trägers
                                                          8  Gegenstand der Dokumentenanalyse waren u. a. Berichte
TRR           TRR-1       Entwicklungsmanagerin TRR          und Auswertungen der Träger bzw. des Job Security Coun-
                                                             cils in Form von quantitativen Evaluationen (Zufriedenheits-
              TRR-B-1     Berater bei TRR
                                                             und Verbleibsanalysen), das „Agreement on Efficiency and
              TRR-B-2     Beraterin bei TRR                  Participation between the Swedish Employers‘ Confede-
                                                             ration (SAF), the Swedish Trade Union Confederation (LO),
              TRR-K1      Klientin bei TRR                   and the Federation of Salaried Employees in Industry and
                                                             Services (PTK)“.
              TRR-K2      Klient bei TRR
                                                          9 KFS-Trygghetsfond: Sicherheitsfond des Verbands der kom-
              TRR- HR-1   HR-Managerin eines mit TRR         munalen Arbeitgeber.
                          assoziierten Unternehmens       10 Eine Besonderheit des Falls ist, dass der Tarifvertrag für den
                                                             Bereich von KFS nicht zwischen gewerblich-technischen
              TRR-TV-1    Betriebliche Gewerkschafts-        Beschäftigten und Angestellten unterscheidet.
                          vertreterin eines mit TRR as-   11 Im letzten Jahr wurde ein historischer Tiefstand bei der
                          soziierten Unternehmens            Zahl der Entlassungen verzeichnet, da im Jahr 2015 ledig-
                                                             lich 124 Personen von KFS betreut wurden.

                                                                                                   Mitbestimmungspraxis Nr. 11 · Februar 2018 Seite 11
jährlich verhandelt. Der Beirat hat, neben der Einbrin-        ich bekomme auch das Feedback der Klient_innen
                        gung von Belangen der jeweiligen Interessensseite              direkt. [KFS-1]
                        im System, auch eine Aufsichtsfunktion für das Job
                        Security Council. Der Beirat tagt drei bis vier Mal im          Die Dienstleistungsqualität des Trägers wird lau-
                        Jahr. Im Gegensatz zur zweiten Fallstudie ist die per-       fend an KFS gespiegelt, sowohl in Form von quantita-
                        sonelle Besetzung von KFS aufgrund des geringeren            tiven Evaluationen als auch in Form von persönlichen
                        Zielgruppenumfangs weitaus geringer: KFS wird von            Berichten der Klient_innen. Diese Erhebungen wer-
                        lediglich einer Person mit einer 80-prozentigen Voll-        den von KFS genutzt, um die Unterstützungsleistun-
                        zeitstelle betrieben. Aufgrund der geringen personel-        gen des Trägers zu bemessen. Auf der anderen Seite
                        len Ausstattung wird die eigentliche Beratung und            nutzt der Träger die Evaluationen auch zur internen
                        Qualifizierung der Klient_innen von einem externen           Personal- und Organisationsentwicklung. Neben dem
                        Dienstleister durchgeführt. Die Interviews zu dieser         positiven Feedback der Klient_innen werden auch an-
                        Fallstudie fanden in Göteborg statt.                         dere Kriterien bei der Trägerauswahl herangezogen.
                           Die Kriterien zur Trägerauswahl stellen einen             So bewertet der Interviewpartner esals Vorteil, dass
                        Schwerpunkt dieser ersten Fallstudie dar. Zunächst           der Träger mit festangestellten Berater_innen arbeitet
                        wurde der Verantwortliche des Job Security Councils          und über eine heterogene Beraterauswahl verfügt,
                        interviewt, im Anschluss ein Manager und ein Mit-            durch die er ein breites Beratungsangebot mit einer
                        arbeiter des Trägers, der von KFS hauptsächlich mit          Vielzahl von Themen anbieten kann. Ein weiterer
                        der Beratung und Qualifizierung von Klient_innen be-         Punkt liegt im fachlichen Fokus des Trägers:
                        auftragt wird. Der KFS-Verantwortliche schildert die
                        Hauptaufgaben seiner Arbeit:
                                                                                       ""  Diese Übergänge, von Arbeit in Arbeit, das ist
                                                                                       das absolute Kerngeschäft des Trägers. Die machen

