Arbeiterkinder Wie elitär sind die - tip Berlin
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
Sommersemester 2020 Das Magazin für Studierende in Berlin Gibt e s ach ein Leb en n der Uni? b e s t e n F r eizeit- Die nd t i p p s wä h re C o ro n a Ein anderes Leben Arbeiterkinder Laissez-Faire Studieren in Zeiten Wie elitär sind die Von Hijab bis Hipster-Dress: der Pandemie Berliner Unis? die neue Vielfalt der Mode
Schon die Koffer gepackt? Nicht ohne *Für Auszubildende, Studenten und Schüler sogar kostenfrei bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres CASH-XTRA! Unser kostenloses Studentenkonto* mit ausgezeichneter App. Online oder Termin vereinbaren! mbs.de
I N T R O / I N H A LT CAMPUS Liebe Studierende, auf einmal ist das Corona-Semester schon wieder halb um. Ihr geht nur noch virtuell in die Uni, wir nur noch übers Netz in die Redaktion – denn fast alles passiert online. Klappt das? Wir haben vier Studierende nach ihren Erfahrungen mit dem digitalen Studieren gefragt. Denn eins ist sicher: Nicht jede*r kommt gleich gut damit klar. Manche brauchen die räumliche Trennung zwischen Arbeit und Freizeit, andere haben zu Hau- se kein Internet oder können sich kein Laptop leisten. Darum dreht sich auch unsere Titelgeschichte. Wir fragen: Wie elitär ist die Uni? Was bedeutet es für Kinder von Arbeiter*innen, die ersten in der Familie zu sein, die studieren? Viel Spaß beim Lesen wünscht Eure tipBerlin- und ZITTY-Campus-Redaktion Inhalt Wie elitär sind Berlins Unis?����������������������������������������������������������������������������4 Mit welchen Problemen Arbeiterkinder im Studium zu kämpfen haben Studieren: Examenswahnsinn ���������������������������������������������������������������������10 Der Drillcharakter als Überbleibsel des Obrigkeitsstaats Wie läuft das Corona-Semester? ��������������������������������������������������������������� 12 Wir haben nachgefragt: Ist das Home Office für euch Isolation oder große Freiheit? Auslandssemester in Nuuk. Wo ist denn das? ����������������������������������18 Barcelona und Paris kennt jeder. Aber man kann auch an ungewöhnlichen Orten studieren? Viel Lärm um Soja ��������������������������������������������������������������������������������������������� 24 Ein Besuch in der ersten veganen Mensa Berlins Leben: Da pfeifen wir drauf ������������������������������������������������������������������������� 26 Keine Konzerte. Shit. Hier unser Vorschlag: Einfach mal selber singen! Wer läuft denn da? ������������������������������������������������������������������������������������������� 28 Von Asketen und Startup-Dudes: Eine Jogger-Typologie Das neue Laissez-Faire ����������������������������������������������������������������������������������30 Punk oder Popper? Das war einmal. Warum Mode heute nicht mehr verrät, wer man ist Freizeit: Feiern ��������������������������������������������������������������������������������������������������� 38 Die Clubs sind zu? Dann schauen wir eben mal nicht auf die Tanzfläche, sondern in den Sonnenuntergang Berlins beste Orte ���������������������������������������������������������������������������������������������40 Titelfoto: Patricia Schichl Unsere Bestenlisten: ungewöhnliche Restaurants, Lost Places, Dächer, Badestellen, Cafés mit viel Sonne, Eisdielen Was mich beschäftigt / Impressum �������������������������������������������������������46 Überall stehen Autos rum. Weg damit. Xenia Balzereit will die Stadt lieber gemeinschaftlich nutzen SOMMERSEMESTER 2020 3
CAMPUS AUSNAHME: ARBEITERKIND AN DER UNI Kinder i Klasse Universitäten wären gern Orte der Vielfalt. Aber haben Arbeiterkinder die Chance auf den Bildungsaufstieg? Von Joana Nietfeld 4 SOMMERSEMESTER 2020
AUSNAHME: ARBEITERKIND AN DER UNI CAMPUS ihrer Christian Barons Kindheit war begleitet vom Fern- sehflimmern der Privatsender. Der 34-Jährige wuchs in Kaiserslautern auf, in einer Wohnung ohne Hei- zung, mit Schimmel an den Wänden und undichten Fenstern. Der Vater misshandelte die Mutter, die Mut- ter starb im Alter von nur 32 Jahren an Krebs und der Vater wenige Jahre später an einer Leberzirrhose. So beschreibt es Baron in seinem kürzlich erschienenen Buch „Ein Mann seiner Klasse“. Der Titel ist seinem Vater gewidmet, der als Kind selbst geschlagen wurde. In einer Gesellschaft, die ihn nicht auffangen wollte, habe er nicht anders gekonnt, als zu dem zu werden, der er nun mal war. Christian Baron hat dieses Vermächtnis mit seiner eigenen Bildungsbiografie durchbrochen: Er schafft das Abitur, später das Studium der Politikwissen- schaften, Soziologie und Germanistik. Er volontiert und wird Journalist. Sein Lebensweg ist die akade- mische Version des amerikanischen Traums - vom Tellerwäscher zum Millionär, in seinem Fall also vom Arbeiterkind zum erfolgreichen Autor. Trotzdem ist Barons Lebenslauf ungefähr so repräsentativ für die Chancengleichheit im Bildungssystem wie Merkels Kanzlerinnenschaft für Geschlechterge- rechtigkeit: Insgesamt sind Studierende aus Nicht- Akademiker*innen-Familien ziemlich einsam an Deutschlands Universitäten. Der vom Deutschen Zentrum für Hochschul- und Wissenschaftsforschung (DZHW) erhobene Bildungstrichter zeigt, dass von 100 Kindern aus Akademiker*innen-Familien 74 ein Studium begin- nen. Von 100 Kindern aus Familien ohne akademi- schen Hintergrund sind es dagegen nur 21. Auf dem Weg zum Bachelorabschluss scheiden weitere sechs aus. Den Masterabschluss erlangen acht. In Familien mit Eltern, die selbst einen Studienabschluss erwor- ben haben sieht es anders aus: 63 absolvieren den Bachelor, 45 den Masterabschluss und zehn schließen ihre akademische Laufbahn mit einer Promotion ab. Bei denen, die als Erste in ihrer Familie studieren, er- langt eine Person den Doktortitel. Das Schweigen in der akademischen Blase Sebastian Blum ist der Erste in seiner Familie, der eine Hochschule besucht. Der 24-Jährige studiert Politik- wissenschaften an der Freien Universität. Zunächst hatte er vor vier Jahren ein BWL-Studium in Köln be- gonnen. Seine Familie lebt in Bonn. „Die Studienwahl in der Nähe vom Elternhaus hatte bestimmt auch ökonomische Gründe, so konnte ich mal zuhause es- sen oder Wäsche waschen - ein bisschen Geld sparen“, sagt er. Als Blum damals vor seinem Vater den Wunsch Foto: Roi_and_Roi / 2000-2006 Adobe Systems, Inc. äußerte, eine Geisteswissenschaft zu studieren, stieß das erstmal auf Ablehnung. Heute ist er über seine Entscheidung, den Studiengang zu wechseln, sehr froh. „Es ist ohnehin eine Illusion, dass einem mit BWL viel mehr Berufswege offen stehen und mit einer Geisteswissenschaft weniger.“ An Berliner Hochschulen wird wenig darüber gesprochen, ob ihre Studierenden aus akademischen oder nicht-akademischen Elternhäusern stam- men. So lässt sich auch nicht sagen, was Kinder aus nicht-akademischen Elternhäusern studieren: eine SOMMERSEMESTER 2020 5
