BARDEM, BERLANGA UND BUÑUEL - FEBRUAR BIS 2. APRIL 2020 - Österreichisches Filmmuseum

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BARDEM, BERLANGA UND BUÑUEL - FEBRUAR BIS 2. APRIL 2020 - Österreichisches Filmmuseum
27. FEBRUAR BIS 2. APRIL 2020

BARDEM, BERLANGA UND BUÑUEL
Die »drei Bs« des spanischen Kinos
JERUSALEM CINEMATHEQUE Carte blanche
IN PERSON Philipp Fleischmann
DER MOND
www.filmmuseum.at
Willkommen im
Österreichischen Filmmuseum
Das Österreichische Filmmuseum widmet sich seit 1964 der Samm-
lung, Bewahrung, Erforschung und Vermittlung des Mediums Film in
all seinen Aspekten. Das beinhaltet ganz zentral die Ausstellung und
Vermittlung von Film – als Kunstform, Kulturtechnik und Zeitdokument
– in unserem Kinosaal, dem »Unsichtbaren Kino« in der Albertina.
    Wir zeigen Werke aus der Geschichte des Films grundsätzlich im
jeweiligen Originalformat und in den weltweit bestmöglich erhalte-
nen Filmkopien (35mm bzw. 16mm). Werke, die ursprünglich auf
Video bzw. digital hergestellt oder präsentiert wurden, werden digi-
tal projiziert. In seltenen Fällen präsentieren wir auf Film hergestellte
Werke digital: Dies geschieht jeweils aus kuratorischen oder konser-
vatorischen Gründen und wird speziell ausgewiesen.
    Filme werden bei uns grundsätzlich in ihrer originalen Sprachfas-
sung gezeigt und gegebenenfalls untertitelt. Für unsere internationa-
len Gäste weisen wir Vorführungen in englischer Sprache bzw. Unter-
titelfassung gesondert aus (siehe Legende S. 2).

Screenings in English or with English subtitles
are marked with this symbol ★

INHALT
Allgemeine Informationen 2
Bardem, Berlanga und Buñuel 3
Der Mond 33
Carte blanche: Jerusalem Cinematheque 35
In Person. Philipp Fleischmann 38
Interkulturelle Filmbildung 41
Schule im Kino 42
Zyklisches Programm. Was ist Film 43–52 43
Spielplan. Alle Filme von 27. Februar bis 2. April 2020 47
Dank/Impressum 51

Innerhalb eines Themas sind die Filme in der Reihenfolge
ihrer Programmierung geordnet.
ALLGEMEINE INFORMATIONEN
SPIELORT/VEREINSSITZ
1010 Wien, Augustinerstraße 1
TICKETS
Kassaöffnungszeiten: Montag bis Freitag ab 15 Uhr, an Wochenenden und Feiertagen
geöffnet ab einer Stunde vor Beginn der ersten Vorführung. Bei großem Andrang werden ab
30 Minuten vor Beginn nur mehr Karten für die unmittelbar bevorstehende Vorführung verkauft.
Einzelkarte für Mitglieder sowie Kinder und Jugendliche bis 18: 6 Euro
Ermäßigung für Studierende mit Mitgliedschaft: 5 Euro bzw. 3 Euro für Zyklus
Zehnerblock (für Mitglieder): 45 Euro
Einzelkarte inklusive Gastmitgliedschaft: 10,50 Euro
Jahresmitgliedschaft: 13,50 Euro
Partnermitgliedschaft: 23 Euro
Beitritt zwischen Jänner und Juni, gültig bis Jahresende.
Informationen zur Fördernden Mitgliedschaft auf Seite 51 und
auf unserer Website www.filmmuseum.at
RESERVIERUNGEN
T +43/1/533 70 54 oder www.filmmuseum.at. Reservierte Karten müssen
spätestens 30 Minuten vor Beginn der jeweiligen Vorstellung abgeholt werden.
BÜRO/BIBLIOTHEK
1010 Wien, Hanuschgasse 3, Stiege 5, 2. Stock
Bibliothek: Mo & Mi, 12–18 Uhr; Katalog online unter www.filmmuseum.at
Videosichtungsplatz für Studienzwecke: Mi 12–18 Uhr (gegen Voranmeldung)
Büro: Mo bis Do 10–18 Uhr, Fr 10–13 Uhr, T 01/533 70 54, E-Mail office@filmmuseum.at
SAMMLUNGEN
1190 Wien, Heiligenstädter Straße 175 (Hof), T 01/533 70 54 -232

ABKÜRZUNGEN
R Regie B Drehbuch K Kamera S Schnitt M Musik
D Darsteller E Erzählstimme UT Untertitel ZT Zwischentitel
• Veranstaltungen mit Gästen oder Einführungen ★ English language or subtitles

TEXTE VON
David Asenjo Conde, Alejandro Bachmann, Christoph Huber, Stefan Huber,
Michael Loebenstein, Ivana Miloš, Harry Tomicek

MÄRZ 2020                                                                      2
27. FEBRUAR BIS 2. APRIL 2020

Las Tres Bes
Bardem, Berlanga und Buñuel

Der spanische Regisseur Luis Buñuel (1900–1983) ist einer der großen Calle Mayor
Klassiker des Kinos und ein fixer Bezugspunkt für das Österreichische (1956,
                                                                       J. A. Bardem)
Filmmuseum, das sein größtenteils im Exil entstandenes Werk immer
wieder gezeigt hat. Wenn nun dieses Monat eine Auswahl seiner
Filme aus unserer Sammlung wiederaufgeführt wird, ist es erstmals,
um auch einen Kontext zu schaffen: Nämlich für die Filme zweier an-
derer spanischer Meisterregisseure, die in der Nachkriegszeit zu
Weltruhm aufstiegen, inzwischen aber ihrer großen Wiederentde-
ckung harren. Im Zentrum des Märzprogramms stehen eigentlich
Juan Antonio Bardem (1922–2002) und Luis García Berlanga (1921–
2010), die in ihrer Heimat gemeinsam mit Buñuel schlicht als »las Tres
Bes« – die »drei Bs« – des nationalen Kinos gelten.

MÄRZ 2020 Bardem, Berlanga und Buñuel                                 3
FILMOTECA ESPAÑOLA

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                                                                                              milagro (1957,
                                                                                              L. G. Berlanga)

                        Dabei ist es ein stimmiger Ansatz, die Werke von Bardem und
                     Berlanga zu kombinieren: Ihre Werke werden in Filmgeschichte und
                     -kritik zwar oft miteinander verglichen, aber dennoch bot kaum je
                     eine gemeinsame Retrospektive die Möglichkeit, ihre miteinander
                     verflochtene Entwicklung zu würdigen, die sie zu unterschiedlichen
                     Entwürfen geführt hat: zu engagierter Solidarität, »kritischem Zeug-
                     nis« und akribischem Ästhetizismus bei Bardem; zu satirischen
                     Röntgenaufnahmen der Gesellschaft, zur fatalen Vernichtung des
                     freien Willens und zum grotesken Humor bei Berlanga. Nach dem
                     Zweiten Weltkrieg (und seit dem Exil von Luis Buñuel) sind Bardem
                     und Berlanga die zwei herausragenden Regisseure, die sich mit ihren
                     Filmen dem offiziellen Kino der Franco-Diktatur dissident entgegen-
                     stellen, was durch eine sorgfältige Auswahl aus ihrem Werk bei dieser
                     Filmschau unterstrichen wird.
                        Kurz soll Berlangas und Bardems Werdegang skizziert werden:
                     Den Beginn markiert die Zusammenarbeit an der neorealistischen
                     cinephilen Komödie Esa pareja feliz (Dieses glückliche Paar, 1951/53).
                     Mitte der 1950er bilden die beiden Filmemacher das Zentrum der
                     filmischen Erneuerung Spaniens. In Bienvenido Mister Marshall (Will-
                     kommen, Mr. Marshall, 1952) parodiert Berlanga den Ausschluss Spa-
                     niens von der US-Nachkriegshilfe, während Bardem mit drei Werken

