DIGITALE TRANSFORMATION GESTALTEN - Beispiele guter Praxis IG METALL

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DIGITALE TRANSFORMATION GESTALTEN - Beispiele guter Praxis IG METALL
DIGITALE
TRANSFORMATION GESTALTEN
Beispiele guter Praxis

                                 IG METALL
                                  Vorstand
                         FB Betriebspolitik
DIGITALE TRANSFORMATION GESTALTEN - Beispiele guter Praxis IG METALL
Herausgeber: IG Metall Vorstand           Fotos: Thomas Range,
FB Betriebspolitik                        Frank Schinski (Bilder VW Hannover)
Wilhelm-Leuschner-Str. 79
60329 Frankfurt am Main                   Realisation: helex, Bochum

Autor: Dr. Gernot Mühge,                  Druck: Druckhaus Dresden
Gemeinsame Arbeitsstelle
Ruhr-Universität Bochum/IG Metall         Produktnummer: 42110-80406

Redaktion: Jochen Schroth, Irene Heyer,   Stand: Januar 2019
Kathrin Schäfers, Melissa Reuter,
Sabine Plath für Waelzholz

Diese Publikation wurde unter dem Dach der Projekte „Arbeit + Innovation:
Kompetenzen stärken +> Zukunft gestalten“ veröffentlicht. Sie werden im Rahmen
des Programms „Fachkräfte sichern: weiter bilden und Gleichstellung fördern“
durch das Bundes­ministerium für Arbeit und Soziales und den Europäischen
Sozialfonds gefördert.
DIGITALE TRANSFORMATION GESTALTEN - Beispiele guter Praxis IG METALL
DIGITALE TRANSFORMATION
GESTALTEN
Beispiele guter Praxis
und

Steckbriefe ausgewählter
betrieblicher Umsetzungsprojekte
(im beigefügten Zusatzheft)
DIGITALE TRANSFORMATION GESTALTEN - Beispiele guter Praxis IG METALL
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INHALTSVERZEICHNIS

VORWORT                                                                 4
HUBERTUS HEIL, MDB, BUNDESMINISTER FÜR ARBEIT UND SOZIALES

VORWORT                                                                 6
JÖRG HOFMANN, ERSTER VORSITZENDER DER IG METALL

EINLEITUNG                                                              8
JOCHEN SCHROTH UND IRENE HEYER, PROJEKTLEITUNG
„ARBEIT+INNOVATION: KOMPETENZEN STÄRKEN, ZUKUNFT GESTALTEN“

BEISPIELE GUTER PRAXIS

AIRBUS OPERATIONS GMBH, HAMBURG/BREMEN/STADE/BUXTEHUDE                 14
MEHR ZEITSOUVERÄNITÄT IN DER SCHICHTARBEIT

JOHN DEERE GMBH & CO. KG, MANNHEIM                                     20
DIGITALISIERUNG WIRD ZUM WERKZEUG FÜR GUTE GRUPPENARBEIT

KBS KOKEREI-BETRIEBSGESELLSCHAFT SCHWELGERN GMBH, DUISBURG             26
PER ‚WIKI‘ KOMPETENZEN ERHALTEN UND BETEILIGUNGSORIENTIERUNG STÄRKEN

MANN+HUMMEL GMBH, MARKLKOFEN                                           32
BESSERE WEITERBILDUNG UND KOMPETENTE MITBESTIMMUNG
FÜR NEUE TECHNOLOGIEN

OTIS GMBH & CO. OHG, BERLIN                                            38
SYSTEMATISCHE BETEILIGUNG BEI ZUNEHMENDEM DIGITALI­S IERUNGSTEMPO

SICK AG, WALDKIRCH                                                     44
GESTALTUNG EINES NEUEN PRODUKTIONSMODELLS DURCH
PROFESSIONELLE MITARBEITER­B ETEILIGUNG

VOIT AUTOMOTIVE GMBH, ST. INGBERT                                      50
DIGITALISIERUNGSVORHABEN SICHTBAR MACHEN UND GESTALTEN

VOLKSWAGEN NUTZFAHRZEUGE, HANNOVER                                     56
DER MENSCH IM MITTELPUNKT TECHNISCHER VERÄNDERUNGEN

WAELZHOLZ, HAGEN                                                       62
MODERNE (ARBEITS-)ZEITEN BEI DER MODERNISIERUNG DES ELEKTROBANDOFENS

ZF GETRIEBE BRANDENBURG GMBH, BRANDENBURG AN DER HAVEL                 68
DIGITALE NEUORGANISATION DER AUFTRAGSABWICKLUNG DES PROTOTYPENBAUS

ÜBERSICHT ALLER TEILNEHMENDEN PROJEKTBETRIEBE                          73

                                        3
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Vorwort

VORWORT

Liebe Leserinnen und Leser,

die digitale Transformation verändert die              Klar ist: Für die Gestaltung guter Arbeit im
Arbeits- und Berufswelt in Deutschland von             digitalen Zeitalter müssen alle an einem Strang
Grund auf.                                             ziehen. Nur gemeinsam mit den Sozialpartnern,
                                                       mit Unternehmen und betrieblichen Interessen-
Die gute Nachricht ist: Trotz Automatisierung          vertretungen wird die digitale Transformation
wird uns die Arbeit auch in Zukunft nicht aus-         zu einem Erfolgsprojekt.
gehen. Aber es wird andere Arbeit sein. Be-
rufsbilder und Qualifikationsprofile verändern         Genau hier setzt die Sozialpartnerrichtlinie
sich, neue Berufe entstehen. Dieser Wandel             „Fachkräfte sichern: weiter bilden und Gleich-
ist gestaltbar. Davon bin ich überzeugt. Der           stellung fördern“ im Rahmen des Europäischen
Schlüssel hierzu ist passende Aus- und Weiter-         Sozialfonds an. Seit 2015 werden in lebendiger
bildung. Deutschland muss noch stärker als             Partnerschaft zwischen Bund, Gewerkschaften
bisher zu einem Qualifizierungsland werden, zu         und Arbeitgebern betriebliche Ansätze zur Wei-
einem Land des Lernens. Nur so wird uns die            terbildung und Gleichstellung erprobt.
Fachkräftesicherung gelingen, die zentral ist,
um den Wohlstand Deutschlands auch morgen              Das Besondere dabei ist, dass in dieser Förder-
zu erhalten.                                           richtlinie beide Tarifpartner von Anfang an ge-
                                                       meinsam im Boot sitzen. Das schafft Akzeptanz
Diesen Anspruch verfolgen wir mit der Natio-           und Vertrauen im Betrieb, und die angeschobe-
nalen Weiterbildungsstrategie. Wie im Koali-           nen Maßnahmen können nachhaltige Wirkung
tionsvertrag vereinbart, werden wir gemeinsam          entfalten.
mit den Sozialpartnern und Ländern eine neue
Weiterbildungskultur etablieren.                       Der IG Metall Vorstand hat mit seiner Projekt-
                                                       reihe „Arbeit und Innovation“ im Rahmen der
Es geht darum, die Chancen für den Einzelnen           ESF-Sozialpartnerrichtlinie erfolgreich aufge-
und für die Gesellschaft herauszuarbeiten. Es          zeigt, wie eine proaktive Gestaltung des Wandels
geht darum, dass aus technischem Fortschritt           der Arbeit in der Metall- und Elektrobranche
immer auch sozialer und gesellschaftlicher Fort-       gelingen kann.
schritt werden muss. Digitalisierung muss den
Menschen dienen. Wir wollen erreichen, dass
Bildungszugang, Erwerbstätigkeit und Aufstieg
keine Frage der sozialen Herkunft oder des
Geschlechts ist.

                                                   4
DIGITALE TRANSFORMATION GESTALTEN - Beispiele guter Praxis IG METALL
Vorwort

Die vorliegende Broschüre „Digitale Transfor-
mation gestalten“ mit Beispielen guter Praxis
aus den Projekten macht deutlich, was in
Bewegung kommt, wenn alle betrieblichen Ak-
teure mit vereinten Kräften zusammenarbeiten.
Entstanden sind konkrete Lösungsansätze für
alle relevanten Fragen des Wandels der Arbeit
– von modernen Modellen für Schichtarbeit,
über die Organisation von Wissenstransfer bis
hin zur mitarbeiterorientierten Gestaltung von
Innovations- und Change-Management-Prozes-
sen im Unternehmen.

Damit hat der IG Metall Vorstand mit allen be-
teiligten Partnern einen substantiellen Beitrag
zur Diskussion um die Gestaltung der digitalen
Transformation in Deutschland geleistet. Über-
zeugen Sie sich selbst auf den nächsten Seiten.

