Caritas Report - 1 Jahr Corona - zwischen Lockdown und Lockerungen - Caritas München

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Caritas Report - 1 Jahr Corona - zwischen Lockdown und Lockerungen - Caritas München
D A S M A G A Z I N D E S C A R I TA S V E R B A N D S D E R E R Z D I Ö Z E S E M Ü N C H E N U N D F R E I S I N G 2 0 2 0 / 2 0 2 1

                                              Caritas
             Report

                       1 Jahr Corona – zwischen
                     Lockdown und Lockerungen
Caritas Report - 1 Jahr Corona - zwischen Lockdown und Lockerungen - Caritas München
C A R I TA S - R E P O R T                                                                                                                 EDITORIAL

                                             Inhalt                                                                                                             Die Folgen
                                                                                                                                                             der Corona-Krise
HERAUSGEBER
                                                        04

                                                       06
                                                                          Doppel-Interview mit dem Vorstand
                                                                          	

                                                                          Die
                                                                          	  Corona-Krise bringt Beschäftigte in
                                                                                                                                                               überwinden
Caritasverband der Erzdiözese                                             Altenheimen an ihre Grenzen
München und Freising e. V.
Hirtenstraße 4, 80335 München
Tel.: +49 89 551 69 - 228                              09                 Alten- und Service-Zentren waren geöffnet
                                                                          	
pressestelle@caritasmuenchen.de

                                                                                                                              A
REDAKTIONSLEITUNG
                                                       10                 Pädagogische
                                                                          	           Fach- und Ergänzungskräfte
Bettina Bäumlisberger (V. i. S. d. P.),                                   unterstützen Kinder, Jugendliche und Familien                     llmählich kehrt wieder Leben ins Haus ein,             selig, was aus manchen Echokammern sozialer Netzwerke
Abteilung Kommunikation & Sozialmarketing                                                                                                   freute sich neulich die Bewohnerin eines               schallt. Irritierend, dass manch ein Impfskeptiker in der­
AUTOREN
                                                       12                 Digitalisierung
                                                                          	              in der Pflege                                     ­Caritas-Altenheims. Die Kolleginnen und               selben Demo mitläuft wie Rassisten und Antisemiten. Er­
Bettina Bäumlisberger (beb), Manuela                                      Resilienz-App für Beschäftigte                                     Kollegen dort sind froh, endlich wieder mit           schreckend, wenn Solidarität verweigert und Anstrengungen
Dillmeier (md), Barbara Maigler-Loeser,                                   Servus Fax, hallo Zukunft                                          den normalen MNS-Masken arbeiten zu                   zur Bekämpfung der Pandemie sabotiert werden.
Astrid Merkl, Marion Müller-Ranetsberger
(mmr), Valentina-Anna Rätz (var),                                                                                             dürfen, und räumen die schweißtreibenden FFP2-Masken                         Corona ist eine große Herausforderung für das Zu­
Maria Wildmann (mw)                                    13	Jahreskampagne 2021/22                                             weg. Mit jeder Impfung und jeder Immunisierung kommt                 sammenleben der Menschen. Die Pandemie hat die Ge­
                                                                                                                              mehr Normalität und Hoffnung in den Alltag zurück.                   meinschaft gespalten – in Ängstliche und Optimistische, in
L E K T O R AT
Lektorat Süd                                           14	Ein Jahr mit Corona im Haus Christophorus                                                                                               Zukurzgekommene und Krisengewinner, in verantwor­
                                                                                                                              Höchste Zeit. Im zweiten Jahr der Pandemie empfinden die             tungsvolle Bürger, die anpacken und helfen, und raffgierige
TITEL                                                  17                 W
                                                                           enn Duschen zum Luxus wird                        Menschen die zahlreichen Einschränkungen als schwere                 Politiker, die absahnen. Die einen vertiefen Brüche, die
Michaela Krick, Alltagsbegleiterin                                                                                            Last. Existenzsorgen, Konflikte in den Familien, Einsamkeit          anderen bauen Brücken.
im Caritas-Altenheim Heilig-Geist-Spital
in Mühldorf a. Inn (s.a. S. 6ff)                       18	Caritas-Beratung: Fachdienste waren persönlich,                    und Angst bedrücken viele. Betroffen sind alle – Jung und                    Das Positive packt die Krise gut ein Jahr nach ihrem
                                                                          telefonisch und online für Hilfesuchende da         Alt, Arm und Reich. Wie wir und die uns anvertrauten                 Beginn aus. Oder haben Sie sich je so auf einen Besuch im
FOTONACHWEISE
                                                                                                                              Menschen die Corona-Krise gemeistert haben, lesen Sie in             Biergarten, im Kino oder im Schwimmbad gefreut? Wann
Historisches Archiv des Diözesan-
Caritasverbands München-Freising;                      20                 Wie
                                                                          	  Erzieherinnen und Erzieher, Eltern und Kinder   den Geschichten dieses Caritas-Reports.                              die Natur intensiver erlebt? Und wann den nächsten Urlaub
Caritas Miesbach: Andrea Buchbauer;                                       den Alltag mit Corona erleben                               Was aber haben wir gelernt? Was dürfen wir nicht             so ersehnt? Wir lernen wieder, das früher so Selbstver­
Caritas München: Bettina Bäumlisberger,                                                                                       vergessen? Und wie bewältigen wir die sozialen, ökonomi­             ständliche als etwas Besonderes zu schätzen. Wir lernen
Anja Herrmann, Robert Kiderle,
Marion Müller-Ranetsberger, Marcus Schlaf,             23	Caritas-News                                                       schen, politischen und psychologischen Folgen der langen             zu staunen. In diesem Sinne wünsche ich Ihnen eine gute,
Valentina-Anna Rätz; Caritas Haus                                         Corona-Inforaum                                     Lockdowns? Das wird nicht nur uns als Sozialarbeiter/                hoffungsvolle Zeit und mit dem Report viel Lesefreude.
Christophorus; Peter Bauersachs; privat                                   Neues Caritas-Altenheim und Caritas-Zentrum         -innen beschäftigen. Das wird im Jahr der Bundestagswahl
K O N Z E P T & G E S TA LT U N G
                                                                                                                              auch Politiker und das Wahlvolk interessieren.
Studio Botschaft, München                              24	Wir sagen allen Spendern Danke!                                           Fakt ist: Corona drängt immer mehr Menschen in die
                                                                                                                              Armut, auch solche, die das nie für möglich gehalten
DRUCK
Gebr. Geiselberger GmbH, Altötting                     25	Schauspielerin Katerina Jacob in der                              haben. Die neuen Verlierer werden erst langsam sichtbar.                    Bettina
PA P I E R
                                                                          Münchner Korbinian-Küche                                    Fakt ist: Fragen der Bildungsgerechtigkeit brechen
                                                                                                                              auf. Die Interessen von Familien, Kindern und Jugendlichen
                                                                                                                                                                                                          Bäumlisberger
Munken Print White 1.5 V,
300 g / m², 100 g / m²,                                26	Junges Engagement                                                 kamen unter die Räder, in der stets schwierigen Abwägung                    LEITERIN DER PRESSE- UND
umweltzertifiziertes Naturpapier:                                         „youngcaritas“ in München gestartet                 zwischen gesundheitlicher Sicherheit und eingeschränk­                      ÖFFENTLICHKEITSARBEIT
FSC®, PEFC, EU Ecolabel, ECF                                              Frischer Wind durch Bufdis                          ten Freiheitsrechten. War es richtig, Kinder ins Homeschoo­
REDAKTIONSSCHLUSS
                                                                                                                              ling zu schicken, wenn schnell deutlich wurde, dass ge­
Juni 2021                                              27	Caritas-Medienpreis                                               schlossene Schulen die Teilhabechancen von Kindern aus
                                                                                                                              prekären Haushalten enorm verschlechtern? Diese und
                                                       28                 	100 Jahre Hilfe durch Nächsten­liebe              andere Unwuchten müssen schleunigst aufgearbeitet und
                                                                                                                              ausgeglichen werden.
                                                       30                 Caritasdirektor
                                                                          	              Georg Falterbaum nimmt Abschied             Fakt ist leider auch: Mit Blick auf die Märchenonkel,
                                                                                                                              die überall Verschwörung wittern, kommen Fragen zum
                                                       31                 Ihr Feedback ist uns wichtig!                       Demokratieverständnis und zur Debattenkultur auf. Gru­

                                                                                                                                                                                              03
Caritas Report - 1 Jahr Corona - zwischen Lockdown und Lockerungen - Caritas München
C A R I TA S - R E P O R T                                                                                                                I N T E R V I E W M I T D E M V O R S TA N D

                                                                                                                                                  zunächst keine Lockerungen erlaubt. Wir mussten der Bayeri­                  Berufe in Sozialer Arbeit und im Gesundheitswesen dauerhaft
                                                                                                                                                  schen Staatsregierung mehrmals laut zurufen, dass den gut                    anerkennen und die Arbeitsbedingungen dort nachhaltig
                                                                                                                                                  geschützten Seniorinnen und Senioren, aber auch Menschen mit                 verbessern. Ältere und pflegebedürftige Menschen, Kinder und
                                                                                                                                                  Behinderung in unseren Häusern wieder mehr soziales Mitein-                  Jugendliche, psychisch labile Menschen, Geringverdiener
                                                                                                                                                  ander zugestanden werden sollte.                                             und Geflüchtete hat die Pandemie mit voller Wucht getroffen.
                                                                                                                                                  TS       Die größte Herausforderung war die kurzfristige Taktung             Hier muss die Politik ansetzen. Wir brauchen den Zusammenhalt
                                                                                                                                                  der Infektionsschutzverordnungen, die wir umzusetzen hatten.                 dauerhaft, den wir in der Gesellschaft zu Beginn der Pandemie
                                                                                                                                                  Dieser Overload an Informationen überforderte Mitarbeitende,                 gespürt und erlebt haben.
                                                                                                                                                  Klienten/-innen und Angehörige. Unsere finanziellen Sorgen hat               TS       Durch Barmherzigkeit vermeide ich Spaltung. Wir brau-
                                                                                                                                                  uns die Politik in der Rückschau – nach mehr oder weniger                    chen Räume der Begegnung, damit Menschen sich austauschen
                                                                                                                                                  freundlichen Hinweisen – genommen. Mindereinnahmen durch                     und verstehen können, damit sie vielleicht über ein Lächeln ins
                                                                                                                                                  behördliche Schließungen oder coronabedingte Mehraufwen-                     Gespräch kommen, sich wahrnehmen und vom Leid der anderen
                                                                                                                                                  dungen bei Sach- und Personalkosten wurden durch Rettungs-                   berühren lassen, damit sie aufeinander reagieren können.
                                                                                                                                                  schirme und Ausgleichszahlungen der Kostenträger abgemildert.                C        Die Caritas kam bundesweit in die Schlagzeilen, weil
                                                                                                                                                  Einzig bei den Rückerstattungen für Corona-Verdienstausfälle                 sie den Tarifvertrag Altenpflege abgelehnt hat. Was war los?
                                                                                                                                                  dürften die Behörden etwas Tempo zulegen.                                    GS       Die Arbeitsrechtliche Bundeskommission der Caritas (BK)
                                                                                                                                                  C        Welche Konsequenzen folgen aus der Erfahrung im                     hatte den von Verdi und BVAP vorgelegten Mindesttarifver-
                                                                                                                                                  Umgang mit der Pandemie?                                                     trag Altenpflege zur Allgemeinverbindlicherklärung abgelehnt.
                                                                                                                                                  GS       Die Situation der Altenheime hat uns vor Augen geführt,             Dieser Tarifvertrag war handwerklich schlecht gemacht und
↑ Doppelspitze: Gabriele Stark-Angermeier und Thomas Schwarz führen als Vorstand den Diözesan-Caritasverband derzeit zu zweit.                    dass wir immer wieder die Angemessenheit politischer Maß-                    inhaltlich dünn. Ihm fehlten wesentliche Elemente wie Schicht-
                                                                                                                                                  nahmen überprüfen müssen. So sollten die rigorosen Besuchs-                  zulagen, Altersvorsorge, ausreichend Urlaub und Urlaubsgeld.
                                                                                                                                                  verbote die Bewohner/-innen vor dem Coronavirus schützen,                    Unterschätzt hat die BK die Wirkung dieser Ablehnung. Es
                                                                                                                                                  haben sie jedoch von der Außenwelt abgeschottet, was zu viel­                fehlte eine gute Kommunikationsstrategie, das war ein Fehler.

