Dienstag, 19. April 2011 - Nachmittag - Kanton Graubünden

 
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                                          Dienstag, 19. April 2011
                                                    Nachmittag

Vorsitz:                      Standespräsidentin Christina Bucher-Brini

Protokollführer:              Domenic Gross

Präsenz:                      anwesend 120 Mitglieder
                              entschuldigt: −

Sitzungsbeginn:               14.00 Uhr

Standespräsidentin Bucher-Brini: Darf ich Sie bitten,        möglichkeiten, die langen Distanzen in die Zentren wie
Platz zu nehmen. Wir fahren fort mit der Fraktionsanfra-     Zürich oder St. Gallen, das fehlende Kulturangebot, die
ge der BDP betreffend Hausärztemangel in Graubünden.         fehlende Bereitschaft der Lebenspartnerin beziehungs-
Der Zweitunterzeichner, Grossrat Aebli, hat das Wort für     weise des Lebenspartners, in den Bergen zu wohnen, und
eine kurze Stellungnahme. Nein, Grossrat Niggli hat          den hohen Übernahmepreis der bestehenden Arztpraxen
anscheinend das Wort für eine kurze Stellungnahme.           an.
                                                             3. Die Regierung sieht insbesondere in der verstärkten
                                                             Zusammenarbeit zwischen den in der Grundversorgung
                                                             tätigen Ärzten und den Regionalspitälern eine Möglich-
Fraktionsanfrage BDP betreffend Hausärztemangel              keit, die Versorgungssicherheit zu erhöhen. In vielen
in Graubünden (Erstunterzeichner Hardegger)                  abgelegenen Spitalregionen ist dies heute schon der Fall.
(Wortlaut Dezemberprotokoll 2010, S. 328)                    In den Spitalregionen Val Müstair, Poschiavo, Bergell
                                                             und Oberhalbstein wird die Grund- wie auch die Notfall-
Antwort der Regierung                                        versorgung heute weitestgehend durch die am Spital
                                                             tätigen Ärzte sichergestellt.
Für die Tatsache, dass immer weniger Ärztinnen und           4. Die Übertragung weiterer Aufgaben an Hausärzte
Ärzte als Grundversorger tätig sind, gibt es mehrere         trägt nicht dazu bei, dem Hausärztemangel entgegenzu-
Gründe. So absolvieren in der Schweiz aufgrund der           wirken und den Beruf attraktiver zu machen, da dadurch
Einführung des Numerus clausus im Jahre 1998 weniger         die in Ziffer 2 aufgelisteten Gründe gegen die Übernah-
Personen ein Medizinstudium. Auch verbleiben Ärztin-         me einer Arztpraxis nicht behoben würden.
nen und Ärzte immer häufiger über die vorgeschriebene        5. Die Anpassung des Tarmed in anvisiertem Sinne ist in
Weiterbildungstätigkeit hinaus in den Spitälern. Der         den dafür zuständigen Gremien seit längerem ein Thema.
Facharzttitel "Allgemeinmedizin" wird immer weniger          Allerdings weigern sich die Fachspezialisten, ihren An-
erworben. Die Ärztinnen und Ärzte ziehen es vor, einen       teil am Kuchen zu Gunsten der Grundversorgung zu
spezialisierten Facharzttitel zu erwerben. Schliesslich      verkleinern. Leider haben die Kantone auf diesen Pro-
übernehmen vor allem Frauen häufig lediglich ein Teil-       zess keinerlei Einfluss.
zeitpensum.                                                  6. Ärztinnen und Ärzte erhalten von den Krankenversi-
Beantwortung der Fragen                                      cherern bei Hausbesuchen neben der Konsultationstaxe
1. Der Stellenwert der Hausärzte im Hinblick auf die         eine Besuchsinkonvenienzpauschale. Mit den aktuell zur
Kostenentwicklung hängt zum grossen Teil davon ab,           Anwendung gelangten Abgeltungen werden Hausbesu-
welche Rolle die eidgenössische Politik den Hausärzten       che finanziell der Konsultation in der Praxis gleichge-
zukommen lässt. Je nachdem wie die geplante Managed          stellt. Zur Förderung der Hausbesuche wäre nach An-
Care Vorlage ausgestaltet wird, können die Hausärzte         sicht der Regierung statt der Einführung einer zusätzli-
eine wichtige Rolle bei der Kostenentwicklung spielen.       chen Pauschale eine Erhöhung der Besuchsinkonve-
2. Aktuell ist die Versorgung durch die Hausärzte si-        nienzpauschale im Tarmed anzustreben.
chergestellt. In den bevölkerungsreichen Regionen des        7. Managed Care Modelle haben im Wesentlichen zum
Kantons ist die ärztliche Grundversorgung wie auch der       Ziel, dank verbesserter Organisation sowie optimierter
ärztliche Notfalldienst auch längerfristig sichergestellt.   Strukturen und Prozesse die Kostenentwicklung im
Anders sieht die Situation längerfristig in den Randregi-    Gesundheitswesen positiv zu beeinflussen und die Quali-
onen aus, insbesondere in Regionen, in denen nur ein         tät der medizinischen Versorgung zu verbessern. Die
Arzt die Versorgung der ganzen Talschaft wahrnimmt.          mögliche Wirkung der anstehenden Managed Care Vor-
Interessenten geben für den Verzicht auf die Übernahme       lage wird sich auf die bevölkerungsreichen Regionen des
einer Talarztpraxis insbesondere die hohe Präsenzzeit in     Kantons beschränken, weil nur in diesen Regionen das
der Praxis, die Pikettverpflichtung, den "geringen" Ver-     Angebot an Gesundheitsversorgungsleistungen so gross
dienst, die fehlenden Aufstiegs- und Weiterbildungs-
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ist, dass eine Koordination einen spürbaren Effekt auf       Die Anfrage der BDP wirft richtige und wichtige Fragen
die Kosten hat.                                              auf, die von den Grundversorgern schon lange auf die
                                                             Traktandenliste gesetzt wurden. Die Antworten der
Niggli-Mathis (Grüsch): Ich möchte Sie bitten, eine          Regierung tragen leider angesichts der Dramatik der
Diskussion darüber abhalten zu dürfen.                       Situation wenig zu einer Lösung bei. Zur Dramatik, ich
                                                             wiederhole nochmals was soeben gesagt wurde, wenn
Antrag Niggli-Mathis                                         der gegenwertige Trend anhält, werden in fünf Jahren die
Diskussion                                                   Hälfte der heute in der Schweiz praktizierenden Hausärz-
                                                             tinnen und Hausärzte in Pension gehen, ohne dass sie
Standespräsidentin Bucher-Brini: Ich bitte um Ruhe. Es       eine Nachfolge gefunden haben. Ich hoffe für mich
ist Diskussion beantragt. Wer dieser zustimmen möchte,       persönlich, mich nicht zu diesen zählen zu müssen. Bis
möge sich bitte erheben. Das ist die Mehrheit. Danke.        in zehn Jahren, werden gar nur noch ein Viertel der
Sie erhalten das Wort.                                       Hausärzte arbeiten, konkret bedeutet dies, dass bis 2016
                                                             rund 3‘200 und bis 2021 rund 1‘700 neue Hausärztinnen
Abstimmung                                                   benötigt werden, die das gleiche Pensum leisten wie die
Diskussion wird mit offensichtlichem Mehr beschlossen.       abtretenden es heute leisten. Dies nur um den Status quo
                                                             der jetzigen Grundversorgungen aufrecht zu erhalten.
                                                             Die Hausärzte haben am 1. April 2010 eine eidgenössi-
Niggli-Mathis (Grüsch): In der Antwort der Regierung
                                                             sche Initiative "Ja zur Hausarztmedizin" mit über
sind keine weiterreichenden Massnahmen vorgesehen.
                                                             200‘000 Unterschriften eingereicht. Leider hat der Bun-
Wie z.B. ein Runder Tisch für das Pflegepersonal statt-
                                                             desrat dazu letzthin einen schwammigen, unverbindli-
gefunden hat, soll der Kanton für die Hausärzte die Initi-
                                                             chen Gegenvorschlag ausgearbeitet, der dem Volk
ative ergreifen und mit den zuständigen Kreisen an einen
                                                             höchstens etwas Sand in die Augen streuen kann, aber
Tisch sitzen. Es kann nicht sein, dass der Patient zwi-
                                                             nichts zur Entschärfung der Dramatik beiträgt. Machen
schen den Interessengruppen, wie z.B. Apotheker und
                                                             Sie sich auch keine Illusionen über die geplante Mana-
Hausärzten, aufgerieben wird. Ich persönlich habe lieber
                                                             ged-Care-Vorlage, wie auch immer sie dann von Natio-
einen Hausarzt im Dorf als eine Apotheke. Umdenken ist
                                                             nal- und Ständerat verabschiedet werden wird. Sie wird
hier aber auch bei den anderen Parteien gefordert, wurde
                                                             weder auf die Kosten noch auf den Mangel an Hausärz-
doch eine Vernehmlassung zur Aufhebung des Medika-
                                                             ten einen grossen Einfluss haben.
mentenabgabeverbotes für die Hausärzte von den meis-
                                                             Die Antwort der Regierung, auch wenn ihr Einfluss
ten Parteien schon im Ansatz im letzten Winter beerdigt
                                                             zugegebenermassen nicht sehr gross ist, ist mir zu ab-
und wurde gar nicht im positiven Sinne aufgenommen,
                                                             wartend und zu passiv. Die Regierung könnte zum Bei-
schon gar nicht behandelt.