CAMPUS AUSNAHME: ARBEITERKIND AN DER UNI Natur- oder Geisteswissenschaft, einen Studiengang einen herum scheinen selbstverständlich mitzuma- mit klarem Berufsziel oder vielen Optionen nach chen, aber man selbst fühlt sich unsicher und weiß dem Abschluss. „Die sozialen Herkünfte gehen uns nicht, welche akademischen Codes gerade angemes- als Universität nichts an. Wir fragen auch nicht Reli- sen sind“, sagt sie. Es gehe dabei um Fremdwörter, die gionszugehörigkeit oder sonstige private Entschei- man nicht versteht, oder ein angemessenes Verhalten dungen ab“, sagt Hans-Christoph Keller, Sprecher der gegenüber Professor*innen. Was darf sie fragen und Humboldt Universität zu Berlin. Er verweist auf die wann, ohne sich zu blamieren? Rindler empfiehlt den externe Organisation Arbeiterkind.de. Bei offenen Lehrenden in ihrer täglichen Arbeit, das Angebot, Treffen und Schulveranstaltungen informieren und besonders zum Studienbeginn, niedrigschwellig an- ermutigen die ehrenamtlichen Unterstützer*innen zusetzen. Alle sollen die Chance haben, vom gleichen Studierende und Schüler*innen durch ihre eigenen Ausgangspunkt aus miteinander zu lernen. Dazu Geschichten und Erfahrungen. Arbeiterkind.de bietet sollten Fachbegriffe beispielsweise nicht vorausge- außerdem ein Infotelefon und eine Onlineplattform, setzt, sondern erklärt werden, sagt Rindler. Auch die über die sich Menschen aus Familien ohne akade- Offenlegung der eigenen Bildungsbiographie könne mischen Hintergrund vernetzen und unterstützen helfen, Studierende zu ermutigen, sich mehr zuzu- können. trauen. Rindler erzählt, sie habe ewig nicht gewusst, dass Gefühl der Fremdheit es erlaubt sei, Hausarbeiten von anderen Personen Hannah Rindler ist die Koordinatorin von Arbeiter- gegenlesen zu lassen. „Ich dachte, das sei Schummeln, kind.de in Berlin. Ihr Büro liegt auf dem Campus der denn es sind schließlich meine Fehler, die ich selbst Technischen Universität. Ziel der Sozialwissenschaft- finden muss“, sagt sie. Auch von der „akademischen lerin ist, auf die Schwierigkeiten von Studierenden Viertelstunde“ wüssten viele erstmal nichts, deren aufmerksam zu machen, die als erste in ihren Famili- Eltern ihnen das Studi-Know-How nicht weitergeben en studieren. „Viele berichten, dass sie sich zwischen können. zwei Welten bewegen müssen“, sagt die 33-Jährige. Die Eltern verstünden oft nicht, was ihre Kinder Das kulturelle Kapital studieren. Da kämen dann Kommentare wie: „Der Viele Studierende, so Rindler, wollen mit diesen Unsi- feine Herr, redet jetzt so hochgestochen.“ Gleichzeitig cherheiten auf keinen Fall auffallen. Christian Baron würden sich diese Studierenden im akademischen ertappt sich noch immer dabei, mit seiner Herkunft Umfeld auch nicht voll zugehörig fühlen. „Das ist ei- zu hadern. „Die Sehnsucht nach einem Fernseher ne emotionale Herausforderung“, sagt Rindler. werde ich nicht los“, heißt es in seinem Buch. „Dazu- Die Organisation bietet bundesweit offene Treffen gehören zu den jungen, progressiven Großstadtaka- an, hauptsächlich für Schüler*innen und Studierende, demikern will ich aber auch. Darum ist es heute bei aber auch Eltern würden hier und da aufschlagen und mir so: Wenn der Flachbildschirm ausgeschaltet ist, seien sehr willkommen. „Manchmal kommen Eltern, dann verdeckt ihn ein Vorhang (...). Die Bücherregale die Angst davor haben, dass ihre Kinder niemals ei- dagegen stelle ich aus wie ein Pfau seine Federn- nen Job finden werden, wenn sie eine Geisteswissen- pracht.“ Die Vorstellung, dass große Bücherregale eher schaft studieren“, sagt Rindler. auf kulturelles Kapital und Intellekt schließen lassen Auch Christian Baron fühlte sich ewig fremd an als ein breiter Fernseher, hat sich in der Gesellschaft der Universität. „Ich hatte großen Stress im Studium, manifestiert – und damit auch in Barons Kopf. weil ich mir kulturelles Kapital aneignen musste, das Eine Gruppe von Soziologen hatte 2018 heraus- meine Kommilitonen bereits mitgebracht hatten – gefunden, dass allein der Zugang zu Literatur eine und das unter einem ökonomischen Druck, den die enorm positive Auswirkung auf Heranwachsende anderen nicht nachvollziehen konnten. Deshalb galt habe. Auswirkungen auf die Alphabetisierung, die ich manchen aus meinem Umfeld damals als an- Rechenfertigkeiten und die Fähigkeit, technische strengend, streberhaft, verkrampft.“ Probleme zu lösen, wurden getestet und mit der Grö- Den Begriff des „kulturellen Kapitals“, von dem ße der Hausbibliotheken verglichen. Der Studie zu- Baron spricht, hat der Soziologe Pierre Bourdieu ge- folge kann ein Buch bereits einen großen Unterschied prägt. Damit sind der Geschmack, die Gesten, Bewe- machen: Das erste gelesene Buch eröffnet eine ganze gungen und Rhetorik gemeint ebenso wie Zeugnisse, Reihe von neuen Fähigkeiten und Möglichkeiten. Je- Zertifikate und Titel, die eine Person mitbringt. Das des folgende Buch verstärke diese Vorteile weiterhin, kulturelle Kapital ist laut Bourdieu ausschlaggebend aber in einem geringeren Ausmaß. dafür, wie eine Person sich selbst im sozialen Raum Aber nicht alle Eltern haben eine Privatbiblio- einordnet und wie sie von anderen gelesen wird. Die thek. Sollten nicht also staatliche Institutionen die Goldkette und der Aldibeutel eines Dozenten der Chancengleichheit von Kindern und Jugendlichen Kulturwissenschaften könnte als ironisches Mode- gewährleisten? „Die Ungleichheiten fangen im statement gelten, während die gleichen Accessoires Grunde schon bei der Geburt an“, sagt Hannah Rind- bei einem Passanten auf der Marzahner Promenade ler. Allein der Ort, an dem ein Kind aufwächst, hätte vermutlich völlig anders gelesen werden. Einfluss auf dessen Bildungschancen. „Systemisch Wie auch Christian Baron war Hannah Rindler die gesehen ist aber besonders der Übergang von der Erste in ihrer Familie, die studierte. Den „akademi- Grund- auf die weiterführende Schule entscheidend.“ schen Habitus“, wie sie ihn nennt, habe sie erstmal Eltern und Lehrer*innen würden Entscheidungen befremdlich gefunden. „Alle Kommiliton*innen um treffen, die nicht ausschließlich das Potential des 6 SOMMERSEMESTER 2020
AUSNAHME: ARBEITERKIND AN DER UNI CAMPUS „Die Offenlegung der eigenen Biografie kann helfen, Studierende zu ermutigen, sich mehr zuzutrauen“ Hannah RIndler, Koordinatorin von Arbeiterkind.de Foto: Patricia Schichl Die Jung-Akademikerin Hannah Rindler stammt aus einer Arbeiterfamilie. Heute berät sie andere Arbeiterkinder, die studieren SOMMERSEMESTER 2020 7