„Pandemie
                                                                            und ist zentral. Dieses Engagement kann gar nicht hoch genug          fältigen Belastungen auf allen Seiten führte. Viele Eltern waren             Von der Richtigkeit der Entscheidung der Kommission bin ich
                                                                            geschätzt werden. Dafür möchte ich allen noch einmal herz­            mit Homeoffice und Homeschooling über Gebühr belastet.                       nach wie vor überzeugt.
                                                                            lich danken. Und ich freue mich, dass wir einige Zukunftspro-         Vor allem die Mütter haben oft zurückgesteckt und die Care-                  C        Was passiert nun nach der Empörungswelle?

mit Herzblut                                                                jekte auf den Weg gebracht haben. Erwähnt sei der Spatenstich
                                                                            für das Altenheim Don Bosco in Germering samt Tagespflege-
                                                                                                                                                  Aufgaben übernommen. Die Probleme von Familien, Schulkin-
                                                                                                                                                  dern und Jugendlichen wurden zu lange ignoriert.
                                                                                                                                                                                                                               GS       Wir beobachten viel Bewegung in der Bundespolitik. Die
                                                                                                                                                                                                                               Pflegereform mit verbindlichen Tarifen und der Anerkennung

bewältigt“
                                                                            Angebot und Betreutem Wohnen oder der Baubeginn des neuen             TS       Politik und Gesellschaft haben in der Pandemie den                  auch der kirchlichen Arbeitsrechtsbedingungen ist auf den Weg
                                                                            Caritas-Zentrums in Prien.                                            Fokus auf den Schutz älterer Menschen gesetzt. Das war auch                  gebracht. Genau das ist der richtige Weg hin zu besseren
                                                                            TS       Die Pandemie hat zunächst alle überfordert. Aber wir         richtig, dabei hat man zum Teil aber Menschen mit Behinderun-                Arbeitsbedingungen und Gehältern für alle in der Pflegebranche.
                                                                            haben uns ihr gestellt und sie gemeinsam – auch mit unseren           gen, Kinder und Jugendliche oder Menschen mit Suchterkran-                   Dafür hat sich die Caritas immer eingesetzt, dafür wurde
Gabriele Stark-Angermeier (GS)                                              angeschlossenen Mitgliedern – mit viel Aufwand und Herzblut           kungen aus dem Blick verloren. Das müssen wir nun ändern,                    der Riesenärger ausgehalten. Vom Ende her betrachtet, war die
und Thomas Schwarz (TS) stehen                                              bewältigt. Unsere Dienstgemeinschaft hat uns in der Pandemie          indem wir diesen Gruppen jetzt verstärkt helfen.                             Auseinandersetzung richtig und wichtig.
                                                                            und durch sie getragen. Stellvertretend dafür möchte ich den                   Was soll Politik nun verändern? Wo ist der Hand-                             Der katholischen Kirche wurde vorgeworfen,
Rede und Antwort                                                            Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in der Weiterbildung danken,
                                                                                                                                                  C

                                                                                                                                                  lungsbedarf am dringendsten?
                                                                                                                                                                                                                               C

                                                                                                                                                                                                                               sich in der Pandemie zu wenig um die Not der Menschen
                                                                            die als komplette Mannschaft in unseren Altenheimen ausge-            GS       Es wäre jetzt wichtig, mehr auf die Familien, die Kinder            gekümmert zu haben …
                                                                            holfen haben. Alle Beteiligten haben eine steile Lernkurve hin-       und Jugendlichen zu achten und sich um sie zu kümmern.                       TS       Das sehe ich anders. Wir sind ja Teil der Kirche. Kirche
INTERVIEW                                                                   gelegt. So ist es uns binnen vier Wochen gelungen, auf digitale       Es geht nicht nur darum, Lernrückstände aufzuholen, sondern                  war und ist Caritas und deshalb war und ist Kirche in der
Bettina Bäumlisberger                                                       Formate wie Onlineberatung oder Videokonferenzen umzu­                auch die Entwicklung in allen Bereichen nachzuholen.                         Pandemie auch da. Wir sind als Caritas und Kirche immer nah
                                                                            stellen. Auch Homeoffice haben wir schnell ermöglicht. Beein-         TS       Die Folgen der Pandemie und deren Bewältigung werden                bei den Menschen gewesen. Von der Amtskirche wünschen
                                                                            druckt hat mich die hohe Spendenbereitschaft von Unternehmen          uns noch lange begleiten. Es kommt darauf an, dass keiner                    wir uns, dass wir weiterhin gemeinsam im christlichen Geist
C       Was waren für Sie in diesem von der Pandemie                        und Mitmenschen, insbesondere die Spendenaktion des „Ober­            vergessen wird und keiner verloren geht. Für diese Aufgabe ist               unterwegs sind und uns gegenseitig unterstützen.
geprägten Geschäftsjahr 2020/21 die Highlights?                             bayerischen Volksblatts“. Mit 1,2 Millionen Euro unterstützt          es wichtig, dass die Politik die finanziellen Mittel bereitstellt,           C        Die Pandemie hat Privatleben, Freizeit und beruflichen
GS      Die Corona-Krise hat niemanden verschont und die                    es den Bau neuer Räume und einer Schule im Wohnheim für               solange es nötig ist. Wirtschaft ist wichtig und wird aus gutem              Alltag von der analogen in die virtuelle Welt verschoben. Sind
Caritas in allen Bereichen enorm gefordert. Wir haben gezeigt,              Men­schen mit Behinderungen in Brannenburg.                           Grund mit Rettungsschirmen gefördert. Sozialwirtschaft ist                   Sie schon Audio- und Video-Call-müde?
dass wir wandlungsfähig sind, dass wir schnell und passge-                  C        Und wo lagen die größten Belastungen?                        aber ebenso wichtig und darf nicht vergessen werden. Denn:                   TS       Mir fehlen die persönliche Begegnung, das informelle
nau reagieren können. Dank des außerordentlichen Einsatzes                  GS       Das waren sicher die Angst vor Ansteckung und die re-        Wir sind der Kitt der Gesellschaft.                                          Gespräch am Rande einer Konferenz in der Pause, die Zwischen-
unserer Beschäftigten und der Ehrenamtlichen gab es selbst in               duzierten Kontakte. Gerade demenziell erkrankte Menschen              C        Die Krise wirkt wie ein Vergrößerungsglas für ­soziale              töne und Gesten, die Beziehungsarbeit. Aber der digitale
unserer großen Organisation keinen Stillstand. Unsere Einrich-              konnten den plötzlichen Verlust der Kontakte zu ihren Angehö-         Ungleichheiten. Wie lässt sich die Spaltung der Gesellschaft                 Austausch hat auch viele Vorteile: Es entfallen Hin- und Rück-
tungen und Dienste funktionierten in dieser schwierigen Zeit                rigen nicht nachvollziehen. Als belastend empfand ich die             verhindern?                                                                  fahrten. Und die Konferenzen sind konzentrierter und kürzer.
zuverlässig. Trotz erhöhter Infektionsgefahr waren unsere Mit-              langen restriktiven Vorschriften für die stationären Einrichtungen.   GS       Vor allem durch entschlossenes politisches Handeln,                 GS       So geht’s mir auch. Für die Zukunft ist ein Mix aus
arbeiterinnen und Mitarbeiter in den Einrichtungen vor Ort                  Ihnen wurden nach Impf- und Immunisierungsraten von über              Nachbesserungen in der Sozialgesetzgebung und Reformen.                      digitalen und analogen Formaten sinnvoll. Und ich freue mich
präsent, motiviert und haben professionell gearbeitet. Das war              90 Prozent der Bewohner und gut 70 Prozent der Mitarbeitenden         Klatschen allein genügt nicht. Wir müssen die systemrelevanten               auf die Begegnungen in der kommenden Zeit!