                                                             spiel aktiv sich für die eidgenössische Initiative für die
Der auf uns zukommende, grosse Mangel an Hausärzten
                                                             Hausarztmedizin einsetzen, zum Beispiel in der Gesund-
ist mehr als nur ausgewiesen. Bis 2016, meine Damen
                                                             heitsdirektorenkonferenz. Bei uns könnte die Regierung
und Herren, und das ist in fünf Jahren, werden 50 Pro-
                                                             sich dafür einsetzen, dass im Kantonsspital Graubünden
zent der heutigen Ärzte in Pension gehen und bis 2021,
                                                             ein Rotationausbildungssystem für angehende Hausärzte
das ist in zehn Jahren, werden 75 Prozent in Pension
                                                             eingerichtet wird, damit diese einfacher zu ihren not-
gehen. Das ist für mich persönlich eine erschreckend
                                                             wendigen Kenntnissen in den Spezialdisziplinen wie
hohe Zahl. Für die tiefst möglichen Kosten im Gesund-
                                                             ORL, Urologie, Gynäkologie und anderen gelangen
heitswesen sind genügend Hausärzte sehr wichtig. Nach
                                                             können. Dies nur zwei Anregungen, die, so hoffe ich, auf
den Unterlagen, die ich zusammengetragen habe, werden
                                                             offene Ohren stossen.
90 Prozent der Fälle von den Hausärzten abgehandelt
und je nach Quelle liegen die Kosten dafür zwischen
sieben und 20 Prozent der gesamten Kosten des Gesund-        Standespräsidentin Bucher-Brini: Es ist relativ warm in
heitswesens. Also 90 Prozent der Fälle werden für sieben     unserem Saloon, diejenigen die sich tenuemässig etwas
bis 20 Prozent abgehandelt, das ist ein Verhältnis, das      erleichten möchten, dürfen das auf alle Fälle tun.
wir unbedingt erhalten müssen, es gibt noch genügend
teure Fälle, die von den Hausärzten nicht behandelt          Lorez-Meuli: Die Regierung weist in ihrer Antwort
werden können und deshalb müssen wir zu den Hausärz-         darauf hin, dass vor allem in Randregionen in Zukunft
ten mehr als nur Sorge tragen. Die Situation wird natür-     mit einem akuten Ärztemangel zu rechnen ist. Etliche
lich, und das ist für mich ganz klar, vor allem in den       aufgeführten Standortnachteile, die Weiterbildungsmög-
Randregionen prekär.                                         lichkeiten und kulturellen Angebote können praktisch
Zum Schluss möchte ich Ihnen noch ein Zitat aus meinen       politisch nicht beeinflusst werden. Gerade in der Peri-
Ausführungen, die ich gelesen habe, möchte ich Ihnen         pherie übernehmen die Hausärzte einen wesentlichen
nicht vorenthalten und ich zitiere: "Das Gesundheitswe-      Anteil der medizinischen Grundversorgung. Gerne
sen ist eine grosse Baustelle, der zwar die Arbeiten nicht   möchte ich der Regierung in diesem Zusammenhang
ausgehen werden, wohl aber die Arbeiter."                    eine Frage stellen: Hält die Regierung die Ausrichtung
                                                             eines kantonalen Sockelbeitrages an Hausärzte, welche
Trepp: Die Politik betont verbal auf allen Ebenen immer      die medizinische Grund- und Notfallversorgung gewähr-
wieder die Wichtigkeit von uns Grundversorgern. In der       leisten, für überprüfenswert?
Realität, wie heute wieder einmal bestätigt, geschieht in
der Praxis mit wenigen Ausnahmen genau das Gegenteil.
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Buchli-Mannhart: In der Schweiz beginnen jährlich rund        auch in der Hausarztmedizin, anstellen müssen, obwohl
700 Studentinnen und Studenten mit dem Medizinstudi-          wir selbst genügend Nachwuchs haben. Nachwuchs,
um. Ein Mehrfaches möchte mit dem Medizinstudium              welcher wirklich will und sich dafür auch einsetzt. Ich
beginnen, fällt aber dem numerus clausus zum Opfer.           bin der Meinung, dass hier eine Lösung auf Bundesebene
Damit unser Gesundheitssystem überhaupt noch funktio-         gesucht werden muss und ich erwarte vom Kanton, dass
niert, sind wir auf die Zuwanderung von Ärzten aus dem        er an entsprechenden Stellen Einfluss nehmen wird.
Ausland angewiesen. Würde eine Lockerung des nume-
rus clausus die Situation beim Hausärztemangel auf dem        Tscholl: Aus meiner Sicht ist mit ein Grund, dass die
Lande verbessern? Wenn ja, welche Handlungsmöglich-           Hausärzte, etwas überspitzt formuliert, zu einer ausster-
keiten hat der Kanton Graubünden als nicht Hochschul-         benden Spezies gehören, die Verdienstmöglichkeit.
kanton in diesem Bereich?                                     Grossrätin Furrer hat schon darauf hingewiesen. Ich
                                                              zitiere aus der Statistik gewerblicher Buchhaltungser-
Kunz (Chur): Ich teile die Bedenken von meinem Vor-           gebnisse schweizweit, wonach ein Arzt ohne
redner, auch was Mathis Trepp gesagt hat. Wir müssen          Selbstdispensation mit einem Umsatz von 200'000 bis
uns diesen Tag merken. Ich stimme Ihnen zu 100 Pro-           500‘000 Franken gerade mal 139‘000 Franken verdient
zent zu, was ja bis anhin relativ selten der Fall war, aber   oder Ärzte mit Selbstdispensation rund 141‘000. Dies zu
auch die Bedenken von Grossrat Buchli möchte ich              bedenken, wann ein Arzt überhaupt etwas verdienen
nochmal unterstreichen. Wir leben in der Tat in einer         kann.
planwirtschaftlichen Welt, die absurd ist. Wir beschrän-
ken intern den Zugang zu den Universitäten durch einen        Augustin: Danke, für den Ball den Sie mir zuspielen.
sehr hohen numerus clausus, beschränken das Angebot           Leider komme ich mit den Gratulationswünschen natür-
an Ärzten, haben Ärzte Knappheit und müssen Ärzte aus         lich zu spät, aber ich feiere mit Ihnen, dass wir ein Jahr
dem Ausland importieren. Das kann es doch nicht sein,         älter geworden sind, alle dieses Jahr. Ich erneure die
dass derjenige Nachwuchs, der diesen Beruf erlernen           Aussage, die ich schon früher hier gemacht habe und zu
will, Medizin studieren will, nicht kann und dann wir zu      der stehe ich jederzeit. Hausarztmedizin ist die günstig-
wenige Ärzte auf dem Platz haben. Aber das betrifft vor       ste Medizin die wir anbieten können. Tatsache aber ist
allem den Bund und wenn da die Regierung intervenie-          ebenso, dass die Hausärzte als Grundversorger in Kon-
ren kann, dann bin ich sicher froh. Was aber meines           kurrenz stehen, in nachhaltiger Konkurrenz zu den
Erachtens auch noch einmal der Analyse bedarf, ist            Grundversorgungsleistungen der Spitäler. Diese haben in
unsere Ausbildung in Graubünden und zwar würde ich            den letzten 20 Jahren, von praktisch null Umsatz in den
mir wünschen, dass man den Zusammenhang einer ho-             Spitalambulatorien auf rund 60 Millionen das Ganze
hen Maturitätsquote mit den Abschlüssen bei den Uni-          ausgeweitet. Das ist zu Lasten im Wesentlichen, auch zu
versitäten vergleicht. Weil es nützt uns nichts, eine hohe    Lasten der Grundversorger, der selbstständig tätigen
Maturitätsquote zu erzielen, die dann aber nicht zu Stu-      Ärzte gegangen. Zum Teil ist eine Leistungsausweitung
dienabgängen oder nicht zu Studienabschlüssen an den          daraus entstanden, aber die stehen in Konkurrenz. Und
Universitäten führen. Bilden wir richtig aus? Haben           wenn wir die Grundversorger als selbstständige Ärzte
unsere Maturandinnen und Maturanden das Rüstzeug,             fördern wollen, dann müssen wir wahrscheinlich gleich-
um nachher effektiv auch abzuschliessen? Es nützt uns         zeitig auch die Hebel dort ansetzen bei den Konkurren-
nichts, eine hohe Maturitätsquote zu haben die nachher        ten, bei den Spitalambulatorien. Wenn man das aber in
im Markt nicht durchkommen.                                   Diskussionen in entsprechenden Kreisen versucht anzu-
                                                              stossen, dann erreicht man gar nichts, weil da wird abge-
Furrer-Cabalzar: Wir haben es gehört. Wir streben             blockt. Ich hätte vielleicht gerne hier einmal ein State-
einem Hausarztmangel entgegen und dies schleckt keine         ment statt eines Vertreters der Krankenversicherer eines
Geiss weg. Gründe mögen sein: Einkommen gegenüber             Spitalverantwortlichen, aber ein Verwaltungsrat bei-
Fachärzten, Präsenzzeit, das allgemeine Image, aber           spielsweise ist jetzt hier nicht anwesend, aber ein Mit-
eventuell auch manchmal eine zu hohe Kostenübernah-           glied der Geschäftsleitung des Kantonsspitals ist auf der
me für eine Praxis. Nun ich wage zu behaupten, dass die       anderen Seite, die sich bekennen würden in dieser Kon-
Hausarztmedizin die günstigste Medizin ist und dass Sie       kurrenzsituation, Spitalambulatorien und frei praktizie-
mir gestern zu meinem Geburtstag gratuliert haben, und        rende Ärzte, für die Ärzte. Davon höre ich dann nichts.