CAMPUS AUSNAHME: ARBEITERKIND AN DER UNI Kindes, sondern häufig auch die soziale Herkunft be- rücksichtigen, sagt Rindler. Kurz gesagt: Wer aus einer nicht-akademischen, vermeintlich „bildungsfernen“ Familie kommt, hat gute Chancen, trotz vielverspre- chender Noten nicht auf dem Gymnasium zu landen. Die Mentor*innen von Arbeiterkind.de gehen deshalb an Schulen, um für Schüler*innen aus nicht-akade- mischen Elternhäusern eine Vorbildfunktion einneh- men zu können und Informationen, zum Beispiel zur Studienfinanzierung weiterzugeben. Viele Nebenjobs während des Studiums Sebastian Blum muss in seinem Alltag viele Neben- jobs meistern. Vor Kurzem hat er zusätzlich einen Studienkredit aufgenommen. Ein Unterschied zu seinen Kommiliton*innen, die teilweise 700 oder 800 Euro von ihren Eltern bekämen. „Da bräuchte es viel mehr Unterstützung seitens der Universität“, sagt er. Studierenden im ersten Semester müsste, findet Blum, dringend der Einstieg ins Studium erleichtert werden. Gezielte herkunftsbezogene Programme gäbe es an seiner Universität nicht – bis auf ein Mentoring- programm, bei dem er selbst mitwirkte und Erstse- mester dabei unterstützte, ihr Studium zu organisie- ren. Das Programm, finanziert vom Bundesministe- rium für Wissenschaft und Forschung, werde aber im nächsten Semester eingestellt. „Das Hauptanliegen war wohl, die Studienabbruchquote zu verringern, das hat aber nicht geklappt“, sagt Blum. Zusätzlich bringt er das Thema Mehrfachdiskriminierungen ins Spiel. „Wenn jemand als erste Person in der Familie studiert und gleichzeitig noch ein Migrationstrauma mitbringt, ist die Klassenfrage vielleicht das kleinere Harte Realität: Arbei- Problem – auch wenn sich beides natürlich bedingt.“ terkinder erleben das zent. Die verhärteten gesellschaftlichen Strukturen Schaue man sich an, wie gering der Anteil von Stu- Studium als stressig. scheinen langsam aufzuweichen. Gleichzeitig än- dierenden aus Nicht-Akademiker*innenfamilien in Oft müssen sie mit dert sich aber der Arbeitsmarkt, sodass immer mehr Nebenjobs ihre Konto- Stipendienprogrammen sei, sagt der 24-Jährige, kön- Arbeitgeber*innen ein abgeschlossenes Studium stände aufbessern ne man in Deutschland sehr wohl von einer Elitenbil- voraussetzen. dung sprechen. Eine weitere Kapitalsorte in Bourdieus Ha- Helmut Fend ist Pädagoge. In einer seiner Schriften bitustheorie, neben dem kulturellen Kapital, ist hielt er fest: Es ist eine Aufgabe des Bildungssystems, das ökonomische. Es umfasst bei dem Soziologen durch Selektion die gesellschaftlichen Strukturen Geld, Güter oder Landbesitz. Ökonomisches und aufrechtzuerhalten. Das Wirtschaftssystem braucht kulturelles Kapital, das vor allem Menschen aus Menschen mit Haupt- und Realschulabschluss, Akademiker*innenfamilien anhäufen, haben erst- um den Nachwuchs in allen Berufsgruppen zu ge- mal nichts miteinander zu tun. Schaut man sich aber währleisten – auch den schlechter bezahlten. Der an, wie viel Geld Menschen in ihren Jobs verdienen, Schriftsteller Bruno Preisendörfer schreibt dazu in die ein Studium abgeschlossen haben, lassen sich einer bildungspolitischen Streitschrift: „Schule als Überschneidungen feststellen: Einer Studie des Institution ist immer zugleich pädagogische Anstalt Münchener ifo-Instituts aus dem Jahr 2017 zufolge und ökonomische Selektionsagentur.“ Damit zähle verdienen Akademiker*innen, die ein Universitäts- Bildung zu einer begrenzten Ressource, woran sich studium auf dem ersten Bildungsweg abgeschlossen so lange nichts ändern würde, wie Bildungszerti- haben, durchschnittlich 390.000 Euro netto in ihrem fikate vor allem „als Berechtigungsscheine zum Erwerbsleben – und damit 65 Prozent mehr als je- Aufstieg oder zum Bewahren des Klassenerhalts“ mand mit einer abgeschlossenen Berufsausbildung. wahrgenommen werden. Das System, da scheinen Die Besserverdienenden sind in Deutschland also oft Foto: imago images / Avanti / Ralf Poller sich Fend und Preisendörfer einig zu sein, sieht keine Akademiker*innen. Bildungsaufsteiger*innen vor. Ein Studium soll laut Deutschem Studieren- Dazu muss man sagen: Mittlerweile absolvieren denwerk monatlich durchschnittlich 867 Euro immer mehr Schüler*innen in Deutschland das kosten. Dabei sind Wohnkosten von 332 Euro und Abitur. War es in den 1970er Jahren noch ein Anteil Nahrungsmittelkosten von 154 Euro kalkuliert. Das von etwa 25 Prozent der Schüler*innen, die eine Berliner Studierendenwerk hat aber ermittelt, dass Hochschulzugangsberechtigung erwarb, lag der Student*innen in der Hauptstadt durchschnittlich Anteil in den vergangenen Jahren bei über 50 Pro- 361 Euro für Wohnen und 190 Euro für Lebensmittel 8 SOMMERSEMESTER 2020
AUSNAHME: ARBEITERKIND AN DER UNI CAMPUS ausgeben müssen. So käme eine Studierende in Ber- und ist laut Bundesministerium für Bildung und lin auf Ausgaben in Höhe von 932 Euro monatlich. Forschung in aller Regel nach sechseinhalb Jahren Schaut man sich die Preise auf Onlineplattformen abgeschlossen. für die Wohnungs- und WG-Suche an, scheint selbst diese Kalkulation konservativ geschätzt. Herkunft sollte kein Defizit sein Die staatliche Studienunterstützung BAföG wur- Christian Baron finanzierte sein Studium durch eine de im vergangenen Jahr reformiert. Mittlerweile schlecht bezahlte freie Mitarbeit in einer Redaktion, beträgt der Höchstsatz 853 Euro, davor lag er bei 735 BAföG und Halbwaisenrente. Heute sagt er: „Weil Euro. Das Geld gibt es für die vorgesehene Regelstu- ich ein Ziel vor Augen hatte und eine berufliche Per- dienzeit – außer, man hat einen sehr triftigen Grund, spektive sah, nämlich Journalist zu werden, war das den das BAföG-Amt anerkennt. Mit Blick auf die psychisch für mich verkraftbar.“ Auch Hannah Rindler Berechnungen der monatlichen Ausgaben in Berlin schlug sich durch, sie ging für ein Erasmusjahr nach ergibt sich selbst bei Bezug des BAföG Höchstsatzes Spanien und verlängerte ihr Studium, indem sie es in noch immer eine Differenz von 79 Euro. Laut Stu- den letzten Semestern mit Nebenjobs selbst finanzier- dierendendenwerk in Berlin wurden im März 2020 te, nachdem die BAföG-Zahlungen endeten. „Das war insgesamt 23.160 Student*innen die Ausbildungs- damals okay für mich, aber ich weiß, dass es für viele förderung bezahlt. An der Technischen Universität wirklich anstrengend ist.