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besticht: Cómicos (Schauspieler, 1954) über eine unerschütterliche
theatrale Leidenschaft, Muerte de un ciclista (Tod eines Radfahrers,
1955), der zu einem Manifest des realistischen Films wurde, und Calle
Mayor (Hauptstraße, 1956), über die bittere Enttäuschung einer ver-
träumten, unverheirateten Frau aus der Provinz.
    Als die beiden Filmemacher – durchaus nicht ohne Schwierigkei-
ten – ihre kreative Blüte erreichen, geraten sie im Lauf des folgenden
Jahrzehnts in ernsthafte Konflikte mit der Regierung, nachdem ihre
Filme auf internationalen Festivals gezeigt werden und diverse
Hauptpreise gewinnen. El Verdugo (Der Henker, 1963) ist ein Plädoyer
gegen die Todesstrafe in Berlangas unverwechselbarem Stil und
Buñuels Viridiana (1961), dessen Produktion Bardem unterstützt, wird
gleich darauf verboten. Solche Anfeindungen, die Etablierung neuer
Kinostrukturen, kommerzielle Turbulenzen und der Verlust der Sym-
pathie der Filmkritik für Bardem führen dazu, dass Berlangas und
Bardems Karrieren bis zum Tod Francos 1975 von Phasen der Untätig-
keit gekennzeichnet sind. Dazu kommen Verzögerungen, Projektver-
bote, Arbeitsexil und Auftragsarbeiten, die sich weit von den eigent-
lichen Intentionen der Regisseure entfernen.
    Erst der Übergang zur Demokratie und die neuen Freiheiten veran-
lassen die beiden dazu, sich neu zu erfinden. Bardem, ein prominen-
tes Mitglied der Kommunistischen Partei Spaniens (PCE) und stets
ihren strategischen Parolen treu, verabschiedet sich von Symbolis-
men und Anspielungen zugunsten direkterer filmischer Formen. Er
dreht das gewerkschaftsnahe Road Movie El puente (Die Brücke, 1976)
und rekonstruiert in Siete días de enero (Sieben Tage im Jänner,
1978) das tragische Attentat auf Arbeitsrechtler im Jahr 1977. In Die
Mahnung (1982) erinnert er an den bulgarischen Politiker Grigori
Dimitroff, der in den 1930ern bei einem Schauprozess der National-
sozialisten die kommunistische Beteiligung am Reichstagsbrand
widerlegt und die Bildung von Volksfronten vorangetrieben hatte.
    Berlanga hingegen richtet in seiner letzten Phase den vielstimmi-
gen Sarkasmus der treibenden Kräfte der Gesellschaft und der unter-
privilegierten Klassen – die bereits in Los jueves, milagro (Donners-
tags, Wunder, 1957) und vor allem in Plácido (1961) eine Rolle spielen
– auf die dekadenten Eliten und die neuen Machtstrukturen, etwa in
La escopeta nacional (Das nationale Gewehr, 1978). Er greift auch frü-
here gescheiterte Projekte wieder auf, wie zum Beispiel eine Szene
aus Bienvenido Mister Marshall, die damals nicht gedreht werden

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durfte: 50 Jahre später macht Berlanga daraus den Kurzfilm El sueño
de la maestra (Der Traum der Lehrerin, 2002).
   Langfilme werden teilweise mit kurzen Werken kombiniert, die
mit ihnen in Dialog treten. De Kuleshov a Berlanga (Von Kuleshov zu
Berlanga, Guillermo García-Ramos, 2004) schildert einen Streit der
Filmemacher während der Dreharbeiten zu Esa pareja feliz; der
Künstler Pierre Molinier, Schöpfer von [Mes jambes] (Meine Beine,
1965), hat Berlangas Tamaño natural (Lebensgroß, 1973) durch seine
Fotomontagen und Transvestiten-Selbstporträts beeinflusst, in denen
er mit weiblichen Schaufensterpuppen androgyn verschmilzt. Die
Gegeninformations-Dokumentationen Amnistía y libertad (Amnestie
und Freiheit, 1976) und Hasta siempre en la libertad (Für immer in
Freiheit, 1977), vom Madrider Filmkollektiv in den letzten Etappen der
Diktatur heimlich gefilmt und projiziert, erweitern die Vorführungen
von El puente und Siete días de enero, die als verwandte Fiktionen des
Genossen Bardem kommerziell vertrieben wurden.
   Eine Anmerkung zur Geschlechterpolitik sollte noch gemacht
werden: Bei Bardem ist die Situation der benachteiligten Frau in
Filmen wie Calle Mayor und in dessen Quasi-Nachfolger Nunca pasa
nada (Es passiert nie etwas, 1963) ein wichtiges Thema. Aber es gilt
auch, die defätistische Frauenfeindlichkeit von Berlanga aufzuzeigen,
die sich in einer Angst vor der Überlegenheit der Frauen äußert – ins-
besondere im faszinierenden Werk Tamaño natural zu sehen.
   Es wäre noch viel über die fünf Jahrzehnte aktiver Filmarbeit der
beiden Regisseure zu sagen: Berlanga etwa war Präsident der Filmo-
teca Española und entwarf vor seiner Zusammenarbeit mit dem
Drehbuchautor Rafael Azcona die mediterranen Zufluchtsorte von
Novio a la vista (Ein Freund taucht auf, 1953) und Calabuch (1956). Für
das Wiener Kinopublikum noch ein exzentrischer Gag zum Schluss:
Berlanga erwähnt in seinen Filmen immer wieder die vergangene
»Österreichisch-Ungarische Monarchie«, als handle es sich dabei um
einen Glücksbringer. Sind Sie bereit für eine cinephile Zitatsuche?
(David Asenjo Conde)

Die Retrospektive findet mit großzügiger Unterstützung der
Spanischen Botschaft in Wien statt.
David Asenjo Conde, Filmhistoriker, Spezialist für spanisches Kino und Kurator
der Bardem-Berlanga-Auswahl, wird die Schau mit Einführungen begleiten.

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Bienvenido Mister Marshall (Willkommen, Mr. Marshall)
R: L. G. Berlanga B: L. G. Berlanga, J. A. Bardem, Miguel Mihura K: Manuel
Berenguer S: Pepita Orduña M: Jesús García Leoz D: Lolita Sevilla, Manolo Morán,
José Isbert. Spanien, 1952, 35mm, sw, 78 min.* Spanisch mit engl. UT ★
DANACH: El sueño de la maestra (Der Traum der Lehrerin)
R, B: L. G. Berlanga K: Domingo Solano M: José Antonio Sánchez D: Luisa Martín,
Santiago Segura. Spanien, 2002, 35mm, Farbe, 13 min.** Spanisch mit engl. UT ★
Ein spanisches Provinzdörfchen gerät in helle Aufruhr, als die Ankunft                DONNERSTAG
einer US-Delegation annonciert wird. Um am Marshall-Plan-Dollar-                      27.2. / 19.00
segen mitzuschneiden, errichtet man ein potemkinsches Dorf, das                        • Einführung
magisches andalusisches Flair (samt Flamenco-Tänzerin) verströmen                     von David Asenjo
                                                                                      Conde
soll und versteigt sich in absurde Amerika-Träume … Mit Bienvenido
Mister Marshall trat das spanische Kino aus dem repressiven Schatten                  FREITAG
der Franco-Diktatur auf die internationale Bühne: In Cannes gab                       13.3. / 21.00
es den Preis für die beste Komödie, Luis García Berlanga und Juan
Antonio Bardem spezialisierten sich mit Welterfolgen auf subversive                   *Courtesy ICAA
Gesellschaftsstudien. Parallel zur Entwicklung Richtung Commedia                      **Courtesy
all’italiana gestaltet Bienvenido Mister Marshall eine spanische Selbst-              Filmoteca
                                                                                      Española
bild-Satire in täuschend liebevollem Plauderton: Erinnerungen an die
Unterentwicklung. Als Nachschlag: Berlangas letzter (Kurz-)Film, die
Rekonstruktion einer Marshall-Szene, die wegen der Franco-Zensur
nicht gedreht werden durfte – in verschärfter Modernisierung. (C. H.)

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Calle Mayor (Hauptstraße)
R, B: J. A. Bardem nach einem Theaterstück von Carlos Arniches K: Michel Kelber
S: Margarita Ochoa M: Joseph Kosma, Isidro B. Maiztegui D: Betsy Blair, José
Suárez, Yves Massard, Dora Doll. Spanien/Frankreich, 1956, 35mm, sw, 99 min.
Spanisch mit engl. UT ★
In einer spanischen Kleinstadt vertreibt sich eine Gruppe gelangweil-                 DONNERSTAG
ter Müßiggänger mittleren Alters die Zeit mit einem Streich: Juan,                    27.2. / 21.00
einer von ihnen, soll die einsame Mittdreißigerin Isabella (bewegend:                  • Einführung
Betsy Blair, von der Kommunistenjagd aus Hollywood vertrieben) ver-                   von David
                                                                                      Asenjo Conde
führen, die noch immer auf den Mann fürs Leben wartet. Beim jähr-
lichen Großen Ball wollen sie Isabella dann mit der Wahrheit blamie-                  SAMSTAG
ren. Doch Isabellas Hoffnungen durch das unerwartete Glück offen-                     21.3. / 19.00
baren eine Gefühlstiefe und Aufrichtigkeit, die Juan zunehmend
zusetzt. Allein fehlt ihm der Mut, dem grausamen Spiel ein Ende zu                    Courtesy ICAA
setzen. Bardems großer Frauenfilm speist sich aus mehreren literari-
schen Quellen, aber es ist vor allem die packende visuelle Umsetzung
und die darstellerische Intensität, die seiner feministisch grundierten
Kritik an Heuchelei und sozialer Kälte zeitlose Kraft gibt – eine kriti-
sche Haltung, die zum Politikum wurde, als die Dreharbeiten wegen
Bardems Verhaftung unterbrochen werden mussten. (C. H.)

