100 Jahre Theatergesellschaft Oberentfelden

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100 Jahre Theatergesellschaft Oberentfelden
100 Jahre Theatergesellschaft Oberentfelden

Eine Chronik in 4 Akten von Beat Unternährer

Liebe Freunde der Theatergesellschaft Oberentfelden, liebe Vereins-Kolleginnen
und -Kollegen

100 Jahre Volkstheater in Oberentfelden! Einhundert Jahre sind vergangen, seit dem
Tag, an dem jemand auf die Idee kam, aus einer Leidenschaft einen Verein zu
gründen, Mitglieder zu werben und in Zukunft seine Freizeit dem Hobby zu widmen,
dem auch wir uns verschrieben haben: dem Theaterspiel. 100 Jahre voll Arbeit,
voller Sorgen, aber auch unendlich vieler Freuden. Jedes Mitglied hat in dieser
langen Zeit dazu beigetragen, dass wir im Jahre 2009 dieses grossartige Jubiläum
feiern dürfen. Jeder Vereins-Vorstand hat mit denselben Problemen zu kämpfen
gehabt; - haben wir immer genug Mitglieder? - wird das ausgesuchte Theaterstück
beim Publikum Anklang finden? - können wir mit unseren Finanzen unseren treuen
Zuschauern das bieten, was sie von uns erwarten? Es ist immer auf eine Art und
Weise ein Kampf gewesen und es wird auch in Zukunft immer ein Kampf sein. Zuerst
wurde das Theater vom Kino verdrängt nachher vom Fernsehen, dann von den
unendlichen Freizeit-Möglichkeiten, welche in der heutigen Zeit angeboten werden.
Und trotzdem - es gibt sie immer noch, die Freunde des Theaters, besonders des
Amateurtheaters! Auch uns, den Aktiven auf und hinter der Bühne hat es immer viel
Freude bereitet, wenn wir nach langer Probenarbeit unseren Erfolg bestätigt wussten
an den Aufführungen durch den Applaus des Publikums. Denn wer kennt diesen
Satz nicht: - dem Amateurschauspieler seine Gage ist der Applaus des Zuschauers -!
Ansonsten ist er reiner Idealist! In der vorliegenden Vereinschronik habe ich mich
manchmal an diesen Satz erinnert, wenn ich in unserem Archiv nach Dokumenten,
alten Bildern und Protokollen gesucht habe, bis ich den Werdegang unseres
Vereines so vor mir liegen hatte, wie ich ihn hier präsentiere. Die interessanten
Episoden habe ich in dieser Jubiläumsschrift niedergeschrieben. Diese Zeilen sollen
all jenen gewidmet sein, welche sich für unseren Theaterverein mit ihrer Freizeit
eingesetzt haben.

1909 – das Jahr, in welchem die Theatergesellschaft Oberentfelden gegründet wurde
– liegt weit zurück, sehr weit sogar. So richtig merkt man das erst,
100 Jahre Theatergesellschaft Oberentfelden
wenn man in der Chronik jenes Jahres blättert. Damals erhält der Berner Mediziner
Theodor Kocher den Medizin-Nobelpreis, die Schweizerische Vereinigung für
Frauenstimmrecht wird gegründet (NB: das Stimmrecht wird 1971 eingeführt!),
erstmals gewinnt die Schweiz im Fussball gegen Deutschland (5:3). Louis Blériot
fliegt als erster Mensch über den Aermelkanal, und Jungtürken unter Mustafa Kemal
(später Kemal Atatürk) setzen in der Türkei den Sultan ab.

Auch die Theatergesellschaft Oberentfelden musste ihren Weg zuerst suchen und
ihre Ziele finden. Angefangen hat es – was uns heute eher fremd anmutet – mit
historischen Stücken.
100 Jahre Vereinsgeschichte 1909 – 2009, ein Jahrhundert im Dienst des kulturellen
Geschehens. Das ist sicher ein Grund zur Besinnung über Erfolg und Misserfolg.
Wenn man Rückschau hält, so darf man heute feststellen, dass die TGO einen festen
Platz im Oberentfelder Dorfleben hat und darüber hinaus überregionalen Erfolg
erzielt. Da und dort feiern in diesen Jahren Gesellschaften und Vereine das
hundertste Jahr ihres Bestehens, aber wenige können über eine so
ununterbrochene, geordnete Tätigkeit zurückblicken wie die TGO. Es war zu den
damaligen Zeiten schwer, mit den verfügbaren geringen finanziellen Mitteln die
Weiterentwicklung eines relativ kostspieligen Vereins zu gestalten.

Theaterspielen hat in Oberentfelden eine lange Tradition, wie überhaupt im Aargau.
Bereits gegen Ende des 19. Jahrhunderts war der Aargau eine Hochburg des
Volkstheaters. Allein in Aarau gab es 3 Vereine, in Zofingen sogar 4. Als Pionierin
des abendfüllenden Theaters in unserem Dorfe darf der Grütliverein bezeichnet
werden, der 1888 einen Theaterabend auf einer eigens konstruierten Bühne
durchführte, die aber nach wenigen Jahren wieder verkauft wurde.

1909: Oberentfelden war ein Arbeiterdorf. Die Gemeinde zählte etwa 1600
Einwohner, vorwiegend Bauern, Fabrikarbeiter, Bürstenmacher etc. Die Löhne waren
klein, die Arbeitstage lang. So verdienten z.B.

Posamenter (Heimarbeiter in der Seiden-       300 – 400 Fr. jährlich
bandindustrie)
Maurer                                              400 Fr. jährlich
Bürstenmacher                                 300 – 800 Fr. jährlich
Fabrikarbeiter                                500 – 800 Fr. jährlich
Zimmermann                                    600 – 1000 Fr. jährlich
Mechaniker                                    1000 – 1200 Fr. jährlich
Arzt                                          5100 Fr. jährlich

Fabrikant                                     3000 – 5000 Fr. jährlich

Dieser Aufstellung muss man die Eventualverpflichtungen der Vereinsmitglieder
gegenüberstellen. Die waren vergleichsweise hoch. Die Vereinsmitglieder hafteten jeder
einzelne solidarisch bis Fr. 6,000.—und zeichneten auch – wie in späteren Jahren –
Anteilscheine zur Deckung des Defizite4s. Der Mitgliederbeitrag war bei 30 Rappen im
Monat
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1. Akt: 1909 – 1934

