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SMF – FMS Schweizerisches Medizin-Forum – Forum Médical Suisse – Forum Medico Svizzero – Forum Medical Svizzer jo u r n al Swiss Peer re d vie we Medical Forum 833 D. Marinescu, C. Pulver, 836 A. P. von Dahlen, 849 P. N. Müller, A. Wons, et al. L. Aceto, G. Eich, et al. F. Ruschitzka, M. Arrigo Akute Oxalat-Nephropathie Dieses Fieber liegt uns Husten bis zum Umfallen bei chronischer Pankreatitis am Herzen 51–52 18. 12. 2019 With extended abstracts from “Swiss Medical Weekly” Schärfen Sie Ihren klinischen Blick mit den Fallberichten im SMF! Offizielles Fortbildungsorgan der FMH Organe officiel de la FMH pour la formation continue Bollettino ufficiale per la formazione della FMH Organ da perfecziunament uffizial da la FMH www.medicalforum.ch Published under the copyright license “Attribution – Non-Commercial – NoDerivatives 4.0”. No commercial reuse without permission. See: http://emh.ch/en/services/permissions.html
INHALTSVERZEICHNIS 825 Redaktion Advisory Board Prof. Dr. Nicolas Rodondi, Bern (Chefredaktor); PD Dr. Daniel Franzen, Zürich; Dr. Jérôme Gauthey, Biel; Prof. Dr. Martin Krause, Münsterlingen (stellvertretender Chefredaktor); Dr. Francine Glassey Perrenoud, La Chaux-de-Fonds; Dr. Ana M. Cettuzzi-Grozaj, Basel (Managing editor); Dr. Daniel Portmann, Winterthur; Prof. Dr. Claudio Sartori, Lausanne; Prof. Dr. Stefano Bassetti, Basel; Prof. Dr. Idris Guessous, Genf; Prof. Dr. Sven Streit, Bern Prof. Dr. Reto Krapf, Liestal; Prof. Dr. Klaus Neftel, Bern; Prof. Dr. Gérard Waeber, Lausanne; Prof. Dr. Maria Monika Wertli, Bern Editorial S. Bassetti, K. Neftel 828 Schärfen Sie Ihren klinischen Blick mit den Fallberichten im SMF! Zum Jahresende präsentiert das Swiss Medical Forum eine Auswahl von «Besonderen Fällen». Kurz und bündig R. Krapf 829 Kurz und bündig Damit Sie nichts Wichtiges verpassen: unsere Auswahl der aktuellsten Publikationen. Der besondere Fall D. Marinescu, C. Pulver, A. Wons, J. Neuweiler, I. Binet, D. Tsinalis a r tic le 833 Akute Oxalat-Nephropathie bei chronischer Pankreatitis Peer re v ie we d Ein 85-jähriger Patient stellte sich auf der Notaufnahme vor, da er wegen rezidivieren- den Erbrechens seit etwa vier Tagen nicht mehr essen und nur geringe Mengen trinken konnte. A. P. von Dahlen, L. Aceto, G. Eich, C. Huber, E. Weber a r tic le 836 Dieses Fieber liegt uns am Herzen Peer re v ie we Eine 65-jährige Philippinin, wohnhaft in der Schweiz, wurde uns bei unklarem Entzündungszustand mit Fieber, d Halsschmerzen, Myalgien im Schulter- und Beckenbereich und Schmerzen in beiden Knien zugewiesen. E. Daetwyler, S. Daetwyler, L. Bönig a r tic le 839 Das Stiff-Person-Syndrom Peer re v ie we Ein 86-jähriger Patient wurde wegen zunehmender Immobilität hospitalisiert. Er klagte über Schmerzen und verhärtete d Muskulatur in Beinen und Rücken. Zudem war es zu einem Gewichtsverlust von über fünf Kilogramm gekommen. C. Tiefenthaller, S. Brand, T. Breitbach, S. Quentin, V. Stenz, M. Krause a r tic le 842 Helicobacter Heilmannii: seltene Ursache einer Antrumgastritis Peer re v ie we Eine 54-jährige Patientin wurde zur ambulanten Gastroskopie zugewiesen aufgrund seit zwei Monaten bestehender, d rezidivierender, drückender, epigastrisch-gürtelförmiger Oberbauchschmerzen. Die Redaktion von Swiss Medical Forum und der Schweizerische Ärzteverlag EMH wünschen allen unseren Leserinnen und Lesern ein gesundes und glückliches neues Jahr. Wir freuen uns darauf, Ihnen auch 2020 interessanten, unabhängigen und fachlich hochstehenden Lesestoff zur Verfügung zu stellen. Published under the copyright license “Attribution – Non-Commercial – NoDerivatives 4.0”. No commercial reuse without permission. See: http://emh.ch/en/services/permissions.html
INHALTSVERZEICHNIS 826 Der besondere Fall M. von Rotz, K. Grimm, C. Arranto, F. Burkhalter, S. Erb, M. Trendelenburg, T. Breidthardt a r tic le 845 Aussergewöhnliche Ursache von Rückenschmerzen Peer re v ie we d Eine 38-jährige Patientin stellte sich auf der Notfallstation vor, da sie seit zwei Wochen unter atraumatischen, immobilisierenden Rückenschmerzen litt. P. N. Müller, F. Ruschitzka, M. Arrigo a r tic le 849 Husten bis zum Umfallen Peer re v ie we Eine 64-jährige Frau wurde zur weiteren Diagnostik und Behandlung zugewiesen aufgrund wiederholter Synkopen. d Die Patientin berichtete von seit zwei Wochen bestehenden Hustenattacken mit zunehmendem Schweregrad. G. M. Stückelberger, M. Santl, M. Röthlin a r tic le 852 Aortoduodenale Fistel Peer re v ie we d Eine 64-jährige Patientin wird aufgrund von Hämatochezie sowie zunehmender Tachykardie und Reduktion des A llgemeinzustandes per Rettungsdienst auf die Notfallstation eingeliefert. M. L. Pron, S. Stadlmann, S. Götschi, J.-H. Beer, A. Erdmann a r tic le 855 Tumor im vorderen Mediastinum, Bizytopenie, Agammaglobulinämie und lichenoide Hautläsionen Peer re v ie we Die notfallmässige Vorstellung des 69-jährigen Patienten erfolgte bei Allgemeinzustandsverschlechterung d mit Husten, Dyspnoe, Fieber, Schüttelfrost und Makrohämaturie. K. D. Hofer, N. Durisch, L. Buser, M. Haberecker, E. Bächli a r tic le 859 Pulmonale Mukormykose Peer re v ie we Ein 67-jähriger Patient mit bekannten myelodysplastischem Syndrom stellte sich aufgrund von Fieber bis 38,5 °C, d Schüttelfrost und Leistungsminderung seit zwei Tagen in der hämatologischen Sprechstunde vor. Swiss Medical Weekly Abstracts of new articles from www.smw.ch are presented at the end of this issue. Swiss Medical Events Veranstaltungen aus dem Kongresskalender auf events.emh.ch. Impressum Swiss Medical Forum – ISSN: Printversion: 1424-3784 / wird. Die kommerzielle Nutzung ist nur Anzeigen: Schweizerisches Medizin-Forum elektronische Ausgabe: 1424-4020 mit ausdrücklicher vorgängiger Erlaub- Markus Süess, Offizielles Fortbildungsorgan der FMH Erscheint jeden 2. Mittwoch nis von EMH und auf der Basis einer Key Account Manager EMH und der Schweizerischen Gesellschaft schriftlichen Vereinbarung zulässig. Tel. +41 (0)61 467 85 04, für Innere Medizin Verlag: EMH Schweizerischer Ärzte Fax +41 (0)61 467 85 56, verlag AG, Farnsburgerstrasse 8, Abonnemente FMH-Mitglieder: markus.sueess@emh.ch 4132 Muttenz, Tel. +41 (0)61 467 85 55, FMH Verbindung der Schweizer a r tic le Fax +41 (0)61 467 85 56, Hinweis: Die angegebenen Dosierun- Peer re Ärztinnen und Ärzte, Elfenstrasse 18, v ie we www.emh.ch gen, Indikationen und Applikationsfor- d 3000 Bern 15, Tel. +41 (0)31 359 11 11, Das Swiss Medical Forum ist im Fax +41 (0)31 359 11 12, dlm@fmh.ch men, vor allem