100 Jahre Theatergesellschaft Oberentfelden
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100 Jahre Theatergesellschaft Oberentfelden Eine Chronik in 4 Akten von Beat Unternährer Liebe Freunde der Theatergesellschaft Oberentfelden, liebe Vereins-Kolleginnen und -Kollegen 100 Jahre Volkstheater in Oberentfelden! Einhundert Jahre sind vergangen, seit dem Tag, an dem jemand auf die Idee kam, aus einer Leidenschaft einen Verein zu gründen, Mitglieder zu werben und in Zukunft seine Freizeit dem Hobby zu widmen, dem auch wir uns verschrieben haben: dem Theaterspiel. 100 Jahre voll Arbeit, voller Sorgen, aber auch unendlich vieler Freuden. Jedes Mitglied hat in dieser langen Zeit dazu beigetragen, dass wir im Jahre 2009 dieses grossartige Jubiläum feiern dürfen. Jeder Vereins-Vorstand hat mit denselben Problemen zu kämpfen gehabt; - haben wir immer genug Mitglieder? - wird das ausgesuchte Theaterstück beim Publikum Anklang finden? - können wir mit unseren Finanzen unseren treuen Zuschauern das bieten, was sie von uns erwarten? Es ist immer auf eine Art und Weise ein Kampf gewesen und es wird auch in Zukunft immer ein Kampf sein. Zuerst wurde das Theater vom Kino verdrängt nachher vom Fernsehen, dann von den unendlichen Freizeit-Möglichkeiten, welche in der heutigen Zeit angeboten werden. Und trotzdem - es gibt sie immer noch, die Freunde des Theaters, besonders des Amateurtheaters! Auch uns, den Aktiven auf und hinter der Bühne hat es immer viel Freude bereitet, wenn wir nach langer Probenarbeit unseren Erfolg bestätigt wussten an den Aufführungen durch den Applaus des Publikums. Denn wer kennt diesen Satz nicht: - dem Amateurschauspieler seine Gage ist der Applaus des Zuschauers -! Ansonsten ist er reiner Idealist! In der vorliegenden Vereinschronik habe ich mich manchmal an diesen Satz erinnert, wenn ich in unserem Archiv nach Dokumenten, alten Bildern und Protokollen gesucht habe, bis ich den Werdegang unseres Vereines so vor mir liegen hatte, wie ich ihn hier präsentiere. Die interessanten Episoden habe ich in dieser Jubiläumsschrift niedergeschrieben. Diese Zeilen sollen all jenen gewidmet sein, welche sich für unseren Theaterverein mit ihrer Freizeit eingesetzt haben. 1909 – das Jahr, in welchem die Theatergesellschaft Oberentfelden gegründet wurde – liegt weit zurück, sehr weit sogar. So richtig merkt man das erst,
wenn man in der Chronik jenes Jahres blättert. Damals erhält der Berner Mediziner Theodor Kocher den Medizin-Nobelpreis, die Schweizerische Vereinigung für Frauenstimmrecht wird gegründet (NB: das Stimmrecht wird 1971 eingeführt!), erstmals gewinnt die Schweiz im Fussball gegen Deutschland (5:3). Louis Blériot fliegt als erster Mensch über den Aermelkanal, und Jungtürken unter Mustafa Kemal (später Kemal Atatürk) setzen in der Türkei den Sultan ab. Auch die Theatergesellschaft Oberentfelden musste ihren Weg zuerst suchen und ihre Ziele finden. Angefangen hat es – was uns heute eher fremd anmutet – mit historischen Stücken. 100 Jahre Vereinsgeschichte 1909 – 2009, ein Jahrhundert im Dienst des kulturellen Geschehens. Das ist sicher ein Grund zur Besinnung über Erfolg und Misserfolg. Wenn man Rückschau hält, so darf man heute feststellen, dass die TGO einen festen Platz im Oberentfelder Dorfleben hat und darüber hinaus überregionalen Erfolg erzielt. Da und dort feiern in diesen Jahren Gesellschaften und Vereine das hundertste Jahr ihres Bestehens, aber wenige können über eine so ununterbrochene, geordnete Tätigkeit zurückblicken wie die TGO. Es war zu den damaligen Zeiten schwer, mit den verfügbaren geringen finanziellen Mitteln die Weiterentwicklung eines relativ kostspieligen Vereins zu gestalten. Theaterspielen hat in Oberentfelden eine lange Tradition, wie überhaupt im Aargau. Bereits gegen Ende des 19. Jahrhunderts war der Aargau eine Hochburg des Volkstheaters. Allein in Aarau gab es 3 Vereine, in Zofingen sogar 4. Als Pionierin des abendfüllenden Theaters in unserem Dorfe darf der Grütliverein bezeichnet werden, der 1888 einen Theaterabend auf einer eigens konstruierten Bühne durchführte, die aber nach wenigen Jahren wieder verkauft wurde. 1909: Oberentfelden war ein Arbeiterdorf. Die Gemeinde zählte etwa 1600 Einwohner, vorwiegend Bauern, Fabrikarbeiter, Bürstenmacher etc. Die Löhne waren klein, die Arbeitstage lang. So verdienten z.B. Posamenter (Heimarbeiter in der Seiden- 300 – 400 Fr. jährlich bandindustrie) Maurer 400 Fr. jährlich Bürstenmacher 300 – 800 Fr. jährlich Fabrikarbeiter 500 – 800 Fr. jährlich Zimmermann 600 – 1000 Fr. jährlich Mechaniker 1000 – 1200 Fr. jährlich Arzt 5100 Fr. jährlich Fabrikant 3000 – 5000 Fr. jährlich Dieser Aufstellung muss man die Eventualverpflichtungen der Vereinsmitglieder gegenüberstellen. Die waren vergleichsweise hoch. Die Vereinsmitglieder hafteten jeder einzelne solidarisch bis Fr. 6,000.—und zeichneten auch – wie in späteren Jahren – Anteilscheine zur Deckung des Defizite4s. Der Mitgliederbeitrag war bei 30 Rappen im Monat