“ und der Universität der Künste beträgt der Anteil der Darf das Bildungssystem auf die Anpassungsfä- BAföG-Empfänger*innen elf Prozent. An der Freien higkeit einzelner bauen? „Wir sprechen uns dafür aus, Universität und Humboldt Universität beziehen 14 die Herkunft nicht als Defizit zu betrachten, sondern Prozent die Unterstützung. Auch hier zeigt sich: die von Seiten der Institution als Zugewinn. Außerdem Studierenden, die auf staatliche Hilfe angewiesen ist es eine große Leistung sich in beiden Welten zu- sind, scheinen eindeutig in der Minderheit zu sein. rechtzufinden“, sagt Rindler. Zwar scheinen die Berliner Universitäten auf das Das finanzielle Sicherheitsnetz fehlt Thema aufmerksam geworden, Anlaufstellen sind Die BAföG-Reform sei ein Anfang, findet Hannah jedoch rar. An der Humboldt Universität gibt es eine Rindler. Ihre Organisation war für die Änderungen Gleichstellungsbeauftragte, die auch für Studierende im Bundestag angehört worden. „Aus unserer Sicht der ersten Generation zuständig ist. Die Technische gibt es trotzdem noch viel Verbesserungspotential“, Universität hat ebenfalls ein sogenanntes „first gen“- sagt sie. Zum Studienbeginn hätten viele nicht das Programm. Eine Antwort der Freien Universität steht Geld, eine Kaution für das neue WG-Zimmer zu hin- noch immer aus. terlassen. Auch die Semesterbeiträge, die in Höhe von 300 bis 350 Euro halbjährlich an staatlichen Universi- täten fällig werden, seien für viele schwer aufzubrin- gen. „Jedes Jahr erreichen uns Notrufe von Menschen, die deswegen ihr Studium abbrechen müssen.“ Es fehle ein finanzielles Sicherheitsnetz, um einen kaputten Laptop oder andere unvorhersehbaren Ausgaben aufzufangen. Das fehlende ökonomische Kapital, sagt Rindler, sei für Studierende der ersten Generation immer noch die größte Hürde. „Dieses aufbrausende Selbstbewusstsein und diese rebellisch anmutende Risikobereitschaft“, die man von vielen jungen angehenden Akademikern kenne, sagt Chris- tian Baron, seien nur deshalb drin, weil stets die Mög- lichkeit bestünde, sich kurzzeitig wieder wie in Kind- heitstagen die Ersparnisse der Eltern anzuzapfen und das Budget für neue Abenteuer aufzustocken. Bei ihm hingegen war das Geld ständig knapp. „Manchmal sagten Bekannte nach einer Kneipen- nacht, sie hätten kein Bargeld mehr da und ich müsse ihnen mal eben vier Euro für einen Döner leihen. Sie gaben mir das Geld später nicht zurück, weil sie sicher dachten, die vier Euro machten mir ebenso wenig aus wie ihnen. Die Blöße geben wollte ich mir aber auch nicht, sodass ich dann lieber Wassersuppe löffelte als nicht dazuzugehören oder wieder mal als unlocker ausgelacht zu werden.“ Nach dem Studium verließ Baron die Universität mit mehr als 10.000 Cover: Claassen Verlag Christian Baron: Euro Schulden beim Staat. Mittlerweile liegt die EIn Mann seiner Klasse, Höchstsumme, die Alumni von dem BAföG zurück- 289 Seiten, 20 Euro, zahlen müssen, bei 10.010 Euro. Die Rückzahlung Claassen/Ullstein Verlage beginnt fünf Jahre nach dem Ablauf der Förderung SOMMERSEMESTER 2020 9
STUDI Examenswahnsinn Wer später in Amt und Würden sein will, durch ellenlange Handapparate gequält als Richter und Staatsanwalt, als Ober- hat, durchrüttelt von Nervenzusammen- studiendirektor, Schulrat oder in anderen brüchen? Beamten-Berufen, muss leiden. Getragen Der Drill-Charakter der Staatsexamina von Energydrinks, Ritalin und Trauben- an deutschen Hochschulen ist ein Über- Foto: insta_photos /stock.adobe.com zucker durchlebt er fordernde Examens- bleibsel des preußischen Obrigkeitsstaats. phasen, um als tauglich zu gelten: dafür, ein Die Philosophie dahinter: Zäh musst du guter Staatsdiener zu sein. Ein antiquiertes sein, um Besoldungen und später Pensio- Denken, denn wer sagt denn, dass jemand nen zu beziehen sowie später einmal als qualifizierter ist, wenn er sich monatelang siecher Patient im Einzelzimmer gepflegt
IEREN zu werden. Wie heavy das Staatsexamen be- Was hinzu kommt: Wer selbst einmal gegrillt sonders für Juristen ist, hat zuletzt sogar ei- worden ist, reicht die eigene Qual womöglich ne Umfrage bewiesen. 97 Prozent fühlen sich später an Untergebene weiter, ob an Ange- psychisch belastet. Weshalb mittlerweile klagte im Gerichtssaal oder an Schüler im über Reformen diskutiert wird, angestoßen Klassenzimmer. Jetzt mal durch die psycho- unter anderem von der Leipziger Jura-Pro- logische Brille betrachtet. fessorin Elisa Hoven. Recht hat sie. Aus dem Curriculum sollte Text: Philipp Wurm der Leistungsdruck genommen werden – um junge Menschen vor Burn-Outs zu schützen.
CAMPUS STU D IEREN : LERNEN IN D ER CO RO NA- KRI SE Wer in diesem Sommer studiert, ist zerrissen ä zwischen Home Office, Isolation und großer l Freiheit. Wir haben gefragt, wie sich e das Durcheinander anfühlt i Protokolle: Xenia Balzereit, Julia Lorenz, Philipp Wurm W na-S C o r o Johannes Wolf, 20 Medizin an der Charité, 3. Semester Normalerweise würde ich in diesem Semester im be- Die Veranstaltungen werden mittels Microsoft rühmten Bettenhaus der Charité lernen, was es heißt, Teams übertragen, einem Programm für Videokonfe- ein Arzt zu sein. Ich wäre stolz auf das Privileg gewe- renzen – ob Vorlesungen, Seminare und Tutorien. Auf sen, an diesem einzigartigen Ort ein- und ausgehen meinem Bildschirm sehe ich die Profs, wie sie in von zu dürfen. Ärzte hätten uns Untersuchungstechnicken zu Hause aus oder ihren Büros dozieren. Auf einem geleehrt, oder ich wäre preisgekrönten Forschern be- digitalen Blackboard lade ich die Lernmaterialien he- gegnet und hätte in Seminaren mein Wissen zum Bei- runter, Folien, Präsentationen, Zeichnungen. Auf dem spiel in der Biochemie oder Physiologie vertieft. Lehrplan stehen die menschliche Haut, das Herz, der Die Atmosphäre, ob in Stationen, Laboren oder Se- Bewegungsapparat und der Magen-Darm-Trakt. minarräumen, wäre ein großer Ansporn gewesen. An Wenn ich die Anatomie des menschlichen Kör- keiner anderen Uni-Klinik in Deutschland wird das pers erkunden will, blättere ich in Atlanten aus mei- Studium so eng mit der Praxis verzahnt. nem Bücherregal. Sonst dürfte ich mich mit meinen Jetzt muss ich diese Highlights von zu Hause ver- Kommiliton*innen Leichen in der Charité-Medizin folgen, auch die Kurse, die ich in anderen Charité-Ein- präparieren. Nachvollziehbarerweise können Übun- richtungen besucht hätte. Das demotiviert auf Dauer gen dieser Art nicht so einfach über Videoprogramme schon. gestreamt werden. Die Würde der Toten wäre verletzt. 12 SOMMERSEMESTER 2020
t d a s CAMPUS u f ä ester? S e m Immerhin habe ich dank des Shutdowns mehr Freizeit. Weil ich mehr Luft habe, konnte ich eine alte Liebe wiederentdecken. Ich steige wieder re- gelmäßig auf mein Rennrad, rase über die Straßen im Oder-Spree-Kreis, wo ich aufgewachsen bin, oder über die Wege auf dem Tempelhofer Feld. Und: Wenn ich will, kann ich morgens ein biss- chen länger im Bett liegenbleiben. Wenn eine Vor- lesung schon um 8.15 Uhr beginnt, drehe ich mich noch einmal um. Ich schaue den Stream dann ein- fach später. Ich habe allerdings großes Verständnis für die Sicherheitsmaßnahmen. Mehr als die Hälfte der Deutschen zählt zu den Risikogruppen, darunter Foto: privat meine Eltern und Großeltern. Diese Menschen müssen vor dem Virus geschützt werden. SOMMERSEMESTER 2020 13