Hubertus Heil, MdB
Bundesminister für Arbeit und Soziales
                                                            Quelle: Susi Knoll
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Vorwort

VORWORT

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

wir wollen die Transformation in die digitale             Seit dem Projektstart im Februar 2016 haben
Arbeitswelt so gestalten, dass die Beschäftigten          sich bundesweit mehr als hundert Pilotbetriebe
mitgenommen werden. Damit dies gelingt,                   und -unternehmen beteiligt – von mittelstän­
sind Betriebs-, Tarif- und Gesellschaftspolitik           dischen Maschinenbauern bis hin zu automobi-
darauf auszurichten.                                      len Endherstellern. Knapp 20 Ausbildungsreihen
                                                          mit weit mehr als 300 Teilnehmenden werden
Die betriebspolitischen Anforderungen und                 bis zum Projektende in 2019 durchgeführt sein.
Kompetenzen, denen Vertrauensleute und                    Zehn Praxisbeispiele werden in dieser Handrei-
Betriebsräte gerecht werden müssen, sind viel­            chung exemplarisch vorgestellt.
fältig. Sie bei dieser so wichtigen Arbeit zu
unterstützen, ist Aufgabe der gewerkschaft­               Was sind erste Schlussfolgerungen aus den
lichen Betriebspolitik und Bildungsarbeit.                Projektergebnissen von Arbeit und Innovation?
                                                          Wie ein roter Faden zieht sich eine Erkennt-
Dazu geben unsere Projekte „Arbeit und Inno-              nis durch fast alle betrieblichen Projekte: Die
vation: Kompetenzen stärken, Zukunft gestal-              Chancen der Digitalisierung lassen sich vor
ten“ (A+I) Anregungen mit guten betrieblichen             allem dann nutzen, wenn wir auf die frühzeitige
Beispielen: In den Projektbetrieben werden                Beteiligung der Beschäftigten setzen. Beteili­
Betriebsräte und betriebliche Fachleute in einer          gung schafft Legitimation für gemeinsames
fünfteiligen Ausbildungsreihe zu Experten in              Handeln, generiert neue Ideen und Vorschläge
Sachen Arbeiten 4.0 weiterqualifiziert.                   und nimmt Ängste vor drohenden Veränderun-
                                                          gen. Der Schlüssel dazu sind aktive Betriebs-
Welche Ideen haben wir, gute digitale Arbeit              ratsgremien und Vertrauensleute. Eine starke
aktiv zu gestalten? Bei der Beantwortung dieser           Mitbestimmung steht für gelebte Beteiligung
Frage geht es um viele Themen für die betrieb-            im Betrieb.
lichen Akteure – von der Arbeitsplatzgestaltung
bis hin zur betrieblichen Umsetzung unserer               Nicht weniger anspruchsvoll sind die Anfor-
Tarifverträge zur Qualifizierung und zur Arbeits-         derungen an die gewerkschaftliche Bildungs-
zeit. Dabei unterstützen die A+I-Bildungskoor-            arbeit. Es geht darum, umfangreiches Fach- und
dinatorinnen und -koordinatoren mit Rat und               Prozesswissen zu vermitteln. Ein enges Mitein­
Tat – sei es im Rahmen der Ausbildungsmodule,             ander gewerkschaftlicher Betriebspolitik und
bei der Konzeption passgenauer Qualifizierungs­           Bildungsarbeit ist dafür ein Erfolgsgarant.
angebote oder dem Initiieren regionaler Netz-
werke. So entsteht ein Dreiklang aus Bildung, Trai-
nings- und Qualifizierungsmaßnahmen, der die
Projekte Arbeit und Innovation einzigartig macht.

                                                      6
DIGITALE TRANSFORMATION GESTALTEN - Beispiele guter Praxis IG METALL
Vorwort

Mit den Projektvorhaben Arbeit und Innovation
verbindet die IG Metall den Anspruch, die digi-
tale Arbeitswelt von morgen sicherer, gerechter
und selbstbestimmter zu machen. Die in dieser
Handreichung dokumentierten Beispiele aus
der betrieblichen Praxis bestätigen, dass dies
gelingen kann.

Mein Dank gilt an dieser Stelle allen betrieb­
lichen Akteuren und dem Bundesministerium
für Arbeit und Soziales für die Unterstützung
der Projektvorhaben mit Bundesmitteln und
mit der Förderung aus dem Europäischen
Sozialfonds.

Jörg Hofmann
Erster Vorsitzender der IG Metall

                                                            Quelle: IG Metall
DIGITALE TRANSFORMATION GESTALTEN - Beispiele guter Praxis IG METALL
Einleitung

EINLEITUNG

MIT „ARBEIT+INNOVATION“
DIE DIGITALE ZUKUNFT GESTALTEN
Die Herausforderungen des digitalen Wandels            So sind der Aufnahme von Pilotbetrieben ein
stellen sich in jedem Betrieb und Unternehmen          Projektantrag und in der Regel ein betrieb-
anders und neu. Für den einen ändert sich              licher Auftaktworkshop vorgeschaltet, in dem
das Produkt oder die Art zu fertigen, für den          die Erwartungen und Ziele der betrieblichen
anderen das Geschäftsmodell oder die Stellung          Akteur*innen abgefragt werden sowie eine
innerhalb der Wertschöpfungskette. In einem            vom Betriebsrat und Unternehmensleitung zu
Unternehmen haben Betriebsrat und Unter-               unterzeichnende Projektbestätigung. Damit
nehmensleitung schon frühzeitig die Themen             verknüpft ist die Verpflichtung des Unterneh-
Beschäftigungssicherung, Personalentwicklung           mens ausgesuchte Beschäftigte während der
und Qualifizierungsbedarfe als zentrale Hand-          Arbeitszeit für die A+I-Qualifizierungsreihe
lungsfelder analysiert, in einem anderen geht          freizustellen sowie die Bereitschaft ein eigen-
es um konkrete Vereinbarungen zur künftigen            ständiges konkretes A+I-Umsetzungsprojekt
Gestaltung der Arbeitszeiten oder Fragen des           zu entwickeln und sozialpartnerschaftlich im
Datenschutzes für Beschäftigte. Entsprechend           Betrieb umzusetzen.
vielfältig sind die damit einhergehenden be-
triebspolitischen Anforderungen und abver-             Im Gegenzug werden aus dem Projektbudget
langten Kompetenzprofile an die handelnden             die Kosten der Qualifizierungsreihen abgedeckt
Akteur*innen im Betrieb.                               und die betrieblichen Umsetzungsprojekte
                                                       mit geeigneten Qualifizierungssequenzen oder
Im Projektvorhaben „Arbeit+Innovation: Kom-            spezifischer Fachexpertise unterstützt. Dabei
petenzen stärken, Zukunft gestalten“ (A+I) hat         kann auf das beim IG Metall Vorstand ange-
sich die IG Metall diesen Herausforderungen            siedelte Expert*innenwissen von Arbeits- und
sehr konkret gestellt. Die gewerkschaftliche Be-       Sozialwissenschaftler*innen, Jurist*innen, oder
triebspolitik und Bildungsarbeit sind dabei Im-        Betriebswirt*innen und auf erfahrene Berufs­
pulsgeber*innen, um Digitalisierung und Arbei-         pädagog*innen in den IG Metall-Bildungszent-
ten 4.0 im Sinne der Beschäftigten zu gestalten.       ren sowie ein Netzwerk aus arbeitsorientierten
Blaupausen bei der Bearbeitung gibt es dabei           Trainer*innen und wissenschaftlichen Einrich-
keine. Aber ein gemeinsames Grundverständnis           tungen zurückgegriffen werden.
im Agieren: Digitale Arbeit muss menschen-
gerecht gestaltet werden. Eine unverzichtbare
Grundlage dafür sind Tarifverträge und gelebte
Mitbestimmung in der Arbeitswelt. Die zentra-
len Handlungsstränge der A+I-Projekte setzen
an diesem Grundverständnis an.

                                                   8
Einleitung

         DAS NETZWERK
                                                                         Jochen Schroth
                                                                         Projektleitung
                                                                         IG Metall Vorstand
                                                                         jochen.schroth@igmetall.de

                                    Irene Heyer                                      Kathrin Schäfers
                                    Projektkoordination                              Projektsekretärin
                                    IG Metall Vorstand                               IG Metall Vorstand
                                    irene.heyer@igmetall.de                          kathrin.schaefers@igmetall.de
Projekte:                                       Melissa Reuter                                         Anna Repina
                                                Projektsekretärin                                      Bildungskoordinatorin
   Bayern und Baden-Württemberg
    Az.: E023-HE-128
                                                IG Metall Vorstand                                     BZ Berlin-Pichelssee
                                                melissa.reuter@igmetall.de                             anna.repina@igmetall.de
   Neue Bundesländer ohne Berlin
    Az.: E023-HF204                                                                                               Julian Wenz
                                                               Olaf Schröder
   Nordrhein-Westfalen
    Az.: E023-NW-11 5
                                                               Bildungskoordinator                                Bildungskoordinator
                                                                                                                  BZ Berlin-Pichelssee
                                                               BZ Sprockhövel
   Schleswig-Holstein, Hamburg,
    Bremen, Niedersachsen
                                                               olaf.schroeder@igmetall.de                         julian.wenz@igmetall.de

    Az.: E023-HE-116                                                            Marcello Sessini                                  Maike Pricelius

   Saarland, Rheinland-Pfalz, Hessen, Berlin
    Az.: E023-HE-117
                                                                                Bildungskoordinator
                                                                                BZ Sprockhövel
                                                                                                                                  Bildungskoordinatorin
                                                                                                                                  BZ Berlin-Pichelssee
                                                                                marcello.sessini@igmetall.de                      maike.pricelius@igmetall.de