dafür möchte ich mich nochmals ganz herzlich bedan-           Zweite Bemerkung: Leider ist der Kollege Portner nicht
ken, habe ich jetzt einen nachträglichen Wunsch an            mehr hier, mit ihm habe ich das auch schon diskutiert,
Grossrat Agustin, in dem er mir die Aussage bestätigt,        als Vertreter des Ärztevereins. Halbwegs laut gedacht,
dass die Hausarztmedizin die günstigste Medizin sei.          haben wir von den Krankenversicherern den Ärzten auch
Nun erlauben Sie mir, einen weiteren Aspekt aufzuzei-         schon angeboten, eine Taxwertpunkt-Differenzierung
gen, er wurde bereits auch erwähnt. Im Juni dieses Jahres     vorzunehmen zu Gunsten der Grundversorger. Das heisst
werden 4‘200, sie hören es richtig, 4‘200 Kandidatinnen       also, den Grundversorgern einen anderen Taxpunktwert,
und Kandidaten den numerus clausus, also die Aufnah-          einen höheren, besser wäre ihnen den gleichen und den
meprüfung für ihr Medizinstudium, absolvieren. Wir            Spezialisten einen tieferen, aber weil dann das wahr-
haben in der Schweiz gut 1‘000 bis 1‘200 Studienplätze.       scheinlich dann wieder nicht geht, mindestens den
Dies kann es nicht sein und Grossrat Kunz hat es vorher       Grundversorgern einen höheren anzubieten, als den
bereits erwähnt. Es kann doch nicht sein, dass wir je         Spezialisten. Da stösst man dann bei Ärzteschaft und bei
länger je mehr ausländische Ärzte, sei es im Spital, aber     ihrer Vertretung auf Schweigen, das ist für die Ärzte-
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schaft tabu. Und solange wir preislich, Kollege Tscholl,     befürchten haben. Im Moment können wir sagen, dass
halt die Leistungen der Ärzte nicht unterscheiden können     die Versorgung durch die Hausärzte im Kanton aktuell
und solange die Ärzteschaft sich national strikte dagegen    sichergestellt ist. Also jetzt haben wir kein akutes Prob-
wehrt, gegen jede Änderung des Tarifssystems als sol-        lem, aber wir wissen auf Grund der Demographie der
ches, welches Unschärfen enthält zugunsten der Spezia-       Hausärzte, also wir wissen auf Grund des Alters der
listen und zulasten der Grundversorger, solange aber mit     Hausärzte, dass wir bald in ein Problem laufen. Und wir
der Ärzteschaft hier überhaupt kein Jota diskutiert und      wissen, dass dieses Problem vor allem in den bevölke-
ein Fortschritt erzielt werden kann, solange kommen wir      rungsärmeren Regionen sich akzentuiert zeigen wird,
schweizweit nicht weiter und solange kommen wir auch         weniger natürlich hier im Zentrum in Chur, sondern
hier in Graubünden nicht weiter.                             wirklich draussen in den Regionen. Und darum haben
                                                             wir bereits in enger Zusammenarbeit mit dem Bündner
Trepp: Ich kenne keine Tabus, Grossrat Augustin. Ein         Ärzteverein nach Lösungen gesucht und auch versucht,
differenzierter Taxwertpunkt ist für mich absolut kein       diese Problematik aufzugreifen.
Tabu und ich weiss, dass es auch für viele Grundversor-      Wir haben ein Projekt gestartet, ich habe, so meine ich,
ger kein Tabu ist, auch wenn das das Problem nicht           bereits hier im Rat auch darüber berichtet, das Projekt
grundlegend so wesentlich ändern wird. Ich kann hier         Capricorn, das läuft. Es ist ein Projekt, wo vier Plätze
frei sprechen, weil ich von einem differenzierten Tax-       oder zwei Stellen à sechsmonatigen Praktikumsplätzen
punktwert nicht mehr profitieren werde. Bis das durch        bereitgestellt werden. Wir bezahlen den Spitälern zwei
alle Mühlen durch ist, das werde ich kaum mehr erleben.      volle Stellen. Da werden junge Ärzte durch die Spitäler
Aber ich meine, es ist ein durchaus diskussionswerter        angestellt und können dann aber während dieser Zeit in
Ansatz. Aber da bestehen sehr viele Hürden. Ich meine,       Arztpraxen Praktiken machen. Und dieses Programm
die Spitalambulatorien, nur schon diese haben einen          läuft, 2010 waren diese Stellen besetzt. Das Gleiche gilt
höheren Taxpunktwert, das muss man auch sagen. Mit           auch für 2011. Für 2012 haben wir auch schon Bewerbe-
ihrem immensen Wachstum, das sie in den letzten Jahren       rinnen und Bewerber und diese jungen Ärzte, die sollen
mit einem höheren Taxpunktwert verursacht haben, das         animiert werden, wenn sie in solchen Arztpraxen sind, in
ist schon auch eine Diskussion. Wir wehren uns sicher        diesen Praxen dann auch zu bleiben. Nun, ob uns dies
nicht gegen einen höheren Taxpunktwert, aber ob dann         gelingt, können wir nicht sagen. Wir sehen einfach, dass
die Politik da mitmacht, da habe ich schon einige Zwei-      das Interesse vorhanden ist. Ob diese jungen Ärzte dann
fel, weil bisher, was von der Politik gekommen ist, ist      auch wirklich irgendwann eine Praxis in Graubünden
eigentlich nicht vielmehr als heisse Luft.                   eröffnen oder übernehmen, dafür ist es jetzt noch etwas
                                                             früh das zu beurteilen. Aber das ist ein Programm, das
Augustin: Ich repliziere noch zu dem differenzierten         wir in Zusammenarbeit mit dem Bündner Ärzteverein
Taxpunktwert zu den Spitälern und frei praktizierenden       aufgegleist haben. Das läuft und wir hoffen, dass wir
Ärzten. Das ist richtig, bei den Spitälern gilt zurzeit 85   Erfolg haben.
Rappen, bei den Ärzten 82 Rappen. Bei den Ärzten ist         Wir haben beim Bund interveniert, als der Bund die
das ein Taxpunktwert der gesamtostschweizerisch gilt.        Labortarife gesenkt hat. Das hat zu starken Einkom-
Wir stehen in einem Tariffestsetzungsverfahren mit den       menseinbussen geführt bei den Hausärzten. Dort sind wir
Spitälern, in welchem die Krankenversicherer eine Sen-       vorstellig geworden beim Bund, leider erfolglos. Wir
kung des Taxpunktwertes für die Spitalambulatorien von       haben bei der Neuorganisation des ärztlichen Notfall-
85 Rappen auf 82 Rappen beantragt haben. Die Regie-          dienstes mitgewirkt und aktive Mithilfe betrieben. Das
rung hat es in der Hand, mit den Versicherern dies so zu     heisst, wir haben daraufhin gewirkt, dass pro Arzt weni-
entscheiden und damit auch ein Signal an die freiprakti-     ger Dienst geleistet werden muss und dass die Regionen,
zierende Ärzteschaft auszusenden.                            dass die Dienstregionen grösser ausgestaltet werden. Ich
                                                             habe einen Versuch unternommen, die Selbstdispensati-
Standespräsidentin Bucher-Brini: Ich frage Sie, ist die      on für alle Ärzte im Kanton zu ermöglichen. Das ist bei
Diskussion noch gewünscht? Das scheint nicht mehr der        den meisten Parteien hier drin nicht wirklich auf Gegen-
Fall zu sein für den Moment. Frau Regierungsrätin.           liebe gestossen. Auf Grund des Vernehmlassungsergeb-
                                                             nisses musste ich von diesem Vorhaben ablassen und
Regierungsrätin Janom Steiner: Grossrat Niggli regt an,      dieses Vorhaben abbrechen. Leider, sage ich, denn das
dass man einen Runden Tisch auch zu diesem Thema             hätte ganz sicher zu einer Attraktivitätssteigerung im
eröffnen könnte und dass die Regierung in der Antwort        Vergleich zu den anderen Kantonen geführt. Und wenn
keine weiterreichenden Massnahmen auflistet. Ich bin         Sie jetzt sehen, wie die Entwicklung war, es gibt jetzt
gerne bereit, auch zu diesem Thema einen Runden Tisch        Kantone, die die Selbstdispensation wieder geöffnet
zu eröffnen, so wie wir das im Bereich des Pflegeperso-      haben, also wir stehen im Vergleich zu den anderen
nalmangels oder eines möglichen Mangels initiiert ha-        Kantonen einfach nicht so attraktiv da. Und wenn junge
ben. Aber ich möchte doch immerhin darauf hinweisen,         Ärzte aus der Ausbildung kommen ab Universität, dann
dass wir bereits seit längerer Zeit dieses Thema sehr        überlegen sie sich, ob sie in einen Kanton gehen wollen,
intensiv und auch mit Sorge verfolgen. Die Zahlen, die       in welchem die Selbstdispensation beschränkt ist. Nun,
bekannt gegeben wurden, sind korrekt. Der Bündner            wir haben gesagt, wir sistieren dieses Projekt auf Grund
Ärzteverein hat diese Erhebungen für unseren Kanton          der Rückmeldungen grosser Fraktionen hier drinnen. Wir
gemacht und es ist erschreckend zu sehen, wie sich die       werden aber diese Entwicklung weiterverfolgen und
Entwicklung in diesen Arztpraxen zeigt und was wir zu        sehen, was der Bundesrat diesbezüglich macht. Wir
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haben in der neuen Spitalfinanzierung, Sie werden das        wie Kantone und Bund hier gemeinsam einen Weg be-
dann, wenn Sie die Botschaft lesen und studieren für die     schreiten können, um die Hausarztmedizin zu stützen.
