14 Auswirkungen der Coronapandemie - Auszug aus dem Datenreport 2021
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14 Auswirkungen der Coronapandemie Auszug aus dem Datenreport 2021 Die Inhalte des Datenreports werden unter der Creative Commons Lizenz »CC BY-NC-ND 4.0 – Namensnennung – Nicht-kommerziell – Keine Bearbeitung 4.0« veröffentlicht.
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4 Auswirkungen flusste damit die Arbeitsteilung zwischen auf den bisherigen Verlauf der Pandemie den Geschlechtern (Kapitel 5.6). Die und d eren Auswirkungen werfen. der Corona Schule, die im Datenreport in Kapitel 3.1 Dabei schauen wir in Kapitel 14.1 in beschrieben wird, hat plötzlich innerhalb erster Linie auf ökonomische Indikatoren pandemie weniger Monate Herausforderungen zu der amtlichen Statistik sowie Ergebnisse bewältigen, die unter normalen Bedin sogenannter experimenteller Daten (siehe gungen vermutlich erst Jahrzehnte später Kapitel 14.1, Seite 466, Info 1). In Kapitel angepackt worden wären – wenn über 14.2 greifen wir Ergebnisse der Mannhei Die Herausgeber haupt. Im Bereich der beruflichen Wei mer Corona-Studie auf, in der ab März terbildung (Kapitel 3.2) haben individu 2020 wöchentlich rund 3 600 Personen zu Statistisches Bundesamt (Destatis) elle und digitale Formen des Lernens verschiedenen Aspekten ihrer Arbeits- während der Pandemie an Bedeutung ge und Lebenssituation befragt wurden. Im Wissenschaftszentrum Berlin wonnen. Zivilgesellschaftliches Engage Mittelpunkt steht die verä nderte Beschäf für Sozialforschung (WZB) ment (Kapitel 11.4), etwa von Freunden tigungssituation der Erwerbstätigen bis Bundesinstitut für und Nachbarn, konnte dazu beitragen, Anfang Juli 2020. Es zeigen sich Ge Bevölkerungsforschung (BiB) dass älteren Menschen der Einkauf abge schlechter-, Bildungs- und Einkommens nommen wurde oder dass Eltern in der unterschiede etwa hinsichtlich der Betrof Phase der Schul- und Kitaschließungen fenheit von Kurzarbeit oder der Möglich entlastet wurden. Sogenannte Hamster keiten, im Homeoffice zu arbeiten. In In den vorangegangenen 13 Kapiteln be käufe veränderten das Kaufverhalten bei Kapitel 14.3 beleuchten wir die Bedeutung schreibt der Datenreport aus verschiede bestimmten Waren zeitweise enorm. von Homeoffice für Eltern während der nen Blickwinkeln, wie es den Menschen Sommeru rlaub in der Heimat – für viele Phase der Kita- und Schulschließungen. in Deutschland geht. In manchen Berei vorher nicht die erste Wahl – wird nun Anhand von Daten des Mikrozensus und chen sind über einen langen Zeitraum womöglich zur langfristigen Alternative. der Mannheimer Corona-Studie wird die nur wenig Veränderungen zu beobachten. Ebenso hat die Pandemie die Situa Nutzung von Homeoffice vor und wäh Im Jahr 2020 haben die Menschen in tion vieler Menschen verändert. Wie geht rend der Krise verglichen. Zudem wird Deutschland ganz andere Erfahrungen es ihnen in diesen Zeiten? Welche Ängste analysiert, wie sich der Arbeitsort von gemacht. Vieles, was sie als selbstver und Sorgen beschäftigen sie? Wichtige Eltern während der Krise – beim Arbeit ständlich und konstant betrachtet hatten, Fragen stellen sich auch hinsichtlich geber versus Homeoffice – auf Zeitverwen war plötzlich infrage gestellt. der Entwicklung sozialer Ungleichheit. dung und Zufriedenheit in den Bereichen Die Coronapandemie hat sich wie Haben die bestehenden Abstände zwi Arbeit und Familie ausgewirkt hat. Da kaum eine andere Krise der zurücklie schen sozialen Schichten (Kapitel 8.1) COVID-19 nicht alle Bevölkerungsgrup genden Jahre auf nahezu alle Bereiche der und Einkommensgruppen (Kapitel 6.3) pen und -schichten auf die gleiche Weise Gesellschaft ausgewirkt: Die in Kapitel in unserer Gesellschaft zugenommen? betrifft, zeigt das Robert Koch-Institut in 4.1 dargestellte positive Wirtschaftsleis Zeichnen sich Veränderungen der Ver einem kurzen Beitrag (»Soziale Unter tung bis einschließlich 2019 kehrte sich mögensverteilung (Kapitel 6.4) ab? Wie schiede im COVID-19-R isiko am Anfang im Jahr 2020 um in eine tiefgreifende verändert sich die ohnehin schon schwie der Pandemie«, Seite 500) Ungleichhei ökonomische Krise. Die Kommunikation rige Situation von Menschen in prekären ten im Infektionsrisiko auf. Vor diesem über digitale Medien war zwar auch Arbeits- und Lebensumständen, wie sie Hintergrund werden in Kapitel 14.4 auf zuvor schon Teil des Alltags – nun ist sie in Kapitel 5.4 dargestellt wurden? Basis von Daten des Sozio-oekonomi jedoch unverzichtbar geworden. Home Die Auswirkungen der Coronapande schen Panels die F olgen der Pandemie für office konnte die wirtschaftlichen Aus mie werden erst Jahre später zu bewerten verschiedene Bevölkerungsgruppen unter wirkungen abfedern und wird die Ar sein. Manche Veränderungen werden sucht. Der Fokus liegt dabei auf Einkom beitswelt und ihre Organisationsformen bleiben, andere werden vermutlich früher mensungleichheiten. In den Blick genom (Kapitel 5.5) auch über die Krise hinaus oder später nicht mehr in Zahlen sichtbar men werden die Einkommensentwicklung, grundlegend verändern. Die zeitweise sein. Mit diesem 14. (Sonder-)Kapitel das Risiko des Arbeitsplatzverlustes, finan Schließung von Kitas und Schulen erfor des Datenreports wollen wir dennoch – zielle Probleme sowie Maßnahmen am derte eine Neuorganisation der Kinder auf Basis der Daten, die bis Redaktions Arbeitsplatz zur Abfederung der wirtschaft betreuung in den Familien und beein schluss vorlagen – einen aktuellen Blick lichen Folgen der Pandemie. 463
14 / Auswirkungen der Coronapandemie 14.1 / Zahlen und Fakten zur Coronapandemie 14.1 14.1.1 Wirtschaft Private Konsumausgaben In der Finanzmarkt- und Wirtschaftsk rise Zahlen und Bruttoinlandsprodukt 2008 / 2009 wirkten die privaten Konsum Fakten zur Im Jahr 2020 ist das Bruttoinlandsprodukt (BIP) durch die Coronapandemie – nach ausgaben stabilisierend. In der ersten Jahreshälfte 2020 sind sie jedoch deutlich Coronapandemie vorherigem jahrelangen Wachstum – deut eingebrochen. Die behördlichen Infek lich gefallen. Bereits im ersten Quartal ist tionsschutzmaßnahmen sowie Verhal es gegenüber dem Vorquartal um 1,9 % tensanpassungen der Bevölkerung aus Statistisches Bundesamt gesunken, im zweiten Quartal um weitere Sorge vor einer Ansteckung führten (Destatis) 9,8 %. Im dritten Quartal ist das BIP ge dazu, dass die privaten Haushalte ihr genüber dem zweiten Quartal um 8,5 % Einkommen nicht im gewohnten Um gestiegen. Damit konnte die Wirtschaft fang ausgeben konnten. Während die einen Großteil des massiven Rückgangs privaten Konsumausgaben im zweiten des zweiten Quartals wieder aufholen. Das Quarta l im Vergleich zum Vorjahr BIP war aber immer noch niedriger als im preisbereinigt noch zweistellig absackten vierten Quartal 2019. Zum Vergleich: In (– 13,0 %), fiel der Rückgang im dritten den fünf Jahren zuvor bewegten sich die Quartal aufgrund der Lockerungen der Veränderungen stets zwischen – 0,5 % und Coronamaßnahmen mit – 3,7 % mode + 1,2 % zum Vorquartal. Auch im Vergleich rater aus. zu den Entwicklungen der Finanzmarkt- Über die Hälfte des nominalen Brutto und Wirtschaftskrise 2008/2009 fiel der inlandsprodukts entfällt auf die privaten Rückgang 2020 deutlicher aus: Damals Konsumausgaben (siehe Kapitel 4.1.3, war der stärkste Rückgang im ersten Quar Seite 134). Dies macht deutlich, warum tal 2009 mit – 4,7 % zu beobachten. Wie der private Konsum so wichtig für die das Bruttoinlandsprodukt berechnet wird, gesamtwirtschaftliche Entwicklung in beschreibt Kapitel 4.1, Seite 129. u Abb 1 Deutschland ist. u Abb 2 9,8 Prozent sank das Bruttoinlands produkt durch die Coronakrise im zweiten Quartal 2020. 