CAMPUS STU D IEREN : LERNEN IN D ER CO RO NA- KRI SE Hannah Schönwald, 25 Sozialwissenschaften, HU, 2. Semester Neben dem Ausschlafen hat die Corona-Situation Erfahrung, so eine Krise zu erleben. Ich bin dankbarer für mich einen Vorteil: In Zoom-Seminaren fällt es als vorher für gewisse Privilegien, immerhin hat die mir leichter als bisher, mich an Diskussionen zu be- Pandemie viele präexistente Probleme verschärft oder teiligen, weil eine größere Distanz geschaffen wird. sichtbar gemacht – ob man sich die prekäre Bezahlung Dadurch werde ich redseliger, verliere meine Ängste. in Pflegeberufen anschaut oder die Situation in den Andererseits schrumpft auch die Aufmerksamkeits- Geflüchtetenlagern and den EU-Außengrenzen. spanne, wenn man den ganzen Tag am Computer sitzt. Ich wohne in einer Vierer-WG, in einer großen Wohnung samt Balkon. Ein eigenes Schlafzimmer habe ich schon, aber kein extra Arbeitszimmer, so- dass die Trennung zwischen Uni und Privatleben mir schwer fällt. Das ist oft nicht so einfach, denn die Dozent*innen haben schon deutlich mehr gefordert als sonst. Ich hatte das Gefühl, wir mussten beweisen, dass wir wirklich jeden Text ganz genau von vorne bis hinten gelesen haben. Vor Corona konnte man den einen oder anderen Text auch mal überfliegen. Eine Home-Prüfung, die ich kürzlich geschrieben habe, war auf zweieinhalbStunden angesetzt, aber der Durchschnitt der Studierenden hat zehn bis 15 Stun- den gebraucht. Das Ganze wurde mir zu viel, sodass ich ein Modul abwählen musste – auch, weil ich mich parallel bewer- ben musste. Durch Corona habe ich meinen Nebenjob in der Gastronomie verloren.Bei alledem hätte ich mir mehr Unterstützung von der Uni gewünscht. Ich finde es problematisch, dass so viele Entschei- dungen über die Köpfe der Studierenden hinweg ge- troffen wurden – zum Beispiel die Nutzung der Soft- ware Zoom für alle Seminare, die ja nicht für den bes- ten Datenschutz bekannt ist. Man hätte etwa über den RefRat besser mit den Studierenden kommunizieren können, um sie in Entscheidungsprozesse einzube- ziehen.Ich bin in der privilegierten Lage, überhaupt Unterstützung von meinen Eltern zu bekommen, aber viele andere Studierende sind in sehr starke finanziel- le Not geraten oder mussten sogar ihr Studium abbre- chen. Klar gibt es jetzt die Überbrückungshilfe, aber die reicht für viele nicht aus.Die HU zum Beispiel hat erst sehr spät reagiert und Gelder zur Anschaffung von technischen Geräten für zuhause angeboten. Foto: Jaara Lange Ich habe schon das Gefühl, dass wir ganz schön allein gelassen wurden.Und doch glaube ich, dass die Krise mir eine größere Resilienz verschafft hat. Über- haupt ist es für uns als „Generation Y“ eine lehrreiche 14 SOMMERSEMESTER 2020
STU D IEREN : LERNEN IN D ER CO RO NA- KRI SE CAMPUS Arvid Eisermann, 31 Biologie, HU, 2. Semester Schon seit Februar habe ich den Uni-Campus nicht mehr betreten. Ob die eindrucksvollen Gebäude auf dem Gelände der alten Tierklinik in Berlin-Mitte oder in Adlershof, wo auch Veranstaltungen für Bio- logie-Studierende steigen. Stattdessen lerne ich am Schreibtisch meiner Friedrichshainer Wohnung. Die- ser Lebensstil hat seine Tücken. Nicht selten ertappe ich mich dabei, wie ich mich in den Weiten des Inter- nets verliere. Dann schaue ich auf einmal Online-Vi- deos von Saturday Night Live oder Beiträge aus der Ar- te-Mediathek. Das Lernen rückt dabei in den Hinter- grund. An warmen, wolkenlosen Tagen radle ich zum Liepnitzsee, um mich in der Sonne zu aalen – schließ- lich weiß ich, dass ich angesetzte Online-Vorlesungen genauso gut auch noch an einem anderen Tag abrufen kann. Ich benutze eine Lern-App, die errechnet, wie viel Zeit ich in mein Studium investiere. Wahrscheinlich werden es gegen Ende dieses Sommersemesters weni- Klausuren schreiben. Wahrscheinlich werde ich nur ger Stunden sein werden als noch im Wintersemester. vier schaffen. Die Klausuren werden voraussichtlich in Dabei sind eigentlich nur die wenigsten Veranstaltun- Gebäuden der HU geschrieben; über die Sicherheits- gen ausgefallen. Die Vorlesungen, zum Beispiel über vorkehrungen bin ich noch nicht informiert worden. Organische Chemie oder Physik, werden über Zoom Was ich mag an diesem verrückten Sommer? Die gestreamt. Es gibt auch Downloads im Audio-Format, Freiheit, dass ich mir meine Zeit selbst einteilen kann. Powerpoint-Präsentationen und Youtube-Videos. Und dass ich keine endlosen Fahrten mehr mit U- und Welche Formate genutzt werden, haben die Pro- S-Bahn zum Campus in Adlershof auf mich nehmen fessor*innen und Dozent*innen nach persönlichen muss. Wenn die Pandemie vorüber ist, können man- Vorlieben entschieden. Vom Lehrplan gestrichen wor- che Provisorien meinetwegen auch zu Dauerlösungen den sind Zoologie-Kurse – da hätten wir sonst Tier- werden. Trockene Mathematik-Vorlesungen zum Bei- kadaver untersucht, eingelegt in Formaldeyhd. Die spiel, die leider auch zum Biologe-Studium gehören, Botanik-Übungen kann ich dagegen auf eigene Faust kann man gerne auch künftig online streamen. angehen. Mit Kommiliton*innen bin ich zum Beispiel durch Uferböschungen am Plötzensee gestreift, um Gräser zu sammeln und zu bestimmen. Was mich belastet: Ich habe noch stressige Lern- phasen vor der Brust – zumal sich noch Klausuren aus dem vergangenen Semester angestaut haben, die Foto: privat im Frühjahr wegen des Lockdowns ausgefallen sind. Um im Zeitplan zu bleiben, müsste ich ganze sieben SOMMERSEMESTER 2020 15