                                                                                             Dr. Raphael Menez
                                                                                             Bildungskoordinator
                                                                                             BZ Lohr/Bad Orb
                                                                                             raphael.menez@igmetall.de
                                                                                                             Nicole Avramidis
                                                                                                             Bildungskoordinatorin
                                                                                                             Kritische Akademie Innzell
                                                                                                             nicole.avramidis@igmetall.de

                                  HE-116
                                  HE-116                                           IG Metall
                                                                                   Bildungszentrum
                                                                                   Berlin-Pichelssee

                                                                                HE-204
                                                                                HE-204
                                                                                                                   Prof. Dr.
          NW-115
          NW-115                                                                                                   Manfred Wannöffel
                                                                                                                   Gemeinsame Arbeitsstelle
         IG Metall                                                                                                 Ruhr-Universität Bochum/
         Bildungszentrum                                                                                           IG Metall
         Sprockhövel
                                                                                                                                  Anna Conrad
                                                                                                                                  Wissenschaftliche
                              HE-117
                              HE-117                                                                                              Mitarbeiterin
                                                                                                                                  anna-katharina.conrad@rub.de
                  IG Metall
     Vorstandsverwaltung
     Frankfurt: Projekt A+I                                                                  Prof. Dr.-Ing.
                                         IG Metall
                                         Bildungszentrum                                     Dieter Kreimeier
                                         Lohr / Bad Orb                                      Lehrstuhl für
                                                                                             Produktionssysteme
                                                                                                             Henning Oberc
                                                                                                             Wissenschaftlicher
                                                                                                             Mitarbeiter
                                                                                                             oberc@lps.rub.de
                                                      HE-128
                                                      HE-128

                                                            Kritische
                                                           Akademie
                                                                Inzell

                                                                            9
Einleitung

DIE A+I-QUALIFIZIERUNGS­REIHEN

Der erste zentrale Handlungsstrang von                  Insbesondere aufgrund von zwei Besonderheiten
„Arbeit+Innovation“ ist die Konzeption und              betreten die A+I-Qualifizierungsreihen Neuland
Durchführung von Qualifizierungsreihen. Teil-           in der gewerkschaftlichen Bildungsarbeit. Erstens
nehmende Projektbetriebe haben die Möglich-             stehen sie explizit auch für Beschäftigte offen,
keit ausgewählte Beschäftigte aus einzelnen             die vom Arbeitgeber benannt werden. Unter-
Fachabteilungen, Personalverantwortliche,               nehmensleitung und Betriebsrat können also ge-
gewerkschaftliche Vertrauensleute und Be-               meinsam entscheiden, welche Mitarbeiterinnen
triebsrät*innen zu „Expert*innen Arbeiten 4.0“          und Mitarbeiter an den Qualifizierungen teil-
ausbilden zu lassen. Dazu wurde eine fünfteilige        nehmen und für die Umsetzung des Gelernten in
modulare Qualifizierungsreihe mit jeweils drei          den betrieblichen Projekten verantwortlich sind.
Tagen entwickelt. Mit dem Besuch der fünf               „Arbeit+Innovation“ setzt also auf ein möglichst
Module sollen die Teilnehmenden in die Lage             frühzeitiges Einbinden beider Sozialpartner*in-
versetzt werden, erforderliche betriebliche             nen bei der Gestaltung von Industrie 4.0.
Veränderungsprozesse zu planen, zu steuern,
zu reflektieren und unter Einbeziehung und              Zweites ist es im Projektkontext erstmals
Beteiligung der Belegschaft durchzuführen. Eine         gelungen eine universitäre Lernfabrik für
gute Balance von Erfahrungswissen der Teilneh-          gewerkschaftliche Bildungsmaßnahmen zu
menden, Wissensvermittlung und Praxisbezug              öffnen. Mehr noch: In enger Kooperation mit
sind dafür die Grundlage.                               der Gemeinsamen Arbeitsstelle der Ruhr-Uni-
                                                        versität Bochum (RUB) und der IG Metall sowie
Kerninhalte der Qualifizierungsreihen bilden vor        dem Lehrstuhl für Produktionssysteme konn-
allem die Beteiligung an und die Gestaltung von         te im Projektverlauf das didaktische Konzept
Innovationsprozessen aus Beschäftigtenper-              einer arbeitsorientierten Lernfabrik entwickelt
spektive, Fragen der Arbeitsorganisation und            werden. Chancen und Risiken technisch-orga-
Arbeitsgestaltung, Einblicke in technologische          nisatorischer Veränderungsprozesse lassen sich
Veränderungen und deren Auswirkungen auf                so in realen Produktionsprozessen gemeinsam
die konkreten Arbeitsbedingungen, Fragen des            verstehen, die damit verbundenen Folgen für
Projektmanagements sowie die nachhaltige                Arbeitsbedingungen am eigenen Leib erfahren
Sicherung der Projektergebnisse. Die Ausbil-            und Gestaltungsalternativen auf der Basis des
dungsmodule dienen dabei als grober Orientie-           Leitbilds Guter digitaler Arbeit entwickeln. Die
rungsrahmen und wurden je nach Projektregion            Bochumer Lernfabrik ist fester Bestandteil der
und abgefragter Bedarfslage betriebsspezifisch          A+I-Qualifizierungsreihe. Eines der fünf Module
angepasst.                                              findet dort statt.

DIE BETRIEBLICHEN UMSETZUNGS­PROJEKTE

Die Bearbeitung eines betrieblichen Umset-              Was bedeutet Arbeiten 4.0 für meinen Betrieb
zungsprojektes, das den Aufbau nachhaltiger             konkret? Welche Stärken und Schwächen sehen
Personalentwicklungsstrukturen befördern soll,          wir aktuell für unseren Standort? Wo ist der
ist ein zweiter zentraler Handlungsstrang von           größte Handlungsbedarf? Haben wir alle Infor-
„Arbeit+Innovation“. Hier soll sich zeigen, wie         mationen, die wir benötigen, um einschätzen
das neu erarbeitete Wissen unter realen Bedin-          zu können, wie sich Arbeitsplätze und Arbeits-
gungen im Betrieb Anwendung findet.                     bedingungen bei uns verändern? Welche Ideen

                                                   10
Einleitung

haben wir, um gute digitale Arbeit aktiv zu                        module. Insbesondere Methoden der kollegia-
gestalten? Mit welchen Widerständen müssen                         len Beratung werden genutzt. Zudem bringen
wir rechnen und wie gehen wir damit um? Wen                        andere A+I-Teilnehmende ihre Erfahrungen und
beteiligen wir wann?                                               Ideen ein. Bei konkretem Bedarf wird (externe)
                                                                   Unterstützung eingeholt und Lösungen werden
Viele Fragen stehen am Anfang eines solchen                        gemeinsam entwickelt.
Projekts. Deren Beantwortung stellt hohe An-
forderungen an die betrieblichen Akteur*innen.                     Die inhaltliche Bandbreite der Umsetzungs-
Die Teilnehmenden der A+I-Ausbildungsgänge                         projekte ist ausgesprochen vielfältig. Zentrale
werden damit nicht allein gelassen. So unter-                      Handlungsfelder sind insbesondere die betrieb-
stützen die A+I-Bildungskoordinator*innen bei                      liche Umsetzung der tarifvertraglichen Regelun-
der Einrichtung betrieblicher Projektgruppen.                      gen zu Qualifizierung und Bildung, Fragen der
Sie beraten beim konkreten Projektvorgehen,                        Kompetenzentwicklung am Arbeitsplatz sowie
dem Festlegen von Verantwortlichkeiten und                         Herausforderungen, die mit der Digitalisierung
geben Tipps für eine erfolgsversprechende                          an die Gestaltung der Arbeit, der Arbeitsbedin-
Kommunikations- oder Beteiligungsstrategie.                        gungen und der Arbeitszeit einhergehen. Einen
Der jeweilige Sachstand der betrieblichen Um-                      ersten Eindruck betrieblicher Szenarien vermit-
setzungsprojekte und die Reflexion sind feste                      telt eingefügte Tabelle.
Bestandteile der einzelnen A+I-Ausbildungs-