Junisession, haben wir eine Bestimmung, eine Rechts-         Es wurde darauf hingewiesen, dass die Managed-Care-
grundlage aufgenommen für die Abgeltung der Dienst-          Vorlage möglicherweise nicht das Gelbe vom Ei ist. Wir
ärzte, welche in den Rettungsdienst der Spitäler einge-      haben versucht, in der Antwort zu Ziffer sieben darauf
bunden sind. Das soll auch dazu beitragen, dass die          hinzuweisen. Das mag in Zentren, vielleicht hier in Chur,
Dienstzeit und auch die Entschädigung besser sein sol-       mag das ein gangbarer Weg sein, aber wie man Mana-
len, auch in den Regionen. Wir haben ideelle und politi-     ged-Care in der Region verwirklichen will, das dürfte
sche Unterstützung geboten bei der Angleichung des           etwas schwieriger sein. Darum glaube ich auch nicht,
TARMED-Taxpunktwertes an den Ostschweizerwert.               dass dies nun wirklich für uns die alles bringende Lö-
Sie wissen, der Kanton Graubünden war bis vor kurzem         sung sein wird.
der schlechteste Kanton bezüglich Taxpunktwert in der        Grossrätin Lorez fragt an, ob allenfalls ein kantonaler
Ostschweiz. Jetzt, Herr Augustin nickt, danke, jetzt         Sockelbeitrag prüfenswert sei. Nun, Frau Grossrätin,
haben wir zumindest auch in Graubünden den gleichen          prüfenswert ist immer alles. Und ich sage Ihnen nicht, ob
Taxpunktwert wie in der Ostschweiz. Dann hat sich die        wir je einen Sockelbeitrag einführen. Heute wäre das
Bündner Regierung auch weiter engagiert auf Bundes-          noch nicht der Zeitpunkt. Aber wenn wir keine anderen
ebene im Rahmen der Gesundheitsdirektorenkonferenz           Lösungen finden, um unsere Hausarztmedizin in den
in einer Arbeitsgruppe, die ist initiiert worden unter dem   Regionen erhalten zu können, dann werden wir sicher
Titel „Ärztliche Grundversorgung in Randgebieten“.           auch einen Sockelbeitrag prüfen. Die Frage ist, wer dann
Dort fanden bereits Konferenzen statt, die letzte am 15.     diesen Sockelbeitrag bezahlt, ob es ein kantonaler oder
Februar. Da sind vor allem auch Kantone oder Bergkan-        allenfalls ein regionaler, kommunaler Sockelbeitrag ist,
tone, die genau die gleichen Probleme haben werden wie       darüber dürfen wir uns dann sicher noch unterhalten.
wir. Dort engagieren wir uns auch im Sinne für eine          Von Grossrat Buchli und auch von Grossrat Kunz wurde
Stützung der Hausärzte.                                      der numerus clausus angesprochen und die Ausbildungs-
Noch ein Hinweis: Bereits seit dem Jahr 2000, als einer      situation. Das ist wirklich ein riesen Problem. Das wurde
der ganz wenigen Kantone, unterstützen wir den ärztli-       erkannt, das wurde bereits von den Gesundheitsdirekto-
chen Notfalldienst durch frei praktizierende Ärzte, durch    ren in der Konferenz mehrmals zum Thema gemacht und
Gewährung von Beiträgen an die Ausbildung in der             es wurde auch moniert. Aber auch hier bewegen wir uns
Höhe von 2'000 Franken pro Grundkurs und 500 Fran-           in einem Gebiet oder in einem Bereich, der unserer Zu-
ken pro Refresherkurs. Zudem leisten wir eine Entschä-       ständigkeit entzogen ist. Wir können Anliegen deponie-
digung für die Dienstarztausrüstung in der Höhe von          ren und ich möchte Ihnen die Zahlen nicht vorenthalten:
jährlich 2'000 Franken pro Arzt. Das mag wenig sein,         Für den Studienbeginn 2010/2011 haben die Universitä-
aber wir versuchen im Rahmen unserer Möglichkeiten           ten Bern, Zürich, Basel und Freiburg 2'651 Personen
dies zu unterstützen.                                        gemeldet für ein Medizinstudium, aber es stehen nur 653
Letztlich möchte ich darauf hinweisen, dass wir einen        Studienplätze zur Verfügung. Das hat die Gesundheitsdi-
sehr guten Kontakt mit dem Bündner Ärzteverein pfle-         rektoren beunruhigt. Wir haben dieser Besorgnis auch
gen und das Thema Hausarztproblematik oder Hausärz-          Ausdruck gegeben, auch der Spitalverband h+, der Ver-
temangel ist regelmässig bei uns auf der Traktandenliste.    band der Hausärzte, warnen davor, weil man sagt, in der
Nun unsere Möglichkeiten, das wurde von Grossrat             Schweiz braucht man mindestens doppelt so viele Medi-
Trepp angesprochen, auf kantonaler Ebene tätig zu wer-       ziner, als derzeit ausgebildet werden. Wir sehen auch,
den, sind doch etwas beschränkt. Denn die Politik läuft      dass rund 1'300 ausländische Ärzte jedes Jahr in die
auf Bundesebene. Auf Bundesebene wurden Entscheide           Schweiz einwandern, Tendenz steigend. Nun, da kann
gefällt, die alles andere als im Sinne einer Stützung der    man sich zu Recht fragen: Sollten wir nicht diesen nume-
Hausarztmedizin sind. Ich erinnere an die Labortarife,       rus clausus aufheben oder aufweichen oder die Studien-
um nur eins vorweg zu nehmen. Aber immerhin viel-            plätze erhöhen? Immerhin, gestern wurde von der Regie-
leicht ein Hoffnungsschimmer, Grossrat Trepp ist nicht       rung Zürich vermeldet, dass man an der Uni Zürich nun
so überzeugt, aber die Initiative „Ja zur Hausarztmedi-      doch 20 Plätze mehr schaffe für das Medizinstudium pro
zin“ wurde eingereicht. Der Bundesrat hat einen Gegen-       Jahr. Nun, 20 Plätze, Sie sehen, das ist ein Tropfen auf
vorschlag in die Vernehmlassung gegeben. Und wenn            den heissen Stein. Wir gehen davon aus, dass aber die
Sie sagen, wir haben uns noch nicht verlauten lassen zu      anderen Universitäten, Bern und Basel, ihre Studienplät-
diesem Gegenvorschlag oder zur Initiative, dann möchte       ze moderat erhöhen. Aber das steht natürlich immer noch
ich Sie darauf hinweisen, dass die Vernehmlassungsfrist      in keinem Verhältnis zu den politischen Forderungen,
erst am 6. Juli dieses Jahres abläuft. Wir werden also       die von rund 400 zusätzlichen Plätzen für das Medizin-
sicher auch noch zu Initiative und Entwurf Stellung          studium sprechen. Also hier ist Handlungsbedarf. Wir
nehmen. Immerhin, ich sage, immerhin kann man fest-          sind bereits vorstellig geworden, Grossrat Kunz und
stellen, dass der zuständige Bundesrat doch ein Sensori-     Grossrätin Furrer. Wir versuchen im Rahmen unserer
um entwickelt hat und realisiert hat, dass wir in diesem     Möglichkeiten darauf einzuwirken. Es kann nicht sein,
Bereich in der Grundversorgung, und das nicht nur in         dass wir einen numerus clausus haben, obwohl wir inte-
Graubünden, sondern vor allem überall in der Schweiz in      ressierte Schweizerinnen und Schweizer hätten für ein
ländlichen Regionen, dass wir hier ein Problem haben.        Medizinstudium und dem gegenüber dann auf derart viel
Und wir hoffen nun dennoch, dass entweder die Initiati-      ausländische Kräfte aus diesem Sektor zurückgreifen.
ve oder der Gegenentwurf hier allfällige Wege aufzeigt,      Ich glaube, da ist wirklich Handlungsbedarf gegeben, nur
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leider haben wir nicht die Möglichkeit, darauf hinzuwir-       grundlage für die "zwangsweise Erhältlichmachung" von
ken.                                                           Ankerrechten.
