ELAN AUSGABE 1 / 2017 - Evangelisch-Lutherische Ansichten und Nachrichten - Landeskirche Schaumburg-Lippe

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ELAN AUSGABE 1 / 2017 - Evangelisch-Lutherische Ansichten und Nachrichten - Landeskirche Schaumburg-Lippe
AUSGABE 1 / 2017
                                                     FRÜHJAHR

    ELAN
    Evangelisch-Lutherische Ansichten und Nachrichten
    Magazin der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Schaumburg-Lippe

Mus i k
ELAN AUSGABE 1 / 2017 - Evangelisch-Lutherische Ansichten und Nachrichten - Landeskirche Schaumburg-Lippe
Vorwort
                          Liebe Leserinnen und Leser!

                          Musik ist ein ewiges Thema des Menschen. Seit
                          Menschengedenken spielt die Musik im kulturellen
                          und religiösen Leben eine wichtige und verbindende
                          Rolle. Für sehr viele Menschen ist Musik ein unver-
                          zichtbarer Bestandteil ihres Lebens – sei es, dass sie
                          Musik hören, selbst singen oder spielen.
                          Musik und Gesang umgeben uns fast überall. Im
                          Stadion und in Konzertsälen, auf Zeltfesten und
                          Familienfeiern. Und sie wird auf ganz individuelle
                          Weise konsumiert – ob über Kopfhörer an der Halte-
                          stelle – oder wenn sie über Lautsprecher Küche, Bad,
                          PKW oder andere Räume mit ihrem Klang ausfüllt.

                          „Musik liegt in der Luft“ – so wird es häufig emp-
                          funden, wenn man Kirchenräume oder Gemein-
                          dehäuser betritt. Die Musik ist schon immer eine
                          unüberhörbare Ausdrucksform des christlichen
                          Glaubens gewesen. Wir blicken in dieser Ausgabe
                          des ELANs auf unterschiedliche Aspekte der Musik
                          in der Kirche und im Leben des Einzelnen.
                          Dazu haben uns Musikbegeisterte aus unserer
                          Landeskirche etwas zu ihrer Sicht auf Orgel und
                          Bandmusik, Kirchen- und Posaunenchor, Musik
                          ohne Töne und Glockenklang verfasst. Außerdem
                          werden der Wandel in der Kirchenmusik, der sich
                          verändernde Stellenwert des Gesangbuchs, die
                          unterschiedlichen Tonträger für die Konservierung
                          von Musik sowie der sich stetige Wandel des Mu-
                          sikgeschmacks betrachtet.

                          Musik ist nicht nur eine besondere Form der Verkün-
                          digung, sondern sie birgt auch eine gemeinschafts-
                          stiftende und –fördernde Kraft in sich.

                          Wie gewohnt weisen wir hin auf besondere Veran-
                          staltungen im Bereich unserer Landeskirche sowie
                          auf personelle Veränderungen und berichten über
                          Aufbrüche und Projekte in der Konfirmanden- und
                          Jugendarbeit.

                          Genießen Sie die neue Ausgabe des ELANs und
                          verleben Sie eine schöne Frühlingszeit,

                          Ulrich Hinz, Redaktion ELAN
Foto: ©kd

            www.LKSL.de       Ulrich Hinz, Karin Droste – Redaktion ELAN
ELAN AUSGABE 1 / 2017 - Evangelisch-Lutherische Ansichten und Nachrichten - Landeskirche Schaumburg-Lippe
„Wie im Himmel“
                                             Gute Geschichten und gute Musik gehören
                                             mit zu den schönsten Dingen, die es gibt.
                                             Beide zusammen finden sich zum Beispiel in
                                             einem Gottesdienst. Oder im Kino. Dort gab
                                             es vor einigen Jahren einen Film, der Millio-
                                             nen von Menschen begeistert hat: „Wie im
                                             Himmel“. Es ist ein Film über einen Chor in
                                             Schweden und die Arbeit eines Dirigenten,
                                             der beginnt, auf eine neue Weise mit den
                                             Menschen zu arbeiten. Jede Stimme ist
                                             einzigartig, verkündet Daniel, der Dirigent.
                                             Jeder besitzt einen unverwechselbaren Platz,
                                             niemand sonst kann ihn ausfüllen. Alle zählen,
                                             Tore, der Junge mit der Behinderung, genauso
Inhalt
                                             wie Arne, der Geschäftsmann, der sich hinter
                                             seiner Arbeit verschanzt und dessen Handy
2    Vorwort
                                             ständig bei den Proben klingelt. Auch Gab-
3    Wie im Himmel
                                             riella, Mutter zweier Kinder, die regelmäßig
4    Die Königin                             von ihrem Ehemann verprügelt wird. Für sie
5    Im Kirchenchor singen                   komponiert Daniel ein eigenes Lied, Gabriel-
6    Gott loben, das ist unser Amt           las Song. „Schon als kleiner Junge habe ich
7    Die Kirchenband "aufLeben"              davon geträumt, eine Musik zu machen, die
8    Musik ist die halbe Miete               die Herzen der Menschen öffnet“, sagt Daniel.
9     Jeder Mensch nimmt Töne wahr           Wenn Menschen singen, kommt etwas in             unscheinbar. Dann ein neuer Leiter, der die
10    Musik im Alter                         Bewegung. Sie öffnen sich, nach innen und        Anfängerinnen und Anfänger aus den Blä-
11    Im Pfarrhaus zwischen Bach und Rock    nach außen. Singen hat enorme Kraft. Große       serklassen der Schulen anleitet. Schließlich
12    Gottesgeschenk und Geistesklang        Veränderungen innerhalb einer Gesellschaft       sind sie mit 15.000 anderen Bläsern beim
13    Der Raum macht was mit den Leuten      werden von Musik begleitet. Die Reformation      Posaunentag in Leipzig.
14    Von Luthers Protest                    Martin Luthers ebenso wie Protestbewe-           Immer wieder kommen andere dazu, um
15    Nummer 362 – ein Lied mit Geschichte   gungen in heutiger Zeit. Menschen ziehen         ein Instrument zu lernen, Eltern, Freunde
16    Knistern macht Musik authentisch       singend durch die Straßen.                       und Kolleginnen. Wenn sie im Gottesdienst
17    Der Klang der Glocken
                                                                                              spielen, ist die Kirche zu klein. Fast meint
18    Internationales Frauenfest             „Wie im Himmel“ zeigt, wie durch Musik           man, das Dach der Kirche öffnet sich, wenn
19    Come together & Soccer and More        etwas in Bewegung kommt unter Menschen.          die Posaunen erklingen. Kaum zu glauben,
20    Sei mal plakativ                       Das gibt es nicht nur im Kino oder in Schwe-     aber wahr.
21    Gerd Peter jetzt in Hannover           den. Beispiele gibt es genug, in den Gemein-     Der Film „Wie im Himmel“ endet mit einer
21    Der Count-down läuft!                  den unserer Landeskirche wie überall auf der     eindrucksvollen Szene. Der Dirigent, dessen
22    Termine und Veranstaltungen            Welt. Da ist beispielsweise eine Gemeinde,       Leben manchmal durchaus Ähnlichkeiten mit
25    Freud und Leid                         in der es vor Jahren eine entscheidende          der Geschichte Jesu zeigt, stirbt am Schluss.
                                             Veränderung gegeben hat. Der langjährige         Sein Chor steht auf der Bühne, ohne ihn. Vor
                                             Chorleiter hatte seinen Abschied genom-          einem großen Publikum sollen sie singen. Es
                                             men. Die Mitglieder des Chores gingen mit        ist still, kein Ton kommt aus ihrem Mund, Ver-
                                             ihm. Kirchenmusik gibt es schon immer in         zweiflung auf ihren Gesichtern. Dann, nach
                                             der Gemeinde. Nun scheint es Zeit für einen      einer gefühlten Ewigkeit, ein klagender Ton.
                                             Generationswechsel zu sein. Aber niemand         Ein anderer kommt dazu. Ein Klang baut sich
                                             weiß, wie der kommen soll. Er kommt in           auf, kraftvoll, schwebend. Gesichter fangen
                                             Gestalt einer jungen Chorleiterin, selbst        an zu strahlen. Dann steht einer aus dem
                                             erst neunzehn Jahre alt, aber voller Elan.       Publikum auf. Ein Bass stimmt mit ein. Am
                                             Mit ihrer Freude gibt sie der Kirchenmusik       Ende stehen alle. Und ein wunderbarer Klang
                                             neuen Schwung und begeistert viele für das       steigt zum Himmel. Das erinnert an das große
                                             Chorsingen, Junge und Alte. Aus einer Gruppe     Fest des Geistes, von dem in der Bibel erzählt
                                             junger Erwachsener formt sich ein kleiner        wird. Plötzlich sprechen alle Menschen eine
                                             Chor. Es kommen weitere hinzu, Menschen          Sprache. Sie erzählen von der Kraft, die sie
                                             aus der eigenen und anderen Gemeinden.           bewegt. Die Botschaft wird verstanden und
                                             Sie singen im Gottesdienst, in Deutsch, Eng-
  EL AN                                      lisch und anderen Sprachen. Einige rümpfen
                                                                                              erklingt bis heute.
  Magazin der Evangelisch-Lutherischen       darüber die Nase. Andere finden es gut. Beim     Musik verbindet Menschen mit dem Him-
  Landeskirche Schaumburg-Lippe              Chorkonzert ist die Kirche bis auf den letzten   mel und mit Gott. Es ist Gottes Atem, der
  -Landeskirchenamt- Pressestelle            Platz gefüllt.                                   Menschen leben lässt, vom ersten bis zum
  Bahnhofstraße 6 | 31675 Bückeburg          Die Gemeinde ist stolz auf ihren Chor. Und       letzten Atemzug. Im Gesang und der Musik
  Internet: www.lksl.de                      noch etwas ist neu. Der Chor will nicht nur      verbindet sich der Atem mit Gott. Und das
  E-Mail: elan@lksl.de                       singen. Er hat auch eine Botschaft. Bei den      Lied wird zum Lob.
                                             Konzerten werden eigene Texte und Gebete
  Verantwortlich: Ulrich Hinz                vorgetragen. Das kommt an.                                                         Uwe Herde
                                             In der Nachbargemeinde geschieht etwas
  Layout/Design: Karin Droste
                                             Ähnliches mit dem Posaunenchor. Vor eini-
  Einband: © Karin Droste (kd)               gen Jahren noch eine kleine Gruppe, eher