von Neuzulassungen, «Directory of Open Access Journals» © EMH Schweizerischer Ärzteverlag AG s ollten mit den Fachinformationen der (DOAJ) gelistet und erfüllt damit die (EMH), 2019. Das Swiss Medical Forum verwendeten Medikamente verglichen Vorgabe des SIWF an eine Zeitschrift ist eine Open-Access-Publikation Andere Abonnemente: EMH Schweize- werden. mit Peer reviewing. von EMH. Entsprechend gewährt EMH rischer Ärzteverlag AG, Abonnemente, allen Nutzern auf der Basis der Creative- Farnsburgerstrasse 8, 4132 Muttenz, Herstellung: Die Medienmacher AG, Redaktionsadresse: Eveline Commons-Lizenz «Namensnennung – Tel. +41 (0)61 467 85 75, Muttenz, www.medienmacher.com Maegli, Redaktionsassistentin SMF, Nicht kommerziell – Keine Bearbei Fax +41 (0)61 467 85 76, abo@emh.ch EMH Schweizerischer Ärzteverlag AG, tungen 4.0 International» das zeitlich Farnsburgerstrasse 8, 4132 Muttenz, unbeschränkte Recht, das Werk zu ver Abonnementspreise: zusammen Tel. +41 (0)61 467 85 58, vielfältigen, zu verbreiten und öffentlich mit der Schweizerischen Ärzte- Fax +41 (0)61 467 85 56, zugänglich zu machen unter den Bedin- zeitung 1 Jahr CHF 395.– / Studenten Titelbild: office@medicalforum.ch, gungen, dass (1) der Name des Autors CHF 198.– zzgl. Porto; ohne Schweize- © Artem Medvediev | Dreamstime.com www.medicalforum.ch genannt wird, (2) das Werk nicht für rische Ärztezeitung 1 Jahr CHF 175.– / kommerzielle Zwecke verwendet wird Studenten CHF 88.– zzgl. Porto Manuskripteinreichung online: und (3) das Werk in keiner Weise bear- (kürzere Abonnementsdauern: siehe http://www.edmgr.com/smf beitet oder in anderer Weise verändert www.medicalforum.ch) Published under the copyright license “Attribution – Non-Commercial – NoDerivatives 4.0”. No commercial reuse without permission. See: http://emh.ch/en/services/permissions.html
EDITORIAL 828 Zum Jahresende präsentiert das Swiss Medical Forum eine Auswahl von «Besonderen Fällen» Schärfen Sie Ihren klinischen Blick mit den Fallberichten im SMF! Prof. Dr. med. Stefano Bassetti, Prof. Dr. med. Klaus Neftel Redaktion Swiss Medical Forum Die Fallberichte sind eine zentrale Rubrik im Swiss Me- eines Tests kennen, wie etwa jene des Stuhl-Antigen- dical Forum (SMF). Sie tragen dazu bei, den diagnosti- tests für Helicobacter pylori. Zusätzlich muss aber die schen Blick zu schulen, sie setzen Engramme und we- Vortestwahrscheinlichkeit für das Vorliegen der ge- cken Assoziationen. Für viele Autorinnen und Autoren suchten Krankheit aufgrund der Klinik geschätzt wer- sind ihre im SMF publizierten Fallberichte auch die Pu- den. Das Resultat des «besten» Tests ist wertlos (oder blikation, die sie zur Erlangung des Facharzttitels «All- sogar irreführend), wenn es nicht im klinischen Kon- gemeine Innere Medizin» einreichen. Am Kongress text interpretiert wird, wie das Tiefenthaller et al. in der Schweizerischen Gesellschaft für Allgemeine In- i hrem Fall einer Helicobacter-Heilmannii-Infektion nere Medizin (SGAIM) im Frühjahr 2020 wird ein neuer (Seite 842) vorbildlich getan haben. Poster-Preis für den besten Fallbericht ausgeschrieben Von Rotz et al. illustrieren in ihrem sehr lehrreichen Stefano Bassetti werden. Dieser Preis wird vom SMF gestiftet und wir Artikel «Aussergewöhnliche Ursache von Rücken- sind schon sehr gespannt auf die Einreichungen! schmerzen» (Seite 845) das diagnostische Wechselbad, Gut verfasste Fallberichte sind ausserordentlich lehr- in das man bei der Konfrontation mit gewöhnlichen reich, weil sie uns zeigen, wie wir unser klinisches Den- Manifestationen ungewöhnlicher Krankheiten – und ken schärfen und verbessern können. Da die «Schlag- umgekehrt – geraten kann. lichter» der medizinischen Fachgesellschaften künftig «Husten bis zum Umfallen» von Müller et al. (Seite 849) nicht mehr alle gleichzeitig zum Jahresende, sondern ist ein Lehrstück zu den Reflexsynkopen. Der Zuwei- über das Jahr verteilt publiziert werden, haben wir in sungsgrund «Orbitabodenfraktur» führte zur Dia der vorliegenden Sondernummer eine Kollektion von gnose einer Hustensynkope in seltenem Kontext. aktuellen Fallberichten für Sie zusammengestellt. Eine Stückelberger et al. beschreiben in «Aortoduodenale Fis- zweite Serie folgt in der übernächsten Nummer. tel» (Seite 852) eine seltene, aber lebensbedrohliche Form Klaus Neftel Der Beitrag «Akute Oxalat-Nephropathie bei chroni- einer gastrointestinalen Blutung bei vorbestehender an- scher Pankreatitis» von Marinescu et al. (Seite 833) eurysmatischer Erkrankung der Bauchaorta, die bei frü- zeigt, wie wichtig es ist, dass man sich die pathophysio- her Diagnosestellung beherrscht werden kann. logischen Mechanismen überlegt, die zu einem Symp- Vor eine diagnostische und therapeutische Herausfor- tom oder einer Organfunktionsstörung führen. Ist die derung sahen sich Pron et al. bei einer Raumforderung angenommene Ursache auch tatsächlich die richtige? im vorderen Mediastinum und einem komplexen Von Dahlen et al. demonstrieren mit «Dieses Fieber Krankheitsbild gestellt: «Tumor im vorderen Mediasti- liegt uns am Herzen» (Seite 836), dass die genaue Er- num, Bizytopenie, Agammaglobulinämie und licheno- kennung und Erfassung der Leitsymptome (z.B. als «ty- ide Hautläsionen» (Seite 855). Das Akronym 4-T hilft uns pische» Trias) zur korrekten Diagnose auch von bei uns in der Differentialdiagnose der mediastinalen Raum- seltenen Krankheiten wie einem akuten rheumati- forderung: Thymom, Thyroidea, «terrible lymphoma», schen Fieber führt. Teratom? Ebenso wegweisend für die korrekte Diagnose ist die Hofer et al. haben in ihrem Beitrag «Pulmonale Mukor- sorgfältige Erhebung und Einordnung von klinischen mykose» (Seite 859) anhand eines typischen Falles eine Befunden, wie im Fallbericht «Das Stiff-Person-Syn- Miniübersicht zu einer seltenen opportunistischen In- drom» von Daetwyler et al. beschrieben wird (Seite fektion zusammengestellt. 839). Zentral für das klinische Denken ist weiter die korrekte Wir wünschen Ihnen, liebe Leserinnen und Leser, eine Interpretation von Testresultaten. Dafür muss man Ei- spannende Lektüre, frohe Festtage und einen guten genschaften (Sensitivität, Spezifität) und Limitationen Rutsch ins neue Jahr! SWISS MEDICAL FORUM – SCHWEIZERISCHES MEDIZIN-FORUM 2019;19(51–52):828 Published under the copyright license “Attribution – Non-Commercial – NoDerivatives 4.0”. No commercial reuse without permission. See: http://emh.ch/en/services/permissions.html