Dann noch die Anregung von Grossrat Kunz, dass man             Aufgrund einer Analyse des einschlägigen Rechts (ZGB;
diese Analyse noch vornehmen solle, wie die Maturitäts-        EGzZGB; KRG) sowie der Rechtsprechung ist davon
quote zu den Studienabschlüssen aussieht. Ich weiss, der       auszugehen, dass eine solche Rechtsgrundlage derzeit
Vorgänger von Martin Jäger, Claudio Lardi, hat einmal          weder im öffentlichen Baurecht noch im privaten Nach-
eine solche Liste erstellt. Ich habe die Zahlen leider nicht   barrecht besteht. Zwar hat der Bündner Gesetzgeber im
mehr präsent. Man hat bereits solche Fragen gestellt:          Rahmen der Ausschöpfung der aus Art. 695 ZGB flies-
Bilden wir im Kanton Graubünden richtig aus? Aber ich          senden Gesetzgebungskompetenz in Art. 103 EGzZGB
werde sicher diese Frage auch noch an den zuständigen          bestimmt, dass der Nachbar dem Bauwilligen "das Betre-
Departementsvorsteher weiterleiten. Es ist richtig, wir        ten oder die vorübergehende Benützung seines Grund-
müssen natürlich auf die Grundlagen setzen, damit dann         stückes" zu gestatten hat, wenn dies für den Bauwilligen
unsere Maturaabgänger auch wirklich zu einem Studium           z.B. für die Errichtung oder Sanierung eines Gebäudes
zugelassen werden und dieses auch abschliessen.                unumgänglich ist (sog. "Hammerschlags-" oder "Leiter-
Grossrat Augustin hat zu Recht darauf hingewiesen, die         recht"). Das Bundesgericht hat im Zusammenhang mit
Hausarztmedizin, die dürfte wirklich die günstigste            einer analogen Norm eines anderen Kantons jedoch
Medizin sein in unserem Kanton. Es stimmt auch, dass           entschieden, dass die Einlassung von Erdankern nicht
diese in Konkurrenz steht zu den Ambulatorien in den           mehr unter dieses Hammerschlags- resp. Leiterrecht
Spitälern. Nun, wie wir hier einen Weg finden, das dürf-       subsumiert werden könne (BGE 5A_176/2009, E.5.4,
te nicht ganz so einfach sein, weil, da haben Sie zu Recht     vom 5. Juni 2009). Dieses berechtige den Bauwilligen
darauf hingewiesen, da müssten sich auch die Spitäler          lediglich dazu, das Nachbargrundstück etwa zur vorü-
gewisse Überlegungen machen. Ich bin gerne bereit,             bergehenden Lagerung von Baumaterialien und Bauma-
über andere Lösungsansätze zu diskutieren, allfällige          schinen oder zur Errichtung eines Gerüstes zu benützen,
Taxwertpunktdifferenzierungen, sofern sie uns dann             nicht jedoch auch zur Einlassung von Erdankern, selbst
vorliegen und wir sie genehmigen dürfen, dann werden           wenn diese nach Beendigung der Bauarbeiten wieder
wir das gerne auch prüfen. Ich kann Ihnen nur versi-           entspannt und entfernt würden.
chern, wir haben das Problem erkannt. Wir sind seit            Zu Punkt 2:
längerem tätig in unserem Einflussbereich, aber es ist vor     In einem zweiten Punkt, welcher ebenfalls eine Anfrage
allem auch die nationale Politik, die in diesem Bereich        darstellt, erkundigen sich die Auftraggeber danach, ob es
aktiv werden muss.                                             denn zulässig wäre, eine Rechtsgrundlage für Ankerrech-
                                                               te neu zu schaffen.
Standespräsidentin Bucher-Brini: Wird das Wort weiter-         Erste Abklärungen haben ergeben, dass dies nicht ausge-
hin noch gewünscht? Grossrat Niggli.                           schlossen ist. Zwar ist davon auszugehen, dass die Kan-
                                                               tone die aus Art. 695 ZGB sich ergebenden Duldungs-
Niggli-Mathis (Grüsch): Ich möchte mich ganz kurz              pflichten des Nachbarn nur verdeutlichen, nicht aber
fassen. Ich bin formell nicht sehr sattelfest im Umgang        ausdehnen dürfen. Das ZGB kennt indessen noch weitere
mit Anfragen. Ich habe es versäumt, die Anfrage zu             Vorbehalte zugunsten des kantonalen Privatrechts (z.B.
beurteilen. Ich bin zufrieden mit der Antwort. Ich möch-       in Art. 686 Abs. 2 ZGB). Abgesehen davon kommt den
te das zuhanden des Protokolls kurz sagen. Ich möchte          Kantonen und Gemeinden eine allgemeine verfassungs-
der Regierung ausdrücklich danken für Ihre Arbeit.             mässige Kompetenz zum Erlass öffentlich-rechtlicher
                                                               Vorschriften zur Beschränkung des Grundeigentums zu.
Standespräsidentin Bucher-Brini: Wird das Wort weiter-         Zu Punkt 3:
hin noch gewünscht? Nein. Dann kommen wir zum                  Der dritte Punkt des Vorstosses enthält den Auftrag,
Auftrag Bondolfi betreffend Ankerrechte. Die Regierung         eine Rechtsgrundlage für Ankerrechte zu schaffen, so-
ist bereit, im Sinne der Ausführungen den Auftrag ent-         fern dies rechtlich zulässig ist.
gegenzunehmen. Sind Sie einverstanden Herr Bondolfi?           Mit der Einführung des Instruments des Ankerrechts im
                                                               Sinne des vorliegenden Vorstosses würde dem Nachbarn
                                                               eine zusätzliche Duldungspflicht auferlegt, welche die
                                                               Ausübung seiner eigenen Eigentumsrechte unter Um-
                                                               ständen empfindlich einschränken könnte. Aus diesem
Auftrag Bondolfi betreffend Ankerrechte (Wortlaut              Grunde rechtfertigt sich die Schaffung einer Rechts-
Oktoberprotokoll 2010, S. 207)                                 grundlage für ein gesetzliches Ankerrecht nur, wenn
                                                               dafür ein hinreichend gewichtiges öffentliches Interesse
Antwort der Regierung                                          geltend gemacht werden kann. Generell besteht ein öf-
                                                               fentliches Interesse daran, dass eingezontes Bauland
Der Auftrag thematisiert die Problematik der Baugru-           auch effektiv überbaut wird resp. werden kann (Bau-
bensicherung unter Verwendung von Erdankern. Soweit            landverfügbarkeit, vgl. Art. 19 Abs. 2 KRG). Wenn man
solche Anker in das Terrain von Nachbargrundstücken            davon ausgeht, dass die Verweigerung von Ankerrechten
hineinragen, bedarf die Bauherrschaft sog. Ankerrechte.        im schlimmsten Fall zur Unüberbaubarkeit einer Bau-
                                                               landparzelle führen kann, könnte die Einführung eines
Zu Punkt 1:                                                    gesetzlichen Ankerrechts somit durchaus im öffentlichen
In einem ersten Punkt erkundigen sich die Auftraggeber         Interesse liegen. Wegen der gebotenen Zurückhaltung
im Sinne einer Anfrage nach dem Bestand einer Rechts-
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beim Erlass neuer Reglementierungen rechtfertigen sich       braucht, um auch den Teil, den er jetzt behandelt, abzu-
indessen nur dann konkrete gesetzgeberische Aktivitä-        schliessen.
ten, wenn es gesamtkantonal häufig vorkommen sollte,
dass Bauparzellen wegen verweigerten (oder zu teuren)        Bondolfi: Habe ich Sie richtig verstanden, Herr Regie-
Ankerrechten unüberbaut bleiben resp. bleiben müssen.        rungsrat, Sie können mir nicht genau sagen, wann diese
Dies dürfte aber wohl eher selten sein, jedenfalls vergli-   Vorschläge unterbreitet werden?
chen mit den Fällen, in denen Baugrundstücke aus ande-
ren Gründen, z.B. wegen Hortung, unüberbaut bleiben.         Regierungsrat Trachsel: Ja, ich kann Ihnen nicht sagen,
Gleichwohl will die Regierung das Bedürfnis näher            dieses Jahr oder nächstes Jahr, weil der Bund ist jetzt an
abklären und dem Grossen Rat gegebenenfalls entspre-         der Gesetzesänderung und ich glaube, Sie sind mit mir
chende Vorschläge unterbreiten, sei es im Rahmen der         einverstanden, dass wir nicht nur wegen diesem Teil eine
nächsten KRG-Revision, sei es im Rahmen einer Teilre-        Revision des Raumplanungsrechtes machen, sondern
vision des EGzZGB.                                           dass wir das eben dann behandeln. Ich gehe davon aus,
In diesem Sinne ist die Regierung bereit, den Auftrag        der Bund wird innerhalb der nächsten zwölf Monate
entgegenzunehmen.                                            seine Gesetzgebung abgeschlossen haben und dann
                                                             können wir starten.