13 Prozent: historischer Rückgang zum zweiten Quartal 2020 auch bei den privaten Konsumausgaben. 464
Zahlen und Fakten zur Coronapandemie / 14.1 Auswirkungen der Coronapandemie / 14 u Abb 1 Preisbereinigtes Bruttoinlandsprodukt — Veränderung in Prozent Beginn Finanzmarktkrise 12 8 4 0 –4 –8 – 12 1. Quartal 1. Quartal 1. Quartal 1. Quartal 1. Quartal 1. Quartal 1. Quartal 1. Quartal 1. Quartal 1. Quartal 1. Quartal 1. Quartal 3. Quartal 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019 2020 preisbereinigt preis-, saison- und kalenderbereinigt (Veränderung zum Vorjahresquartal) (Veränderung zum Vorquartal) u Abb 2 Private Konsumausgaben, preisbereinigt — Veränderung in Prozent Beginn Finanzmarktkrise 12 8 4 0 –4 –8 – 12 – 16 1. Quartal 1. Quartal 1. Quartal 1. Quartal 1. Quartal 1. Quartal 1. Quartal 1. Quartal 1. Quartal 1. Quartal 1. Quartal 1. Quartal 3. Quartal 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019 2020 Veränderung zum Vorjahresquartal Veränderung zum Vorquartal (saison- und kalenderbereinigt) 465
14 / Auswirkungen der Coronapandemie 14.1 / Zahlen und Fakten zur Coronapandemie u Info 1 14.1.2 Kaufverhalten, Verbraucher In der ersten Märzwoche (Kalender Was sind »experimentelle Daten«? preise und Steuern woche 10) des Jahres 2020 stieg der Ab Die Daten, die das Statistische Bundesamt satz von Desinfektionsmittel auf mehr erhebt und veröffentlicht, haben amtlichen Kaufverhalten als das Achtfache des Niveaus vor der Charakter. Sie bilden auf gesetzlicher Grund- lage die wirtschaftliche und soziale Lage, Im Kontext von Vorratskäufen und leeren Coronakrise (+ 751 % verglichen mit dem die demografische Entwicklung und die Situa- Supermarktregalen zu Beginn der Corona Durchschnitt der Vorkrisenmonate Au tion der Umwelt in Deutschland ab. Darüber krise hat das Statistische Bundesamt digi gust 2019 bis Januar 2020). In den beiden hinaus erprobt das Amt aber auch neue Methoden der Datengewinnung, zum Beispiel tale Kassendaten als sogenannte experi Wochen danach brach der Absatz ein und das Darstellen der räumlichen Mobilität mentelle Daten im Hinblick auf das lag Mitte März nur noch bei der Hälfte durch Mobilfunkdaten oder das Erfassen der Kaufverhalten der Bürgerinnen und Bür des sonst üblichen Absatzes. Dies ist dar Nachfrage nach bestimmten Produkten sowie deren Preise mithilfe digitaler Kassen- ger ausgewertet. Diese Scannerdaten sind auf zurückzuführen, dass das Produkt daten. Während der Erprobungsphase sind eine neue vielversprechende Datenquelle vorübergehend praktisch ausverkauft war. diese Daten noch nicht amtlich, sondern zur Qualitätssicherung und Prozessopti Die Verkaufszahlen von Seife und experimentell, da sie sich im Reifegrad von amtlichen Daten unterscheiden. Sie bieten mierung für die Preisstatistik. Sie sind Toilettenpapier erreichten ihre Spitzen jedoch oft interessante und – gerade in aber auch geeignet, um Veränderungen werte in der 12. Kalenderwoche 2020. Sie K risenzeiten besonders wichtig – aktuellere Erkenntnisse zu den Themen der amtlichen beim Kaufverhalten der Konsumentinnen lagen mehr als viermal beziehungsweise Statistik und darüber hinaus. Experimen- und Konsumenten schnell zu erkennen. dreimal so hoch wie in der Phase vor der telle Daten sind daher von öffentlichem Inter- Vor allem bei Seife, Toilettenpapier und Coronakrise (Seife: + 337 %, Toilettenpa esse und werden zusätzlich zum amtlichen Statistikprogramm veröffentlicht. Desinfektionsmittel zeigt sich die sprung pier: + 211 %) und gingen bis Anfang Ap haft angestiegene Nachfrage deutlich in ril (15. Kalenderwoche) wieder stark den ausgewerteten Daten. u Info 1 zurück. In den danach folgenden Sommer u Abb 3 Absatzindex von ausgewählten Verbrauchsgütern — Durchschnitt von 32. Kalenderwoche 2019 bis 5. Kalenderwoche 2020 = 100 Beginn des Beginn des ersten Lockdowns Teil-Lockdowns 900 800 700 600 500 400 300 200 100 0 KW 32 KW 35 KW 40 KW 45 KW 50 KW 1 KW 5 KW10 KW 15 KW 20 KW 25 KW 30 KW 35 KW 40 KW 46 2019 2019 2020 2020 Desinfektionsmittel Seife Toilettenpapier Mehl Hefe 466
Zahlen und Fakten zur Coronapandemie / 14.1 Auswirkungen der Coronapandemie / 14 monaten lagen die Absatzzahlen von Mehrwertsteuersenkung des Statistischen Bundesamtes hat die Desinfektionsmittel und Seife weitgehend und Verbraucherpreise Steuersatzsenkung bei vollständiger konstant über dem Niveau des Ver Zum 1. Juli 2020 hat die Bundesregie Weitergabe an die Verbraucherinnen und gleichszeitraums. Vermutlich hängt dies rung ein Konjunkturpaket auf den Weg Verbraucher rein rechnerisch einen mit einem höheren Hygienebewusstsein gebracht, um die Folgen der Coronakrise preisdämpfenden Effekt auf die Entwick der Verbraucherinnen und Verbraucher, zu bewältigen. Ein Bestandteil davon war lung der Verbraucherpreise von bis zu aber auch mit den Hygienevorschriften die temporäre Senkung der Mehrwert 1,6 Prozentpunkten. Es ist allerdings nur in Gastronomie, Handel und Praxen zu steuersätze von 19 auf 16 % beziehungs schwer messbar, in welchem Umfang die sammen. weise für Güter mit ermäßigtem Steuer niedrigeren Steuersätze weitergegeben Unmittelbar vor dem Teil-Lockdown satz von 7 auf 5 % ab dem 1. Juli, befristet wurden, da auch viele andere Faktoren in Deutschland, der am 2. November bis 31. Dezember 2020. Die Maßnahme die Preisentwicklung beeinflussen. Tat 2020 in Kraft trat, hat sich die Nachfrage zielte u nter anderem darauf ab, die sächlich betrug die amtliche Inflations nach ausgewählten Hygieneartikeln und Bürgerinnen und Bürger zu entlasten, rate im Juli 2020, gemessen am Ver Lebensmitteln teilweise wieder deutlich den privaten Konsum zu steigern und braucherpreisi ndex gegenüber dem Vor erhöht (Toilettenpapier: + 139 %, Desin die Unternehmen zu unterstützen. Die jahresmonat, – 0,1 % und ist damit ins fektionsmittel: + 104 %, Mehl: + 101 %, Analyse der Wirkung dieser Maßnahmen Minus gerutscht. Auch in den Folgemo Hefe: + 74 % gegenüber dem Vorkrisenni ist sehr vielschichtig. Doch zunächst naten zeigte die Mehrwertsteuersenkung veau). Die sehr hohen Absatzzahlen aus stellt sich die Frage, ob die Steuersen Wirkung: Im August 2020 lag die Inflati der Phase vor und während des ersten kung bei den Verbraucherinnen und Ver onsrate bei 0,0 %, im September und Lockdowns im Frühjahr 2020 wurden al brauchern ankam und zu sinkenden Oktober 2020 betrug sie jeweils – 0,2 %, lerdings nicht beobachtet. u Abb 3 Preisen führte. Nach einer Modellrechnung im November – 0,3 %. u Abb 4 u Abb 4 Verbraucherpreisindex (2015 = 100) — Veränderung gegenüber dem Vorjahresmonat in Prozent Mehrwertsteuersenkung 2,5 2,0 1,5 1,0 0,5 0,0 0 – 0,5 Jan. 2018 Jul. 2018 Jan. 2019 Jul. 2019 Jan. 2020 Jul. 2020 Nov. 2020 467