                                             Geistliches Wort                                                                          3
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Die Königin

S
„Die orgl ist doch in meinem augen und       Pflege und Weiterentwicklung befähigt            Pfeifen zum Klingen bringt, der „Wind“,
ohren der könig aller jnstrumenten“.         waren, allmählich zu dem Instrument              in den biblischen Sprachen Hebräisch
       o schrieb Mozart in seiner nicht      der Kirche schlechthin wurde. Ihre antike        und Griechisch gleichbedeutend mit
       nur musikalisch unnachahmli-          Herkunft hatte ihr allerdings zunächst           „Geist“? Und lässt nicht das Konzept
       chen Schreibweise im Oktober          ganz andere Aufgaben zugewiesen.                 einer immerwährenden, unablässigen
1777 aus Augsburg an seinen Vater            Belegbar „erfunden“ wurde die Orgel              Windversorgung – heutzutage beson-
Leopold. Diese berühmte Titulierung,         durch den Ingenieur Ktesibios in Alex-           ders spektakulär betont im auf 639
korrekterweise in „Königin“ verändert,       andria im 3. Jahrhundert vor Christus            Jahre angelegten Cage-Orgelprojekt in
gehört bis heute zu den beliebtesten         als ein „organon“ (Werkzeug, Maschi-             Halberstadt – schnell zum Thema „Un-
Zitaten rund um die Orgel. Doch auch         ne), bei dem durch Wasserdruck Luft              endlichkeit“ aufschließen? Hier kann
die Briefsätze davor sind vielsagend und     komprimiert und diese als „Wind“ einer           man leicht ins Nachdenken kommen.
aufschlussreich, um sich dem Phäno-          Pfeifenreihe gezielt zugeführt werden            Doch gibt es ja noch vielmehr zu be-
men Orgel und seinen vielen Facetten         konnte. Einsatz fand sie dann bei den            staunen und zu berichten, wenn man
                                                                                              der „Königin“ der Instrumente nur ein
                                                                                              ganz klein wenig gerecht werden möch-
                                                                                              te. Da ist zum Beispiel die technische
                                                                                              Weiterentwicklung der Orgel ab dem
                                                                                              Mittelalter, die schließlich zu den ausge-
                                                                                              reiften Meisterinstrumenten führt, die
                                                                                              uns ab der Renaissancezeit überliefert
                                                                                              sind, und die natürlich auch heute noch
                                                                                              weitergeht. Bewundernswert ist die Viel-
                                                                                              seitigkeit des Orgelbauerberufes, der mit
                                                                                              musikalischem, physikalischem, plane-
                                                                                              rischem und architektonischem Wissen
                                                                                              gleichermaßen vertraut sein muss wie
                                                                                              mit der zum Teil in millimetergenauer
                                                                                              Präzision erforderlichen Bearbeitung
                                                                                              vieler unterschiedlicher Materialien.
                                                                                              Da ist die Fülle der Orgelmusik, die zu-
                                                                                  Foto: ©kd

                                                                                              sammen mit den regional unterschied-
                                                                                              lich ausgeprägten Orgeltypen aus vielen
                                                                                              Jahrhunderten einen sinnenstarken Ein-
                                                                                              druck von der Farbigkeit der Musikkultur
zu nähern. Mozart begehrt also bei           römischen Erben der griechischen Kultur          Europas und darüber hinaus gibt. Da sind
einem Herrn Stein, die Orgel zu spielen,     in Zirkusarenen und entwickelte sich             die Kulminationspunkte geistlicher Mu-
denn die Orgel sei seine Passion. Der        darauf im christlichen Byzanz zum Ins-           sik, in Kleinodien und Großwerken nicht
verwundert sich darüber: wie könne           trument des Kaiserkults. Trotz dieser in         nur der bekanntesten Orgelkomponisten
ein solch großer Clavierist wie Mozart       unseren Augen durchaus zweifelhaften             wie Bach, Reger oder Messiaen. Da sind
Gefallen an einem Instrument ohne            Vorgeschichte lag doch von Anfang an in          die schier unerschöpflichen Klangkom-
Lieblichkeit, ohne Expressivität, ohne       ihrer Idee eine besondere Eignung vor,           binationen mittlerer und größerer In-
Differenzierung der Lautstärke durch         in den christlichen Kirchen, zeitweise           strumente, die Tradition und Innovation
den Anschlag haben? Mozarts Antwort:         sogar in jüdischen Synagogen, zum In-            gleichermaßen ermöglichen.
„Das hat alles nichts zu bedeuten.“ Und      strument der Kommunikation zwischen              Trotz allem ist die Orgel heute aus
dann der berühmte Satz von der Hoheit        „Diesseits und Jenseits“ zu werden oder,         mancherlei Gründen nicht mehr unan-
der Orgel.                                   wie es der berühmte Orgelkomponist               gefochten das kirchliche Instrument
So schnell können – zumindest von je-        Charles-Marie Widor gegenüber Albert             schlechthin. Das muss nicht beunruhi-
mandem, der für die Orgel Leidenschaft       Schweitzer formulierte: zur Manifestati-         gen. Es ist eher Ansporn, an ihrer Zukunft
verspürt - Einwände hinweggewischt           on eines „mit dem Schauen der Ewigkeit           mitzuarbeiten. Die nächste „Schaumbur-
werden. Dabei tauchen diese natürlich        erfüllten Willens“ geeignet zu sein. Denn        ger Orgelwoche“ ist für August 2018 in
auch in Bezug auf die „Königin“ immer        in ihrem Aufbau aus mehr oder weniger            Planung. Und auch heute noch gibt es
wieder auf. Schon die Kirchenväter           zahlreichen Pfeifen unterschiedlicher            Zwölfjährige, die auf eine freie Kirche
setzten sich zunächst heftig zur Wehr, als   Abmessungen spiegeln sich uralte, an             hoffen, wie 1821 Felix Mendelssohn
die Orgel im 8. Jahrhundert, mitgebracht     den Namen des Pythagoras geknüpfte               Bartholdy, der an seinen Orgellehrer
im Gepäck oströmischer Diplomaten,           Vorstellungen von kosmischer Ord-                schrieb: „Was sagt der Küster? Können
Eingang in unseren Kulturkreis bekam         nung und Harmonie, die durch Töne                wir heute Nachmittag spielen? Gibt es
und über die Klöster, wo Mönche wis-         hörbar gemacht werden können. Und                keine Hochzeit?“
senschaftlich und handwerklich zu ihrer      ist nicht das Wort für die Luft, die die                                   Christian Richter

  4                                                                                                                            Die Königin
ELAN AUSGABE 1 / 2017 - Evangelisch-Lutherische Ansichten und Nachrichten - Landeskirche Schaumburg-Lippe
Im Kirchenchor singen
Im Chor singen? Warum?