Eigentlich ist die Theatergesellschaft Oberentfelden bereits 1902 gegründet worden,
als einige Theaterbegeisterte den „dramatischen Verein“ aus der Taufe hoben. Mit 2
Stücken, jeweils über Silvester/Neujahr erfreute man die Zuschauer. „Der
Bauernkönig“ von Alfred Huggenberger (handelte über den Bauerrnführer Niklaus
Leuenberger) und mit „Kabale und Liebe“ von Friedrich Schiller. Beide Werke
erforderten einen ungeheuren Einsatz und einen grossen Personenbestand. Nach
diesem verheissungsvollen Anfangsaufschwung begannen jedoch bald kleinliche
Zänkereien. Den Protokollen kann man viele Diskussionen um das Vorgehen gegen
zahlreiche Mitglieder entnehmen, sodass die Initiative nach 2 Jahren bereits
scheiterte. Mit Kabale und Liebe verstummte das Oberentfelder Theater für beinahe 4
Jahre. Wir kennen die Ursache nicht genau, möglicherweise wirkten mehrere zusammen.
Vielleicht mangelte es an initiativen Personen, doch können auch Unstimmigkeiten in der
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Theatergesellschaft und in politischen Angelegenheiten mitgewirkt haben. Es fehlte auch an
geeigneten Theaterräumlichkeiten, um gewisse Stücke aufführen zu können.

Zum Gründungsjahr 1909 schreibt Fritz Haberstich in seiner Chronik zum 75jährigen
Bestehen der TGO 1984: Eine neue Turnhalle war erstellt worden. Vom ehemals
gegründeten „Dramatischen Club“ gabs nun wiederum einige, die es nicht lassen
konnten. Wie mit magischen Kräften wurden sie auf das Podium der neuen Turnhalle
gezogen. Ende Oktober war das Stück, das über die Neujahrstage über die Bretter
sollte, ausgewählt. Als etwas Unmögliches würden wir es heute bezeichnen, wenn
man die zu bewältigenden Arbeiten in Betracht zieht. Das Theaterstück „Heinrich an
der Halden“ in fünf Aufzügen mit einer Besetzung von 65 Mitwirkenden musste
inszeniert werden. Die Bühne, die ja nur aus einem Podium bestand, musste mit
einem Schnürboden zur Befestigung der Szenerien bestückt werden. Die
Bühnenbeleuchtung sollte installiert, ein Vorhang montiert, Szenerien erstellt und
gemalt, schwarze Tuchabdeckungen an die Hallenfenster angebracht, eine Holz-
Kohlen-Heizung betriebsbereit aufgestellt, die Garderobe im Schulhaus eingerichtet,
etc., etc. werden. Und das alles in nur zwei Monaten. Die Spielzeit in den
Wintermonaten verweist auf den bäuerlichen Traditionsstrang des Volkstheaters: Erst
wenn die Ernte eingebracht war, konnte man an den aufwendigen Zeitvertreib
denken.

Aber zuerst musste ja die Gesellschaft gegründet werden, das geschah am 15.9.1909

Ein Vorstand wurde gewählt:
Präsident:         H. Haberstich, Notar
Vizepräsident:     Emil Büchler/Oskar Thut
Aktuar:            Gottlieb Suter
Kassier            Anton Bröndle
Materialverwalter: Gottfried Kyburz

Am 31.10. wurden die Statuten genehmigt und beschlossen, „Heinrich an der
Halden“ über die Neujahrstage aufzuführen. Dem Verfasser des Aufführungsstückes,
Herrn Lehrer Wunderlin, wird eine Gratifikation von Fr. 50.— zugesprochen. Männliche
Spieler sollen eine Flasche (7/10 Lit) Wein, weibl. Spieler 3/10 Lit Wein erhalten, nebst
Wurst und Brot.

Die Theatergesellschaft war auf eigene Rechnung für die Bühneneinrichtung, die
auch die Beleuchtung, den Vorhang, Hintergrundkulissen (Horizont) etc umfasste
verantwortlich. Ausserdem zahlte sie aus eigenen Mitteln eine Grosszahl der
benötigten Stühle. Am Anfang wurden sie angemietet (Protokollnotiz: Stuhllieferanten
319 Stück [aus Gais, Café Bank, Engel etc.], später angeschafft, hälftig durch die
Theatergesellschaft bezahlt, hälftig durch die Gemeinde.
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Kritik im Aargauer Tagblatt:

   „Wenn ein Verein von Dilettanten es unternimmt, ein Werk von so eminenter
   Schönheit zur Aufführung zu bringen, wenn er ferner seine Aufgabe in so
   glänzender Weise löst, wie es bei „Heinrich an der Halde“ geschehen ist, wenn er
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es dazu bringt, dass der Zuhörer sich über die kleinen Kalamitäten, welche dem
   Dilettanten anhaften, hinwegsetzt, und vom Gehalte überwältigt, im Genusse
   schwelgt, gebührt ihm hier öffentlicher Dank….“

Es folgten weitere, vornehmlich historische Stücke, 1911 Der Löwe von Luzern

                                           Nach einem 5bändigen Werk von Philipp
                                           Galen, übertragen von Hartmann von
                                           Baldegg

                                           Ein Stück, das fast bei allen grossen
                                           Theatergesellschaften gegeben wurde

                                           In jeder Beziehung sehr aufwendig, eine
                                           riesige Personal- und Materialschlacht

                                           Defizit Fr. 415.35

                                           Das Aargauer Tagblatt schrieb dazu: Der
                                           Meineidbauer ist eines der beliebtesten
                                           oberbayrischen Volksstücke, dessen
                                           sentimentale Rührseligkeiten ihre Wirkung
                                           auf die Massen nie verfehlen.

                                           Die Zwischenaktmusik besorgt ein
                                           Orchester, das seine einfachen Sachen
                                           recht hübsch spielen würde, wenn es
                                           mehr auf Reinheit und saubere
                                           Tongebung hielte
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Alles Stücke, die damals in Hochdeutsch, bzw Schriftdeutsch gegeben wurden, sehr
lang waren und hohen Personal- und Requisitenaufwand erforderten und nur
denkbar waren bei totalem Einsatz aller Beteiligten während ca 2 Monaten, denn die
Stücke übte man innerhalb von 2 Monaten ein. Während mit dem Ersten Weltkrieg
die Zuwanderung aus Deutschland natürlicherweise rückläufig wir d und damit die
eigene Sprache, der Dialekt ins Zentrum rückt, löst kurze Zeit später die Hitler -
Zeit eine offene Aversion gegen die Hochsprache aus.

In den Anfängen begnügte man sich jeweils mit einigen wenigen Aufführungen,
war in der Stückwahl auf Empfehlungen aus andern Gesellschaften angewiesen,
übte „nur“ 2 Monate, folgte oder hinkte der Mode hintennach, wagte aber auch
Uraufführungen. Heute sind mind. 12 gut besuchte Aufführungen nötig, um die
Unkosten zu decken, 4 – 5 Monate wird intensiv geprobt.