14 / Auswirkungen der Coronapandemie 14.1 / Zahlen und Fakten zur Coronapandemie Kassenmäßige Steuereinnahmen kungen aus den Zeitreihenwerten heraus Coronapandemie verändert. Dahinter Die Maßnahmen zur Eindämmung der gerechnet – zum Beispiel die Auswirkun steht die Annahme, dass mit einer Ver Coronapandemie haben sich auch auf die gen von jahresüblichen Schwankungen ringerung der Mobilität auch die Zahl so Einnahmen aus der Luftverkehrsteuer, durch die verschiedenen Zahlungsfristen zialer Interaktionen zurückgeht – und der Biersteuer und der Energiesteuer aus der verschiedenen Steuerarten. u Abb 5 somit auch die Ansteckungsgefahr. gewirkt. Ab März beziehungsweise April Im Durchschnitt ist die Mobilität in 2020 gingen die Einnahmen aus diesen 14.1.3 Mobilität Deutschland im zweiten Quartal 2020 Steuern rapide zurück und erreichten im zeitweise um über 30 % zurückgegangen. Mai (Biersteuer) beziehungsweise Juni Mobilfunkdaten Im Vergleich der Bundesländer waren (Energie- und Luftverkehrsteuer) ihren Mit Beginn der Coronakrise Mitte März nur geringe Unterschiede zu beobachten. Tiefpunkt. Im August lagen die Einnah zeigte sich deutschlandweit ein Rückgang Gerade in den Sommermonaten sind men aus der Biersteuer bereits über dem der Mobilität der Bevölkerung gegenüber aber auch vereinzelt Abweichungen zu Vorkrisenniveau von Februar. Bei der dem Vorjahreszeitraum. Das ist das Er erkennen: Insbesondere in Mecklenburg- Energiesteuer befanden sie sich noch gebnis einer Sonderauswertung anonymi Vorpommern war die Mobilität gegen leicht, bei der Luftverkehrsteuer deutlich sierter Mobilfunkdaten des Statistischen über dem Vorjahreszeitraum deutlich darunter. Bundesamtes, auf deren Basis ein experi e rhöht. Dies ist möglicherweise auf Basis dieser Daten sind die saison- menteller Mobilitätsindikator berechnet das veränderte Urlaubsverhalten der Be und kalenderbereinigten Ergebnisse zum wurde. Mobilfunkdaten können einen völkerung zurückzuführen. Andererseits Steueraufkommen, mit denen die Auswir Hinweis darauf geben, wie stark sich das ging die Mobilität in den Stadtstaaten kungen auf die kassenmäßigen Steuerein Mobilitätsverhalten der Bürgerinnen und (siehe beispielhaft Berlin in Abbildung 6) nahmen dargestellt werden können. Mit Bürger nach Inkrafttreten von Beschrän stärker zurück als im Bundesdurch der Saisonbereinigung werden Schwan kungsmaßnahmen zur Eindämmung der schnitt. u Abb 6, Abb 7 u Abb 5 Bereinigte Einnahmen aus ausgewählten Bundes- und Landessteuern Beginn Finanzmarktkrise 200 175 150 125 100 75 50 25 0 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019 2020 Energiesteuer Biersteuer Luftverkehrsteuer Energie- und Biersteuer: 01/2008 = 100, Luftverkehrsteuer: 02/2011 = 100. 468
Zahlen und Fakten zur Coronapandemie / 14.1 Auswirkungen der Coronapandemie / 14 30 Prozent ging die Mobilität in Deutsch land durchschnittlich zwischen dem 22. März und Ende April 2020 92 (erster Lockdown) zurück. Prozent gingen die Einnahmen aus der Luftverkehrsteuer von Februar bis Juli 2020 zurück. u Abb 6 Veränderung der Mobilität 2020 gegenüber 2019 — in Prozent Beginn des Beginn des ersten Lockdowns Teil-Lockdowns 100 80 60 40 20 0 – 20 – 40 – 60 – 80 1. Jan. 1. Febr. 1. März 1. Apr. 1. Mai 1. Juni 1. Juli 1. Aug. 1. Sept. 1. Okt. 11. Nov. Deutschland Berlin Mecklenburg-Vorpommern Quelle: Teralytics, Berechnungen des Statistischen Bundesamtes 469
14 / Auswirkungen der Coronapandemie 14.1 / Zahlen und Fakten zur Coronapandemie u Abb 7a Veränderung der Mobilität auf Landkreisebene am Sonntag, 29. März 2020 — in Prozent unter – 40 – 40 bis unter – 20 – 20 bis unter 0 0 bis unter + 20 + 20 bis unter + 40 + 40 und mehr Kartengrundlage © GeoBasis-DE / BKG 2019 Verglichen mit dem Vorjahreszeitraum. Quelle: Teralytics, Berechnungen des Statistischen Bundesamtes 470
Zahlen und Fakten zur Coronapandemie / 14.1 Auswirkungen der Coronapandemie / 14 u Abb 7b Veränderung der Mobilität auf Landkreisebene am Sonntag, 9. August 2020 — in Prozent unter – 40 – 40 bis unter – 20 – 20 bis unter 0 0 bis unter + 20 + 20 bis unter + 40 + 40 und mehr Kartengrundlage © GeoBasis-DE / BKG 2019 Verglichen mit dem Vorjahreszeitraum. Quelle: Teralytics, Berechnungen des Statistischen Bundesamtes 471
14 / Auswirkungen der Coronapandemie 14.1 / Zahlen und Fakten zur Coronapandemie Die Entwicklung der Mobilität in März 2020 abgestürzt und haben im April ist es möglich, daraus Rückschlüsse Deutschland ging im März und April 2020 mit nur noch 300 000 Passagierinnen auf die wirtschaftliche Entwicklung zu 2020 während des ersten Lockdowns ins und Passagieren (April 2019: 21,1 Millio ziehen, denn die Industrie verursacht gesamt deutlich zurück – auf der Schiene nen) i hren vorläufigen Tiefpunkt erreicht. und benötigt den Transport von Gütern. noch mehr als auf der Straße. Während Die Zahl der Flugpassagiere insgesamt Die Daten liegen mit täglicher Frequenz der Fernverkehr auf der Straße ab August umfasst alle Fluggäste, die an den deut vor. u Abb 10 wieder das Vorjahresniveau erreicht hatte, schen Hauptverkehrsflughäfen gestartet blieb der Bahnverkehr weiter unter dem oder gelandet sind. u Abb 9 14.1.4 Gastgewerbe üblichen Fahrgastauf kommen zurück Die Maßnahmen zur Eindämmung der (etwa – 35 % im September). Der inner Der Lkw-Maut-Index Coronapandemie trafen ab Mitte März deutsche Flugverkehr brach Mitte März Der Lkw-Maut-Fahrleistungsindex liefert 2020 die Gastronomie und Hotellerie 2020 fast vollständig ein und hat sich frühzeitig Anhaltspunkte zur Entwick in Deutschland besonders stark. Von seitdem nur leicht erholt. u Abb 8 lung der Industrieproduktion in Deutsch Mitte März bis Mitte Mai waren Unter land. Er wurde im Bundesamt für Güter künfte und Gaststätten bundesweit von Fluggastzahlen verkehr entworfen und zeigt die Verände gravierenden Einschränkungen