1. Akt: 1909 – 1934 Eigentlich ist die Theatergesellschaft Oberentfelden bereits 1902 gegründet worden, als einige Theaterbegeisterte den „dramatischen Verein“ aus der Taufe hoben. Mit 2 Stücken, jeweils über Silvester/Neujahr erfreute man die Zuschauer. „Der Bauernkönig“ von Alfred Huggenberger (handelte über den Bauerrnführer Niklaus Leuenberger) und mit „Kabale und Liebe“ von Friedrich Schiller. Beide Werke erforderten einen ungeheuren Einsatz und einen grossen Personenbestand. Nach diesem verheissungsvollen Anfangsaufschwung begannen jedoch bald kleinliche Zänkereien. Den Protokollen kann man viele Diskussionen um das Vorgehen gegen zahlreiche Mitglieder entnehmen, sodass die Initiative nach 2 Jahren bereits scheiterte. Mit Kabale und Liebe verstummte das Oberentfelder Theater für beinahe 4 Jahre. Wir kennen die Ursache nicht genau, möglicherweise wirkten mehrere zusammen. Vielleicht mangelte es an initiativen Personen, doch können auch Unstimmigkeiten in der
Theatergesellschaft und in politischen Angelegenheiten mitgewirkt haben. Es fehlte auch an geeigneten Theaterräumlichkeiten, um gewisse Stücke aufführen zu können. Zum Gründungsjahr 1909 schreibt Fritz Haberstich in seiner Chronik zum 75jährigen Bestehen der TGO 1984: Eine neue Turnhalle war erstellt worden. Vom ehemals gegründeten „Dramatischen Club“ gabs nun wiederum einige, die es nicht lassen konnten. Wie mit magischen Kräften wurden sie auf das Podium der neuen Turnhalle gezogen. Ende Oktober war das Stück, das über die Neujahrstage über die Bretter sollte, ausgewählt. Als etwas Unmögliches würden wir es heute bezeichnen, wenn man die zu bewältigenden Arbeiten in Betracht zieht. Das Theaterstück „Heinrich an der Halden“ in fünf Aufzügen mit einer Besetzung von 65 Mitwirkenden musste inszeniert werden. Die Bühne, die ja nur aus einem Podium bestand, musste mit einem Schnürboden zur Befestigung der Szenerien bestückt werden. Die Bühnenbeleuchtung sollte installiert, ein Vorhang montiert, Szenerien erstellt und gemalt, schwarze Tuchabdeckungen an die Hallenfenster angebracht, eine Holz- Kohlen-Heizung betriebsbereit aufgestellt, die Garderobe im Schulhaus eingerichtet, etc., etc. werden. Und das alles in nur zwei Monaten. Die Spielzeit in den Wintermonaten verweist auf den bäuerlichen Traditionsstrang des Volkstheaters: Erst wenn die Ernte eingebracht war, konnte man an den aufwendigen Zeitvertreib denken. Aber zuerst musste ja die Gesellschaft gegründet werden, das geschah am 15.9.1909 Ein Vorstand wurde gewählt: Präsident: H. Haberstich, Notar Vizepräsident: Emil Büchler/Oskar Thut Aktuar: Gottlieb Suter Kassier Anton Bröndle Materialverwalter: Gottfried Kyburz Am 31.10. wurden die Statuten genehmigt und beschlossen, „Heinrich an der Halden“ über die Neujahrstage aufzuführen. Dem Verfasser des Aufführungsstückes, Herrn Lehrer Wunderlin, wird eine Gratifikation von Fr. 50.— zugesprochen. Männliche Spieler sollen eine Flasche (7/10 Lit) Wein, weibl. Spieler 3/10 Lit Wein erhalten, nebst Wurst und Brot. Die Theatergesellschaft war auf eigene Rechnung für die Bühneneinrichtung, die auch die Beleuchtung, den Vorhang, Hintergrundkulissen (Horizont) etc umfasste verantwortlich. Ausserdem zahlte sie aus eigenen Mitteln eine Grosszahl der benötigten Stühle. Am Anfang wurden sie angemietet (Protokollnotiz: Stuhllieferanten 319 Stück [aus Gais, Café Bank, Engel etc.], später angeschafft, hälftig durch die Theatergesellschaft bezahlt, hälftig durch die Gemeinde.
Kritik im Aargauer Tagblatt: „Wenn ein Verein von Dilettanten es unternimmt, ein Werk von so eminenter Schönheit zur Aufführung zu bringen, wenn er ferner seine Aufgabe in so glänzender Weise löst, wie es bei „Heinrich an der Halde“ geschehen ist, wenn er
es dazu bringt, dass der Zuhörer sich über die kleinen Kalamitäten, welche dem Dilettanten anhaften, hinwegsetzt, und vom Gehalte überwältigt, im Genusse schwelgt, gebührt ihm hier öffentlicher Dank….“ Es folgten weitere, vornehmlich historische Stücke, 1911 Der Löwe von Luzern Nach einem 5bändigen Werk von Philipp Galen, übertragen von Hartmann von Baldegg Ein Stück, das fast bei allen grossen Theatergesellschaften gegeben wurde In jeder Beziehung sehr aufwendig, eine riesige Personal- und Materialschlacht Defizit Fr. 415.35 Das Aargauer Tagblatt schrieb dazu: Der Meineidbauer ist eines der beliebtesten oberbayrischen Volksstücke, dessen sentimentale Rührseligkeiten ihre Wirkung auf die Massen nie verfehlen. Die Zwischenaktmusik besorgt ein Orchester, das seine einfachen Sachen recht hübsch spielen würde, wenn es mehr auf Reinheit und saubere Tongebung hielte