Der zeitliche Rhythmus verlief bei den meisten Mitgliedern, die alle aus Ober -
oder Unterentfelden stammten, auf die gleiche Weise. Es war verhältnismässig
einfach, die Mitglieder, die man für bestimmte Aufgaben brauchte, unter einen
Hut zu bringen, sei es in der Woche am Abend oder an den kurzen
Wochenenden. Von Samstagmittag an waren die Leute ansprechbar und
machten mit. Man traf sich auch informell öfter auf der Strasse oder auf dem Weg
zur Arbeit. Man wusste mehr voneinander als heute und wichtige Info rmationen
wurden ebenfalls auf diesem Wege ständig transportiert.

Schon damals wurde versucht, eine Antwort zu finden auf die Frage: Was ist
Volkstheater? Doch so wie sich das Volk ändert, in seiner Zusammensetzung,
in seinen ideologischen Perspektiven, in seinen Idealvorstellungen und seinem
Reflexionsvermögen, so ändert sich auch der Begriff. Dass sich der Begriff im
Verlaufe dieser 100 Jahre wandelte, soll hier aufgezeigt werden, weil sich
dahinter die gesellschaftliche Zuschreibung an eine Kultur äuss ert.

1884 wird als Ziel der schweizerischen gemeinnützigen Gesellschaft
festgehalten, dass das Volkstheater ein integrierender Teil des Volksfestes
bilde. Gut geleitetes Volkstheater sei ein wesentlicher Faktor, die
Landesgeschichte, die Helden des Volkes und die Eigentümlichkeiten des
Volkslebens dramatisch darzustellen und damit den nationalen Sinn zu stärken
und der kulturellen Verkümmerung zu entgehen (Erholung des fabrikmüden
Körpers, aber auch Volksbildung und Unterhaltung der arbeitenden Klasse;
Theater helfe, schlechte Neigungen zu unterdrücken).

Die Sehnsucht des Menschen nach dem Spiel mit Rollen, Verkleidungen und
Masken wird gestillt vom sinn- und identitätsstiftenden Volkstheater. Es zwingt, das
Einheimische, die Heimat, die eigene Kultur wahr zunehmen und zu pflegen.
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Volkstheater kann die Augen öffnen für die Landschaft, die Ohren für das Wort
und die Sinne für das Emotionale. Wenn man Spielende nach ihrer Motivation
fragt, fallen stets ähnliche Antworten: eine Erfahrung, eine Öffnung des eigenen
Lebens... eine Herausforderung an sich selbst... die Möglichkeit einer kreativ -
kulturellen Freizeitbeschäftigung... als Äquivalent zum Berufsalltag, damit nicht
nur Kopf oder Beine gefordert werden, sondern der ganze Mensch... aus
Freude an der Verwandlung... aus Exhibitionismus... Spiel als Therapie gegen
Angst... das Erleben von Gemeinschaft... weil es als Lohn nur den Applaus
gibt...

Einige Müsterli aus dieser Zeit:

Da man sich an den Kosten der Theaterstühle beteiligte, war oft eine Intervention
beim Gemeinderat bezüglich Qualität nötig.

Auch war es zu dieser Zeit nicht selbstverständlich, dass genügend Elektrizität
vorhanden war, weshalb man sich auch frühzeitig versicherte:

Brief vom 18. Dezember 1926 an die Direktion des Elektr. Werkes der Stadt
Aarau: "Wir teilen Ihnen mit, dass unsere Aufführungen sich auf die folgenden
Tage erstrecken:
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2., 3., 10., 17., 24. und 31. Januar 1926, Beginn je nachmittags ca. 2 Uhr. Wir
sind natürlich von der Zufuhr der elektr. Energie abhängig und bitten deshalb,
darauf zu halten, dass an den gen. Tagen keine Unterbrüche stattfinden.
Hochachtungsvoll: Theatergesellschaft Oberentfelden

Neben dem Saisonstück wurde ab 1920 auch immer ein Zwischensaisonstück
einstudiert und im Sommer zur Aufführung gebracht, oft auch zum 1. August. Dabei
waren auch Schwierigkeiten zu überwinden. Theateraufführungen wurden zur
damaligen Zeit als Volksbelustigung betrachtet. Die reformierte Synode des Kantons
Aargau warnte 1921 in einem Kreisschreiben an alle reformierten Einwohner:

Fazit: „Die Zahl der Anlässe ist zu gross geworden, sie erfordern zuviel Arbeit, Zeit und
Geld, ihr Gehalt ist nicht durchwegs so, dass unsere Gesundheit dadurch gefördert
wird.“

Neben dem eigentlichen Theaterspielen war die Theaterreise die wichtigste
Veranstaltung im Vereinsjahr. Betrachtet man die Korrespondenzen, überwogen sie
in Art und Umfang oft den Briefwechsel für die eigentliche Theaterarbeit. Wer nicht
an der Reise teilnehmen konnte, bekam eine Entschädigung aus der Kasse in der
Höhe des Reisepreises.
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Brief vom 18. Februar 1926 vom Grand-Hotel & Kurhaus Griesalp an die
Theatergesellschaft Oberentfelden, betr. des Ausfluges:
"Im Besitze Jhrer Zuschrift vom 17ten, erhalten Sie beigeschlossen einige unserer Prospekte.
Wir können Jhnen das gewünschte, Nachtessen, bestehend aus Suppe, Fleisch gut garniert
und Dessert zu Frs. 3.50, Nachtlager in Betten, (Zimmer zu zwei und einem Bett,) auch zu
Frs. 3.50, und Frühstück, bestehend aus Milchkaffee, Brot, Butter und Confiture, zu Frs.
1.50 pro Person liefern. Heulager haben wir nicht, und möchten wir Jhnen raten, mit
dem Ausfluge nicht zu lange zu warten, da das Wetter meistens Anfang Juli oder Ende
Juni besser ist, als im August, und in den Hotels auch mehr Platz. Wagen ab Reichenbach
kämen wahrscheinlich zu teuer, da der Zweispänner für 4 Personen auf 40 Frs.
kommt, doch würden wir Jhnen selbstverständlich welche verschaffen, wenn Sie es
wünschten.
Mit vorzüglicher Hochachtung Grand-Hotel & Kurhaus Griesalp"
Auch in den dreissiger Jahren waren die Kosten für Tranksame nicht
allzu hoch:
2. Akt: 1934 – 1959

Der Bestand und Weiterbestand eines Theatervereins wie der TGO ist
keineswegs eine Selbstverständlichkeit. Nerv und Lebenselixier der
Theatergesellschaft waren immer der nötiger und unabdingbare Wille einzelner,
der Drang einiger „Angefressener“, Theater machen zu müssen, die
bedingungslose Hingabe jedes einzelnen an ein gemeinsames Ziel, mit der
Investition von Zeit und nochmals Zeit, von Ideen, persönlichem Können auf
technischem, künstlerischem, organisatorischem Gebiet. Eine starke Figur in
dieser Zeit war Otto Hunziker-Walther, Prokurist in der Bürstenfabrik Walther,
während 28 Jahren Präsident und Regisseur. Als gute Spielerin und weibliche
Hauptrollenträgerin sah man seine spätere Gattin, Bertha Hunziker-Walther.