 Mögliche Szenarien…                                           Mögliche Gestaltungsansätze…
 Technologische Veränderungen führen zur Automatisie-          Der Betriebsrat entwickelt die Idee, den Qualifizierungs-
 rung einfacher Arbeiten. Um die Wettbewerbsfähigkeit          bedarf im Betrieb in den Bereichen zu ermitteln, die von
 des Betriebes und die Beschäftigung der Kolleginnen und       technologischen Veränderungen betroffen sein werden.
 Kollegen zu sichern, muss deren Qualifikation an die ver-     Gemeinsam mit ausgewählten Mitarbeiterinnen und
 änderten Anforderungen angepasst werden.                      Mitarbeitern wird ein Prozess zur strukturierten Bildungs-
                                                               bedarfsermittlung entwickelt und an den Arbeitgeber
                                                               herangetragen.
 In einem mittelständischen Unternehmen ist das The-           Im Rahmen eines gemeinsamen Prozesses, in den sich die
 ma Fachkräftesicherung angesichts des demografischen          betrieblichen Interessensvertreter*innen und die Perso-
 Wandels schon seit längerem ein Thema. Anstehende             nalleitung gleichermaßen einbringen, wird eine Alters-
 technische Veränderungen stellen den Betrieb ebenfalls        strukturanalyse erarbeitet und nachfolgend ein Konzept
 vor besondere Herausforderungen.                              zur Sicherung des Erfahrungswissens der langjährigen
                                                               Beschäftigten konzipiert. Dieses Konzept wird in einem
                                                               strukturierten Prozess zur Personalentwicklung umgesetzt.
 Im Rahmen der fortschreitenden Digitalisierung werden         Der Betriebsrat stößt in Kooperation mit der Geschäftslei-
 digitale Assistenzsysteme eingeführt. Dies könnte De-         tung ein Prozess an, um die Auslegung des Assistenzsystems
 qualifizierung zur Folge haben und kann die Veränderung       als Lernsystem zu erreichen. Parallel wird ein Förderpro-
 von Aufgabenzuschnitten vieler Kolleginnen und Kollegen       gramm aufgelegt, um Beschäftigte passgenau für komplexe-
 bewirken.                                                     re Aufgaben zu qualifizieren. Die Umsetzung aller Maßnah-
                                                               men wird beteiligungsorientiert gestaltet und es wird auf
                                                               Regelungen des Qualifizierungs-TV zurückgegriffen.
 Eine Reorganisation der Außendiensttätigkeiten führt          Der Betriebsrat startet eine Befragung der Beschäftigten
 dazu, dass die Beschäftigten im Service vorwiegend online     im Außendienst und geht mit diesem Meinungsbild in die
 an das Unternehmen angebunden sind. Ort und Zeit wer-         Verhandlungen mit der Geschäftsleitung über eine BV-Mo-
 den für die Erledigung der Arbeit immer unwichtiger.          bile Arbeit.
 Flexibilisierungsanforderungen richten sich einseitig an      Der Betriebsrat macht mit Unterstützung der Vertrauens-
 den Belangen des Betriebes aus. Bedürfnisse der Be-           leute die Vereinbarkeit von Arbeit und Leben zum Thema,
 schäftigten nach kurzzeitiger Veränderung der Arbeitszeit,    informiert die Belegschaft über die tarifvertraglichen
 um familiäre Aufgaben zu erledigen, bleiben oft auf der       Möglichkeiten und setzt diese in einem beteiligungsorien-
 Strecke.                                                      tierten Prozess betriebspolitisch um.

                                                              11
Einleitung

BEGLEITENDE UNTERSTÜTZUNGS­ANGEBOTE

„Arbeit+Innovation“ ist nicht nur ein anspruchs-         lagen für weiterführende Strategiebildungs-
volles Projektvorhaben, die Projektinhalte und           prozesse der betrieblichen Akteurinnen und
Arbeitsweisen sind fest eingebettet in die Struk-        Akteure gebildet und sozialpartnerschaftliche
turen der gewerkschaftlichen Betriebspolitik             Lösungen im Unternehmen unterstützt werden.
und Bildungsarbeit. Bei Bedarf kann so schnell
und direkt auf fachliche Expertise zurückgegrif-         Eine Vielzahl von regionalen Netzwerktreffen
fen werden: von Fragen der Arbeitsgestaltung             und Praxis-Wissenschafts-Dialogen runden
und Qualifizierung über Know-how in Gleich-              die begleitenden Unterstützungsangebote
stellungsfragen bis hin zu tarifpolitischen oder         ab. Je nach Veranstaltungsformat und Größe
juristischen Themen.                                     haben die teilnehmenden Akteur*innen hier
                                                         die Möglichkeit sich mit den gesellschaftlichen,
A+I-Projektbetriebe haben bei der Bearbeitung            wirtschaftlichen und sozialen Folgewirkungen
ihrer Umsetzungsprojekte zudem die Mög-                  der Digitalisierung auseinanderzusetzen oder
lichkeit auf ein externes arbeitsorientiertes            ihr Wissen über aktuelle Trends – von agilen
Expert*innennetzwerk zurückzugreifen. Teil               Arbeitsformen bis hin zum Umgang mit ver-
des Netzwerks sind bundesweit ca. 30 wissen-             netzten Assistenzsystemen – in Workshops
schaftliche Einrichtungen und Institute, Arbeits-        zu vertiefen. Erfolgreiche Methoden bei der
wissenschaftler*innen, Prozessberater*innen,             Bearbeitung der betrieblichen Umsetzungs-
Expert*innen für Produktionssystemgestaltung             projekte können vorgestellt und Erkenntnisse
oder Material- und Energieeffizienz. Über                aus anderen Forschungsprojekten aufbereitet
A+I-Projektmittel können individuell auf die             werden. Vor allem aber bieten die Veranstal-
betrieblichen Belange zugeschnittene Quali-              tungen während der Projektlaufzeit Zeit und
fizierungen finanziert und vor Ort durchgeführt          Raum für Austausch und Vernetzung auch über
werden. In vielen Fällen können so die Grund-            die eigenen A+I-Qualifizierungsreihen hinaus.

ERSTE SCHLUSSFOLGERUNGEN

Seit Mitte 2016 haben sich bundesweit mehr als           für gemeinsames Handeln, generiert neue
100 Betriebe und Unternehmen an „Arbeit+In-              Ideen und Vorschläge und nimmt Ängste vor
novation“ beteiligt, in vielen laufen bereits            drohenden Veränderungen. Der Schlüssel dazu
Folgeaktivitäten. Gute Beispiele betrieblicher           sind aktive Betriebsratsgremien und Vertrau-
Umsetzungsprojekte wurden für diese Hand-                ensleute. Eine starke Mitbestimmung steht für
reichung exemplarisch aufbereitet. Sie zeigen            gelebte Beteiligung im Betrieb. Denkt man an
die Vielfalt der bearbeiteten Themen rund um             konkrete Veränderungen auf dem Shop Floor
Arbeiten 4.0 und lassen erste Schlussfolgerun-           kommt insbesondere den gewerkschaftlichen
gen für die künftige Ausrichtung der gewerk-             Vertrauensleuten eine zentrale Rolle zu. Sie
schaftlichen Betriebspolitik zu.                         sind nah dran und kompetent und können sich
                                                         zum Beispiel bei Fragen der beruflichen Weiter-
Eine Erkenntnis zeigt sich dabei sehr deutlich:          qualifizierung und Umsetzung der Qualifizie-
Die Chancen der Digitalisierung lassen sich vor          rungstarifverträge als Weiterbildungsmentoren
allem dann nutzen, wenn wir auf die frühzeitige          aktiv für die Belange ihrer Kolleginnen und
Einbindung und aktive Beteiligung der Beschäf-           Kollegen einbringen.
tigten setzen. Beteiligung schafft Legitimation

                                                    12
Einleitung

Auch das frühzeitige Einbinden beider Sozial-            nehmen. Auf der transnationalen Ebene wiede-
partner*innen in die Projektaktivitäten, ins-            rum macht sich der Europäische Betriebsrat für
besondere das Öffnen gewerkschaftlicher                  den Abschluss Globaler Rahmenvereinbarungen
Bildungsformate für vom Arbeitgeber benannte             stark, die die Auswirkungen der Transformation
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und das Ein-            in den einzelnen Ländern mit aufgreifen und im
richten paritätisch besetzter Projektgruppen             Sinne der Beschäftigten regeln. Im Idealfall grei-
zur Ausgestaltung der betrieblichen Umset-               fen so vorhandene Mitbestimmungsmöglichkei-
zungsprojekte hat sich als Erfolgsmodell erwie-          ten ineinander und verstärken sich gegenseitig.
sen. Sie fördern ein gemeinsames Verständnis
von sozio-technischen Gestaltungsperspek-                Nicht weniger anspruchsvoll sind die Anfor-
tiven. Handlungsspielräume für gute digitale             derungen an die gewerkschaftliche Bildungs-
Arbeit lassen sich so gezielt nutzen. Häufig ge-         arbeit. Es geht darum, umfangreiches Fach- und
schieht dies kooperativ, manchmal im Konflikt.           Prozesswissen zu vermitteln. Ein enges Mitei-
Besonders dann ist es wichtig, gut organisierte          nander gewerkschaftlicher Betriebspolitik und
Belegschaften hinter sich zu wissen.                     Bildungsarbeit ist dafür ein Erfolgsgarant. Der
                                                         im Rahmen von „Arbeit+Innovation“ erprobte
Weil mehr und mehr Entscheidungen nicht                  Dreiklang von Qualifizierungsreihen, flankie-
mehr vor Ort, sondern in den Konzernzent-                renden und inhaltlich verzahnten betrieblichen
ralen getroffen werden, bedarf es vor allem              Umsetzungsprojekten sowie begleitenden
in den großen Unternehmen einer stärkeren                Unterstützungsangeboten liefern hier wichtige
Vernetzung der Mitbestimmungsakteur*innen.               Impulse. Die in dieser Handreichung dokumen-
Vertrauensleute können die Belegschaft mit ins           tierten guten Beispiele aus der Praxis machen
Boot holen und über Auswirkungen digitaler               das mehr als deutlich.
Transformationsprozesse informieren. Betriebs-
rät*innen können sich mit den spezifischen
Kompetenzen und dem Produktportfolio ihrer
jeweiligen Standorte und deren Auswirkungen
auf Beschäftigung auseinandersetzen. Auf der
Ebene des Gesamt- und Konzernbetriebsrats
lassen sich wichtige Informationen bündeln,
bei Bedarf eigene Fachausschüsse gründen
und Verhandlungen über den Abschluss von
Zukunftsvereinbarungen führen. Die Arbeitneh-
mervertreterinnen und –vertreter im Aufsichts-
rat können Einfluss auf unternehmensstrategi-
sche Entscheidungen und Zukunftsinvestitionen