C       hor heisst Gemeinschaft:
        Miteinander Zeit verbringen, in
        der Musik einstudiert wird. Zu-
sammen sein, um kleinere oder größere
Gespräche am Rand zu führen. Zusam-
                                             Im Chor singen? Ich kann nicht singen…
                                             Jeder Mensch kann singen! Oft hat das
                                             Gefühl, nicht singen zu können, damit
                                             zu tun, dass es nicht geübt wurde.
                                             Wie bei jeder Muskulatur gilt es auch
                                                                                               •   Das Singen schüttet Endorphine
                                                                                                   (Glückshormone) aus und verhilft
                                                                                                   dazu, dass man sich wohlfühlt.
                                                                                                   Wenn das kein Grund ist zu singen!

men Entwicklung spüren, wenn Stimme          für die Stimme, dass sie Training und             Im Chor singen? Warum Kirchenchor?
und Klang verbessert wird. Gemeinsam         Übung braucht, damit ein Gefühl dafür             "Doch ist die Musik nicht nur Gabe
Auftritte vorbereiten und durchführen.       entstehen kann, wie Singen eigentlich             Gottes, sondern auch Aufgabe des Men-
                                             funktioniert. Die Stimme ist abhängig             schen." (Martin Luther)
Chorarbeit heisst, dass gemeinsam sin-       vom Gehör. Hinhören und Singen sind               Der Kirchenchor ist nicht nur eine
gend gearbeitet wird. In der Chorprobe       vollkommen miteinander verbunden                  Gemeinschaft in sich, sondern eine
werden andere Stimmen und Stimmla-           und auch dies will trainiert und geübt            Gemeinschaft innerhalb der Gemeinde.
gen gehört und wahrgenommen und              sein. Bei dem einen geht es schneller, ein        Er ist auch eine Gemeinschaft für die
                                                                                               Gemeinde, wenn er seinen Dienst tut
                                                                                               und im Gottesdienst singt. Deshalb ist
                                                                                               die Auswahl der zu singenden Litera-
                                                                                               tur christlich und stützt sich auf die
                                                                                               Bibel und den Glauben. Diese Inhalte
                                                                                               bewegen Menschen in der musischen
                                                                                               Auseinandersetzung des Glaubens und
                                                                                               in der Umsetzung des Chorgesangs.
                                                                                               Die Interpretation von Texten durch
                                                                                               die Unterstützung von Musik und Ge-
                                                                                               sang ist eine ganz besondere Form des
                                                                                               Glaubens, vielleicht sogar eine singende
                                                                                               Verkündigung.

                                                                                               Gerade diese Verknüpfung von Text
                                                                                               und Melodie, von Glauben und Gesang
                                                                                               hat neben den Gemeindeliedern im
                                                                                               Gottesdienst einen besonderen Stellen-
                                                                                               wert. Christliche Aussagen wirken durch
                                                                                               das gesungene Wort ganz anders und
                                                                                   Foto: ©kd

                                                                                               sprechen eine berührende innere Tiefe
                                                                                               im Gottesdienstbesucher an. Deshalb
                                                                                               kann der Kirchenchor gegenüber dem
                                                                                               gesprochenem Wort des Pastors oder
unterscheiden sich von dem, was man          Gespür dafür zu entwickeln, bei dem an-           der Lektorin eine ihm eigene Nische des
von der eigenen Stimme gewohnt ist.          deren langsamer und das ist in Ordnung.           verkündenden Wortes einnehmen.
Musikstücke, Lieder und Kanons erklin-       Wichtig ist doch, dass überhaupt wieder
gen und werden gemeinsam entwickelt.         gesungen wird!                                    Die Anbindung des Kirchenchores an
Immer wieder werden neue Stücke ge-                                                            die Kirche, die Gemeinde und den
lernt, sodass das eigene Repertoire sich     Und das hat mehrere ganz entscheiden-             Gottesdienst bedeutet eine Pflege von
vergrößert. Klangbildung und sprach-         de Gründe.                                        Glauben und Tradition. Trotzdem trägt
liche Umsetzung wird verbessert und          • Es macht Spaß zu singen, zu hören,              diese Bindung auch die Chance in sich,
unterstützt das Singen. Die Freude am            zu gestalten und sich selbst stimm-           neue Impulse setzen zu können durch
Singen, der emotionale Ausdruck und              lich zu verbessern.                           eine erweiterte Musikauswahl und
der Spaß innerhalb der gemeinsamen           • Es ist sehr gesund zu singen! Z.B.              einen moderneren 'Anstrich'. Dieser ist
Zeit ist Teil der Chorprobe, und das kann        für die Atmung und den Kreislauf:             ganz wichtig, um ein Aussterben von
richtig motivieren! Im Chor zu sein be-          die Einatmung wird ganz anders                Kirchenchören zu vermeiden und sie
deutet, freiwillig Zeit zu investieren, um       gefordert als beim Sprechen und               nach und nach verjüngen zu können.
zu singen. Und das machen viele Sänge-           verbessert sich qualitativ. Das               Mit ihrem Repertoire müssen Kirchen-
rinnen und Sänger oft wöchentlich und            Atemvolumen wird vergrößert und               chöre ansprechend und vielfältig sein
abends, denn jede und jeder spürt, wie           der Brustkorb durch die Atemweite             und werden.
gut das Singen tut und wieviel Freude            beweglich. Durch die vertiefte At-                                  Ruth Freymüller
damit verbunden ist, wenn das eigene,            mung wird der Kreislauf angeregt
innere Instrument klingt und singt.              und die Sauerstoffzufuhr verbes-
                                                 sert.

Chor                                                                                                                               5
ELAN AUSGABE 1 / 2017 - Evangelisch-Lutherische Ansichten und Nachrichten - Landeskirche Schaumburg-Lippe
Gott loben, das ist unser Amt

S       ie sind aus unserem kirchlichen
        Leben nicht mehr wegzudenken
        – die Posaunenchöre. Fast in
jeder schaumburg-lippischen Kirchen-
gemeinde gibt es einen Posaunenchor,
                                            zeln sind in Schaumburg-Lippe bis heute
                                            noch zu spüren. Die Chöre aus Meinsen
                                            und Bad Eilsen sind der Tradition des
                                            CVJM verbunden, die Großenheidorner
                                            und Lindhorster z. B. der Hermannsbur-
                                                                                                 so etwas wie eine generationsübergrei-
                                                                                                 fende Bildungsarbeit. Und mehr noch.
                                                                                                 Natürlich wird in den Chören auch der
                                                                                                 Gemeinschaftssinn gepflegt. Deswegen
                                                                                                 darf die Pause am Übungsabend nicht
der in regelmäßigen Abständen die Got-      ger Mission. Inzwischen gibt es in ganz              zu kurz sein, bleibt man gern nach der
tesdienste mitgestaltet. Zur Adventszeit    Deutschland ca. 7000 Posaunenchöre,                  Probe noch auf ein Bier beieinander oder
und dem Weihnachtsfest gehört der           die sich im „Evangelischen Posaunen-                 fährt in den Sommerferien in großer
festliche Klang des Posaunenchores          dienst in Deutschland“ (EpiD s.u.) zusam-            Runde auf gemeinsame Chorfreizeit.
genauso wie die ruhige Begleitung des       mengeschlossen haben.                                Musikalisch steht natürlich bei den
Volkstrauertags oder des Ewigkeits-                                                              meisten Einsätzen der Posaunenchöre
                                                                                                 immer noch die Begleitung des Gemein-
                                                                                                 degesangs im Vordergrund.

                                                                                                 Jeder Open Air Gottesdienst an Himmel-
                                                                                                 fahrt oder in der Adventszeit lebt von
                                                                                                 dieser Unterstützung. Doch in den letz-
                                                                                                 ten Jahren hat sich das Repertoire der
                                                                                                 Posaunenchöre weit über diese Möglich-
                                                                                                 keit hinaus erweitert. Die Interpretation
                                                                                                 moderner Musik ist hinzugekommen und
                                                                                                 manchmal wird von den Zuhörern stau-
                                                                                                 nend wahrgenommen, wie wunderbar
                                                                                                 sie sich in gottesdienstliches Geschehen
                                                                                                 einbauen lässt. Für die Jüngeren, oft
                                                                                                 ausgebildet in Bläserklassen der hiesigen
                                                                                                 Schulen, eine Selbstverständlichkeit,
                                                                                                 für manche älteren Bläser dagegen eine
                                                                                                 echte Herausforderung an das vertraute
                                                                                                 Rhythmusgefühl. Und immer wieder die
                                                                                                 Erkenntnis: Es geht. Zusammen. Mit ge-
                                                                                                 meinsamem Üben und etwas Zeit.
                                                                                 Foto: ©privat