                                                                       04                                                                                                                                                 05
Caritas Report - 1 Jahr Corona - zwischen Lockdown und Lockerungen - Caritas München
C A R I TA S - R E P O R T                                                      S TAT I O N Ä R E A LT E N H I L F E

↓ Heldinnen des Alltags                                             TEXT                                                                   rinnen, die Verwaltungs- und Hauswirtschaftskräfte oder
Michaela Krick (l.) und Tanja                                       Bettina Bäumlisberger                                                  der Haustechniker die einzigen Ansprechpartner. So wie
Eisgruber verbringen ihre Pausen
gerne im Pfarrgarten des Heilig-                                                                                                           Alltagsbegleiterin Renate Schiller, die im Wohnbereich von
Geist-Spitals und entspannen vom                                    FOTOS                                                                  Tanja Eisgruber nicht nur täglich acht Liter Kaffee und acht
ebenso schönen wie aufreiben­                                       Bettina Bäumlisberger                                                  Liter Tee für die 35 Senioren/-innen kocht und die Mahl­
den Job. An der frischen Luft kann
bei ausreichend großem Abstand                                                                                                             zeiten bereitet. Sie ist die Netzwerkerin, kümmert sich um
auch mal die Maske abgenom-                                                                                                                die Anliegen der Menschen, fördert die Gemeinschaft,
men werden, um durchzuatmen.                                                                                                               stellt Kontakte her, sorgt für Teilhabe am Alltag, Unterhal­
­Wegen der inzwischen niedrigen
 Inzidenzzahlen und der hohen                                                                                                              tung und Beschäftigung. „Den ganzen Tag mit Maske ist
 Impf- und ­Immunisierungsquote                                                                                                            anstrengend", sagt die 59-Jährige. „Ich muss sehr viel lauter
 darf das Personal in den Alten-                                                                                                           sprechen, damit man mich versteht. Aber der Job macht
 heimen Anfang Juni wieder so-
 genannte OP-Masken tragen. Das                                                                                                            Spaß. Man kriegt so viel zurück.“
 ist eine große Entlastung für alle                                                                                                                 Pflege- und Gerontofachkraft Tanja Eisgruber sieht es
 Mitarbeitenden in den Häusern.                                                                                                            genauso. Hat sie keine Angst vor Corona? Natürlich habe
                                                                                                                                           sie Respekt, aber sie halte sich an die Hygienevorschriften
                                                                                                                                           und ließ sich schnell impfen. „Pflege ist nah, das geht
                                                                                                                                           nicht auf Abstand“, betont sie. „Ich bin glücklich, meine
                                                                                                                                           Arbeit erfüllt mich. Ich freue mich über die Begegnung mit
                                                                                                                                           den Menschen.“ Sie erfahre viele Lebensgeschichten. Wie
                                                                                                                                           die von Katharina Vogtleitner, die Tanja Eisgruber nach der
                                                                                                                                           Grundpflege fragt, was sie heute Schönes anziehen wolle.
                                                                                                                                           Die 89-Jährige war früher Sängerin, spielte Zither und hat
                                                                                                                                           sich schon immer nett zurechtgemacht. Deswegen sucht
                                                                                                                                           die junge Mühldorferin gemeinsam mit der demenzkranken

                                                                    M
                                                                                                                                           Seniorin geduldig im Schmuckkasterl nach der passenden
                                                                                   ühldorf am Inn, Ende Februar 2021, morgens              Kette. Natürlich darf auch der fliederfarbene Lieblingshut
                                                                                   um halb sechs. Tanja Eisgruber beginnt ihre             der alten Dame nicht fehlen, bevor die beiden zum Spazier­
                                                                                   Frühschicht in der hauseigenen Kapelle des              gang in den idyllischen Garten entschwinden.
                                                                                   Caritas-Altenheims Heilig-Geist-Spital. Zeit                     Die Bewohner sollen sich wohlfühlen. Deswegen sei
                                                                                   zum Innehalten bleibt nicht, Testen ist an-             es wichtig zu wissen, was früher prägend für sie war,
                                                                    gesagt. In ihrer Kluft mit Ganzkörper-Schutzanzug, Ein-                erläutert Tanja Eisgruber. Ratefüchse gibt’s auch im Heilig-
                                                                    malhandschuhen, FFP2-Maske und Gesichtsvisier sieht                    Geist-Spital. Die Quizrunde mit Michaela Krick, Alltags­
                                                                    die junge Frau aus wie eine Figur aus dem amerikanischen               begleiterin mit geronto-psychologischer Zusatzausbildung,
                                                                    Action-Thriller Outbreak. Die Kolleginnen warten schon                 ist bis auf den letzten Platz gefüllt. „Denkspaß fördert die
                                                                    auf die große Blonde mit der Lizenz zum Testen. Dreimal pro            kognitiven Fähigkeiten und hält die Bewohner fit“, sagt die
                                                                    Woche muss jeder und jede Beschäftigte vor dem Dienst                  50-Jährige. Außerdem seien Erfolgserlebnisse für die Psy­
                                                                    zum Corona-Check.                                                      che wichtig. Los geht’s: „Eine Schwalbe macht noch
                                                                                                                                           keinen …?“ – „Sommer!“, schallt es im Chor. Humor darf
                                                                           Mehr als ein Jahr im Ausnahmezustand                            nicht fehlen. „Warum trinken Mäuse keinen Alkohol?“ –

                   Ein Jahr kein
                                                                           Mit Masken-, Test- und Abstandsgebot. Mit Besuchs­              „… weil sie Angst vorm Kater haben“, löst Michaela Krick
                                                                    verboten und sozialer Isolation. Als äußerst anstrengend               die Scherzfrage auf. Große Heiterkeit.
                                                                    empfand Heimleiterin Ilona Brunner die fast täglich wech­
                                                                    selnden Verordnungen. Das habe nicht nur die Beschäftigten

                 Lächeln gesehen
                                                                    an ihre Grenzen gebracht. „Da haben auch viele Bewohne­
                                                                    rinnen und Bewohner resigniert“, resümiert die 56-Jährige.
                                                                           Kein Wunder. Unter den Masken war kaum ein
                                                                    menschliches Antlitz zu erblicken. „Manche haben ein Jahr                      „Den ganzen Tag mit Maske
                                                                    lang kein Lächeln gesehen“, beschreibt es Tanja Eisgruber.                      ist schon anstrengend.
                                                                    Umarmungen waren verboten. „Da kam ich manchmal ganz
                                                                    schön in Zwiespalt, weil eine demenziell erkrankte Seniorin
                                                                                                                                                    Ich muss sehr viel lauter sprechen,
      Die Corona-Krise bringt Beschäftigte in Altenheimen an ihre   nicht verstehen kann, warum ihre Tochter sie jetzt nicht                        damit man mich versteht.“
    Grenzen und verbreitet mit Maskengebot und Umarmungsverbot      herzen darf“, erzählt die 35-jährige Mama von drei ­Kindern.
                                                                           Die Besuchsbeschränkungen brachten Einsamkeit für
                                                                                                                                                      R E N AT E S C H I L L E R

                            viel Einsamkeit                         die Bewohnerinnen und Bewohner. Oft waren die Pflege­

                                                 06                                                                                   07
Caritas Report - 1 Jahr Corona - zwischen Lockdown und Lockerungen - Caritas München
C A R I TA S - R E P O R T                                                                                                            A M B U L A N T E A LT E N H I L F E

                                                                                                                                        Essen gegen
        „In diesem Haus kann man nur zufrieden sein“, lobt                                                                                                                                                                                 Impfteams in vielen ­ASZ
Irene Höglmeier, 89, die seit sechs Jahren „hier daheim ist“.                                                                                                                                                                              Mit einer Corona-Impfung war­
Die Münchnerin fühlt sich gut betreut und umsorgt. „Es                Zur ambulanten Pflege                                                                                                                                        te sie auf ihren Hausarzt, denn sie
ist wie ein Familienverband.“ Schade sei nur, dass Corona
ausgerechnet die letzten Lebensjahre belastet.
                                                                      gehört ein herzliches Lachen
                                                                      Wir haben mit Willibald Regul (80) gesprochen, dem die
                                                                                                                                        die Einsamkeit                                                                             reagiere auf viele Dinge hochallergisch.
                                                                                                                                                                                                                                   „Viele unserer ASZ-Besucher/-innen
                                                                                                                                                                                                                                   sind noch nicht geimpft, obwohl die
        Ortswechsel.                                                 Caritas Miesbach seit fünf Jahren bei der häuslichen                                                                                                         Impfungen in den ASZ anlaufen. Man­
                                                                                                                                        Alten- und Service-Zentren waren geöffnet
         Caritas-Altenheim St. Antonius in München.                   Pflege seiner Ehefrau zur Seite steht. Elfriede Regul (77)                                                                                                   che wollen erst mal abwarten, andere
         Roman Üblhör litt sehr unter den Besuchsregeln. Mit          hatte 2016 einen Schlaganfall mit schwerwiegenden Folgen.                                                                                                    fürchten die Folgen oder setzen eben­
seinen 90 Jahren konnte er seine demenzkranke Frau                                                                                                                                                                                 falls auf die Hausärzte, die ihnen ver­