Alles Stücke, die damals in Hochdeutsch, bzw Schriftdeutsch gegeben wurden, sehr lang waren und hohen Personal- und Requisitenaufwand erforderten und nur denkbar waren bei totalem Einsatz aller Beteiligten während ca 2 Monaten, denn die Stücke übte man innerhalb von 2 Monaten ein. Während mit dem Ersten Weltkrieg die Zuwanderung aus Deutschland natürlicherweise rückläufig wir d und damit die eigene Sprache, der Dialekt ins Zentrum rückt, löst kurze Zeit später die Hitler - Zeit eine offene Aversion gegen die Hochsprache aus. In den Anfängen begnügte man sich jeweils mit einigen wenigen Aufführungen, war in der Stückwahl auf Empfehlungen aus andern Gesellschaften angewiesen, übte „nur“ 2 Monate, folgte oder hinkte der Mode hintennach, wagte aber auch Uraufführungen. Heute sind mind. 12 gut besuchte Aufführungen nötig, um die Unkosten zu decken, 4 – 5 Monate wird intensiv geprobt. Der zeitliche Rhythmus verlief bei den meisten Mitgliedern, die alle aus Ober - oder Unterentfelden stammten, auf die gleiche Weise. Es war verhältnismässig einfach, die Mitglieder, die man für bestimmte Aufgaben brauchte, unter einen Hut zu bringen, sei es in der Woche am Abend oder an den kurzen Wochenenden. Von Samstagmittag an waren die Leute ansprechbar und machten mit. Man traf sich auch informell öfter auf der Strasse oder auf dem Weg zur Arbeit. Man wusste mehr voneinander als heute und wichtige Info rmationen wurden ebenfalls auf diesem Wege ständig transportiert. Schon damals wurde versucht, eine Antwort zu finden auf die Frage: Was ist Volkstheater? Doch so wie sich das Volk ändert, in seiner Zusammensetzung, in seinen ideologischen Perspektiven, in seinen Idealvorstellungen und seinem Reflexionsvermögen, so ändert sich auch der Begriff. Dass sich der Begriff im Verlaufe dieser 100 Jahre wandelte, soll hier aufgezeigt werden, weil sich dahinter die gesellschaftliche Zuschreibung an eine Kultur äuss ert. 1884 wird als Ziel der schweizerischen gemeinnützigen Gesellschaft festgehalten, dass das Volkstheater ein integrierender Teil des Volksfestes bilde. Gut geleitetes Volkstheater sei ein wesentlicher Faktor, die Landesgeschichte, die Helden des Volkes und die Eigentümlichkeiten des Volkslebens dramatisch darzustellen und damit den nationalen Sinn zu stärken und der kulturellen Verkümmerung zu entgehen (Erholung des fabrikmüden Körpers, aber auch Volksbildung und Unterhaltung der arbeitenden Klasse; Theater helfe, schlechte Neigungen zu unterdrücken). Die Sehnsucht des Menschen nach dem Spiel mit Rollen, Verkleidungen und Masken wird gestillt vom sinn- und identitätsstiftenden Volkstheater. Es zwingt, das Einheimische, die Heimat, die eigene Kultur wahr zunehmen und zu pflegen.
Volkstheater kann die Augen öffnen für die Landschaft, die Ohren für das Wort und die Sinne für das Emotionale. Wenn man Spielende nach ihrer Motivation fragt, fallen stets ähnliche Antworten: eine Erfahrung, eine Öffnung des eigenen Lebens... eine Herausforderung an sich selbst... die Möglichkeit einer kreativ - kulturellen Freizeitbeschäftigung... als Äquivalent zum Berufsalltag, damit nicht nur Kopf oder Beine gefordert werden, sondern der ganze Mensch... aus Freude an der Verwandlung... aus Exhibitionismus... Spiel als Therapie gegen Angst... das Erleben von Gemeinschaft... weil es als Lohn nur den Applaus gibt... Einige Müsterli aus dieser Zeit: Da man sich an den Kosten der Theaterstühle beteiligte, war oft eine Intervention beim Gemeinderat bezüglich Qualität nötig. Auch war es zu dieser Zeit nicht selbstverständlich, dass genügend Elektrizität vorhanden war, weshalb man sich auch frühzeitig versicherte: Brief vom 18. Dezember 1926 an die Direktion des Elektr. Werkes der Stadt Aarau: "Wir teilen Ihnen mit, dass unsere Aufführungen sich auf die folgenden Tage erstrecken:
2., 3., 10., 17., 24. und 31. Januar 1926, Beginn je nachmittags ca. 2 Uhr. Wir sind natürlich von der Zufuhr der elektr. Energie abhängig und bitten deshalb, darauf zu halten, dass an den gen. Tagen keine Unterbrüche stattfinden. Hochachtungsvoll: Theatergesellschaft Oberentfelden Neben dem Saisonstück wurde ab 1920 auch immer ein Zwischensaisonstück einstudiert und im Sommer zur Aufführung gebracht, oft auch zum 1. August. Dabei waren auch Schwierigkeiten zu überwinden. Theateraufführungen wurden zur damaligen Zeit als Volksbelustigung betrachtet. Die reformierte Synode des Kantons Aargau warnte 1921 in einem Kreisschreiben an alle reformierten Einwohner: Fazit: „Die Zahl der Anlässe ist zu gross geworden, sie erfordern zuviel Arbeit, Zeit und Geld, ihr Gehalt ist nicht durchwegs so, dass unsere Gesundheit dadurch gefördert wird.“ Neben dem eigentlichen Theaterspielen war die Theaterreise die wichtigste Veranstaltung im Vereinsjahr. Betrachtet man die Korrespondenzen, überwogen sie in Art und Umfang oft den Briefwechsel für die eigentliche Theaterarbeit. Wer nicht an der Reise teilnehmen konnte, bekam eine Entschädigung aus der Kasse in der Höhe des Reisepreises.