Die Kulissen bezog man vom Bühnenbau Weesen, der komplette
Theaterbühnen lieferte, meist zwischen 5 – 800 Franken. Später war Ad. Engel,
Theatermaler, Seengen ein wichtiger Konkurrent. Er lieferte viele Bühnenbilder
nach Oberentfelden. Weil die Stücke oft auch andernorts gegeben wurden,
konnten die Kulissen meistens vermietet oder gar verkauft werden.
1943 spielte man „Grenzweg“ von Heinz Küenzi. Wie so oft hat man in
Oberentfelden die Stücke in Zusammenarbeit mit dem Autor auf eigene
Bedürfnisse zugeschnitten. Die Autoren, wie eben H. Küenzi, K. Grunder, J.
Muff, Cäsar von Arx, G. v. Planta waren in der Regel bereit, auf die
Oberentfelder Wünsche einzugehen und die Stücke zu bearbeiten. Eine
reichhaltige Korrespondenz aus dieser Zeit zeugt von engem Autorenkontakt.
Meist waren die Autoren auch an Proben und an der Premiere dabei.
So schrieb H. Küenzi nach der Premiere des Grenzweg einen langen Brief, der in der
Aussage gipfelte: „„Mir selber ist es sonnenklar, dass ich den Grenzweg nirgends mehr
anschauen werde. Ich möchte von ihm den Eindruck behalten, den Sie und Ihre
bewährte Schar mir vermittelt haben.“
Wir waren in der Zeit der geistigen Landesverteidigung, vor und während des Krieges.
Je nach Zeitgeist – hier ein paar Beispiele geistiger Landesverteidigung aus
dem Umkreis der Landesausstellung 1939, anlässlich der das Volkstheater wie
nie zuvor oder auch danach in den Zeitungen thematisiert und popularisiert wurde
– färben sich die Intentionen: «Der Weg des schweizerischen Vo lkstheaters soll
wegführen von jeder nachlässigen Einstellung, soll von der Unkultur zur Kultur
führen..., vom Willen zur Veredelung und Vertiefung.» (Hb., SMP, 20.5.1941)

«In weitaus stärkerem Maße als irgendeine andere Kunstgattung ist das
Theater dazu berufen, das Gefühl unmittelbaren Verbundenseins von Spielern
und Zuschauern, von Spielewelt und Tagwelt zu verwirklichen. ...das
Gemeinschaftserlebnis aus der künstlerischen Stoffgestaltung heraus
wachrufen...» (O.B., Solothurner Zeitung, 8.5.1939). Der Heimatschutz sieht neben
seinen grossen Aufgaben des planvollen Bauens sein Ziel auch darin, «alle
Bestrebungen, die den Heimatsinn fördern (Mundart, Trachten, Singen,
literarisches Schaffen), zu unterstützen, und dazu gehört auch das Volkstheater».
(Berner Heimatschutz, Der Bund, 20.10.1943)

Auch wenn als Charakteristikum des Volkstheaters vielfach bloss die
Unterhaltungsstätte «ohne weltanschauliche Verankerung» (M.A., Luzerner
Tagblatt, 6.2.1943) gesehen wird, trägt wahres Volkstheater bei «zur
entscheidenden Leistung des Menschen in allen Zeiten und in jedem Kulturkreis:
es hilft die Welt verbessern, die ewig zu verbessern bleibt.» (Walter Lesch, Der
Bund, 13.3.1941). Oder man sieht «in der Einheit zwischen Spieler und Zuschauer
ein wesentliches Kennzeichen des echten Theaters; der Zuschauer erfährt durch
den Spieler eine innere Erhebung und Auflockerung und der Spieler fühlt sich
vom Zuschauer her angefeuert, zu hohen Leistungen angespornt. Durch diese
Wechselwirkung ist jede Theateraufführung ... etwas Le bendiges, Einmaliges.
Das echte Spiel auf der Bühne besteht in der Darstellung sinnvollen Lebens,
der Beziehungen zwischen den Menschen....» (M.A., Luzerner Tagblatt,
6.2.1943). Oder an anderer Stelle: «Wenn man Unterhaltung nicht als bloße
Zer-Streuung, Ab-Lenkung von den Lebensnöten versteht, sondern als ein
Atemholen zu neuer Tatkraft, als ein Freudeschöpfen, dann wird auch die von
uns geforderte Unterhaltung sehr wohl zu einer Lebenshilfe. Denn die Freude
und das Lachen sind starke und unentbehrliche Lebenskräfte. Auch sie sind
Helfer auf dem Wege zur Klarheit und Befreiung.» (M. Gridazzi, Volksrecht Zürich,
22.12.1943). Während die Ruinen Europas von Schutt und Asche befreit
werden, besinnt man sich des Theaters als kollektive Bewältigungsformel: «Und
darum gehört auch auf die Volksbühne die dramatische Veranschaulichung dieser
Auseinandersetzung [zwischen Leben und Tod, Schuld und Sühne], die jeder mit
sich jahraus, jahrein auszufechten hat, oft in örtlicher und sozialer
Abgeschlossenheit, weshalb das Theater (neben der Kirche) die Aufgabe hat,
dem einzelnen die kollektive Empfindung und das gemeinsame Tragen von
Schicksalsschlägen zu vermitteln.» (-lf, Der Bund, 11.10.1945).