                                                                                                                                        M
Liselotte nur sehen, wenn seine Tochter Zeit hatte, ihn zu                                                                                                                                                                         traut sind“, berichtet ASZ-Leiter Jens
fahren. „Sie durfte dann aber nicht mit rein, weil wir                ↑ 23 Ambulante Pflegedienste                                                      ittagstisch an einem                                                       Dietrich. Mit seinem Team sorgt er
nicht zusammenwohnen“, schildert der ehemalige Elektro­               mit fast 1.000 Mitarbeitenden                                                     Montag im Corona-März                                                      für das seelische und körperliche Wohl
                                                                      hat der Diözesan-Caritasverband
meister. Erschwerend kommt hinzu, dass Gäste immer                    in München und Oberbayern.                                                        2021 im Caritas Alten-                                                     der Seniorinnen und Senioren. „Wir
Maske tragen müssen. Die Maske im Gesicht des Gegenübers              Im Jahr werden rund 10.000                                                        und Service-Zentrum                                                        beraten zu finanziellen Problemen,
sei für demenziell Erkrankte oder Schwerhörige fatal, er­             Menschen daheim pflegerisch                                                       (ASZ) Isarvorstadt. Acht                                                   zum Beispiel wie man einen Antrag auf
                                                                      versorgt.
läutert Heimleiterin Manuela Vogel-Zierlinger. „Laut spre­                                                                              ältere Damen und Herren sitzen an                                                          Grundsicherung stellt, und sind ein­
chen hilft oft nicht und wer von den Lippen ablesen muss,              → Caritas-Pflegefachkraft                                        mehreren Tischen und lassen es sich                                                        fach da für alle Nöte und Sorgen“,
hat überhaupt keine Chance, etwas zu verstehen.“                      ­A lexandra Buchbauer ­u nterstützt                               schmecken. In der Cafeteria hängt ein                                                      ergänzt Sozialpädagogin Monika Kett.
                                                                       Elfriede Regul zu Hause.
         Wie fast alle 27 Caritas-Altenheime schaffte St. An­                                                                           CO2-Messgerät, das die Lüftungsinter­                                                      Gerade die Wintermonate seien hart
tonius Tablets an, damit die Bewohner/-innen im Lock­                                                                                   valle vorgibt. Ein Luftfilter soll dafür                                                   gewesen, denn im Sommer im Garten
down mit ihrer Familie skypen konnten. Die Videotelefonie                                                                               sorgen, dass sich Viren und Bakterien      ↑ Maria Halat im Garten des ASZ der Caritas     fänden weitaus mehr Begegnungen
half nur bedingt. Liselotte Üblhör war das neue Medium                                                                                  möglichst nicht im Raum verteilen.         in der Münchner Isarvorstadt.                   statt und die Besucher/-innen hätten
unheimlich. „Sie erkannte ihre Tochter, verstand aber nicht,                                                                            Maria Halat kommt seit über 20 Jahren                                                      auch nicht so viel Angst vor Anste­
warum sich das Foto bewegte“, erzählt Vogel-Zierlinger.                                                                                 mehrmals die Woche zu den Mittag­                                                          ckung. Immerhin habe man inzwischen
„Und weil die 90-Jährige die Stimme der Tochter hörte,                                                                                  essen, die inzwischen von der Stadt                 orona lässt den Freundeskreis
                                                                                                                                                                                           C                                       etwas mehr Erfahrung, was Corona
suchte sie sie überall im Zimmer.“ Eine andere Frau habe              C       Welche Defizite hatte ihre Frau?                          München finanziert werden. „Als ich                noch mehr schrumpfen                    und die Hygieneregeln betreffe, erläu­
das Gesicht ihrer Enkelin auf dem Tablet streicheln wollen            WR      Sie war halbseitig gelähmt und hatte Sprech- und          grade in Rente war, habe ich angefan­              Was sie am meisten vermisse in          tert Dietrich. „Beim ersten Lockdown
und damit das Bild weggewischt. „Skypen kann halt den                 Schluckprobleme. Sieben Monate war Elfriede im Krankenhaus        gen, hier Gymnastik zu machen, bin         der Pandemie, seien die unbeschwer­             im März 2020 ging gar nichts mehr.
sozialen Kontakt nicht ersetzen.“                                     und viele Male in Reha. Geistig ist sie voll da und wenn man      mit den Wandergruppen unterwegs            ten Treffen mit ihren drei Kindern, dem         Im Juli haben wir dann schrittweise
         Roman Üblhör wollte die Restriktionen nicht länger           sie kennt, kann man sie verstehen, wenn sie spricht.              gewesen und freue mich bis heute über      Enkelsohn und der kleinen Urenkelin.            wieder geöffnet und zu allen Besu­
hinnehmen. Kurzerhand zog er im Februar dieses Jahres                 C       Wie haben Sie beide diesen Schicksalsschlag               die vielen persönlichen Kontakte und       „Ich darf mich aber nicht beklagen,             chern telefonischen Kontakt gehalten.“
ins Heim zu seiner Liselotte, mit der er 66 Jahre verheiratet         verkraftet?                                                       die Geborgenheit, die man hier er­         denn meine Tochter kommt einmal die             Derzeit mache sich totale Corona-­
ist und die er nun täglich sehen kann – ohne Maske, ohne              WR      Meine Frau ist tapfer, sie kann aber mit dem Umstand,     fährt“, begeistert sich die 90-Jährige,    Woche und kauft für mich ein. Es fehlen         Müdigkeit bei allen breit bis hin zu Wut
Abstand, ohne Test.                                                   dass sie völlig unbeweglich und immer auf Hilfe angewiesen        die sich allein in ihrer Wohnung im        aber die Nähe und die Umarmungen“,              und depressiven Verstimmungen,
                                                                      ist, manchmal schwer umgehen. Ich sage ihr stets, dass sie sich   Münchner Glockenbachviertel versorgt.      findet Maria Halat. Zwei gute Freun­            stellt Kett bei ihren Gesprächen mit
                                                                      45 Jahre um mich und die Kinder gekümmert hat und jetzt bin       In ihrem Alter sei man allerdings froh,    dinnen habe sie durch Corona verloren.          den älteren Menschen fest. Im Grunde
                                                                      eben ich mal dran im letzten Lebensabschnitt.                     wenn man nicht täglich einkaufen           Der Freundeskreis werde eh immer                hofften alle auf baldige Normalität,
                                                                      C       Wie wichtig ist die ambulante Pflege der Caritas?         und kochen müsse. Auch Kaffee und          kleiner. „Wenn man so alt ist wie ich,          zumal sie ja auch nicht mehr jede Men­
       ↓ 66 Jahre Ehe: Roman Üblhör zog zu seiner
       Frau Liselotte ins Altenheim St. Antonius                      WR      Wir sind damit mehr als zufrieden. Die Pflegefachkraft    Kuchen genießt die weißhaarige Dame        hat man nicht mehr so viele Men­                ge Lebenszeit hätten. (mmr)
       in München, um sie täglich sehen zu können.                    kommt jeden Wochentag pünktlich morgens um halb acht              mit den wachen Augen im ASZ. Die           schen.“ Sie sei jetzt eben viel daheim.
                                                                      und am Wochenende um halb zehn. Dann geht es sofort los mit       Kraft lasse nach und da sei man froh,      Die Seniorin hält inne und man merkt,
                                                                                                                                                                                                                                   ↓ Impfen schützt: Seniorinnen und Senioren
                                                                      der Morgenpflege: aufstehen, anziehen, waschen bis hin zum        wenn man nette Menschen gleich um          dass sie in Erinnerungen schwelgt.              in den Altenheimen wurden als Erste mit den
                                                                      Kämmen. Meine Frau freut sich immer darauf und ich höre die       die Ecke treffen könne.                    „Was mir auch noch abgeht, sind die             begehrten Vakzinen versorgt.
                                                                      Damen dann herzlich miteinander lachen. Das ist eine Gaudi!                                                  Ausflüge auf den Viktualienmarkt. Mit
                                                                      Immer freundlich, aufmunternd, aufrichtend, einfühlsam und                                                   der Tram durch München, das war
                                                                      persönlich. Wirklich pfundig. Und ich bekomme meine Frau dann                                                schon sehr schön. Oder in den Botani­
                                                                      hübsch hergerichtet zum Frühstück übergeben.                                                                 schen Garten. Stundenlang auf der
                                                                              Können Sie andere dazu ermutigen, Angehörige                                                         Bank sitzen, Menschen beobachten und
                                                                      C

                                                                      zuhause zu pflegen?
                                                                                                                                             „Ich mag nicht mehr                   ratschen“, sinniert die alte Dame
                                                                      WR      Es kommt auf die Beziehung an, die man zum Ehepartner           täglich kochen.“                     und verweist darauf, dass sie auf diese
                                                                      hat. Wenn man eng verbunden ist, geht das leichter. Meine                M A R I A H A L AT ( 9 0 )
                                                                                                                                                                                   Exkursionen momentan wegen der
                                                                      Frau ist meine große Liebe. Wenn wir in ein Heim gehen, dann                                                 Gefahr einer Ansteckung mit dem
                                                                      gerne gemeinsam, wenn es so weit ist und so sein soll. (mmr)                                                 Virus „schweren Herzens“ verzichte.

                                                                 08                                                                                                                                         09
Caritas Report - 1 Jahr Corona - zwischen Lockdown und Lockerungen - Caritas München
C A R I TA S - R E P O R T                                                                                                             M I G R AT I O N U N D I N T E G R AT I O N

Mit dem Smartphone
                                                                                              Tagesablaufs und der Termine, so zum               „Die Kinder und Jugendlichen                „Für die Kinder war es eine
                                                                                              Beispiel Familie El-Hashem* aus            kommen ganz unterschiedlich zu­            große Umstellung, nicht mehr in die
                                                                                              Irak. „Für die Familie sind die Tage des   recht“, berichtet die Erzieherin. „Viele   Schule gehen zu dürfen“, schildert

in den Unterricht                                                                             Homeschoolings nur schwer zu meis­
                                                                                              tern“, erläutert Caritas-Mitarbeiterin
                                                                                              Eva Wölfl. Die Eltern leben mit ihren
                                                                                                                                         der Jugendlichen erledigen ihre
                                                                                                                                         Schul­arbeiten selbstständig und kom­
                                                                                                                                         men dann nachmittags gezielt mit
                                                                                                                                                                                    Wölfl. Die Kinder lernten im Präsenz­
                                                                                                                                                                                    unterricht sehr schnell Deutsch, im
                                                                                                                                                                                    Distanzunterricht fehle der für das
                                                                                              fünf Kindern in zwei aneinandergren­       ihren Fragen zu uns“, lobt die 29-Jäh­     Erlernen einer Sprache so wichtige
Pädagogische Fach- und Ergänzungskräfte
                                                                                              zenden Zimmern im ersten Stock. Die        rige. Doch vor allem die Grundschul­       ­Kontakt. „Da bleibt Integration auf der
unterstützen Kinder, Jugendliche und                                                          pädagogischen Fachkräfte der Caritas       kinder bräuchten noch Hilfe. Manche         Strecke.“ Zwischen 14 und 16 Uhr
deren Familien – auch beim Homeschooling                                                      erstellen gemeinsam mit den Eltern         füllen nachmittags in einer halben          unterstützen die Pädagogen/-innen die
in den Unterkünften                                                                           eine bunt markierte Wochenübersicht        Stunde ein Blatt in Mathe und eins in       Schüler/-innen bei den Hausaufgaben,
                                                                                              mit den Online-terminen der drei           Deutsch aus und gehen dann wieder,          nacheinander nach einem festgeleg­
                                                                                              Grundschulkinder. Sie halten den Kon­      andere brau­chen länger. „Wir versu­        ten Stundenplan. Zurzeit dürfen sich
                                                                                              takt zur Schule, drucken die Arbeits­      chen den Kindern so viel Zeit zu geben,     die Kinder einer Familie aufgrund
                                                                                              blätter aus und nummerieren sie            wie sie benötigen“, versichert Wölfl.       der geltenden Pandemie­regeln gleich­
                                                                                              durch. Die Eltern achten darauf, dass              Die Sozialpädagogin Kerstin         zeitig mit einem anderen Kind im
                                                                                              die Kinder ihre Termine einhalten,         Forster leitet die Unterstützungsange­      Hausaufgabenraum aufhalten, maximal
                                                                                              den Zugang zur Onlineplattform und         bote für Kinder, Jugendliche und            zu fünft. Denn auch in der Unterkunft
                                                                                              zu den Meetings müssen sie selbst                                                      müssen sie Abstand halten und dürfen               ↑ Love lebt mit ihrer Tochter Rejoice in einer
                                                                                                                                                                                                                                        Unterkunft für Geflüchtete.