KURZ UND BÜNDIG 829 Das «Kurz und bündig» noch aktueller lesen: «online first» unter w w w.medicalforum.ch Kurz und bündig Prof. Dr. med. Reto Krapf den Fall wirken sie mehr auf Angst- als auf Depres Fokus auf … Medikamenteninduzierte Ösophagitis sionssymptome und ein Effekt ist erst nach zwei bis drei Monaten abzuschätzen. Einmal verschrieben, Medikamente müssen sie laut Empfehlungen sechs Monate über die – Orale Bisphosphonate Beschwerdefreiheit (-armut) hinaus weiter ein ge – Tetrazykline und Clindamycin nommen werden. Viele Patient(inn)en führen die – Nichtsteroidale Antirheumatika (NSAR) Therapie aber trotzdem weiter, unter anderem wegen – Kaliumchlorid (KCl) und selten andere (Fallberichte) des Absetz- oder Entzugseffektes. Also nach wie vor ein schwieriger und wörtlich weitreichender Ent Risikofaktoren scheid … – Vorbestehende funktionelle und strukturelle Ösophagusveränderungen – Einnahme in liegender Position Lancet Psychiatry 2019, doi.org/10.1016/S2215-0366(19)30366-9. – Alter Verfasst am 21.10.2019. Pathogenese Nicht nur beim amerikanischen Fussball – Medikamente als Säuren Wie sähe er aus, wie interessant bliebe die englische – Lokale Hyperosmolalität (KCl) Version dieses weltweit am häufigsten betriebenen – Zellwandschäden (NSAR) Ballsports ohne Kopfballspiel? Vielleicht werden wir Ein eindrücklicher Fall einer Tetrazyklin-induzierten Ösophagitis in: Lancet 2019, das schon bald erfahren, denn laut Informationen aus doi.org/10.1016/S0140-6736(19)32565-6. dem Gesundheitsregister von knapp 8000 ehemaligen Verfasst am 11.11.2019. schottischen Fussballprofis (geboren vor 1977) hatten diese (im Vergleich zu dreimal mehr Kontrollindivi duen) eine signifikant erhöhte Wahrscheinlichkeit, Praxisrelevant eine zentralnervöse degenerative Erkrankung zu erlei Antidepressiva in der Hausarztpraxis den. Basis für die Analyse waren Todesursachen, ein Antidepressiva haben in ihrer Kernindikation einen Index der sozialen Isolierung und die Verschreibehäu schweren Stand. Sie bewirken einen statistisch signifi figkeit von Demenzmedikamenten. Torhüter scheinen kanten, wenn auch bescheidenen Effekt bei ausgepräg vor dieser Entwicklung relativ geschützt, was rezidivie ten depressiven Episoden. Leider wirken sie bei einem rende Traumata als Folge von Kopfballstössen als Drittel bis zur Hälfte der Patient(inn)en gar nicht. Eine wahrscheinlichste Ursache nahelegt. Allerdings war Personalisierung der antidepressiven Therapie ist also die demenzbedingte Mortalität bei Torhütern nicht ge dringend. Was ist aber ihr Effekt bei weiterhin un ringer. Insgesamt lag die Gesamtmortalität bis etwa selektionierten Patient(inn)en in der Hausarztpraxis? zum 70. Altersjahr vor allem wegen geringerer kardio Hausärztinnen und -ärzte (ohne Pharma-Sponsoring) vaskulärer Ursachen bei Profifussballern tiefer, stieg behandelten in der PANDA-Studie Patient(inn)en mit danach aber – demenzbedingt – signifikant über jene Depression und Angststörungen plazebokontrolliert der Kontrollgruppe an. mit dem Antidepressivum Sertralin. Die Diagnose N Engl J Med. 2019, doi.org/10.1056/NEJMoa1908483. wurde im Wesentlichen mit einem Fragenbogen (PHQ- Verfasst am 08.11.2019. 9) gestellt. Nach sechs Wochen war die Depression un ter Plazebo und Antidepressivum gleich unbeeinflusst, «Vaping illness»: ein toxisches Vitamin? nach 12 Wochen unter letzterem leicht, aber signifikant Tocopherole (alpha, beta, gamma, «Vitamin E») werden besser. Allerdings waren die Angstsymptomatik sowie in die doppelschichtige, aus Phospholipiden und Cho die subjektiv beurteilte «allgemeine Lebensqualität» lesterol bestehende Zellmembran eingebaut und er und «geistige Gesundheit» deutlich und signifikant höhen dort die sogenannte Gelphase auf Kosten der besser unter Sertralin. festen (soliden) Phase der Membran, induzieren also Also Antidepressiva in der Hausarztpraxis häufiger quasi eine Membranverflüssigung (gut bekannt von verschreiben, wie die Autoren empfehlen? Auf je In-vitro-Tests bei humanen Thrombozyten [1]). In der SWISS MEDICAL FORUM – SCHWEIZERISCHES MEDIZIN-FORUM 2019;19(51–52):829–832 Published under the copyright license “Attribution – Non-Commercial – NoDerivatives 4.0”. No commercial reuse without permission. See: http://emh.ch/en/services/permissions.html
Kurz und Bündig 830 Flüssigkeit der Bronchiallavage von Patient(inn)en mit behandelt [1]. Die meisten Patient(inn)en erhielten zu «vaping illness» wurde Vitamin-E-Acetat, aber nicht sätzlich den Neuraminidasehemmer Oseltamivir. Ob andere der auch inkriminierten Additiva (Pflanzenöle, wohl die Immunglobuline einen signifikant höheren Petrol, Terpene etc.) gefunden [2]. Vitamin E wurde Titeranstieg (gemessen mit der Hämagglutinations in allen 29 untersuchten Proben von Erkrankten ge hemmung) induzierten, war ein klinischer Nutzen funden, wobei in 28 der 29 Fälle auch Tetrahydrocan (Tod, Hospitalisationen, Sauerstoffbedarf, Intensivsta nabinol (THC) nachweisbar war, inklusive bei drei tionsbedürftigkeit) bei Influenza A nicht nachweisbar. Patient(inn)en, die eine THC-Einnahme verneinten. Die Wahrscheinlichkeit solcher Endpunkte bei Infekt Vitamin E wird dem THC zugesetzt, zumindest in den mit Influenza B war aber bei der Immuntherapie signi USA. Vitamin-E-Acetat könnte die Zellmembranen in fikant tiefer («odds ratio» um 3,2 für alle Endpunkte zu den Alveolen oder die Surfactant-Flüssigkeit direkt sammen). Eine zweite Studie – fokussierend auf den Ef schädigen. Eine Interventionsstudie wohl an einem fekt bei Influenza A – kommt für diesen Infekt zum Tiermodell wäre wichtig. Der offizielle, für das Auffin gleichen Schluss [2]. den weiterer Information wichtige Name für diese 1 Lancet Respir Med. 2019, doi.org/10.1016/S2213-2600(19)30253-X Krankheit ist übrigens: «e-cigarette, or vaping, product 2 Lancet Respir Med. 2019, doi.org/10.1016/S2213-2600(19)30199-7. use associated lung injury», einfacher EVALI. Bis zum Verfasst am 08.11.2019. 11. November 2019 sind gut 2100 EVALI-Fälle gemeldet, die Mortalität betrug etwa 2%. Prävention der ventilatorassoziierten Pneumonie 1 Biochem Biophys Res Com 1982, Im Gegensatz zu einer früheren, (zu) kleinen, unizen doi.org/10.1016/0006-291X(82)91787-9. trischen Studie führte die plazebokontrollierte Gabe 2 MMWR Morb Mortal Wkly Rep.. 2019, von Amoxicillin/Clavulansäure (3× 1,2 g/Tag für 2 Tage) doi.org/10.15585/mmwr.mm6845e2. bei Patient(inn)en mit Reanimation nach Herzkreis Verfasst am 11.11.2019. laufstillstand ausserhalb des Spitals zu einer Reduk tion der Inzidenz einer frühen (erste 7 Tage) ventilator Für Ärztinnen und Ärzte am Spital assoziierten Pneumonie um fast die Hälfte, bei allerdings bescheidener Signifikanz (p = 0,03). In dieser Immunglobuline: ohne Nutzen bei Influenza A, multizentrischen, französischen Studie gehörte eine dafür bei B? artifizielle Hypothermie von 32–34 oC zum Protokoll In einer Studie über fünf Grippesaisons (2013/14– beider Gruppen, die je 99 Patient(inn)en umfassten. 