Brief vom 18. Februar 1926 vom Grand-Hotel & Kurhaus Griesalp an die Theatergesellschaft Oberentfelden, betr. des Ausfluges: "Im Besitze Jhrer Zuschrift vom 17ten, erhalten Sie beigeschlossen einige unserer Prospekte. Wir können Jhnen das gewünschte, Nachtessen, bestehend aus Suppe, Fleisch gut garniert und Dessert zu Frs. 3.50, Nachtlager in Betten, (Zimmer zu zwei und einem Bett,) auch zu Frs. 3.50, und Frühstück, bestehend aus Milchkaffee, Brot, Butter und Confiture, zu Frs. 1.50 pro Person liefern. Heulager haben wir nicht, und möchten wir Jhnen raten, mit dem Ausfluge nicht zu lange zu warten, da das Wetter meistens Anfang Juli oder Ende Juni besser ist, als im August, und in den Hotels auch mehr Platz. Wagen ab Reichenbach kämen wahrscheinlich zu teuer, da der Zweispänner für 4 Personen auf 40 Frs. kommt, doch würden wir Jhnen selbstverständlich welche verschaffen, wenn Sie es wünschten. Mit vorzüglicher Hochachtung Grand-Hotel & Kurhaus Griesalp" Auch in den dreissiger Jahren waren die Kosten für Tranksame nicht allzu hoch:
2. Akt: 1934 – 1959 Der Bestand und Weiterbestand eines Theatervereins wie der TGO ist keineswegs eine Selbstverständlichkeit. Nerv und Lebenselixier der Theatergesellschaft waren immer der nötiger und unabdingbare Wille einzelner, der Drang einiger „Angefressener“, Theater machen zu müssen, die bedingungslose Hingabe jedes einzelnen an ein gemeinsames Ziel, mit der Investition von Zeit und nochmals Zeit, von Ideen, persönlichem Können auf technischem, künstlerischem, organisatorischem Gebiet. Eine starke Figur in dieser Zeit war Otto Hunziker-Walther, Prokurist in der Bürstenfabrik Walther, während 28 Jahren Präsident und Regisseur. Als gute Spielerin und weibliche Hauptrollenträgerin sah man seine spätere Gattin, Bertha Hunziker-Walther. Die Kulissen bezog man vom Bühnenbau Weesen, der komplette Theaterbühnen lieferte, meist zwischen 5 – 800 Franken. Später war Ad. Engel, Theatermaler, Seengen ein wichtiger Konkurrent. Er lieferte viele Bühnenbilder nach Oberentfelden. Weil die Stücke oft auch andernorts gegeben wurden, konnten die Kulissen meistens vermietet oder gar verkauft werden. 1943 spielte man „Grenzweg“ von Heinz Küenzi. Wie so oft hat man in Oberentfelden die Stücke in Zusammenarbeit mit dem Autor auf eigene Bedürfnisse zugeschnitten. Die Autoren, wie eben H. Küenzi, K. Grunder, J. Muff, Cäsar von Arx, G. v. Planta waren in der Regel bereit, auf die Oberentfelder Wünsche einzugehen und die Stücke zu bearbeiten. Eine reichhaltige Korrespondenz aus dieser Zeit zeugt von engem Autorenkontakt. Meist waren die Autoren auch an Proben und an der Premiere dabei. So schrieb H. Küenzi nach der Premiere des Grenzweg einen langen Brief, der in der Aussage gipfelte: „„Mir selber ist es sonnenklar, dass ich den Grenzweg nirgends mehr anschauen werde. Ich möchte von ihm den Eindruck behalten, den Sie und Ihre bewährte Schar mir vermittelt haben.“
Wir waren in der Zeit der geistigen Landesverteidigung, vor und während des Krieges. Je nach Zeitgeist – hier ein paar Beispiele geistiger Landesverteidigung aus dem Umkreis der Landesausstellung 1939, anlässlich der das Volkstheater wie nie zuvor oder auch danach in den Zeitungen thematisiert und popularisiert wurde – färben sich die Intentionen: «Der Weg des schweizerischen Vo lkstheaters soll wegführen von jeder nachlässigen Einstellung, soll von der Unkultur zur Kultur führen..., vom Willen zur Veredelung und Vertiefung.» (Hb., SMP, 20.5.1941) «In weitaus stärkerem Maße als irgendeine andere Kunstgattung ist das Theater dazu berufen, das Gefühl unmittelbaren Verbundenseins von Spielern und Zuschauern, von Spielewelt und Tagwelt zu verwirklichen. ...das Gemeinschaftserlebnis aus der künstlerischen Stoffgestaltung heraus wachrufen...» (O.B., Solothurner Zeitung, 8.5.1939). Der Heimatschutz sieht neben seinen grossen Aufgaben des planvollen Bauens sein Ziel auch darin, «alle
Bestrebungen, die den Heimatsinn fördern (Mundart, Trachten, Singen, literarisches Schaffen), zu unterstützen, und dazu gehört auch das Volkstheater». (Berner Heimatschutz, Der Bund, 20.10.1943) Auch wenn als Charakteristikum des Volkstheaters vielfach bloss die Unterhaltungsstätte «ohne weltanschauliche Verankerung» (M.A., Luzerner Tagblatt, 6.2.1943) gesehen wird, trägt wahres Volkstheater bei «zur entscheidenden Leistung des Menschen in allen Zeiten und in jedem Kulturkreis: es hilft die Welt verbessern, die ewig zu verbessern bleibt.» (Walter Lesch, Der Bund, 13.3.1941). Oder man sieht «in der Einheit zwischen Spieler und Zuschauer ein wesentliches Kennzeichen des echten Theaters; der Zuschauer erfährt durch den Spieler eine innere Erhebung und Auflockerung und der Spieler fühlt sich vom Zuschauer her angefeuert, zu hohen Leistungen angespornt. Durch diese Wechselwirkung ist jede Theateraufführung ... etwas Le bendiges, Einmaliges. Das echte Spiel auf der Bühne besteht in der Darstellung sinnvollen Lebens, der Beziehungen zwischen den Menschen....» (M.A., Luzerner Tagblatt, 6.2.1943). Oder an anderer Stelle: «Wenn man Unterhaltung nicht als bloße Zer-Streuung, Ab-Lenkung von den Lebensnöten versteht, sondern als ein Atemholen zu neuer Tatkraft, als ein Freudeschöpfen, dann wird auch die von uns geforderte Unterhaltung sehr wohl zu einer Lebenshilfe. Denn die Freude und das Lachen sind starke und unentbehrliche Lebenskräfte. Auch sie sind Helfer auf dem Wege zur Klarheit und Befreiung.» (M. Gridazzi, Volksrecht Zürich, 22.12.1943). Während die Ruinen Europas von Schutt und Asche befreit werden, besinnt man sich des Theaters als kollektive Bewältigungsformel: «Und darum gehört auch auf die Volksbühne die dramatische Veranschaulichung dieser Auseinandersetzung [zwischen Leben und Tod, Schuld und Sühne], die jeder mit sich jahraus, jahrein auszufechten hat, oft in örtlicher und sozialer Abgeschlossenheit, weshalb das Theater (neben der Kirche) die Aufgabe hat, dem einzelnen die kollektive Empfindung und das gemeinsame Tragen von Schicksalsschlägen zu vermitteln.» (-lf, Der Bund, 11.10.1945). Dass die Veranstaltungen von den Mitgliedern der TGO ein Mass an Engagement und Konzentration erfordert, das weit über das Uebliche des alljährlichen Vereinslebens hinausgeht, scheint niemanden zu stören, im Gegenteil. Mit fiebrigem Eifer wird geprobt, diskutiert, organisiert und delegiert. Man kennt sich gut, kommen doch alle aus En tfelden, machen auch in andern Vereinen mit, sind stark im Dorfleben verwurzelt. Zwanzig bis dreissig Leute bilden den „harten Kern“ der Theatergesellschaft. Sie treffen sich auch ausserhalb der Theatersaison regelmässig – bilden einen Verein mit der dazugehörigen Gesellschaftskultur, die auf ganzjährigen Betrieb ausgerichtet ist.