D
                                                                                              finden. „Die beengte Raumsituation in                                                  sich nur eingeschränkt mit anderen
              er 14-jährige Abdil* sitzt                                                      der Unterkunft erschwert den Dis­                                                      treffen. Die Raumsituation sei sowieso
              an diesem Vormittag an                                                          tanzunterricht zusätzlich“, betont Eva                                                 beengt.
              einem Holztisch im klei­     „Die Bera­t er/-innen                              Wölfl. Manchmal säßen mehrere                   „Wir lieben unsere                             „Wir haben Glück gehabt, die
              nen Hausaufgabenzimmer        tun den Familien in                               Kinder einer Familie im selben Raum.              Arbeit für und                       Unterkunft war nur einmal in Quaran­
              und verfolgt am Laptop                                                          Die einen füllen ihre Arbeitsblätter                                                   täne“, erzählt Eva Wölfl. Stecke sich              Einen Computer oder Laptop besitzt
gespannt die Präsentation des Erdkun­
                                            den ­Unterkünften gut,                            aus, während die anderen am Online­
                                                                                                                                                mit Menschen, doch                   ein/-e Bewohner/-in an, müssten                    sie nicht. „Ich musste mit meinem
delehrers seiner Mittelschule. Sein         denn die Rahmen­                                  unterricht teilnehmen. Die Grund­                 die Lebens- und                      sofort Maßnahmen greifen, denn sonst               Handy am Unterricht teilnehmen, das
vier Jahre jüngerer Bruder Mahdi* hat       bedingungen dort                                  schule versuche, die Meetings der                 Arbeits­bedingungen                  könne sich das Virus sehr schnell in               war schwer“, berichtet die junge Frau.
sich an dem winzigen Tisch im einzigen      sind sehr schwierig.“                             Klassenstufen nacheinander anzuset­               in einer Unterkunft                  der Unterkunft ausbreiten. In dem                          Den unzureichenden Zugang zu
Familienzimmer mit ein wenig Hilfe                                                            zen, sodass alle Kinder einer Familie                                                  vierstöckigen Haus im Münchner                     Internet und Computer in Unter­
von Vater Hakim* in den Heimat- und         WILLI DRÄXLER,
                                                                                              teilnehmen könnten. Sobald die Kinder
                                                                                                                                                für Geflüchtete                      Osten leben 31 Familien mit 70 Kindern             künften kritisiert auch die 28-jährige
Sachkunde-Unterricht seiner Grund­
                                            C A R I TA S - M I G R AT I O N S E X P E R T E
                                                                                              auf verschiedenen Schulen sind, laufe             sind mit der Pande­                  aller Altersstufen in jeweils ein bis              Oyinlola Stella Fashola aus Nigeria. Sie
schulklasse eingewählt. Das WLAN ist                                                          der Unterricht notgedrungen parallel.             mie noch mal                         zwei Zimmern. Das ehemalige Büro­                  hat ihren Qualifizierenden Haupt­
heute glücklicherweise stabil. Die                                                                                                             ­h erausfordernder                    gebäude wurde 2016 von der Stadt                   schulabschluss schon geschafft und im
Mutter Habiba* ist mit ihrer zweijähri­                                                                                                                                              München angemietet, damit Geflüch­                 September eine Ausbildung zur So­
gen Tochter Amira* spazieren. Die           ↓ Alaa und Stella berichten bei einer Pressekonferenz über ihre gelungene Integration.
                                                                                                                                                geworden.“                           tete aus Afghanistan, Nigeria, Syrien,             zialpflegerin begonnen. Dass Integra­
fünfköpfige Familie aus Syrien lebt seit                                                                                                        KERSTIN FORSTER                      Irak, Senegal oder Eritrea darin                   tion gelingen kann, beweist auch
2019 im dritten Stock einer dezentra­                                                                                                                                                wohnen und schlafen können, bis sie                die 25-jährige Syrerin Alaa Shahen, die
len Unterkunft für Geflüchtete im                                                                                                                                                    wissen, ob sie einen Aufenthalt in                 im vierten Semester Psychologie an
Münchner Osten. Küche und sanitäre                                                                                                                                                   Deutschland bekommen.                              der Ludwig-Maximilians-Universität
Anlagen teilt sie sich mit den übrigen                                                                                                                                                       Die 23-jährige Love aus Nigeria            München studiert. „Erst als ich die
Stockwerksbewohnern. Hakim war in                                                                                                        deren Familien in den von der Caritas       lebt mit ihrer vierjährigen Tochter                Sprache beherrschte, wusste ich, dass
seiner Heimat als Anästhesieassistent                                                                                                    betreuten 17 Unterkünften in der            im zweiten Stock. „Ich habe Angst,                 ich angekommen bin.“
tätig. Er spricht gut Deutsch und kann                                                                                                   Landeshauptstadt. „Es war ein Riesen-       dass wir uns mit Corona infizieren“,                       Es sind die kleinen und großen
seinen Söhnen notfalls helfen. Den                                                                                                       Kraftakt, für jedes Kind die technische     berichtet sie. An Ostern war sie zwei              Erfolge, die die Caritas-Mitarbeiten­
Laptop für den Distanzunterricht sei­                                                                                                    Ausstattung für den Unterricht zu           Wochen in Quarantäne, weil die Fami­               den motivieren: „Die Arbeit mit den
nes zweiten Kindes konnte er selbst­                                                                                                     Hause zu organisieren“, betont die          lie im Nachbarzimmer positiv getestet              Menschen macht Spaß, man bekommt
ständig beantragen – nachdem er das                                                                                                      Fachdienstleiterin. Eine pädagogische       wurde. Für Töchterchen Rejoice sei                 viel zurück, vor allem von den Kin­
Formular beim ersten Kind gemein­                                                                                                        Fachkraft unterstütze durchschnittlich      es schlimm gewesen, ihren Spielkame­               dern und Jugendlichen. Die Familien
sam mit der pädagogischen Fachkraft                                                                                                      30 Kinder und deren Familien. Das           raden im vierten Stock nicht einfach               schätzen unsere Arbeit. Die Atmo­
ausgefüllt hatte.                                                                                                                        bedeute, dass sich eine Mitarbeiterin       besuchen zu können. Immerhin dürfe                 sphäre ist gut, das Team stabil“, freut
        Viele Eltern bräuchten schon                                                                                                     mit bis zu zehn Schulen und deren           sie jetzt wieder in den Kindergarten.              sich Eva Wölfl. Trotzdem sehnten sich
aufgrund der Sprachbarriere Unter­                                                                                                       unterschiedlicher Vorgehensweise ver­       Das hilft auch Love, die sich derzeit auf          alle nach einem Ende der Pandemie.
stützung bei der Organisation des           * Namen wurden zum Schutz der Betroffenen geändert                                           traut machen muss.                          den Mittelschulabschluss vorbereitet.                                       MANUELA DILLMEIER

                                                              10                                                                                                                                             11
Caritas Report - 1 Jahr Corona - zwischen Lockdown und Lockerungen - Caritas München
C A R I TA S - R E P O R T                                                                                                                        J A H R E S K A M PA G N E

Digitalisierung
in der Pflege                                                                                                                                                                  Das machen wir
                                                                                                                                                                                 gemeinsam
                                                                                                                                                                      Die bundesweite Caritas-Jahreskampagne 2021/22
                                                   ↓ Resilienz                   ↑ www.pflegekonsil.de
                                                   Das Wort stammt               Per Videocall kann die Pflegekraft schnell Arzt und Ärztin
Resilienz-App für                                  vom lateinischen
                                                   resilire, also abpral-
                                                                                 kontaktieren und auch Rezepte abrufen.

Beschäftigte                                       len, zurückspringen.
                                                   Resiliente Menschen

                                                                                                                                              C
                                                   „zerbrechen“ nicht,
Die Corona-Pandemie zehrt an Kraft und Res­        sie lassen sich nicht                                                                                  orona stellt vieles infrage. Auch den gesell-               Im Zuge der Pandemie gewinnt eine Frage neue Bedeutung:
sourcen von Altenpflegern/-innen. Der Caritas­     unterkriegen. Sie             Servus Fax, hallo Zukunft                                                schaftlichen Zusammenhalt. Die Caritas posi-                Wie steht es um den Zusammenhalt in unserer Gesell­
verband geht innovative Wege, um den Alltag        haben eine ­gewisse                                                                                    tioniert sich gegen Spaltung und Ausgrenzung.               schaft? Das ist der Ausgangspunkt der Caritas-Kampagne
                                                   Widerstandsfähig-
der Pflegekräfte zu erleichtern. Um die psycho­    keit, wenn sie sich in        Seit April 2021 testet das Caritas-Altenheim                             Deshalb lädt die neue Kampagne zum Dialog                   2021 #DasMachenWirGemeinsam. Zusammen wollen
logische Widerstandskraft der Pflegenden           dramatischen Situa­           St. Antonius in München das digitale Pflegekonsil.                       ein. Gemeinsam sollen Ideen für eine solidari-              wir diskutieren: Wo werden wir nach den Corona-Jahren
zu stärken, entwickelte der Geschäftsbereich       tionen befinden, wenn         Die Anwendung ermöglicht Pflegepersonal per                  sche und sozial gerechte Welt entstehen. Wie durch eine                 2020/21 stehen? Was haben wir gelernt? Was muss sich
                                                   sie Krisen auszu-
Caritas-Zentren Oberbayern im Rahmen des           halten oder Schocks           Tablet einen direkten Kontakt zu Ärzten/-innen               Lupe zeigt Corona: Die Lebensrealitäten in Deutschland                  ändern und was kann jede und jeder Einzelne tun?
bundesweiten Hackathons #wirvsvirus mit Eh­        zu verkraften haben.          und übermittelt schnell, weil digital, Rezepte.              sind grundverschieden, die Spaltung der Gesellschaft
renamtlichen die Resilienz-App Singleton­Care      Das gelingt ihnen,            Erste Erfahrungen des Projekts, das vom Landes-­             nimmt zu.                                                                       Caritas feiert Jubiläen
                                                   weil sie auf persön-
für die Mitarbeitenden in der ambulanten Pflege.   liche und soziale             Caritasverband Bayern initiiert wurde, sind viel­                                                                                            Die Kampagne bildet den Auftakt für das 125-jährige
Ausgehend von modernen Ansätzen der gami­          Kraftquellen zurück-          versprechend. Gemeinsam mit der Firma Monks,                                                                                         Jubiläum des Deutschen Caritasverbands und den 100. Ge­
fizierten Lernbegleitung und Vermittlung, inte­    greifen können.               der Ostbayerischen Technischen Hochschule                                                                                            burtstag des Diözesan-Caritasverbands München und
                                                                                                                                                    ↓ Zusammenhalt, Rücksicht und Respekt in der Pandemie.
grieren die Nutzer/-innen spielerisch und prak­                                  Regensburg und dem Bayerischen Hausärztever­                                                                                         Freising im Jahr 2022. Unter dem Motto „Das machen wir
tisch ohne Extraaufwand kleine Aufgaben wie                                      band wurde eine App entwickelt, über die                                                                                             gemeinsam“ rückt die Caritas-Kampagne 2021/22 ihren
etwa Achtsamkeitsübungen in ihren Arbeitsall­                                    Pflegekräfte unkompliziert in Kontakt zum/zur                                                                                        Einsatz für eine solida­rische Gesellschaft und sozial ge­
tag. Diese bleiben nachhaltig in Erinnerung,                                     betreuenden Hausarzt/Hausärztin treten können.                                                                                       rechte Lebensverhältnisse in den Mittelpunkt. Corona hat
werden langfristig beibehalten und führen mit                                    Je nach Bedarf kann so beispielsweise eine                                                                                           vieles auf den Kopf gestellt, gleichzeitig ist die Pandemie
leichter Hand und Schritt für Schritt zum Aufbau                                 Videosprechstunde anberaumt oder eine Wunde                                                                                          auch eine Chance für Verände­rung. Die Fragen der Kampa­
von Resilienz. (mw)                                                              begutachtet werden. „Natürlich ersetzt das di­                                                                                       gnenmotive sollen einen Denk- und Diskussionsprozess
                                                                                 gitale Pflegekonsil nicht den persönlichen Arzt-­                                                                                    auslösen. Sozialpolitisch Interessierte, Mitarbeitende,
                                                                                 Patienten-Kontakt“, erklärt Doris Schneider,                                                                                         Klienten/-innen, Kooperationspartner/-innen, Freunde/
                                                                                 Geschäftsleiterin der 27 Altenheime des Caritas­                                                                                     -innen und Förderer/-innen dürfen berichten, wo sie
                                                                                 verbands. „Aber mit Blick etwa auf den Fach- und                                                                                     Solidarität erleben, aber auch, wo es an Solidarität fehlt und
                                                                                 Hausärztemangel im ländlichen Bereich glauben                                                                                        weshalb. Die Caritas möchte Meinungen und Ideen hören,
                                                                                 wir, dass es eine sinnvolle Unterstützung in der                                                                                     wie der gesellschaftlichen Spaltung entgegengetreten
                                                                                 Betreuung unserer Bewohner/-innen ist.“ (beb)                                                                                        werden kann. Die Stimmen werden gesammelt, um sie in
                                                                                                                                                                                                                      die zukünftige soziale Arbeit einfließen zu lassen. (mmr)