Bondolfi: Es kommt darauf an. Ich beantrage Diskussion.
                                                             Bondolfi: Dann halte ich an dem ursprünglichen Text
Antrag Bondolfi                                              fest und beantrage, dass die Version, so wie ich sie vor-
Diskussion                                                   geschlagen habe, überwiesen wird, dass der Auftrag nach
                                                             meiner Version überwiesen wird.
Standespräsidentin Bucher-Brini: Es wird Diskussion
beantragt. Wer dieser zustimmen möchte, möge sich            Antrag Bondolfi
bitte erheben. Offensichtliche Mehrheit. Danke. Sie          Der Auftrag sei im Sinne der Auftraggeber zu überwei-
haben das Wort, Herr Bondolfi.                               sen.

Abstimmung                                                   Standespräsidentin Bucher-Brini: Wird das Wort weiter-
Diskussion wird mit offensichtlichem Mehr beschlossen.       hin gewünscht? Das scheint nicht der Fall zu sein. Dann
                                                             stimmen wir ab. Der Erstunterzeichner möchte den Vor-
Bondolfi: Die Regierung ist bereit, den Auftrag zu über-     stoss, wie er ihn eingereicht hat, nach dem ursprüngli-
weisen, was ja gut ist. In der Sache erlaube ich mir,        chen Rahmen überweisen. Die Regierung, nach ihrem
lediglich eine kurze, aber nicht unbeachtliche Präzisie-     Sinne. Wer also dem ursprünglichen Vorschlag von
rung. Mein Auftrag betrifft nur, aber immerhin, die          Bondolfi zustimmen möchte, möge sich bitte erheben.
sogenannten temporären Anker. Diese werden nach              Gegenmehr im Sinne der Regierung? Sie haben den
Baubeendigung wieder gelöst. Nicht betroffen sind hin-       Auftrag Bondolfi nach Fassung von Grossrat Bondolfi
gegen die dauernden Anker. Diese bedürfen des Ab-            mit 55 zu 17 Stimmen überwiesen.
schlusses eines Dienstbarkeitsvertrages und somit der
ausdrücklichen Zustimmung des Nachbarn. Einen ge-            Abstimmung
setzlich durchsetzbaren Anspruch, auch für diese Art von     Der Grosse Rat überweist den Auftrag in der ursprüngli-
Ankern, begründen zu wollen, würde zweifelsfrei zu           chen Fassung mit 55 zu 17 Stimmen.
weit gehen und würde einen unverhältnismässig weiten
Eingriff in die Eigentumsgarantie darstellen. Die Regie-     Standespräsidentin Bucher-Brini: Wir kommen zum
rung weist in ihrer Antwort darauf hin, sie werde im         nächsten Vorstoss. Das ist ein Auftrag von Grossrätin
Rahmen der nächsten Revision zum KRG oder zum EG             Casanova betreffend Anerkennung des Bedarfs an fami-
zum ZGB Vorschläge unterbreiten. Ich möchte gerne            lienergänzenden Kinderbetreuungsangeboten durch die
wissen, wann dies geschehen wird.                            Gemeinden. Die Regierung beantragt Ihnen, den Auftrag
                                                             nicht zu überweisen. Es erfolgt Diskussion.
Standespräsidentin Bucher-Brini: Weitere Wortmeldun-
gen? Nicht gewünscht. Herr Regierungsrat.

Regierungsrat Trachsel: Ich bin natürlich mit Grossrat       Auftrag Casanova-Maron betreffend Anerkennung
Bondolfi einverstanden. Es geht hier nur um temporäre        des Bedarfs an familienergänzenden Kinderbetreu-
Anker. Definitive Anker, hat er zu Recht gesagt, das         ungsangeboten durch die Gemeinden (Wortlaut Okto-
wird nicht möglich sein. Bei der Raumplanungsgesetzes-       berprotokoll 2010, S. 206)
revision hängt es jetzt davon ab, wie schnell der Bund
seine Revision macht. Es ist klar, sobald die Raumpla-       Antwort der Regierung
nungsrevision im Bundesrecht abgeschlossen ist, müssen
wir unser kantonales Recht entsprechend anpassen und         Das Gesetz zur Förderung der familienergänzenden
in diesem Zuge werden wir es machen. Ich kann Ihnen          Kinderbetreuung im Kanton Graubünden (Gesetz; BR
aber noch nicht sagen, wie lange der Bund, der ja doch       548.300) regelt die Mitfinanzierung von Angeboten für
schon einige Zeit am Raumplanungsrecht dran ist, noch        Kinder im Vorschulalter und für schulpflichtige Kinder
19. April 2011                                                                                                     753

ausserhalb der obligatorischen Unterrichtszeit durch die      schafts- und Sozialpolitik unter Berücksichtigung der
Gemeinden und den Kanton. Für die Förderung der               wirtschaftlichen und arbeitsmarktlichen Erfordernisse.
familienergänzenden Betreuung im Sinne einer moder-           Aus Sicht der Regierung ist eine Revision des Gesetzes
nen Familien-, Gesellschafts- und Sozialpolitik unter         zur Mitfinanzierung der Angebote zur Verbesserung der
Berücksichtigung der wirtschaftlichen und arbeitsmarkt-       Planungssicherheit nicht zielführend. Aus den dargeleg-
lichen Erfordernisse (Familienpolitik) sprechen primär        ten Gründen ist die Regierung gegen eine Revision des
folgende Gründe:                                              Gesetzes über die Förderung der familienergänzenden
1. Die Anzahl der Kinder, die sich selber überlassen          Kinderbetreuung im Kanton Graubünden und beantragt
bleiben und somit in ihren Entwicklungsmöglichkeiten          dem Grossen Rat, den vorliegenden Auftrag nicht zu
gefährdet sind, wird verringert und für Kinder, die in        überweisen.
schwierigen Verhältnissen leben, sind zusätzliche soziale
Kontakte besonders wichtig.                                   Casanova-Maron: Ich danke der Regierung für Ihre
2. Bessere Existenzsicherung für Familien und weniger         Antwort. Obschon die Regierung eine Revision des
öffentliche Unterstützung.                                    Gesetzes über die Förderung der familienergänzenden
3. Der Arbeitsmarkt in der Schweiz ist in zunehmen-           Kinderbetreuung ablehnt, könnte die vorliegende Ant-
dem Masse auf das Know-How und das berufliche En-             wort doch bereits etwas Klärung in Bezug auf die ge-
gagement der Frauen angewiesen.                               stellten Fragen bringen. Ziel und Zweck der familiener-
Im Familienbericht Graubünden (Botschaft der Regie-           gänzenden Kinderbetreuung sind für mich ebenso un-
rung an den Grossen Rat, Heft Nr. 15/2002-2003) wurde         bestritten wie die beabsichtigte Wirkung. Es geht darum,
das Ziel, die Vereinbarkeit von Familie und Erwerbsfä-        den Handlungsspielraum der Gemeinden in Bezug auf
higkeit sei zu verbessern, erneut bestätigt.                  die Anerkennung des Bedarfs zu klären. Es kann nicht
Laut Art. 4 des Gesetzes legen die Gemeinden den Be-          sein, dass Eltern, Anbieter oder Gemeinden die Klärung
darf an familienergänzenden Kinderbetreuungsangeboten         dieser politischen Frage letztlich durch das Verwal-
in Zusammenarbeit mit den anerkannten Anbietern fest.         tungsgericht vornehmen lassen müssen.