betroffen. Tausende Flüge gestrichen, komplette rung der Fahrleistung, das heißt die Dies zeigt sich deutlich in der Entwick Flugzeugflotten am Boden: Die Corona Summe der gefahrenen Kilometer, von lung der Umsätze in Beherbergung und krise hat den Luftverkehr weltweit zeitwei großen Lkw (mit mindestens vier Ach Gastronomie. Normalerweise verzeich se fast zum Stillstand gebracht. Die Aus sen) auf deutschen Bundesautobahnen. nen beide Bereiche ab März steigende wirkungen lassen sich gut an den Flug So kann man zum einen sehen, wie viele Umsätze – im Jahr 2020 sorgten die Maß gastzahlen auf den deutschen Flughäfen Lkw auf den Straßen unterwegs waren: nahmen zur Eindämmung der Corona beobachten. Gehen diese sonst üblicher Ab Ende März 2020 ist hier ein deutlicher pandemie für einen nie dagewesenen weise im März nach oben, sind sie im Rückgang zu beobachten. Zum anderen Umsatzeinbruch. u Abb 8 Mobilität im Fernverkehr — in Prozent Beginn des Beginn des ersten Lockdowns Teil-Lockdowns 40 20 0 – 20 – 40 – 60 – 80 – 100 1. Jan. 1. Febr. 1. März 1. Apr. 1. Mai 1. Juni 1. Juli 1. Aug. 1. Sept. 1. Okt. 1. Nov 1. Dez Schienenverkehr Straßenverkehr innerdeutscher Flugverkehr nicht kategorisierbar Tägliche Veränderung gegenüber dem Vorjahr als 7–Tage-Durchschnitt. Quelle: Teralytics, Berechnungen des Statistischen Bundesamtes 472
Zahlen und Fakten zur Coronapandemie / 14.1 Auswirkungen der Coronapandemie / 14 u Abb 9 Flugpassagiere auf deutschen Flughäfen — in Millionen Beginn Finanzmarktkrise 30 25 20 15 10 5 0 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019 2020 insgesamt Einsteiger Aussteiger Rückgang April 2010 wegen Vulkanausbruch auf Island. u Abb 10 Lkw-Maut-Fahrleistungsindex 2020 – 2015 = 100 Beginn des Beginn des ersten Lockdowns Teil-Lockdowns 140 120 100 80 13. Jan. 1. Febr. 1. März 1. Apr. 1. Mai 1. Juni 1. Juli 1. Aug. 1. Sept. 1. Okt. 1. Nov. 1. Dez. 7-Tage-Durchschnitt kalender- und saisonbereinigte Tagesdaten Quelle: Bundesamt für Güterverkehr, Bundesbank, Statistisches Bundesamt 473
14 / Auswirkungen der Coronapandemie 14.1 / Zahlen und Fakten zur Coronapandemie u Abb 11 Umsatz des Gastgewerbes — 2015 = 100 Beginn Finanzmarktkrise 140 120 100 80 60 40 20 0 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019 2020 Gastgewerbe Beherbergung Gastronomie In konstanten Preisen (real), Originalwert. u Abb 12 Wöchentliche Sterbefallzahlen in Deutschland 25 000 20 000 15 000 10 000 5 000 0 KW 1 KW 5 KW 10 KW 15 KW 20 KW 25 KW 30 KW 35 KW 40 KW 45 KW 50 KW 52 2016 – 2019 (Durchschnitt) 2020 2020 (darunter COVID-19) Quelle: Sterbefallzahlen insgesamt Statistisches Bundesamt, COVID-19-Todesfälle Robert Koch-Institut 474
Zahlen und Fakten zur Coronapandemie / 14.1 Auswirkungen der Coronapandemie / 14 Die Beherbergung umfasst alle Mög Robert Koch-Institut, RKI). Als diese zu lichkeiten des Übernachtens gegen Be rückgingen, bewegten sich Anfang Mai zahlung für einen kurzen Zeitraum. Die auch die Sterbefallzahlen zunächst wieder Palette ist breit und geht vom Hotel bis etwa im Durchschnitt. Im August waren sie zum Campingplatz. Die Gastronomie wieder erhöht. Dieser Effekt tritt im Som bietet Mahlzeiten und Getränke zum so mer häufig auf und ging auch in diesem fortigen Verzehr an. Sterne-Restaurants Jahr offenbar auf eine Hitzeperiode zu gehören ebenso dazu wie Caterer und die rück. Die Corona-Todesfallzahlen des RKI Eckkneipe. u Abb 11 zeigen für den August keinen Anstieg. Ab Mitte Oktober lagen die Sterbefallzahlen 14.1.5 Übersterblichkeit wieder über dem Durchschnitt der Vor Um die Frage zu beantworten, ob das jahre. Danach stiegen mit dem erneuten C oronavirus zu einer Übersterblichkeit Anstieg der COVID-19-Todesfallzahlen führt, beobachtet das Statistische Bundes auch die gesamten Sterbefallzahlen über amt anhand einer Sonderauswertung die den Durchschnitt hinaus an. Im Novem vorläufigen Sterbefallzahlen in Deutsch ber lagen die Sterbefallzahlen in ähnlicher land – hier dargestellt bis Ende November Größenordnung über dem Durchschnitt 2020. Im April lagen die Sterbefallzahlen der Vorjahre wie bereits im April, als die deutlich über dem Durchschnitt der Vor COVID-19-Todesfallzahlen zum ersten jahre. Gleichzeitig ist ein Anstieg der Todes Mal erhöht waren. Unter destatis.de/corona fälle zu beobachten, die mit dem Corona kann eingesehen werden, wie die Entwick virus in Zusammenhang stehen (Quelle: lung ab Dezember 2020 verlief. u Abb 12 Weiterführende Informationen sind auf der Webseite des Statistischen Bundesamtes zu finden: BIP, kassenmäßige Steuereinnahmen, Fluggastzahlen, Lkw-Maut-Index, Gastgewerbe, Übersterblichkeit: destatis.de/corona Mehrwertsteuersenkung: www.destatis.de/DE/Themen/Wirtschaft/Preise/_Grafik/_Interaktiv/vpi-raten.html Mobilfunkdaten, digitale Kassendaten: destatis.de/exdat 475
14 / Auswirkungen von Corona 14.2 / Soziale Ungleichheit in der Beschäftigungssituation während der frühen Phase der Coronakrise 14.2 Nach dem Ausbruch des SARS-CoV-2- Virus zu Beginn des Jahres 2020 wurde menleben in Deutschland haben? Neben dem Druck, zeitnah wissenschaftliche Er- Soziale Ungleich am 28. Februar entsprechend dem Pande- kenntnisse zu liefern, bedeutete die neue heit in der mieplan des Bundes ein gemeinsamer Krisenstab des Bundesgesundheitsminis- Situation aber auch, dass Informationen zu den Auswirkungen von Corona auf die Ge- Beschäftigungs teriums und Bundesinnenministeriums sellschaft im Nachhinein nicht mehr re- situation während eingesetzt, der sich ab dem 3. März zwei- mal die Woche traf. Zu diesem Zeitpunkt konstruierbar wären, wenn sie nicht sofort und regelmäßig erhoben würden. der frühen Phase wähnte so mancher den Aufbau eines Kri- Belastbare Erkenntnisse in den Wirt- der Coronakrise senstabs als reine Vorsichtsmaßnahme für den Fall, dass sich das Virus auch in schafts- und Sozialwissenschaften beru- hen oft auf statistischen Auswertungen Deutschland f lächendeckend etablieren amtlicher oder wissenschaftlicher Daten- Annelies G. Blom, Katja Möhring sollte. Aber spätestens ab dem 16. März, erhebungen, deren Verfahren nicht der- Universität Mannheim als von der Bundesregierung und den Re- art kurzfristig einsetzbar sind. Den Erhe- gierungschefinnen und -chefs der Bun- bungen der amtlichen Statistik liegen desländer gemeinsam sukzessive weitrei- vorwiegend mehrstufige Meldeverfahren WZB / SOEP chende Entscheidungen getroffen wurden, zugrunde, bei denen Menschen an ver- die tief in die Freiheitsrechte der Bürge- schiedenen Stellen Informationen ein- rinnen und Bürger eingriffen, war deut- und weitergeben müssen. Während Sta- lich, dass sich Deutschland bereits mitten tistiken aus diesen Meldeverfahren sehr im Umbruch befand. Innerhalb kurzer genau sind, wird eine schnelle