                                                                                                                                                                                                                                   ↑ Alle dürfen mitmachen!
                                                                                       „Natürlich ersetzt das                                                                                                                      Aufgrund der Corona-Infektionszahlen wurden alle
                                                                                        digitale Pflegekonsil nicht                                                                                                                Veranstaltungen zunächst digital geplant und umgesetzt.
                                                                                                                                                                                                                                   Die Kampagne lädt aber auch zu Outdoor-Aktionen ein,
                                                                                        den persönlichen                                                                                                                           ­s obald die Situation wieder persönliche Begegnungen
                                                                                                                                                                                                                                    zulässt. Die Caritas hat bereits einen Dialog auf Twitter,
                                                                                        Arzt-Patienten-Kontakt.“                                                                                                                    Facebook und Instagram gestartet. Im Blog auf ­
                                                                                                                                                                                                                                    www.dasmachenwirgemeinsam.de kann man sich über
                                                                                         DORIS SCHNEIDER
                                                                                                                                                                                                                                    Beiträge und Aktionen einzelner Verbände vor Ort
                                                                                                                                                                                                                                    informieren. Den Podcast „Deutschland Solidarisch“ kann
                                                                                                                                                                                                                                    jeder abonnieren.

                                                               12                                                                                                                                                13
Caritas Report - 1 Jahr Corona - zwischen Lockdown und Lockerungen - Caritas München
C A R I TA S - R E P O R T                                                                                           INKLUSION UND TEILHABE

Zwischen Hoffen
                                                                                          TEXT                                               Krisenmonate                        gehen regulär in die Schule, wir Eltern
                                                                                          Maria Wildmann                                     Friedlich und idyllisch sieht das   in die Arbeit und zum Einkaufen.
                                                                                                                                     Wohnheim im März-Schnee 2021 aus.           Das sind einfach viele Kontakte mit
                                                                                          FOTOS                                      Doch dass das Haus Christophorus seit       Ansteckungsgefahr. Und gerade ihrer

und Bangen
                                                                                          Caritas / Haus Christophorus               einem Jahr mit Corona und den Folgen        Zwillingsschwester war es wichtig,
                                                                                                                                     ringt, erkennt man nicht zuletzt an         Hanne ‚in Sicherheit‘ zu wissen. Gott
                                                                                                                                     den Masken und Schnelltests, die sich       sei Dank haben wir immer gewusst,
                                                                                                                                     im Büro der Einrichtungsleiterin            dass Hanne im Haus Christophorus
                                                                                                                                     Alexandra Huber (54) fast bis zur De­       bekommt, was sie braucht: Ansprache,
                                                                                                                                     cke stapeln. „Gleich zu Beginn der          Nähe, Körperkontakt. Außerdem

Ein Jahr mit Corona                                                                                                                  Pandemie im Frühjahr 2020 hat das
                                                                                                                                     Coronavirus eine ganze Wohngruppe
                                                                                                                                                                                 konnten wir regelmäßig mit Hanne
                                                                                                                                                                                 über Videotelefonie sprechen. Sie
im Haus Christophorus                                                                                                                erwischt“, erinnert sie sich. Das           reagiert sehr auf Sprache, das war eine
                                                                                                                                     genaue Datum hat sie so schnell parat       gute Lösung für uns.“
                                                                                                                                     wie andere Menschen Geburtstage:
                                                                                                                                     „Am 20. März, eine Woche nach der                  Der neue Alltag mit Corona
                                                                                                                                     offiziellen Schließung des Hauses, ist             Nach diesen ersten Krisenmo­
                                                                                                                                     es bei uns losgegangen. Die Unsicher­       naten war klar, dass das Leben im
                                                                                                                                     heit am Anfang war riesig und die           Haus Christophorus neu organisiert
                                                                                                                                     sich täglich ändernden Vorgaben der         werden muss. Monatelang keine
                                                                                                                                     Behörden und Politik waren im Um­           Schule, kein Besuch der Förderstätten,
                                                                                                                                     gang mit Corona nicht immer nur             keine Ausflüge, keine Reittherapie –
                                                                                                                                     hilfreich.“ Gekämpft haben die über         nicht einmal der Austausch mit den
                                                                                                                                     70 Mitarbeitenden in dieser Zeit vor        „Geschwistern“ aus anderen Wohn­
                                                                                                                                     allem darum, dass die kleinen und           gruppen ist möglich: Während die
                                                                                                                                     großen Corona-Patienten/-innen im           einen die neue flexible Zeiteinteilung
                                                                                                                                     Haus Christophorus behandelt werden         genießen und auch mal lange aus­
                                                                                                                                     können und mit ihren speziellen An­         schlafen, wird den anderen die Zeit
                                                                                                                                     forderungen an Pflege und Betreuung         lang. „Der zwölfjährige Isaak hat die
                                                                                                                                     nicht auf einen Krankenhausaufenthalt       Schule sehr vermisst“, erzählt
                                                                                                                                     angewiesen sind. Hausärzte über­            Samantha Pöschl, Gesundheits- und
                                                                                                                                     nahmen Infusionen, der Nachtdienst          Krankenpflegerin in einer der Kinder-

                                                                                          L
                                                                                                                                     wurde doppelt besetzt, externe Pflege­      wohngruppen. „Er ist wahnsinnig
                                                                                                      achen hallt durch den hohen    kräfte kamen zur Unterstützung ins          strukturiert, mit den Schulschließun­
                                                                                                      und großzügigen Bespre-        Haus. Mit dabei immer die Angst, das        gen hat ein Fixpunkt in seinem
                                                                                                      chungsraum. Zwar gedämpft      Virus ins Haus und zu den durch ihre        Tagesablauf einfach gefehlt. Am Anfang
                                                                                                      durch FFP2-Masken, aber        gesundheitlichen Einschränkungen            wussten wir gar nicht so recht, wie
                                                                                                      ohne Frage fröhlich und        besonders gefährdeten Bewohnern zu
                                                                                          ausgelassen. Dass es wichtig ist, gerade   bringen. Dazu das absolute Besuchs­
                                                                                          in Corona-Zeiten nicht den Humor           verbot in den ersten Monaten, danach
                                                                                          zu verlieren, darin sind sich die Mitar­   Besuche nur mit Abstand, Maske und
                                                                                          beiterinnen vom Haus Christophorus         Test – das war nicht nur für die Schütz­         „Am Anfang ­
                                                                                          einig. 13 Kinder und 28 Erwachsene         linge des Hauses eine Belastung.                   wussten wir gar
                                                                                          mit schwersten Behinderungen und           Auch die Familien und Angehörige, die
                                                                                          mehrfachen Beeinträchtigungen haben        ihre Kinder, ihre Geschwister nicht
                                                                                                                                                                                        nicht so recht,
                                                                                          hier in Brannenburg im Rosenheimer         mehr berühren, nicht mehr in den                   wie wir a­ llen
                                                                                          Landkreis ihr Zuhause gefunden und         Arm nehmen durften, litten unter den               unseren Kindern
                                                                                          leben in sechs Wohngruppen zusam-          Vorschriften.                                      in dieser Situation
                                                                                          men. Der Jüngste ist zweieinhalb Jahre             „Und doch war ich froh über
                                                                                          alt, die Älteste 64. Alle erfahren hier    die strengen Hygieneregeln und die
                                                                                                                                                                                       ­gerecht werden
                                                     ↑ Nähe und Förderung
                                                     auch während der Pandemie            eine ganzheitliche Förderung, die auf      konsequente Umsetzung“, erklärt die                können!“
                                                     Der vierjährige Nael hilft in        ihre individuellen körperlichen,           Mutter der neunjährigen Hanne, die                 SAMANTHA PÖSCHL
                                                     der kleinen Fördergruppe
                                                     seiner ­B etreuerin beim Ausrollen   emotionalen und sozialen Bedürfnisse       seit sieben Jahren im Haus Christopho­
                                                     des Teigs.                           eingeht.                                   rus wohnt. „Hannes Geschwister

                                   14                                                                                                                   15
Caritas Report - 1 Jahr Corona - zwischen Lockdown und Lockerungen - Caritas München
C A R I TA S - R E P O R T                                                                                                 HILFE FÜR OBDACHLOSE