                                                                                                 Vielleicht ist genau diese Erfahrung der
                                                                                                 größte Schatz für eine Kirchengemeinde,
                                                                                                 dass immer wieder in den Auftritten der
                                                                                                 Posaunenchöre sichtbar werden kann: Es
sonntags. Und auch bei vielen anderen       Erst seit ungefähr 50 Jahren ist es                  gelingt zusammen. Ganz fröhlich. Zum
kirchlichen und öffentlichen Veranstal-     selbstverständlich, dass auch Mädchen                Lobe Gottes.
tungen lassen die Bläser ihre Instru-       und Frauen Mitglieder eines Posaunen-                                           Wilfried Vauth
mente erklingen. Sie sind nur schwer        chores sein können. Dem „schwachen
zu überhören und geben das Signal:          Geschlecht“ wurden vermutlich keine
Hier ist Kirche präsent. In erstaunlicher   kraftvollen Töne zugetraut. Was für ein              (EPiD)
Bandbreite musizieren Junge und Alte,       Irrtum, wenn man sich heutige Posau-                 Der Evangelische Posaunendienst in
Männer und Frauen gemeinsam.                nenchöre anhört. Und ganz selbstver-                 Deutschland (EPiD) ist der Dachverband
                                            ständlich ist es geworden, dass Frauen               aller Posaunenwerke und -verbände
Kein Wunder mag man denken, wer-            Posaunenchöre leiten oder als Posau-                 in Deutschland. Er vertritt ca. 120 000
den die Posaunen doch schon im Alten        nenwartinnen in vielen Landeskirchen                 Bläser/innen.
Testament bei der Eroberung Jerichos        für die musikalische Entwicklung der                 Der EPiD wurde 1994 in Bethel (Bielefeld)
(Josua 6) und in den Psalmen (Psalm         Chöre und die Fortbildung der Bläserin-              gegründet, an historischer Stätte, denn
150) erwähnt.                               nen und Bläser zuständig sind.                       hier wirkte Pastor D. Johannes Kuhlo
                                                                                                 (1856-1941), der Pionier der Posaunen-
Aber so selbstverständlich ist es dann      All das hat natürlich auch die Gemein-               chorbewegung.
doch nicht. Erst seit gut 150 Jahren gibt   schaft in den Posaunenchören verändert               Neben vielen anderen Veranstaltungen
es ihn, den Posaunenchor oder den Po-       und geprägt. Aus den reinen Männer-                  sind besonders die beiden großen Po-
saunenverein. Ins Leben gerufen durch       bünden sind vielerorts richtige „Fami-               saunentage (DEPT) in Leipzig (2008) und
die Arbeit des CVJM in Westfalen und der    lienunternehmen“ geworden und das                    Dresden (2016) vom Verband organisiert
Hermannsburger Mission. Beide Wur-          gemeinsame Musizieren ist gleichsam                  worden. Internetadresse: epid.de

  6                                                                                                                          Posaunenchor
ELAN AUSGABE 1 / 2017 - Evangelisch-Lutherische Ansichten und Nachrichten - Landeskirche Schaumburg-Lippe
Die Kirchenband "aufLeben"

W            er singt, betet doppelt –
             liest man beim Kirchenva-
             ter Augustin. In der Refor-
mation wurde mit Liedern die Botschaft
des Evangeliums in die Gemeinden
                                               dienst bekommen hat. Jugendliche und
                                               Familien sind dankbar, wenn auch „ihre“
                                               Musik im Gottesdienst Raum hat und
                                               fühlen sich damit auch ernst genommen.
                                               Ob Swing oder Pop, Samba oder ruhige
                                                                                          für besondere Gottesdienste den Einsatz
                                                                                          der Musiker erbitten. Bis auf 15 Einsätze
                                                                                          im Jahr hat es die Band schon gebracht.
                                                                                          Daran mag deutlich werden, dass es
                                                                                          den Musikerinnen unter der Leitung von
getragen. Das gemeinsame Singen ver-           Ballade - die Band gestaltet die neuen     Ina Seidl und Conny Wagner auch ein
bindet die versammelte Gemeinde über           Lieder höchst abwechslungsreich. Ob        persönliches Anliegen ist, mit der Musik
alle Unterschiede hinweg.                      fröhliches Gotteslob, nachdenkliche        von Gott zu erzählen. Musik berührt
                                               Texte oder besinnliche Begleitmusik zum    die Herzen der Menschen oft mehr als
Eine reiche geistliche Musikkultur ist so      Gang zur Eucharistie, für alles hat die    Worte. Der Trost und die Freude, die
über Jahrhunderte entstanden und ent-          Band etwas in ihrem Programm. Im Vor-      der Glaube Menschen schenken kann,
wickelt sich weiter, weil sich natürlich der   dergrund steht bis heute die Begleitung    werden über die Melodien spürbar. Das
Musikgeschmack verändert. Von Swing            von Liedern. Zum Mitsingen und Mit-        möchte die Band weitergeben und inves-
und Samba                                                                                                      tiert dafür gerne für
wusste Luther                                                                                                  Proben und Gottes-
noch nichts.                                                                                                   diensttermine ihre
Moderne Me-                                                                                                    Freizeit.
lodien, von E-
Bass, Gitarre                                                                                                  Eine Band braucht
und Schlagzeug                                                                                                 Technik. Der Schlag-
begleitet, sind                                                                                                zeuger (Jan Hoth)
inzwischen auch                                                                                                mag sich noch ohne
in die Gottes-                                                                                                 Verstärker durch-
dienste einge-                                                                                                 setzen, aber der
zogen. „Ein fes-                                                                                               Bass (Klaus Schla-
te Burg“ singt                                                                                                 der) funktioniert
sich mit Orgel                                                                                                 nur mit Strom. Da-
gut, „Aufsteh’n,                                                                                               mit die Melodien im
aufeinander zu                                                                                                 Rhythmus nicht un-
geh’n“ klingt mit                                                                                              tergehen, werden
Band allerdings                                                                                                auch Geige (Hei-
besser.                                                                                                        ner Seidl), Gitarre
Die Kirchen-                                                                                                   (Heinrich Stolze)
                    Foto: ©privat

band „ auf Le -                                                                                                und Keyboard (Ina
ben“ begleitet                                                                                                 Seidl) verstärkt. Das
Kinder-, Jugend-                                                                                               gilt natürlich auch
und Familien-                                                                                                  für die Sängerinnen
gottesdienst mit                                                                                               (Marita Spieker-
modernen Instrumenten, den unter-              klatschen wird ausdrücklich eingeladen.    mann, Conny Wagner, Ursula Biesemeier
schiedlichsten Rhythmen und mehrstim-          Weil die Musiker sich durch persönliche    und Christa Skade). Der katholischen Ge-
migem Gesang. 2004 taten sich Musiker          Kontakte zusammenfanden, ergab es          meinde St. Joseph war die Bereicherung
zusammen, die in den Gottesdiensten            sich, dass die Zusammensetzung der         des Gottesdienstes so wichtig, dass sie
der katholischen Gemeinde St. Joseph in        Band auch dem Gedanken der Ökumene         die technische Ausstattung finanziert
Stadthagen eine Ergänzung zur Orgelbe-         Rechnung trägt.                            hat. Helmut Spiekermann sorgt bei Pro-
gleitung vermissten.                                                                      ben und Gottesdiensten dafür, dass alle
Nach dem Motto: „Nicht klagen, selber          Je zur Hälfte gehören die Mitglieder der   Kabel richtig angeschlossen sind, keiner
machen“ waren schnell Melodien neu-            katholischen und der evangelischen         zu laut wird und alle Stimmen zu ihrem
er Kirchenlieder eingeübt. Pfarrer und         Kirche an. Dadurch ergab es sich dann      Recht kommen. Ein bisschen schade
Gemeinde wurden von der Neuerung               auch fast automatisch, dass inzwischen     finden es die Musiker, dass es nicht mehr
im musikalischen Bereich überzeugt.            in Kirchengemeinden beider Konfessio-      Bands in den Kirchengemeinden gibt.
Gleich die ersten Gottesdienste, die           nen Gottesdienste begleitet werden. Der    Das Interesse ist da. Sie können allen
von aufLeben gestaltet wurden, fanden          Musikgeschmack ist schließlich nicht mit   nur Mut machen, die Instrumente aus-
große Zustimmung.                              dem Bekenntnis verbunden. Und auch         zupacken, sich mit anderen zusammen
Ein häufig geäußertes Vorurteil, dass die      evangelische Gottesdienste bestehen        zu tun und mit fröhlicher Musik zu Gott
„älteren“ Menschen solche Art der Mu-          nicht nur aus der Predigt, sondern leben   und Gottesdienst einzuladen.
sik nicht mögen, hat sich nie bestätigt. Im    ganz in der Tradition Luthers auch von
Gegenteil. Quer durch alle Generationen        fröhlichem Singen. Inzwischen gibt es                                Jan Peter Hoth
ist die Freude groß, dass auch moderner        eine ganze Anzahl von Gemeinden, die
Musikgeschmack seinen Ort im Gottes-
Band                                                                                                                            7
ELAN AUSGABE 1 / 2017 - Evangelisch-Lutherische Ansichten und Nachrichten - Landeskirche Schaumburg-Lippe
Musik ist die halbe Miete
Ein Leben ohne Musik - für Jugendliche undenkbar