                            ""   KFS, das bin eigentlich ich. Das heißt, dass ich
                            alle Klient_innen auch persönlich treffe, im Regelfall
                                                                                       eigentlich nichts anderes. Bei anderen läuft das so
                                                                                       nebenbei und das finde ich nicht so optimal. Die ha-
                            fahre ich zu dem Unternehmen, wo die Entlassun-            ben einfach jahrelange Erfahrungen, entwickeln ihre
                            gen stattfinden und informiere die Betroffenen von         Dienstleistungen ständig fort und ich habe noch kei-
                            unseren Dienstleistungen. Danach gibt es dann die          ne Teilnehmer_innen gesprochen, die von veralteten
                            Einzelgespräche, wo ich mit den Leuten persönlich          Inhalten oder nicht zeitgemäßen Trainings berichtet
                            spreche. [KFS-1]                                           haben. Die sind immer up-to-date und kriegen Ent-
                                                                                       wicklungen auch schnell mit. [KFS-1]
                           Aufgrund der geringen Entlassungszahlen ist es
                        dem Verantwortlichen von KFS als einzigen haupt-                Ein weiterer Aspekt, der zur positiven Einschät-
                        amtlichen Beschäftigten möglich, den Großteil seiner         zung des Trägers beiträgt, sind seine vielfältigen
                        Klient_innen persönlich zu treffen und die Informati-        Kontakte zu regionalen Arbeitgebern, die durch die
                        onsgespräche und -veranstaltungen selbst durchzu-            Durchführung von Job-Messen, regelmäßige Gesprä-
                        führen. In der Informationsveranstaltung berichtet er        che etc. ständig aktualisiert werden. Der Interview-
                        auch von eigenen Erfahrungen:                                partner führt aus, warum er die Zugänge des Trägers
                                                                                     zur Unternehmen in bestimmten Regionen für beson-

                            ""  Natürlich geht es in den Veranstaltungen erst-
                            mal darum, Informationen zu liefern. Was umfasst
                                                                                     ders bedeutsam hält:

                            unsere Dienstleistung? Wie lange haben sie An-
                            spruch? Wie viel Geld gibt es? Meist hilft es auch,        ""   Diese Arbeitgeberkontakte sind gerade in klei-
                                                                                       neren Städten wichtig, da ist der Arbeitsmarkt
                            dass ich von meinen eigenen Erfahrungen berichte.          einfach ein anderer. Es gibt generell nicht so viele
                            Ich war auch mal Klient bei TRR und habe auch ei-          Ausschreibungen, und wenn man einen regionalen
                            nige berufliche Wechsel in der Vergangenheit voll-         Arbeitgeber kontaktiert, dann ist ein Bezug zur Re-
                            zogen. Das zeigt auch, dass ich die Situation der          gion schon wichtig, gerade bei kleineren Arbeitge-
                            Betroffenen verstehen kann. [KFS-1]                        bern. Das ist was anderes, wenn man aus Göteborg
                                                                                       anruft und sagt ‚ich habe hier jemanden, der für Sie
                           Im Anschluss an die Informationsveranstaltungen             passend wäre‘. In größeren Städten sind die Arbeit-
                        und ersten Einzelgespräche werden die Teilnehmer_              geberkontakte aber auch nicht unwichtig. Es kommt
                        innen durch einen externen Dienstleister betreut, der          häufiger vor, dass wir von einem Arbeitgeber erfah-
                        die weitere Beratung und Qualifizierung der Klient_in-         ren, dass er nach einer bestimmten Qualifikation
                        nen durchführt. Bei der Auswahl des Dienstleisters             sucht, und die Stelle lange nicht besetzen konnte.
                        greift KFS vornehmlich auf einen Träger zurück:                Da gucken wir dann, wen haben wir, den wir viel-
                                                                                       leicht dahingehend weiterqualifizieren könnten. Das