Bis am 31. Mai des Vorjahres reichen die Gemeinden die        Die Konzeption der Finanzierung der familienergänzen-
Ergebnisse der Bedarfsplanung für das folgende Jahr           den Kinderbetreuung beruht, kurz zusammengefasst, auf
dem kantonalen Sozialamt ein (Ausführungsbestimmun-           folgenden Grundsätzen: Die Gemeinden sind nicht für
gen Art. 3). Damit kann die Mitfinanzierung ordentlich        das Angebot zuständig. Angebote sollen aufgrund priva-
budgetiert werden, aber nachträgliche Bedarfsmeldungen        ter Initiative zustande kommen. Die Gemeinden legen
erschweren die Planung der Mitfinanzierung.                   zusammen mit den Anbietern den Bedarf fest. Dabei ist
Grundsätzlich ist mittelfristig mit weiterem Wachstum         der gemeldete Bedarf massgeblich, welchen die Ge-
des Bedarfs zu rechnen. Die Altersstruktur der betreuten      meinden anerkennen, und das, geschätzte Damen und
Kinder lässt noch keine Austritte erwarten und die An-        Herren, ist der Knackpunkt der Auslegung dieses Geset-
schubfinanzierung des Bundes ist bis Ende 2015 verlän-        zes. Nämlich dieser Art. 4, der, man höre und staune, in
gert worden. Nachträgliche Meldungen entstehen haupt-         der damaligen Diskussion bei der Verabschiedung des
sächlich durch eine gemeindeüberschreitende berufliche        Gesetzes durch den Grossen Rat nicht diskutiert wurde
Mobilität junger Familien, Umzügen zwischen Gemein-           und demzufolge das Protokoll keinen Aufschluss darüber
den im Kanton, Zuzügen aus anderen Kantonen und die           gibt, welche Meinung denn der Grosse Rat zu diesem
in der Privatsphäre erfolgende Familienplanung. Die           Punkt genau hatte. Die weiteren Grundsätze sind: Die
Festlegung des Bedarfs aufgrund dieser Meldungen hat          Regierung legt die Anzahl der beitragsberechtigten
im Sinne der vom Grossen Rat beschlossenen modernen           Betreuungsplätze aufgrund des von den Gemeinden
Familienpolitik zu erfolgen.                                  anerkannten Bedarfs fest und Einkommen und Vermö-
Der Grosse Rat hat sich bei der Ausgestaltung der Finan-      gen der Eltern sind zwar massgebend für den zu bezah-
zierung für einen Sockelbeitrag von Kanton und Ge-            lenden Tarif, nicht aber für die Anerkennung des Be-
meinden entschieden, ungeachtet der wirtschaftlichen          darfs. Ebenso nicht von Belang für die Anerkennung des
Leistungsfähigkeit der Eltern. Demzufolge dürfen Ent-         Bedarfs ist der Umfang der Erwerbstätigkeit der Eltern.
scheide betreffend Festlegung des Bedarfs nicht auf die       Deshalb kommt der Datenschutzbeauftragte des Kan-
Erwerbstätigkeit, das Einkommen oder das Vermögen             tons, wie die Regierung in ihrer Antwort ebenfalls fest-
der Erziehungsberechtigten abgestützt werden. Nach            hält, zur Auffassung, den Gemeinden und dem Kanton
Angaben des kantonalen Datenschutzbeauftragten ist das        stünden subjektiv orientierte Informationen wie Ein-
Einholen von subjektorientierten Angaben wie Einkom-          kommen, Vermögen oder Beschäftigungsumfang nicht
men, Vermögen sowie Beschäftigungsgrad der Erzie-             zu und auf diese dürfte bei der Festlegung des Bedarfs
hungsberechtigten durch den Kanton und die Gemeinden          nicht abgestellt werden. In der Antwort der Regierung
nicht zulässig. Will eine Gemeinde die Festlegung des         auf Seite 2, letzter Satz des mittleren Abschnittes, wird
Bedarfs abgesehen von der ausgewiesenen Nachfrage             nun Folgendes ausgeführt, ich zitiere: „Will eine Ge-
steuern, ist es ihre Sache, geeignete Kriterien zu definie-   meinde die Festlegung des Bedarfs, abgesehen von der
ren oder Anträge für zusätzliche Plätze zu verweigern.        ausgewiesenen Nachfrage, steuern, ist es ihre Sache,
Die Regierung anerkennt die für die Gemeinden und den         geeignete Kriterien zu definieren oder Anträge für zu-
Kanton derzeit bestehenden Herausforderungen für die          sätzliche Plätze zu verweigern.“ Seit der Publikation der
Planung der Beiträge für die Mitfinanzierung der Ange-        Antwort der Regierung ist grosse Verunsicherung bei
bote. Sie verfolgt weiterhin die Zielsetzungen der vom        den Kinderkrippen, aber auch bei den Gemeinden aufge-
Grossen Rat beschlossenen modernen Familien-, Gesell-         treten. Aus diesem Grund möchte ich diese Aussage
754                                                                                                   19. April 2011

interpretieren und dann den Herrn Regierungsrat bitten,     gierung nimmt im Sinne der Ausführungen den Antrag
eine Protokollerklärung dazu abzugeben. Ich interpretie-    entgegen. Ich frage Grossrat Koch an: Sind Sie damit
re diese Aussage folgendermassen: Die geplanten Stun-       zufrieden?
den für bestehende Betreuungsverhältnisse sind von den
Gemeinden uneingeschränkt zu akzeptieren. Über allfäl-
lige zusätzliche Betreuungsstunden als Planungsspiel-
raum und über den nachträglich gemeldeten Bedarf an         Fraktionsauftrag FF betreffend Bewerbung für
familienergänzender Kinderbetreuung entscheiden die         Olympische Winterspiele (Erstunterzeichner Koch
Gemeinden individuell, jedoch unter Beachtung der           [Landquart]) (Wortlaut Oktoberprotokoll 2010, S. 205)
generellen gesetzlichen Zielsetzung. Darf ich Herrn
Regierungsrat Trachsel bitten, zuhanden des Protokolls      Antwort der Regierung
zu erklären, ob diese Auslegung der Antwort der Regie-
rung entspricht?                                            Die Schweiz konnte 1928 und 1948 in St. Moritz Olym-
                                                            pische Winterspiele durchführen. Seither wurden ver-
Standespräsidentin Bucher-Brini: Weitere Wortmeldun-        schiedene Anstrengungen für Kandidaturen in der
gen? Ist nicht gewünscht. Herr Regierungsrat.               Schweiz unternommen, die alle bei den Entscheidungen
                                                            des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) oder
Regierungsrat Trachsel: Ich glaube, Sie können zuerst       in vorherigen Volksabstimmungen scheiterten. Die letz-
einmal feststellen, das Modell für familienergänzende       ten Kandidaturen wurden 2001 bei Swiss Olympic von
Kinderbetreuung im Kanton Graubünden ist ein Er-            den Städten Davos und Bern eingereicht. An der Kandi-
folgsmodell. Das ist insofern nicht selbstverständlich,     datur Davos 2010 waren die Orte beziehungsweise Regi-
weil die Verhältnisse ja in unserem Kanton sehr unter-      onen Bülach, Chur, Davos, Einsiedeln, Flims/Laax,
schiedlich sind: Hier im Bündner Rheintal, urbaner          Kloten, Lenzerheide, St. Moritz und Zürich beteiligt. Als
Raum mit städtischen Verhältnissen, bis in die Seitentä-    Host City bewarb sich Davos. Am 5. September 2001
ler, wo Sie ganz andere Verhältnisse vorfinden. Und         entschieden sich die Delegierten von Swiss Olympic -
wenn ich mich so herumhöre, ist man eigentlich mit dem      entgegen dem Antrag des Exekutivrates - der Kandidatur
heutigen Angebot zufrieden. Wir sehen auch, dass die        Bern den Vorzug zu geben. In einer Volksabstimmung
Plätze jährlich wachsen. Es ist so, dass damals im Gesetz   hat die Bevölkerung des Kantons Bern die Unterstützung
klar festgelegt wurde im Art. 4, Frau Grossrätin Casano-    dieser Kandidatur abgelehnt.
va hat ihn zitiert, dass die Gemeinden den Bedarf festle-   In den letzten vier Jahren haben diverse Regionen unse-
gen in Zusammenarbeit mit den anderen. Das war der          res Landes bei Swiss Olympic das grundsätzliche Inte-
Gedanke, dass die Gemeinden, die ja letztlich neben dem     resse an einer zukünftigen Kandidatur für Olympische
Kanton bezahlen, ihr Recht haben, hier mitzusprechen        Winterspiele in der Schweiz angemeldet. Swiss Olympic
und dass sie nicht einfach Angebote bezahlen müssen,        hat eine Task Force beauftragt, entsprechende Vorabklä-
die Dritte festlegen. Das war der Grundgedanke. Frau        rungen zu treffen, und entschieden, die Idee einer Kan-
Casanova hat das aber richtig gesagt, in den Protokollen    didatur weiterzuverfolgen. Sie hat verschiedene Regio-
findet man keine Auslegung zu diesem Artikel und dar-       nen schriftlich eingeladen, bis Mitte November 2010
um kam Ihre Frage. Und ich kann Ihnen bestätigen: Wir       Swiss Olympic mitzuteilen, ob bei ihnen das Interesse an
sind auch Ihrer Meinung, dass es so ist, wie Sie gesagt     einer Kandidatur vorhanden sei.
haben, dass die geplanten Stunden für bestehende            Die Regierung des Kantons Graubünden hat an ihrer
Betreuungsverhältnisse von den Gemeinden zu akzeptie-       Sitzung vom 31. August 2010 diese Anfrage positiv zur
ren sind, die sind bekannt. Man kann nicht plötzlich        Kenntnis genommen und das Departement für Volks-
einer Familie sagen: Sie können nächstes Jahr aus Spar-     wirtschaft und Soziales beauftragt, mit den Bündner
gründen Ihr Kind nicht mehr in eine Krippe bringen.         Gemeinden der Kandidatur Davos 2010 abzuklären, ob
Dass aber zusätzliche Betreuungsstunden, die nicht          sie grundsätzlich bereit sind, an einer neuen Kandidatur
budgetiert sind, auch nachträglich gemeldet werden, dass    für Olympische Winterspiele mitzuarbeiten.
die Gemeinde hier individuell entscheiden kann unter        Die fünf angefragten Bündner Gemeinden haben ihr
Beachtung der gesetzlichen Zielsetzung. Wir sind mit        grundsätzliches Interesse an einer Kandidatur bzw. ihre
dieser Interpretation einverstanden.                        Bereitschaft bekundet, sie zu prüfen. Die Regierung hat
                                                            von diesen positiven Antworten Kenntnis genommen
Casanova-Maron: Ich möchte aufgrund dieser Proto-           und mit Regierungsbeschluss vom 2. November 2010
kollerklärung in Absprache mit den Mitunterzeichnerin-      Swiss Olympic das Interesse des Kantons Graubünden
nen und Mitunterzeichnern den Auftrag zurückziehen.         an einer Kandidatur für Olympische Spiele mitgeteilt.