und kon- Zeit wurden Großveranstaltungen verbo- sistente Berichterstattung durch die vielen ten, öffentliche Einrichtungen wie Kin- Schnittstellen erschwert. Wissenschaft dertagesstätten, Schulen und Universitä- liche Datenerhebungen hingegen beru- ten geschlossen, Auflagen für und Schlie- hen meist auf Umfragen mit Personen- ßungen von Bars, Restaurants, Geschäften, stichproben. Damit die entsprechenden Sportstätten sowie anderen Betrieben an- Statistiken allerdings aussagekräftig für geordnet und sogar die Grenzen zu unse- die allgemeine Bevölkerung sind, muss ren Nachbarländern der Europäischen eine Zufallsstichprobe eben dieser Popu- Union geschlossen. Deutschland befand lation gezogen werden, ein Prozess, der je sich im Ausnahmezustand. nach Verfahren und Stichprobengröße Ebenfalls im Ausnahmezustand war mehrere Monate bis zu einem Jahr in An- die Wissenschaft, die mit einer für sie spruch nehmen kann. Hinzu kommt für ganz neuen Situation konfrontiert wurde: viele etablierte Großerhebungen eine Entscheidungsträgerinnen und -träger in mehrmonatige Feldarbeitszeit mit per- Wirtschaft und Politik benötigten drin- sönlich-mündlichen Interviews in Haus- gend wissenschaftliche Erkenntnisse, und halten vor Ort. Zudem verlangte in diesem zwar nicht, wie gewohnt, nach jahrelanger Fall die Situation nach Vergleichswerten sorgfältiger Forschung und Diskussion, zur wirtschaftlichen und gesellschaft sondern unmittelbar, innerhalb weniger lichen Ausgangslage vor der Coronakrise, Tage. Dieser wissenschaftliche Druck traf denn nur so lässt sich feststellen, was eine insbesondere die Virologie und Epide- durch Corona bedingte Ausnahme und miologie, deren Erkenntnisse die medizi- was die Regel ist. nische Bekämpfung des Virus voranbrin- In den Medien und vermehrt auch in gen und die Verbreitung von SARS-CoV-2 der Wissenschaft liest man zwar regel eindämmen sollten. Aber auch die Wirt- mäßig die Ergebnisse schnellerer Studien, schafts- und Sozialwissenschaften standen die behaupten die allgemeine Bevölke- schlagartig im Licht der Aufmerksamkeit. rung »repräsentativ« abzubilden, aller- Denn welche Konsequenzen würden die dings basieren diese meist auf kommerzi- getroffenen Maßnahmen kurz- und lang- ellen Online-Befragten-Pools, die eine fristig für die Menschen und das Zusam- Selbstselektion der Teilnehmenden erlau- 476
Soziale Ungleichheit in der Beschäftigungssituation während der frühen Phase der Coronakrise / 14.2 Auswirkungen von Corona / 14 ben und dadurch internetaffine, hoch ge- u Info 1 bildete Personen mittleren Alters erwie- Datenbasis senermaßen deutlich überrepräsentieren Die Grundlage der Mannheimer Corona-Studie (MCS) bildet das German Internet Panel (GIP), und somit die Bevölkerung durch die eine langjährige, online durchgeführte wirtschafts- und sozialwissenschaftliche Befragungsstudie, die auf einer Zufallsstichprobe der allgemeinen Erwachsenenbevölkerung in Deutschland basiert. fehlende Zufallsstichprobe der Grund Zur Zeit ihrer Aufnahme in die GIP-Langzeitstudie sind die Panelteilnehmerinnen und -teilnehmer gesamtheit auch in anderen Merkmalen zwischen 16 und 75 Jahre alt. Bislang fanden für das GIP drei Rekrutierungsrunden statt: 2012, nicht akkurat abbilden. In ruhigeren Zei- 2014 und 2018. Die ersten beiden Stichproben wurden über ein dreistufiges ADM-Verfahren mit lücken- loser Auflistung der ersten 200 Klingelschilder entlang der Random-Route der gezogenen Start ten führen Schätzungen anhand dieser adressen erstellt. Aus den gelisteten Adressen wurden Haushalte zufällig gezogen und über ein erstes selektiven Online-Befragten-Pools ledig- persönlich-mündliches Interview kontaktiert. Alle Haushaltsmitglieder im teilnahmeberechtigten lich zu Kritik an den Methoden. Wäh- A lter wurden daraufhin zur Onlinestudie eingeladen. Personen, die in Haushalten ohne Computer- und / oder Internetzugang lebten, wurden für die Studienteilnahme mit benutzerfreundlichen Geräten rend einer Krise sind solche fehlleitenden ausgestattet und persönlich unterstützt. 2018 wurde das Stichprobenverfahren des GIP angepasst Schätzungen allerdings besonders ge- und das ADM-Verfahren durch eine zweistufige Einwohnermeldeamtsstichprobe der Städte und Gemeinden ersetzt. Gezogene Personen wurden per Brief (und eventuell einem ersten postalischen fährlich, wenn Entscheidungsträgerinnen Fragebogen) angeschrieben und zur Onlinestudie eingeladen. und -träger ihre Maßnahmen danach Nach der Rekrutierung wurden die neuen Stichproben mit der ersten 2012er-Stichprobe gepoolt ausrichten. Die Coronakrise hat ein Di- und ab diesem Zeitpunkt immer gemeinsam befragt. Jeden zweiten Monat werden alle GIP- lemma offenbart, nach dem verlässliche Mitglieder zu einer 20- bis 25-minütigen Onlinebefragung zu verschiedenen soziologischen, politi- Bevölkerungsdaten überwiegend nicht in schen und ökonomischen Themen eingeladen. Die Wiederbefragungsrate liegt im GIP vergleichs- weise hoch. So nahmen im Jahr 2019 durchschnittlich 62,1 % aller ursprünglichen Panelteilnehme der notwendigen Schnelligkeit und Häu- rinnen und -teilnehmer der drei Rekrutierungsrunden an den zweimonatlichen Befragungen teil. figkeit vorliegen, während uns schnelle Der GIP-Studie liegt eine etablierte Panel-Infrastruktur zugrunde. Diese war unabdingbar bei der unzuverlässige Daten überfluten, in einer erfolgreichen schnellen Umstellung auf die MCS-Erhebungen. Die dabei wichtigsten Aspekte Zeit, in der wissenschaftliche Evidenz waren die rasche Verfügbarkeit zusätzlicher finanzieller Mittel und die entsprechenden innerinstitu- dringend benötigt wird. tionellen Verwaltungsstrukturen, bereits größtenteils automatisierte Datenaustausch- und Daten verarbeitungsprozesse und vor allem ein eingespieltes, engagiertes Operations- und Forschungs In dieser Situation entschied sich am team, das den Mehraufwand der zusätzlichen, kurzfristigen Erhebungen mittrug. 