CAMPUS STU D IEREN : LERNEN IN D ER CO RO NA- KRI SE Filip Rotim, 28 4. Semester, Kommunkation, UdK Unser Semester wurde komplett umgestellt, alles das Gefühl zu haben, dass ich noch studiere. findet jetzt online statt: Seminare, Vorlesungen Am härtesten an der Krise war eigentlich, nicht in und auch Prüfungen. Das sind dann mündliche On- die Bibliothek gehen zu können. Im März und April line-Prüfungen, in manchen Fächern gibt es auch musste ich eine Hausarbeit schreiben. Ich fand es to- Klausuren, die man mit nach Hause nimmt und dort tal schwierig, in meinem Schlafzimmer zu arbeiten, schreibt. In einem Seminar, das nun angeboten wird, keine Trennung zu haben zwischen dem Ort, an dem können wir Kommilitonen treffen und Inhalte selbst ich arbeite und dem, an dem ich schlafe und chille. Ich gestalten. Da geht es um die Corona-Krise und welche vermisse das „Bibben“ bis heute – einfach mal einen Lehren wir daraus ziehen. Manche Seminare basieren Tag woanders zu arbeiten. jetzt auch komplett auf Texten. Das heißt, wir lesen die Aber ich bin nicht so schlecht dran. Ich beziehe wei- Texte und müssen uns hinterher mit einer Tonaufnah- terhin Bafög und arbeite bei einer Agentur als Werk- me zurückmelden. Es findet also kein Frontalunter- student. Viele meiner Freundinnen und Freunde, die richt mit Diskussionsrunde mehr statt. zum Beispiel in Kneipen kellnern, hat es da viel härter Ich habe das Gefühl, dass ich damit gut klar kom- getroffen. An meiner Uni, der UdK, starten Studieren- me, gut vorankomme und konzentrierter arbeite. Die deninitiativen auch immer wieder Spendenaufrufe, Fahrtwege fallen weg, und ich bin viel flexibler: Ich um Studierenden intern zu helfen. Manche Dozieren- kann dann arbeiten, wenn ich in einer produktiven de machen da auch mit und rufen dazu auf, zu spenden. Phase des Tages bin. Außerdem haben wir ziemlich Ich habe auch schon drüber nachgedacht, ob man viel Spielraum bekommen. Man kann auch die Kurse nicht die Räume der Uni für eine begrenzte Anzahl im nächsten Jahr wiederholen, ohne dass einem dieses von Studierenden öffnen könnte. Aber davon habe ich Semester als Fachsemester angerechnet wird. Wir kön- noch nichts gehört, im Gegenteil: Es könnte sein, dass nen auch alle Prüfungen auf Oktober schieben, wenn auch das Wintersemester online stattfindet. Aber ich wir wollen. glaube, vielleicht ist es auch nicht möglich, die Räum- Tatsächlich lese ich im Moment aber mehr Texte als lichkeiten wieder zugänglich zu machen, ohne Un- vorher, weil das sozusagen meine Verbindung zur Uni summen in die Infrastruktur zu investieren. ist. Weil das ganze Soziale irgendwie wegfällt und man Foto: Le Hai Linh sich auch weniger austauschen kann, habe ich mehr Motivation, mich darauf zu konzentrieren. Auch, um 16 SOMMERSEMESTER 2020
Schönen Urlaub Ferien zu Hause: Entdecke deine Stadt! Safari, Kreuzfahrt oder Strandurlaub? Das geht alles in Berlin! Die neue Edition „Sommer in Berlin“ gibt vie- le Tipps für den Urlaub zu Hause. Heißes Internationales Flair vor der Tür: Wo Tipn ipns Umlandt:z ure rli findest Du Italien, für To , Leipzig, Gö Ostsee und mehr Skandinavien oder Foto: F. Anthea Schaap GCM Go City Media GmbH, Salzufer 11, 10587 Berlin Vietnam in Berlin? Erfrischend: Baden, Gärtnern, Eis und Limonade selber- machen Schönen Urlaub! Jetzt im Handel! oder versandkostenfrei bestellen: tip-berlin.de/shop
CAMPUS STUDIEREN : UNGE WÖHNLICHE AUSL ANDSSEMESTER In der Ferne In Barcelona, Florenz oder Stockholm das Auslandssemester machen? WIe banal! Es gibt auch Abenteuerlustige, die außergewöhnliche Orte Foto: Maria Lang bevorzugen – etwa Kathmandu, das grönländische Nuuk oder Seoul Protokolle: Michael Mezger 18 SOMMERSEMESTER 2020
STUDIEREN : UNGE WÖHNLICHE AUSL ANDSSEMESTER CAMPUS Lernen in der Einöde Maria Lang, 22, hat während ihres Skandinavistik- Studiums ein Auslandssemester in Nuuk absolviert, der Hauptstadt Grönlands Eine Hauptstadt, zu der keine einzige Straße führt, so- der von seinen Verwandten abgeschnitten wurde, sei- dass man einen Helikopter oder ein Schiff braucht, um nen Beruf verloren hat oder alkoholabhängig gewor- dorthin zu gelangen – das klingt merkwürdig? Ist es den ist. Heute kämpfen vor allem junge Grönländer für auch. Aber das ist Nuuk, die Hauptstadt von Grönland. die Unabhängigkeit von Dänemark. Meine indigenen Nuuk hat nur 18.000 Einwohner, ist damit aber die mit Kommilitonen entdeckten damals die Lebensweise der Abstand größte Stadt im ganzen Land, denn insgesamt Inuit als Gegenentwurf zum kapitalistischen „Schnel- wohnen nur etwas über 55.000 Menschen in dieser un- ler – höher- weiter“. Es werden wieder mehr Geschich- wirtlichen Gegend. ten von früher ausgepackt, bekannte Indie-Rockbands Ich selbst habe Skandinavistik an der Hum- singen wieder auf Grönländisch und sind stolz darauf. boldt-Uni in Berlin studiert. Von meinen Kommilito- Die grönländische Kultur ist erstmal sehr auf Nach- nen wusste ich, dass Erasmus-Studierende beispiels- haltigkeit ausgelegt. Während meines Erasmus-Se- weise in Norwegen doch meist nur in ihrer Blase aus in- mesters haben Einheimische ein paar mal Eisbären ternationalen Studierenden unterwegs sind. Da dachte geschossen, weil sie wegen der globalen Erwärmung ich mir: Okay, wenn schon Blase, dann will ich wenigs- keine Nahrung mehr im Ozean fanden und deshalb tens ein außergewöhnliches Land kennenlernen. Und zu nah an die Stadt herangekommen sind. Die Kada- schwups, habe ich Grönland für mich entdeckt. Bereits ver wurden nicht etwa weggeworfen, sondern in den die Vorbereitungen waren ungewöhnlich: Was immer Tagen darauf gab es in einigen Restaurants alle mög- man online beantragen möchte, ob Handyvertrag, Ver- lichen Speisen mit Eisbärfleisch. sicherung, Visum – „Grönland“ taucht nirgends in der Apropos globale Erwärmung: Natürlich wird es in Standard-Auswahl auf. Man kann nur „Dänemark“ Grönland richtig kalt, im grönländischen Winter zeigt anklicken. Denn Grönland ist ja noch immer eine dä- das Thermometer nachts sogar bis minus 30 Grad Cel- nische Kolonie, aber selbst dann können einem Sach- sius. Das fühlt sich aber gar nicht so kalt an wie bei uns bearbeiter oft nicht weiterhelfen. Man muss sich ganz in Deutschland. Weil die Luft so trocken ist, kriecht die schön durchtelefonieren, manches kann man auch erst Kälte nicht unter die Haut, sondern man kann bei Ta- vor Ort in einem Fachgeschäft erhalten. geslicht sogar in einer leichten Daunenjacke auf einen Über die koloniale Verbindung zu Dänemark wuss- Berg wandern gehen. Dort wird man mit einer tollen te ich recht wenig, als ich im September 2018 in Nuuk Aussicht auf den Hafen belohnt, und mit einer Land- gelandet bin. Vor Ort aber kann man dieser Geschich- schaft, die ein bisschen an den Mond erinnert – denn te kaum entgehen. Dänemark hat sich ein paar Jahr- so weit im Norden gibt es weit und breit keine Bäume. hunderte lang sehr bereichert, indem es in Grönland Nur ein paar Tage lang war es in meinem Eras- Walfische gefangen und vor allem den für Petroleum- mus-Semester so kalt und verschneit, dass das öffent- lampen heiß begehrten Tran teuer verkauft hat. Davon liche Leben in Grönland nahezu still lag. Dann herrscht zeugt nicht nur ein eigenständiges Nationalmuseum, in der Stadt Einigkeit darüber, dass alle zuhause blei- sondern die Geschichten ziehen sich auch durch die ben. Für diesen Fall hat man ein gutes Buch sowie Brot, letzten zwei bis drei Generationen der Familienge- Nudeln und Konserven in der Vorratskammer. schichten aller Grönländer hindurch. Für mein Skandinavistik-Studium hat mir der Auf- Seit Menschen Glühbirnen benutzen, lohnt sich enthalt in Nuuk viel gebracht: Nicht nur kann ich die die grönländische Kolonie für Dänemark finanziell Rolle Dänemarks als angeblich „gute“ Eroberer nun nicht mehr so sehr, also haben die Dänen kurzerhand kritischer reflektieren. Nein, ich habe auch ein bes- in den 60ern alle grönländischen Dörfer von der Ver- seres Verständnis bekommen für alle postkolonialen sorgungskette abgeschnitten. Die einheimischen Inuit Zusammenhänge auf der Welt. Die Mechanismen sind hatten die Wahl, sich entweder auf eigene Faust durch- ja leider überall ähnlich, und die Nachwirkungen sieht zuschlagen oder eben in die Hauptstadt zu ziehen. Auf man überall bis heute. diese Weise sind in Nuuk ganze Plattenbausiedlungen entstanden, in denen auseinander gerissene Fami- lien unter ärmsten Bedingungen leben. Das ist richtig krass! Weil Nuuk so klein ist, kennt jeder jemanden, SOMMERSEMESTER 2020 19