Dass die Veranstaltungen von den Mitgliedern der TGO ein Mass an
Engagement und Konzentration erfordert, das weit über das Uebliche des
alljährlichen Vereinslebens hinausgeht, scheint niemanden zu stören, im
Gegenteil. Mit fiebrigem Eifer wird geprobt, diskutiert, organisiert und delegiert.
Man kennt sich gut, kommen doch alle aus En tfelden, machen auch in andern
Vereinen mit, sind stark im Dorfleben verwurzelt. Zwanzig bis dreissig Leute
bilden den „harten Kern“ der Theatergesellschaft. Sie treffen sich auch
ausserhalb der Theatersaison regelmässig – bilden einen Verein mit der
dazugehörigen Gesellschaftskultur, die auf ganzjährigen Betrieb ausgerichtet ist.
1937 wird der „Adlerjäger vo Uri“ gegeben, ein Tellenstück
Nicht nur Kulissen, nein auch Requisiten
                                                      wurden ausgeliehen, wie hier Pfeil und Apfel
                                                      für den Tellenschuss

Schönenwerderkinder dürfen der
Kindervorstellung des Adlerjägers nicht
beiwohnen

In diese Zeit fällt auch die einzige grosse Krise der TGO. Natürlich gab es auch in andern
Perioden Schwierigkeiten; sie wurden in der Regel gelöst, indem einzelne Protagonisten den
Verein verliessen. Die Krise der Kriegsjahre war aber tiefergehend. Es fand ein
Generationenwechsel statt. Aktive Spieler waren ständig im Militärdienst. Schon vorher war
die große Lust und Energie der vergangenen Jahre, speziell die, welche in den
Gründerjahren herrschte, etwas verloren gegangen. Mitglieder kamen und gingen, mit ihnen
die Ideen und Freuden am Theaterspielen. Irgendwann und irgendwie werden alle einmal
älter, Dinge die man früher noch toll und spannend fand verloren ihren Reiz. Andere Reize
erhöhen ihre Priorität.
"Das entscheidende an ehrenamtlicher Arbeit ist der Spassfaktor, und genau er hatte
merklich gelitten".

Somit war das Organisieren mehr zur Last als zur Lust verkommen. Auch ein sehr schöner
Aspekt der Vereinsarbeit, die Dankbarkeit des Publikum blieb aus, weil nicht gespielt werden
konnte.

So brauchte es einen erneuten Anlauf, prakt. eine Neugründung, um 1949 nach 6jährigem
Spielunterbruch wieder aktiv zu werden.
§949 nahm man das aktive Vereinsleben wieder mit einem Stück von H. Küenzi auf, mit
„Wildwasser“, bei dem man die Aarau-Schöftland-Bahn sogar um eine Abänderung des
Fahrplans bitten musste:
“Brief vom 4. Februar 1949 an die Direktion der Aarau-Schöftland-Bahn:
"Wir stehen gegenwärtig mitten in unseren Winterspielen. Neben dem Zustrom der Bevölkerung aus der
engeren Umgebung, erfreuen wir uns auch des Besuches auswärtiger Gäste, vor allem aus dem obern
Suhrental.

Wir sind verschiedentlich angefragt worden, ob nach unserer Abendaufführung vom kommenden Samstag, den 5. Februar
1949 an Ihren Zug Nr. 28, Oberentfelden ab 22.43 h, der Anschluss gewährleistet sei. Da die zur Verfügung stehenden Minu-
ten, trotz guter Zeiteinteilung unsererseits, knapp sein dürften, ersuchen wir Sie, Ihren Zug Nr. 28 in Oberentfelden erst um
22.50 h wegfahren zu lassen, um dadurch den Suhrentalern den Besuch unseres Spieles zu ermöglichen.

Ihrem zustimmenden Bericht sehen wir gerne entgegen und grüssen

mit vorzüglicher Hochachtung Theatergesellschaft Oberentfelden"

Brief vom 4. Februar 1949 von der Direktion der Aarau-SchöftlandBahn an die Theatergesellschaft Oberentfelden:

"Sehr geehrte Herren

Wir danken Ihnen für Ihr Schreiben vom 2. Februar 1949 und sind gerne bereit, unseren Zug Nr. 28 am
kommenden Samstag, den 5. Februar 1949 in Oberentfelden erst um 22.50 Uhr abfahren zu lassen.

Wir hoffen, Ihnen damit einen Dienst erwiesen zu haben und grüssen Sie freundlichst

Aarau-Schöftland-Bahn Der Direktor: sig. Diem"

    Wie sehr die Schulpflege sich noch um das Wohl der Kinder auch in der Freizeit
    kümmerte, zeigt ein Brief aus dem Jahre 1950, in welchem sie es ablehnt, dass
    Schulkinder an der Kindervorstellung von Lonny die Heimatlose teilnehmen:
Akt: 1959 – 1984

Auch in der Nachkriegszeit wird das gemeinsame Tun gegen das
Ökonomiestreben der Hochkonjunktur abgewogen: «Gerade dem
Volkstheater und seiner erzieherischen Wirkung komme für die
Eidgenossenschaft die allergrößte Bedeutung zu ... und [es] erfülle damit
eine wichtige kulturelle Mission. Dem Laienspieler vermittle das
Volkstheater das einzigartige Erlebnis des Wirkens in einer großen Ordnung.
Gerade heute, da unser Volk vor der Gefahr steht, zu ‹verwirtschaften›,
das heißt, in jenen Leerlauf zu geraten, der die innere Stimme erstickt,
komme dem Laientheater als Gegengewicht eine entscheidende
Bedeutung zu.» (be, Tages-Anzeiger Zürich, 12.9.1956)

Wir befinden uns in der eigentlichen Hochblütezeit der TGO; die Theatergesellschaft
wird weit über die regionalen Grenzen hinaus bekannt, Der Stellenwert des
Amateurtheaters ist im Raum Aarau jedoch weniger hoch, als etwa in Obwalden,
Schwyz oder im Emmental, weshalb man auch immer wieder die Fühler in diese
Gegenden ausstreckt.
Kopf und Herz sind in dieser Zeit Namen wie Jean und Heinz Senn, Trudi Leardi,
Otto Baumann, Marcel Baumann, Hanspeter Tanner, Theres und Emil Zimmann,
Charles Vultier u.a.
Die TGO übertrifft das übliche Niveau von Theatervereinen bei weitem. Ab den
sechziger Jahren wird ausschliesslich die Mundartdramatik gefördert. Daneben spielt
mit dem Orchesterverein bis in den Siebziger Jahren ein Theaterorchester unter der
Leitung von Lukas Boner, in den 70er Jahren vereinzelt der Handharmonika-Club
unter der Leitung von Frau Stebler. Ausserdem wird in den Stücken immer
gesungen. Die Lehrer Fritz Hunziker und Emil Künzli proben jeweils die Lieder ein.
In dieser Zeit kommt das Fernsehen auf. Nur was von einem breiten Publikum
akzeptiert wird, hat Daseinsberechtigung. Das Theater ziehe immer weniger
Publikum an und sei drum dem Untergang geweiht, sagen die Pessimisten. Man
prognostizierte schon ein Debakel, als in den Dreissiger Jahren der Film aufkam.
Doch im Gegensatz zum global ausgerichteten Kino und Fernsehen setzt das
Theater auf regionalen und überregionalen Dialog. Theater ist eine Beziehung, kein
Produkt. Nicht die Technik, sondern die körperliche Präsenz des Menschen steht im
Zentrum.
Laienbühnen übernehmen da und dort die kulturelle Grundversorgung oder sie
besetzen die von den subventionierten Theatern vernachlässigte Nischen. Die TGO
konzentriert sich auf die erfolgversprechenden und –verheissenden Volksstücke –
und hat Erfolg damit.
Ensembleszene aus „Wätter über Obertal“