16. März 2020 ein Team an der Universität Für die Mannheimer Corona-Studie (MCS) wurde die Stichprobe des GIP in zufällige Substich- Mannheim, die Mannheimer Corona- proben unterteilt, die jeweils einem spezifischen Wochentag zugeordnet wurden. An jedem Studie (MCS) – eine tägliche Datenerhe- Wochentag erhielt eine der Substichproben per E-Mail eine Einladung zur Tagesstudie. Die ange- schriebenen GIP-Teilnehmerinnen und -Teilnehmer hatten dann 48 Stunden Zeit, sich an der Tages- bung basierend auf der Zufallsstichprobe, studie zu beteiligen. Nach einer Woche wurden die gleichen Personen am gleichen Wochentag der Infrastruktur und den langfristig er- wiederbefragt. So wurden jede Woche in etwa 3 600 Personen befragt. Die Studienteilnehmerinnen hobenen Paneldaten des German Internet und -teilnehmer waren im Alter von 18 bis 83 Jahren. Panels (GIP) – ins Leben zu rufen, um so Die Studieninhalte der MCS deckten zentrale Fragestellungen in den Bereichen Wirtschaft, Politik, den wissenschaftlichen Zwiespalt zwi- Gesellschaft sowie Gesundheit und Gesundheitsverhalten ab. Um Sorge zu tragen, dass die Er- kenntnisse der Studie die gesellschaftliche Lage möglichst exakt widerspiegeln, wurden in einem schen verlässlichen Längsschnittdaten der zweistufigen Verfahren detaillierte Gewichte berechnet. Bevölkerung und schneller, häufiger Diese Methodik erlaubte der MCS, taggenau gesellschaftliche Entwicklungen in Deutschland aus- Datenerhebung zeitnah zu überbrücken. zuwerten und zu beobachten. Um die interessierte Öffentlichkeit sowie Entscheidungsträgerinnen Über 16 Wochen, vom 20. März bis zum und -träger zeitnah über die sich verändernden Gegebenheiten zu informieren, erstellte das Team der MCS jeden Werktag einen Tagesbericht mit einer Fortschreibung der Auswertungen, der online 10. Juli 2020, erhob die Mannheimer Co- zur Weiternutzung frei zur Verfügung gestellt wurde. rona-Studie täglich wirtschafts- und sozi- Die Studie wurde finanziell und ideell durch den DFG-Sonderforschungsbereich 884 »Politische alwissenschaftliche Individualdaten dazu, Ökonomie von Reformen« (139943784) und das Bundesministerium für Arbeit und Soziales wie die Coronakrise das Leben der Men- (FIS.00.00185.20) unterstützt. schen in Deutschland veränderte. Die Er- kenntnisse der Studie wurden prominent durch die Medien aufgegriffen und im Krisenstab, vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales sowie dem Bundesin- ation der Erwerbstätigen in Deutschland 14.2.1 Veränderte Beschäftigungs nenministerium angehörigen Bundesins- während der frühen Phase der Corona situationen in der frühen Phase titut für Bevölkerungsforschung (BiB) ge- krise zu skizzieren. Insbesondere werden der Coronakrise nutzt (siehe auch Kapitel 14.3, Seite 484). Geschlechter-, Bildungs- und Einkom- Im Folgenden werden zentrale Ergebnisse In diesem Kapitel werden die MCS- mensunterschiede beleuchtet, vor allem der Studie zur Entwicklung verschiede- Daten verknüpft mit den langfristigen in Bezug auf die Betroffenheit von Kurz- ner Indikatoren der sozialen Ungleich- GIP-Daten analysiert, um auf diese Weise arbeit und die Möglichkeit, im Homeof- heit in der Erwerbstätigkeit während der die sich verändernde Beschäftigungssitu- fice zu arbeiten. u Info 1 frühen Phase der Coronakrise in Deutsch- 477
14 / Auswirkungen von Corona 14.2 / Soziale Ungleichheit in der Beschäftigungssituation während der frühen Phase der Coronakrise land präsentiert. Die berichteten Er- Arbeitslosigkeit. In alle Auswertungen wählten Zeitpunkten an der Befragung kenntnisse beziehen sich auf die erste werden immer ausschließlich jene Perso- teilgenommen haben, damit deren Über- Welle der Coronapandemie in Deutsch- nen einbezogen, die laut GIP-Erhebung gänge im Zeitverlauf darstellbar sind. land und reichen von Mitte März, kurz im Januar 2020 entweder abhängig oder nach Implementierung der ersten Ein- selbstständig beschäftigt waren. In Bezug 14.2.2 Erwerbsstatus und dämmungsmaßnahmen, bis Anfang Juli auf Arbeitslosigkeit werden folglich nur Arbeitsort im Zeitverlauf 2020, die Zeit der Lockerungen und des die Anteile jener gezeigt, die seit Januar Abbildung 1 gibt zunächst einen Über- zwischenzeitlichen Abflauens der Epide- ihren Job verloren haben, nicht der Be- blick über die Entwicklung der Anteile mie. Die entsprechenden Daten wurden stand aller Arbeitslosen in Deutschland. von Personen in verschiedenen Beschäfti- wiederholt bei denselben Personen erho- Zur grafischen Darstellung werden soge- gungssituationen. Auch in der ersten Er- ben, sodass sie tatsächliche individuelle nannte Alluvial-Plots verwendet, um hebungswoche kurz nach Einsetzen der Situations- und Verhaltensänderungen Übergänge in der Beschäftigungssituation Kontaktbeschränkungen haben 57 % der widerspiegeln. zwischen drei ausgewählten Erhebungs- Beschäftigten mit ihrer üblichen Stun- Die Erwerbstätigkeit der Bürgerinnen wochen zu Beginn (20. bis 26. März), in denzahl weiterhin vor Ort gearbeitet; der und Bürger in Deutschland hat sich wäh- der Mitte (9. bis 15. Mai) und am Ende Anteil von Beschäftigten im Homeoffice rend der Zeit der Kontaktbeschränkun- (3. bis 9. Juli) der Feldphase zu visualisie- lag bei gut einem Viertel. u Abb 1 gen und der wirtschaftlichen Folgen der ren. Für diese Plots werden nur jene Perso- Zu Beginn der Befragung wurde das Coronakrise insbesondere im Hinblick nen selektiert, die an allen drei ausge- Stichtagskonzept umgesetzt. Das heißt, auf zwei Aspekte gewandelt: Erstens ist es zu Veränderungen beim Arbeitsort ge- kommen, da viele Betriebe unmittelbar nach Beginn der Kontaktbeschränkun- gen ihre Mitarbeiterinnen und Mitar u Abb 1 Entwicklung der Beschäftigungssituation (20. März bis 9. Juli 2020) beiter ins Homeoffice geschickt haben be- ziehungsweise ihnen das Arbeiten im Homeoffice teilweise oder vollständig er- laubt wurde. Eine Rückkehr zum Arbei- ten vor Ort erfolgte mit der Rücknahme der Kontaktbeschränkungen, allerdings arbeitet nach wie vor ein Teil der Be- 57,0 54,0 59,9 schäftigten entweder ausschließlich oder teilweise von zu Hause. Zweitens wird das Instrument der Kurzarbeit in der a ktuellen Krise in einem Umfang genutzt, der zuvor in der deutschen Geschichte nicht erreicht wurde. Das betrifft zum 11,5 einen Beschäftigte, die unmittelbar mit 5,8 Einsetzen der Kontaktbeschränkungen freigestellt wurden, beispielsweise im 26,3 Gastgewerbe, und zum anderen Arbeit- 19,3 22,3 nehmerinnen und Arbeitnehmer in jenen Betriebe, die in der Folge von den wirt- 2,9 10,6 schaftlichen Auswirkungen der Krise be- 12,5 9,5 troffen waren. 3,5 1,1 1,3 1,2 1,4 Zur Darstellung dieser Veränderun- 20 .–26. März 9 .–15. Mai 3 .– 9. Juli gen wird die Beschäftigungssituation ver- wendet, die eine gemeinsame Betrachtung vor Ort Homeoffice teils Homeoffice, teils vor Ort Kurzarbeit Freistellung arbeitslos von Arbeitsort und Erwerbsstatus ermög- licht. Entsprechend wird unterteilt nach Arbeiten im üblichen Stundenumfang vor Ort, im üblichen Stundenumfang von Datenbasis: GIP, MCS, gewichtete Ergebnisse aus eigenen Berechnungen zu Hause, Kurzarbeit, Freistellung und 478