Jochen Schroth                                           Irene Heyer
Ressortleiter Vertrauensleute und Betriebspolitik        Projektleitung und Gesamtkoordination
Projektleitung

                                                    13
AIRBUS
OPERATIONS GMBH,
HAMBURG/BREMEN/
STADE/BUXTEHUDE
Projekt                Bedarfsgerechte Flexibilisierung
                       von Arbeitszeiten

Mitarbeiter            ca. 20.000 Beschäftigte

Tätigkeitsfelder       Flugzeugherstellung,
                       Luft- und Raumfahrt

Größe des              21 Gesamtbetriebsrät*innen
Betriebsratsgremiums

Betriebliches          Karsten Fröhlke, Brigitte Heinicke,
Projektteam            Carolan Bake-Steffen,
                       Nicola Rademaker, Thomas Ziegert,
                       Andrea Borchers, Torsten Olthoff

Begleitung und         Julian Wenz
Ausbildung
MEHR ZEITSOUVERÄNITÄT
IN DER SCHICHTARBEIT
Betriebsräte und Arbeitgeber von Airbus Operations verfügen über einen langjährigen
Erfahrungsschatz in der Gestaltung von innovativen Arbeitszeitmodellen. Darauf aufbau-
end und mit Unterstützung der Projekte Arbeit+Innovation wurde eine Projektgruppe ins
Leben gerufen, die in vielen Bereichen beschäftigtenorientierte Arbeitszeitmodelle entwi-
ckelt hat. Im Kern geht es um grundlegend neue Modelle der Schichtarbeit, die erstmals
Flexibilität und Zeitsouveränität für Beschäftigte im Schichtdienst ermöglichen.

Karsten Fröhlke, Brigitte Heinicke, Nicola Rademaker, Carola Balke-Steffen, Thomas Ziegert

Startpunkt des Betriebsprojekts zum The-                          Karsten Fröhlke, der Leiter des GBR-Pro-
ma Arbeitszeit ist die Diskussion um die                          jekts. Das Projekt startet mit einer zwar
Qualität der Arbeit im Rahmen der Tarif-                          arbeitsreichen, aber schließlich sehr              Erster Ansatzpunkt:
verhandlungen 2016, an der sich auch der                          fruchtbaren internen Recherche zu Be-              eine umfangreiche
                                                                                                                     IST-Analyse.
Gesamtbetriebsrat von Airbus Operations                           triebs- und Gesamtbetriebsvereinbarun-
inhaltlich beteiligt. Auf einer Klausur-                          gen, Konzernbetriebsvereinbarungen und
tagung des GBR wird eine Projektgruppe                            Tarifverträgen.
initiiert. Ihr Ziel ist es, sich mit der Vielfalt
der Arbeitszeitmodelle im Unternehmen                             „Mit Arbeitszeit sind viele Themen verbun-
auseinanderzusetzen und schließlich Hand-                         den, wie zum Beispiel Telearbeitszeit-Ver-
lungskonzepte für den GBR zu erarbeiten.                          träge, wer hat einen Token zum Einloggen
                                                                  mit den Laptops? Dazu gehören aber auch
In der Arbeitsgruppe „GBR-Projekt Arbeits-                        die Schichtmodelle und unsere Arbeitszeit-
zeiten“ sind Vertreter*innen aus den                              konten vom Kurzzeit- bis zum Langzeitkonto
Standorten und dem GBR. „Die erste und
                                                                  und noch vieles mehr.“
ambitionierte Aufgabe bestand darin,
alle Regelungen zur Arbeitszeit bei Air-                                    Karsten Fröhlke, Gesamtbetriebsrat und
bus standortübergreifend zu erfassen“, so                                             Leiter der GBR-Projektgruppe

                                                             15
Airbus Operations: Mehr Zeitsouveränität in der Schichtarbeit

                       Diese umfangreiche Ist-Analyse liefert dem                      einheitlichung und Transparenz sorgen“.
                       GBR wichtige Ergebnisse: Zum einen zeigen                       Mittlerweile wurde zwischen Airbus und
                       sich „weiße“ Flecke der betrieblichen                           dem Konzernbetriebsrat die Einführung
                       Mitbestimmung, also Bereiche, in denen                          einer KBV zum Mobilen Arbeiten für
                       (noch) keine Vereinbarungen getroffen                           Anfang 2019 beschlossen.
Mehrarbeit liegt bei   worden sind. Dazu zählen die Arbeits-
 Airbus Operations     zeiten auf Dienstreisen sowie das ganze                         Zum anderen erkennt der GBR weitere
weit über dem Bun-
  desdurchschnitt.     Feld des mobilen und des Heimarbeitens.                         wichtige Themen für die Mitbestimmung,
                       Damit steht ein erstes Handlungsfeld fest,                      wie etwa die Arbeitszeitkonten. Die Pro-
                       denn, so Karsten Fröhlke: „Die Arbeit im                        jektgruppe analysiert Daten und Konto-
                       Home-Office beruhte mehr oder weniger                           bewegungen und findet heraus, dass die
                       auf individuellen Absprachen mit den Vor-                       Mehrarbeit bei Airbus Operations insge-
                       gesetzten. Hier wollten wir nun für Ver-                        samt weit über dem Bundesdurchschnitt

                                                                                  16
liegt. „Das hat uns außerdem gezeigt, dass          eine Airbus-Sonderauswertung gezogen.            Die Befragung zeigt
Mehrarbeit im Unternehmen ungleich                  Das Ergebnis: Die Beschäftigten wünschen         den Wunsch nach
                                                                                                     einer höhere Flexi-
verteilt ist – es gibt sehr hohe Stundengut-        sich eine höhere Flexibilität, Verlässlichkeit   bilität, Verlässlich-
haben in bestimmten Bereichen“, berichtet           und Zeitsouveränität sowie die Möglich-          keit, Zeitsouveräni-
der Leiter der Projektgruppe. Zu diesen             keit, die Wochenarbeitszeit abzusenken.          tät und gesenkter
                                                                                                     Wochenarbeitszeit.
Problembereichen zählt die Schichtarbeit,
der man sich in der Projektgruppe darauf-           Mit diesem Ergebnis macht sich die Pro-
hin intensiv widmet.                                jektgruppe unter dem Titel „Bedarfsge-
                                                    rechte Flexibilisierung von Arbeitszeiten“
INDUSTRIE 4.0 ENG MIT ARBEITS-                      an die Arbeit. Sie wird dabei zusätzlich
ZEIT UND ENTGELT VERBUNDEN                          durch das Expertennetzwerk der IG Metall
                                                    unterstützt. Über dieses Netzwerk erhal-
Die Arbeit der Projektgruppe wird durch             ten die Betriebsrät*innen Zugang zu einem
die Projekte Arbeit+Innovation eng be-              Arbeitszeit-Spezialisten, der zu ihren neuen
gleitet. „Damals kamen wir mit A+I ins              Schichtarbeitsmodellen verschiedene Re-
Gespräch wegen des Zusammenhangs von                chenmodelle entwickelt und durchführt.
Industrie 4.0 mit den Themen Arbeitszeit
und Entgelt“, erinnert sich Karsten Fröhlke.        ARBEITSZEITGESTALTUNG UND
Arbeit+Innovation wird schnell zu einem             ARBEITSZUFRIEDENHEIT GEHEN
wichtigen Ort für die unternehmensüber-             HAND IN HAND
greifende Diskussion und Reflexion sowohl
innerhalb der Gruppe als auch im Aus-               Aufbauend aus Ergebnissen aus den Stand-
tausch mit anderen Betrieben. „Unsere               orten erarbeitet die Projektgruppe schließ-
Projektgruppe hat durch A+I eine Plattform          lich ein Baukasten-System aus verschiede-        Ein Baukasten-
bekommen, auf der wir mit verschiedenen             nen Elementen. Dazu zählen zum Beispiel          System entsteht.