1937 wird der „Adlerjäger vo Uri“ gegeben, ein Tellenstück
Nicht nur Kulissen, nein auch Requisiten wurden ausgeliehen, wie hier Pfeil und Apfel für den Tellenschuss Schönenwerderkinder dürfen der Kindervorstellung des Adlerjägers nicht beiwohnen In diese Zeit fällt auch die einzige grosse Krise der TGO. Natürlich gab es auch in andern Perioden Schwierigkeiten; sie wurden in der Regel gelöst, indem einzelne Protagonisten den Verein verliessen. Die Krise der Kriegsjahre war aber tiefergehend. Es fand ein Generationenwechsel statt. Aktive Spieler waren ständig im Militärdienst. Schon vorher war die große Lust und Energie der vergangenen Jahre, speziell die, welche in den Gründerjahren herrschte, etwas verloren gegangen. Mitglieder kamen und gingen, mit ihnen die Ideen und Freuden am Theaterspielen. Irgendwann und irgendwie werden alle einmal älter, Dinge die man früher noch toll und spannend fand verloren ihren Reiz. Andere Reize erhöhen ihre Priorität. "Das entscheidende an ehrenamtlicher Arbeit ist der Spassfaktor, und genau er hatte merklich gelitten". Somit war das Organisieren mehr zur Last als zur Lust verkommen. Auch ein sehr schöner Aspekt der Vereinsarbeit, die Dankbarkeit des Publikum blieb aus, weil nicht gespielt werden konnte. So brauchte es einen erneuten Anlauf, prakt. eine Neugründung, um 1949 nach 6jährigem Spielunterbruch wieder aktiv zu werden. §949 nahm man das aktive Vereinsleben wieder mit einem Stück von H. Küenzi auf, mit „Wildwasser“, bei dem man die Aarau-Schöftland-Bahn sogar um eine Abänderung des Fahrplans bitten musste: “Brief vom 4. Februar 1949 an die Direktion der Aarau-Schöftland-Bahn:
"Wir stehen gegenwärtig mitten in unseren Winterspielen. Neben dem Zustrom der Bevölkerung aus der engeren Umgebung, erfreuen wir uns auch des Besuches auswärtiger Gäste, vor allem aus dem obern Suhrental. Wir sind verschiedentlich angefragt worden, ob nach unserer Abendaufführung vom kommenden Samstag, den 5. Februar 1949 an Ihren Zug Nr. 28, Oberentfelden ab 22.43 h, der Anschluss gewährleistet sei. Da die zur Verfügung stehenden Minu- ten, trotz guter Zeiteinteilung unsererseits, knapp sein dürften, ersuchen wir Sie, Ihren Zug Nr. 28 in Oberentfelden erst um 22.50 h wegfahren zu lassen, um dadurch den Suhrentalern den Besuch unseres Spieles zu ermöglichen. Ihrem zustimmenden Bericht sehen wir gerne entgegen und grüssen mit vorzüglicher Hochachtung Theatergesellschaft Oberentfelden" Brief vom 4. Februar 1949 von der Direktion der Aarau-SchöftlandBahn an die Theatergesellschaft Oberentfelden: "Sehr geehrte Herren Wir danken Ihnen für Ihr Schreiben vom 2. Februar 1949 und sind gerne bereit, unseren Zug Nr. 28 am kommenden Samstag, den 5. Februar 1949 in Oberentfelden erst um 22.50 Uhr abfahren zu lassen. Wir hoffen, Ihnen damit einen Dienst erwiesen zu haben und grüssen Sie freundlichst Aarau-Schöftland-Bahn Der Direktor: sig. Diem" Wie sehr die Schulpflege sich noch um das Wohl der Kinder auch in der Freizeit kümmerte, zeigt ein Brief aus dem Jahre 1950, in welchem sie es ablehnt, dass Schulkinder an der Kindervorstellung von Lonny die Heimatlose teilnehmen:
Akt: 1959 – 1984 Auch in der Nachkriegszeit wird das gemeinsame Tun gegen das Ökonomiestreben der Hochkonjunktur abgewogen: «Gerade dem Volkstheater und seiner erzieherischen Wirkung komme für die Eidgenossenschaft die allergrößte Bedeutung zu ... und [es] erfülle damit eine wichtige kulturelle Mission. Dem Laienspieler vermittle das Volkstheater das einzigartige Erlebnis des Wirkens in einer großen Ordnung. Gerade heute, da unser Volk vor der Gefahr steht, zu ‹verwirtschaften›, das heißt, in jenen Leerlauf zu geraten, der die innere Stimme erstickt, komme dem Laientheater als Gegengewicht eine entscheidende Bedeutung zu.» (be, Tages-Anzeiger Zürich, 12.9.1956) Wir befinden uns in der eigentlichen Hochblütezeit der TGO; die Theatergesellschaft wird weit über die regionalen Grenzen hinaus bekannt, Der Stellenwert des Amateurtheaters ist im Raum Aarau jedoch weniger hoch, als etwa in Obwalden, Schwyz oder im Emmental, weshalb man auch immer wieder die Fühler in diese Gegenden ausstreckt. Kopf und Herz sind in dieser Zeit Namen wie Jean und Heinz Senn, Trudi Leardi, Otto Baumann, Marcel Baumann, Hanspeter Tanner, Theres und Emil Zimmann, Charles Vultier u.a. Die TGO übertrifft das übliche Niveau von Theatervereinen bei weitem. Ab den sechziger Jahren wird ausschliesslich die Mundartdramatik gefördert. Daneben spielt mit dem Orchesterverein bis in den Siebziger Jahren ein Theaterorchester unter der Leitung von Lukas Boner, in den 70er Jahren vereinzelt der Handharmonika-Club unter der Leitung von Frau Stebler. Ausserdem wird in den Stücken immer gesungen. Die Lehrer Fritz Hunziker und Emil Künzli proben jeweils die Lieder ein. In dieser Zeit kommt das Fernsehen auf. Nur was von einem breiten Publikum akzeptiert wird, hat Daseinsberechtigung. Das Theater ziehe immer weniger Publikum an und sei drum dem Untergang geweiht, sagen die Pessimisten. Man prognostizierte schon ein Debakel, als in den Dreissiger Jahren der Film aufkam. Doch im Gegensatz zum global ausgerichteten Kino und Fernsehen setzt das Theater auf regionalen und überregionalen Dialog. Theater ist eine Beziehung, kein Produkt. Nicht die Technik, sondern die körperliche Präsenz des Menschen steht im Zentrum. Laienbühnen übernehmen da und dort die kulturelle Grundversorgung oder sie besetzen die von den subventionierten Theatern vernachlässigte Nischen. Die TGO konzentriert sich auf die erfolgversprechenden und –verheissenden Volksstücke – und hat Erfolg damit.