                            ""  Ich arbeite vorwiegend mit [Trägername]zu-
                            sammen, aus verschiedenen Gründen hat sich das
                                                                                       ist üblich. [KFS-1]

                            bewährt. Ihre Dienstleistung wird von den Klient_in-        Nicht nur die Klient_innen profitieren durch die Ar-
                            nen sehr hoch geschätzt und ihre Beratungs- und          beitgeberkontakte. Auch umgekehrt gibt es Vorteile
                            Qualifizierungsstrategie ist sehr erfolgreich. Dazu      für die Arbeitgeber, vor allem ein erleichtertes Rec-
                            werden uns mehrmals im Jahr Zahlen vorgelegt und         ruiting durch passgenaue, den Stellenanforderungen

Mitbestimmungspraxis Nr. 11 · Februar 2018 Seite 12
entsprechende Empfehlungen auf Basis der Erfah-           Beiträge zur gewerkschaftlich organisierten A-Kassa
rungen des Trägers. Dies ist ebenfalls eine wichtige      zusammensetzt, werden in vielen Entlassungsfällen
Vorteilsübersetzung für Kooperationen mit Klein- und      von der Gewerkschaft zusätzliche Leistungen ver-
Mittelständischen Unternehmen (KMU), deren Res-           handelt, vor allem als Nachteilsausgleich vom gängi-
sourcen für Personalauswahl eine umfassende Eig-          gen LIFO-Prinzip (vgl. Kap. 2.2). Bei älteren Arbeitneh-
nungsdiagnostik üblicherweise eher begrenzt sind.         mer_innen werden beispielsweise Zusatzleistungen
   Insgesamt wird bei der Trägerauswahl neben den         verhandelt: in Form einer vorzeitigen Überbrückung
Ergebnissen aus der Evaluation auf drei Merkmale          in die Rente (frühestens ab dem 60. Lebensjahr), eine
Wert gelegt: zielgruppenspezifische Expertise in der      Verlängerung des Unterstützungsanspruchs über die
Beratung und Qualifizierung, gute regionale Vernet-       Dauer der A-Kassa hinaus oder zusätzliche Qualifi-
zung, auch im Hinblick auf Arbeitgeberkontakte, und       zierungsangebote. Durch die kommunale Unterneh-
die individuelle Berücksichtigung des Falls:              mensstruktur ergeben sich bei KFS einige Besonder-
                                                          heiten im Vergleich zu den übrigen JSC:

  ""   Der Beratungsansatz muss für die Zielgruppe
  schlüssig sein. Das ist das A und O. Um das zu beur-
  teilen, muss ich meine Klient_innen gut kennen und        ""   Also bei großen, privatwirtschaftlichen Unter-
                                                            nehmen gibt es durch die Verhandlungen manch-
  muss wissen, welche Defizite sich eventuell bei der       mal noch großzügigere Leistungen als bei uns.
  Arbeitsplatzsuche herausstellen können. Wenn bei-         Dass man mit 58 in Rente gehen kann, oder sehr
  spielsweise jemand ungeübt im Schriftverkehr oder         lange Qualifizierungszeit bekommt, das gibt es hier
  in der Präsentation ist, dann muss es Angebote für        eigentlich nicht. Aber hier bei uns, dass sind städ-
  diese Personengruppe geben. Außerdem muss ich             tische Unternehmen und es sind Steuergelder. Da
  die Personen da abholen, wo sie stehen, und das           guckt man dann ganz anders drauf, deshalb gibt
  erfordert ein hohes Maß an Empathie seitens der           es diese sehr großzügigen Regelungen hier nicht.
  Berater_innen. [KFS-1]                                    [KFS-1]