Betriebsräten diskutieren und uns abstim-           die Umwandlung von Schichtzulagen in
men konnten“, so Karsten Fröhlke.                   Freizeit, die Flexibilität in der Schichtwahl
                                                    durch eine zusätzliche Dispo-Schicht im
Die Frage, auf welche Weise man die                 Produktionsbereich und das Arbeiten über
Schichtarbeit verbessern sollte, wird mit           drei Kontinente und Zeitzonen im Engi-
Hilfe einer IG Metall-Beschäftigtenbefra-           neering Bereich. Letztere werden seither
gung untersucht. Aus dem Datensatz wird             am Airbus-Standort Stade und Hamburg in

                                               17
Airbus Operations: Mehr Zeitsouveränität in der Schichtarbeit

                     einem Modellversuch mit jeweils etwa 50                         Mit den Pilotversuchen haben nicht nur
                     Mitarbeiter*innen erprobt und scheinen                          die Betriebsrät*innen, sondern auch der
Arbeitsgestaltung    sich in der Praxis zu bewähren. Die Kol-                        Arbeitgeber gelernt, dass Arbeitsgestal-
    und Arbeitszu-   leginnen und Kollegen wissen die neuen                          tung und Arbeitszufriedenheit Hand-in-
friedenheit gehen
    Hand-in-Hand.    Modelle zu schätzen, da es ihnen größere                        Hand gehen. Karsten Fröhlke: „Auch der
                     zeitliche Spielräume und Planbarkeit ver-                       Arbeitgeber sieht, dass Geld als alleiniger
                     schafft, auf Freiwilligkeit setzt und ihre                      Motivator nicht mehr ausreicht, denn
                     Autonomie in der Arbeitszeitgestaltung                          den Mitarbeiter vom Typ ‚Schaffe-schaf-
                     erhöht.                                                         fe-Häusle-bauen‘ gibt es nicht mehr so
                                                                                     häufig wie vor 20 Jahren. Die meisten
                     „Im Pilotversuch in Stade haben die Kolle-                      Leute gucken heute auf Familie und Beruf,
                     gen selbst über die Schichten entschieden,                      die wollen auch mal zu Hause sein“.
                     und das hat funktioniert. Die älteren möch-
                     ten lieber in die Frühschicht, die jüngeren
                     Kollegen nehmen die Zuschläge aus der
                     Nachtschicht. Und sie konnten das selbst
                     organisieren – das ist bei den Leuten gut
                     angekommen.“
                           Karsten Fröhlke, GBR und Vorsitzender der
                                                      Projektgruppe

                                                                                18
DEN BESCHÄFTIGTEN VIEL RAUM                         anderen Themen sichergestellt, wie etwa
FÜR EIGENSTÄNDIGKEIT BIETEN                         Industrie 4.0 oder Demografie. Neben
                                                    der Einbettung in einen größeren Zusam-
Wenn Mehrarbeit freiwillig nicht mehr in            menhang hatten die Projekte Arbeit+In-
Entgelt, sondern lieber in Freizeit um-             novation einen wichtigen Einfluss auf die
gewandelt wird, sind damit auch positive            Qualität der Arbeit der Projektgruppe, so
beschäftigungspolitische Effekte verbun-            deren Leiter: „Unsere Projektgruppe gab
den: Es bedeutet einen Mehrbedarf an                es zwar schon vor der Zusammenarbeit mit
Personal, und da diese Arbeitszeitmodelle           A+I, aber erst damit ist es uns gelungen,
auf eine hohe Autonomie der Beschäftig-             viel mehr in die Tiefe zu gehen. Durch den
ten setzen, sind sie mit Leiharbeit nicht           Zugang zu Experten, durch das Wissen und
verträglich, weiß Karsten Fröhlke. „Dies ist        durch den Austausch mit anderen Betrie-
ein weiterer positiver Effekt des GBR-Bau-          ben.“ Die hohe Qualität des Projekts hat in
kastens, der auf selbstverantwortlichen             jüngster Zeit auch zu einer Aufwertung der
Beschäftigten basiert.“                             Arbeitsgruppe geführt: Seit Kurzem ist sie
                                                    in den Personalausschuss integriert, was
In den Ausbildungsmodulen wird zudem                die Anschlussfähigkeit und Verbindungen
eine Verzahnung des Arbeitszeit-Themas zu           zu anderen Themen deutlich verbessert.

                                               19
JOHN DEERE
GMBH & CO. KG,
MANNHEIM

Projekt                Beteiligungsorientiertes
                       Lernen – Arbeiten – Gestalten –
                       Der Betriebsrat in Industrie 4.0

Mitarbeiter            über 3.500 Beschäftigte

Tätigkeitsfelder       Herstellung von land- und
                       forstwirtschaftlichen Maschinen

Größe des              25 Betriebsrät*innen
Betriebsratsgremiums

Betriebliches          Birol Koca, Cosmin Sirbu,
Projektteam            Nadine Keller

Begleitung und         Dr. Raphael Menez
Ausbildung
DIGITALISIERUNG WIRD
ZUM WERKZEUG FÜR GUTE
GRUPPENARBEIT

Die fortschreitende Digitalisierung stellt die Arbeitsgestaltung bei John Deere vor große
Herausforderungen. Mit Unterstützung durch Arbeit+Innovation hat der Betriebsrat bei
John Deere eine Position zu 'Arbeit in der Industrie 4.0' definiert, gleichzeitig die Mit-
bestimmung in Digitalisierungsvorhaben gestärkt und mit dem Arbeitgeber eine grund-
sätzliche Verständigung über ein ausgewogenes Verhältnis von Arbeitsorganisation und
Technik erzielt.

Arbeitsorganisation hat einen besonderen                Der Betriebsrat verfügt über einen rei-
Stellenwert beim traditionsreichen Trak-                chen, langjährigen Erfahrungsschatz zur
torenhersteller John Deere in Mannheim,                 Arbeitsgestaltung im Unternehmen. Das
denn die Variantenvielfalt und die Flexibili-           geht zurück auf die intensive Betriebs-
tät in der Fertigung sind hoch. Betriebs-               ratsarbeit zum Thema Gruppenarbeit, die
rat und Arbeitgeber arbeiten schon seit                 bereits in den 1990er Jahren begonnen
vielen Jahren vertrauensvoll in Fragen                  worden ist. Damals wurden Leitbilder für        Gute Gruppenarbeit
der Arbeitsgestaltung zusammen. Nur bei                 die Gestaltung guter Gruppenarbeit und          ist ein Leitbild und
                                                                                                        hat Mitbestim-
der Digitalisierung scheint es zu haken,                die betriebliche Mitbestimmung entwi-           mungstradition.
vielleicht, weil das Unternehmen noch auf               ckelt, die sich bis heute als sehr fruchtbar
der Suche nach einer in sich stimmigem                  erwiesen haben. An diese Erfahrungen und
digitalen Gesamtstrategie ist. „Digitalisie-            die erfolgreiche betriebliche Mitbestim-
rungsprojekte kommen eher so zu Stande,                 mungstradition will der Betriebsrat bei den
dass zum Beispiel ein Fertigungsplaner et-              neuen Digitalisierungsvorhaben unbedingt
was aus der Schublade zieht und beginnt,                anknüpfen.
eine neue Technik zu testen“, beschreibt
Birol Koca, der stellvertretende Betriebs-              „Die Gruppenarbeit in den 1990ern war
ratsvorsitzende, die Situation zu Zeiten vor            unser Vorbild. Der Mitbestimmungsprozess,
Arbeit+Innovation.                                      der damals festgeschrieben wurde, die Leit-
                                                        bilder der Gruppenarbeit – das beides sind
„Wir waren unzufrieden mit der Situation,               Standards der Mitbestimmung, die auch
alles war technikzentriert, alles drehte sich           heute noch gelebt werden.“
um Technik. Da mussten wir als Betriebsrat
die Kurve kriegen, wir mussten uns dorthin                                  Cosmin Sirbu, Betriebsrat
bewegen, wo wir sein sollten.“

  Birol Koca, stellvertretender Vorsitzender des
                                    Betriebsrats