2017/18) in verschiedenen Ländern wurden über 18-jäh Andere Infekte wie katheterassoziierte Infekte oder rige (im Falle von Frauen nicht schwangere) Patient(inn) Harnwegsinfekte wurden nicht signifikant beeinflusst. en mit Influenza A oder B doppelblind, prospektiv, ran N Engl J Med. 2019, doi.org/10.1056/NEJMoa1812379. domisiert entweder einmaIig mit Immunglobulinen Verfasst am 08.11.2019. (0,25 g/kg Körpergewicht, n = 168) oder Plazebo (n = 161) Neues aus der Biologie Genetik von Krebsgenomen: Wirksamkeits hinweise für bekannte Medikamente Diese Studie macht wieder einmal auf die zu limitiert und zu wenig benutzte Möglichkeit der Tumorgenetik aufmerksam: Bei Analyse des gesamten Exoms (aller in RNA/Proteine übersetzten DNA-Abschnitte, sogenann tes «whole exome sequencing») von Zervixkarzino men wurden eine Reihe von Mutationen in verschiede nen zellulären Prozessen (Wachstumsregulierung, Apoptose, Zellzyklusmechanismen etc.) gefunden. Der mTOR-Weg erwies sich als speziell erfolgversprechend für eine Intervention, und Mutationen in ihm erklären mindestens 70% der Zervixkarzinomentstehung. Me Grippeverlauf 2019/2020 in der Schweiz: Anzahl wöchentlicher Konsultationen aufgrund dikamente, die den mutierten Rezeptor des epiderma grippeähnlicher Erkrankungen, hochgerechnet auf 100 000 Einwohner (Woche 48/2019). Quelle: Bundesamt für Gesundheit (BAG). Saisonale Grippe – Lagebericht Schweiz len Wachstumsfaktors (HER, bekannt vom Mamma 48/2019, © BAG. www.bag.admin.ch/rapport-grippe. karzinom) irreversibel hemmen, in Kombination mit SWISS MEDICAL FORUM – SCHWEIZERISCHES MEDIZIN-FORUM 2019;19(51–52):829–832 Published under the copyright license “Attribution – Non-Commercial – NoDerivatives 4.0”. No commercial reuse without permission. See: http://emh.ch/en/services/permissions.html
Kurz und Bündig 831 tierte Arbeit wird immer noch als Evidenz dafür an gesehen, dass die Differentialdiagnose normal oder Wachstumsfaktoren «wahnsinnig» («sane or insane») schwierig war oder Neratinib* Rezeptor für epidermalen vielleicht immer noch ist [1]. Eine Journalistin deckte in Wachstumsfaktor = HER aufwendiger Recherche Ungenauigkeiten und fehlende Informationen auf und hat diese in Buchform eben pu Phosphoinositol-3- Copanlisib* bliziert [2]. Ob dadurch die zentralen Konklusionen der Kinase (PI3K) Publikation ungültig werden, bleibt unklar. Der Autor kann sich nicht mehr wehren, da er vor ein paar Jah AKT ren verstorben ist. Allerdings dürfte seine Arbeit die DNA-Korrektur- Problematik zumindest überzeichnet haben. In den mechanismen frühen 70er Jahren gab es nämlich eine wichtige Zellwachstum und Zell- «Anti-Psychiatrie»-Bewegung, was die Rezeption der Eiweisssynthese Studie bei Reviewern und Lesern einseitig beeinflusst Regulation Stoffwechsel haben könnte. Aus literarischer Sicht ist ihr Titel ziem der Apoptose lich bemerkenswert («On being sane in insane places») … 1 Science 1973, doi.org/10.1126/science.179.4070.250. Aktivierende Tumormutationen 2 Callahan S. «The Great Pretender». 1st ed. New York: The Grand Central Publishing; 2019. * In der Studie verwendete irreversible Hemmer Verfasst am 12.11.2019. Hemmsubstanzen gegen aktivierende Mutationen beim Zervixkarzinom. AKT, auch unter dem Namen Protein Kinase B bekannt, ist eine Serin/Threonin-Kinase. Auch noch aufgefallen Kinasen fügen ihrer Zielsubstanz ein Phosphat hinzu (Phosphorylierung). Orale HPV-Infektionen und Effekt der Impfung Hemmsubstanzen der nach der Rezeptorwirkung fol in der weiblichen Adoleszenz genden, ebenfalls mutierten intrazellulären Signal Orale Infekte mit humanen Papillomaviren (HPV) kön übermittelungen erwiesen sich als hochwirksam in nen unter anderem durch oralen Sex übertragen wer der Induktion und Erhaltung einer Zervikarzinom-Re den. Etwa 10% der sexuell aktiven Männer und knapp mission (tierexperimentell, Xenotransplantate, siehe 4% der sexuell aktiven Frauen weisen einen oralen Abbildung). HPV-Infekt auf, wobei die Häufigkeit mit dem Alter (in Proc Natl Acad Sci U S A. 2019, doi.org/10.1073/pnas.1911385116. nerhalb der sexuell aktiven Lebensspanne) zunimmt. Verfasst am 11.11.2019. Meist sistiert der Infekt nach 1–2 Jahren spontan. Wa rum er bei einer Subgruppe persistiert und dann für Immer noch lesenswert ... 70% (wohl meist in Kombination mit Nikotin- und oder lieber vergessen? Alko holabusus) der Oropharynxkarzinome verant wortlich wird, ist nicht bekannt. Die HPV-Vakzinie Undercover in der Psychiatrie rung richtet sich auch gegen die tumorigenen HPV-Ty 1970–1972 liessen sich acht «normale» Menschen (dar pen im Oropharynx, ob dadurch auch oropharyngeale unter auch der Einzelautor) in acht verschiedene Karzinome reduziert werden, ist zu erwarten, aber psychiatrische Kliniken einweisen mit der Hauptbe nicht bewiesen [1]. 92% von 1259 weiblichen, nach eige schwerde auditiver Halluzinationen. Ausser einer ge nen Angaben sexuell aktiven Adoleszenten aus New wissen nervösen Spannung zu Beginn, die darauf grün York (Bronx, etwa zur Hälfte Schwarze und Hispanike dete, dass sie Angst hatten, entdeckt zu werden, fühlten rinnen) berichteten, oralen Sex zu haben / gehabt zu sie sich in der Klinik wohl. Verwunderung machte sich haben. Gut 6% waren zu Beginn der Studie oral HPV- bei ihnen breit, wie einfach die Selbsteinweisung um positiv. Diese Positivität ging über vier Jahre etwa auf gesetzt wurde. Sofort nach Eintritt erklärten die acht die Hälfte zurück. HPV-Vakzinierte hatten ein fünffach Proband(inn)en, dass die Symptome verschwunden kleineres Risiko eines Infektes mit den entsprechen seien und verhielten sich angeblich wie zuhause (hal den HPV-Vakzinetypen (HPV 6, 11, 16, 18; [2]). fen bei Stationsverrichtungen und suchten Gespräche 1 w ww.cdc.gov/cancer/hpv/basic_info/hpv_oropharyngeal.htm. mit Mithospitalisierten und dem Personal). Es gelang 2 JAMA Netw Open. 2019, doi.org/10.1001/jamanetworko- den Fachkräften anscheinend in keinem Fall, die seeli pen.2019.14031. sche Gesundheit dieser Leute zu erkennen. Die weit zi Verfasst am 22.11.2019. SWISS MEDICAL FORUM – SCHWEIZERISCHES MEDIZIN-FORUM 2019;19(51–52):829–832 Published under the copyright license “Attribution – Non-Commercial – NoDerivatives 4.0”. No commercial reuse without permission. See: http://emh.ch/en/services/permissions.html