Schon immer wurde der
„Nachwuchs“ einbezogen (1984,
s’Hager-Rösi)
4. Akt: 1984 – 2009

Gegenüber der Anfangszeit hat sich das Alltagsleben total verändert. Auf dem Weg
zur Arbeit treffen sich die Spieler nicht mehr, jeder fährt mit seinem Auto: Die
Arbeitszeiten und die Wege haben sich auseinanderentwickelt. Es gibt extreme
Unterschiede zwischen jenen, die in der Gemeinde wohnen und arbeiten und den
Auswärtigen. Die Verkürzung der Arbeitszeit und die Verlängerung der
Wochenenden hat die verfügbare arbeitsfreie Zeit nicht nur vergrössert, sondern sehr
viel stärker der individuellen Nutzung verfügbar gemacht.

Zwischen den Einwohnern und den Mitgliedern gibt es immer weniger natürliche
Berührungspunkte. Das ist keine Schuld des einzelnen Menschen. Vielmehr handelt es
sich um eine allgemeine gesellschaftliche Entwicklung.

Auch künstlerisch kommt anfangs der 80er Jahre die Wende, Die TGO wird
moderner, experimenteller und für viele auch fortschrittlicher; man will auch die
Jugend als künftige Theaterbesucher interessieren. Oft wird, bevor ein Stoff szenisch
umgesetzt wird, ein sogenannter Hauskurs mit erfahrenen Theaterpädagogen
durchgeführt, bei welchem vor allem auch potentielle nee Spieler/Innen willkommen
sind. Im geselligen Gespräch und im Rahmen kleiner Improvisationen wird ein erster
Kontakt hergestellt. Natürlich hat die TGO den Ehrgeiz, möglichst talentierte Leute zu
finden – sollen doch die Aufführungen so professionell wie möglich werden.

Also: weg mit den Stoffen, die nicht mehr heutigen Problemstellungen entsprechen,
weg mit Verdingkindern, Erbschleichern, Brunnenvergiftern. Weg mit Heimatstück,
Donner und Blitz, weg auch mit billigem Schwank. Weg auch mit Bauernstuben, mit
Bergen und mit Alpenglühen, mit Guckkastenbühne und staubigen Vorhängen. Die
schweizerische Mundartdramatik geniesst nicht das allerbeste Image. Wenn sich die
Situation auch stark verbessert hat, kommt immer noch viel Ungeratenes auf die
Volksbühne.

Der Versuch, geeignete Stoffe der Weltliteratur, aber auch fremdsprachige Texte
verschiedener Kulturkreise – in Mundart übertragen – gelang. Der Zeitgeist ändert sich
ständig und die TGO will am Ball bleiben, nicht hinterherhinken. Man will aktuelle
Probleme der Gegenwart behandeln, aber ohne tierischen Ernst und ohne zu
schulmeistern, sondern immer dringt der leise Humor durch, der in verfahrenen
Situationen oft besser einen Ausweg zeigen kann als hochgestochene Theorien.
Lustig dürfen die Stücke sein, aber nicht blöd. „Spielt Stücke, in den en Ihr Menschen
auf die Bühne stellen könnt, nicht Zerrbilder“

Erfolge kann man immer dann feiern, wenn die Stücke eine Botschaft mitgeben und
nicht reine Schenkelklopferstücke sind. Billige Schwänke, aber auch Beschäftigung
mit sich selber kommen beim Entfelder Publikum nicht an.
Und bei allen ursprünglich fremdsprachigen Stücken: nur spielen, was dem Inhalt
nach auch auf schweizerischem Boden möglich ist!
Dass eine Abkehr vom früheren Erfolgsmodell auch zu Widerstand und zu Konflikten
geführt hat, liegt auf der Hand. Im Vorstand und der Spiko wurde mancher Strauss
ausgefochten. Es geht darum, die vielen Meinungen und verschiedenen Ansichten
unter einen Hut zu bringen – ein Kunststück, wie die Erfahrung zeigt.

Ausdruck unserer Kultur ist nicht nur das, was wir als Resultat vorzeigen, sondern auch
die Art, wie wir ein Resultat erreichen. Wenn es in den 100 Jahren je in der TGO
kriselte, dann waren es Erscheinungen wie Einseitigkeit, Intoleranz, Masslosigkeit, sture
Rechthaberei, die dazu führten.

Die Januar-Saison mit 10-12 Aufführungen etabliert sich. Anfangs Januar können die
Früchte der Probenarbeit – 100 – 150 Stunden dürften sie durchschnittlich in Anspruch
nehmen – dem gut gelaunten Publikum gezeigt werden. Ende Januar wissen wir, ob
die erstrebten über 4000 Zuschauer sich bezaubern liessen.

Etwas ist bei allem jedoch geblieben; nämlich unser Vereinszweck. Wir spielen nicht nur
Theater, sondern wir machen Theater, da wir alles versuchen selber herzustellen und zu
erarbeiten. Auch sind wir der Mundart treu geblieben. Nur das Angebot hat sich in den vielen
Jahren massiv erweitert; wir spielen heute "fast" alles; vom Schwank zum Lustspiel, vom
Volksstück zum Schauspiel, vom Drama zum Kriminalstück. Auch heute noch sind wir alles
Amateure und Idealisten, welche Freude und Spass haben an unserem tollen Hobby. Noch
heute investieren wir alle sehr viel von unserer Freizeit, um unserem treuen Publikum einige
schöne Stunden zu bereiten. Seit 8 Jahren verfügte die TGO im Behindertenwohnheim
über ein eigenes Probelokal, das auch als Werkstatt und Lagerraum dient und in
dem Akten und Requisiten untergebracht sind. In Fronarbeit wurde das Lokal, das
über zwei grosse Räume, eine Küche und Toiletten verfügt, eingerichtet. Es war ein
Highlight im letzten Akt unserer Geschichte, dass die TGO eigene Räumlichkeiten
erwarb. Wer kennt sie nicht, die Lokalitätsprobleme einer Theatergruppe. So ging es
auch der TGO nicht besser als manch anderem Verein: Sie suchten in dieser Zeit
verzweifelt ein Bühnenbau- und Probelokal. Verschiedentlich musste das ganze
Material gezügelt werden, weil in dieser Hinsicht noch kein ideales Lokal gefunden
werden konnte. Dann fand sich endlich die Lösung mit dem Untergeschoss im
Behindertenwohnheim, wo nun seit einigen Jahren ab August fleissig geübt und
gebaut wird. Jede Kulisse, die stolz im Januar gezeigt wird, wird von selber
angefertigt. Massenware kommt bei der TGO nicht in Frage. Dank einigen begabten
Mitgliedern und vielen Arbeitsstunden von allen ist seit vielen Jahren jedes
Bühnenbild komplett von der TGO selber entworfen, entwickelt und zum Leben
erweckt worden.