                                                   21
John Deere: Digitalisierung wird zum Werkzeug für gute Gruppenarbeit

                                                                                                                                   Birol Koca, Cosmin Sirbu

                       Als der Betriebsrat über seine Kontakte                        der Fall ist. Der Betriebsrat erkennt, dass
                       zur IG Metall die Ausschreibung zu Arbeit+                     sich Gruppenarbeit für diese Aufgabenstel-
                       Innovation erhält, ist die Bewerbung zum                       lung anbietet. „Nur in dieser Verbindung
                       Projekt schnell eine ausgemachte Sache.                        ist es kompatibel mit unserer Vorstellung
                       Der Betriebsrat will die Projekte Arbeit+In-                   zur Arbeitsorganisation“, so Birol Koca.
                       novation zur Kompetenzentwicklung                              Darüber hinaus soll es gelingen, die neue
 Digitalisierung und   nutzen, außerdem will er Digitalisierung und                   Technologie als Werkzeug zur Stärkung der
   humanzentrierte     humanzentrierte Arbeitsgestaltung zusam-                       Gruppenarbeit einzusetzen.
  Arbeitsgestaltung
gehören zusammen.      menbringen. Cosmin Sirbu: „Wir wollen uns
                       fit machen. Wir müssen davon weg, nur auf                      EIN NEUES LEITBILD ZUR DIGITALI-
                       der technologischen Ebene zu diskutieren,                      SIERUNG WIRD ENTWICKELT
                       und die Mitbestimmungsebene stärken.“
                                                                                      Das Betriebsprojekt wird durch Arbeit+
                       ANKNÜPFUNG AN DIGITALE TECHNO-                                 Innovation intensiv begleitet. Die Erwar-
                       LOGIEN FÜR QUALITÄTSSICHERUNG                                  tungen sind hoch, zumal dabei auch ein
                                                                                      neues Leitbild zur Digitalisierung entwi-
                       Das Betriebsprojekt soll an SMIH an-                           ckelt werden soll – insgesamt hohe Anfor-
                       knüpfen, eine digitale Technologie für die                     derungen, die der Betriebsrat an Arbeit+
                       Qualitätssicherung, die der Arbeitgeber zu                     Innovation stellt.
                       dieser Zeit einführen möchte. Das Kürzel
                       steht für Smart Manufacturing Information                       „Und schon beim ersten Ausbildungs-
                       Hub. Die Technologie erlaubt die Messung                       modul ging es sofort richtig ins Thema, in
                       von qualitätsrelevanten Parametern direkt                      die Digitalisierung. Wie erkennen wir den
                       in der Montage. Die Daten werden von                           Unterschied zwischen einer reinen Anlagen-
                       dort in Echtzeit an die Qualitätssicherung,                    verbesserung und einer vernetzten Technik,
                       an Vorgesetzte und andere Bezugsperso-                         die Informationen zwischen Maschinen
                       nen im Betrieb übermittelt.
                                                                                      und über Menschen austauscht? […] Jedes
                                                                                      Modul war wie ein Meilenstein.“
                       Die Aufgabe von SMIH besteht darin, et-
                       waige Fehler bereits im laufenden Prozess                          Birol Koca, stellvertretender Vorsitzender des
                       zu behandeln, nicht erst im Nachhinein,                                                              Betriebsrats
                       wie es in der bisherigen Qualitätssicherung

                                                                                 22
Innerhalb der Ausbildungsmodule werden         organisatorischen Neuerung den Stand der
die SMIH-Technologie, ihre Folgen und          Digitalisierung zu erhöhen, aber Arbeit-
Risiken sowie die Gestaltungsansprüche         geber und Betriebsrat haben nun eine ge-
des Betriebsrats immer und immer wieder        meinsame Vorstellung einer „behutsamen
durchleuchtet. Dazu bekommt der Betriebs-      Digitalisierung“. Und sie arbeiten daran in
rat die benötigte Fachberatung aus dem         verschiedenen Gremien gemeinsam, unter
Expertennetzwerk von Arbeit+Innovation.        anderem im Steuerkreis Digitalisierung:
„Über Arbeit+Innovation gab es einen ganz      „Der Schwerpunkt dieses Steuerkreises ist
unkomplizierten Zugang zum Stuttgarter         die Arbeitsorganisation. Eigentlich müsste
IMU-Institut. Das war eine große Hilfe und     er Arbeitskreis Arbeitsorganisation hei-
wichtige, kontinuierliche Begleitung“, die     ßen“, so der Betriebsrat.
durch den Bildungskoordinator der IG Metall,
Raphael Menez, zusätzlich unterstützt wird.    Über SMIH hinaus haben die Projekte
                                               Arbeit+Innovation auch auf andere tech-
ARBEITGEBER UND BETRIEBSRAT                    nische Bereiche gewirkt. So haben zum         Schulungen zu
GEMEINSAME FÜR „BEHUTSAME                      Beispiel die Schulungen zu Scrum oder         Scrum oder zu
                                                                                             Assistenzsystemen
DIGITALISIERUNG“                               zu Assistenzsystemen die Positionen des       haben die Positio-
                                               Betriebsrats geschärft. Der Betriebsrat:      nen des Betriebs-
Ein zentrales Ergebnis des Betriebsprojekts    „Uns ist klar geworden, dass wir Assistenz-   rats geschärft.

ist, dass der vormalige arbeitspolitische      systeme kritisch sehen – wir wollen sie
Konsens mit dem Arbeitgeber erneuert           eigentlich nicht haben. Wir wollen dem
werden kann. „Wir sind uns einig, dass         Werker erstmal Spielraum geben, wie et-
die Hauptebene der Digitalisierung die         was montiert wird. Kameras am Tisch, und
Arbeitsorganisation ist, nicht die Technik“,   der Werker bekommt jede Bewegung, alles
so der Betriebsrat. Zwar hat der Arbeitge-     was er macht, vorgeschrieben – so etwas
ber festgelegt, mit jeder technischen oder     sieht man bei uns am Standort nicht.“
John Deere: Digitalisierung wird zum Werkzeug für gute Gruppenarbeit

                       ARBEIT+INNOVATION WIRD IM                                      Insgesamt haben die Projekte Arbeit+In-
                       BETRIEB SICHTBAR GEMACHT.                                      novation die Mitbestimmung bei der
                                                                                      Entwicklung einer betrieblichen Digitali-
                       Von Beginn an ist das Betriebsprojekt als                      sierungsstrategie entschieden gestärkt.
                       Beteiligungsprojekt angelegt. Der Projekt-                     „Betriebsrat und Arbeitgeber arbeiten
                       gruppe gehört eine Vertrauensfrau an,                          auf Augenhöhe am Thema Industrie 4.0
                       zudem wird die Belegschaft regelmäßig                          zusammen“, urteilt Bildungskoordinator
                       über das Betriebsprojekt informiert, in Be-                    Raphael Menez. Und Betriebsrat Birol Koca
    Betriebsrat und    triebsversammlungen, in Jugendversamm-                         sieht zudem die IG Metall gestärkt: „Ich
Arbeitgeber arbeiten   lungen, sogar in einer Elternversammlung                       glaube, es ist gut, wenn man den Men-
 auf Augenhöhe am
Thema Industrie 4.0.   der Auszubildenden. Dadurch wird die                           schen zeigt, dass es der IG Metall auch um
                       Projetbeteiligung im Betrieb sichtbar, und                     die Arbeitsgestaltung geht. Und dass die IG
                       die Beschäftigten betrachten die Arbeit                        Metall Spezialisten für die Digitalisierung
                       innerhalb der Initiative überaus positiv. Als                  hat, dass es Leute gibt, die sich um die
                       der Bildungskoordinator Raphael Menez                          Betriebe kümmern, mit dem Ziel, dass die
                       die Projekte Arbeit+Innovation in einer                        Beschäftigten nicht nur Befehlsempfänger
                       Betriebsversammlung vorstellt, gibt es viel                    von Computern werden.“
                       Zwischenapplaus. Der aktive Betriebsrat
                       nutzt jede Möglichkeit, um sich mit der
                       Belegschaft intensiv über die Inhalte der
                       Digitalisierung zu verständigen. Wie zum
                       Beispiel der Beitrag von Cosmin Sirbu über
                       den Menschen in der Digitalisierung, der
                       im Betriebsrats-Info erscheint und die
                       Position des Betriebsrats deutlich macht:

                       „So müssen wir auch in Zukunft darauf
                       achten, dass durch die vernetzte Digitali-
                       sierung im Arbeitsprozess der Mensch nicht
                       zum Getriebenen wird. Die Entscheidungs-
                       hoheit darf nicht das technische System,
                       quasi der Algorithmus übernehmen,
                       sondern muss bei den Mitarbeitern bleiben.
                       Wie schon in der Vergangenheit, bietet uns
                       die Gruppenarbeit auch hier in Zukunft die
                       notwendige Beteiligungsmöglichkeit.“
                                Betriebsrats-Info John Deere Mannheim

                                                                                 24
KBS KOKEREI-
BETRIEBSGESELLSCHAFT
SCHWELGERN GMBH,
DUISBURG
Projekt                Wissenstransfer und
                       Dokumen­tation Kokerei 4.0

Mitarbeiter            ca. 320 Beschäftigte

Tätigkeitsfelder       Koksproduktion

Größe des              9 Betriebsrät*innen
Betriebsratsgremiums

Betriebliches          Ronald Kiel,
Projektteam            Ünsal Canbeyogullari,
                       Sven Hübner, Marc Gerlitzki,
                       Christian Skelnik,
                       Sebastian Riethof, Michael
                       Schild, Olaf Weysters,
                       Burak Topuz, Florian Neutzsch

Begleitung und         Olaf Schröder, Marcello Sessini
Ausbildung
PER ‚WIKI‘ KOMPETENZEN
ERHALTEN UND BETEILIGUNGS-
ORIENTIERUNG STÄRKEN

Wikipedia gilt als die Internetplattform, die schon zahlreichen Schülern und Studieren-
den das Lernen erleichtert hat. Im Betriebsprojekt der KBS Kokereibetriebsgesellschaft
Schwelgern GmbH wird die Wiki-Struktur genutzt, um über die verschiedenen Generatio-
nen hinweg den Erfahrungs- und Kompetenzaustausch zu fördern. Ziel ist es, insbesondere
die jüngeren Kolleginnen und Kollegen in ihrer Arbeit zu unterstützen.