Ensembleszene aus „Wätter über Obertal“ Schon immer wurde der „Nachwuchs“ einbezogen (1984, s’Hager-Rösi)
4. Akt: 1984 – 2009 Gegenüber der Anfangszeit hat sich das Alltagsleben total verändert. Auf dem Weg zur Arbeit treffen sich die Spieler nicht mehr, jeder fährt mit seinem Auto: Die Arbeitszeiten und die Wege haben sich auseinanderentwickelt. Es gibt extreme Unterschiede zwischen jenen, die in der Gemeinde wohnen und arbeiten und den Auswärtigen. Die Verkürzung der Arbeitszeit und die Verlängerung der Wochenenden hat die verfügbare arbeitsfreie Zeit nicht nur vergrössert, sondern sehr viel stärker der individuellen Nutzung verfügbar gemacht. Zwischen den Einwohnern und den Mitgliedern gibt es immer weniger natürliche Berührungspunkte. Das ist keine Schuld des einzelnen Menschen. Vielmehr handelt es sich um eine allgemeine gesellschaftliche Entwicklung. Auch künstlerisch kommt anfangs der 80er Jahre die Wende, Die TGO wird moderner, experimenteller und für viele auch fortschrittlicher; man will auch die Jugend als künftige Theaterbesucher interessieren. Oft wird, bevor ein Stoff szenisch umgesetzt wird, ein sogenannter Hauskurs mit erfahrenen Theaterpädagogen durchgeführt, bei welchem vor allem auch potentielle nee Spieler/Innen willkommen sind. Im geselligen Gespräch und im Rahmen kleiner Improvisationen wird ein erster Kontakt hergestellt. Natürlich hat die TGO den Ehrgeiz, möglichst talentierte Leute zu finden – sollen doch die Aufführungen so professionell wie möglich werden. Also: weg mit den Stoffen, die nicht mehr heutigen Problemstellungen entsprechen, weg mit Verdingkindern, Erbschleichern, Brunnenvergiftern. Weg mit Heimatstück, Donner und Blitz, weg auch mit billigem Schwank. Weg auch mit Bauernstuben, mit Bergen und mit Alpenglühen, mit Guckkastenbühne und staubigen Vorhängen. Die schweizerische Mundartdramatik geniesst nicht das allerbeste Image. Wenn sich die Situation auch stark verbessert hat, kommt immer noch viel Ungeratenes auf die Volksbühne. Der Versuch, geeignete Stoffe der Weltliteratur, aber auch fremdsprachige Texte verschiedener Kulturkreise – in Mundart übertragen – gelang. Der Zeitgeist ändert sich ständig und die TGO will am Ball bleiben, nicht hinterherhinken. Man will aktuelle Probleme der Gegenwart behandeln, aber ohne tierischen Ernst und ohne zu schulmeistern, sondern immer dringt der leise Humor durch, der in verfahrenen Situationen oft besser einen Ausweg zeigen kann als hochgestochene Theorien. Lustig dürfen die Stücke sein, aber nicht blöd. „Spielt Stücke, in den en Ihr Menschen auf die Bühne stellen könnt, nicht Zerrbilder“ Erfolge kann man immer dann feiern, wenn die Stücke eine Botschaft mitgeben und nicht reine Schenkelklopferstücke sind. Billige Schwänke, aber auch Beschäftigung mit sich selber kommen beim Entfelder Publikum nicht an. Und bei allen ursprünglich fremdsprachigen Stücken: nur spielen, was dem Inhalt nach auch auf schweizerischem Boden möglich ist!
Dass eine Abkehr vom früheren Erfolgsmodell auch zu Widerstand und zu Konflikten geführt hat, liegt auf der Hand. Im Vorstand und der Spiko wurde mancher Strauss ausgefochten. Es geht darum, die vielen Meinungen und verschiedenen Ansichten unter einen Hut zu bringen – ein Kunststück, wie die Erfahrung zeigt. Ausdruck unserer Kultur ist nicht nur das, was wir als Resultat vorzeigen, sondern auch die Art, wie wir ein Resultat erreichen. Wenn es in den 100 Jahren je in der TGO kriselte, dann waren es Erscheinungen wie Einseitigkeit, Intoleranz, Masslosigkeit, sture Rechthaberei, die dazu führten. Die Januar-Saison mit 10-12 Aufführungen etabliert sich. Anfangs Januar können die Früchte der Probenarbeit – 100 – 150 Stunden dürften sie durchschnittlich in Anspruch nehmen – dem gut gelaunten Publikum gezeigt werden. Ende Januar wissen wir, ob die erstrebten über 4000 Zuschauer sich bezaubern liessen. Etwas ist bei allem jedoch geblieben; nämlich unser Vereinszweck. Wir spielen nicht nur Theater, sondern wir machen Theater, da wir alles versuchen selber herzustellen und zu erarbeiten. Auch sind wir der Mundart treu geblieben. Nur das Angebot hat sich in den vielen Jahren massiv erweitert; wir spielen heute "fast" alles; vom Schwank zum Lustspiel, vom Volksstück zum Schauspiel, vom Drama zum Kriminalstück. Auch heute noch sind wir alles Amateure und Idealisten, welche Freude und Spass haben an unserem tollen Hobby. Noch heute investieren wir alle sehr viel von unserer Freizeit, um unserem treuen Publikum einige schöne Stunden zu bereiten. Seit 8 Jahren verfügte die TGO im Behindertenwohnheim über ein eigenes Probelokal, das auch als Werkstatt und Lagerraum dient und in dem Akten und Requisiten untergebracht sind. In Fronarbeit wurde das Lokal, das über