Esa pareja feliz (Dieses glückliche Paar)
R, B: J. A. Bardem, L. G. Berlanga K: Guillermo Goldberger S: Pepita Orduña
M: Jesús García Leoz D: Fernando Fernán Gómez, Elvira Quintillá, Félix Fernández.
Spanien, 1951/1953, 35mm, sw, 80 min.* Spanisch mit engl. UT ★
DAVOR: De Kuleshov a Berlanga (Von Kuleshov bis Berlanga)
Ein Film von Guillermo García-Ramos D: G. García-Ramos, Luis García Berlanga.
Spanien, 2004, 35mm, Farbe, 13 min. Spanisch mit dt. UT
Ein junges Ehepaar kämpft mit finanziellen Nöten: Er arbeitet im Film-                 FREITAG
studio, sie probiert es mit Gewinnspielen. Genau im unpassendsten                     28.2. / 19.00
Moment werden sie von einer Seifenfirma als »Dieses glückliche                          • Einführung
Paar« auf 24 Stunden Luxusleben eingeladen. Beeinflusst vom Neo-                       von David
                                                                                      Asenjo Conde
realismus konzipierten Berlanga und Bardem ihre Kritik an der Kon-
sumgesellschaft und ihren falschen Glücksversprechen, während sie                     MONTAG
Seitenhiebe an die franquistische »Kinokultur« austeilten. Ihr gemein-                16.3. / 19.00
sames Spielfilmdebüt war einer der ersten dissidenten Filme unter
der Franco-Diktatur. Der Vorfilm basiert auf einer Auseinanderset-                     *Courtesy ICAA
zung des Regieduos bei den Dreharbeiten zu Esa pareja feliz – das
letzte Wort hat in einem Gastauftritt Berlanga höchstselbst. (C. H.)

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FILMOTECA ESPAÑOLA

                                                                                                         Esa pareja
                                                                                                         feliz

                     Muerte de un ciclista (Der Tod eines Radfahrers)
                     R: J. A. Bardem B: J. A. Bardem nach einem Drehbuch von Luis Fernando de Igoa
                     K: Alfredo Fraile S: Margarita Ochoa M: Isidro B. Maiztegui D: Lucía Bosè,
                     Alberto Closas, Otello Tosso. Spanien/Italien, 1955, 35mm, sw, 88 min.
                     Spanisch mit engl. UT ★
                     María (Lucia Bosè) und Universitätsprofessor Juan (Alberto Closas)                  FREITAG
                     haben eine heimliche Affäre. Bei einem gemeinsamen Ausflug über-                     28.2. / 21.00
                     fahren sie versehentlich einen Radfahrer und begehen Fahrerflucht.                    • Einführung
                     Im desillusionierten Bürgerkriegskämpfer Juan regt sich das Gewis-                  von David
                                                                                                         Asenjo Conde
                     sen, als er vom Tod des Unfallopfers in der Zeitung liest. Er löst un-
                     beabsichtigt Studentenproteste aus, während María auf den Ober-                     SAMSTAG
                     schicht-Partys ihres Gatten von einem Kunstkritiker erpresst wird. Mit              28.3. / 21.00
                     Muerte de un ciclista wurde Bardem schlagartig als einer der heraus-
                     ragenden Gegenwartsregisseure entdeckt: Seine Fusion von Noir und                   Courtesy ICAA
                     Gesellschaftskritik zeigt noch den Einfluss von Antonionis Regiedebüt
                     Cronaca di un amore (dessen Hauptdarstellerin Bosè der Regisseur
                     importierte), aber der avancierte Ästhetizismus mit seinen kühnen
                     Kadragen und decouvrierenden Schnittfolgen offenbart Bardems
                     ureigene Handschrift, ebenso wie die (kaum) verschlüsselte, vernich-
                     tende Kritik an einer korrumpierten Gesellschaft. (C. H.)

                     MÄRZ 2020 Bardem, Berlanga und Buñuel                                           9
Viridiana
R: Luis Buñuel B: Luis Buñuel, Julio Alejandro K: José Fernández Aguayo
S: Pedro del Rey M: Händel, Mozart, Beethoven D: Silvia Pinal, Fernando Rey,
Francisco Rabal. Mexiko/Spanien, 1961, 35mm, sw, 91 min. Spanisch mit dt. UT
Luis Buñuels Filme provozierten oft heftige Skandale, doch als Feind                SAMSTAG
vorgefasster Meinungen verweigerte er es, daran Anteil zu nehmen:                   29.2. / 19.00
»Ich achte Personen, die leben, was sie bewegt.« Für keines seiner
Werke gilt dies mehr als für Viridiana: ein Skandalfilm über den religi-             FREITAG
ösen Eifer einer Novizin, eine Komödie ohne Humor, eine Tragödie                    13.3. / 19.00
von souveräner Gelassenheit, glasklar realistisch und surrealistisch
zugleich. Weder der mit hochgezogenem Rock »fotografierten«
Bettlerorgie, einfrierend zu einem Zitat von Leonardos »Abendmahl«,
noch anderen schockierenden Szenen unterlag blasphemische
Absicht. Viridiana stellt die christliche Moral, Luis Buñuels Herkunft,
ganz von innen dar, indem er sie von außen viviseziert: der letzte
christliche Film, erschaffen von einem leidenschaftlichen Mann, der
nicht gläubig ist. (H. T.)

Tamaño natural (Lebensgroß)
R: L. G. Berlanga B: L. G. Berlanga, Rafael Azcona K: Alain Derobe S: François
Donnot M: Maurice Jarre D: Michel Piccoli, Rada Rassimov, Valentine Tessier.
Frankreich/Italien/Spanien, 1974, 35mm, Farbe, 100 min.* Spanisch mit engl. UT ★
DAVOR: [Mes jambes] (Meine Beine)
Ein Film von Pierre Molinier. Frankreich, 1965, 16mm (von Super 8), sw, 10 min**
Der erfolgreiche Zahnarzt Michel bekommt ein mit großer Spannung                    SAMSTAG
erwartetes Paket aus Japan. Es enthält eine lebensgroße Puppe, die                  29.2. / 21.00
Michel zu seiner Lebensgefährtin macht. Dabei leistet die Puppe
seiner Mutter beim Stricken Gesellschaft, stillt das Baby seiner Haus-              MONTAG
hälterin und erfüllt jede (vor allem erotische) Fantasie, die ihm ein-              16.3. / 21.00
fällt: von romantischen Ausflügen bis zu gewalttätigem Sex. Die
»gemeinsamen« Aktivitäten werden oft aufgenommen und sogar                          *Courtesy
»zusammen« angeschaut. Michel, verkörpert vom unnachahmlichen                       Filmoteca de
                                                                                    Valencia
Michel Piccoli, schwankt schizophren zwischen den Extremen. Er ist
                                                                                    **Restaurierte
ein verzweifeltes Geschöpf, das skizzenhaften Überlegungen über                     Fassung
den Untergang der Männlichkeit folgt. Mit Tamaño natural nähert
sich Berlanga dem europäischen Autorenfilm, stark inspiriert vom
Künstler Pierre Molinier: im Angesicht einer idealisierten, passiven
und unzerstörbaren Weiblichkeit wird von einer ins Leere laufenden
Suche nach Erfüllung erzählt. (I. M.)