M            usik ist für die meisten
             Jugendlichen unverzicht-
             bar. "Musik hören" ist bei
Mädchen zwischen 14 und 19 Jahren
das wichtigste, bei Jungs das zweit-
                                            Unter allen Musikrichtungen ist da-
                                            bei "Pop" eindeutig die angesagteste
                                            Musikrichtung. Der Musikexperte Karl
                                            Bruckmaier meint: "Pop ist zum größ-
                                            ten gesellschaftlichen Feldversuch der
                                                                                       sind für die Verantwortlichen von Ju-
                                                                                       gendkirchen längst passé. Für sie gilt:
                                                                                       Auch Popularmusik kann eine Beziehung
                                                                                       zu Gott stiften. Gleichwohl sind wir in
                                                                                       der kirchlichen Jugendarbeit natürlich
wichtigste Medium. Die Musik wird           Menschheitsgeschichte angewachsen,         durch die Frage herausgefordert: "Was
nur abgeschaltet, wenn es nicht zu          weiter verbreitet als parlamentarische     wollen wir mit der Musik erreichen?"
vermeiden ist. Selbst beim Ankommen         Demokratie und zuckerfreies Cola."         Organisieren wir ein Konzert mit einem
in der Schule ist sie über Handy oder       Es bedarf keiner weiteren Begründung,      geistlichen Impuls oder dient die Musik
MP3-Player "in ear". Hausaufgaben           um deutlich zu machen, dass wir in der     dem liturgischen Spannungsbogen eines
erledigen, ohne Musik zu hören, ist für     kirchlichen Arbeit mit Jugendlichen        Jugendgottesdienstes? Viele weitere Fra-
viele Jugendliche undenkbar - und für       den Faktor Musik ganz oben ansiedeln       ge ergeben sich, die alle in der Spannung
viele Eltern undenkbar, dass das so ist.    müssen. Wie aber setzen wir Musik, die     stehen, neue liturgische Formen für Ju-
Neben dem MP3-Player wird vor allem         das Leben der Jugendlichen bestimmt,       gendliche zu entwickeln und Bewährtes
über das Radio und über das Inter-                                                           neu zu entdecken.
net Musik online konsumiert, und                                                             Welche Schlüsse ziehen wir in der
über die sozialen Plattformen wer-                                                           ev. Jugend aus der Bedeutung der
den Musikvideos und Infos über                                                               Musik? Drei inhaltliche Richtungen
die neueste Musik ausgetauscht.                                                              zum Schluss. 1. Partizipation: Wäh-
Jugendliche hinterlegen via Link                                                             rend Jugendliche im Alltag Musik
auf Pinnwänden ihrer (virtuellen)                                                            meist "konsumieren", soll Musik
Freunde die Lieblingsmusik und                                                               im Jugendgottesdienst und in der
informieren sich gegenseitig über                                                            Jugendarbeit Bedeutungsträger für
angesagte oder persönlich präfe-                                                             die damit verbundenen Texte sein.
rierte Interpreten. Eltern spielen                                                           Sie soll zum Mitsingen und Mitma-
bei der Vermittlung von Musiker-                                                             chen animieren. Wir sind immer
fahrungen meist keine wesentliche                                                            wieder erstaunt und auch glücklich
Rolle mehr. Die Freunde lösen hier                                                           darüber, wie sehr Jugendliche auf
die Familie als primäre Bezugsin-                                                            Freizeiten und anderen längeren
stanz ab und eröffnen damit neue                                                             Veranstaltungen doch bereit sind,
Bildungs- und Sozialisationsräume                                                            Lieder mitzusingen. Darüber wird
in der Freizeit.                                                                             viel Gemeinschaft gestiftet - auch
                                                                                             mit Gott! 2. Qualität: Jugendliche
Dabei stellen Musikstars für die                                                             merken ganz genau, ob Musik auch
jugendlichen HörerInnen nach                                                                 handwerklich gut gemacht oder
wie vor Identifikationsfiguren dar.                                                          dilettantisch ist - das spielt bei Kon-
Über ihre Vorbildfunktion werden                                                             zerten und allem, was musikalisch
politische, moralische und auch                                                              eingeübt wird, eine große Rolle.
religiöse Haltungen transportiert                                                            3. Ressourcen: Die Bedeutung
und von den Jugendlichen für die                                                             der Musik für Jugendliche und die
eigenen sozialen Leitbilder und                                                              kirchlichen professionellen Mög-
                                                                                       Foto: ©lg

Verhaltensweisen aufgenommen.                                                                lichkeiten, dies für die Jugendarbeit
Dabei spielen die Musikrichtun-                                                              zu nutzen, müssten ausgebaut
gen innerhalb der eigenen Clique                                                             werden. Wir sind im Bereich der
natürlich eine bedeutende Rolle.                                                             von vielen Landeskirchen schon
Ob jemand z.B. der Hardcore-, Emo-,         in der Jugendarbeit "sinnvoll" ein?        besetzten Popkantorenstellen noch
Techno-, oder Hip-Hop-Szene angehört,       Dass die Jugendlichen Zugang zu jeder      "musikalisches Entwicklungsland".
ist nicht nur Zugangsvoraussetzung          Art von Musik, zu jedem Song haben,        Deshalb verwundert es sicher nicht,
zu Gleichgesinnten, sondern auch für        erschwert die Musikauswahl nicht nur       dass der Fokus für eine der neuen
Freundschaften ein wichtiges, verbin-       in den Jugendgottesdiensten. Längst        Stellen im Bereich der Jugendarbeit
dendes Element.                             wird die künstliche Trennung zwischen      unserer Landeskirche jetzt ganz auf die
Dies ist vor allem auch deshalb der Fall,   "geistlicher" und "weltlicher" Musik als   Musik gelegt wird: Zur Unterstützung
weil über die Musik nicht nur situativ,     überholt empfunden. Die Zeiten, in de-     der Chor- und Bandarbeit und um neue
sondern auch mit Nachhaltigkeit bei         nen darüber gestritten wurde, ob Lieder    Ideen umzusetzen, Jugendliche durch
den Jugendlichen Gefühle, Stimmungen,       wie "Über den Wolken", "Bridge over        die Musik zu begeistern - und damit für
Wünsche und Sehnsüchte "bearbeitet"         troubled water" oder "Take me home,        Gottes Wirken.
und damit auch Lebens- und Liebesent-       country roads" in einem christlichen
würfe "geschaffen" werden.                  Gottesdienst gespielt werden dürfen,       			Lutz Gräber

  8                                                                                                             Jugend und Musik
ELAN AUSGABE 1 / 2017 - Evangelisch-Lutherische Ansichten und Nachrichten - Landeskirche Schaumburg-Lippe
Jeder Mensch nimmt Töne mit dem Körper wahr

„W                ie bitte? Es gibt einen
                  Gebärdenchor in Han-
                  nover?“ So werde ich
häufig gefragt, wenn ich von unseren
                                            erschlossen werden und dann können
                                            wir ans Gebärden gehen.

                                            Wir haben sogar ein Gebärdenlieder-
                                                                                         aber inhaltlich auch anspruchsvollere
                                                                                         Lieder. Der Chor wie auch die Gemein-
                                                                                         de mag beispielsweise das Lied „Meine
                                                                                         Zeit“ besonders gern. Da lautet der Re-
Chorproben erzähle. Meine Antwort:          buch für den Gottesdienst. Manche            frain: „Meine Tage, meine Stunden, mei-
Ja, es gibt auch bei uns einen Chor! Was    Lieder darin sind sehr kommunikativ. Da      ne Minuten und Sekunden – meine Zeit,
wir Hörenden mit der Stimme machen,         dürfen wir mit dem Finger aufeinander        ein Stückchen Ewigkeit.“ Die Menschen
das machen die Gehörlosen mit den           zeigen – zum Beispiel bei unserem Got-       gebärden das Lied mit und fühlen sich
Händen und den Gesichtern. Wir üben         tesdiensteingangslied: „Ich da, du da, du    gehalten und geborgen, weil auch ihre
bei unseren Chorproben das synchrone        da, du da, Gott da, wir zusammen (mit        Lebensspanne in Gottes Hand liegt, wie
Gebärden und die passende Mimik             Gott) – wunderbar!“ Bei dem „du da, du       es in der letzten Strophe heißt: „Meine
dazu. So können wir für die Augen           da, du da“ zeigen wir aufeinander und        Zeit – anfangen und enden – meine Zeit
sichtbar machen, was die Musik für die      das lockert die Stimmung auf, schafft ein    in Gottes Händen“.
Ohren hörbar macht!

Für uns Hörende ist es un-
gewohnt, sich Musik visuell
und nicht akustisch vorzu-
stellen. Die Melodie ergibt
sich beim Gebärden aus
dem Fluss der Bewegungen
und aus den Gefühlen, die
die Sänger durch ihre Kör-
persprache und die Mimik
einfließen lassen.

Wir können zum Beispiel
ganz zackig, abgehackt ge-
bärden wie ein Roboter.
Das entspricht in der Musik
dem Staccato. Wir können
aber auch eine Gebärde in
die andere fließen lassen
wie in der Musik beim An-
dante die Töne ineinander
fließen. Das sieht dann sehr
weich und elegant aus.