                                                                                                                                    Wenn Duschen
                                                                                         unseren Kindern aus der Katharina-                                                                            Waschen und Duschen mehr haben, diese Duschmöglich­
                                                                                         Gruppe zwischen den Corona-Wellen                                                                             keiten unter den gebotenen Hygienevorschriften anzubieten.
                                                                                         in den Ruhpoldinger Märchenpark ge­                                                                           Jeder kann sicher nachvollziehen, wie wichtig diese Mög­
                                                                                         schafft haben. Das war ein echtes
                                                                                         Highlight!“ Hoffnung auf Lockerungen
                                                                                         verknüpft das Personal des Hauses
                                                                                                                                    zum Luxus wird                                                     lichkeit für den Einzelnen ist.“ Berechtigungsscheine
                                                                                                                                                                                                       und Termine wurden am Gleis 11 und im Caritas-Begeg­
                                                                                                                                                                                                       nungszentrum D3 in der Dachauer Straße 3 vergeben.
                                                                                         Christophorus mit den Impfungen ge­        Gemeinsam versorgen Bahnhofsmission,                               Zwölf Freiwillige wechselten sich unter Koordination von
                                                                                         gen das Coronavirus. Die erwachsenen       Caritas, diakonia, Erzbistum, Stadt                                Elisabeth von Liel täglich ab: in einem Vormittags- und
                                                                                         Bewohner/-innen sind bereits                                                                                  Abenddienst oder auch mal in einer Doppelschicht. Sie
                                                                                         durchgeimpft, ebenso wie ein Groß­
                                                                                                                                    München und St. Bonifaz die                                        empfingen die Gäste, prüften die Duschberechtigung und
                                                                                         teil der Mitarbeitenden, die darüber       Wohnungslosen der Isarmetropole                                    gaben bei Bedarf Hygieneartikel und frische Wäsche aus.
                                                                                         hinaus dreimal wöchentlich getestet                                                                           Nach 70 Tagen wurde das Projekt erfolgreich abgeschlossen.
                                                                                         werden.                                                                                                       „350-mal wurde das Angebot genutzt, unsere Ehrenamt­
                                                                                                                                                                                                       lichen waren 300 Stunden im Einsatz“, resümiert Elisabeth
                                                                                                 Ein Zeichen der Hoffnung                                                                              von Liel, die selbst etliche Einsätze übernommen hat.
                                                                                                 Einmalig in diesem Jahr war                                                                           Kernleitner ergänzt: „Unser Dank gilt den Kolleginnen und
                                                                                         auch die große Welle der Solidarität,                                                                         Kollegen vom Begegnungszentrum D3, den Leiterinnen
       ↑ Fasching trotz Corona: Beim Kegeln waren nicht nur Bernhard und                 die dem Haus Christophorus ent­                                                                               der ökumenischen Bahnhofsmission München und Frater
       ­Heilerziehungspflegerin Monika Huber verkleidet.                                 gegengeschlagen ist. Schon lange an­                                                                          Prior Emmanuel, der die Obdachlosenhilfe im Haneberg­

                                                                                                                                    I
                                                                                         gedacht ist eine Erweiterung des                                                                              haus St. Bonifaz leitet.“
                                                                                         Wohnheims. Dieser geplante Neubau                  m März 2020 hat die Covid-19-Pandemie München
                                                                                         war Anlass für das Oberbayerische                  voll erwischt und die soziale Arbeit der Bahnhofs­                 Kooperationen gewährleisten Versorgung
wir allen unseren Kindern in dieser                                                      Volksblatt, seine alljährliche Weih­               mission München, die gemeinsam vom Evangeli­                       Die Duschmöglichkeit war nicht das einzige Gemein­
Situation gerecht werden können!“                                                        nachtsspendenaktion 2020 dem Haus                  schen Hilfswerk München und dem Caritas-Fach­              schaftsprojekt für Menschen ohne eigene Bleibe. „Wir
        Abhilfe schafft die von ihrer               „Die Ausflüge, den                   Christophorus zu widmen. Der                       verband IN VIA getragen wird, verändert. „Im               haben Menschen, die in Armut leben oder ohne Wohnung
Kollegin Monika Huber ins Leben                      Tag der offenen Tür,                Erfolg hat alle überwältigt. Mehr als      Durchschnitt hatten wir an Gleis 11 rund 570 Kontakte, die         sind, mit allem, was sie zum Überleben brauchen, versorgt“,
gerufene „kleine Fördergruppe“. Jeden                                                    1,2 Millionen Euro spendeten die           ein- oder mehrmals täglich zur Notversorgung mit Brot,             erklärt Caritas-Geschäftsführer Harald Bachmeier. Kosten­
Vormittag backt, kocht, spielt, liest
                                                     die Teilhabe am                     Leser/-innen. „Wir haben gar nicht         Kaffee, Tee, Wasser, Alltagsmasken, Hygieneartikeln oder           lose Suppe, Brotzeittüten und Getränke gab es zunächst
oder bastelt die Heilerziehungspflege­               Leben im Ort, das                   gewusst, wie uns geschieht“, blickt        Kleidung ans Fenster im Eingangsbereich der Einrichtung            ­täglich im „Brot+Mantel“ in der Schwanthalerstraße. Dort
rin mit jeweils vier Kindern. Lustig                 vermissen wir alle.“                Alexandra Huber immer noch staunend        kamen“, berichten Barbara Thoma und Bettina Spahn                  gab die diakonia zusätzlich montags bis freitags Hygiene­
geht es dabei immer zu, mitunter auch                                                    zurück. „Jetzt wollen wir so schnell       in ihrem Jahresrückblick 2020. Ein Jahr zuvor waren es nur         artikel und Kleidung aus. Inzwischen ist die Essensausgabe
                                                      JULIA HEROLD
wild. „Die Kinder können die Küchen­                                                     wie möglich loslegen und, wenn alles       320 Hilfesuchende. Was im Corona-Sommer 2020 vor allem             durch die Korbinian-Küche abgelöst worden. Ergänzend
maschine über einen sogenannten                                                          läuft wie geplant, hoffentlich dieses      fehlte, waren Duschmöglichkeiten, da diese im Haneberg­            dazu bieten das Erzbistum München und Freising und die
Powerlink relativ einfach selbst bedie­                                                  Jahr noch den ersten Spatenstich           haus St. Bonifaz geschlossen werden mussten. Gemeinsam             Caritas montags bis freitags eine warme Mittagsküche in
nen“, schildert Monika Huber. „Ein­                                                      setzen. Wenn alles gut geht, können        mit der Obdachlosenhilfe, der Caritas München und dem              St. Anton in der Isarvorstadt an. (var)
mal hatte ich einen Kuchenteig                Zuckerwatte, Spielstände, eine Tom­        wir im Herbst 2023 unsere neuen Kin­       Sozialreferat der Landeshauptstadt München wurde nach
vorbereitet. Den habe ich den Kindern         bola, Blasmusik – sogar eine Wiesn­        der begrüßen.“ Der Anbau bietet Platz      einer Alternative gesucht. Treibende Kraft war Caritas-­
gezeigt und dabei war der Rührbesen           prinzessin“, zählt Sandra Schober,         für eine weitere Wohngruppe für            Sozialraumentwicklerin und -Projektleiterin Waltraud                      ↓ Mitgebsel: Bedürftige konnten nicht nur duschen, sondern
der Küchenmaschine nach oben ge­              Heilerziehungspflegerin in einer           Kinder. Zusätzlich wird eine interne       Kernleitner: „Die Corona-Pandemie trifft Menschen ohne                    bekamen auch frische Socken und Unterwäsche.
klappt. Unser siebenjähriger Fabian hat       Wohn­gruppe für Erwachsene, auf.           Schulklasse eingerichtet, die es auch      Wohnung besonders hart. Waschen in Würde ist kaum
in dieser Sekunde ganz allein über den        „Selbstverständlich hat auch der tra­      den Kindern ermöglicht, zur Schule zu      möglich. Es bleibt nur die Katzenwäsche auf öffentlichen
Powerlink das Rührgerät gestartet             ditionelle Bieranstich nicht gefehlt!“     gehen, für die die Fahrt in die Schule     WCs oder in der Isar.“ Auch gebe es kein geöffnetes Hallen-
und der Teig, der noch am Rührbesen           Doch so geduldig, fröhlich und gut         zu anstrengend ist oder die keine          oder Freibad.
war, ist in der Gegend herumgespritzt.        gelaunt die Bewohner/-innen (meis­         passende Schulbegleitung finden. Das
Er hatte so einen Spaß und war so             tens) sind und so gelassen sie die neuen   ist bei allen aktuellen Herausforde­               Unentgeltliche Dusche und mehrere Hundert
stolz – und wir, ehrlich gesagt, auch!“       Umstände tolerieren: Der Wunsch            rungen ein echtes Hoffnungszeichen                 Stunden Freiwilligen-Einsatz
        Kreativität beweisen die Be­          nach mehr Normalität, nach mehr            für die Zukunft.                                   Die Lösung war ebenso einfach wie schnell gefunden:
treuerinnen auch, wenn es um die              Nähe und Freiheit wächst. „Gerade das                                                 Ab 31. Mai 2020 konnten wohnungslose Frauen und
traditionellen Aktionen und Feiern wie        Abstandhalten ist für alle sehr schwie­                                               Männer in der Nähe des Münchner Hauptbahnhofs kosten­
das Herbstfest oder den Fasching geht.        rig“, gibt Heilerziehungspflegerin Julia                                              los duschen. Münchens Sozialreferentin Dorothee Schiwy
Das gab es in den Corona-Monaten              Herold zu. „Die Ausflüge, den Tag                 ↑ Mehr Infos zum Thema und          erklärte: „Hygiene hat in dieser Zeit eine sehr hohe Prio­
eben alles sechsmal – für jede Wohn­          der offenen Tür, die Teilhabe am Leben            Eindrücke aus dem Haus              rität. Es ist ein wichtiges Signal, den Menschen, die jetzt
                                                                                                ­Christophorus finden Sie unter:
gruppe extra. „Beim Herbstfest haben          im Ort, das vermissen wir alle. Umso               www.caritas-nah-am-naechsten.de/   oftmals aufgrund der engen räumlichen Situation in den
wir das volle Programm angeboten:             glücklicher war ich, dass wir es mit               haus-christophorus                 Begegnungs- und Hilfseinrichtungen keinen Zugang zum

                                                                      16                                                                                                                          17
Caritas Report - 1 Jahr Corona - zwischen Lockdown und Lockerungen - Caritas München
C A R I TA S - R E P O R T                                                                                                                              S O Z I A L E B E R AT U N G

Mehr Mut und
                                                                                            „Da erreichen uns vermehrt Anfragen von Menschen,          und Tablet wird derzeit am häufigsten nachgefragt,                                                     ↓ Mehr Infos zum Thema
                                                                                            die aufgrund von Corona in finanzielle Not geraten         da diese Geräte oft die einzige Möglichkeit der                                                        und wie es anderen Fachdiensten
                                                                                                                                                                                                                                                              ­ergangen ist, erfahren Sie
                                                                                            sind. Darunter sind Selbstständige, Künstler,              Kommunikation und des Austauschs sind. Gefolgt

weniger Nervosität
                                                                                                                                                                                                                                                               unter www.der-caritasverband.
                                                                                            Menschen aus dem Gastronomiebereich. Auch ist              von Einkaufshilfen im Fall von Quarantäne oder                                                          caritas-nah-am-naechsten.de/de/
                                                                                            die Zahl der Empfänger von Arbeitslosengeld II             für Risikogruppen.“ Manchmal gebe es im Arbeits-                                                        geschaeftsberichte