MÄRZ 2020 Bardem, Berlanga und Buñuel                                          10
FILMOTECA ESPAÑOLA

                     Tamaño natural

                     Le Journal d’une femme de chambre
                     (Tagebuch einer Kammerzofe)
                     R: Luis Buñuel B: Luis Buñuel, Jean-Claude Carrière nach dem Roman von Octave
                     Mirbeau K: Roger Fellous D: Jeanne Moreau, Georges Géret, Michel Piccoli.
                     Frankreich/Italien, 1964, 35mm, sw, 97 min. Französisch mit dt. UT
                     Französische Provinz 1930. Landadel, Dienerschaft und Klerus aus der             SONNTAG
                     Sicht eines Zimmermädchens. Die Villa der aristokratischen Familie               1.3. / 19.00
                     als Treibhaus für sexuelle Verklemmungen, Ignoranz, Fetischismus,
                     Schürzenjägerei, Standesdünkel und politische Blindheit. Was Buñuel              MONTAG
                     von Jean Renoirs Octave-Mirbeau-Verfilmung aus dem Jahre 1946                     30.3. / 19.00
                     unterscheidet, ist nicht nur die beiläufige Kühle und trocken-präzise
                     Unerbittlichkeit der Inszenierung. Individuelle Moral, so Buñuel, inter-
                     essiere ihn nicht, umso mehr diejenige der Gesellschaft. Seine Filme
                     seien gemacht, um letztere vom Grund her und als Ganzes in Frage zu
                     stellen. (H. T.) Es geht auch nicht bloß um bürgerliche Dekadenz. »Es
                     kam ihm darauf an, das untergehende Bürgertum als Nährboden des
                     Faschismus darzustellen. Deshalb ließ er den Film um 1930 spielen
                     und machte aus den Dreyfus-Gegnern des Romans Anhänger der
                     ›Action Française‹.« (Frieda Grafe)

                     MÄRZ 2020 Bardem, Berlanga und Buñuel                                       11
Belle de jour (Schöne des Tages)
R: Luis Buñuel B: Luis Buñuel, Jean-Claude Carrière nach dem Roman von
Joseph Kessel K: Sacha Vierny S: Louisette Hautecoeur D: Catherine Deneuve,
Jean Sorel, Michel Piccoli. Frankreich/Spanien, 1967, 35mm, Farbe, 99 min.
Französisch mit dt. UT
Die bürgerliche Frau, wandelnd voll Verlangen und schaudernder                     SONNTAG
Neugierde im perversen, komischen, furchtbaren Garten der Lüste.                   1.3. / 21.00
Der Schlüssel, der ihr Zugang zum sexuellen Labyrinth verschafft, ist
die Tatsache, dass sie ihre Außenwelt in jene zwei Teile separiert, in             DONNERSTAG
die ihre Innenwelt zerbrochen ist: Am Tag ist sie Hure, in der Nacht               19.3. / 21.00
liebende Gattin. Was ihn an Filmen bewege, so Luis Buñuel, sei die
Möglichkeit, ein Fenster zum Wunderbaren zu öffnen. In Belle de jour
erweitert sich sein subversives Verfahren auf die Keuschheit und die
sarkastische Abkürzung, mit denen er distanziert Abgründe schildert.
Entwaffnend, schwerelos, vieldeutig das Ineinanderspiel von Traum
und Realität. Denunziert Buñuel oder huldigt er? Ein Fallenwerk in
Pastell. Das System der Verbote und Sehnsüchte, ausgemalt von sei-
nem besessensten Kritiker und freiesten Chronisten. (H. T.)

MÄRZ 2020 Bardem, Berlanga und Buñuel                                         12
FILMOTECA ESPAÑOLA

                     Cómicos (Schauspieler)
                     R, B: J. A. Bardem K: Ricardo Torres S: León Klimovsky, Antonio Gimeno
                     M: Isidro B. Maiztegui D: Elisa Christian Galvé, Fernando Rey, Emma Penella.
                     Spanien/Argentinien, 1954, 35mm, sw, 88 min. Spanisch mit engl. UT ★
                     Die junge Schauspielerin Ana versucht in einem Theaterensemble                      MONTAG
                     unter der Leitung der älteren Doña Carmen Fuß zu fassen. Als die                    2.3. / 19.00
                     Truppe ein wichtiges Stück übernimmt und ihr die gewünschte Rolle
                     wieder einmal durch die Finger rutscht, überlegt sich Ana andere, we-               MITTWOCH
                     niger respektable Wege, um voranzukommen … Bardems erste Solo-                      18.3. / 21.00
                     Regiearbeit ist ein ästhetisch atemberaubendes Melodram, gleicher-
                     maßen inspiriert von Joseph L. Mankiewicz’ All About Eve und der                    Courtesy ICAA
                     eigenen Herkunft aus einer Theaterfamilie: eine dunkle Reise in die
                     Nacht, die dem Filmemacher laut eigener Aussage im Traum erschien.
                     Hinter dem bewussten und phantasmagorischen Umgang mit der fil-
                     mischen Form verbirgt sich eine tiefe Frustration mit der sozialen und
                     politischen Situation im franquistischen Spanien. Das Versprechen
                     der Jugend erstickt vor einer düsteren Kulisse der Erschöpfung. (I. M.)

                     MÄRZ 2020 Bardem, Berlanga und Buñuel                                          13
Calabuch
R: L. G. Berlanga B: L. G. Berlanga, Leonardo Martín, Florentino Soria,
Ennio Flaiano K: Francisco Sempere M: Francesco Lavagnino, Guido Guerrini
S: Pepita Orduña D: Edmund Gwenn, Valentina Cortese, Franco Fabrizzi.
Spanien/Italien, 1956, 35mm, sw, 96 min. Spanisch mit engl. UT ★
Eine Nachricht verblüfft die Welt: Der berühmte Atomphysiker und                 MONTAG
Raketenspezialist George Hamilton ist verschwunden. Tatsächlich ist              2.3. / 21.00
er inkognito im kleinen spanischen Fischerdorf Calabuch unterge-
taucht, weil seine Forschung für militärische Zwecke missbraucht                 FREITAG
wird. Die Einheimischen halten den seltsamen Fremden für einen                   20.3. / 19.00
Spießgesellen des örtlichen Schmugglers und stecken ihn ins Ge-
fängnis – das die Häftlinge freilich nach Belieben verlassen können. In          Courtesy ICAA
der entspannten Welt von Calabuch mit ihren kauzigen Bewohner*in-
nen findet der Professor eine neue, friedliche Heimat. Bis er sich
entschließt, beim jährlichen Feuerwerk mitzumachen. Eine lyrische
Vorstudie zu den abgründigen Gesellschaftsquerschnitt-Satiren, die
Berlangas Spezialität wurden: Mit seiner volkstümlichen Gewitztheit
und dem britischen Charakterdarsteller-Veteranen Edmund Gwenn
als Hauptfigur in seiner letzten Rolle auch eine Art spanisches Pen-
dant zu den unwiderstehlichen englischen Ealing-Komödien. (C. H.)

MÄRZ 2020 Bardem, Berlanga und Buñuel                                       14
Un chien andalou (Ein andalusischer Hund)
R, B: Luis Buñuel, Salvador Dalí K: Albert Dubergen D: Simone Mareuil,
Pierre Batcheff, Jamie Miravilles, Salvador Dalí, Luis Buñuel. Frankreich, 1929,
35mm, sw, ca. 18 min. Französische ZT mit dt. UT

L’Âge d’or (Das goldene Zeitalter)
R: Luis Buñuel B: Luis Buñuel, Salvador Dalí K: Albert Duverger S: Luis Buñuel
M: Mozart, Schubert, Wagner u.a. D: Gaston Modot, Lya Lys, Max Ernst.
Frankreich, 1930, 35mm, sw, 62 min. Französisch mit dt. UT
Die Wolke durchzieht den Mond, das Rasiermesser zerschneidet das MITTWOCH
Auge – und der Film explodiert in den Händen des kulturvertrock- 4.3. / 19.00
neten Abendlandes. Der Witz, die Wut und die Wollust von Un chien
andalou sind 90 Jahre später nicht mürbe geworden, seine images
choques reißen uns immer noch fort in Verstörung, konvulsivische
Schönheit und das Reich des Wunderbaren. Das gleiche gilt für
Buñuels zweiten Streich, von dem der Regisseur sagte: »L’Âge d’or ist
der einzige Film meiner Karriere, den ich in einem Zustand von
Euphorie, Enthusiasmus und Zerstörungsrausch drehte, in dem ich
die Vertreter der ›Ordnung‹ angreifen und ihre ›ewigen‹ Prinzipien
lächerlich machen wollte.« Eine explosive Aneinanderreihung revol-
tierender Bilder, die hinterhältig als Dokumentation über Skorpione
beginnt und nach surrealer Entgleisung – Erschießen des eigenen
Kindes, Bischofsskelette, Statuenzehenlutschen und andere anar-
chisch-blasphemisch-
komische Eskapaden
– bei Jesus und den
120 Tagen von Sodom
endet. (H. T./C. H.)