Wir können sogar laut und
leise „singen“, wenn wir
                               Foto: ©kd

nämlich ganz groß oder
ganz klein gebärden. Und
in der visuellen Welt brau-
chen wir viel Mimik – auch
im normalen Gespräch miteinander,           Gemeinschaftsgefühl im Gottesdienst,         Instrumentalmusik wird für Gehörlose
denn die Mimik hilft, den anderen noch      weil wir einander wahrgenommen und           erst dann interessant, wenn die Luft
besser zu verstehen.                        angelacht haben und führt uns gleich-        oder der Boden vibriert. Das kommt im
                                            zeitig in die besondere Situation des        Gottesdienst eher selten vor. Aber auch
Noten brauchen wir nicht. Für unsere        Gottesdienstes, in der es zuerst nicht       ohne Musik sind unsere Gottesdienste
Lieder haben wir Texte, aber diese Texte    um uns, sondern um Gottes Gegenwart          fröhlich und lebendig! Sie können sich
bearbeiten wir oft noch. Gehörlose Men-     bei uns geht.                                davon gern selbst überzeugen und mal
schen finden unsere Grammatik häufig                                                     einen besuchen!
sehr schwer.                                Das „Du“ ist in der Gehörlosengemein-
                                            schaft die übliche Anrede für eine                              Christiane Neukirch,
Uns Hörenden ist diese Schwierigkeit        einzelne Person unabhängig davon, wie             Beauftragte für Gebärdensprachliche
oft gar nicht klar. Deshalb genügt es       vertraut wir mit ihr sind. Das kommt da-        Seelsorge in der Landeskirche Hannover
nicht, dem Gebärdenchor einen Text          her, dass das „Sie“ den Plural, also viele
zu geben. Der Textinhalt muss erstmal       Personen bezeichnet. Wir haben leichte,

Gebärdenchor                                                                                                                  9
ELAN AUSGABE 1 / 2017 - Evangelisch-Lutherische Ansichten und Nachrichten - Landeskirche Schaumburg-Lippe
Musik im Alter

Z      uerst sang Marikka Rökk 1939
       und später auch Johannes Hees-
       ters und auch Peter Alexander:
„Ich brauche keine Millionen, mir fehlt
kein Pfennig zum Glück. Ich brauche
                                           ist, zu dem erkrankten Menschen eine
                                           Beziehung aufzubauen. Hier sind ver-
                                           traute Lieder und Melodien hilfreich.
                                           Der alte Mensch überträgt die positiven
                                           bzw. auch die negativen Eindrücke, die er
                                                                                            Diese Begegnung hat mich sehr ange-
                                                                                            rührt und mich bewogen, im Sommer
                                                                                            immer wieder das Lied singen zu lassen.
                                                                                            Für demenzerkrankte Menschen ist eine
                                                                                            vertraute Struktur wichtig. Bei vielen von
nur Musik, Musik, Musik…“ Dieser kurze     mit dem Lied oder der Melodie in jungen          ihnen ist die Verknüpfung vorhanden:
Liedausschnitt zeigt, wie wichtig Musik    Jahren gemacht hat, auf die Person, die          Die Orgel spielt, der Gottesdienst be-
unabhängig von unserem Alter für uns       das Lied singt oder die Melodie summt.           ginnt. So ist es sehr hilfreich, bei einem
Menschen ist. Die Musik spricht den        Vom Frühsommer bis zum Erntedank-                Gottesdienst instrumentale Begleitung
Menschen auf der emotionalen Ebene         fest singe ich in meinen Gottesdiensten          zu haben. Die Musik strukturiert einen
                                                                                            Gottesdienst. Sie holt die Gottesdienst-
                                                                                            besucher ab aus ihrem Alltag und bindet
                                                                                            die Aufmerksamkeit.

                                                                                            Seit drei Jahren haben wir Heiligabend
                                                                                            in den Altenheimgottesdiensten musi-
                                                                                            kalische Unterstützung am Keyboard.
                                                                                            Sobald die ersten Töne erklingen, ist
                                                                                            die volle Aufmerksamkeit Aller da, dann
                                                                                            beginnt für mich Weihnachten.
                                                                                            In der Kirche zeigt die Orgel Anfang und
                                                                                            Ende eines Gottesdienstes an.

                                                                                            In den Seniorenheimen ist es oft sehr
                                                                                            unruhig vor den Gottesdiensten oder die
                                                                                            Bewohner sind in sich gekehrt. Sobald
                                                                                            das Akkordeon erklingt, sind die Gottes-
                                                                                            dienstbesucher wachgerüttelt und ich
                                                                                            habe ihre Aufmerksamkeit.
                                                                                            Einige Jahre hatten wir von verschiede-
                                                                                            nen Akkordeonspielern Unterstützung.
                                                                                            Diese gehörten zum festen Bestandteil
                                                                                            eines Gottesdienstes und wurden auch
                                                                                            immer von den Besuchern erwartet. Der
                                                                                Foto: ©kd

                                                                                            Gottesdienst war durch die musikalische
                                                                                            Begleitung eine angenehme, gern wahr-
                                                                                            genommene Abwechslung.

an. Sie erlaubt uns, unsere Gefühle        im Seniorenbereich immer wieder den              Lange Zeit habe ich mich bemüht, mit
und Stimmungen auszudrücken. Mit           Choral „Geh aus, mein Herz" von Paul             einer Begrüßung die Aufmerksamkeit
manchen Musikstücken oder Liedern          Gerhardt. Hier begeistert mich zum               zu binden. Bei demenzerkrankten Besu-
verbindet jemand positive Eindrücke        einen das Lied selbst, aber auch die             chern ist dies beschwerlich. So habe ich
oder auch traurige, enttäuschende.         Wirkung auf Menschen. Einige singen              vor einiger Zeit es ausprobiert, zuerst
                                           mit, obwohl sie schon lange aufgehört            „Großer Gott, wir loben dich" zu singen.
Diese sind sofort präsent beim Hören.      haben, zu sprechen.                              Darauf reagierte eine Besucherin: „Oh,
Bei den heutigen alten Menschen mache      So sangen wir bei einem Gottesdienst             das Lied haben wir immer in der Kirche
ich die Beobachtung, dass Lieder aus der   „Geh aus, mein Herz". Nach diesem                gesungen.“ Ich antwortete ihr: „Ja, das
Kindheit und Jugend noch präsent sind.     verabschiedete ich mich von allen Besu-          Lied ist sehr schön und bei vielen be-
Stimme ich ein bekanntes Kinderlied,       chern persönlich. Ich ging von einem zum         kannt.“ Die Frau fühlte sich durch diese
Volkslied, Schlager oder Kirchenlied an,   nächsten. Als ich bei einer Frau ankam           kleine Ansprache gesehen und gewür-
singt der alte Mensch sofort mit. Mich     und mich von ihr verabschieden wollte,           digt. So hatte ich ihre Aufmerksamkeit
begeistert immer wieder, welch ein         meinte diese: „Warten Sie einmal! Ich            während des ganzen Gottesdienstes.
Repertoire an Liedern und Melodien         muss mal aufstehen.“ Ich schaute sie
bei alten, besonders auch bei demen-       etwas fragend und verunsichert an.                                         Bärbel Sandau
zerkrankten Menschen, vorhanden ist.       „Das war ja so schön, dass wir das Lied
Auf der emotionalen Ebene ist es im-       ‚Geh aus, mein Herz‘ gesungen haben!
mer wieder möglich, egal wie weit die      Kommen Sie her, ich muss Sie jetzt erst
Demenzerkrankung vorangeschritten          einmal als Dankeschön umarmen!“

 10                                                                                                                      Musik im Alter
Im Pfarrhaus zwischen Bach und Rock

S      eine ersten Auftritte als Musiker
       hatte Christof Stein-Schneider
       im Seniorenkreis der Kirchenge-
meinde seines Vaters. Sechs oder sieben
Jahre war er damals alt und die Senioren
                                            Und so greift er also seit Jahrzehnten in
                                            die Saiten seiner Gitarre. Dabei sollte er
                                            doch eigentlich nach dem Willen seiner
                                                                                          Der tiefe Zugang zur Musik, der sei
                                                                                          bei ihm auf jeden Fall in der Kindheit
                                                                                          entstanden zwischen Gesangbuch und

waren begeistert von dem niedlichen
Kleinen. Heute urteilt die Hannoversche
Allgemeine Zeitung über die Musik
seiner Band „Wohnraumhelden“, sie
sei „Unterhaltungspunk mit knackigen
Bläsersätzen, Chor und Spielereien zwi-
schen Pogo, Reggae und Mariachi“. Hat
das eine mit dem anderen zu tun? Und
hat seine Kindheit als Sohn des Pastors
Einfluss genommen auf seine Musik?