zwei grosse Räume, eine Küche und Toiletten verfügt, eingerichtet. Es war ein Highlight im letzten Akt unserer Geschichte, dass die TGO eigene Räumlichkeiten erwarb. Wer kennt sie nicht, die Lokalitätsprobleme einer Theatergruppe. So ging es auch der TGO nicht besser als manch anderem Verein: Sie suchten in dieser Zeit verzweifelt ein Bühnenbau- und Probelokal. Verschiedentlich musste das ganze Material gezügelt werden, weil in dieser Hinsicht noch kein ideales Lokal gefunden werden konnte. Dann fand sich endlich die Lösung mit dem Untergeschoss im Behindertenwohnheim, wo nun seit einigen Jahren ab August fleissig geübt und gebaut wird. Jede Kulisse, die stolz im Januar gezeigt wird, wird von selber angefertigt. Massenware kommt bei der TGO nicht in Frage. Dank einigen begabten Mitgliedern und vielen Arbeitsstunden von allen ist seit vielen Jahren jedes Bühnenbild komplett von der TGO selber entworfen, entwickelt und zum Leben erweckt worden. Mir persönlich gefällt die Bezeichnung „Amateur-Theater“ besser als „Laien- Theater“.„Amateur“ kommt aus dem Französischen und bedeutet „Liebhaber“ im Sinne von jemandem, der etwas gern, aus „Liebhaberei“, macht. Hingegen bezeichnet der Ausdruck „Laie“ jemanden, der etwas nicht (gut) kann – und das möchte ich in Bezug auf den Bereich des Theaters nicht gelten lassen! Wir haben es
hier mit dem weiten Feld der künstlerischen Kreativität zu tun – und wer möchte behaupten, dass hier „Nicht-Könner“ am Werk sind?! Bis zur Premiere und zum lang ersehnten Applaus vergehen für die TGO viele Monate. Die meisten Hobby-Schauspieler haben nicht viel Freizeit, und die wenigen Stunden, die sie für die Probenarbeit zur Verfügung haben, wollen gut genützt sein im Sinne von Gemeinschaftspflege, Lernen und nicht zuletzt Spaß haben an einer gemeinsamen Herausforderung!„Im Theater ist alles möglich, besonders das Gegenteil. Das ist der Grund, warum das Theater so geliebt und gehasst wird. Es ist in keine Ordnung zu bringen.“ Dieses Zitat von Peter Turrini bringt auf den Punkt, was ich in vielen Jahren der Theaterarbeit erlebt habe. Auch heute noch kämpfen wir mit denselben Problemen wie unsere Vorgänger > zuwenig Mitglieder vor und hinter der Bühne > zuwenig Passive und Gönner die uns finanziell unterstützen > zuwenig Idealisten, welche voll und ganz für Ihren Verein da sind Doch: aus der Tatsache, dass man im Jubiläumsjahr mit einem Shakespeare-Stück aufwartet, zeigt, dass man an sich glaubt; es ist symptomatisch für die Veränderungen, welche in den letzten 30 Jahren in der TGO stattgefunden haben: der zeitlose Schwank, das Bauernstück, das Blut- und Boden-Drama wurden abgelöst von Stücken, die auch in den Spielplänen professioneller Theater zu finden sind. Wie wir aus der Entwicklung der TGO sehen, lässt sich Volkstheater nicht in ein Korsett zwingen, sondern kann volkstümelnd wie kritisch, gegenwartsnah wie verstaubt, feuchtfröhlich-pointenhaft wie ernsthaft-reflexiv sein. Es spielt heute in einer hochtechnisierten und -industrialisierten Gesellschaft mit deren Widersprüchen, Konflikten und Problemen. Es ist eine «sich wandelnde Bewegung, die sich geänderten Gegebenheiten rasch anpassen kann. Vor allem ist es keine einmal erreichte Form. [...] Dass Form und Inhalt permanent in der Auseinandersetzung mit dem Publikum weiterentwickelt werden .» (Werner Wüthrich, Berner Zeitung, 10.2.1984) ist auch für die TGO ein MUSS. Sie will sich nicht wohlgefällig auf den Lorbeeren ausruhen. Auch unsere Generation hat das zun tun, was unsere Vorgänger als gut befanden: Stets vorwärtsblicken, niemals stille stehen und stets das Beste anstreben.
Das Haus in Montevideo Marius Buechhalter Nötzli
Collage über „alles uf Chrankeschyn“ 2004 1989 Gspässig Lüt
Anhang Aufführungen seit Bestehen der Theatergesellschaft 1910 Heinrich an der Halde 1964 Der verschüttet Brunne 1911 Der Löwe von Luzern 1965 Der Hemmschue 1912 Der Meineidbauer 1967 Heizue 1913 Berta Steiger 1968 Burebluet 1914 Geierwally 1969 Schatte überem Riedhof 1915 Die Blume von Granges d’Oex 1970 Anna die Magd 1916 Die Waise von Holligen 1971 S’Chorberliseli 1917 Der Goldbauer 1972 Tüfelssaat 1918 Dorf und Stadt 1974 Dr Schicksalshof 1919 Waldmarch 1975 Erna vom Goldingerhof 1920 Pfeffer-Rösel 1976 Wätter über Obertal 1921 Lonny die Heimatlose 1977 Aelplerchilbi 1922 Gemma von Arth 1978 Die verlorne Johr 1923 Die Schenke zum grauen Wolf 1979 Johnny Belinda 1924 S’Nullerl 1980 Vogel friss oder stirb 1925 Jenatsch und Lukretia 1981 Schirmflickers Sabine 1926 Aelpler-Chilbi 1982 Dr Schmid vo Andermatt 1927 Die rot Schwyzeri 1983 Bewährig ufem Erlehof 1928 Menschenwege und 1984 S’Hager Rösi Wasserwogen 1929 Der Verschollene 1985 Opal 1930 D’Blüemlisalp 1986 Kleider machen Leute 1931 Der Wasserhüter von St. Veit 1987 Ehestreik 1932 Geierwally 1988 Schelmereie 1933 Fischertoni 1989 Gschpässigi Lüüt 1934 Das Lawinendorf 1990 Das Haus in Montevideo