                  L’Âge d’or

MÄRZ 2020 Bardem, Berlanga und Buñuel                                              15
Cet obscur objet du désir
(Dieses obskure Objekt der Begierde)
R: Luis Buñuel B: Luis Buñuel, Jean-Claude Carrière nach einem Roman von
Pierre Louÿs K: Edmond Richard S: Hélène Plemiannikov D: Fernando Rey, Ángela
Molina, Carole Bouquet, Julien Bertheau, André Weber. Frankreich/Spanien, 1977,
35mm, Farbe, 104 min. Französisch mit engl. UT ★
Nochmals, zum letzten Male, erzählt Buñuel von einer Besessenheit, MITTWOCH
die das Ziel ihrer Begierde nicht zu erlangen vermag. Verfallenheit als 4.3. / 21.00
Verfall. Und parallel dazu: Akte des Terrorismus, unerklärlich, ver-
störend; aber »ernst nehmen mag er sie schließlich doch nicht: Dazu
passen sie einfach zu gut in seine surrealistische Landschaft, in der
die Krater schon immer wichtiger waren als die Bäume« (Hans C.
Blumenberg). Don Luis besetzt die Rolle des Objekts der Sehnsüchte,
als wäre es eine ganz normale Sache, mit zwei Schauspielerinnen und
die des alternden Bonvivants mit seinem fernen Ebenbild Fernando
Rey, um die Lüste und Katastrophen von Maître Mathieu zu behan-
deln, als wären sie die seinen. Was ihn nicht hindert, sie im gleichen
Augenblick wie Zuckungen eines Insekts unter dem Reagenzglas zu
studieren – sehr gelassen, sehr aufmerksam und erpicht auf alle
Äußerungen des Rätselhaften am Lächerlichen oder umgekehrt. (H. T.)

Los jueves, milagro (Donnerstags, Wunder)
R: L. G. Berlanga, Jorge Grau (ungenannt) B: L. G. Berlanga, J. L. Colina K: Francisco
Sempere S: Pepita Orduña M: Franco Ferrara D: Richard Basehart, José Isbert,
Paolo Stoppa. Spanien/Italien, 1957, 35mm, sw, 85 min. Spanisch mit dt. UT
Los jueves, milagro ist ein zweigeteilter Film. Der erste Teil ist eindeu-               DONNERSTAG
tig von der Handschrift Berlangas geprägt: Um das marode dörfliche                        5.3. / 19.00
Thermalbad wieder in Schwung zu bringen, täuschen die gesell-
schaftlichen Triebkräfte eines Kurorts die Erscheinung des Heiligen                      DONNERSTAG
Dimas – des guten Diebs – und wundertätige Heilkräfte der örtlichen                      19.3. / 19.00
Gewässer vor. Aber die Geschichte eines frommen Betrugs war im
Spanien der Franco-Diktatur ein heikles Thema. So wurde ein zweiter                      Courtesy
Teil inszeniert, in dem der echte Heilige auftaucht und die Fälscher                     Filmoteca
                                                                                         Española
übertrumpft, indem er vor versammelter Menschenmenge wahre
Wunder bewirkt. Nach Auseinandersetzungen mit der franquistischen
Zensur über das Drehbuch wurden auch noch zusätzliche Schnitte
angeordnet und (unter der Regie von Jorge Grau) alternative Szenen
gedreht. (D. A.)

MÄRZ 2020 Bardem, Berlanga und Buñuel                                              16
FILMOTECA ESPAÑOLA

                     Nunca pasa nada (Eine Frau ging vorbei)
                     R: J. A. Bardem B: J. A. Bardem, Alfonso Sastre K: Juan Julio Baena S: Margarita
                     Ochoa M: Georges Delerue D: Corinne Marchand, Antonio Casas, Jean-Pierre
                     Cassel. Spanien/Frankreich, 1963, 35mm, sw, 97 min. Spanisch mit dt. UT
                     Nunca pasa nada wurde ebenso wie Berlangas El verdugo 1963 beim                         DONNERSTAG
                     Filmfestival von Venedig vorgestellt. Für Bardem ist es eine Rückkehr                   5.3. / 21.00
                     in die bedrückende Enge der Provinzstädte, wie er sie schon meister-
                     haft in Calle Mayor dargestellt hatte. Dabei stellt er dieses Mal die be-               SAMSTAG
                     freite Haltung einer französischen Unruhestifterin, die zum Quell von                   21.3. / 21.00
                     Begierde und Verleumdung wird, der unglücklichen Resignation der
                     einheimischen Frauen und dem Doppelleben ihrer unterdrückten                            Courtesy ICAA
                     Ehemänner entgegen. Im Hinblick auf die Parallelen zu Bardems frü-
                     herem Film wurde Nunca pasa nada daheim verächtlich als »Calle
                     Menor« (»Nebenstraße«) abgetan, ohne die Schönheit seines Porträts
                     der trostlosen kastilischen Winter oder der melancholischen Einsam-
                     keit seiner Charaktere zu würdigen, die durch den Einsatz von Tiefen-
                     schärfe und Scope-Aufnahmen noch verstärkt wurde. In der Haupt-
                     rolle: Corinne Marchand aus Agnès Vardas Cléo de 5 à 7. (D. A.)

                     MÄRZ 2020 Bardem, Berlanga und Buñuel                                              17
El ángel exterminador (Der Würgeengel)
R: Luis Buñuel B: Luis Buñuel, Luis Alcoriza K: Gabriel Figueroa S: Carlos Savage
M: Raúl Livista D: Silvia Pinal, Enrique Rambal, Jacqueline Andere. Mexiko, 1962,
35mm, sw, 93 min. Spanisch mit engl. UT ★
Eine Gruppe von Menschen möchte einen Raum verlassen, kann je-                           FREITAG
doch die Schwelle nicht überschreiten. Man ist gezwungen, unter sich                     6.3. / 19.00
zu bleiben. Der Aufenthalt wird zur Privathölle, die Ausnahmesitu-
ation legt die Menschen bloß, zersetzt die Fassade im Antlitz der                        FREITAG
Aristokraten und Großbürger. Etwas wollen und es nicht können, Ein-                      27.3. / 21.00
geschlossenheit in sich selbst. »Durch die künstlerische Vermittlung
sehen wir uns, wie es uns im Leben nicht möglich ist: sachlich darge-
stellt, gefangen im Kinosaal. Das ist der Schrecken, der diesem Werk
innewohnt.« (Carlos Fuentes) El ángel exterminador verdichtet Grund-
motive im Werk Buñuels zu einer Konstruktion, die dem fremdartigen
Gesetz des Traums gehorcht. Das Mysterium hat Buñuel als Wesens-
element des Kunstwerks im Allgemeinen angesehen, die Imitation
des Traums als Spezifikum des Films. Als unheimliche, lastende, be-
drängende Macht ist das Geheimnisvolle – jenes, das Buñuel einzig
am Kino interessiert – innerstes Zentrum von El ángel exterminador.
(H. T.)

MÄRZ 2020 Bardem, Berlanga und Buñuel                                               18
Plácido
R: L. G. Berlanga B: L. G. Berlanga, Rafael Azcona, José Luis Colina,
José Luis Font K: Francisco Sempere S: José Antonio Rojo M: Miguel Asins Arbó
D: Casto Sendra Cassen, José Luis López Vázquez, Elvira Quintillá.
Spanien, 1961, 35mm, sw, 85 min.* Spanisch mit engl. UT ★
DAVOR: La muerte y el leñador (Der Tod und der Holzfäller)
R: L. G. Berlanga B: L. G. Berlanga, Rafael Azcona nach der Fabel von La Fontaine
K: Francisco Sempere S: Rosa Salgado M: Miguel Asins Arbó D: Hardy Krüger,
Ana Casares, Agustín González. Spanien/Frankreich/Italien, 1962, 35mm,
sw, 30 min.** Spanisch mit dt. UT
In einer spanischen Kleinstadt wird zu Weihnachten eine karitative                       FREITAG
Auktion abgehalten: Zweitklassige Filmstarlets können ersteigert                         6.3. / 21.00
werden, um das Festessen glamouröser zu gestalten – vorausgesetzt,
es werden auch arme Obdachlose mit durchgefüttert. Die Aktion                            SONNTAG
führt zu chaotischen Verwicklungen. Mittendrin: Fahrer Plácido, der                      22.3. / 21.00
eigentlich ein Bankgeschäft erledigen müsste. Der Auftakt der frucht-
baren Zusammenarbeit von Berlanga mit Drehbuchautor Rafael                               *Courtesy ICAA
Azcona (auch Marco Ferreris bevorzugter Schreibpartner) demon-                           **Courtesy
striert mustergültig ihre Vorlieben für virtuos choreoegrafierte Über-                    Filmoteca de
                                                                                         Valencia
Kreuz-Arrangements zahlreicher Figuren, die alle nur vom Eigennutz
getrieben sind. Die Idee der Wohltätigkeit wird dabei konsequent auf
den Kopf gestellt: Trotz des täuschend komödiantischen Duktus gibt
es keinen schwärzeren Weihnachtsfilm als Plácido. Zum Auftakt ein
weiterer satirischer Spieß-
rutenlauf in Form eines sel-
ten gezeigten Episoden-
filmbeitrags: eine Fontaine-
Modernisierung mit Hardy
Krüger, einem Esel und
einem      unbarmherzigen
Blick auf die Armut unter
Francos Regime. (C. H.)