Kurz und Bündig 832 Ein «neues» Antibiotikum für die ambulant unterbreitet (Aktienpreis wieder plus 80 US-Dollars). erworbene Pneumonie Bei längerer und hochdosierter (daher wohl auch teu Pleuromutilin ist ein seit den 1950er Jahren bekanntes rerer) Anwendung sollen gewisse Patient(inn)en (Da Antibiotikum aus dem Pilz Pleurotus mutilus (daher sein ten nicht separat publiziert, nachträgliche Subgrup Name), das via Bindung an die ribosomale RNA die bak pen-Analyse) einen langsameren Verlauf aufweisen. terielle Proteinsynthese hemmt. Semisynthetische De Nature 2019, doi.org/10.1038/d41586-019-03261-5. rivate von Pleuromutilin wurden bislang in der Tierme Verfasst am 11.11.2019. dizin und in topischer Applikation für die Impetigo (Retapamulin 1% [Altargo®]) angewendet. Ein anderes Zytomegalie als Wegbereiter für Tuberkulose Derivat, Lefamulin (Zulassung durch die «Food and bei Kindern Drug Administration» im August 2019), wurde per os im Die Immunantwort auf einen Zytomegalie Primoinfekt Vergleich mit Moxifloxacin für die Behandlung ambu kann zu einer erhöhten Anfälligkeiten von Kindern auf lant erworbener Pneumonien evaluiert (LEAP2-Studie) Tuberkulose führen. Die Aktivität sogenannter «natural und zeigte eine vergleichbare Wirkung (sog. «non-infe killer cells» und die zelluläre Immunantwort (CD3-CD4- riority»). Allerdings traten Diarrhoe mit 12% etwa zehn CD8) werden durch den Zytomegalie-Infekt unterdrückt mal und Nausea mit gut 5% fast dreimal häufiger auf als und könnten einen Teil der Tuberkulose-Infekte erklä unter Moxifloxacin. In den USA wird das in der Schweiz ren. noch nicht zugelassene Lefalumin (Xenleta™) intrave JCI Insight. 2019, doi.org/10.1172/jci.insight.130090. nös oder oral zu Tagesbehandlungskosten von über 200 Verfasst am 12.11.2019. US-Dollars vermarktet. Somit dürfte diesem Antibioti kum vorerst Reservestatus vorbehalten sein. JAMA 2019, doi.org/10.1001/jama.2019.15468. Wussten Sie? Verfasst am 08.11.2019. Ein 78-jähriger Mann mit multiplem Myelom (IgG- kappa) weist ein Kalzium von 2,23 mmol/l, ein nor- In arbeitsreicher Vorweihnachtszeit: males Kreatinin und eine schwere Hyperphosphat Noch kürzer als bündig! ämie von 12,9 mmol/l auf. Die wahrscheinlichste Ursache der Hyperphosphat Vestibularistraining online ämie ist: Für die Erholung der Vestibularisfunktionen ist ein A) Sekundärer Hypoparathyreoidismus (im Rahmen monatelanges Training wichtig. Mit einem Internet- eines sog. POEMS: Polyneuropathie, Organome- basierten Training konnten in Holland dank einfache galie, Endokrinopathie, M-Gradient, Hautverände- rem Zugang für die Patient(inn)en das Training verbes rungen) sert und die offensichtlich zu wenig verschriebene B) Hämolytische Anämie Therapie auch appliziert werden. C) Pseudohyperphosphatämie BMJ 2019, doi.org/10.1136/bmj.l5922. Die relevante Website für das Training ist: https://balance.lifeguidehealth.org. Verfasst am 11.11.2019. Antwort Die richtige Antwort ist C. Die monoklonalen Myelom-Proteine Zweiter Anlauf für monoklonalen Antikörper können (selten) Phosphat- (wie auch Kalzium-) bindende Eigen- bei Morbus Alzheimer schaften aufweisen. In der Routinediagnostik wird das Gesamt- Der in der Schweiz entwickelte Antikörper (Aduca Phosphat bestimmt. Der Patient war von seiten der Hyperphos- numab) gegen das humane Beta-Amyloid wird von der phatämie symptomlos. Nach Deproteinisierung war das Phosphat normalisiert. Firma Biogen nach einer als negativ beurteilten klini schen Studie (Aktienpreis fiel von 320 auf 220 US-Dol Am J Med2019, doi.org/10.1016/j.amjmed.2019.10.022. lars) nun doch der «Food and Drug Administration» Verfasst am 12.11.2019. SWISS MEDICAL FORUM – SCHWEIZERISCHES MEDIZIN-FORUM 2019;19(51–52):829–832 Published under the copyright license “Attribution – Non-Commercial – NoDerivatives 4.0”. No commercial reuse without permission. See: http://emh.ch/en/services/permissions.html
DER BESONDERE FALL 833 Akutes Nierenversagen als Erstmanifestation Akute Oxalat-Nephropathie bei chronischer Pankreatitis Diana Marinescu a , dipl. Ärztin; Dr. med. Cedric Pulver a ; Dr. med. Annette Wons b ; Dr. med. Jörg Neuweiler c ; Dr. med. Isabelle Binet b ; Dr. med. Dimitrios Tsinalis b Kantonsspital St. Gallen: a Klinik für Allgemeine Innere Medizin; b Klinik für Nephrologie/ Transplantationsmedizin; c Institut für Pathologie Hintergrund Nichtraucher, der Konsum von Alkohol und anderen Drogen wurde verneint. a r tic le Die chronische Oxalat-Nephropathie ist eine bekannte Als Vorerkrankungen bekannt sind ein Diabetes melli- Peer Komplikation einer chronischen Pankreatitis. Im Ge- tus Typ 2, eine arterielle Hypertonie, ein Vorhofflim- re v ie we gensatz dazu wurde die akute Oxalat-Nephropathie mern und eine chronische Niereninsuffizienz CKD d viel seltener in Zusammenhang mit einer chroni- («chronic kidney disease») G3a. Zur regelmässigen Medi- schen Pankreatitis beschrieben, kann jedoch zu einem kation gehören Aspirin®, Bisoprolol, Lisinopril, Janu- oft irreversiblen akuten Nierenversagen führen. Da met® und Insulin Novomix 30. Nichtsteroidale Anti- zu den Risikofaktoren neben einer vorbestehenden rheumatika hat der Patient nicht eingenommen. Nierenschädigung auch akut prärenale Zustände zäh- Der betagte, jedoch rüstig wirkende und afebrile len, ist bei suggestiver Anamnese die Gefahr gegeben, (36,4 °C) Patient mit einem Body-Mass-Index von eine Fehldiagnose aufgrund der häufigeren Ursache 22,8 kg/m² präsentierte sich in deutlich reduziertem zu stellen. Zustand. Es bestand eine Hypotonie (100/47 mm Hg) mit normalem, rhythmischem Puls (67/min) und eine regelrechte Oxygenation (SpO2 98% unter Raumluft). Fallbericht In der klinischen Untersuchung zeigte sich der Patient Anamnese und Status kardiopulmonal kompensiert und neurologisch un- Der 85-jährige Patient stellte sich auf der Notaufnahme auffällig. Es bestanden Zeichen der Exsikkose mit aus- vor, da er wegen rezidivierenden Erbrechens seit etwa getrockneter Mundschleimhaut, leeren Jugularvenen vier Tagen nicht mehr essen und nur geringe Mengen und vermindertem Hautturgor. Keine Petechien. Ab- trinken konnte. Vorangehend sei es bereits seit etwa dominell palpatorisch gab es keine Resistenzen, jedoch einem Monat zu einer deutlichen Verschlechterung eine Druckdolenz im Epigastrium. Sichtbar waren des Allgemeinzustandes mit Diarrhoe und Erbrechen leichte Unterschenkelödeme beidseits. Die digital-rek- gekommen. Eine schleichende Verschlechterung sei tale Untersuchung war unauffällig. Die vom Patienten schon seit etwa einem halben Jahr aufgefallen, ins bereits