Ich bin für einmal zufrieden mit dem Spatz in der Hand      Parallel dazu hat der Bundesrat am 1. September 2010 in
und lasse die Taube auf dem Dach.                           der Antwort auf die Anfragen von Nationalrat Tarzisius
                                                            Caviezel zu Olympischen Winterspielen in der Schweiz
Casanova-Maron zieht den Auftrag zurück                     geantwortet, dass die Schweiz je nach Rahmenbedingun-
                                                            gen in der Lage sei, Olympische Winterspiele zu organi-
Standespräsidentin Bucher-Brini: Somit lassen wir die       sieren; dass eine Kandidatur von Swiss Olympic, der
Taube auf dem Dach und der Vorstoss ist zurückgezo-         Wirtschaft, von Bund, Kantonen und Gemeinden von
gen. Wir kommen zum Fraktionsauftrag der FF betref-         Anfang an gemeinsam getragen werden müsse; dass
fend Bewerbung für Olympische Winterspiele. Die Re-         sportliche Grossanlässe das Image eines Staates positiv
19. April 2011                                                                                                   755

beeinflussen würden; dass für Stimmbürgerinnen und         sich nebst dem positiven Image ergeben, liegen auf der
Stimmbürger ein plausibles Kosten-Nutzen-Verhältnis        Hand. Wichtige Investitionen in Infrastrukturprojekte
aufgezeichnet werden müsse, bestehende Infrastrukturen     wie Verkehr oder auch IT-Infrastruktur, mit der Er-
zu nutzen und Investitionen unter der Optik der Nachhal-   schliessung z.B. von Glasfaser, wie wir das heute Mor-
tigkeit zu tätigen seien.                                  gen diskutiert haben, werden forciert. Von diesen Inves-
Zum jetzigen Zeitpunkt ist es nach Rücksprache mit dem     titionen profitiert unser Kanton auch noch lange nach
Präsidenten von Swiss Olympic, Jürg Schild, nicht erfor-   allfälligen Winterspielen.
derlich, ein Dossier zu erarbeiten oder mit weiteren       Ich teile die Meinung, dass die Sportler wieder in den
Kantonen und Gemeinden ausserhalb von Graubünden           Vordergrund gerückt werden sollten. Die Olympischen
Kontakt aufzunehmen und Zusammenarbeitsabsichten zu        Spiele sollten wieder zu ihrem Ursprung zurückfinden.
vereinbaren. Es besteht somit noch kein Dossier, welches   Aber die Diskussion haben nicht wir, sondern andere
dem Grossen Rat offen gelegt werden könnte. Sollte es      Gremien zu führen. Wir durften den Medien erfreuli-
zu einer Schweizer Kandidatur mit massgeblicher Betei-     cherweise entnehmen, dass diese Diskussion geführt
ligung Graubündens kommen, wird der Grosse Rat mit         wird.
einer Botschaft über die Teilnahme zu entscheiden ha-      Was mir in der Antwort der Regierung fehlt, ist ihre
ben.                                                       aktive Rolle in den ganzen Vorbereitungen und Diskus-
Die Regierung ist bereit, im Sinne dieser Ausführungen     sionen. Auf diese Rolle wurde in der Antwort der Regie-
den Antrag entgegenzunehmen.                               rung nicht oder nur marginal eingegangen. Dass die
                                                           Regierung hier nicht aktiver informiert und z.B. über das
Koch (Igis): Da ich über mindestens einen Antrag aus       Grobkonzept oder den Besuch Ende Januar in Bern
der Ratsmitte informiert bin, wünsche ich Diskussion.      informiert hat, lässt auch Zweifel an der Informationspo-
                                                           litik aufkommen, zumal gerade dies mit dem Auftrag
Antrag Koch                                                gefordert wurde. Erlauben Sie mir hier eine Frage: Ist die
Diskussion                                                 Regierung bereit, zukünftig aktiver zu diesem Thema zu
                                                           informieren? Die Zeit hat hier jedoch auch einiges zu
Standespräsidentin Bucher-Brini: Es wird Diskussion        Tage gebracht. Wir begrüssen die aktuelle Entwicklung
beantragt. Wer dieser zustimmen möchte, möge sich          und sind in Anbetracht der Tatsache, dass eine Arbeits-
bitte erheben. Eine Mehrheit. Danke. Herr Koch.            gruppe, die vom Dachverband im Januar gestellten Fra-
                                                           gen fristgerecht beantwortet hat, bereit, den Auftrag im
Abstimmung                                                 Sinne der Regierung zu überweisen und möchten uns für
Diskussion wird mit offensichtlichem Mehr beschlossen.     die nun aktive Rolle der Regierung bedanken und hoffen
                                                           zukünftig auf eine wohlwollende Informationspolitik.
Koch (Igis): Ich danke der Regierung für Ihre Antwort
und die Aufarbeitung der Geschichte auf den in der         Hartmann (Champfèr): Als Olympiakind der Olympiade
Oktobersession 2010 eingereichten Auftrag der Freien       1948 in St. Moritz kann ich das Vorgehen der Regierung
Fraktion. Wir sind grundsätzlich mit der Antwort der       voll unterstützen und bin auch der Meinung, dass Grau-
Regierung zufrieden. Mit dem Auftrag ging es der Freien    bünden solang als möglich am Ball bleiben muss, nach-
Fraktion vor allem darum, Licht ins Dunkle zu bringen      dem der Sportminister, Herr Bundesrat Ueli Maurer, und
und den Anschluss gegenüber anderen Kantonen oder          Swiss Olympic eingesehen haben, dass für eine Kandida-
Regionen nicht zu verpassen sowie die Diskussion um        tur nur eine Schweizer Kandidatur erfolgreich sein kann.
Olympische Spiele zu forcieren. Unserer Meinung nach       Auch die Rahmenbedingungen müssen von Anfang an
ist dies gelungen und kann als durchaus positiv bewertet   klar sein, wie sie vom Sportminister und Swiss Olympic
werden. Es ist klar, ein solches Projekt findet immer      gestellt sind, nämlich weisse Spiele, einfache Spiele,
Gegner. Hier jedoch, wie schon einmal, eine grundsätzli-   zurück in Wintersportorte, kurze Wege, Entwicklungs-
che Volksabstimmung zu fordern, ohne jegliche Ideen,       perspektiven, Sicherheit, ökologisch finanzielle Folgen,
Konzepte, Pläne oder gar Kosten vorlegen zu können, ist    Nachhaltigkeit und Kostentransparenz.
meiner Ansicht nach gar weit hergeholt. Ein solches        Und nun die Stimme aus St. Moritz: Der St. Moritzer
Anliegen hat dieser Rat zum Glück in einem weisen          Gemeindevorstand ist bereit, unter diesen Voraussetzun-
Entscheid bereits schon einmal abgelehnt. Denn wie soll    gen mitzumachen. Ebenfalls wurde der St. Moritzer
ohne eine fundierte Basis ein Abstimmungskampf ge-         Gemeinderat darüber informiert sowie die Gemeindeprä-
führt werden, meine Damen und Herren?                      sidenten des Oberengadins. Am 1. April hat Swiss-Ski
Es gibt nur sehr wenige Länder weltweit, welche in         einen Projektleiter eingestellt. Am 3. November wird das
einem solchen Ausmass mit Wintersport in Verbindung        Sportparlament den Entscheid fällen: Kandidatur ja/nein
gebracht werden wie die Schweiz. Die vergangenen           und in welchem Ort. Anschliessend finden Gemeindeab-
Olympischen Winterspiele in der Schweiz haben dazu         stimmungen in St. Moritz/Davos statt. Sicher wird es
sicherlich einen enormen Beitrag geleistet, führt man      auch zu einer kantonalen Abstimmung in Graubünden
sich als Beispiel nur die Entwicklung von St. Moritz       kommen. Ich teile das Vorgehen der Arbeitsgruppe vom
innerhalb der vergangenen 100 Jahre vor Augen. Ich bin     Initianten Nationalrat Tarzisius Caviezel, Regierungsrat
überzeugt davon, dass dies zu unserem Status als Top-      Hansjörg Trachsel, Gemeindepräsident St. Moritz Sigi
Urlaubsdestination beigetragen hat. Jetzt einfach so       Asprion, Landamman Hans Peter Michael, Davos, Gau-
salopp alles zu verwerfen oder eine Chance zu verpas-      denz F. Domenig, Projektleiter Graubünden, und Hugo
sen, wäre gar etwas kurzsichtig. Die Vorteile, welche      Wetzel, Präsident Tourismusorganisation Engadin St.
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