Einige Stunden nach dem Gespräch
irgendwo in einem Café in Hannovers
Stadtteil Linden wird Stein-Schneider
auf der Bühne der Cumberlandschen
Galerie sitzen und mit seinen „Wohn-
raumhelden“ vergnügt die musikalische
Begleitung zu einer Lesung im Treppen-
haus gestalten. „Dann achte bei dem
einen Lied mal drauf“, sagt er, „auf
diese Zeile ‚Danke für deinen Finger in
meiner Wunde‘ – das ist angelehnt an
das ‚Danke-Lied‘.“ Ja, das sei wohl das
Lied, das ihn am ehesten geprägt habe in
seiner Kindheit zwischen Kirchenmusik
von Bach und den ersten gar nicht so
zaghaften Versuchen als Rockmusiker.
                                            Foto: ©bnj

Gerade habe er in der Zeitung gelesen,
dass der Komponist des Liedes gestor-
ben sei. Da wurde es noch einmal ganz
präsent.
                                            Eltern Klavier lernen. Wollte er nicht.       Gitarrensaiten. Er ist überzeugt davon,
Kirchenmusik geht also gut mit Punk und     Musik machen war okay, statt Klavier          dass die Menschen zuerst singen und
Rock zusammen, meint Stein-Schneider.       beharrte er aber auf einer Gitarre. Damit     dann erst sprechen lernten. Musik, das
Zumindest an manchen Stellen. Und           brachte er es zu einigem Bekanntheits-        sei doch ein Grundnahrungsmittel für die
gegen Auftritte in Kirchen hat er absolut   grad schon lange Zeit bevor er begann,        menschliche Psyche. Und außerdem sei
nichts einzuwenden. Am Wochenende           mit den „Wohnraumhelden“ zu touren.           Musik etwas, mit dem sich Botschaften
zuvor hat er gemeinsam mit seinem Bru-      Bei „Fury in the Slaughterhouse“ ge-          transportieren ließen – eingängiger als
der ein Konzert in einem Gemeindehaus       hörte er zu den Gründungsmitgliedern,         Schlagzeilen in Zeitungen und mit viel
gegeben. Vor dem Altar in der Kirche        war mit der Band viele Jahre unterwegs        Raum für die Zwischentöne. So hängt
seines Vaters hat er sein allererstes       und geht in diesem Jahr mit ihnen auf         bei ihm auch soziales Engagement meis-
Rockkonzert gegeben. „Das war eine          Tour. Eigentlich war nur ein kleines          tens mit Musik zusammen. Kindern und
Katastrophe. Wir waren so schlecht“,        Konzert - just for fun – geplant. Daraus      Jugendlichen Chancen zu geben, den
erinnert er sich grinsend. Aber weder da-   sind zwölf Konzerte geworden mit dem          Zugang zur Musik zu finden. Dafür stellt
rüber noch über die lautstarken Proben      Versprechen, dass es sich dabei um keine      er dann auch gerne einmal seinen Pro-
im Jugendraum des Gemeindehauses            Re-Union handelt, sondern nur um ein          benraum zur Verfügung. Wenn gerade
mit „tierischem Krawall“ habe sich je-      wenig Spaß mit Freunden. Und ja: auch         kein Gemeindehaus frei ist. (bnj)
mals jemand beschwert. Musik gehört         mit Fury ist er oft in Kirchen aufgetreten.
zur Kirche und die jungen Leute sollten     Da hätten sie dann aber häufig eher die
damals doch einfach das machen, wozu        leiseren Töne angeschlagen. Es sei eben
sie Lust haben. So hätte die Gemeinde       doch eine spezielle Atmosphäre, vor
wohl argumentiert.                          einem Altar zu spielen.

Rock                                                                                                                         11
Gottesgeschenk und Geistesklang

„M             usik scheint von allen
               Künsten die zu sein,
               die uns am unmittel-
barsten berührt“ schreibt der ame-
                                               wonach das Wort Christi uns mit Psalmen,
                                               Hymnen und geistlichen Liedern bewegt,
                                               ist eigentlich klar, dass schon im NT kei-
                                               ne poetisch-musikalische Monokultur
                                               herrschte, sondern eine Vielfalt der Stile
                                                                                              musikalischem Kabarett. Gerade Spirituals
                                                                                              und Gospels bieten Texte mit revolutio-
                                                                                              närem Sprengstoff. Beispielhaft sei hier
                                                                                              an das Lied We shall overcome erinnert,
                                                                                              das die schwarze Widerstandsbewegung
rikanische Musikpsychologe Robert
Jourdain.                                      angesagt war. Das gilt auch heute, mehr        der 1960er-Jahre um Martin Luther King
[...] Luther schätzte an der Musik, die er     denn je: Wir brauchen Vielfalt, denn auch      begleitet und gestärkt hat. [...]
als Schwester der Theologie betrachtete,       der Geist wirkt vielfältig (1. Kor 12). Das    Vielstimmigkeit
eine dreifache Wirkung: Sie stärkt die         heißt nicht, dass sich Kirchenmusik an         Gottes Geist befähigt nicht nur unter-
Beziehung zu Gott und zu den Menschen,         den Zeitgeschmack einfach ungeprüft            schiedliche Menschen mit unterschied-
weitet aber auch den Blick für die Welt        andocken, ja womöglich anbiedern soll.         lichen Gaben (vgl. 1. Kor 12), er benützt
als klingende Schöpfung, durch die Gott        Sie ist immer auch ein Korrektiv, ein Stück    auch unterschiedliche Töne und Klänge,
uns anredet.                                   Gegenkultur zum Zeitgeist. Salz der Erde       verschiedene Rhythmen und Musikstile
Freilich ist die Musik nicht nur Gottesgabe,   und Licht der Welt zu sein (Mt 5,13) ist       von der archaischen Gregorianik bis zum
sondern auch Menschenkunst. Sie wird           uns auch kirchenmusikalisch aufgetragen.       komplexen Jazz, von der barocken Vokal-
seit Jahrtausenden von Generation zu           Integrative Wirkung                            polyphonie bis zum begeisternden Gospel,
Generation, von Lehrern an die Schüler         Wenn es gelingt, finden beim gemeinsa-         vom meditativen Choral bis zum „abgefah-
weitergegeben. Um sie so auszuüben,            men Musizieren in der Kirche oft Men-          renen“ Rap. Es gibt keinen Musikstil, der
dass sie andere Menschen anspricht             schen unterschiedlicher Herkunft und           sakrosankt oder aber völlig ungeeignet für
und berührt, bedarf es der sorgfältigen        Frömmigkeit, aber auch unterschiedlichen       den kirchlichen Gebrauch wäre. [...]
Ausbildung. [...] Dies gilt sowohl für die     Alters und Milieus zusammen. Personen,
Instrumentalmusik als auch besonders           denen Kirche und christlicher Glaube           Summe
für die Vokalmusik. Gerade das Singen          fremd geworden sind, können in der Kir-        Kein anderer als Paul Gerhardt hat die
ermöglicht eine ästhetisch und theologisch     chenmusik neue religiöse Beheimatung           Bedeutung der Kirchenmusik in einer
ideale Verbindung von Klang und Wort,          und Identität finden. [...] Von daher kann     Liedstrophe („Ich singe dir mit Herz und
von Tönen, Predigen und Rühmen. Darauf         Kirchenmusik dazu beitragen, Gemeinde          Mund“, EG 324,1) unvergleichlich zum
können wir in der Kirche nicht verzichten!     zu bauen. Ich denke da besonders an die        Ausdruck gebracht.
Deshalb brauchen wir auch weiterhin eine       Altersgruppe zwischen 30 und 50, die wir       „Ich singe dir mit Herz und Mund.“ Das
qualifizierte Ausbildung von Kirchenmusi-      mit anderen Angeboten oft wenig errei-         beste und höchste Ziel jeder Musik ist es,
kern und -musikerinnen!                        chen. [...]                                    Gott zu loben und ihm die Ehre zu geben.
Wer singt, betet doppelt – wer singt,          Heilsame Bedeutung                             [...] Das besondere Profil protestantischer
verkündigt doppelt                             Musik kann – mehr als reine Worte – Ge-        Kirchenmusik ist die Verkündigung des
Luther verstand die Verkündigung des           fühle der Freude oder Erhabenheit, aber        Evangeliums von Jesus Christus. Sie lädt
Evangeliums als Klangereignis: „Evangeli-      auch des Schmerzes ausdrücken oder aus-        zum Glauben ein und ermutigt zu einem
um … heißt auf Deutsch gute Botschaft, …       lösen und Gefühle der Zuneigung in Töne        erfüllten Leben mit Gott.
davon man singt und sagt und fröhlich ist“     fassen, ja vielleicht sogar wecken. Wer ein-   Den beiden liturgischen entsprechen zwei
– und stellt dankbar fest: „So predigt Gott    mal am Sterbebett mit einem Menschen           spirituelle Aspekte des Singens:
das Evangelium auch durch die Musik.“          „Befiehl du deine Wege“ gesungen hat und       „Herr, meines Herzens Lust!“ Wenn ein
Nicht nur Kanzel und Altar, auch Chor und      spürte, wie die Person dabei noch einmal       Mensch vor Gott singt und musiziert, ge-
Orgel sind Orte der Verkündigung! Doch         zurück kommt, weiß, wovon ich rede. Aber       schieht das nicht nur mit der Stimme oder
damit nicht genug: Durch die Musik be-         auch ein Popsong kann trösten und neue         mit den Händen; vielmehr kommt der gan-
kommt auch unser Gebet eine spirituelle        Hoffnung geben. Ich denke an Eric Claptons     ze Mensch zum Klingen, summt und lacht,
Verdichtung, [...]. Wer singt, betet doppelt   „Tears in Heaven“, geschrieben anlässlich      jubelt, klatscht und tanzt. Kirchenmusik
(Augustin). Beides geschieht nun schon seit    des Todes seines fünfjährigen Sohnes [...].    macht Freude, sie darf im besten Sinne
2000 Jahren in unseren Kirchen. Kirchen-       Diese Sätze sind ausgesprochen tröstlich,      des Wortes lustvoll sein und begeistern.
musik hat sich in dieser Zeit schon äußerst    sie bringen die Hoffnung, ja die Gewissheit    „Was mir von dir bewusst.“ Evangelische
vielfältige Ausdrucksformen zu eigen           zum Ausdruck, dass es ein Wiedersehen          Kirchenmusik eröffnet uns neue Zugänge
gemacht: [...] Alle haben sie elementaren      geben wird dort droben…                        zu den Inhalten des Glaubens. So geschieht
Anteil an Verkündigung, Klage und Lob          Kulturelle Prägekraft                          Vergewisserung und „Bewusstseins-
im Gottesdienst und im Alltag der Kirche.      Über die Musik wirkt Kirche kulturell prä-     Bildung“; wir werden durchklungen vom
Wie Musik Glauben wecken kann                  gend auf die Gesellschaft ein. Was wären       „Sound des Geistes“, der uns geistlich und
Wenn Musik eine grundlegende Aus-              wir ohne Bachs Weihnachtsoratorium,            geistig aufbaut und bildet.
drucksform unseres Glaubens ist, dann          ohne Brahms‘ Requiem oder Händels
wirkt sie über die Grenzen unserer Kirchen     Messias? [...] Es ist erstaunlich, wie viele                                  Jochen Arnold,
                                                                                              habilitierter Theologe und A-Kirchenmusiker,
hinaus in die Welt. Sie hat damit Anteil an    berühmt gewordene Popstars ursprünglich        Direktor des Evang. Zentrums für Gottesdienst
der „missio Dei“, der Mission Gottes, d.h.     in Gospel- und Kirchenchören beheimatet        und Kirchenmusik im Michaeliskloster Hildesheim
an dem Geschehen, durch das Gott sich          waren (z.B. Mahalia und Michael Jackson,
den Menschen bekannt macht. [...]              Whitney Houston, Cliff Richard u.a.).
Wenn wir die „Einsetzungsworte der             Musik wirkt aber auch kritisch auf die
Kirchenmusik“ in Kol 3,16 betrachten,          Kultur ein. Hierin liegt eine Stärke po-
                                               pulärer Musik, z.B. in Protestsongs und