Mir persönlich gefällt die Bezeichnung „Amateur-Theater“ besser als „Laien-
Theater“.„Amateur“ kommt aus dem Französischen und bedeutet „Liebhaber“ im
Sinne von jemandem, der etwas gern, aus „Liebhaberei“, macht. Hingegen
bezeichnet der Ausdruck „Laie“ jemanden, der etwas nicht (gut) kann – und das
möchte ich in Bezug auf den Bereich des Theaters nicht gelten lassen! Wir haben es
hier mit dem weiten Feld der künstlerischen Kreativität zu tun – und wer möchte
behaupten, dass hier „Nicht-Könner“ am Werk sind?!
Bis zur Premiere und zum lang ersehnten Applaus vergehen für die TGO viele
Monate. Die meisten Hobby-Schauspieler haben nicht viel Freizeit, und die wenigen
Stunden, die sie für die Probenarbeit zur Verfügung haben, wollen gut genützt sein
im Sinne von Gemeinschaftspflege, Lernen und nicht zuletzt Spaß haben an einer
gemeinsamen Herausforderung!„Im Theater ist alles möglich, besonders das
Gegenteil. Das ist der Grund, warum das Theater so geliebt und gehasst wird. Es ist
in keine Ordnung zu bringen.“ Dieses Zitat von Peter Turrini bringt auf den Punkt,
was ich in vielen Jahren der Theaterarbeit erlebt habe.

Auch heute noch kämpfen wir mit denselben Problemen wie unsere Vorgänger
> zuwenig Mitglieder vor und hinter der Bühne
> zuwenig Passive und Gönner die uns finanziell unterstützen
> zuwenig Idealisten, welche voll und ganz für Ihren Verein da sind

Doch: aus der Tatsache, dass man im Jubiläumsjahr mit einem Shakespeare-Stück
aufwartet, zeigt, dass man an sich glaubt; es ist symptomatisch für die
Veränderungen, welche in den letzten 30 Jahren in der TGO stattgefunden haben:
der zeitlose Schwank, das Bauernstück, das Blut- und Boden-Drama wurden
abgelöst von Stücken, die auch in den Spielplänen professioneller Theater zu finden
sind. Wie wir aus der Entwicklung der TGO sehen, lässt sich Volkstheater nicht in
ein Korsett zwingen, sondern kann volkstümelnd wie kritisch, gegenwartsnah wie
verstaubt, feuchtfröhlich-pointenhaft wie ernsthaft-reflexiv sein. Es spielt heute in
einer hochtechnisierten und -industrialisierten Gesellschaft mit deren
Widersprüchen, Konflikten und Problemen. Es ist eine «sich wandelnde
Bewegung, die sich geänderten Gegebenheiten rasch anpassen kann. Vor
allem ist es keine einmal erreichte Form. [...] Dass Form und Inhalt permanent in
der Auseinandersetzung mit dem Publikum weiterentwickelt werden .» (Werner
Wüthrich, Berner Zeitung, 10.2.1984) ist auch für die TGO ein MUSS. Sie will
sich nicht wohlgefällig auf den Lorbeeren ausruhen. Auch unsere Generation hat
das zun tun, was unsere Vorgänger als gut befanden: Stets vorwärtsblicken,
niemals stille stehen und stets das Beste anstreben.
Das Haus in Montevideo

Marius

Buechhalter Nötzli
Collage über „alles uf Chrankeschyn“ 2004

1989 Gspässig Lüt
Anhang
Aufführungen seit Bestehen der Theatergesellschaft

1910     Heinrich an der Halde            1964       Der verschüttet Brunne

1911     Der Löwe von Luzern              1965       Der Hemmschue

1912     Der Meineidbauer                 1967       Heizue

1913     Berta Steiger                    1968       Burebluet

1914     Geierwally                       1969       Schatte überem Riedhof

1915     Die Blume von Granges d’Oex      1970       Anna die Magd

1916     Die Waise von Holligen           1971       S’Chorberliseli

1917     Der Goldbauer                    1972       Tüfelssaat

1918     Dorf und Stadt                   1974       Dr Schicksalshof

1919     Waldmarch                        1975       Erna vom Goldingerhof

1920     Pfeffer-Rösel                    1976       Wätter über Obertal

1921     Lonny die Heimatlose             1977       Aelplerchilbi

1922     Gemma von Arth                   1978       Die verlorne Johr

1923     Die Schenke zum grauen Wolf      1979       Johnny Belinda

1924     S’Nullerl                        1980       Vogel friss oder stirb

1925     Jenatsch und Lukretia            1981       Schirmflickers Sabine

1926     Aelpler-Chilbi                   1982       Dr Schmid vo Andermatt

1927     Die rot Schwyzeri                1983       Bewährig ufem Erlehof

1928     Menschenwege und                 1984       S’Hager Rösi
         Wasserwogen

1929     Der Verschollene                 1985       Opal

1930     D’Blüemlisalp                    1986       Kleider machen Leute

1931     Der Wasserhüter von St. Veit     1987       Ehestreik

1932     Geierwally                       1988       Schelmereie

1933     Fischertoni                      1989       Gschpässigi Lüüt

1934     Das Lawinendorf                  1990       Das Haus in Montevideo
1935   Der Ring von Hallwil         1991   Der Verrat von Novarra