CAMPUS STUDIEREN : UNGE WÖHNLICHE AUSL ANDSSEMESTER In einer Leistungsgesellschaft Lisa Davydenko, 22, die ihren Bachelor in Politischer Ökonomie gemacht hat, war in Seoul Die japanische Kultur fasziniert mich sehr! Als ich aber 98 Prozent der Bewohner waren Koreaner. Als Ausländer festgestellt habe, wie schwierig die Sprache ist, habe ich fällt man auf wie ein bunter Hund, wird ständig ange- mich nach einer Alternative umgesehen. Das ist dann starrt oder als anders wahrgenommen. Dennoch habe Südkorea geworden mit seiner 36-Millionen-Metro- ich zum Glück schnell über meine Mitbewohner und pole Seoul, wo ich von Sommer 2018 bis Sommer 2019 Kommilitonen unter Gleichaltrigen Freunde gefunden. studiert habe – neben Politischer Ökonomie auch ein Korea ist ein sehr sauberes und sehr gut organi- bisschen Koreanisch, denn das war wichtig, um sich vor siertes Land. Zum Beispiel der Öffentliche Personen- Ort einzuleben. nahverkehr: Die Busse sind fast immer pünktlich, und Dass Seoul so groß ist, hat mich gar nicht gestört. es gibt Apps, mit denen man in Echtzeit sehen kann, Es ist ein bisschen wie in Berlin: Der Fixpunkt ist der wo sich welcher Bus gerade befindet. Ich war generell Foto: imago images / Thomas Imo /photothek eigene Kiez, dort findest du alles, was du brauchst. Du überrascht von der Disziplin der Menschen in Seoul. versuchst, dir einen Kiez auszusuchen, von dem aus du Das Bildungssystem – Schule wie Uni – ist streng und nicht allzu lange zur Uni oder zur Arbeit brauchst. Ich anspruchsvoll. Noten werden nach relativer Gewich- denke, niemand in Seoul würde von sich behaupten, tung verteilt, das bedeutet, nur ein kleiner Prozentsatz dass er die ganze Stadt kennt – das ist gar nicht mög- schafft es in die guten Unis oder die guten Jobs – und lich. Der Grund, warum es mir dennoch schwer fiel, ein jeder will an die Spitze. Deshalb lernen und arbeiten die Gefühl von „Normalität“ zu finden, war, dass die Ge- Menschen wie die Bekloppten und gönnen sich nicht sellschaft damals noch viel homogener war als heute. einmal eine Pause, wenn sie krank sind. Dazu passt, dass 20 SOMMERSEMESTER 2020
STUDIEREN : UNGE WÖHNLICHE AUSL ANDSSEMESTER CAMPUS Drogen eigentlich verpönt sind im Land, aber Koffein, gen und herumgealbert wird. Man trinkt Soju, einen Energy-Drinks und Ritalin nimmt eigentlich jeder, koreanischen Schnaps, das ist wie ein milderer Wodka. auch einige meiner Kommilitoninnen. Während mei- Oder Makgeolli, einen gegärten Reis-Wein. Zum Trin- ner Zeit in Seoul wurde aktuell darüber diskutiert, den ken gibt es auch immer etwas zum Essen, meist Kim- Kaffeeverkauf an Grundschulkinder einzuschränken chi, scharfe Dumplings, Fleisch, Hühnchen, und natür- oder gar zu verbieten. Zum Lernen und Arbeiten geht lich viel Reis. Alles wird aus einem Topf gegessen, so man in bestimmte Lern-Treffs, so wie Coworking-Spa- fühlt man sich schnell als Teil der Gruppe. ces nur eben für Studierende, die über die ganze Stadt Aktuell ist Südkorea groß in den Nachrichten, weil verteilt sind. Die haben rund um die Uhr geöffnet, und sie mit ihrer Disziplin das Corona-Virus so gut in den wir haben da schon so manche Nacht durchgebüffelt. Griff bekommen haben. Kein Wunder: Das Gesund- Bei dem ganzen Druck wundert mich nicht, dass Süd- heitssystem in Südkorea ist um einiges besser als hier korea eine hohe Suizidrate hat. in Deutschland. Und Homeoffice ist überhaupt kein Effizient sind die Südkoreaner nicht nur beim Ler- Problem. Auch meine ehemalige Uni in Seoul hat in- nen, sondern auch beim Feiern. Ich hatte sehr viel Spaß nerhalb kürzester Zeit komplett auf Homeoffice um- mit meinen koreanischen Mitbewohnerinnen und gestellt. Wenn man digital so gut ausgestattet ist wie Mitbewohnern! Das lief so bei uns: Man beginnt meist Südkorea, fällt es sehr leicht, eine Pandemie zuhause schon um 19 Uhr oder so, und Ziel ist, um 21 Uhr gut auszusitzen. Ich lebe gerne in Berlin, aber aktuell wäre betrunken zu sein und früh schlafen zu gehen, um am ich lieber in Seoul als hier. nächsten Tag frühmorgens aus dem Bett zu kommen – denn an der Uni herrscht strenge Anwesenheitspflicht. Dabei helfen sehr viele Trinkspiele, bei denen gesun- * *aufwandsentschädigung hab ich da etwa eine gesehen?? betreue verhaltenskreative kinder und Jugendliche auf inklusiven ferienreisen und zuhause fortbildung, praxis-workshops und zertifikate www.wildfang-team.de über deinen ehrenamtlichen einsatz Wildfang e.v./ brunnenstr.191 / 10119 berlin 140 - 350€ aufwandsentschädigung pro woche
CAMPUS STUDIEREN : UNGE WÖHNLICHE AUSL ANDSSEMESTER In luftiger Höhe Lena Vögele, 28, die „Media and Visual Anthropology“ studiert, war im vergangenen Jahr in Kathmandu Wer eine Reise tut, kann viel erzählen. In meinem habe ich weitere drei Monate dort verbracht, von Studienfach Media and Visual Anthropology geht Oktober bis Dezember 2019. es darum, fremde Kulturen kennenzulernen und zu Landschaftlich ist Kathmandu wirklich sehr schön. deuten. Der Medienschwerpunkt fokussiert darauf, Es liegt direkt am Himalaya-Gebirge, wo ich wun- diese Kulturen hinterher medial zu vermitteln, als derschöne Wanderungen und Ausflüge ins Umland Dokumentarfilme oder in Form von Online-Por- unternehmen kann. Wann immer ich die Gelegen- talen. Da trifft es sich gut, dass nahezu der gesam- heit hatte, habe ich das in meiner Freizeit dann aber te Studiengang in Distanz zueinander stattfindet. auch wirklich getan! Denn in Kathmandu selbst ist die Wir treffen uns regelmäßig in Videokonferenzen, Luftverschmutzung einfach nicht auszuhalten. Stän- um über Theorien zu diskutieren oder Vorträgen zu dig dieser Smog! Das habe ich nicht einmal in China lauschen und von wo aus das alle machen, ist jedem als so schlimm empfunden. Ich hatte eine Maske mit selbst überlassen. Sinn dieses Konzeptes ist, bereits einem Filter aus einer