                         Plácido

MÄRZ 2020 Bardem, Berlanga und Buñuel                                               19
FILMOTECA ESPAÑOLA
Ensayo de un crimen
(Das verbrecherische Leben des Archibaldo de la Cruz)
R: Luis Buñuel B: Luis Buñuel, Eduardo Ugarte nach dem Roman von Rodolfo
Usigli K: Agustín Jiménez S: Jorge Busto Pablo Gómez M: Jorge Pérez Herrera
D: Ernesto Alonso, Miroslava Stern, Rita Macedo. Mexiko, 1955, 35mm, sw, 90 min.
Spanisch mit engl. UT ★
Erstmals bei Buñuel: ein Film, der rundum von lakonisch schwarzem SAMSTAG
Humor geprägt ist, jenem aus dem Nebenbei kommenden abgrün- 7.3. / 19.00
digen Witz mit Widerhaken, den der Spanier malhumorismo nennt.
Eine Komödie über Sadismus und gehemmte Mordlust. Der Held,
charmant, kultiviert und in Dingen der Liebe gestört, hegt die Nei-
gung oder den Zwang, die faszinierende, verstörende Anziehung, die
Frauen in ihm auslösen, mit Tötungswünschen zu quittieren. Da seine
diesbezüglichen Absichten regelmäßig durchkreuzt werden (verzö-
gerte Befriedigung, ein Leitmotiv Buñuels), finden die Verbrechen
tatsächlich im wunderbaren und lächerlichen Reich der Fantasie statt.
Buñuel schildert dies erheitert, nüchtern und schwerelos – als be-
schreibe er die Irrwege einer Ameise. (H. T.)

MÄRZ 2020 Bardem, Berlanga und Buñuel                                         20
El verdugo (Der Henker)
R: L. G. Berlanga B: L. G. Berlanga, Rafael Azcona, Ennio Flaiano K: Tonino Delli
Colli S: Alfonso Santacana M: Miguel Asins Arbó D: Nino Manfredi, Emma Penella,
José Isbert. Spanien/Italien, 1963, 35mm, sw, 87 min. Spanisch mit engl. UT ★
Berlangas berühmtestes Werk wird in Umfragen zurecht regelmäßig                     SAMSTAG
zu einem der besten spanischen Filme aller Zeiten gewählt und ist die               7.3. / 21.00
schärfste Illustration seines (von Autor Rafael Azcona geteilten) pes-
simistischen Weltbilds vom Menschen als Gefangener »der unsicht-                    FREITAG
baren Fallen, die uns die Gesellschaft stellt«. Der Bestattungsgehilfe              27.3. / 19.00
José Luis (Nino Manfredi) wird wegen seines Berufs von den Frauen
gemieden. Nicht anders geht es Carmen (Emma Penella), der Tochter                   Courtesy ICAA
des staatlichen Henkers (genial jovial: José Isbert), der bald pensions-
reif ist. Als José Luis eine Affäre mit Carmen beginnt, führt das mit
beiläufiger, aber unaufhaltsamer Konsequenz dazu, dass er auch be-
ruflich das Erbe des Henkers antritt. Die Situation spitzt sich stetig zu,
um in einem unvergesslichen paradoxen Bild zu kulminieren: Der
Henker wird zur Exekution geschleift. Eine schneidend komische
Anklage gegen die Todesstrafe, unmenschliche staatliche Bürokratie
und grassierende menschliche Schwäche. (C. H.)

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La ilusión viaja en tranvía
(Die Illusion fährt mit der Straßenbahn)
R: Luis Buñuel B: Luis Buñuel, Luis Alcoriza, José Revueltas, Juan de la Cabada,
Mauricio de la Serna nach einem Stoff von De la Serna K: Raúl Martinez Solares
S: Jorge Busto M: Luis Hernández Bretón D: Lilia Prado, Carlos Navarro, Fernando
Soto »Mantequilla«. Mexiko, 1954, 35mm, sw, 82 min. Spanisch mit engl. UT ★
Eines der heimlichen Hauptwerke des mexikanischen Kinos – berü- SONNTAG
ckende Traumerfüllung, ganz leicht und alltäglich, als wäre nichts. 8.3. / 21.45
Zwei Straßenbahner, Juan Godínez »Caireles« und Tobías Hernández
»Tarrajas«, entführen ihre Lieblingstramway No. 133, die aus dem
Verkehr gezogen werden soll, und gondeln mit ihr eine Nacht und
einen Tag lang durch die Randzonen der Stadt. Die lose Episoden-
struktur nimmt den späten Luis Buñuel vorweg und verbindet sich
auf halbem Weg mit einem Dokumentarfilm über Mexico City, einer
Sozialsatire und einem Volksstück mit sarkastischer Note. Ganz
beiläufig arbeitet Buñuel in diesem als Auftragswerk begonnenen
Film gegen den Gott der Logik. Da er stets die unauffälligste Form
wählt, macht die Eleganz der Inszenierung sich vergessen, so als be-
stünde sie nicht. (H. T.)

La Voie lactée (Die Milchstraße)
R, M: Luis Buñuel B: Luis Buñuel, Jean-Claude Carrière K: Christian Matras
S: Louisette Hautecoeur D: Paul Frankeur, Laurent Terzieff.
Frankreich/Italien, 1969, 35mm, Farbe, 101 min. Französisch mit engl. UT ★
Frieda Grafe: »Für den Zuschauer bedeutet jede Sequenz, fast jedes MONTAG
Bild Appell an seine Erinnerungen, an Bilder, an Gewusstes. Buñuel 9.3. / 19.00
redet eine Sprache, deren Wörter man kennt. Nur die Sätze sind
ungewöhnlich.« Ein Bilderbogen christlicher Häresie; das Komposi-
tionsprinzip: freie Assoziation. Oder ein Garten, in dem sich die Pfade
in eine, eine weitere und wieder in eine andere Geschichte verzwei-
gen. Auf ihren Irrwegen nach Santiago de Compostela folgen zwei
Clochards dem erlauchtesten Pilgerweg des Abendlandes, um von
einem Jahrhundert ins andere zu geraten und auf Maultierpfaden
und Autobahnen über die Grenzen verschiedener Filme zu wechseln,
die sich als falsch geheftete Kapitel einer Enzyklopädie des Ketzer-
tums oder als Träume in Träumen erweisen. Ein Film, der erfüllt ist von
der Poesie der Wiederholung und vom phlegmatischen Nektar des
surrealen Humors: fremd wie die Milchstraße, äußerst populär und
leichthin vorgeführt wie ein geplauderter Wetterbericht. (H. T.)

MÄRZ 2020 Bardem, Berlanga und Buñuel                                         22
FILMOTECA ESPAÑOLA

                                                                                                         El puente

                     El puente (Die Brücke)
                     R: J. A. Bardem B: J. A. Bardem, Javier Palmero und Daniel Sueiro nach dessen
                     Kurzgeschichten K: José Luis Alcaine S: Eduardo Biurrun M: José Nieto D: Alfredo
                     Landa, Josele Román, Francisco Algora. Spanien, 1976, 35mm, Farbe, 108 min.*
                     Spanisch mit engl. UT ★
                     DANACH: Amnistía y libertad (Amnestie und Freiheit)
                     Ein Film des Colectivo de Cine de Madrid. Spanien, 1976, DCP, Farbe, 32 min.
                     Spanisch /dt. Übersetzung liegt auf
                     Als der prototypische Schauspieler Spaniens in erotischen Komödien                  MONTAG
                     der 1970er hat Afredo Landa dem Genre in der Heimat des Spitz-                      9.3. / 21.00
                     namen »Landismo« eingetragen. Dass Bardem ihn in El puente be-
                     setzte, war das ein Signal: Politisches Engagement soll ins populäre                SONNTAG
                     Kino der unmittelbaren Post-Franco-Ära gebracht werden. Landa                       29.3. / 21.00
                     spielt einen individualistischen Mechaniker, der am Wochenende wie
                     Don Quijote auf dem Motorrad die entlegenen Strände von Torremo-                    *Courtesy Filmo-
                     linos ansteuert. Unterwegs begegnet er den Ungerechtigkeiten und                    teca de Valencia
                     Dramen des realen Spaniens. Mit neu gewonnenem Klassenbewusst-
                     sein kehrt er in seine Werkstatt zurück und schließt sich der Gewerk-
                     schaftsbewegung an. Eine Episode des Films prangert die Existenz
                     von politischen Gefangenen im Jahr 1976 an: Die Forderung nach
                     ihrer Begnadigung und Befreiung ist Thema des militanten Doku-
                     mentarfilms Amnistía y libertad. (D. A.)