beschriebene Abnahme der Urinausscheidung besondere durch eine Veränderung des Geschmacks- bestätigte sich, die Diurese lag bei 25 ml innerhalb von empfindens. drei Stunden. Sonographisch wurde eine postrenale In der Anamnese fiel eine hohe Stuhlfrequenz (alle drei Stauung ausgeschlossen. Stunden) auf, wobei der Stuhl als breiig ohne Blutbei- mengung und ohne faulen Geruch beschrieben wurde. Diagnostik Es bestand keine Dysurie oder Pollakisurie, die Urin- Im initialen Labor fielen in erster Linie stark erhöhte portionen hätten jedoch in den letzten 14 Tagen deut- Werte von Kreatinin (1253 µmol/l) und Harnstoff lich abgenommen. In den letzten eineinhalb Jahren (48 mmol/l) auf. Passend dazu bestand eine schwere sei es zu einem unbeabsichtigten Gewichtsverlust von metabolische Azidose (pH 7,03, CO₂ 2,28 kPA, HCO3 ca. 30 kg gekommen, in den letzten zwei Tagen aber zu 4,3 mmol/l, Lactat 1,0 mmol/l). CRP (9 mg/l) und Elek einer Zunahme um 2,5 kg, einhergehend mit einer trolyte waren unauffällig. ALT (57 U/l) und ALP (129 U/l) leichten symmetrischen Beinschwellung. Eine B-Sym- lagen minim über dem Referenzbereich, Bilirubin, AST, ptomatik wurde verneint. In der Reiseanamnese war GGT und α-Amylase waren nicht erhöht. Im Blutbild ein Urlaub in Sizilien bis zwei Wochen vor der Präsen- zeigte sich bei normalen Leukozyten (7,3 G/l) eine hy- Diana Marinescu tation auf der Notaufnahme eruierbar. Der Patient ist poregenerative, normochrom-makrozytäre Anämie SWISS MEDICAL FORUM – SCHWEIZERISCHES MEDIZIN-FORUM 2019;19(51–52):833–835 Published under the copyright license “Attribution – Non-Commercial – NoDerivatives 4.0”. No commercial reuse without permission. See: http://emh.ch/en/services/permissions.html
Der Besondere Fall 834 (Hb 76 g/l, MCH 31 pg; MCHC 309 g/l, Retikulozyten 2%) ein Malignom, es wurde jedoch gastroskopisch ein und eine milde Thrombopenie (133 G/l). Der Urinstatus Barett-Ösophagus nachgewiesen und koloskopisch zeigte keine relevante Erythrozyturie, eine gering wurde vier Polypen ohne höhergradige Dysplasie ab- gradige Leukozyturie konnte bei gleichzeitig massen- getragen. Hinweise auf Sprue, Morbus Whipple, Lam- haft Plattenepithelien durch Kontamination erklärt blien oder mikroskopische Kolitis konnten nicht ge- werden. In der Urinchemie zeigte sich ein konzentrier- funden werden. ter Urin (Dichte 1,018 kg/l, Kreatinin 12,4 mmol/l) mit In der Abdomen-Sonographie zeigte sich ein «double- verhältnismässig niedrigem Natrium (38 mmol/l) und duct-sign» (Dilatation des Ductus hepaticus communis Harnstoff (141 mmol/l). Der Protein-/Kreatinin-Quo und Ductus pancreaticus auf je 9 mm) sowie eine Inho- tient betrug 222 mg/mmol. mogenität des Pankreas, so dass Verdacht auf eine Pan- kreatikolithiasis mit Abflusshindernis bestand. Eine Erste Einschätzung und Therapie Magnetresonanz-Cholangiopankreatikographie (MRCP) Aus diesen Werten ergab sich eine fraktionierte Harn- mit Sekretstimulation zeigte zwei Konkremente im dis- stoffexkretion von 30%, so dass in Zusammenschau talen Ductus pancreaticus mit deutlicher Dilatation, mit der Anamnese und den klinischen Befunden von wobei jedoch der Sekretabfluss unbeeinträchtigt war einer prärenalen Genese des akuten Nierenversagens und unter Sekretinstimulation keine Beschwerden auf- auf Basis einer vorbestehenden diabetischen Nephro- traten. Eine ergänzende Endosonographie bestätigte pathie ausgegangen wurde. Aufgrund der Thrombozy- den Verdacht einer chronischen kalzifizierenden Pan topenie und Anämie erfolgte der Ausschluss einer kreatitis. Als Ursache wurde eine chronische intermit thrombotischen Mikroangiopathie (Haptoglobin und tierende Obstruktion des Ductus pancreaticus gesehen. LDH normal, Fragmentozyten einmalig 1,4%, danach Zusätzlich bestand eine exokrine Pankreasinsuffizienz rasch
Der Besondere Fall 835 Zusammenfassend ist es bei diesem Patienten mit be- Korrespondenz: Diana Marinescu, dipl. Ärztin reits vorbestehender CKD G3a im Rahmen einer chroni- Exokrine Pankreasinsuffizienz mit Klinik für Innere Medizin schen Pankreatitis mit exokriner Pankreasinsuffizienz Zunahme freier Fettsäuren im Stuhl Spital Altstätten F.-Marolani-Strasse 6 zu einer akuten Oxalat-Nephropathie mit in der Folge CH-9450 Altstätten dialysebedürftigen Nierenversagen gekommen. Kalzium- Höhere ancadiana.marinescu[at] Es wurde eine Enzymsubstitution mit Creon® begon- Diarrhoe Bindung durch Permeabilität srrws.ch Fettsäuren Kolonmukosa nen und dem Patienten zur Oxalat-Bindung CaCO3 ver- abreicht. Obwohl auch in der Folge eine ausreichende Diurese erreicht werden konnte, war die Nierenfunk- Mehr freies Höhere Oxalat- Hypovolämie Oxalat Resorption tion mit einer glomerulären Filtrationsrate (GFR) von 6 ml/min auch im Verlauf so gering, dass der Patient weiterhin Hämodialyse-bedürftig blieb. Konzentrierter Hohe Oxalat-Serumspiegel Urin Diskussion Die einer Oxalat-Nephropathie zugrunde liegende me- Akute Oxalat-Nephropathie tabolische Störung ist die Hyperoxalurie, definiert als Oxalurie >0,45 mmol/24 Stunden. Normalerweise Abbildung 2: Pathomechanismen der akuten Oxalat-Nephro- werden im Darm nur 10% des mit der Nahrung zu pathie bei Pankreasinsuffizienz. geführten Oxalats resorbiert, da der grösste Teil mit Kalzium komplexiert und mit dem Stuhl ausgeschie- den wird. Bei exokriner Pankreasinsuffizienz kom- Therapeutisch ist daher von Bedeutung, einerseits eine men mehrere ungünstige Faktoren zusammen (Abb. 2): Hypovolämie zu verhindern und andererseits das Nicht resorbierte Fettsäuren im Darmlumen binden resorbierbare Oxalat im Darmlumen zu reduzieren; Kalzium, womit eine grössere Menge ungebundenes letzteres wird erreicht mit einer Enzymsubstitution Oxalat resorbiert werden kann. Daneben erhöhen der exokrinen Pankreasinsuffizienz, einer kalziumrei- freie Fettsäuren die Permeabilität der Kolonmukosa chen Diät sowie gegebenenfalls Kalziumcarbonat als für Oxalat um bis zu 40% [1]. Die erhöhte Resorption Oxalat-Binder. führt zu einem erhöhten Plasmaspiegel des Oxalats Prognostisch lassen sich betroffene Patienten je nach und damit zu einer erhöhten renalen Ausscheidung. Ausmass eines eventuell vorbestehenden Nierenscha- Speziell bei gleichzeitiger Diarrhoe und damit einher- dens und des Diuresestatus bei der Präsentation in zwei gehender Dehydratation mit Produktion eines kon- Gruppen unterteilen [2]: Patienten mit einer vorgängig zentrierten Urins kommt es rasch zu einer Über- normalen Nierenfunktion und erhaltener Diurese bei schreitung der Löslichkeit und zur Ausfällung von der Präsentation haben gute Chancen, im