Soziale Ungleichheit in der Beschäftigungssituation während der frühen Phase der Coronakrise / 14.2 Auswirkungen von Corona / 14 die Befragten wurden gebeten, ihre Be- rekt aus Beschäftigung, nicht aus Freistel- weiblichen Beschäftigten zumindest ge schäftigungssituation und den Arbeitsort lung, und waren somit eher eine Reaktion legentlich von zu Hause aus. Auch bei am jeweiligen Befragungstag anzugeben. auf den einsetzenden Wirtschaftsab- den Gründen für die Nichtnutzung von In der achten Befragungswoche hat ein schwung als unmittelbar auf die Kontakt- Homeoffice gibt es Geschlechterunter- Wechsel zu einem differenzierteren Er beschränkungen. schiede. So konnte eine andere Studie auf hebungsinstrument stattgefunden. Er- Diese aggregierten Trends könnten Basis der Daten des Linked Personnel werbsstatus und Arbeitsort wurden von jedoch soziale Ungleichheiten verdecken, Panel des Instituts für Arbeitsmarkt- und da an so erhoben, dass Auswertungen da die wirtschaftlichen Folgen der Corona Berufsforschung (IAB) zeigen, dass der zum tageweisen Wechsel des Arbeitsorts pandemie nicht alle Beschäftigten glei- Anteil von Arbeitnehmerinnen und Ar- möglich waren. In der Befragungswoche chermaßen treffen. Wenn negative Aus- beitnehmern, denen trotz technischer 9. bis 15. Mai gaben entsprechend nur wirkungen entlang bereits bestehender Umsetzbarkeit nicht erlaubt wurde, von noch 12 % der Beschäftigten an, aus- Ungleichheitsmuster verteilt sind, ver- zu Hause zu arbeiten, 2014 / 2015 unter schließlich oder überwiegend von zu stärken sie soziale Ungleichheit am Ar- Frauen mit 22 % doppelt so hoch war wie Hause zu arbeiten. Bei knapp 20 % lag beitsmarkt. Im Folgenden wird daher unter Männern. hingegen ein Wechsel zwischen Arbeit u ntersucht, wie sich die Beschäftigungs Insbesondere in den ersten Wochen vor Ort und von zu Hause vor. situation während der Phase der Kontakt- der Kontaktbeschränkungen im Zuge der Zu Beginn der Kontaktbeschränkun- beschränkungen im Geschlechterver- Coronakrise zeigten sich dagegen kaum gen wurde ein hoher Anteil von Beschäf- gleich sowie nach Bildungsstatus und Unterschiede zwischen Männern und tigten zunächst freigestellt, der Anteil Verdienst verändert hat. Frauen in der Nutzung von Homeoffice. von Beschäftigten in Kurzarbeit war hin- Der Anteil lag bei Männern im Durch- gegen noch sehr gering. Im weiteren Ver- 14.2.3 Unterschiede nach schnitt von März und April gut 5 Pro- lauf ist der Anteil von Freistellungen Geschlecht zentpunkte höher als bei Frauen. Im Juli stark gesunken und der Anteil von Kurz- Um Ungleichheit in der Nutzung von fiel der Anteil der Beschäftigten, die aus- arbeit spiegelbildlich gestiegen. Einige Homeoffice beurteilen zu können, wird schließlich oder überwiegend im Home- der zunächst freigestellten Personen die Situation während des Corona-Lock- office arbeiteten, bei Männern und Frauen kehrten rasch wieder zur Arbeit vor Ort downs mit Informationen aus der GIP- mit etwa 6 % ähnlich niedrig aus. Auf zurück, ein kleinerer Teil ging in Kurz Befragung im Januar 2020 verglichen. Zu fällig ist, dass etwa zwei Drittel der Frauen arbeit über. Die stärksten Zugänge in diesem Zeitpunkt arbeiteten rund 23 % im Juli wieder ausschließlich vor Ort ar- Kurzarbeit erfolgten im Zeitverlauf di- der männlichen, aber nur etwa 16 % der beiteten. Bei den Männern war das nur bei 41 Prozent der Menschen mit hoher Schulbildung arbeiteten Ende März 3 2020 von zu Hause. Bei den Personen mit niedriger Bildung waren es nur knapp 13 Prozent. Prozent der Personen mit niedrigen Einkommen wurden im Verlauf der ersten Phase der Pandemie von Ende März bis Anfang Juli arbeitslos. Bei der oberen Einkommensgruppe kamen Übergänge in Arbeitslosigkeit kaum vor. 479
14 / Auswirkungen von Corona 14.2 / Soziale Ungleichheit in der Beschäftigungssituation während der frühen Phase der Coronakrise etwas mehr als der Hälfte (55 %) der Fall. Verringerung der Geschlechterunterschie- für die aktuelle Situation liefert die For- Sie praktizierten dafür häufiger einen de beitragen. Die Tatsache, dass weibliche schung Hinweise darauf, dass die Ver- Wechsel zwischen Homeoffice und Arbeit Beschäftigte bereits in der Zeit bis An- breitung von Kurzarbeit unter Frauen vor Ort. Somit kehrten Frauen – trotz der fang Juli schneller und umfassender wie- niedriger ist als unter Männern. Mit den anfänglich ähnlichen Anteile im Home der zur Arbeit vor Ort zurückgekehrt Daten der Mannheimer Corona-Studie office – schneller und umfassender wieder sind, ist jedoch eher als Zeichen für eine können Unterschiede in der Betroffenheit zur Arbeit vor Ort zurück als Männer. u Abb 2 Rückkehr zu den vormaligen Ungleich- von Kurzarbeit zwischen den Geschlech- Da in den ersten Wochen der Kon- heiten zu interpretieren. tern in der zeitlichen Abfolge genauer be- taktbeschränkungen kaum Unterschiede Die bislang vorliegenden Studien zu leuchtet werden. in der Nutzung von Homeoffice zwischen den Auswirkungen der Coronapandemie Abbildung 3 bezieht sich nur auf jene Männern und Frauen zu beobachten wa- auf die Beschäftigungsstruktur und -ent- Personen, die im Analysezeitraum zu ren, kann vermutet werden, dass vor der wicklung deuten darauf hin, dass dieses mindestens einem Zeitpunkt in Kurzar- Pandemie auch kulturelle Faktoren, wie Mal Frauen von den negativen Krisenfol- beit waren – das trifft auf rund 15 % der die Einstellungen der Arbeitgeber und gen stärker betroffen sind als in früheren Frauen und knapp 24 % der Männer zu – Vorgesetzten, einer stärkeren Nutzung Wirtschaftskrisen. Während der Finanz- und zeigt deren Beschäftigungsstatus in von Homeoffice unter Arbeitnehmerin- markt- und Wirtschafskrise 2008 / 2009 der ersten, der mittleren und der letzten nen im Weg standen. Sollten Betriebe wurde Kurzarbeit in Deutschland insbe- Befragungswoche. Von Kurzarbeit betrof- und Vorgesetzte nun positive Erfahrun- sondere in männlich dominierten Indus- fene Frauen waren häufiger als Männer gen mit Homeoffice machen und dies zu- triesektoren zur Vermeidung von Arbeits- sehr rasch nach Inkrafttreten der Kon- künftig mehr Mitarbeiterinnen ermögli- losigkeit genutzt. Die Erwerbsquoten von taktbeschränkungen in Kurzarbeit ge- chen, so könnte die Corona-Situation in Frauen in Teilzeitarbeit und Minijobs wechselt. In der Folgezeit sind jedoch diesem Punkt möglicherweise zu einer sind damals hingegen gestiegen. Auch mehr Kurzarbeiterinnen schnell wieder u Abb 2 Entwicklung der Beschäftigungssituation nach Geschlecht (20. März bis 9. Juli 2020) Männer Frauen 56,9 52,6 55,1 57,1 55,8 65,7 12,4 5,7 10,3 23,3 6,0 28,9 17,8 24,4 21,1 2,7 19,8 3,0 13,3 12,2 7,0 15,5 6,2 10,0 2,5 0,9 4,9 1,4 1,2 1,4 1,8 1,4 0,8 1,0 20 .– 26. März 9 .–15. Mai 3 .– 9. Juli 20 .– 26. März 9 .–15. Mai 3 .– 9. Juli vor Ort Homeoffice teils Homeoffice, teils vor Ort Kurzarbeit Freistellung arbeitslos Datenbasis: GIP, MCS, gewichtete Ergebnisse aus eigenen Berechnungen 480