Apotheke in Deutschland dabei, während des Studiums in andere Kulturkreise ein- wie man sie jetzt wegen Corona ja häufiger auch bei zutauchen und eigene Medienprojekte daraus ent- uns sieht. Und nicht einmal die geholfen. Ständig hört wickeln zu können. man auf den Straßen, wie die Leute würgen, weil der Mein erstes Reiseziel war Kathmandu. Ich hatte Smog die Lungen so blockiert – als würde man unter bereits kurz vor meinem Studium in der Haupt- einer Motorhaube liegen. Sport in der Stadt machen, stadt Nepals ein Projekt namens Impactweek reali- etwa Radfahren, ist da undenkbar. Entsprechend cha- siert, also Projektwochen, in denen soziale Projekte otisch ist der Straßenverkehr: Weil jeder mit dem eige- entwickelt werden. Dabei habe ich gemeinsam mit nen Auto zur Arbeit kommen will, steht man ständig jungen Menschen innovative Gesellschaftsprojekte im Stau. Uber vermittelt nicht nur Autofahrten son- Foto: imago images / imagebroker konzipiert, die gesellschaftliche und ökologische dern auch Roller. Mit denen kann man sich halbwegs Probleme beispielsweise durch die Gründung nach- zügig zwischen den Autos durchschlängeln. haltiger StartUps, niedrigschwelliger Apps oder Um in Kontakt mit den Einheimischen zu kom- Nachbarschaftsinitiativen gelöst werden . Ich bin men, habe ich gejobbt. Ich wollte meine Fähigkeiten dann einfach dort geblieben, um auch Leute außer- in der Medienproduktion einbringen, und habe ange- halb meiner Workshop-Blase kennenzulernen. Also boten, Projekte einer Hilfsorganisation als Kurzfilme 22 SOMMERSEMESTER 2020
STUDIEREN : UNGE WÖHNLICHE AUSL ANDSSEMESTER CAMPUS WISSENSCHAFTSPREIS Bundesverband Alternative Investments e. V. Prämiert werden Arbeiten im Bereich alternativer Investments mit Schwerpunkt Absolute Return Fonds, Private Equity, Private Debt, Infrastruktur sowie Rohstoffe insbesondere aus den Disziplinen: Betriebswirtschaftslehre | Volkswirtschaftslehre | Rechtswissenschaften (Wirtschafts-) Mathematik | Physik JETZT Wissenschaftspreis 2021 BEN BEWER Das Preisgeld von insgesamt € 10.000,- wird an die Gewinner folgender Kategorien ausgelobt: Bachelorarbeiten Dissertationen/Habilitationen Masterarbeiten Sonstige Wissenschaftliche Arbeiten können Studierende, Doktoranden sowie wissenschaftliche Teilnehmen Mitarbeiter deutscher Hochschulen und Forschungseinrichtun- gen. Die Jury besteht aus hochrangigen Wissenschaftlern und Experten aus der Praxis. 28. Februar 2021 Detaillierte Informationen und Teilnahmebedingungen zu dokumentieren. Über die Zusammenarbeit mit finden Sie unter: den Kolleginnen und Kollegen aus Nepal habe ich www.bvai.de Rubrik Wissenschaftsförderung Einblicke in bekommen, die mir als emanzipierte Westeuropäerin große Probleme gemacht haben. AU SB ILD UN G So mussten jedesmal, wenn der Chef ein Zimmer betreten hat, alle aufstehen und so lange warten, bis der Chef „Setzen“ sagt. Aber was mich am meis- ten schockiert hat: Die anderen Kolleginnen – die zum Psychologischen Psychotherapeuten meisten waren Frauen – waren darüber nicht etwa erbost, sondern die sahen in unserem Chef sowas zum Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten wie eine autoritäre Vaterfigur. Die männliche Au- torität wurde nicht sehr kritisch hinterfragt, und es Weiterbildung für Ärzte war auch nicht gewünscht. Wenn der Chef mal einen SCHWERPUNKT VERHALTENSTH ERAPIE Tag lang nicht da war, wußte niemand, wie man die Staatlich anerkannte Ausbildung nach PsychThG eigenen Aufgaben erledigen soll. Manche hatten so- gar Tränen in den Augen und waren froh, wenn der IVB Institut für Verhaltenstherapie Berlin GmbH Chef wieder den Raum betreten hat. Hohenzollerndamm 125/126 | 14199 Berlin Tel. 030 8 97 37 99 43 | info@ivb-berlin.de Für ein soziales Projekt wie die Impactweek www.ivb-berlin.de würde ich wieder nach Kathmandu zurückkeh- ren. Für ein paar Wochen mit den Einheimischen unternehmerische Lösungen zu finden, um die sozialen und ökologischen Probleme des Landes THE 133 BEST Foto: Herr Lindemann, Richardplatz 16 | Neukölln, © Andi Weiland anzugehen, war eine sehr bereichernde Erfahrung. BARS IN BERLIN sch Deut lish Für längere Zeit nochmal tiefer in den Alltag Kath- DIE PFLICHTLEKTÜRE g FÜR DEN KURATIERTEN +E n GCM Go City Media GmbH, Salzufer 11, 10587 Berlin mandus einzutauchen muss allerdings nicht sein. SCHWIPS Als westeuropäische Studentin bin ich da wohl zu emanzipiert. Spannend im Hinblick auf mein Stu- dium ist allerdings, wie man eine solche sehr an- dere Gesellschaftsstruktur im Film portraitieren kann, ohne sich darüber zu stellen oder zu urteilen. Denn im Dokumentationsfilm sollte es ja darum gehen, dem Zuschauer oder die Zuschauerin die ONLINE andere Kultur nahezubringen – und das ist nicht BESTELLEN: immer einfach. tip-berlin.de/shop (versandkostenfrei/free shipping) SOMMERSEMESTER 2020 23
CAMPUS STUDIEREN: VEGANE MENSA Vegane Klassiker aus dem Nahen Osten in der Mensa Viel Lärm um Soja Die Milch ist aus Hafer, paniert wird nur Gemüse: Im TU-Hauptgebäude hat vor gut einem Jahr die erste vegane Mensa Berlins eröffnet. Zu Besuch an einem Ort, der polarisiert – und beruhigt Text: Eva Biringer Da sind lauter Bäume – und trotzdem kein Wald. eine Eigenkreation: Alpro-Sojajoghurt leicht gesal- Klarer Fall: Fototapete. Statt Vogelgezwitscher ertönt zen. Geschirrgeklapper, und es riecht in diesem Raum so, Unter den 55 Mensen der Stadt Berlin ist die Kan- wie es in Kantinen eben riecht, nur ohne das Bratfett. tine im Untergeschoss des TU-Hauptgebäudes in der Topfpflanzen betreiben Photosynthese, die Besucher Hardenbergstraße ein exotischer Vogel: Sie ist näm- lassen sich auf Holzbänken und Lederimitathockern lich komplett vegan. Seit April 2019 kommen hier nieder. Manche Wände sind in beruhigendem Lila ge- während des Semesters an die tausend Gäste pro Tag, Fotos: Luise Wagener 2019 / stW BERLIN strichen, was offenbar nötig ist: Von hinten drängelt gerechnet hat man mit 450. Alle, die im Besitz einer sich ein Student älteren Semesters mit den Worten Mensacard sind, finden drei täglich wechselnde, kom- „Darf ich mal durch, meine Güte“ vorbei, dabei ist plett tierfreie Gerichte, eines davon „live zubereitet“. doch gerade vorlesungsfreie Zeit. Ein großer Schritt für die Berliner Universitäten – Dafür sind die Mitarbeiter*innen sehr nett. Ernst- und manchen trotzdem nicht radikal genug. haft bemüht versucht eine Frau herauszufinden, was „Wir bekommen viel Feedback per E-Mail und „Yofu“ sein könnte. Wie sich herausstellt, handelt es Twitter. Erst kürzlich beschwerte sich jemand, dass sich nicht um einen Rechtschreibfehler, sondern um er sein Fahrrad nicht in die Mensa mitbringen dürfe. 24 SOMMERSEMESTER 2020
Sie können auch lesen