Verlauf wie- Oxalat-Kristallen in den Tubuli mit Destruktion der der eine ausreichende Nierenfunktion zu erlangen, histologischen Struktur. auch wenn intermittierend ein Nierenersatzverfahren benötigt wird. Im Falle einer vorbestehenden chroni- schen Niereninsuffizienz oder mit initialer Anurie ist Das Wichtigste für die Praxis in über der Hälfte der Fälle mit einer dauerhaften Dia- lysebedürftigkeit zu rechnen. • Die akute Oxalat-Nephropathie ist eine seltene Komplikation einer chro- Disclosure statement nischen Pankreatitis und kann zu einem irreversiblen akuten Nierenver- Die Autoren haben keine finanziellen oder persönlichen Verbindun- sagen führen. Das frühzeitige Erkennen der Ursache ist entscheidend, da gen im Zusammenhang mit diesem Beitrag deklariert. eine rasche Therapie für die Langzeitprognose zentral wichtig ist. Literatur • Bei noch nicht bekannter Pankreatitis besteht die Gefahr, das Nierenver- 1 Robijn S, Hoppe B, Vervaet BA, D’Haese P, Verhulst A. Hyperoxaluria: sagen fälschlicherweise als prärenal einzustufen. a gut kidney axis? Kidney Int. 2011;80(11):1146–58. 2 Cartery C, Faguer S, Karras A, Cointault O, Buscail L, Modesto A, et. • Eine ausführliche Anamnese und explizite Fragestellung nach allen al. Oxalate Nephropathy Associated with Chronic Pancreatitis. Stuhlqualitäten kann die seltene Ursache hervorheben und dadurch die CJASN. 2011;6(8):1895–902. Therapie in die richtige Richtung steuern. SWISS MEDICAL FORUM – SCHWEIZERISCHES MEDIZIN-FORUM 2019;19(51–52):833–835 Published under the copyright license “Attribution – Non-Commercial – NoDerivatives 4.0”. No commercial reuse without permission. See: http://emh.ch/en/services/permissions.html
DER BESONDERE FALL 836 Unklarer Entzündungszustand Dieses Fieber liegt uns am Herzen Anita P. von Dahlen a , dipl. Ärztin; Dr. med. Leonardo Aceto b; Dr. med. Gerhard Eich b; PD Dr. med. Lars C. Huber a ; Dr. med. Elisabeth Weber a a Klinik für Innere Medizin Triemli, Departement Innere Medizin Stadtspital Waid und Triemli, Zürich b Abteilung für Infektiologie, Departement Innere Medizin Stadtspital Waid und Triemli, Zürich Fallbericht zu keinem Zeitpunkt ein bakterielles Wachstum nach- gewiesen. Ein Gruppe-A-Streptokokken(GAS)-Schnell- a r tic le Anamnese test, abgenommen nach Beginn einer empirischen Peer Eine 65-jährige Philippinin, seit 1994 in der Schweiz Antibiotikatherapie mit Amoxicillin/Clavulansäure re v ie we d wohnhaft, wurde uns bei unklarem Entzündungszu- (Co-Amoxicillin intravenös 1,2 g 3×/d), war negativ. stand mit Fieber, Halsschmerzen, Myalgien im Schulter- Im Verlauf kam es zu einer bilateralen Gonarthritis und Beckenbereich und seit zirka einer Woche zuneh- und wandernden Gelenkschmerzen, insbesondere an menden Schmerzen in beiden Knien zugewiesen. Der den Ellbogen. Die Kniegelenkpunktion ergab einen Symptombeginn fiel mit dem Ende einer zweiwöchi- sterilen Erguss mit polynukleärer Pleozytose (Zellzahl gen Israelreise zusammen. Die persönliche Anamnese 15 250/μl [50–200/μl], 88,5% PMN). Eine «polymerase war bis auf eine unbehandelte arterielle Hypertonie un- chain reaction»(PCR)-Untersuchung auf Chlamydien, auffällig. Insbesondere wurden keine Gelenkschmer- Gonokokken und Tropheryma whipplei war negativ, zen, Hautausschläge oder unklare Fieberepisoden be- Kristalle wurden nicht nachgewiesen. Serologisch be- richtet. standen keine Hinweise auf eine Erkrankung aus dem rheumatologischen Formenkreis. Status Bei im Verlauf zunehmenden klinischen Herzinsuffi Bei Eintritt war die Patientin febril (39 °C) und hypoton zienzzeichen ergab die echokardiographische Verlaufs- (minimal 76/42 mm Hg); Herzfrequenz (64/min) und kontrolle neu eine mittelschwere Mitralklappeninsuf- Atemfrequenz (12/min) waren normal. Klinisch zeigte fizienz und eine leichte Aortenklappeninsuffizienz. sich ein 3/6-Systolikum mit Punctum maximum über Erb. Die schmerzhaften Gelenke wiesen keine Rötung Diagnose oder Überwärmung auf. Aufgrund der Trias Entzündungszustand, Polyarthritis und echokardiographisch neu dokumentiertem Mi Befunde tralvitium postulierten wir ein rheumatisches Fieber. In der Blutentnahme zeigten sich deutlich erhöhte Ent- Gut vereinbar damit fand sich ein deutlich erhöh- zündungswerte (CRP 234 mg/l [1600 U/ml 14,4 G/l [3,6–10,5 G/l], BSR >140 mm/h [
Der besondere Fall 837 wurde aufgenommen. In der Verlaufsechokardiogra- Die Diagnosestellung richtet sich nach den Jones-Krite- phie nach vier Monaten war die Mitralk lappeninsuffi rien, die seit ihren Anfängen 1944 mehrfach revidiert zienz auf ein leichtes Ausmass zurückgegangen, die wurden. In der letzten Version (2015) wurden zwei un- leichtgradige Aortenklappeninsuffizienz blieb stabil. terschiedliche Schwellenwerte zur Diagnose bei Popu- In den weiteren Verlaufskontrollen blieb die Patientin lationen mit hohem, respektive niedrigem ARF-Risiko bisher (>12 Monate nach Akuterkrankung) asympto angesetzt (Tab. 1). Zudem wurde die subklinische, also matisch. rein echokardiographisch manifeste Karditis als Ma- jor-Kriterium eingeschlossen. Für eine erste ARF-Epi- sode müssen entweder zwei Major-Kriterien oder ein Diskussion Major- plus zwei Minor-Kriterien erfüllt sein. Bei einem Das akute rheumatische Fieber (ARF) ist eine auto Rezidiv sind zwei Major-Kriterien oder ein Major- plus immunvermittelte, entzündliche Folgekrankheit nach zwei Minor-Kriterien oder drei Minor-Kriterien für die einer Gruppe-A-Streptokokken(GAS)-Infektion. Mit Diagnose erforderlich. Kardiale und Gelenkmanifes einer Latenz von 10–35 Tagen nach stattgehabter Strep- tationen können jeweils nur einmalig, das heisst ent- tokokkentonsillitis kommt es dabei zu Fieber (90%) weder als Major- oder als Minor-Kriterium gezählt und einer wandernden Polyarthritis (75%). 