                                                                                            im Landkreis um über 30 Prozent gestiegen.“ Für das        alltag noch Tücken: „Die Herausforderung ist, den
                                                                                            restliche Jahr 2021 erwartet er eine steigende             Kontakt zu den Ehrenamtlichen und den Besuchern
Caritas-Fachdienste waren                                                                   Nachfrage nach Beratung. Seit dem ersten Lock­             zu halten.“ Ihre Einrichtung sei ein Begegnungsort,
persönlich, telefonisch                                                                     down gebe es erweiterte Telefonsprechzeiten und            in der Pandemie sei genau dies nicht möglich. „Wir                                             Medienkonsum immer mehr zu einem Problem wird.
                                                                                                                                                                                                                       ↑ Margot
und online für Hilfesuchende da                                                             eine digitale Unterstützung über www.caritas.de/           testen weitere Onlineangebote, wie zum Beispiel                 Wagenhäuser                    Deshalb vermuten wir, dass der Anstieg von
                                                                                            onlineberatung. „Wenn es möglich und notwendig             gemeinsames Kochen oder Spielen.“ Positiv sei,                  Leiterin des                   Medienkonsum, aber auch der Substanzkonsum
                                                                                            war, haben wir auch persönliche Beratungen durch-          dass „wir uns noch mehr der Netzwerkarbeit und                  Therapie­verbunds              zeitverzögert auf die Fachambulanzen treffen wird.“
                                                                                                                                                                                                                       Sucht München
                                                                                            geführt. Dafür haben wir die Büros mit Trennschei-         unserer Aufgabe der Sozialraumorientierung widmen                                              Die Arbeit der Fachambulanzen finde hauptsächlich
                                                                                            ben aus Plexiglas ausgestattet, um alle Beteiligten        können“. Hier seien neue Ideen und Projekte ent-                                               analog mit einem Hygienekonzept, bestehend aus
                                                                                            bestmöglich zu schützen.“ Seither müssten nach             standen. Einen Plan für die Zeit nach Corona gibt es                                           Abstand, Masken und Luftfiltern, statt. „Die Termine
                                                                                            jedem Gespräch Tische und Stühle desinfiziert              ebenfalls: „Wir wollen Veranstaltungen, wenn                                                   wurden sehr gut angenommen. Wir gehen davon
                                                                                            werden. Herausfordernd sei es für ihn und das Team         möglich, im hybriden Format anbieten. Präsenzver-                                              aus, dass diese Art der Unterstützung und Kontinui-
M A N F R E D J A H N Viele Wochen auf sich allein gestellt                                 gewesen, trotz des Caritas-Leitsatzes „Nah. Am             anstaltungen sind nach wie vor favorisiert, aber                                               tät zur Stabilität der Patienten beigetragen und
zu Hause zu verbringen, ist für Familien und die                                            Nächsten“ Kontaktbeschränkungen umsetzen zu                eine Mischform aus Präsenz- und Onlineteilnahme                                                Rückfälle vermieden hat.“ Für jüngere Klienten sei
Eltern-Kind-Beziehung ziemlich anstrengend. Recht-                                          müssen. Doch es gebe auch positive Seiten: „Die            bietet auch Menschen, die nicht mobil sind, krank                                              das Beratungsangebot nahezu komplett umgestellt
zeitig Hilfe von außen zu holen und sich beraten zu                                         Notwendigkeit der Digitalisierung ist mehr in              sind oder aus anderen Gründen zeitweise ihr                                                    worden: „Die Beratungen laufen hauptsächlich über
lassen, kann den sogenannten Lagerkoller ver-                                               unseren Fokus gerückt. Hier haben wir noch großen          Zuhause nicht verlassen können, die Möglichkeit der                                            Telefon- und Videokonferenzen. Gleiches gilt für
hindern und dafür sorgen, dass trotz schwieriger                                            Entwicklungsbedarf und wir sollten da unbedingt            Teilhabe.“                                                                                     die Fachambulanz für Essstörungen. Im Landkreis
äußerer Umstände eine gute Zeit miteinander ver-                                            dranbleiben.“ Sein Zukunftswunsch gilt der Teilhabe                M A R G O T W A G E N H Ä U S E R Erhöhten Gesprächs-                                  werden die Termine vermehrt über Telefon oder im
bracht wird. So hilft zum Beispiel die Caritas-Bera-                                        aller Menschen an der Gesellschaft: „Es braucht            bedarf durch Krisensituationen verzeichnet auch                                                Freien angeboten.“
                                                                                                                                                                                                                       ↑ Elke Rippstein
tungsstelle Eltern, Kindern, Jugendlichen und                                               sozialpolitische Maßnahmen, um die Folgen der Pan­         Margot Wagenhäuser, Leiterin des Therapieverbunds               Stellvertretende                       E L K E R I P P S T E I N „Im Bereich unserer Sozial­
                                                              ↑ Manfred Jahn
Familien in Stadt und Landkreis Rosenheim durch               Fachdienstleiter der          demie nicht nur für große Konzerne, sondern                Sucht München. Mehr Anfragen zum Thema                          Fachdienstleitung              psychiatrischen Dienste gab es viele neue Anfragen“,
Telefon- und Onlineberatung in der Corona-Krise               Familienberatungs-            auch für den schwächeren Teil unserer Gesellschaft         Mediensucht schlügen sich nicht in den Beratungen               der Caritas Bera-              schreibt Elke Rippstein, stellvertretende Fach-
                                                              stelle der Caritas                                                                                                                                       tungsstelle für psy-
weiter. „Wir hatten einen deutlichen Anstieg an Fall-                                       abzumildern.“                                              nieder. „Über die Schulsozialarbeit und das Netz-               chische Gesundheit             dienstleitung in Erding. „Nur im Krisendienst haben
zahlen, auch mehr Telefonberatungen über unsere                                                      U R S U L A L A M P L Im Caritas-Mehrgeneratio-   werk im Landkreis erfahren wir aber, dass der                   in Erding                      wir wenig Einsätze, weniger als vor der Corona-
Hotline und mehr Onlineberatungen“, bestätigt                                               nenhaus in Murnau sind die Unterstützungsangebote                                                                                                         Pandemie, weil viele Anrufer/-innen anscheinend
Fachdienstleiter Manfred Jahn. „Aktuell haben wir                                           vielfältig. „Wir vermitteln Hilfesuchende an passende                                                                                                     ausreichend telefonisch von der Leitstelle versorgt
viele Anmeldungen, viele schwierige Fälle und                                               professionelle Beratungsstellen, regen zur Selbst­                                                                                                        werden können.“ Nicht allen, aber vielen der
ab Herbst erwarten wir eine Welle an Anfragen, wie                                          hilfe an, unterstützen über unsere Nachbarschafts-         ↓ Nah mit Abstand: Mit Masken und Plexiglas-Trennwand waren                                    Menschen, die sich derzeit in Erding melden, gehe es
Kinder und Jugendliche die Folgen der Pandemie                                              hilfe oder einfach nur, indem wir ein offenes Ohr          Gespräche und Beratungen weiterhin möglich.                                                    coronabedingt schlecht. „Insbesondere jungen
aufarbeiten können.“ Ein ganz neues Angebot sei                                             und Zeit für ein Gespräch haben“, so Leiterin Ursula                                                                                                      Menschen scheinen die verhängten Ausgangsbe-
der „Ratgeber zum Reinhören“, der unter                                                     Lampl. Hauptsächlich finde die Beratung telefo-                                                                                                           schränkungen sehr zu schaffen zu machen – viele
www.caritas- nah-am-naechsten.de/kinder-                                                    nisch, in schwierigen Fällen auch face to face statt.                                                                                                     ziehen sich extrem zurück und kommunizieren im
jugend-und-familienhilfe-rosenheim abrufbar ist.              ↑ Ursula Lampl                Die Nachbarschaftshilfe sei vor Ort da und das                                                                                                            besten Fall nur noch über digitale Medien.“ Die Arbeit
„Anstrengend sind vor allem die überbordende                  Leiterin des Caritas-         Angebot „Digital mobil im Alter“, also Hilfe bei Pro-                                                                                                     habe sich sehr verändert: „Wir beraten im Freien, bei
                                                              Mehrgenerationen-
Bürokratie sowie die Nervosität vieler Menschen.“             hauses in Murnau              blemen mit dem Smartphone, laufe häufig über                                                                                                              Spaziergängen im Stadtpark. Einige aus dem Team
Sein Team meistere die Pandemie gut, dennoch                                                Videoportale. „Unterstützung im Bereich Smartphone                                                                                                        arbeiten von zu Hause aus und bieten ihre Beratung
habe er diesen Wunsch: „Mehr Lobby für Kinder,                                                                                                                                                                                                        vermehrt telefonisch an. Neu ist die Chatberatung
Jugendliche und Familien und manchmal mehr                                                                                                                                                                                                            über den sicheren Messengerdienst Stashcat.“
Mut.“                                                                                                                                                                                                                                                 Gruppenangebote im Tageszentrum gebe es nur
           M A R K U S M E H N E R Von einem ähnlichen                                                                                                                                                                                                noch mit vier rotierenden Teilnehmenden, wie das
Niveau der Fallzahlen 2019 und 2020 berichtet                                                     „Unterstützung im Bereich                                                                                                                           Seniorenfrühstück, die Angehörigen­gruppe, diverse
Markus Mehner, Fachdienstleitung Soziale Dienste                                                   Smartphone und Tablet                                                                                                                              Selbsthilfegruppen und psychologisch geleitete
in Freising. „Wir hatten bereits 2019 eine hohe Aus-                                                                                                                                                                                                  Gruppen. Rippsteins Wunsch an die Politik: „Der
lastung. Der erste Lockdown hat uns etwas ausge-
                                                                                                   wird derzeit am häufigsten                                                                                                                         Fokus sollte darauf gerichtet werden, welche psy-
bremst, aber wir haben schnell reagiert und die                                                    nachgefragt.“                                                                                                                                      chischen Folgen die sehr lange geltenden Beschrän-
Beratung kontaktlos oder unter den jeweils gültigen           ↑ Markus Mehner                                                                                                                                                                         kungen bei den Menschen verursacht haben – bei
                                                              Fachdienstleitung                     URSULA LAMPL
Hygienestandards weitergeführt.“ Vor allem die                Soziale Dienste in                                                                                                                                                                      unserer Klientel und auch gesamtgesellschaftlich.“
tägliche Telefonsprechstunde, ein niedrigschwelliges          Freising                                                                                                                                                                                                                   V A L E N T I N A - A N N A R ÄT Z

Angebot zwischen 8 und 9 Uhr, wird gut genutzt:

                                                                          18                                                                                                                                                       19
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