1936   D’Waldmarch                  1992   Me läbt nur einisch

1937   Dr Adlerjäger vo Uri         1993   Zäh Tag Gratisferie

1939   S’Hürotsexame                1994   Pardong Herr Fürsteberg

1942   Tannflue                     1995   Arsen und Spitzenhäubchen

1943   Der Grenzweg                 1996   Feini Herrschafte

1949   Wildwasser                   1997   Marius

1950   Lonny die Heimatlose         1998   Buchhalter Nötzli

1951   Schratteflueh                1999   Verruckts Gäld

1952   Anna die Magd                2000   Spilet wyter

1953   E strubi Staatsvisite        2001   Liebi, Lust und Austere

1954   Falkentoni                   2002   Dr gsundi Chranki

1955   Der letzte Thorberger        2003   Alptroum-Villa

1956   Vogel friss oder stirb       2004   Alles uf Chrankeschyn

1957   Der Freischütz               2005   Grobe Unfueg

1958   Die Glocke von Plurs         2006   Verwandti sind ou Mönsche

1959   Madrisa                      2007   Kaktusblüte

1960   Erna vom Goldingerhof        2008   Der Butler und d’Elfe

1961   Of frömdem Hof               2009   Was ihr wollt

1962   Die Rose von Bergün

1963   Der Graf von Monte Christo
Präsidenten der Theatergesellschaft Oberentfelden

1909-1912           Hermann Haberstich, Notar       Gründungspräsident

1912-1916           Oskar Thut                      Später Regisseur

1916-1920           Gottlieb Suter

1920-1930           Otto Hunziker                   Zum ersten Mal

1930-1932           Walter Wacker

1932-1950           Otto Hunziker                   Zum 2. Mal, zugleich ab
                                                    1940 Regisseur

1950-1954           Hermann Thut

1954-1957           Otto Baumann                    Später Regisseur

1957-1963           Hermann Thut                    Vicepräs: Otto Baumann

1963-1166           Hanspeter Tanner

1966-1967           Ernst Klauenbösch               Vicepräs: Marcel Baumann

1968-1969           Willy Kyburz

1970-1971           Albert Suter

1971-1975           Heinz Senn

1975-1982           Albrecht Haldimann              Später Regisseur (1983-86,
                                                    2009)

1982-1986           Josef Badertscher

1986-1988           Franz Kissling                  Zum 1. Mal

1988-1995           Kurt Häfliger

1995-2001           Franz Kissling                  Zum 2. Mal

Seit 2001           Heidy Hunziker

Regisseure der Theatergesellschaft Oberentfelden

1909-1917           Jakob Neeser                    Lehrer in Oberentfelden

1918-1927           Louis Salzmann                  Fabrikant in Buchs
1928-1931   Oskar Thut                  Früher Präsident

1932-1939   Fritz Müller                Schöftland, zum 1. Mal

1940-1950   Otto Hunziker               Zugleich Präsident

1951-1953   Fritz Müller                Schöftland, zum 2. Mal

1954-1958   Hans Läuchli                Lehrer in Turgi

1959        Cäsar Jäggi, Villmergen

1960-1966   Otto Baumann                Früher Präsident

1967-1971   Charles Vultier             Basel, wichtige Person im
                                        ZSV

1972        Charles Vultier/Jean Senn

1974-1980   Jean Senn

1981        Jean Senn/Marcel Baumann

1982-84     Marcel Baumann

1985-87     Albrecht Haldimann

1988        Roger Steinmann

1989-1992   Sigi Blarer

1993-1997   Joe Stadelmann              Profi-Regisseur

1998-1999   Rico Spring                 Zum 1. Mal

2000        Hans Wälti

2001        Peter Beck                  Präsident des VAV

2002-2005   Rico Spring                 Zum 2. Mal

2006-2008   Gaby Regli-Notter

2009        Albrecht Haldimann          Zum 2. Mal
Ehrenmitglieder der TGO

Gottlieb Suter+           seit 1922
Oskar Thut +              seit 1922
Gottfried Walther+        seit 1931
Jakob Neeser+             seit 1931
Marie Bodmer+             seit 1937
Hans Haberstich+          seit 1937
Otto Hunziker+            seit 1937
Berta Hunziker+           seit 1951
Max Ammann+               seit 1951
Hermann Haberstich+       seit 1957
Adolf Suter+              seit 1957
Albert Suter+             seit 1957
Hans Suter                seit 1957
Robert Ritter+            seit 1959
Hans Kyburz+              seit 1961
Ruth Suter                seit 1961
Emil Suter+               seit 1961
Otto Baumann+             seit 1962
Jean Senn+                seit 1962
Ruth Senn+                seit 1964
Walter Senn+              seit 1964
Theres Zimmann+           seit 1964
Ella Frei                 seit 1964
Emma Wüthrich+            seit 1964
Otto Wüthrich+            seit 1964
Trudi Leardi+             seit 1964
Josef Leardi+             seit 1964
Heinz Senn+               seit 1964
Fritz Haberstich          seit 1978
Albrecht Haldimann        seit 1982
Krenn Eugen+              seit 1985
Yvonne Rodel-Wespi        seit 1987
Kurt Häfliger             seit 1988
Fritz Hunziker+           seit 1990
Sepp Badertscher          seit 1993
Madeleine Zürcher         seit 1995
Vreni Badertscher         seit 1996
Patrizia Hängärtner       seit 1997
Franz Kissling            seit 2001
Anne Helfrich             seit 2002
Rita Kissling             seit 2004
Irène Ziörjen             seit 2005
Ein Bilderbogen
1923 Gemma von Arth         1925 S’Nullerl

                            1970 Anna die Magd
1959 Madrisa

1992: Me läbt nur einisch
                            1996 Feini Herrschafte
Quellen:

- Protokollbücher aus dem Archiv der TGO 1902-2000

   -   Theaterplakate 1909 – 2000

   -   Diverse Fotoalben

   -   Interviews mit früheren Präsidenten

       Hanspeter Tanner (1963-1966)
       Albrecht „Braschi“ Haldimann (1975-1982)
       Kurt Häfliger (1988-1995)

   -   Volkstheater in der Schweiz und im Fürstentum Liechtenstein (Hsg
       Ernst Halter und Buschi Luginbühl)

   -   Jubiläumsschrift 75 Jahre TGO von Fritz Haberstich (1984)

   -   Eberle Oskar: Wege zum Schweizerischen Theater

   -   Stocker, Franz August: Das Volkstheater in der Schweiz

   -   Schweizerisches Theaterlexikon

   -   Chronologische Auswertung des Aargauer Tagblattes (Diese Zeitungsausschnitte
       stammen aus der Sammlung von Lehrer Karl Suter +, Oberentfelden und befinden sich auf CD
       im Gemeindearchiv Oberentfelden)

   -   Archiv der Aargauischen Kantonsbibliothek Aarau
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