                     MÄRZ 2020 Bardem, Berlanga und Buñuel                                          23
FILMOTECA ESPAÑOLA
La escopeta nacional (Das nationale Gewehr)
R: L. G. Berlanga B: L. G. Berlanga, Rafael Azcona K: Carlos Suárez S: José Luis
Matesanz D: José Sazatornill, Mónica Randall, Luis Escobar. Spanien, 1978, 35mm,
Farbe, 95 min. Spanisch mit engl. UT ★
Der Auftakt zur sogenannten »Nacional-Trilogie« (nach dem großen                                  MITTWOCH
Erfolg dieses Films folgte 1980 Patrimonio nacional und 1982 noch                                 11.3. / 19.00
Nacional III) und der Beginn der letzten Etappe im Werk von Berlanga.
Der Film betont die Vielstimmigkeit der handelnden Figuren und zu-                                SONNTAG
gleich die mangelnde Kommunikation zwischen ihnen – ein Zugang,                                   22.3. / 19.00
wie ihn auch der US-Regisseur Robert Altman pflegte. In diesem Fall
sind die ästhetischen Entscheidungen aber auch von den neuen Aus-                                 Courtesy ICAA
drucksmöglichkeiten geprägt, die durch die frische Demokratie mög-
lich wurden. Nun kann Berlanga nicht nur von einer Jagdgesellschaft
erzählen, die eine aristokratische Familie auf dem absteigenden Ast
mit den höchsten politischen Eliten des späten Franquismus verbin-
det. Er erlaubt es sich obendrein, spöttisch zu Korruption, Laster und
Rivalitäten zwischen den Fraktionen Stellung zu beziehen und bringt
sogar die katalanische Frage ins Spiel. Darüber hinaus riskiert der Re-
gisseur so manchen apokalyptischen und erotischen Scherz. (D. A.)

MÄRZ 2020 Bardem, Berlanga und Buñuel                                         24
Subida al cielo (Auffahrt zum Himmel)
R: Luis Buñuel B: Luis Buñuel, Manuel Altolaguirre, Juan de la Cabada, Lilia Solano
Galeana nach einer Erzählung von Altolaguirre und Manuel Reachi K: Alex Phillips
S: Rafael Portillo M: Gustavo Pittaluga D: Lilia Prado, Esteban Márquez,
Luis Aceves Castañeda. Mexiko, 1952, 35mm, sw, 74 min. Spanisch mit dt. UT
Buñuels Subida al cielo ist die unterschwellig surreale Autobus-Vari- MITTWOCH
ante von John Fords Stagecoach, gefilmt mit stoischer Heiterkeit, die 11.3. / 21.00
sich auch angesichts des Triebhaften und Unheimlichen bewährt. Der
Beginn: nahezu ein Kulturfilm über mexikanisches Dorfleben, unter-
mischt mit Märchenfolklore und Mondscheinpathos. Danach eine im
Sterben begriffene Frau. Schließlich – unter dem mittelamerikani-
schen Rampenlicht des niemals fernen Todes – eine Busfahrt, die zu
einer Lebensreise wird, hinauf zu Bergen unter erosgeballtem Gewit-
tergewölk, hinab zu Dschungeln mit schlammdunklen Flüssen. Luis
Buñuel als pikaresker Erzähler über Geburt, Verführung, Liebe, Ster-
ben und Lust. Der Film, trocken wie Staub, leicht wie Gefieder, ist aus-
gestattet mit einer Traumsequenz, darüber hinaus mit der Qualität
subversiven Zaubers. (H. T.)

Las Hurdes / Terre sans pain (Land ohne Brot)
R: Luis Buñuel B: Luis Buñuel, Rafael Sánchez Ventura K: Eli Lotar M: Darius
Milhaud E: Pierre Unik. Spanien, 1932, 35mm, sw, 29 min. Französisch mit dt. UT

España leal en armas (Das loyale Spanien in Waffen)
R: Luis Buñuel K: Roman Karmen, Manuel Villegas Lopez S: Jean-Paul le Chanois
M: Ludwig van Beethoven E: Gaston Modot. Spanien, 1937, 35mm, sw, 34 min.
Spanisch mit engl. UT ★
Sowohl die Stimme des Kommentators als die Klänge klassischer DONNERSTAG
Musik stimmen in Terre sans pain die Erwartung eingangs darauf ein, 12.3. / 19.00
einen Dokumentarfilm im Stil seriöser Kultiviertheit über die elends-
heimgesuchten Bergregionen der Estremadura zu sehen. Dann je-
doch: statt dem Gespenst der Sachlichkeit eine erschreckende Vision
von Tod, Krankheit, Verwesung. Das Surreale allenthalben als Be-
standteil des Alltags. Fünf Jahre nach diesem Film, der in Spanien
sofort verboten wird, besinnt sich die bedrohte Republik des als anti-
nationalen Wüstlings eingestuften Künstlers. Buñuel wird ersucht, aus
Dokumentarmaterial einen Film über den Spanischen Bürgerkrieg
herzustellen, der die Welt aufrütteln soll. Das Ergebnis: España leal en
armas. (H. T.)

MÄRZ 2020 Bardem, Berlanga und Buñuel                                             25
FILMOTECA ESPAÑOLA
Siete días de enero

Siete días de enero (Sieben Tage im Jänner)
R: J. A. Bardem B: J. A. Bardem, Gregorio Morán K: Leopoldo Villaseñor S: Guillermo
Maldonado M: Nicolas Payrac D: Manuel Ángel Egea, Madeleine Robinson, Virginia
Mataix. Spanien/Frankreich, 1979, 35mm, Farbe, 157 min.* Spanisch mit engl. UT ★
DANACH: Hasta siempre en la libertad (Für immer in Freiheit)
Ein Film des Colectivo de Cine de Madrid. Spanien, 1977, DCP, Farbe, 30 min.
Spanisch /dt. Übersetzung liegt auf
Am 24. Jänner 1977, während der politischen Reformen in Richtung                                     DONNERSTAG
Demokratie und in einem Klima zunehmender Spannungen, wurden                                         12.3. / 20.30
in Madrid fünf Menschen in einer Kanzlei für Arbeitsrecht ermordet
und vier weitere verletzt. Drei Monate später wurde die spanische                                    MONTAG
Kommunistische Partei legalisiert und nahm kurz darauf an den                                        23.3. / 20.15
ersten freien Wahlen teil. Diese historischen Ereignisse werden im
Gegeninformations-Film Hasta siempre en la libertad und im Spiel-                                    *Courtesy of
film Siete días de enero dokumentiert. Bardem rekonstruiert für sein                                  ICAA
episches Drama das Massaker, die Beerdigung und die anschließende
gerichtliche Untersuchung unter Verwendung von Archivmaterial
und vermeidet dabei jegliche Trivialisierung von Gewalt. (D. A.)

MÄRZ 2020 Bardem, Berlanga und Buñuel                                           26
Le Charme discret de la bourgeoisie
(Der diskrete Charme der Bourgeoisie)
R: Luis Buñuel B: Luis Buñuel, Jean-Claude Carrière K: Edmond Richard
S: Hélène Plemiannikov D: Fernando Rey, Delphine Seyrig, Stéphane Audran.
Frankreich, 1972, 35mm, Farbe, 101 min. Französisch mit engl. UT ★
Luis Buñuels Obsessions-Thema Nummer 1. Verhinderte Begierde: SAMSTAG
etwas wollen und dabei ständig gestört werden. Eine Gruppe hinrei- 14.3. / 19.00
chend mondäner und diskret unehrenhafter Bürger schickt sich an
zu dinieren, und wird dabei, im ansteigenden Verlauf der Vorlust,
wieder und wieder, einen ganzen Film hindurch, unterbrochen. Die
Qualen der Verdammten aus dem Inferno, verwandelt in einen
running gag der schönen neuen Luxus- und Lügenwelt. Don Luis,
zweiundsiebzigjährig, böse, frei wie der Wind, enigmatisch heiter
und maliziös, kehrt über den Umweg der Screwball Comedy zu sei-
nen surrealen Anfängen zurück und stellt sich die Frage, wie normal
der Traum und wie traumhaft die Realität anmutet oder wie ein Stück
von Beaumarchais aussehen würde, das – unter den Drogen des Jah-
res 1972 – nur mehr aus der zwanzigfach variierten 1. Szene des 1. Akts
besteht. (H. T.)