50–70% der werden [1, 2]. Fälle entwickeln eine klinisch manifeste Karditis, in Zwar ist ein Nachweis einer vorangegangenen GAS- 12–21% wird echokardiographisch eine subklinische Infektion für die sichere Diagnosestellung erforder- Karditis festgestellt. Seltener und im Verlauf einiges lich [1], die Sensitivität des Antigen-Schnelltests ist später kommt es zu einer Chorea Minor Sydenham allerdings niedrig (70–90%), weswegen eine GAS-Infek- (10–30%) infolge Beteiligung der Basalganglien, zu tion mit einem negativen Antigen-Schnelltest nicht einem Erythema marginatum (95% erreicht. ist jedoch seit 24 Jahren nicht mehr in ihrer Heimat Das Erkennen einer kardialen Beteiligung einschliess- gewesen. Die Israelreise hat in ein Land mit niedriger lich subklinischer Fälle ist entscheidend, weshalb alle Prävalenz geführt. Aufgrund des Alters und der Her- Patienten mit vermutetem ARF eine Echokardiogra- kunft der Patientin ist nicht ausgeschlossen, dass es phie erhalten sollten [4]. Im Falle einer unauffälligen sich um ein Rezidiv eines in der Kindheit erworbenen Echokardiographie ist bei hohem Verdacht eine Wie- ARF handelt. derholung – mit Beachtung der 2015 revidierten echo kardiographischen Kriterien – im Verlauf sinnvoll [1]. In unserem Fall fanden sich bei Eintritt ein AV-Block- Tabelle 1: Major- und Minor-Diagnosekriterien des akuten rheumatischen Fiebers Grad-I und im Verlauf echokardiographische Befunde, (Jones-Kriterien, revidiert 2015), nach [1, 4]. die eine Karditis vermuten lassen. Populationen mit niedrigem Risiko Populationen mit hohem Risiko Das therapeutische Management zielt darauf ab, eine Inzidenz ≤2/100 000 Schulkinder/Jahr Inzidenz >2/100 000 Schulkinder/Jahr rheumatische Herzkrankheit und ihre Folgen – die RHK-Prävalenz ≤1/1000/Jahr RHK-Prävalenz >1/1000/Jahr Entwicklung einer Herzinsuffizienz, thromboemboli- Major- Karditis (klinisch oder subklinisch) dito Kriterien sche Komplikationen mit oder ohne Vorhofflimmern Polyarthritis Mono-/Polyarthritis oder P olyarthralgie (schätzungsweise 4–10% der ischämischen Schlagan- Chorea minor Sydenham dito Erythema marginatum dito fälle in weniger entwickelten Ländern) und infektiöse Subkutane Noduli dito Endokarditiden – zu vermeiden. Die Mortalität der Minor- Polyarthralgie Monoarthralgie rheumatischen Herzkrankheit in weniger entwickel- Kriterien Fieber (≥38,5 °C) Fieber (≥38,0 °C) ten Ländern ohne Zugang zur Sekundärprophylaxe BSR ≥60 mm und/oder CRP ≥3,0 mg/dl BSR ≥30 mm und/oder CRP ≥3,0 mg/dl wird auf 1,5% jährlich geschätzt [5]. Verlängerte PQ-Zeit (altersadaptiert) dito Die Behandlung des akuten rheumatischen Fiebers RHK = Rheumatische Herzkrankheit; BSR = Blutsenkungsreaktion; CRP = C-reaktives Protein. beinhaltet im Wesentlichen die GAS-Eradikation, die SWISS MEDICAL FORUM – SCHWEIZERISCHES MEDIZIN-FORUM 2019;19(51–52):836 –838 Published under the copyright license “Attribution – Non-Commercial – NoDerivatives 4.0”. No commercial reuse without permission. See: http://emh.ch/en/services/permissions.html
Der besondere Fall 838 symptomatische Therapie von Fieber, Arthritis, Herz- in einer intramuskulären Penicillin-G-Injektion alle Korrespondenz: Anita P. von Dahlen, insuffizienz und Chorea sowie die Prävention einer vier Wochen. Alternativ kann bei guter Medikamen- dipl.Ärztin Progression zur chronischen rheumatischen Herz- tenadhärenz eine orale Antibiotikaprophylaxe mit Klinik für Innere Medizin Stadtspital Waid und Triemli krankheit. Eine GAS-Eradikation erfolgt üblicherweise Penicillin V (500 000 E 2×/Tag) durchgeführt werden. Birmensdorferstrasse 497 mit oralem Penicillin V (Phenoxymethylpenicillin, Kontaktpersonen im Haushalt, die sich als GAS-Träger CH-8063 Zürich Ospen®) oder Amoxicillin. Entzündliche Beschwerden erweisen (definiert durch positive Rachenkulturen auf anita.vondahlen[at]triemli. zuerich.ch werden primär mit nicht-steroidalen Antirheumatika GAS ohne klinischen oder serologischen Infektnach- im oberen Dosisbereich behandelt. Alternativ kann weis) erhalten ebenfalls eine Eradikationstherapie. auch Acetylsalicylsäure verwendet werden. Steroide GAS-Infektionen im gleichen Haushalt sollten jeweils kommen erst bei Unverträglichkeit oder sehr schwe- prompt behandelt werden. Die Dauer der Antibiotika rem Verlauf zum Einsatz [4]. Diese antientzündliche prophylaxe richtet sich nach dem Risiko für eine Therapie in der Akutphase zeigte allerdings bislang schwere kardiale Beteiligung bei erneuten ARF-Episo- keinen statistisch untermauerten Vorteil für das kar den [6]. diale «outcome» [2]. Hingegen minimiert die anti Entsprechend dieser Empfehlungen wird unsere Pa biotische S ekundärprophylaxe erwiesenermassen das tientin sekundärprophylaktisch mit Penicillin V be- Risiko für eine Progression der rheumatischen Klap- handelt. Die Dauer sollte gemäss Empfehlungen der penveränderungen. Die Standardprophylaxe besteht «American Heart Association» (AHA) bei rheumati- scher Karditis mit/ohne valvuläre Residuen mindes- tens zehn Jahre betragen. Das Wichtigste für die Praxis Disclosure statement • Das akute rheumatische Fieber (ARF) ist eine entzündliche Folgekrankheit Die Autoren haben keine finanziellen oder persönlichen Verbindun- gen im Zusammenhang mit diesem Beitrag deklariert. nach einer Gruppe-A-Streptokokken(GAS)-Infektion. Sie tritt typischer- weise bei Kindern auf und ist in unseren Breitengraden sehr selten. Literatur • Die Diagnose wird anhand der Jones-Kriterien gestellt und sollte bei 1 Gewitz MH, Baltimore RS, Tani LY, et al. Revision of the Jones criteria for the diagnosis of acute rheumatic fever in the era of Fieber und Entzündungszeichen im Kontext mit Gelenkbeschwerden und doppler echocardiography: a scientific statement from the Hinweisen auf eine Karditis erwogen werden. american heart association. Circulation. 2015;131:1806. 2 Karthikeyan G, Guilherme L. Acute rheumatic fever. Lancet. 2018; • Trotz fehlendem Nachweis einer aktiven GAS-Infektion mittels Antigen- 392(10142):161–74. Schnelltest oder Rachenkultur ist ein ARF möglich. Ein hoher Anti-Strep- 3 Carapetis JR, Beaton A, Cunningham MW, et al. Acute rheumatic tolysin-O-Titerkann den Verdacht auf eine Streptokokken-assoziierte fever and rheumatic heart disease. Nat Rev Dis Prim. 2016;2:15084. 4 Haller S, Kahlert CR, Strahm C, Albrich WC. Akutes rheumatisches Krankheit im klinischen Kontext bekräftigen. Fieber. Swiss Med Forum. 2018;18(4):75–80 • Bei vermutetem ARF muss eine Karditis echokardiographisch gesucht 5 World Health Organization. The current evidence for the burden of group A streptococcal diseases. Geneva;2005. werden, da sie zur rheumatischen Herzkrankheit mit hoher Mortalität https://www.who.int/maternal_child_adolescent/documents/ voranschreiten kann. fch_cah_05_07/en/ 6 Gerber MA, Baltimore RS, Eaton CB, et al. Prevention of rheumatic • Ist eine rheumatische Karditis bestätigt, kommt der GAS-Eradikation fever and diagnosis and treatment of acute Streptococcal sowie der antibiotischen Sekundärprophylaxe grosse Bedeutung zu. pharyngitis. Circulation. 2009;119(11):1541–51. SWISS MEDICAL FORUM – SCHWEIZERISCHES MEDIZIN-FORUM 2019;19(51–52):836 –838 Published under the copyright license “Attribution – Non-Commercial – NoDerivatives 4.0”. No commercial reuse without permission. See: http://emh.ch/en/services/permissions.html
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