1935 Der Ring von Hallwil 1991 Der Verrat von Novarra 1936 D’Waldmarch 1992 Me läbt nur einisch 1937 Dr Adlerjäger vo Uri 1993 Zäh Tag Gratisferie 1939 S’Hürotsexame 1994 Pardong Herr Fürsteberg 1942 Tannflue 1995 Arsen und Spitzenhäubchen 1943 Der Grenzweg 1996 Feini Herrschafte 1949 Wildwasser 1997 Marius 1950 Lonny die Heimatlose 1998 Buchhalter Nötzli 1951 Schratteflueh 1999 Verruckts Gäld 1952 Anna die Magd 2000 Spilet wyter 1953 E strubi Staatsvisite 2001 Liebi, Lust und Austere 1954 Falkentoni 2002 Dr gsundi Chranki 1955 Der letzte Thorberger 2003 Alptroum-Villa 1956 Vogel friss oder stirb 2004 Alles uf Chrankeschyn 1957 Der Freischütz 2005 Grobe Unfueg 1958 Die Glocke von Plurs 2006 Verwandti sind ou Mönsche 1959 Madrisa 2007 Kaktusblüte 1960 Erna vom Goldingerhof 2008 Der Butler und d’Elfe 1961 Of frömdem Hof 2009 Was ihr wollt 1962 Die Rose von Bergün 1963 Der Graf von Monte Christo
Präsidenten der Theatergesellschaft Oberentfelden 1909-1912 Hermann Haberstich, Notar Gründungspräsident 1912-1916 Oskar Thut Später Regisseur 1916-1920 Gottlieb Suter 1920-1930 Otto Hunziker Zum ersten Mal 1930-1932 Walter Wacker 1932-1950 Otto Hunziker Zum 2. Mal, zugleich ab 1940 Regisseur 1950-1954 Hermann Thut 1954-1957 Otto Baumann Später Regisseur 1957-1963 Hermann Thut Vicepräs: Otto Baumann 1963-1166 Hanspeter Tanner 1966-1967 Ernst Klauenbösch Vicepräs: Marcel Baumann 1968-1969 Willy Kyburz 1970-1971 Albert Suter 1971-1975 Heinz Senn 1975-1982 Albrecht Haldimann Später Regisseur (1983-86, 2009) 1982-1986 Josef Badertscher 1986-1988 Franz Kissling Zum 1. Mal 1988-1995 Kurt Häfliger 1995-2001 Franz Kissling Zum 2. Mal Seit 2001 Heidy Hunziker Regisseure der Theatergesellschaft Oberentfelden 1909-1917 Jakob Neeser Lehrer in Oberentfelden 1918-1927 Louis Salzmann Fabrikant in Buchs
1928-1931 Oskar Thut Früher Präsident 1932-1939 Fritz Müller Schöftland, zum 1. Mal 1940-1950 Otto Hunziker Zugleich Präsident 1951-1953 Fritz Müller Schöftland, zum 2. Mal 1954-1958 Hans Läuchli Lehrer in Turgi 1959 Cäsar Jäggi, Villmergen 1960-1966 Otto Baumann Früher Präsident 1967-1971 Charles Vultier Basel, wichtige Person im ZSV 1972 Charles Vultier/Jean Senn 1974-1980 Jean Senn 1981 Jean Senn/Marcel Baumann 1982-84 Marcel Baumann 1985-87 Albrecht Haldimann 1988 Roger Steinmann 1989-1992 Sigi Blarer 1993-1997 Joe Stadelmann Profi-Regisseur 1998-1999 Rico Spring Zum 1. Mal 2000 Hans Wälti 2001 Peter Beck Präsident des VAV 2002-2005 Rico Spring Zum 2. Mal 2006-2008 Gaby Regli-Notter 2009 Albrecht Haldimann Zum 2. Mal
Ehrenmitglieder der TGO Gottlieb Suter+ seit 1922 Oskar Thut + seit 1922 Gottfried Walther+ seit 1931 Jakob Neeser+ seit 1931 Marie Bodmer+ seit 1937 Hans Haberstich+ seit 1937 Otto Hunziker+ seit 1937 Berta Hunziker+ seit 1951 Max Ammann+ seit 1951 Hermann Haberstich+ seit 1957 Adolf Suter+ seit 1957 Albert Suter+ seit 1957 Hans Suter seit 1957 Robert Ritter+ seit 1959 Hans Kyburz+ seit 1961 Ruth Suter seit 1961 Emil Suter+ seit 1961 Otto Baumann+ seit 1962 Jean Senn+ seit 1962 Ruth Senn+ seit 1964 Walter Senn+ seit 1964 Theres Zimmann+ seit 1964 Ella Frei seit 1964 Emma Wüthrich+ seit 1964 Otto Wüthrich+ seit 1964 Trudi Leardi+ seit 1964 Josef Leardi+ seit 1964 Heinz Senn+ seit 1964 Fritz Haberstich seit 1978 Albrecht Haldimann seit 1982 Krenn Eugen+ seit 1985 Yvonne Rodel-Wespi seit 1987 Kurt Häfliger seit 1988 Fritz Hunziker+ seit 1990 Sepp Badertscher seit 1993 Madeleine Zürcher seit 1995 Vreni Badertscher seit 1996 Patrizia Hängärtner seit 1997 Franz Kissling seit 2001 Anne Helfrich seit 2002 Rita Kissling seit 2004 Irène Ziörjen seit 2005
Ein Bilderbogen
1923 Gemma von Arth 1925 S’Nullerl 1970 Anna die Magd 1959 Madrisa 1992: Me läbt nur einisch 1996 Feini Herrschafte
Quellen: - Protokollbücher aus dem Archiv der TGO 1902-2000 - Theaterplakate 1909 – 2000 - Diverse Fotoalben - Interviews mit früheren Präsidenten Hanspeter Tanner (1963-1966) Albrecht „Braschi“ Haldimann (1975-1982) Kurt Häfliger (1988-1995) - Volkstheater in der Schweiz und im Fürstentum Liechtenstein (Hsg Ernst Halter und Buschi Luginbühl) - Jubiläumsschrift 75 Jahre TGO von Fritz Haberstich (1984) - Eberle Oskar: Wege zum Schweizerischen Theater - Stocker, Franz August: Das Volkstheater in der Schweiz - Schweizerisches Theaterlexikon - Chronologische Auswertung des Aargauer Tagblattes (Diese Zeitungsausschnitte stammen aus der Sammlung von Lehrer Karl Suter +, Oberentfelden und befinden sich auf CD im Gemeindearchiv Oberentfelden) - Archiv der Aargauischen Kantonsbibliothek Aarau
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