   Die heterogene Beschäftigtenstruktur in der kom-          In finanzieller Hinsicht gibt es bei KFS die Mög-
munalen Wirtschaft stellt besondere Anforderungen         lichkeit zur Aufstockung der Einkommensersatzleis-
an die Auswahl des operativen Trägers durch KFS, der      tung, die von den zumeist gewerkschaftlich organi-
für unterschiedliche Zielgruppen Beratungsexpertise,      sierten A-Kassa-Versicherungen geleistet wird. Der
Arbeitgeberkontakte und Qualifizierungsmöglichkei-        Höchstbetrag der A-Kassa-Bezüge ist auf umgerech-
ten bereithält:                                           net 2.650 Euro pro Monat vor Steuern gedeckelt; al-
                                                          lerdings liegt das Einkommen vieler Personen weit

  ""  Bei dem Träger [Name] weiß ich, dass die sehr
  weitreichende Erfahrungen mit Personen aus dem
                                                          über dieser Grenze. Von KFS wird die Differenz des
                                                          vorherigen Einkommens zum Höchstbetrag abermals
  gewerblich-technischen Bereich haben, aber auch         aufgestockt:
  eine sehr gute Expertise im Umgang mit Angestell-
  ten mit akademischem Hintergrund besitzen. Die
  Prozesse laufen zwar ähnlich, aber die Inhalte unter-     ""  [Daher] bezahlen wir von der Differenz des tat-
                                                            sächlichen Einkommens zur Obergrenze nochmal
  scheiden sich schon stark. Aber das wird von den          80 %. [KFS-1]
  Berater_innen und vom Träger gut umgesetzt. [KFS-1]
                                                            Neben den Qualifizierungsmitteln und der Aufsto-
   Bezüglich des Qualitätsmanagements gibt es bei         ckung des A-Kassa-Betrags gibt es bei KFS auch die
dem Träger zum einen ein vierteljährliches Reporting      Möglichkeit, eventuelle finanzielle Einbußen bei der
zu Vermittlung, Beratungsaktivität, Qualifizierung und    neu aufgenommenen Beschäftigung abzufedern:
zur Zufriedenheit der Klient_innen mit der Dienstleis-
tung des Trägers. Die Beratungsinhalte und -formen
werden mit dem auftraggebenden JSC abgestimmt.              ""   Es ist eigentlich bei uns, vielleicht wegen unse-
                                                            rer Zielgruppe, kein großes Problem mit qualitativ
Diese Qualitätsindikatoren werden auch im Beirat            schlechteren Jobs. Das ist eigentlich eher die Aus-
des JSC diskutiert und evaluiert. Beim Vergleich von        nahme als der Regelfall. Aber wenn es so sein soll-
Unterstützungsmöglichkeiten durch die Job Security          te, dass sie beispielsweise vorher 3.200 € im Monat
Councils, wie er nach der Vorstellung der beiden Fall-      verdient haben und nun sind es nur noch 2.650 €,
studien vorgenommen wird, kommt es auch darauf              dann können wir für 6 Monate 80 % dieser Differenz
an, die jeweiligen Rahmenbedingungen des Falls zu           ausgleichen, als Abfederung der ökonomischen Ein-
berücksichtigen.                                            bußen. [KFS-1]

                                                             Eine andere Möglichkeit zur finanziellen Unterstüt-
4.1   Einfluss der Rahmenbedingungen auf die              zung richtet sich an den potenziellen Arbeitgeber der
      Unterstützungsleistung von KFS                      neuen Beschäftigung. Gerade bei KMU kann von der
                                                          Möglichkeit Gebrauch gemacht werden, dass durch
Neben dem Unterstützungsanspruch, der sich aus            KFS eine Anfangsunterstützung in Form von Gehalt-
der Anwartschaftszeit bei dem Unternehmen und die         zuschüssen erfolgt. So können Wirtschaftlichkeitsbe-

                                                                                             Mitbestimmungspraxis Nr. 11 · Februar 2018 Seite 13
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