Älter werden im Betrieb – aufgrund der
Altersstruktur der Belegschaft ist dies auch
für den Betriebsrat und die Geschäfts-
leitung der Kokereibetriebsgesellschaft
Schwelgern GmbH in Duisburg ein wich-
tiges Thema. Die demografische Heraus-
forderung der thyssenkrupp-Tochter mit
mehr als 300 Beschäftigten liegt in der
Lösung der Frage, wie die Kompetenzen
der erfahrenen und altersbedingt aus dem
Betrieb ausscheidenden Kolleginnen und
Kollegen an die jüngeren Mitarbeiter*innen
weitergegeben werden können.

„Selbstverständlich gibt es für alles, was
wir tun, ausführliche technische Beschrei-
bungen. Aber es kommt dann und wann zu
Störungen. Und wenn ein Mitarbeiter hier               stärker an Bedeutung, wenn mehr und
40 Jahre lang gearbeitet hat und es gibt               mehr Kolleginnen und Kollegen mit gerin-
eine technische Störung, dann weiß er in               gerem Erfahrungsschatz verantwortliche
                                                       Aufgaben erledigen.
der Regel genau, was zu tun ist. Und dieses
Wissen, z.B. wie die ganzen Störungen zu
                                                       Glücklicherweise ist der Betriebsrat sehr
beseitigen sind, das ist eben nur in den
                                                       gut vernetzt. Er ist unter anderem Mitglied
Köpfen festgehalten.“                                  im „Arbeitskreis der deutschen Kokerei-
          Ronald Kiel, Betriebsratsvorsitzender        en“ der IG Metall. Dort tauscht er sich
                                                       regelmäßig mit Kollegen*innen aus seiner
Dabei geht es dem Betriebsrat um weit                  Branche aus. Mit wertvollen Anregungen
mehr als um eine effiziente Störfallbe-                zum Thema „demografischer Wandel“ aus
seitigung. Angesichts der Altersstruktur               diesem Arbeitskreis entwickelt der Be-
gewinnen Themen wie die Einarbeitung                   triebsrat ein erstes Konzept mit dem Titel
von Berufsanfängern, die Sicherung homo-               „Wissenstransfer und Dokumentation
gener Arbeitsabläufe oder die Verbesse-                Kokerei 4.0“. Dieses Konzept ist einer von
rung von Instandhaltungsprozessen immer                acht Bausteinen mit denen der demo-

                                                  27
Kokerei-Betriebsgesellschaft Schwelgern: Per ‚Wiki‘ Kompetenzen erhalten und Beteiligungsorientierung stärken

                                                                                       gesetzt. Dieses Kernteam arbeitet, so der
                                                                                       Betriebsrat, ohne Hierarchien und Füh-
                                                                                       rungsstrukturen: „In unserem Team sind
                                                                                       alle gleichberechtigt, ob Führungskraft,
                                                                                       Jungingenieur, Mitarbeiter oder Betriebs-
                                                                                       rat. Das hat dafür gesorgt, dass alles positiv
                                                                                       läuft. Niemand muss Vorgesetzte fragen,
                                                                                       sondern wir können alles im Team ent-
                                                                                       scheiden. Und unser Umgang hat sich zu
                                                                                       einer sehr vertrauensvollen Zusammen-
                                                                                       arbeit entwickelt.“

                                                                                       DIE GESCHÄFTSFÜHRUNG SCHÄTZT
                                                                                       DIE BR-INITIATIVE UND UNTER-
                                                                                       STÜTZT DIE TEILNAHME DES UNTER-
                                                                                       NEHMENS MIT EINEM BETRIEBLI-
                                                                                       CHEN UMSETZUNGSPROJEKT OHNE
                                                                                       VORBEHALTE

                                                                                       Aus dem Kernteam der Demografie-Initiati-
                                                                                       ve bildet sich schnell der Kreis der Teilneh-
                                                                                       mer. Wieder hat sich der Vorteil der gleich-
                                                                                       berechtigten Team-Organisation gezeigt, so
                                                                                       der Betriebsratsvorsitzende. Entsandt wer-
                       grafische Wandel des Duisburger Betriebs                        den ein gemischtes und engagiertes Team
                       bewältigt werden soll. Und ein effektiver                       aus einem Betriebsrat, einem Jungingenieur,
                       Wissenstransfer ist für den Betrieb ent-                        zwei Meistern sowie einer IT-Fachkraft.
      Ein effektiver   scheidend, so der Betriebsrat: „Bei unserer
 Wissenstransfer ist   Altersstruktur hier stellt sich die Frage, wie                  Wie sollen Wissenstransfer und Weiterga-
für den Betrieb ent-
         scheidend.    wollen wir eigentlich in Zukunft Koks ma-                       be von Kompetenzen an jüngere oder neue
                       chen? Denn wenn die Mitarbeiter gehen,                          Kollegen konzeptionell funktionieren? In
                       ist das Wissen erst einmal weg.“                                den Mittelpunkt ihres Projekts hat das
                                                                                       Team ein sogenanntes Wiki-System ge-
                       Während der Vorbereitung zur Betriebs-                          stellt, das als zentraler Wissensspeicher für
                       versammlung, auf der die Bausteine                              Arbeits-, Störfall- und Instandhaltungspro-
                       zum demografischen Wandel vorgestellt                           zesse dienen soll. Ähnlich wie bei Wikipe-
                       werden sollen, trifft der Betriebsrat auf                       dia und anderen Wikis werden die Inhalte
                       Marcello Sessini, Bildungskoordinator von                       durch eine Vielzahl von Nutzern eingestellt
                       Arbeit+Innovation vom IG Metall-Bildungs-                       – in diesem Fall sind die Beschäftigten die
                       zentrum im nahegelegenen Sprockhövel.                           Experten, die Inhalte einstellen und das
                       Im gemeinsamen Gespräch wird rasch                              KBS-Wiki ständig weiterentwickeln.
                       deutlich, dass der geplante Wissenstrans-
                       fer durch die Projekte Arbeit+Innovation                        „Unsere technische Ausstattung ist auf
                       sehr gut begleitet werden kann und sich                         einem sehr guten Niveau“, freut es den Be-
                       die Umsetzung eines Piloten gut als Be-                         triebsrat, „wir haben richtig Glück gehabt,
                       triebsprojekt eignet.                                           weil die Geschäftsführung uns unterstützt,
                                                                                       von Anfang an, mit tollen Räumen, mit
                       Die Geschäftsführung unterstützt die                            moderner Hardware.“
                       Demografie-Initiative des Betriebsrats
                       und es wird ein paritätisches Team auf-                                      Ronald Kiel, Betriebsratsvorsitzender

                                                                                 28
Kokerei-Betriebsgesellschaft Schwelgern: Per ‚Wiki‘ Kompetenzen erhalten und Beteiligungsorientierung stärken

                         So stellt die Geschäftsführung beispiels-
                         weise einen komfortablen Wiki-Raum an
                         zentraler Stelle im Betrieb zur Verfügung,
                         mit exzellenter technischer Ausstattung
                         und einer Besprechungsmöglichkeit auch
                         für größere Teams. Von dort aus starten
                         das Kernteam und der Betriebsrat nach
                         dem ersten Wiki-Piloten für den Betriebs-
                         bereich Ofenbeheizung. Das Pilotprojekt
                         wird von Beginn an seitens des Kernteams
                         gut angenommen, weil nicht zuletzt auch
                         die Entlohnung außerhalb der Arbeits-
                         zeit für das Kokerei-Wiki geregelt ist. Das
                         Wiki-Team unterstützt die Kollegen*innen
                         beim Schreiben und Hochladen von Bei-
  Von Beschäftigten      trägen. Das Wiki erläutert durch Texte und
für Beschäftigte: Das    Bilder sowie teilweise mit Filmsequen-
   Wiki erläutert alle
   Prozesse, Bauteile    zen alle Prozesse, Bauteile und die damit                       „Die Unterstützung durch A+I war sehr
  und die damit ver-     verbundenen Arbeiten – entwickelt von                           hilfreich. Wenn ich auf einem normalen
 bundenen Arbeiten.      Beschäftigten für Beschäftigte. Das Pilot-                      Seminar bin, lerne ich, wie zum Beispiel SAP
                         projekt Ofenbeheizung ist inzwischen                            funktioniert. Klar, die Lerninhalte sind oft-
                         erfolgreich abgeschlossen – nun wird auf                        mals gut, aber die Praxis muss ich vor Ort
                         alle anderen Betriebsteile ausgerollt.                          selber machen. Ich fahre zurück, will etwas
                                                                                         ändern und muss mit der Geschäftsführung
                         Arbeit+Innovation ist in dieser Zeit ein
                                                                                         um Inhalte kämpfen. Hier bei A+I war es
                         wichtiger Begleiter des Betriebsrats und
                                                                                         anders, das hat viel mehr gelebt. Und die
                         des Kernteams. Die gesamte Konzeption
                         der Projekte Arbeit+Innovation zeigt sich                       Geschäftsführung war mit im Boot und alle
                         als außerordentlich wirkungsvoll, wie der                       Seiten hatten was davon.“
                         Betriebsrat einschätzt:                                                      Ronald Kiel, Betriebsratsvorsitzender

                         Ünsal Canbeyanbullari, Christian Skelnik, Ronald Kiel

                                                                                   30
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