Le Fantôme de la liberté (Das Gespenst der Freiheit)
R: Luis Buñuel B: Luis Buñuel, Jean-Claude Carrière K: Edmond Richard
S: Hélène Plemiannikov D: Adriana Asti, Julien Bertheau, Monica Vitti.
Frankreich, 1974, 35mm, Farbe, 104 min. Französisch mit engl. UT ★
Jean de Baroncelli: »Le Fantôme de la liberté ist ein Film, der ohne SAMSTAG
Wegweiser und Gebrauchsanweisung auskommt. Bewunderung 14.3. / 21.00
genügt.« Mit der heiteren Grausamkeit und nüchternen Logik eines
träumenden Advokaten gibt Don Luis Motive wie Stafetten weiter, die
sich von Szene zu Szene unmerklich verändern. Alter surrealer Ritus
der Assoziation, demzufolge sich alles in alles zu ändern vermag.
Nichts jedoch, keine Episode, keine Handlung, kommt in dieser mit
beißendem Spott auf den Kopf gestellten Welt der Bourgeoisie ans
angesteuerte Ziel. Frankreich 1974, eine Ära, in der der Surrealismus
zum Chic der Boutiquen, die Gewalt zum Alltag, die Provokation zur
Reklame verkommen sind. Buñuel unternimmt die freieste, luzideste
Fahrt durch das Phantomreich der Freiheit, indem er die Stars des
Kinos einen Splitterbogen von Fragmenten durchgleiten lässt, die
allesamt absurd, obskur und unsinnig sind und die in böser Beiläufig-
keit ein Kontinuum ad infinitum bilden. (H. T.)

MÄRZ 2020 Bardem, Berlanga und Buñuel                                       27
© PARSECH SCHUBARALJAN – DEFA STIFTUNG
Die Mahnung
R: J. A. Bardem B: J. A. Bardem, Liuben Stanev K: Plamen Wagenstein
S: Liliana Mijova M: Kiril Tsiboulka D: Petyr Gjurow, Assen Dimitrow, Boris Lukanow.
DDR/Bulgarien/Sowjetunion/Ungarn, 1982, 35mm, Farbe, 143 min. Deutsch
Der engagierte Kommunist Bardem hatte unverdientermaßen die                                                            SONNTAG
Gunst der gehobenen Kritik verloren, als er sich in den 1960ern kom-                                                   15.3. / 18.00
merzielleren Projekten zuwandte – was sich auch nicht mehr änderte,
als er nach dem Tod von Diktator Franco offensiv politische Sujets an-                                                 MONTAG
ging. Der faszinierendste Film dieser Spätphase ist Die Mahnung, eine                                                  30.3. / 21.00
wuchtige osteuropäische Koproduktion zum 100. Geburtstag des
einstigen bulgarischen Ministerpräsidenten Georgi Dimitroff. Als
Angeklagter im Schauprozess der Nationalsozialisten gegen die an-
geblichen Reichstags-Brandstifter gelang es Dimitroff mit rhetori-
scher Brillanz, die Verhandlung zum Debakel für die Nazis zu machen.
Der Prozess steht auch im Zentrum von Bardems Film, der außerge-
wöhnliches Archivmaterial mit Spielszenen kombiniert, um Dimitroffs
Bemühungen zu schildern, eine Einheitsfront gegen den Faschismus
aufzubauen. Dimitroffs Zeit in Österreich spielt ebenfalls eine Rolle,
nicht zuletzt in einer Traum-Begegnung mit dem Wiener Sozialisten
Otto Bauer. (C. H.)

MÄRZ 2020 Bardem, Berlanga und Buñuel                                            28
FILMOTECA ESPAÑOLA

                     Nazarín
                     R: Luis Buñuel B: Luis Buñuel, Julio Alejandro nach dem Roman von Benito
                     Perez Galdos K: Gabriel Figueroa S: Carlos Savage M: Rodolfo Halffter
                     D: Francisco Rabal, Marga López, Rita Macedo. Mexiko, 1959, 35mm, sw, 94 min.
                     Spanisch mit engl. UT ★
                     In einem Stil, der auch den leisesten Anflug von Gefälligkeit ver- SONNTAG
                     schmäht, erzählt Buñuel die Leidensgeschichte des Priesters Nazarín. 15.3. / 21.00
                     Dessen Entscheidung, den Armen tätig zu helfen statt ihnen zu predi-
                     gen, bringt ihm die Feindschaft von Klerus, Großgrundbesitz und
                     Obrigkeit. Seine Wanderungen durch Mexiko enden vereinsamt in
                     Ketten: als zweifelnder Outlaw läßt er sich zum Kreuzweg abführen.
                     Das Werk eines radikalen Leugners oder radikalen Christen? Don Luis,
                     der sowohl den Atheismus als die Vieldeutigkeit liebt, hat darauf be-
                     standen, mit Rätseln zu leben und nur die Rebellion als Antwort auf die
                     Welt zu akzeptieren. Nazarín: ein Film der Herausforderungen. (H. T.)

                     MÄRZ 2020 Bardem, Berlanga und Buñuel                                           29
FILMOTECA ESPAÑOLA
Novio a la vista (Ein Freund taucht auf)
R: L. G. Berlanga B: L. G. Berlanga, J. A. Bardem, José Luis Colina nach einem Dreh-
buch von Edgar Neville K: Cecilio Paniagua S: Pepita Orduña M: Juan Quintero
D: Josette Arno, Jorge Vico, José María Rodero. Spanien, 1953, 35mm, sw, 83 min.
Spanisch mit engl. UT ★
Sommer 1918: bürgerliche Familien lümmeln an der spanischen Küste.                     MITTWOCH
Während die Eltern über den Reichtum der Aristokratie schwärmen,                       18.3. / 19.00
kämpfen die Kinder gegen die Eingliederung in ein berechenbares
Erwachsenenleben. Die Spannung zwischen den Fronten steigt, bis                        SAMSTAG
es zum Krieg um Loli kommt, ein junges Mädchen, das sich Seiden-                       28.3. / 19.00
strümpfe anziehen und für Männer zur Schau stellen muss anstatt mit
ihren Freunden zu spielen. Die Erwachsenen werden trotz ihrer mili-                    Courtesy Filmo-
tärischen Pläne besiegt. Und doch bringt die Rückkehr in den Alltag                    teca de Valencia
eine gesteigerte Unsicherheit mit sich. Im Gewand der leichtfüßigen
Komödie hält Berlanga der spanischen Gesellschaft einen Zerrspiegel
vor. Die Kraft des Films steckt in den Kindern, die dagegen kämpfen,
sich in die grotesken Bilder der Vorfahren zu verwandeln. Der Filme-
macher zeigt, wie sie in die Enge getrieben werden. (I. M.)

MÄRZ 2020 Bardem, Berlanga und Buñuel                                             30
Los olvidados (Die Vergessenen)
R: Luis Buñuel B: Luis Buñuel, Luis Alcoriza, Julio Alejandro, Juan Larrea, José de
Jesús Aceves, Max Aub, Pedro de Urdimalas K: Gabriel Figueroa S: Carlos Savage
M: Rodolfo Halffter nach Themen von Gustavo Pittaluga D: Estela Inda, Miguel
Inclán, Alfonso Mejía. Mexiko, 1950, 35mm, sw, 80 min. Spanisch mit engl. UT ★
Einer der größten und einer der grausamsten Filme der Welt, gelin- FREITAG
dert weder durch irgendeine beschwichtigende Moral noch durch 20.3. / 21.00
Mitleid oder die Wattepölster der Sentimentalität. Was das Christen-
tum als Hölle auszumalen beliebt, zeigt Buñuel unerbittlich als Dies-
seits. Du, der du hier eintrittst, lass’ alle Hoffnung fahren. Ort des
Infernos: Mexico City, die Slums. Auf den ersten Blick ein neorealisti-
scher oder sozialkritischer Film, der sich jedoch sofort – erfüllt vom
lastenden Druck des Alptraums – als etwas anderes erweist. Surreales
Reich des Bösen. Kinder, Bettler und Krüppel, von denen maßlose
Verrohung Besitz ergriffen hat. Armut bringt Monstren hervor. So ein-
fach, so schrecklich lautet die Lehre der Realität. Zur Ungerührtheit
von Buñuels Sichtweise gesellt sich ein weiterer Schock. Der Alptraum
ist nicht geträumt. Kein Erwachen winkt. (H. T.)

MÄRZ 2020 Bardem, Berlanga und Buñuel                                             31
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