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Der Raum macht was mit den Leuten
Weshalb Konzerte in Kirchen gern auch weltlicher Natur sein dürfen

W             as macht den besonde-
              ren Reiz von Kirchen als
              Konzerträumen aus? Und
müssen solche Konzerte das Christen-
tum im Mittelpunkt haben? Oder geht
                                             aus und welche Möglichkeiten eröffnen
                                             sich dort auch für die Kirchen! Gehen,
                                             innehalten, wahrnehmen – die Chance,
                                             solche Eindrücke zuzulassen, das solle
                                             die Kirche wahrnehmen, meint Cericius.
                                                                                         und zahlreichen Enkeln sei er einiges
                                                                                         gewohnt, meinte der Abt. Da sei „Sex
                                                                                         Bomb“, auf der Orgel der Stiftskirche
                                                                                         gespielt, doch nicht weiter schlimm.
                                                                                         Eine andere kleine Episode kommt auch
es auch anders – weltlich? Wir haben         Dabei seien Kirchen beileibe keine          aus dem Kloster Loccum. „Maybebop“ –
Roger Cericius gefragt, für den Konzerte     einfach zu bespielenden Konzertsäle.        vier Männer mit vier Stimmen - sangen
vielerlei Art in Kirchenräumen nahezu        Technik ist in den meisten Fällen nur für   dort freche fröhliche, manchmal auch
täglich Brot sind.                           die Liturgie vorgesehen. Bei Umbauten       frivole Lieder und gestalteten für Hun-
                                             und Sanierungen hier und dort darauf        derte von Zuhörern einen fulminanten
Mit Musik kennt Roger Cericius sich          zu achten, dass Kirche multifunkti-         Abend. Eines ihrer Lieder brachte sie
aus. Sowohl als Interpret als auch dann,     onaler genutzt
wenn es darum geht, Konzerte zu orga-        werden könne,
nisieren. Beruflich macht er das bei einer   das wünscht er
Versicherung, wo er unter anderem im         sich. Schließlich
Veranstaltungsmanagement arbeitet.           sei es tatsäch-
Ehrenamtlich ist er Vorsitzender des Ver-    li c h s o, das s
eins, der die Internationalen A-cappella-    Kirchen zuneh-
Wochen Hannover initiiert. Und singend       mend Erlebnis-
hat er bereits als Kind auf vielen Bühnen    räume würden.
und auch in so mancher Kirche rund           Das könne man-
um den Globus gestanden, denn mit            ches leichter
neun Jahren wurde er Mitglied des Kna-       machen, zumal
benchors Hannover. Mittlerweile, sagt        der hohen Er-
er, reduziere sich sein eigener Gesang       war tung der
darauf, dass er in Gottesdiensten mit        Gäste andere
großer Begeisterung und laut mitsinge.       suboptimale
Neben den christlichen Inhalten ist es       B e d i n g u n ge n
aber immer auch sein Anliegen, andere,       gegenüberstün-
neue Inhalte in Kirchen zu bringen. Denn     den. Ungefähr
Kirchen gehören für ihn zu den magischs-     ab der zehnten
ten Räumen überhaupt.                        Sitzreihe sei
                                             doch meistens
                                                                Foto: ©bnj

Der erste Schritt, den ein Gast in einen     nichts mehr zu
Kirchenraum tue, um ein Konzert zu er-       sehen. Und die
leben – das sei doch schon immer etwas       Akustik in Kir-
Besonderes. Diese Atmosphäre jenseits        chen – nun, die
eines multifunktionalen Konzertraums.        könne Konzerten zuträglich, aber spe-       jedoch zeitweilig aus dem Konzept,
Da seien die Erwartungen oftmals ganz        ziell dafür auch ganz fürchterlich sein.    denn das hatte die Frage danach, wie sie
andere. Da soll nicht nur das Orchester,     Manche Instrumente etwa könnten in          sterben wollen, im Blick. Bei dem hei-
der Chor, die Band erlebt, sondern Musik     Kirchen einfach nicht gespielt werden.      teren Lied wurden sich die Sänger aber
auch als ganzheitliches Ereignis aufge-      „Vom Schlagwerk kann man bewusstlos         anscheinend plötzlich des Kreuzes, das
nommen werden. Solch ein Kirchen-            werden“, sagt er schmunzelnd.               über ihren Köpfen hing, bewusst. Egal
Konzertraum, sagt Cericius, der „macht                                                   ob Mousse T. oder Maybebop, meint
was mit den Leuten“. Den Raum und die        Was aber ist mit der weltlichen Musik       Cericius – eine Kirche als Konzertraum
Musik zu einer Einheit verschmelzen zu       in Kirchen? „Als wir vor einigen Jahren     „macht“ nicht nur etwas mit dem Pub-
lassen, ist immer dann sein Ansatz, wenn     Mousse T. für ein Konzert im Kloster        likum, sondern auch mit den Musikern.
er Konzerte in Kirchen organisiert. Das      Loccum engagiert haben“, erzählt Ceri-      So leicht kommt keiner unverändert
gelinge oft gut und dabei ließen sich in     cius, „sollte er sich beim Pressetermin     wieder heraus.
vielerlei Hinsicht die Möglichkeiten von     an die Orgel setzen. Was er denn spielen
Kirchen auch nutzen.                         solle, wollte er wissen. Die Journalisten   Was er sich also in erster Linie wünscht,
                                             verlangten nach seinem größten Hit:         wenn er ein Konzert in einer Kirche orga-
Wandelkonzerte hat er bereits orga-          Sex Bomb.“ Er hätte das vermutlich          nisiert hat? Dass alle, die dort sind, einen
nisiert. Die Musik von einem Ort zum         nicht befürwortet an diesem Ort, sagt       Abend erleben wie nie zuvor – und auch,
nächsten gehen lassen, die Zuhörer           Cericius frei heraus. Und auch Mousse T.    dass sie das Kreuz sehen. (bnj)
ebenfalls in Bewegung halten – das ist in    hatte arge Bedenken. Neben dem stand
kommerziellen Konzertsälen kaum mög-         allerdings Loccums Abt Horst Hirschler,
lich. Wie anders sieht das aber in Kirchen   grinste und stimmte zu. Mit vier Söhnen

Konzertraum                                                                                                                     13
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