Soziale Ungleichheit in der Beschäftigungssituation während der frühen Phase der Coronakrise / 14.2 Auswirkungen von Corona / 14 zu ihrer regulären Stundenzahl zurück gen, dass die Situation fragil bleibt. Da- (ohne Schulabschluss oder mit Haupt- gekehrt, wohingegen sich der Anteil der her kann zum gegenwärtigen Zeitpunkt schulabschluss), mittlerer (Mittlere Reife) männlichen Kurzarbeiter später, aber noch nicht beurteilt werden, ob es im und hoher (Fach- / Hochschulreife) Schul- dann stärker erhöht hat. So war Anfang weiteren Verlauf der Pandemie zu einer bildung unterschieden. Abbildung 5 zeigt Juli die Hälfte der von Kurzarbeit betroffe- Verstärkung der Geschlechterungleich- das persönliche Nettoeinkommen vor Be- nen Frauen schon wieder regulär beschäf- heit zuungunsten von Arbeitnehmerin- ginn der Coronap andemie. Auch hier tigt; bei den von Kurzarbeit betroffenen nen kommt. werden drei Gruppen differenziert: Per Männern war es nur gut ein Drittel. u Abb 3 sonen mit niedrigem Einkommen von Somit ist für Deutschland festzustel- 14.2.4 Unterschiede zwischen Bil weniger als 1 000 Euro, Personen mit len, dass Frauen im bisherigen Verlauf dungs- und Einkommensgruppen mittlerem Einkommen zwischen 1 000 der Coronakrise stärker von Kurzarbeit Bildung und Einkommen gehören zu den und 2 500 Euro sowie Personen mit ei- betroffen waren als in der letzten Wirt- wichtigsten Dimensionen der sozialen nem hohen Einkommen von mehr als schafts- und Finanzkrise, jedoch eher Ungleichheit. Es stellt sich somit die Frage, 2 500 Euro. u Abb 4, Abb 5 kurzfristige Phasen der Kurzarbeit auf- ob die Coronakrise die bestehende so Die Gruppe der freigestellten Arbeit- wiesen. Frauen arbeiten eher in jenen ziale Ungleichheit am Arbeitsmarkt ver- nehmerinnen und Arbeitnehmer ist äu- Branchen, die unmittelbar und sehr stark stärkt und untere Bildungs- und Einkom- ßerst heterogen. Zum einen wurden in der von den Kontaktbeschränkungen betrof- mensgruppen von den negativen wirt- Zeit des Corona-Lockdowns insbesondere fen waren, beispielsweise Gastronomie, schaftlichen Folgen besonders betroffen Personen im Bildungsbereich, wie verbe- Kultur und Tourismus. Mit der Rücknah- sind (siehe auch Kapitel 14.4, Seite 490). amtete Lehrerinnen und Lehrer, mit fort- me der Beschränkungen ging auch die Abbildung 4 zeigt die Beschäftigungssitu- laufenden Bezügen freigestellt. Zum an- Kurzarbeit in diesen Branchen zurück. ation unterteilt nach dem höchsten Schul- deren betrafen die Freistellungen auch Jedoch zeigen die kurzfristigen Änderun- abschluss. Dabei wird zwischen niedriger Personen, die als Minijobber beispiels u Abb 3 Übergänge in und aus der Kurzarbeit nach Geschlecht (20. März bis 9. Juli 2020) Männer Frauen 26,5 34,9 38,0 49,2 58,3 68,5 69,6 59,8 64,2 23,5 50,5 14,8 15,7 15,6 1,9 1,1 3,9 0,9 2,6 0,3 0,3 20 .– 26. März 9 .–15. Mai 3 .– 9. Juli 20 .–26. März 9 .–15. Mai 3 .– 9. Juli Erwerbstätigkeit mit der Kurzarbeit Freistellung arbeitslos üblichen Stundenzahl Nur von Kurzarbeit betroffene Personen. Datenbasis: GIP, MCS, gewichtete Ergebnisse aus eigenen Berechnungen 481
14 / Auswirkungen von Corona 14.2 / Soziale Ungleichheit in der Beschäftigungssituation während der frühen Phase der Coronakrise u Abb 4 Entwicklung der Beschäftigungssituation nach Schulabschluss (20. März bis 9. Juli 2020) niedrige Schulbildung mittlere Schulbildung hohe Schulbildung 44,8 37,9 45,5 66,6 69,8 69,3 66,6 63,5 71,1 18,8 9,8 6,8 41,2 5,2 0,9 12,9 16,8 4,0 31,2 34,1 7,9 10,6 11,0 4,8 14,4 3,1 13,1 15,9 12,9 1,8 14,1 8,3 7,8 8,1 11,9 2,4 1,6 4,1 0,7 11,3 3,6 1,4 1,6 1,5 1,7 1,6 1,7 1,6 1,0 0,7 1,2 20 .– 26. März 9 .–15. Mai 3 .– 9. Juli 20.– 26. März 9 .–15. Mai 3 .– 9. Juli 20 .–26. März 9 .–15. Mai 3 .– 9. Juli vor Ort Homeoffice teils Homeoffice, teils vor Ort Kurzarbeit Freistellung a rbeitslos Datenbasis: GIP, MCS, gewichtete Ergebnisse aus eigenen Berechnungen weise im Gast- und Reinigungsgewerbe war als in der mittleren Einkommens- Einkommensgruppe arbeiteten Ende beschäftigt sind. Für diese Personengrup- gruppe. In der ersten Phase der Kontakt- März 2020 nur 13 beziehungsweise 18 % pe bestand während der Freistellung oft- beschränkungen war in der unteren Ein- von zu Hause, in der oberen Einkom- mals keine Lohnfortzahlung und auf- kommensgruppe fast ein Viertel freige- mensgruppe waren es über 40 %. Diese grund der fehlenden Sozialversicherung stellt, darunter befanden sich gut 7 % Unterschiede blieben im Verlauf bis An- keine Möglichkeit, Kurzarbeitergeld zu Freistellungen ohne Lohnfortzahlung. fang Juli stabil. In der oberen Bildungs- empfangen. Zu Beginn der Erhebungszeit Die Betroffenheit von Arbeitslosigkeit gruppe arbeiteten auch zuletzt noch 10 % Ende März 2020 waren in allen Bildungs- variiert ebenfalls stark nach Bildungs- ausschließlich oder überwiegend von zu gruppen deutlich mehr Beschäftigte von und Einkommensgruppen. In der unte- Hause; mehr als ein Drittel wechselte der Arbeit freigestellt als in Kurzarbeit ren Einkommensgruppe lag der Anteil zwischen Homeoffice und der Arbeit vor (siehe Abbildung 4). Für Letztere liegen von Personen, die im Erhebungszeitraum Ort. Unter Personen mit niedrigem Schul- die Anteile in allen Bildungsgruppen bei arbeitslos wurden, weitaus höher als in abschluss traf das auf nur etwa 1 bezie- unter 5 % der Beschäftigten. Im Zeitver- den anderen Gruppen. Während in der hungsweise 11 % zu. Unter Personen mit lauf fand dann eine Verschiebung hin zur oberen Einkommensgruppe Übergänge mittlerem Schulabschluss waren die je- Kurzarbeit statt. In der unteren Bildungs- in die Arbeitslosigkeit praktisch keine weiligen Anteile nur etwa halb so hoch gruppe stieg der Anteil von Beschäftigten Rolle spielten und in der mittleren Ein- wie in der oberen Bildungsgruppe. in Kurzarbeit im Zeitverlauf stetig an, kommensgruppe nur gut 1 % im Verlauf Insgesamt zeigt sich, dass Bildungs- wohingegen in der mittleren Bildungs- arbeitslos wurde, betraf Arbeitslosigkeit unterschiede vor allem im Hinblick auf gruppe der höchste Wert Mitte Mai er- gut 3 % der Personen in der unteren Ein- unterschiedliche Arbeitsorte – vor Ort, reicht wurde und Anfang Juli schon wie- kommensgruppe. zu Hause oder im Wechsel – zutage treten, der gesunken war. Dieses Muster zeigt Ebenso wie die Betroffenheit von Kurz- wohingegen bei der Betroffenheit von sich in der Tendenz ebenso für die Diffe- arbeit und Arbeitslosigkeit wies auch der Freistellungen und Arbeitslosigkeit stär- renzierung nach Einkommensgruppen Arbeitsort klare Unterschiede nach Bil- kere Unterschiede nach Verdienstgruppen (siehe Abbildung 5). Hier fällt besonders dungsstatus und Verdienst auf (siehe auch zu erkennen sind. Arbeit von zu Hause auf, dass die Prävalenz von Kurzarbeit in Kapitel 14.3.1, Seite 484, und Kapitel 14.4.2, stellt sich dabei als Privileg der oberen der unteren Einkommensgruppe geringer Seite 493). In der unteren und mittleren Bildungsgruppen dar. Freistellungen und 482
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